Leistungsdruck im Tennis - Jugend+Sport
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<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong><br />
Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Tina Markutt, 6d<br />
Coach: Gery Ochsner<br />
Dezember 2004<br />
Evangelische Mittelschule Schiers
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Vorwort<br />
Ich spiele nun schon seit fast zehn Jahren aktiv <strong>Tennis</strong> und habe bis heute die Freude daran<br />
nicht verloren. Von meinen Eltern lernte ich, dass es bloss ein Spiel ist, dass Siege schön, aber<br />
nicht Bedingung sind und Niederlagen akzeptiert werden und ich daraus lernen kann. Doch<br />
schon früh musste ich feststellen, dass es meinen Kolleginnen ganz anders erging. Seit<br />
kurzem bin ich auch als Turnierleiterin von Juniorenturnieren tätig. Dort erlebe ich, wie die<br />
Kinder von ihren Eltern unter enormen Druck gesetzt werden. Vor ihrem Match müssen die<br />
Kinder die Anweisungen der Eltern genauestens befolgen. Dann wird ihnen noch einmal<br />
eingeredet, was sie auf dem Platz zu tun haben. Schliesslich wird jede ihrer Handlungen und<br />
Bewegungen auf dem Platz beobachtet oder sogar aufgeschrieben. Nach dem Match werden<br />
sie, ob Sieg oder Niederlage, stark kritisiert. Szenen, in denen die Eltern die Nerven verlieren<br />
und die Kinder zu weinen beginnen, sind an diesen Turnieren keine Seltenheit.<br />
Immer wieder muss ich feststellen, wie viele Kolleginnen, die als Talente galten, <strong>im</strong> Alter von<br />
etwa sechzehn Jahren das <strong>Tennis</strong> ganz an den Nagel hängen.<br />
All diese Vorkommnisse gaben mir Anlass dazu, mir die Umstände dieses Phänomens<br />
genauer anzuschauen. Ich habe diese Arbeit für alle Interessierten geschrieben. Vor allem<br />
aber erhoffe ich mir von Betroffenen und allen, die sich mit <strong>Tennis</strong> auseinandersetzen, die<br />
Einsicht, dass nicht Resultate und Klassierungen für das Leben eines Kindes entscheidend<br />
sind, sondern dass es Freude am Sport hat. Das ist oft der bessere Weg zum Ziel.<br />
Ich möchte hierbei noch meinen herzlichsten Dank an alle aussprechen, die mir bei meiner<br />
Arbeit behilflich waren. Dies ist ganz speziell mein Coach, Herr Gery Ochsner, der mir <strong>im</strong>mer<br />
zur Beratung zur Seite stand. Ausserdem danke ich S<strong>im</strong>one Bachmann, die sich dazu bereit<br />
erklärt hat, die Aufgabe der Beisitzerin zu übernehmen. Weiter möchte ich all meinen<br />
Interviewpartnern und denen, die mir Material zur Verfügung stellten, danken. Insbesondere<br />
sind das Pascal Schwarb, Sidonia Wolfinger, Nina Nittinger und die vier <strong>Tennis</strong>spieler des<br />
Sportgymnasiums Davos. Als letztes möchte ich noch meiner Familie danken, die mich<br />
während meiner ganzen Arbeit unterstützt hat. Vielen Dank!<br />
Klosters, Dezember 2004<br />
Tina Markutt<br />
2
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort ........................................................................................................................2<br />
Einleitung .....................................................................................................................4<br />
1. Vorzeitiges Scheitern............................................................................................. 5<br />
2. Gründe für ein Burn-out/Drop-out .....................................................................6<br />
2.1 Allgemeine Gründe ...........................................................................................6<br />
2.2 <strong>Tennis</strong>spezifische Gründe ................................................................................. 6<br />
2.3 Leistungsentwicklung........................................................................................7<br />
2.3.1 Interpretation der Grafik...........................................................................7<br />
2.3.1.1 Grundlagentraining.......................................................................8<br />
