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1 Vorlesung Zwangsvollstreckungsrecht PD Dr ... - Dr. Klaus Richter

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<strong>Vorlesung</strong> <strong>Zwangsvollstreckungsrecht</strong><br />

<strong>PD</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Richter</strong><br />

I. Grundlagen<br />

1. Was ist Zwangsvollstreckung<br />

a. Zwangsvollstreckungsverfahren als selbständiger Teil des Zivilprozesses; Zuvor<br />

Erkenntnisverfahren (Leistungsklage!), Zwangsvollstreckungsverfahren zur<br />

Durchsetzung des festgestellten Rechts.<br />

b. Zwangsvollstreckungsverfahren geregelt in der ZPO und dem ZVG<br />

c. Zwangsvollstreckung zur Wahrung der Interessen des Gläubigers, zugleich aber auch<br />

Schuldnerschutz; Vermeidung der totalen „Ausplünderung“ des Schuldners<br />

d. Parteien der Zwangsvollstreckung: Gläubiger und Schuldner (Angaben im<br />

Vollstreckungstitel)<br />

e. Durchführung der Zwangsvollstreckung: Auf Antrag des Gläubigers; Aufgabe des<br />

Staates; staatliche Vollstreckungsorgane (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht);<br />

Ziel: Vermeidung von Selbsthilfe durch den Gläubiger.<br />

2. Die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen<br />

a. Antrag: Zwangsvollstreckung beginnt nicht von alleine, erforderlich ist ein Antrag<br />

des Gläubigers auf Vornahme der Zwangsvollstreckung; vgl. § 753 Abs. 1 ZPO.<br />

Dispositionsmaxime: Durchführung der Zwangsvollstreckung steht zur Disposition<br />

des Gläubigers.<br />

b. Zuständigkeit: Örtlich zuständig ist das Vollstreckungsorgan, in dessen Bezirk die<br />

Vollstreckungsmaßnahme durchzuführen ist; funktionelle Zuständigkeit bestimmt<br />

die für ein Vollstreckungsorgan zulässigen Tätigkeiten.<br />

c. Deutsche Gerichtsbarkeit<br />

d. Zulässigkeit des Rechtsweges: Vorliegen eines Vollstreckungstitels (§§ 704, 794<br />

ZPO).<br />

e. Parteifähigkeit: Aktive Parteifähigkeit und passive Klagefähigkeit; Nach § 50 ZPO<br />

ist jeder Parteifähig, der rechtsfähig ist (§ 1 BGB) – also jede natürliche und juristische<br />

Person (GmbH, AktG, Genossenschaft, eingetragener Verein). Daher kann man auch<br />

von der prozessualen Rechtsfähigkeit sprechen. Handelsgesellschaften sind<br />

ebenfalls parteifähig, dies ergibt sich aus § 124 I HGB für die OHG und aus §§ 161 II,<br />

124 I HGB für die KG. Seit BGHZ 146, 341 (Rechtsfähigkeit der Außen-GbR analog<br />

§ 124 HGB) aktiv und passiv parteifähig. Der nicht rechtsfähige Verein ist zwar<br />

nicht aktiv, wohl aber passiv Parteifähig, d.h., er kann verklagt werden und es kann<br />

gegen ihn vollstreckt werden (§ 50 S. 2 ZPO); Nach § 735 ZPO reicht zur<br />

Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins ein Titel<br />

gegen den Verein aus. Nicht eingetragener Verein trotz der Regelung in § 54 S. 1 BGB<br />

nicht vergleichbar mit der Außen-GbR, daher keine volle Parteifähigkeit (a.A.:<br />

1


Karsten Schmidt NJW 2001, 993; Jauernig NJW 2001, 2231; Kempfler NZG 2002,<br />

411).<br />

6. Prozessfähigkeit: Die Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder<br />

durch einen bestellten Vertreter zu führen; dazu gehört auch die Vornahme<br />

prozessrechtlicher Handlungen. Ist die Parteifähigkeit die prozessrechtliche<br />

