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RITT DES LEBENS

Von den Alpen nach Sylt - querfeldein mit Pferd. 1700 Kilometer wildromantischer Wahnsinn in 66 Tagen.

Von den Alpen nach Sylt - querfeldein mit Pferd. 1700 Kilometer wildromantischer Wahnsinn in 66 Tagen.

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ABENTEUER DEUTSCHLAND<br />

<strong>RITT</strong> <strong>DES</strong><br />

<strong>LEBENS</strong><br />

Von den Alpen nach Sylt – querfeldein mit Pferd. 1.700 Kilometer<br />

wildromantischer Wahnsinn in 66 Tagen. Rückreise per Helikopter.<br />

Fotograf Florian Wagners Abenteuer Deutschland zaubert mit<br />

spektakulären Aufnahmen das Spiegelbild eines schönen Landes<br />

TEXT: JOHAN DEHOUST<br />

FOTOS: FLORIAN WAGNER<br />

68 SEHNSUCHT DEUTSCHLAND 1*2015


IMMER SCHNELLER,<br />

IMMER WEITER<br />

Im Galopp über die<br />

staubigen Sandwege<br />

der Lüneburger Heide.<br />

Nur das Schnauben<br />

der Pferde und der<br />

dumpfe Aufprall ihrer<br />

Hufe sind zu hören<br />

69


ABENTEUER DEUTSCHLAND<br />

MEIN VATER WAR AUF DER GANZEN WELT, ABER SO SCHÖN<br />

WIE BEI UNS WAR ES NIE, SAGTE ER. ICH WAR<br />

MIR NICHT SICHER, OB ER VON DEUTSCHLAND ODER<br />

OBERAMMERGAU SPRACH. HEUTE WEISS ICH: ER MEINTE BEI<strong>DES</strong><br />

FLORIAN WAGNER<br />

F<br />

Fast wäre der siebte Tag schon der letzte gewesen.<br />

Als Florian Wagner seine Brottüte aus der Satteltasche<br />

zieht, zuckt sein Pferd zusammen und prescht<br />

mit ihm in ein Weizenfeld. Er landet auf der harten<br />

Ackerkruste – und kommt nicht wieder hoch.<br />

Die Sonne brennt, wir stehen wie gefroren auf<br />

der Landstraße kurz hinter Neuhausen. War es das<br />

Endstation niederbayerischer Acker Vor einer<br />

Woche sind wir am Fuße der Zugspitze losgeritten.<br />

Die Wettersteinwand lag nebelverhangen hinter uns<br />

– und Deutschland vor uns. Sechs Menschen, fünf<br />

Pferde, ein Hund. Wir wollten bis nach Sylt reiten,<br />

einmal von Süd nach Nord durch die Republik.<br />

Ohne Florian würde das unmöglich sein.<br />

Er ist Fotograf und hatte die Idee zu diesem<br />

Abenteuer. Seit er nach der Schulzeit als Cowboy<br />

in Australien gearbeitet hatte, reitet der 46-jährige<br />

Oberammergauer. Er hat zwei Pferde, die Paintstute<br />

Soloma und den Araberwallach Rooh. Viele<br />

Jahre reiste er für seinen Beruf durch die Welt.<br />

Dann entschied er, mit Gleichgesinnten Deutschland<br />

zu erkunden. Er hat sein Team wohlüberlegt<br />

ausgewählt: die Assistentin Hannah Gorkenant,<br />

Wilfried Kolb, der uns mit Jeep und Anhänger<br />

begleitet, die langjährigen Pferdekenner Barbara<br />

Ochotta, Karin Maushart und Thomas Beyer.<br />

Florian selbst ist der Kopf der Unternehmung.<br />

Kein Abenteuer ohne Abenteuer<br />

Fünf Sekunden, die wie fünf Stunden erscheinen:<br />

Von dem Fotografen ist nichts zu sehen. Und dann<br />

– endlich – erscheint Florians Kopf wieder über<br />

den Weizenähren. Wir rufen den Krankenwagen<br />