2.3.1.2 Aufbautraining 1 ..........................................................................8<br />
2.3.1.3 Aufbautraining 2 ..........................................................................9<br />
2.3.1.4 Anschlusstraining.........................................................................9<br />
2.3.1.5 Hochleistungstraining...................................................................10<br />
2.4 Welche Rolle spielen Eltern <strong>im</strong> Zusammenhang mit Stress? ...........................11<br />
2.4.1 Ängstlichkeit ............................................................................................11<br />
2.5 Weshalb dieser grosse Druck gerade <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>?.............................................. 13<br />
2.5.1 Auffassung von N. Fessler .......................................................................14<br />
2.5.2 Auffassung von E. Loehr .........................................................................14<br />
3. Begleiterscheinungen ............................................................................................16<br />
4. Lösungen ................................................................................................................17<br />
4.1 Wie können Eltern diesen Druck vermeiden?...................................................18<br />
5. Was braucht es, um erfolgreich zu werden?.......................................................19<br />
5.1 Erfolgsintelligenz von R.J. Sternberg ...............................................................19<br />
5.2 Was ist ein Talent? ............................................................................................22<br />
5.2.1 Talentsichtung ..........................................................................................22<br />
6. Schule und <strong>Tennis</strong> .................................................................................................23<br />
7. Entwicklung der Matchanzahl von den Top-20 der Schweizer Junioren........24<br />
8. Dreiecksverhältnis Eltern – Trainer – Kind.......................................................26<br />
8.1 Die individuellen Aufgaben ..............................................................................26<br />
8.2 Konfliktpotenzial...............................................................................................27<br />
9. Leitfrage .................................................................................................................29<br />
9.1 Wie viel Druck ist nötig? ..................................................................................29<br />
10. Stehen Bündner Junioren unter <strong>Leistungsdruck</strong>?.............................................30<br />
11. Diskussion ..............................................................................................................32<br />
12. Zusammenfassung.................................................................................................33<br />
Literaturverzeichnis....................................................................................................34<br />
Anhang .........................................................................................................................35<br />
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<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Einleitung<br />
Der Weg zum Top-<strong>Tennis</strong>spieler ist lang und beschwerlich. An die Spitze schafft es nur etwa<br />
einer von tausend Jugendlichen. Das ist oft Kind und Eltern nicht bewusst und es werden zu<br />
hohe Ziele gesetzt. Kaum jemand spielt, um eine Freizeitbeschäftigung zu haben, oder um<br />
„nur“ regional gut zu werden. Es ist ganz klar, dass so ein enormer Druck entsteht, den sich<br />
die Spieler z.T. selber aufzwängen, oft aber auch ganz stark, aus verschiedensten Gründen,<br />
von den Eltern ausströmt. Dadurch, dass die Kinder ständig diesem Druck ausgesetzt sind,<br />
können mentale und physische Blockaden entstehen, ein Ausgebranntsein, auch Burn-out<br />