Rechtsfähigkeit, lässt sich die Prozessfähigkeit als prozessrechtliche<br />

Geschäftsfähigkeit umschreiben. Nach § 52 ZPO ist eine Person insoweit<br />

prozessfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann.<br />

7. Prozessstandschaft: Im Vollstreckungsverfahren: Vollstreckungsstandschaft. Im<br />

Erkenntnisverfahren kommt es für die Prozessführungsbefugnis darauf an, ob der<br />

Kläger Inhaber des geltend gemachten Rechts ist oder ob Gründe vorgebracht werden,<br />

die eine Geltendmachung eines fremden Rechts rechtfertigen können. Diese Gründe<br />

können sich ergeben aus (1) Gesetz (gesetzliche Prozessstandschaft; § 2039 S. 1<br />

BGB) und (2) Rechtsgeschäft (gewillkürte Porzessstandschaft). Parallel dazu<br />

gesetzliche Vollstreckungsstandschaft, nicht aber gewillkürte isolierte<br />

Vollstreckungsstandschaft (<strong>Dr</strong>ittermächtigung oder Rückgriffsermächtigung); vgl.<br />

BGHZ 92, 347; BGH NJW 1993, 1396).<br />

8. Rechtsschutzbedürfnis: Regelmäßig (-), wenn es einfacheren und billigeren Weg<br />

gibt, um zum Vollstreckungsziel zu gelangen.<br />

II. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung: Titel – <strong>Klaus</strong>el –<br />

Zustellung (§ 750 I 1 ZPO)<br />

1. Formalismus des Zwangsvollstreckungsverfahrens: Vollstreckungsorgan prüft<br />

Vorliegen von Titel, <strong>Klaus</strong>el und Zustellung, jedoch keine materielle Fragen.<br />

2. Vollstreckbarer Titel:<br />

a. Begriff: öffentliche Urkunde, aus der sich ein bestimmter materiell-rechtlicher<br />

Anspruch ergibt, der mit Hilfe der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann.<br />

Grundlage der Zwangsvollstreckung, Inhalt und Umfang sowie die Parteien der<br />

Zwangsvollstreckung.<br />

b. Vollstreckbare Titel sind:<br />

- Endurteile (§ 704 Abs. 1, §§ 300, 301ZPO), auch Vorbehaltsurteile, §§ 302 Abs. 3<br />

ZPO (im Urkunden- und Wechselprozess: § 566 Abs. 3 ZPO); vollstreckbar sind nur<br />

Leistungsurteile, nicht Feststellungs- und Gestaltungsurteile.<br />

- Katalog des § 794 Abs. 1 ZPO.<br />

- Arrest und einstweilige Verfügung (§ 922; §§ 936, 922 ZPO).<br />

- Außerhalb der ZPO: Zwangsversteigerung (§§ 93, 132 ZVG) und der<br />

rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan mit Eintragung in der Insolvenztabelle (§§<br />

201 I, 178 III InsO).<br />

c. Endurteil als Vollstreckungstitel: rechtskräftige oder für vorläufig vollstreckbar<br />

erklärte Endurteile, § 704 Abs. 1 ZPO. Unterschieden wird zwischen der endgültigen<br />

und der nur vorläufigen Vollstreckung.<br />

2


aa. Rechtskraft: formelle, nicht die materielle Rechtskraft. Unterschied:<br />

- formelle Rechtskraft tritt gem. § 705 S. 1 ZPO ein, wenn eine prozessbeendigende<br />

Entscheidung (Urteil oder Beschluss) nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten<br />

werden kann; wird gegen eine Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt, so hemmt dies<br />

den Eintritt der formellen Rechtskraft (§ 705 S. 2 ZPO).<br />

- Materielle Rechtskraft: Die formelle Rechtskraft garantiert nur, dass das konkrete<br />

Verfahren wirklich abgeschlossen und das konkrete Urteil bestandskräftig ist. Sie kann<br />

aber nicht sicherstellen, dass der Inhalt der Entscheidung für die Parteien dauerhaft<br />

maßgeblich ist, und sie kann auch nicht davor schützen, dass die unterlegene Partei ein<br />

neues Verfahren beginnt, um den gleichen Streitgegenstand erneut zur Entscheidung<br />

zu stellen. Beispiel: Erbe A klagt gegen Erbschaftsbesitzer B auf Herausgabe von<br />