und reiten dann ohne unseren Anführer zu einem<br />

Pferdehof nahe der Donau. Abends ruft Florian an:<br />

STARTPUNKT<br />

VORALPEN<br />

66 Tage dauerte der<br />

fantastische Ritt über<br />

1.700 Kilometer vom<br />

Eibsee in Bayern über<br />

Thüringen, Sachsen,<br />

Sachsen-Anhalt und<br />

Hamburg bis zum nördlichsten<br />

Punkt Deutschlands<br />

in List auf Sylt<br />

in Schleswig-Holstein<br />

SYLT<br />

ZUGSPITZE<br />

nur Prellungen, schmerzhaft zwar, aber morgen<br />

früh sei er wieder dabei. Wir haben unsere Pferde<br />

monatelang auf diese Reise vorbereitet. Haben sie<br />

an gefährliche Situationen gewöhnt: an über die<br />

Straße rollende Bälle, vorbeirasende Züge,<br />

schmale Brücken. Aber die Tiere bleiben unberechenbar.<br />

Winzigkeiten reichen, um ihren Fluchtreflex<br />

auszulösen. Wie die raschelnde Brottüte.<br />

Ich werde nie vergessen, wie wir am Eibsee losritten.<br />

Mit einem verschlafenen Grinsen musste ich an<br />

meinen Vater denken. Er hatte mir vor Jahren<br />

gesagt: Weißt du, ich war schon in vielen Ländern<br />

dieser Welt, aber so schön wie bei uns war es nie.<br />

Ich war mir nicht sicher, ob er von Deutschland oder<br />

Oberammergau gesprochen hatte. Heute, nach<br />

meiner bislang größten Abenteuerreise, weiß ich:<br />

Er meinte beides. (Florian Wagner)<br />

Auf in den Sattel<br />

Unsere Reise führt durch die Oberpfalz und<br />

Oberfranken. Schon vor Sonnenaufgang sind wir<br />

unterwegs, ausgestattet mit Stirnlampen und<br />

reflektierenden Halftern. So schaffen wir es meist,<br />

vor der Mittagshitze am Tagesziel zu sein, und<br />

verhindern, dass den Pferden der Schweiß durchs<br />

Fell rinnt. Mir fällt es anfangs noch schwer, um<br />

vier schon im Sattel zu sitzen, ich gewöhne mich<br />

aber bald daran.<br />

Nicht lange, bis ich verstehe, warum Barbara<br />

im Morgengrauen so gern Goethes Gedicht<br />

Freisinn zitiert: Lasst mich nur auf meinem Sattel<br />

gelten! Bleibt in euren Hütten, euren Zelten!<br />

Und ich reite froh in alle Ferne, über meiner Mütze<br />

nur die Sterne.<br />

70


(1)<br />

(2)<br />

RUHE VOR DEM <strong>RITT</strong><br />

(1) Kurz nach dem Start am<br />

Ufer des Eibsees unterhalb der<br />

Zugspitze bei Garmisch.<br />

Wie im bayerischen Heimatfilm<br />

(2) Vor dem Aufsatteln chillt<br />

Karin noch ein bisschen im Heu<br />

1*2015 SEHNSUCHT DEUTSCHLAND 71


ABENTEUER DEUTSCHLAND<br />

(1) (2)<br />

(3)<br />

HIMMEL UND ERDE<br />

(1) Florian Wagner tauscht Pferd<br />

gegen Hubschrauber für Deutschland<br />

von oben (2) Karin und Johan unter<br />

einer alten Eisenbahnbrücke im oberpfälzischen<br />

Ursensollen (3) Frühe Vögel<br />

fangen Würmer um 8 Uhr morgens<br />

mitten in einem Thüringer Weizenfeld<br />

72 SEHNSUCHT DEUTSCHLAND 1*2015


ADVERTORIAL<br />

E<br />

Endlose Landstraßen, Feldwege und Trassen durch<br />

den Wald. Hochsommer, um die 30 Grad. Fünf<br />

bis sieben Stunden brauchen wir jeden Tag für die<br />