genannt. Aus diesem Loch wieder herauszufinden, ist extrem schwer, und viele schaffen es<br />
nicht mehr zurück in den Leistungssport, erleben ein so genanntes Drop-out. Für mich stellt<br />
sich deshalb die Leitfrage: Gäbe es mehr Topspieler, wenn Jugendliche nicht von Eltern und<br />
Trainern unter Druck gesetzt würden, oder braucht es eine so grosse Drop-out Rate, damit<br />
einige dank diesem Druck an die Spitze gelangen?<br />
Um eine mögliche Antwort darauf zu finden, untersuche ich in meiner Arbeit die Gründe für<br />
das Entstehen eines Burn-outs und eines Drop-outs spezifisch in der Sportart <strong>Tennis</strong>. Dabei<br />
versuche ich zu zeigen, welche Rolle die Eltern <strong>im</strong> Zusammenhang mit Stress spielen und<br />
weshalb es diesen grossen Druck gerade <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> gibt. Weiter zeige ich mögliche<br />
Lösungsansätze, wie die Eltern einen solchen Druck vermeiden können. In einem weiteren<br />
Teil behandle ich die Frage, was es braucht um erfolgreich zu werden. Die Feldarbeit nutze<br />
ich vorwiegend, um mich über diese Themen genauer zu informieren und um herauszufinden,<br />
ob bei den jungen Spielern in der Schweiz auch <strong>Leistungsdruck</strong> vorhanden ist.<br />
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<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
1. Vorzeitiges Scheitern<br />
Das Spitzentennis und vor allem das Weltspitzentennis täuscht uns eine Glitzerwelt vor, die<br />
viele Eltern, Trainer und Funktionäre falsch einschätzen, da sie die Realität nicht kennen.<br />
Ruhm, Popularität und enorme Geldeinnahmen gehören zwar zu jedem Spitzenstar, doch es<br />
gibt auch Tausende von Möchtegernstars, die ewig nur die niedrigrangigen Turniere und<br />
Qualifikationen spielen müssen und sich vergebens um einen Platz <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>h<strong>im</strong>mel<br />
bemühen.<br />
Gründe dafür können einerseits eine fragwürdige Einstellung und fehlende mentale Härte,<br />
schlechte äussere Voraussetzungen und ungünstige sportliche Umweltbedingungen sein.<br />
Dafür ist es sehr schwer die richtige „Medizin“ zu finden. Anderseits kann es auch an einer<br />
mangelnden Grundausbildung liegen. Dies dürfte allerdings mit dem heutigen Fachwissen gar<br />
nicht erst vorkommen.<br />
Trotzdem ist die Erfolglosigkeit unzähliger junger Talente praktisch in allen typischen<br />
<strong>Tennis</strong>nationen keine Ausnahme, sondern eine bittere Realität. Die wenigen, die es geschafft<br />
haben, dürfen uns nicht blenden.<br />
Die permanente Erfolglosigkeit ist dabei nicht das einzige Problem. Schl<strong>im</strong>mer ist die grosse<br />
Anzahl von jungen, erfolgreichen Spielern, die aus verschiedenen Gründen früher oder später<br />
über ein so genanntes „Burn-out“ (psychische und physische Überforderung bzw.<br />
„Ausgebranntsein“) zum „Drop-out“ (Ausstieg aus dem Leistungssport) geraten und somit<br />
dem Hochleistungstennis verloren gehen. Danach ein Comeback zu starten ist sehr schwer<br />
und bisher auch noch fast niemandem gelungen.<br />
Es gab viele Aussteiger aus dem <strong>Tennis</strong>sport, die durch ihre frühzeitigen Erfolge und grossen<br />
Perspektiven berühmt geworden sind. Weltweit gibt es aber Tausende von Talenten, die der<br />
<strong>Tennis</strong>sport verloren hat und die nicht einmal Zeit hatten weltweit berühmt zu werden, weil<br />
sie vorher ausgebrannt waren. Durch den frühen Einstieg in den Leistungssport hatten diese<br />
eine unzureichende physische, mentale und technische Aufbauzeit. Drei bis vier Jahre später<br />
kommt bei fast allen das Aus!<br />
5
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
2. Gründe für ein Burn-out / Drop-out<br />
Hochleistungstennis kann höchstens ca. 10 Jahre betrieben werden. Die individuelle<br />
Höchstleistung <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> erreichen Männer erst <strong>im</strong> Alter von etwa 23 – 26 Jahren. Deshalb<br />