Gegenständen aus der Erbschaft aus § 2018 BGB (Erbschaftsanspruch) und verliert.<br />

Nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils klagt A erneut gegen B auf<br />

Herausgabe, dieses mal stützt er die Klage auf § 985 BGB. Dies geht nicht, denn mit<br />

der Aburteilung des Lebenssachverhaltes „Herausgabe“ ist auch materielle Rechtskraft<br />

eingetreten.<br />

Die formelle Rechtskraft des Urteils tritt ein, wenn:<br />

- der eingelegte Rechtsbehelf unstatthaft ist.<br />

- der Rechtsbehelf zwar statthaft ist, aber unterbleibt und die Rechtsmittel- oder<br />

Einspruchsfrist abgelaufen ist (vgl. § 705 ZPO).<br />

- Der Rechtsbehelf zwar statthaft ist, beide Parteien aber darauf verzichten (§§ 346, 515,<br />

565 ZPO).<br />

- Verwerfung eines rechtzeitig eingelegten, statthaften Rechtsbehelfs mit Rechtskraft<br />

der Verwerfungsentscheidung (BGHZ 88, 357).<br />

bb.<br />

Vorläufige Vollstreckbarkeit<br />

- Verhinderung der gezielten Herauszögerung durch Einlegung unbegründeter<br />

Rechtsmittel durch unterlegene Partei.<br />

- Unterlegene Partei entledigt sich ihres Vermögens vor Eintritt der formellen<br />

Rechtskraft.<br />

- Risiko des Schadensersatzanspruches gem. § 717 Abs. 2 S. 1 BGB zwingt zumindest<br />

Gläubiger dazu, Prozess sorgfältig zu führen.<br />

(1.) Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit regelmäßig von Amts wegen im Tenor;<br />

Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Ausspruch im Tenor in vom Gesetz vorgesehenen<br />

Fällen: Urteile, die ein vorläufig vollstreckbares Urteil aufheben (§ 717 Abs. 1 ZPO) oder<br />

Urteile der Arbeitsgerichte (§§ 62 I, 64 VII ArbGG).<br />

(2.) Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entweder gegen oder ohne<br />

Sicherheitsleistung des Gläubigers (§ 709 ZPO). Regelmäßig sind alle Urteile gegen<br />

Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Ausnahmen: § 708 ZPO (Urteile, die von<br />

Amts wegen ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden).<br />

(3). Bei Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung erst<br />

Vollstreckung nach erfolgter Sicherheitsleistung (§ 751 II ZPO - Schuldnerschutz).<br />

Ausnahmen: § 710 ZPO (Vorrangiger Gläubigerschutz) und § 720a ZPO<br />

(Sicherungsvollstreckung).<br />

3


(4.) Bei Urteilen nach § 708 Nr. 4 – 11 ZPO hat Gericht von Amts wegen auszusprechen, dass<br />

Schuldner die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung<br />

abwenden darf (§ 711 S. 1 ZPO).<br />

(5) Weitere Schutzmöglichkeiten zugunsten des Schuldners nach § 712 ZPO: Abwendung<br />

der vorläufigen Vollstreckbarkeit durch Sicherheitsleistung oder – falls<br />

Sicherheitsleistung nicht möglich: Entweder Zulassung der Sicherungsvollstreckung (§<br />

720a ZPO) oder Urteil wird nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt (keine anderen<br />

Wahlmöglichkeiten für Gericht!).<br />

(6) Die Verhandlung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt im Rahmen des<br />

Erkenntnisverfahrens und nicht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens. Gegen<br />

die Entscheidung ist die Berufung zulässig.<br />

(7) Vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit Verkündung eines Urteils insoweit außer Kraft, als<br />

dieses die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt<br />

oder abändert (§ 717 Abs. 1 ZPO). Diese Wirkung tritt bereits mit dem Erlass und nicht<br />

erst mit der Rechtskraft des aufhebenden oder abändernden Urteils ein. Bei (formeller)<br />

Rechtskraft des Urteils: Wegfall der Beschränkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit<br />

und Rückgewähr der geleisteten Sicherheit an Gläubiger (§ 715 ZPO).<br />

cc.<br />

Schadensersatzanspruch des Beklagten, § 717 Abs. 2 ZPO<br />

(1) Hintergrund: Gläubiger kann aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil genauso die<br />