durchschnittlich 25 Kilometer langen Etappen.<br />

Ungefähr so schnell waren einst auch die Postkutschen<br />

unterwegs. Nach Tagen im sanften Hügelland<br />

erreichen wir das steile Fichtelgebirge.<br />

Wir sind erst am Nachmittag gestartet, weil Barbara<br />

und Karin noch die Ledersättel einfetten wollten.<br />

FÜR MICH STAND SCHON LANGE FEST:<br />

EINES TAGES WÜRDE ICH MIT MEINEN<br />

PFERDEN EIN GROSSES ABENTEUER<br />

IN DEUTSCHLAND ERLEBEN<br />

FLORIAN WAGNER<br />

Foto: www.bauernhof-urlaub.com/Andreas Kern<br />

GANZ NAH DRAN<br />

BAUERNHOF- UND<br />

LANDURLAUB BAYERN<br />

Während die Kinder auf dem Traktor mitfahren und beim Kühe-<br />

Eintreiben helfen, entspannen die Eltern auf der Sonnenterrasse<br />

und lassen sich frisch-würzige Landluft um die Nase wehen.<br />

Wer im Urlaub vor allem Ruhe sucht, der macht ihn auf dem<br />

Landhof – einem Betrieb ohne aktive Landwirtschaft, aber mit<br />

erhaltenem landwirtschaftlichen Charakter.<br />

Die Dachorganisation Bauernhof- und Landurlaub Bayern e. V.<br />

hat rund 1.600 Gastgeberbetriebe im gesamten Freistaat –<br />

von der günstigen Ferienwohnung über „Camping auf dem<br />

Bauernhof“ bis hin zum preisgekrönten Wellness-Bio-Hof.<br />

Auf den Höfen mit dem Blauen Gockel können Klein und Groß<br />

selbst mit anpacken, und zwar dort, wo’s am schönsten ist:<br />

in der freien Natur Bayerns!<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

Landesverband Bauernhof- und Landurlaub Bayern e. V.<br />

Max-Joseph-Straße 7A<br />

80333 München<br />

Telefon: (089) 55 87 36 70<br />

info@bauernhof-urlaub.com<br />

www.bauernhof-urlaub.com<br />

Ein Hase liegt ausgestreckt im Gras. Erst als wir<br />

direkt neben ihm sind, springt er auf. Endlich kühlt<br />

es auch ein wenig ab. Wir genießen den würzigen<br />

Geruch der Nadelhölzer. Über weichen Kiesboden<br />

traben wir unserem Ziel entgegen: dem Gasthof<br />

Waldsteinhaus unterhalb des fast 900 Meter hohen<br />

Großen Waldsteins.<br />

Dort angekommen, beginnt gleich die übliche<br />

Prozedur: Pferde absatteln und sie in kleine, mit<br />

Plastikpfählen und Schnüren abgesteckte Koppeln<br />

führen. Einige der Eimer mit einer Körnermischung<br />

füllen, die anderen dann mit Wasser.<br />

Erst wenn die Pferde versorgt sind, bauen auch wir<br />

unsere Zelte und Feldbetten auf.<br />

Zwei Tage später verlassen wir Bayern auf<br />

einer schmalen Brücke über die Saale. Thüringen.<br />

Kurz vor Weimar brechen beim Galopp die ersten<br />

Hufeisen – Tribut für viele Teerstraßen. Barbara<br />

und Florian entfernen die Reste vorsichtig mit dem<br />

Taschenmesser. Weiter geht es mit Hufschuhen aus<br />

Gummi. Am Abend kommt der Schmied. Er legt<br />

einen Rohling an, bringt ihn mit einem kleinen<br />

Gasofen zum Glühen und schlägt ihn schließlich<br />

auf einem Amboss in Form.<br />

Auf unserer Homepage kann jeder Gast den passenden Urlaubshof finden.<br />

Bestellen Sie kostenlos den neuen Bauernhof-Urlaubskatalog 2015/16.