würde es reichen, wenn ein Spieler frühestens ab dem 16./17. Lebensjahr in den<br />
Hochleistungssport einsteigt. Bei den Frauen fängt diese Phase zwei is drei Jahre früher an.<br />
Vorher sollten nicht die Erfolge zählen, sondern vor allem das Mitmachen und die Freude am<br />
Sport.<br />
Auch wenn dies beachtet wird, gibt es noch einige andere Gründe für ein „Burn-out“ mit<br />
anschliessendem „Drop-out“.<br />
2.1 Allgemein verständliche Gründe sind beispielsweise:<br />
• Nicht ausreichendes Talent<br />
• Dem Hochleistungsstress nicht gewachsen sein<br />
• Priorität für Berufsausbildung/Studium<br />
• Priorität auf andere Sportart<br />
2.2 Daneben sind vor allem zwei Gründe entscheidend:<br />
• Physische Überbelastung: ein Jugendlicher spielt aufgrund seines enormen Talents<br />
und seiner rein technischen Fähigkeiten in einer Liga, für die er physisch noch gar<br />
nicht ausgerüstet ist. Die Folgen sind: zunehmende, physische Überbelastung, sich<br />
häufende Verletzungen, Trainings- und Turnierunterbrechungen, <strong>im</strong>mer mehr<br />
Missmut und Misserfolge bis zum physischen Zusammenbruch.<br />
• Psychische Überbelastung: durch eigene Erwartungen und Erwartungen der beteiligten<br />
Umwelt (Eltern, Trainer, Freunde…) gerät ein Jugendlicher unter enormen<br />
psychischen Stress, dem er noch lange nicht gewachsen ist.<br />
„Ein Kind ist kein kleiner und ein Junior ist kein mittelgrosser<br />
Erwachsener. Ein Kind ist ein Kind und ein Junior ist ein Junior mit all den<br />
biologischen Unterschieden und unterschiedlichen physischen und<br />
psychischen Voraussetzungen. Einem siebzehnjährigen jungen Menschen<br />
mutet man z.B. eine Führungsposition der Wirtschaft nie zu. Im <strong>Tennis</strong>sport<br />
jedoch erwartet man von einem Sportler in diesem Alter, dass er physisch,<br />
psychisch und technisch auf der Höhe der Erwachsenen und in allen<br />
Belangen von ausgereiften Spitzenspielern sein muss (Grosser/Schönborn,<br />
2001: S.16f).“<br />
6
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
2.3 Leistungsentwicklung<br />
In der folgenden Abbildung ist die Leistungsentwicklung von Jugendlichen ersichtlich,<br />
welche zwei verschiedene Aufbauwege verfolgten:<br />
Rote Linie: falsch, obwohl üblich<br />
Grüne Linie: richtig, obwohl selten<br />
Aufbautraining<br />
1+2<br />
Grundlagentraining<br />
Leistung<br />
Individuelle<br />
Leistungsgrenze<br />
6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32<br />
Alter<br />
Anschlusstraining Hochleistungstraining �� falsch, obwohl üblich<br />
Aufbautraining<br />
1<br />
Aufbautraining<br />
2<br />
Anschluss-<br />
Hochleistungstraining �� richtig, obwohl selten<br />
training<br />
(Grosser/Schönborn, 2001: S. 131)<br />
Die Trainingsarten sind stark vom Alter abhängig. Genauer zeigen das die folgenden<br />
Erklärungen zu den verschiedenen Trainingsarten, wie sie richtig eingehalten werden sollten,<br />
um ein Burn-out zu vermeiden:<br />
2.3.1 Interpretation der Grafik:<br />
Rot: Kinder, die vom 6./7. Lebensjahr an „nur“ <strong>Tennis</strong> spielen, erzielen frühzeitig<br />
Turniererfolge, da sie bereits gewisse Grundtechniken erlernt haben und sicher spielen<br />
können. Mit 14 Jahren beginnen sie dann bereits mit dem Hochleistungstraining, sofern sie<br />
nach einer eventuellen Leistungsstagnation noch Lust zum Spielen haben. Mit 20 Jahren<br />
haben sie ihre individuelle Höchstleistung erreicht.<br />
Grün: Diese Kinder haben sich für den „richtigen“ und langsam aufbauenden Weg<br />
entschieden. Sie haben zwar an den ersten Turnieren keine grossen Erfolge, werden aber<br />
7
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
später ihre körperlichen und technischen Vorteile ausnutzen können. Ihr Einstieg in den<br />
Hochleistungssport erfolgt erst ab dem 20. Lebensjahr und ihre individuelle Höchstleistung<br />
erreichen sie zwischen dem 24. und 26. Lebensjahr.<br />
2.3.1.1 Grundlagentraining (6 – 10jährige):<br />
In diesem Altersabschnitt haben die Kinder eine hohe Lernfähigkeit. Koordinative<br />