Vollstreckung betreiben wie aus einem rechtskräftigen Urteil. Der Gläubiger wird also<br />

schon befriedigt, obwohl die Rechtskraft des Urteils noch gar nicht eingetreten ist.<br />

Dem Schuldner entsteht dadurch eine Vermögenseinbuße. Diese stellen Schaden dar,<br />

wenn Urteil aufgehoben oder abgeändert wird (§ 717 Abs. 2 ZPO).<br />

(2) Ausgestaltung als Gefährdungshaftung: Gläubiger handelt nicht rechtswidrig und<br />

schuldhaft, wenn er vorläufig vollstreckt, da er von ausdrücklich eingeräumter<br />

Befugnis Gebrauch macht. Dennoch gefährdet Gläubiger durch rechtmäßiges Tun den<br />

Schuldner. Gläubiger betreibt vorläufige Vollstreckbarkeit auf eigenes Risiko.<br />

(3) Umfang des Schadensersatzanspruches: §§ 249 ff. BGB. Ersatz aller unmittelbaren<br />

und mittelbaren Schäden, die dem Schuldner durch Vollstreckung oder Abwendung<br />

der Vollstreckung entstanden sind (lies dazu: BGH NJW 1978, 163; BGHZ 85, 110;<br />

BGHZ 136, 202. Berücksichtigung von Mitverschulden (§ 254 BGB); Aufrechnung<br />

§§ 387 ff. BGB) nur möglich, wenn mit Sinn und Zweck des § 717 Abs. 2 ZPO<br />

vereinbar ist, nämlich dem Vollstreckungsschuldners bezüglich dieses Teils seines<br />

Schadens sofortigen Ersatz zu sichern. Unzulässig ist daher die Aufrechung mit der<br />

vollstreckten, rechtshängigen Klageforderung (BGH NJW 1997, 2601). Verjährung:<br />

§§ 195, 199 I und III BGB.<br />

(4) Der Anspruch entsteht mit der Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils<br />

(Zeitpunkt: Erlass/Verkündung).<br />

(5) Der Schuldner hat nur einen Bereicherungsanspruch, wenn in einer<br />

vermögensrechtlichen Streitigkeit das vorläufig vollstreckbare Berufungsurteil (außer<br />

Versäumnisurteil) aufgehoben wird, §§ 717 Abs. 3 S. 1 - 3, 708 Nr. 10 ZPO. Der<br />

4


Bereicherungsanspruch erstreckt sich auf das, was aufgrund des Urteils an den<br />

Gläubiger geleistet wurde (§ 717 Abs. 3 S. 2 ZPO). Auf den Wegfall der<br />

Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann sich der Gläubiger nicht berufen, weil die<br />

Wirkungen der Rechtshängigkeit nach Abs. 3 S. 4 (wie bei Abs. 2) mit der Zahlung<br />

bzw. Leistung eintreten, der Gläubiger also von Beginn an verschärft haftet (§ 818<br />

Abs. 4 BGB).<br />

d. Vollstreckung ausländischer Urteile<br />

aa.<br />

bb.<br />

cc.<br />

Grundsatz: Klage auf Erlass eines Vollstreckungsurteils (§ 722 Abs. 1 ZPO); Gericht<br />

überprüft nicht Richtigkeit des ausländischen Urteils (§ 723 Abs. 1 ZPO); Grenzen der<br />

Anerkennung: Ordre Public (BGHZ 118, 315).<br />

EuGVVO: Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche<br />

Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in<br />

Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000. Die EuGVVO ist die<br />

Nachfolgerin des Brüsseler EWG-Abkommens über gerichtliche Zuständigkeit und die<br />

Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.<br />

September 1968 (EuGVÜ). Die EuGVÜ ist heute nur noch für das Verhältnis zu<br />

Dänemark maßgeblich, das sich nicht Art. 61 c, 65 EGV unterworfen hat<br />

(Normgebung der EU durch Verordnung). Die EuGVVO ist geltendes sekundäres EU-<br />