(1)<br />

(1) Kloster Weltenburg: spektakuläre Lage und große Geschichte am Donaudurchbruch bei Kelheim, in Fließrichtung folgt bald Regensburg<br />

(2) Die Reiter auf dem Weg zur Einkehr im schattigen Biergarten der Klosterschenke<br />

Dann weiter durch Sachsen, Sachsen-Anhalt,<br />

Brandenburg. Plattes Land. Die Felder werden<br />

jetzt immer größer, die Dörfer schnörkelloser.<br />

Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein.<br />

Tag um Tag. Anfangs hatten wir geplant, jede<br />

Woche einen Ruhetag einzulegen. Nach dem<br />

ersten Versuch geben wir die Idee auf. Die Pferde<br />

sind so voller Energie und kaum mehr zu halten.<br />

Ständig springen sie unvermittelt los, stellen<br />

die Ohren auf und stupsen sich gegenseitig an.<br />

Früh fing ich an, das Erlebte mit der Kamera<br />

festzuhalten. Beim Tiefschneefahren, aus der Luft<br />

und immer wieder auch vom Pferdesattel aus.<br />

D<br />

KLOSTER WELTENBURG<br />

Wo das beste Klosterbier<br />

der Welt zu Hause<br />

ist, sollte man bleiben.<br />

DZ ab 74 Euro/Nacht<br />

www.klosterschenkeweltenburg.de<br />

Je weiter wir in den Norden kommen, desto<br />

stärker leiden Pferd und Mensch. Immer mehr<br />

verspannte Rücken, entzündete Gelenke, abgeschürfte<br />

Haut. Wie haben Eroberer wie Alexander<br />

der Große oder Dschingis Khan, Herrscher der<br />

Mongolen, es bloß geschafft, monatelang, ja<br />

jahrelang jeden Tag rund 100 Kilometer auf dem<br />

Pferd unterwegs zu sein<br />

Ich fühle mich auf dem Pferderücken zu Hause.<br />

Es ist so eine natürliche Art der Fortbewegung,<br />

langsam genug, um Land und Leute kennenzulernen,<br />

schnell genug, wenn man will, dass einem der<br />

Wind überflüssige Gedanken aus dem Kopf weht.<br />

Foto (unten): Gabi Röhrl<br />

74 SEHNSUCHT DEUTSCHLAND 1*2015


ABENTEUER DEUTSCHLAND<br />

(2)<br />

WIR HABEN DIE GASTFREUNDSCHAFT IM LAND UNTERSCHÄTZT.<br />

EGAL, WO WIR HINKOMMEN,<br />

DIE MENSCHEN HEISSEN UNS WILLKOMMEN<br />

JOHAN DEHOUST<br />

Keine Pause, das heißt auch, täglich für sechs<br />

Menschen, fünf Pferde und einen Hund eine neue<br />

Unterkunft zu finden. Eine Herausforderung für<br />

Wilfried im Begleitwagen. Wir reiten an Maisfeldern<br />

entlang, durch Wälder und Industriegebiete –<br />

bis zum Abend aber hat er immer irgendwo einen<br />

Lagerplatz gefunden und uns per Handy dorthin<br />

geführt. Meist bauen wir unsere Koppeln und<br />

Zelte auf den Wiesen von Bauernhöfen oder Reitställen<br />

auf. Ab und zu gönnen wir uns eine Nacht<br />

im Landgasthof. Und dann der Höhepunkt:<br />

Kurz nachdem wir in Sandau die Elbe auf einer<br />

Fähre überquert haben, übernachten wir im<br />

Schloss Calberwisch in der Altmark.<br />

NAH AM ABGRUND<br />

Burg Pottenstein ist die<br />

älteste Burg der Fränkischen<br />

Schweiz. Majestätisch über<br />

dem Städtchen wohnt der<br />

Gast wie ein Burgherr mit<br />

ähnlichen Rechten<br />

www.burgpottenstein.de<br />

Außer uns sind nur ein Ziegenbock und ein Hirsch<br />

mit seinen drei Kühen auf dem Anwesen.<br />