Fähigkeiten, wie auch Reaktions- und Frequenzschnelligkeit sind stark ausgeprägt. Jedoch<br />
sind ihre Konzentrationsfähigkeiten über einen längeren Zeitraum sowie<br />
leistungsbest<strong>im</strong>mende Kraftfähigkeiten noch eingeschränkt. Deshalb werden in diesem<br />
Trainingsabschnitt vor allem die <strong>Tennis</strong>grundtechniken, Reaktions- und<br />
Frequenzschnelligkeit, Motorik und Koordination geschult. Dies sollte aber nur ein Teil des<br />
Trainings sein. Nebenbei sollten auch Wahrnehmungs- und Antizipationsfähigkeiten sowie<br />
das Gleichgewicht, die Beinarbeit und das Ballgefühl geschult werden.<br />
In dieser Phase sollten keine Meisterschaften stattfinden, die die Kinder unter Erfolgszwang<br />
und Stress setzen. Auf keinen Fall dürfen Turniere mit K.O.-System gespielt werden. Die<br />
Kinder sollen Spass an der Auseinandersetzung mit einem Gegner haben, durch das Spielen<br />
motiviert werden, erste taktische Grundlagen erlernen und den mentalen Bereich stärken. Die<br />
Eltern dürfen ihre Kinder nicht unter Stress setzen; die Resultate sollen nüchtern und vor<br />
allem <strong>im</strong>mer positiv beurteilt werden. Der Spieler muss wissen, dass er auch verlieren darf.<br />
Die Matchzahl liegt bei höchstens 20-30 Matches pro Jahr. Die Anzahl Siege und Niederlagen<br />
sollten ausgeglichen sein.<br />
2.3.1.2 Aufbautraining 1 (9 – 13jährige)<br />
In diesem Training wird eine hohe Qualität der Grundtechniken angestrebt, denn Fehler, die<br />
in diesem Abschnitt gemacht werden, können später kaum mehr ausgeglichen werden. Bis<br />
zum 12. Lebensjahr sollten alle Schlagtechniken <strong>im</strong> Matchgeschehen – dem Alter<br />
entsprechend – einsetzbar sein. Der tennisspezifische Anteil schiebt sich nun langsam in den<br />
Vordergrund. Die <strong>Tennis</strong>technikentwicklung ist zwar wichtig, soll aber trotzdem nur einen<br />
Teil einnehmen.<br />
In diesem Alter sollen die Kinder 40-50 Matches pro Jahr spielen. Jedoch dürfen sie nicht mit<br />
zu vielen Turnieren überhäuft oder mit zu schwierigen Turnieren konfrontiert werden. Der<br />
Spieler soll <strong>im</strong>mer Chancen auf einige Siege haben. Trainer, Eltern und Funktionäre<br />
orientieren sich häufig zu stark auf den Erfolg. Erfolge in diesem Alter sind zwar schön, aber<br />
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<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
unwichtig und schon gar nicht richtungsweisend. Eine Niederlage ist ein notwendiger und<br />
normaler Schritt für die weitere Entwicklung.<br />
2.3.1.3 Aufbautraining 2 (11 – 15jährige)<br />
Diese Stufe ist die erste kritische Etappe. Durch die körperlichen und psychischen<br />
Veränderungen der Pubertät kann es zu Rückschlägen, zu mentalen und körperlichen sowie zu<br />
anderen individuellen Problemen kommen. Dieses Phänomen muss daher als ganz normal<br />
angeschaut werden und darf keine Bestrafung zur Folge haben.<br />
Auch in dieser Phase sind Turniere noch reine Leistungsüberprüfer. Sie bestätigen die<br />
Trainingsmethoden und –inhalte und geben evt. Anlass zu Änderungen. Turniere sollten nach<br />
dem sogenannten „Drittelprinzip“ gespielt werden. D.h.<br />
„die Spieler sollen grundsätzlich 1/3 aller Matches gegen Schwächere, 1/3 gegen<br />
Gleichwertige und 1/3 gegen stärkere Gegner spielen. Gegen Schwächere müssen sie<br />
beweisen, dass sie tatsächlich fähig sind, diese Spieler auf Distanz zu halten. Hierbei<br />
lernen sie, ihre Position zu verteidigen, die Angst vor dem Versagen zu bewältigen, den<br />
Gegner nicht zu unterschätzen und Selbstvertrauen aufzubauen. Gegen gleich starke<br />
Gegner müssen sie lernen zu fighten, eventuelle Rückstände aufzuholen, niemals<br />
aufzugeben, schwankende Matchform zu akzeptieren, erfolglose Taktiken zu verändern,<br />
ungünstige äussere Umstände zu bewältigen und vieles mehr. Gegen stärkere Gegner<br />
können sie frei aufspielen, über sich hinauswachsen, nicht erwartete<br />
Leistungsfähigkeiten entdecken, neue Taktiken oder Schlaganwendungen,<br />
