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628 Clinical Research in Cardiology, Volume 95, Number 11 (2006)<br />
© Steinkopff Verlag 2006<br />
Mitralinsuffizienz<br />
n Ätiologie und Epi<strong>de</strong>miologie<br />
Die wichtigsten Ursachen <strong>de</strong>r Mitralinsuffizienz sind<br />
<strong>de</strong>generativ (Mitralklappenprolaps, <strong>de</strong>generative Mitralklappenverkalkung),<br />
ischämisch (durch Wandbewegungsstörungen<br />
<strong>de</strong>s linken Ventrikels aufgrund einer<br />
Koronaren Herzkrankheit), Dilatation <strong>de</strong>s linken<br />
Ventrikels bei dilatativer Kardiomyopathie und an<strong>de</strong>ren<br />
myokardialen Erkrankungen, und die infektiöse<br />
Endokarditis. Die akute schwere Mitralinsuffizienz<br />
tritt insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r infektiösen Endokarditis<br />
und durch akute Ischämie (mit akuter Dilatation <strong>de</strong>s<br />
linken Ventrikels; [82]) sowie als Infarktkomplikation<br />
durch Papillarmuskelruptur auf. Rheumatische<br />
und kongenitale Vitien spielen eine untergeordnete<br />
Rolle. Die Mitralinsuffizienz stellt – nach <strong>de</strong>r Aortenstenose<br />
– das am zweithäufigsten operierte Klappenvitium<br />
dar.<br />
n Pathogenese<br />
Die systolische Regurgitation aus <strong>de</strong>m linken Ventrikel<br />
in <strong>de</strong>n linken Vorhof führt zu einer Druckerhöhung<br />
im linken Vorhof und Pulmonalkreislauf sowie<br />
zu einer Verringerung <strong>de</strong>s effektiven Herzzeitvolumens.<br />
Die Verknüpfung von gesteigerter Vorlast<br />
(durch das Pen<strong>de</strong>lvolumen) und zunächst erniedrigter<br />
Nachlast führt zum typischen „volumenbelasteten“,<br />
dilatierten, hyperkinetisch kontrahieren<strong>de</strong>n linken<br />
Ventrikel. Bei schwerer Mitralinsuffizienz kommt<br />
es zu einem Circulus vitiosus von Ventrikel-, Vorhofund<br />
Mitralringdilatation mit zunehmen<strong>de</strong>r Mitralinsuffizienz,<br />
wobei die fortschreiten<strong>de</strong> Dilatation <strong>de</strong>s<br />
linken Ventrikels nach <strong>de</strong>m LaPlaceschen Gesetz in<br />
<strong>de</strong>r Spätphase zu einem Anstieg <strong>de</strong>r systolischen<br />
Wandspannung und damit zu einer Verschlechterung<br />
<strong>de</strong>r myokardialen Kontraktilität führt. Hinzu kommt<br />
bei erheblicher Mitralinsuffizienz langfristig zunächst<br />
paroxysmales und später permanentes Vorhofflimmern.<br />
Zum Mitralklappenprolaps siehe <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Abschnitt.<br />
n Klinisches Erscheinungsbild und Diagnostik<br />
Typische klinische Symptome sind Leistungsknick,<br />
leichte Ermüdbarkeit und Belastungsdyspnoe, später<br />
manifeste Links- und Rechtsherzinsuffizienzzeichen.<br />
Führen<strong>de</strong>s klinisches Zeichen <strong>de</strong>r Mitralinsuffizienz<br />
ist das holosystolische hochfrequente Geräusch über<br />
<strong>de</strong>m Apex mit Fortleitung in die linke Axilla. Das<br />
EKG ist meist nur uncharakteristisch verän<strong>de</strong>rt<br />
(evtl. P mitrale o<strong>de</strong>r Vorhofflimmern). Das Röntgenbild<br />
zeigt ein vergrößertes Herz und unterschiedliche<br />
Gra<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Lungenstauung. Wichtigste diagnostische<br />
Technik ist die Echokardiographie, die – zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m klinischen Bild – Ursache und Schweregrad<br />
(leicht, mittelschwer, schwer) <strong>de</strong>r Mitralinsuffizienz,<br />
Größe und Funktion <strong>de</strong>s linken Ventrikels sowie<br />
Ausmaß eines pulmonalen Hypertonus klärt. Für die<br />
oft nicht einfache Unterscheidung zwischen mittelschweren<br />
und schweren Insuffizienzen ist eine kritische<br />
und sorgfältige Anwendung dopplerechokardiographischer<br />
Zeichen (Jetbreite, proximale Konvergenzzone,<br />
Pulmonalvenenflussmuster u.a.) wesentlich.<br />
Bei <strong>de</strong>r chronischen ischämischen Mitralinsuffizienz,<br />
die in Ruhe nicht schwer imponiert, kann eine<br />
Belastungsuntersuchung zur Demaskierung einer<br />
schweren Mitralinsuffizienz beitragen [56, 82]. I.d. R.<br />
unter Zuhilfenahme <strong>de</strong>r transösophagealen Echokardiographie<br />
sollte auch die morphologische Eignung<br />
für eine operative Mitralklappenrekonstruktion geprüft<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
n Management und konservative Therapie<br />
Die Akutwirkung <strong>de</strong>r Nachlastsenkung durch Vasodilatation<br />
ist gut belegt. Zur chronischen Wirksamkeit<br />
dieses Therapieprinzips gibt es dagegen nur Studien<br />
an kleinen Patientengruppen. Eine ACE-Hemmertherapie<br />
erscheint zwar prinzipiell aus pathophysiologischer<br />
Sicht günstig, ein überzeugen<strong>de</strong>r Nachweis<br />
fehlt jedoch bislang [60, 63]. Eine kleine randomisierte<br />
Studie zeigte einen günstigen Effekt von<br />
Carvedilol auf die sekundäre Mitralinsuffizienz von<br />
Patienten mit eingeschränkter Ventrikelfunktion aufgrund<br />
einer KHK o<strong>de</strong>r einer dilatativen Kardiomyopathie<br />
[63]. Bei morphologisch verän<strong>de</strong>rter Klappe<br />
(z. B. Mitralklappenprolaps, Z.n. Endokarditis) sollte<br />
die Endokarditisprophylaxe beachtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei Vorhofflimmern ist eine Antikoagulation<br />
(INR: 2–3) notwendig (I-B). Bei leichter bis mittelschwerer<br />
Mitralinsuffizienz und kurz bestehen<strong>de</strong>m<br />
Vorhofflimmern ist ein medikamentöser o<strong>de</strong>r elektrischer<br />
Kardioversionsversuch zu erwägen.<br />
Therapiemöglichkeiten zur kurzfristigen Stabilisierung<br />
einer akuten schweren Mitralinsuffizienz vor<br />
Operation sind:<br />
• die Vasodilatation mit Senkung <strong>de</strong>s arteriellen<br />
Blutdrucks auf das Minimum, das noch zerebral,<br />
koronar und renal toleriert wird, vorzugsweise<br />
mit Nitroprussidnatrium;<br />
• die intraaortale Ballongegenpulsation, v.a. bei <strong>de</strong>r<br />
ischämischen Papillarmuskelruptur;<br />
• bei Lungenö<strong>de</strong>m die Beatmung mit positiv-en<strong>de</strong>xspiratorischem<br />
Druck.