Der Besitzer will das Neorenaissance-Herrenhaus<br />

verkaufen und hat es uns nun für eine Nacht überlassen.<br />

Wir schlafen in Zimmern, die so groß sind,<br />

dass alle unsere Pferde darin Platz hätten.<br />

Wohin mich meine vielen Reisen auch geführt<br />

haben, so bin ich immer gern in meine bayerische<br />

Heimat zurückgekehrt.<br />

Wir haben die Gastfreundschaft im Land unterschätzt.<br />

Wo wir hinkommen, heißen die Menschen<br />

uns willkommen, freuen sich, uns zu beherbergen.<br />

75


ABENTEUER DEUTSCHLAND<br />

TIPPS<br />

WANDERREITEN<br />

VORBEREITUNG<br />

ERST MAL ÜBEN<br />

Reiten kann genauso<br />

gelernt werden wie<br />

Radfahren. Die Wanderreiter-Akademie<br />

erleichtert<br />

die Suche und stellt<br />

25 ausgewählte<br />

und ausgezeichnete<br />

Wanderreiterbetriebe<br />

in Deutschland vor.<br />

www.wanderreiten-indeutschland.de<br />

TYPFRAGE<br />

Kaltblut, Shetty, Araber<br />

– mit welchem Pferd<br />

gehe ich wanderreiten<br />

Die deutsche Wanderreiter-Akademie<br />

empfiehlt<br />

Hütepferde: Quarter<br />

Horses, Criollos und<br />

Camarguais.<br />

SCHLAFEN<br />

HÖFLICHE BLEIBE<br />

Bei Mirjam und Michael<br />

Hechtner in der Dübener<br />

Heide sind Reiter,<br />

Pferd und sogar Kinder<br />

willkommen. Reitunterricht<br />

und schönste<br />

Natur mit Familien anschluss.<br />

Besser als<br />

Ferien mit den Mädels<br />

vom Immenhof.<br />

www.pferdehof-plodda.de<br />

NATUR PUR<br />

Mit Zelt im Gepäck ist<br />

der Reiter flexibel und<br />

kann sein Lager (fast)<br />

überall aufschlagen.<br />

Das Pferd sollte aber<br />

nicht vergessen werden.<br />

Über einen Unterstand<br />

bei Unwetter (insbesondere<br />

Hagel) freut<br />

sich das Tier.<br />

PFERDEFREUNDLICH<br />

Ein Pferd im Wappen –<br />

kein Wunder, dass Ross<br />

und Reiter in Niedersachen<br />

willkommen sind.<br />

Nicht nur auf Reitwegen,<br />

auch in Wäldern<br />

und auf Fahrwegen.<br />

Auch in Bayern, Hessen<br />

und Rheinland-Pfalz<br />

können Wanderreiter<br />

sich freier bewegen.<br />

UNTERWEGS<br />

FAKTENCHECK<br />

Wagner und sein Team<br />

waren 2013 im Hochsommer<br />

66 Tage und<br />

etwa 1.700 Kilometer<br />

auf Tour, ritten ab Morgengrauen<br />

in fünf bis<br />

sieben Stunden rund<br />

25 Tageskilometer ab.<br />

AUS ERFAHRUNG<br />

DOPPELT IST BESSER<br />

Ob Halfter, Strick oder<br />

auch Reflektoren für<br />

Reiter und Pferd – es<br />

schadet nicht, wenn<br />

man genügend Ersatzteile<br />

mitnimmt. Ganz<br />

wichtig: Auch belohnende<br />

Leckerlis dürfen<br />

nicht fehlen!<br />

ZAUN TO GO<br />

Damit sich die Pferde<br />

nachts gut ausruhen<br />

können, werden mobile<br />

Weidezäune mit Stromnetzen<br />

aufgestellt.<br />

Oder man bindet ein<br />

Hochseil an zwei Bäumen<br />

fest und daran das<br />

Pferd an einem Ring.<br />

SICHER MIT HELM<br />

Der Reiter macht eben<br />

auch mal plumps.<br />

AUFGESATTELT<br />

SIEGESTOR<br />

MÜNCHEN<br />

AUSSITZEN<br />

Ein erfahrener Reiter<br />