Recht. Art. 38 ff. EuGVVO sehen ein vereinfachtes <strong>Klaus</strong>elerteilungsverfahren vor<br />

(Erteilung einer Vollstreckbarkeitserklärung). Anerkennungshindernisse wie der ordre<br />

public (Art. 34 Ziff. 1 EuGVVO) werden nicht geprüft, können allenfalls im<br />

Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 EuGVVO geltend gemacht werden.<br />

EuVTVO: Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels<br />

für unbestrittene Forderungen. Titel, der in einem anderen Mitgliedsstaat der EU<br />

nach Art. 6 EuVTVO bestätigt worden ist, kann als ausländischer Titel ohne<br />

Vollstreckbarkeitserklärung im Inland vollstreckt werden, d.h., anders als bei der<br />

EuGVVO wird hier keine Vollstreckbarkeitserklärung benötigt! Versagungsgründe<br />

wie ordre public oder Zustellungsmängel werden nicht geprüft, die Bestätigung ist<br />

nicht anfechtbar (Art. 10 EuVTVO) Ergänzung der EuVTVO durch §§ 1079 –<br />

1086 ZPO.<br />

e. Andere Vollstreckungstitel (§ 794 ZPO)<br />

aa.<br />

andere gerichtliche Entscheidungen<br />

- Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§ 794 I Nr. 2 ZPO): Das Urteil entscheidet über die<br />

Kosten nur dem Grunde nach, die Festsetzung der Höhe wird durch den Rechtspfleger<br />

in Form eines Beschlusses vorgenommen (§§ 104 ZPO, 21 Nr. 1 RPflG).<br />

- Vollstreckungsbescheide im Mahnverfahren (§ 794 I Nr. 4 ZPO).<br />

bb.<br />

Beurkundete rechtsgeschäftliche Erklärungen<br />

(1.) Prozessvergleich: praktisch sehr wichtiger Vollstreckungstitel; Gericht hat nach § 278<br />

Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des<br />

Rechtsstreits bedacht sein, Mittel dazu ist der Prozessvergleich. Hat der Vergleich<br />

vollstreckungsfähigen Inhalt, können aus einem solchen Titel nahezu alle<br />

Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden. Ausnahme: Da der<br />

5


Prozessvergleich nicht in Rechtskraft erwächst, kann § 894 ZPO (Fiktion der Abgabe<br />

einer Willenserklärung) nicht angewendet werden! Hier nur Vollstreckung aus § 888<br />

ZPO (unvertretbare Handlung) möglich. Denkbar ist auch, anstelle der<br />

Vollstreckung aus § 888 ZPO aus dem Vergleich auf Abgabe der Willenserklärung zu<br />

klagen – ergeht ein Urteil, ist auf dessen Vollstreckung dann § 894 ZPO anwendbar<br />

(BGHZ 98, 127).<br />

(2.) Die vollstreckbare Urkunde: ermöglicht die Zwangsvollstreckung ohne Prozess und<br />

Urteil und wird deshalb gerne von erfahrenen Gläubigern benutzt. Beispiel ist die<br />

Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung im Falle einer Hypothek,<br />

wonach eine Bank die Möglichkeit hat, auch ohne Prozess und Urteil gem. § 1147<br />

BGB die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu betreiben. Die Voraussetzungen<br />

regelt § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO; Die Unterwerfung ist eine einseitige<br />

Prozesshandlung, die auf das Zustandekommen des Titels gerichtet ist, sie entfaltet<br />

keine materielle, sondern nur prozessuale Wirkung. Daher ist sie streng zu trennen<br />

vom zugrundeliegenden materiellen Rechtsgeschäft, dem sie dient (BGH NJW<br />

1996, 2792 - Abstraktionsprinzip). Lies dazu: BGH NJW 1985, 2423; BGHZ 154,<br />

283; BGH NJW 2004, 841).<br />

cc. Vollstreckungstitel außerhalb der ZPO: Auszug aus der Insolvenztabelle (§ 201<br />

Abs. 2 InsO), rechtskräftig bestätigter Insolvenzplan in Verbindung mit der Eintragung<br />

in die Insolvenztabelle (§ 257 InsO), der Zuschlag in der Zwangsversteigerung (§§ 93,<br />