Schlaggeschwindigkeiten oder Schlageinsatzvariationen ausprobieren. Mit diesem<br />
Drittelprinzip (zwei Siege und erst dann eine eventuelle Niederlage) kann man z.B. <strong>im</strong><br />
Profitennis bis in die Top 20 kommen (Grosser/Schönborn, 2001: S. 100).“<br />
Die stärksten Junioren und Juniorinnen können vereinzelt an internationalen Turnieren<br />
teilnehmen, damit sie sich bereits auf den psychischen Druck, der bei internationalen<br />
Turnieren herrscht, gewöhnen und andere Gegner, Spielarten und –stile kennen lernen.<br />
Es sollten ca. 60 Matches pro Jahr gespielt werden.<br />
2.3.1.4 Anschlusstraining (14 – 18jährige)<br />
Diese Stufe ist die wichtigste Etappe für die spätere Leistungsentwicklung. Die Jugendlichen<br />
können <strong>im</strong>mer stärker und vielfältiger belastet werden. Zum ersten Mal spielen die<br />
Turnierresultate eine wichtige Rolle und eine häufige Teilnahme an Turnieren, ca. 70 Matches<br />
pro Jahr, ist notwendig. Erfolge bei Turnieren sind nun ein gewisses Kriterium und eine<br />
Vorbedingung für eine erfolgreiche Karriere. Trotzdem sind sie noch lange keine Garantie für<br />
Spitzenerfolge.<br />
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<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
„Zwischen dem ca. 15. und 17. Lebensjahr verstärkt sich bei den meisten erfolgreichen<br />
Mädchen die Tendenz zum Wechsel in das Profilager. Das Problem dabei ist, dass die<br />
meisten Juniorinnen zwar spielstärkenmässig schon durchaus mithalten können,<br />
körperlich und psychisch aber noch lange nicht der harten Profitour gewachsen sind.<br />
Deswegen bleiben so viele auf der Strecke (Gross/Schönborn, 2001: S. 105).“<br />
„Eine vorzeitige Teilnahme eines unreifen Spielers bei den Aktiven nur unter der<br />
Prämisse, Erfahrungen zu sammeln oder frühzeitig einige Punkte auf den<br />
Weltranglisten zu bekommen, hat in der Regel einen negativen Effekt, der durch<br />
anhaltende Erfolglosigkeit, Frust, Angst vor Versagen, Verlust an Selbstvertrauen und<br />
Perspektivlosigkeit auf die Dauer <strong>im</strong>mer weiter verstärkt wird, bis es zum Burn-out und<br />
gegebenenfalls zum Drop-out kommt (Grosser/Schönborn, 2001: S. 109).“<br />
2.3.1.5 Hochleistungstraining (16 – 19jährige)<br />
Biologisch ist nun die körperliche Reife von Erwachsenen erreicht. Der Wechsel vom<br />
Junioren- ins Erwachsenentennis beginnt. Doch dieser wird meist unterschätzt. Erfolge in der<br />
Jugend lassen sich nicht automatisch bei den Erwachsenen fortsetzen, denn zwischen dem<br />
Junioren- und dem Erwachsenentennis besteht ein grosser Unterschied. Es fehlen Erfahrungen<br />
mit den „neuen“ Gegnern, mit der ganzen Atmosphäre, den veränderten Umständen, dem<br />
enormen <strong>Leistungsdruck</strong>, den weiten Reisen und mit fehlenden Trainingspartnern. Diese<br />
neuen Gegebenheiten müssen zuerst akzeptiert werden. Auch muss man damit umgehen<br />
können, dass man lange Zeit durch den harten Weg der Qualifikation gehen muss, welcher<br />
eine perfekte Kondition, mentale Stärke und ernorme Widerstands- und Willenskraft<br />
erfordert. Ausserdem gibt es auf der Tour finanzielle Probleme. In den Qualifikationen kann<br />
man noch kein grosses Geld verdienen und somit ist das ganze Unternehmen vorerst ein<br />
Minusgeschäft. Wenn keine Sponsoren zur Verfügung stehen, ist der Anfang recht schwer,<br />
denn Flüge, Hotels und Verpflegung bei 20-25 Turnieren weltweit kosten eine enorme<br />
Summe Geld.<br />
Es sollten ca. 70-80 Matches <strong>im</strong> Jahr gespielt werden.<br />
10
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
2.4 Welche Rolle spielen Eltern <strong>im</strong> Zusammenhang mit Stress ihrer Kinder?<br />
Eltern können ihre Kinder auf den Weg zum Erfolg <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> führen, wenn sie <strong>im</strong> Kind in<br />
einem frühen Entwicklungsstadium Interesse und Enthusiasmus für das <strong>Tennis</strong> wecken. In<br />
einer Untersuchung von Glenn und Chander Sahota, hat sich herausgestellt, dass Eltern, die<br />