verbringt etwa fünf<br />

Stunden am Tag im<br />

Sattel – 30 Kilometer im<br />

Mittelgebirge, 40 Kilometer<br />

im Flachland. Das<br />

Buch Die Wanderreiter-<br />

Akademie von Herbert<br />

Fischer gibt viele Tipps<br />

zum Wanderreiten.<br />

W<br />

Was sie verbindet, ist der Spaß am Grillen: In der<br />

Oberpfalz sitzen wir mit einem Bierbrauer, seit<br />

2012 Weltmeister seines Fachs, um ein Kohlefeuer,<br />

in der Dübener Heide in Sachsen-Anhalt verbringen<br />

wir einige Stunden mit einem Förster, in<br />

Nordfriesland mit den jungen Betreibern einer<br />

Rohmilchkäserei.<br />

Die eigene Heimat aus dem Sattel betrachten<br />

Der Herbst naht, es wird kühler. So hoch oben<br />

kommen uns die ersten Vogelschwärme entgegen.<br />

Bei der Norwegerstute Sonne sehen wir schon<br />

Anzeichen von Winterfell. Friedrichsruh, das Holstentor<br />

in Lübeck, Travemünde. Das Meer! Beim<br />

Blick auf die Ostsee denke ich zurück an die Zugspitze<br />

und den Eibsee zwischen dunklen Bergen.<br />

Die Lübecker Bucht erscheint mir wie ein Ozean.<br />

MEIN WALLACH STEHT NEBEN<br />

MIR, SCHAUT UND PINKELT DANN<br />

IN GROSSEM STRAHL, SO WIE ICH<br />

AUCH. JETZT SIND WIR KUMPEL<br />

JOHAN DEHOUST<br />

54 Tage sind wir schon im Sattel. Eine Zeit, in der<br />

sich zuvor nur flüchtig bekannte Menschen und<br />

Tiere sehr nah gekommen sind und einander<br />

immer mehr vertrauen. Ich gehe seit gut zwei Monaten<br />

mit meinem Pferd Pepino durch dick und<br />

dünn. Wie stark ich ihm verbunden bin, wird mir in<br />

einer intimen Situation bewusst: beim Wasserlassen<br />

am Wegesrand. Wie selbstverständlich steht der<br />

13-jährige Paintwallach neben mir, schaut mich an<br />

– und pinkelt dann in großem Strahl. Von diesem<br />

Augenblick an sind wir echte Kumpel.<br />

PFERDEBADEVERGNÜGEN<br />

Eines stand stets für mich fest: Eines Tages würde ich<br />

ein Abenteuer mit meinem Pferd erleben. Ich wollte<br />

von zu Hause aus losreiten. Irgendwann hatte ich die<br />

zündende Idee: Warum nicht einmal im Sattel meine<br />

eigene Heimat erkunden<br />

76 SEHNSUCHT DEUTSCHLAND 1*2015


ABENTEUER DEUTSCHLAND<br />

Die deutsche Provinz kennenlernen: ihre Vielfalt,<br />

Romantik, ihre abwechslungsreiche Geschichte.<br />

Dort weiterreiten, wo ich niemals mit dem Auto hinfahren<br />

würde. Mit Menschen sprechen, die ich sonst<br />

nicht treffen würde. Bäche queren, durch den tiefen<br />

deutschen Märchenwald reiten, auf einer Wiese mein<br />

Zelt aufschlagen.<br />

Quer durch Schleswig-Holstein nach Nordwesten.<br />

An einem Sonntag ist es so weit: Wir verladen die<br />

Pferde in Anhänger und fahren mit dem Autozug<br />

nach Sylt. Auf einem schmalen Asphaltweg<br />

zwischen den Dünen bewältigen wir die letzten<br />

von rund 1.700 Kilometern unseres Abenteuers.<br />

Ständig werden wir von klingelnden Radfahrern<br />

überholt, die nicht bereit sind, sich auch nur<br />

wenige Sekunden lang dem Tempo anzupassen,<br />

mit dem wir den Großteil der vergangenen neun<br />