132, 162, 180 I ZVG) und Entscheidungen der Arbeitsgerichte (§§ 62, 64 VII, 85<br />

ArbGG).<br />

6


2. Vollstreckungsklausel<br />

a. Grundsätzliches<br />

Damit der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben kann, benötigt er eine<br />

mit der Vollstreckungsklausel versehene sogenannte vollstreckbare Ausfertigung des<br />

Titels (§ 724 Abs. 1 ZPO).<br />

Die Vollstreckungsklausel ist ein amtliches Zeugnis, dass ein Titel vollstreckbar ist. Die<br />

Vollstreckungsklausel wird im <strong>Klaus</strong>elerteilungsverfahren grundsätzlich durch den<br />

Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 724 Abs. ZPO) im <strong>Klaus</strong>elerteilungsverfahren<br />

auf eine Ausfertigung eines Urteils oder eines sonstigen Titels gesetzt, regelmäßig als<br />

Stempel. Der Wortlaut des Stempeltextes ergibt sich aus § 725 ZPO<br />

Zweck:<br />

- den Vollstreckungsorganen wird die Prüfung erspart, ob ein rechtswirksamer Titel<br />

vorliegt und ob dieser vollstreckbar ist( deklaratorische Wirkung der<br />

Vollstreckungsklausel).<br />

- Gegen einen Schuldner darf grundsätzlich nur eine vollstreckbare Ausfertigung im<br />

Umlauf sein (§§ 733, 757 ZPO).<br />

Die Vollstreckungsklausel ist regelmäßig die unentbehrliche Voraussetzung für die<br />

Zwangsvollstreckung, und zwar bei allen Titeln. Vollstreckung ohne <strong>Klaus</strong>el zwar<br />

wirksam, aber mit Erinnerung (§ 766 ZPO) angreifbar.<br />

Ausnahmen:<br />

Vollstreckungsbescheide (§ 796 Abs. 1 ZPO).<br />

Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen (§§ 929, 936 ZPO)<br />

b. Qualifizierte <strong>Klaus</strong>el<br />

aa. Titelübertragende <strong>Klaus</strong>el<br />

Zweck der titelübertragenden <strong>Klaus</strong>el: Ermöglichung der Vollstreckung gegen<br />

Rechtsnachfolger des Schuldners oder für Rechtsnachfolger des Gläubigers; Vermeidung<br />

eines neuen Prozesses; <strong>Klaus</strong>el bezeichnet den neuen Gläubiger oder den neuen Schuldner<br />

und hat konstitutive Wirkung (§ 727 ZPO)<br />

Rechtsnachfolge ist sowohl Gesamt- als auch die Einzelrechtsnachfolge (Erbschaft,<br />

Abtretung einer Forderung, Veräußerung einer Sache)<br />

Voraussetzung der Erteilung im <strong>Klaus</strong>elerteilungsverfahren: Rechtsnachfolge ist bei Gericht<br />

offenkundig oder wird von Gläubiger durch öffentlich beglaubigte Urkunden<br />

nachgewiesen (§ 727 Abs. 1 ZPO). Varianten:<br />

- Nachweis auf Gläubigerseite (regelmäßig unproblematisch)<br />

- Nachweis auf Schuldnerseite: Verweigert Schuldner Mitwirkung, muss der Gläubiger<br />

auf Erteilung der Vollstreckungsklausel klagen (§ 731 ZPO). Gesteht Schuldner dann<br />

die Rechtsnachfolge zu, entspricht dies Geständnis vor Gericht (§ 288 ZPO; BGH<br />

MDR 2006, 52); Schweigt der Schuldner, dann ist § 138 Abs. 3 ZPO<br />

(Geständnisfiktion) nicht anwendbar, da kein streitiges Verfahren! (OLG Nürnberg<br />

NJW-RR 1993, 1340; Münzberg NJW 1992, 201 ff).<br />

7


. Titelergänzende <strong>Klaus</strong>el<br />

Es gibt Titel, in denen der zu vollstreckende materielle Anspruch oder die Vollstreckbarkeit<br />

von einer Bedingung abhängt, beispielsweise bei aufschiebend bedingten Ansprüchen oder<br />