Wochen unterwegs waren. Schade, sie sollten es<br />

mal versuchen.<br />

D<br />

DIESES<br />

PROJEKT WAR<br />

DAS GRÖSSTE<br />

BISHER. ICH<br />

BIN GLÜCK-<br />

LICH, STOLZ,<br />

TRAURIG UND<br />

MÜDE. UND<br />

ICH VERMISSE<br />

SCHON JETZT<br />

DIE HERDE<br />

FLORIAN WAGNER<br />

Tiefe Wolken. Typisch norddeutsches Schietwetter<br />

kündigt sich an, als wir den Leuchtturm am<br />

Ellenbogen, dem nördlichsten Zipfel Deutschlands,<br />

erreichen. Vor uns liegt die Nordsee.<br />

Auch wenn wir unsere Hüte in die Luft werfen<br />

und mit Küstennebel anstoßen, ist es ein seltsam<br />

profaner, nüchterner Augenblick. Vielleicht weil<br />

uns bewusst wird, dass wir ihn uns in den vergangenen<br />

Wochen als etwas Großes, Erhabenes<br />

erträumt haben.<br />

Es wirklich bis nach Sylt zu schaffen – das war<br />

anfangs das Ziel unserer Reise. Es bündelte<br />

unseren Ehrgeiz und schweißte die Gruppe zusammen.<br />

Mit jedem Tag, mit jeder Begegnung und<br />

jedem Erlebnis unterwegs aber wurde es zu einem<br />

von vielen einzigartigen Momenten dieses<br />

Sommers in Deutschland.<br />

FLORIAN WAGNER<br />

in Abenteuer Deutschland<br />

BUCHTIPP<br />

IM SATTEL BIS NACH SYLT<br />

Sie haben<br />

ein Abenteuer<br />

der<br />

Extraklasse<br />

erlebt. Der<br />

Fotograf<br />

Florian<br />

Wagner hat alles fotografiert,<br />

Johan Dehoust alles aufgeschrieben.<br />

Das Ergebnis: ein<br />

Buch, das Lust auf Abenteuer<br />

und Deutschland macht.<br />

Abenteuer Deutschland<br />

Mit dem Pferd von der<br />

Zugspitze nach Sylt<br />

National Geographic<br />

Deutschland<br />

224 Seiten, 39,95 Euro<br />

www.nationalgeographic.de<br />

GUT AUSGERÜSTET<br />

VON KOPF BIS HUF<br />

Yee-haw! Ein Pferd steht ganz oben auf der<br />

Liste der Dinge, die Cowboy und Cowgirl fürs<br />

Wanderreiten brauchen. Aber woran sollte<br />

man noch denken Hier eine kleine Auswahl<br />

<br />

<br />

75 g<br />

<br />

(1) Das Olivenholzheft mit Stahlklinge findet mit 11 Zentimetern Länge leicht Platz in der Satteltasche; 122 Euro,<br />

www.manufactum.de (2) Sehen und gesehen werden mit Stirnlampe (Reiter) für 55 Euro, www.mammut.ch, und<br />

(3) reflektierendem Halfter (Pferd) für 14,95 Euro, www.horze.de (4) Sieht nicht nur cool aus, schützt auch vor Sonne<br />

und Regen; 42,90 Euro, www.kraemer-pferdesport.de (5) Gefütterte knallgelbe Western-Handschuhe; 19,95 Euro,<br />

www.loesdau.de (6) Chaps aus echtem Leder mit Schnallen zum Verstellen; 49,90 Euro, www.kraemer-pferdesport.de<br />

<br />

<br />

<br />

Fotos: Manufactum; Mammut; Horze Deutschland GmbH; Krämer Pferdesport (2); www.loesdau.de;<br />

Cover: NG Malik Buchgesellschaft mbH<br />

78 SEHNSUCHT DEUTSCHLAND 1*2015


(1)<br />

AM ENDE SYLT<br />

(1) Start vor Sonnenaufgang, um<br />

vor der Mittagshitze ans Tagesziel<br />

zu gelangen (2) Der Leuchtturm<br />

am Lister Ellenbogen, dem<br />

nördlichsten Punkt Deutschlands<br />

– verdientes Ziel einer langen Reise<br />

(2)<br />

79

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