Ansprüchen, die von einer Kündigung abhängen. In diesen Fällen wird eine<br />

Vollstreckungsklausel erst erteilt, wenn der Eintritt der Bedingung durch öffentlich<br />

beglaubigte Urkunden nachgewiesen ist, vgl. § 726 Abs. 1 ZPO. Beispiel: Nach dem Tenor<br />

wird die Vollstreckung von einer behördlichen Genehmigung abhängig gemacht (BGH NJW<br />

1978, 1262).<br />

c. <strong>Klaus</strong>elerteilungsverfahren<br />

aa. „Einfache“ <strong>Klaus</strong>el<br />

Erteilung durch Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts, bei dem der Prozess<br />

anhängig ist (§§ 724 Abs. 2, 795 ZPO). Erteilung nur auf Antrag (formlos, kein<br />

Anwaltszwang); Pflicht zur Anhörung des Gegners (ergibt sich nicht aus § 730 ZPO, aber aus<br />

Art. 103 I GG).<br />

Verweigert Urkundsbeamter die Erteilung der Vollstreckungsklausel, kann Gläubiger<br />

innerhalb einer Notfrist (vgl. § 224 I 2 ZPO) von zwei Wochen um Entscheidung des<br />

Gerichts nachsuchen (Erinnerung gem. § 573 ZPO).<br />

Will sich der Schuldner gegen die Erteilung der <strong>Klaus</strong>el wenden, muss er Erinnerung nach §<br />

732 ZPO einlegen.<br />

bb. Titelübertragende oder titelergänzende <strong>Klaus</strong>eln<br />

Erteilung durch Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RPflG). Grund: konstitutive Wirkung.<br />

Verweigert der Rechtspfleger die Erteilung der <strong>Klaus</strong>el, kann Gläubiger binnen einer Notfrist<br />

von zwei Wochen die sofortige Beschwerde einlegen (§ 567 Abs. 1 BGB i.V.m. § 11 Abs. 1<br />

RPflG; Notfrist: § 569 Abs. 1 ZPO). Wenn der Rechtspfleger die Beschwerde für begründet<br />

hält, ist er befugt und verpflichtet, ihr abzuhelfen, indem er die beantragte <strong>Klaus</strong>el erteilt.<br />

Hilft der Rechtspfleger der Beschwerde nicht ab, muss das im Rechtszug zunächst höhere<br />

Gericht entscheiden (§ 572 Abs. 1 ZPO). Der Rechtspfleger muss dem Gericht die<br />

Beschwerde vorlegen, und zwar unmittelbar und nicht durch Einschaltung des <strong>Richter</strong>s an<br />

dem Gericht, an dem er tätig ist.<br />

cc. <strong>Klaus</strong>elklage, § 731 ZPO<br />

Gläubiger muss den Eintritt der Bedingung oder die Rechtsnachfolge durch Urkundenbeweis<br />

antreten (§§ 726 – 729 ZPO). Liegt die Beweislast beim Schuldner und äußert sich Schuldner<br />

nicht, muss ihn Gläubiger auf Erteilung der Vollstreckungsklausel verklagen (§ 731 ZPO -<br />

<strong>Klaus</strong>elklage), wobei ausschließlich das Prozessgericht erster Instanz zuständig ist (§ 802<br />

ZPO). Diese Klage ist keine Leistungsklage (nicht der Schuldner erteilt die <strong>Klaus</strong>el, sondern<br />

der Rechtspfleger), sondern eine prozessuale Feststellungsklage (hM).<br />

Nach hM kann Gläubiger anstelle der <strong>Klaus</strong>elklage aus § 731 ZPO auch Leistungsklage gegen<br />

den Schuldner erheben (Wahlrecht des Gläubigers, BGH NJW 1987, 2863).<br />

8


dd. Rechtsbehelfe des Schuldners<br />

(1.) <strong>Klaus</strong>elerinnerung<br />

Wenn der Schuldner formelle Einwendungen gegen die dem Gläubiger erteilte <strong>Klaus</strong>el<br />

geltend machen will, gilt nicht § 11 RPflG, sondern nur § 732 ZPO, dieser ist – nach h.M. –<br />

hier lex specialis (OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 549). Richtet sich gegen einfache <strong>Klaus</strong>el<br />

und qualifizierte <strong>Klaus</strong>el.<br />

Folgende <strong>Klaus</strong>eleinwendungen kommen in Betracht:<br />

- formeller Fehler im <strong>Klaus</strong>elerteilungsverfahren (Beispiel: Fehlen eines Titels)<br />

- besondere materielle Voraussetzungen für eine qualifizierte <strong>Klaus</strong>elerteilung fehlen,<br />

so beispielsweise der Bedingungseintritt (§ 726) oder die Rechtsnachfolge (§ 727).<br />

- Nícht unter § 732 ZPO fallen dagegen materiell-rechtliche Einwendungen (aus<br />

BGB, HGB etc.), die sich gegen den Titel richten. In diesem Fall muss der Schuldner<br />

die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO geltend machen.<br />

(2.) <strong>Klaus</strong>elgegenklage, § 768 ZPO<br />

Nur gegen eine qualifizierte <strong>Klaus</strong>el kann der Schuldner <strong>Klaus</strong>elgegenklage gem. § 768 ZPO<br />

erheben. Diese ist nur bezüglich der materiellen Voraussetzungen der §§ 726 ff. ZPO<br />

zulässig, d.h. hier kommen nur materielle <strong>Klaus</strong>eleinwendungen in Betracht. Zuständig ist<br />

auch hier ausschließlich das Prozessgericht (§§ 768, 767 Abs. 1, 802 ZPO).<br />

Begründet ist die <strong>Klaus</strong>elgegenklage, wenn der materielle Einwand gegen die Erteilung der<br />

qualifizierten <strong>Klaus</strong>el i.S.d. §§ 726 ff. ZPO besteht. Das Gericht entscheidet durch Urteil.<br />

Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden (§§ 511 ff. ZPO)<br />

3. Zustellung<br />

a) Grundsatz: Vorherige oder gleichzeitige Zustellung<br />

Vor dem Vollstreckungsbeginn muss nach § 750 Abs. 1 ZPO das Urteil bereits zugestellt sein<br />

oder wenigstens gleichzeitig zugestellt werden. Das gilt für die besonderen<br />

Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 gemäß § 795 ZPO entsprechend.<br />

b) Zustellung auch der Vollstreckungsklausel und anderer Urkunden, § 750 Abs. 2 ZPO<br />

c) Besonderheiten bei der Sicherungsvollstreckung, §§ 750 Abs. 3, 720a ZPO: Aus einem nur<br />

gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil, das den Schuldner zur<br />

Geldzahlung verurteilt, darf der Gläubiger ohne die Leistung der Sicherheit die<br />

Sicherungsvollstreckung betreiben. Er muss zwei Wochen vorher Titel und <strong>Klaus</strong>el zustellen<br />

(§ 750 Abs. 3) und darf dann bewegliches Vermögen pfänden und bei unbeweglichem<br />

Vermögen eine Sicherungshypothek eintragen lassen. Zur Verwertung der Sicherung darf<br />

der Gläubiger allerdings erst nach Sicherheitsleistung oder bei Eintritt der Rechtskraft des<br />

Urteils schreiten.<br />

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IV. Die besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung<br />

1. Ist die ZV vom Eintritt eines Kalendertages abhängig – so bei Urteilen auf künftige<br />

Leistungen (§§ 257 – 259 ZPO), darf sie erst mit Ablauf dieses Kalendertages<br />

beginnen.<br />

2. Wenn die Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung durch den Gläubiger<br />

abhängt, darf sie erst beginnen, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentliche<br />

oder beglaubigte Urkunde nachgewiesen und ein Abschrift dieser Urkunde bereits<br />

zugestellt wurde oder gleichzeitig zugestellt wird (§ 751 Abs. 2 ZPO).<br />

3. Wenn die Zwangsvollstreckung von einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung<br />

des Gläubigers abhängt, darf sie erst beginnen, wenn der Gerichtsvollzieher dem<br />

Schuldner die Leistung angeboten hat oder durch öffentliche oder öffentliche oder<br />

öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen ist, dass der Schuldner befriedigt oder<br />

im Annahmeverzug ist (§ 756 ZPO).<br />

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