mit ihren Kindern am Anfang eine Menge Zeit be<strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> und be<strong>im</strong> Ballschlagen oder mit<br />
kleinen Spielen verbringen und so mit den Kindern Spass haben, die besten Voraussetzungen<br />
für Höchstleistungen schaffen. Indem sie Zeit investieren und selber Spass haben, regen Vater<br />
und Mutter die Kinder an und verstärken ihre Motivation erheblich. Die Eltern erwecken in<br />
den Kindern den Willen, etwas zu leisten. Wenn eine fröhliche und freudige Atmosphäre<br />
entsteht, wirkt das besonders motivierend. Wenn das Feuer erst mal entflammt ist, dann<br />
sollten die Eltern eine etwas distanziertere Rolle spielen. Wenn sie zu sehr in der Nähe<br />
bleiben, dann beginnen sie, die Flamme zu ersticken. Die Motivation sollte in dieser zweiten<br />
Phase von Kameraden und Trainern und natürlich aus dem Innern des Kindes selbst kommen.<br />
Die Rolle der Eltern ist es jetzt, das Kind aus der Entfernung zu unterstützen. Manche Kinder<br />
sind sehr stressempfindlich be<strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>. Solche hochängstlichen Kinder haben die geringste<br />
Chance, Höchstleistungen zu erbringen. Sie werden oft schon <strong>im</strong> Jugendtennis Opfer unserer<br />
wettkampforientierten Welt. In der Regel wird ein Kind, das hochängstlich ist, weniger Spass<br />
am Wettkampf haben, <strong>im</strong> Wettkampf weniger erfolgreich sein.<br />
2.4.1 Ängstlichkeit<br />
Wer <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> nach oben kommen will, muss seine Ängstlichkeit möglichst gering halten.<br />
Natürlich spielen Eltern die wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Ängstlichkeitsmerkmalen.<br />
Aus diesem Grund sollten Eltern überprüfen, ob das, was sie tun, die Tendenz zur<br />
Ängstlichkeit begünstigt. Mit Hilfe der Forschung konnten vier elterliche Verhaltensweisen<br />
identifiziert werden, die mit dem Erwerb von hochgradiger Ängstlichkeit eng verknüpft sind.<br />
• Eltern, die auf den Einsatz von Angst, Bestrafung oder Liebesentzug bauen,<br />
vergrössern die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Kinder das Merkmal<br />
hochgradiger Ängstlichkeit entwickeln.<br />
• Je intensiver ein Kind bestraft wird, um so eher wird sich hochgradige<br />
Ängstlichkeit entwickeln.<br />
• Inkonsequentes elterliches Verhalten lassen das Kind unsicher und ängstlich in<br />
best<strong>im</strong>mten Situationen werden. Ein Beispiel: Vor dem Match sagen sie ihrem<br />
Kind, dass Bemühen und Einstellung das Allerwichtigste sind. Aber dann<br />
11
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
verhalten sie sich während des Matches und hinterher so, dass deutlich wird,<br />
dass Gewinnen doch entscheidend ist.<br />
• Einschränkende elterliche Massnahmen beschneiden das Kind in seinen<br />
Möglichkeiten, mit neuen und anderen Situationen fertig zu werden. Fürs<br />
<strong>Tennis</strong> bedeutet das, je länger die Liste von Dingen ist, die das Kind nicht tun<br />
soll (es soll nicht mit dieser oder jener Person spielen oder nicht in jenem Club<br />
trainieren oder an jenem Turnier nicht teilnehmen usw.), umso mehr wird<br />
Ängstlichkeit zum Problem.<br />
Bei weiteren Untersuchungen wurde festgestellt, dass Eltern von hochgradig ängstlichen<br />
Kindern mit grösserer Wahrscheinlichkeit Belohnung oder Lob zurückhielten, wenn die<br />
Kinder gute Leistungen brachten, Spannung oder Beunruhigung eher negativ äusserten,<br />
weniger dazu tendierten, positive Emotionen oder Enthusiasmus zu zeigen und auf<br />
Äusserungen der Verunsicherung einzugehen.<br />
Zweifellos haben Eltern grossen Einfluss auf zukünftige Erfolge oder Misserfolge ihres<br />
Kindes.<br />
12
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
2.5 Weshalb dieser grosse Druck gerade <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>?<br />
Ein grosses Gefahrenpotential für das Scheitern einer Sportkarriere stammt <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> aus der<br />
Beziehung zwischen Eltern und Kind. Wie die Tabelle zeigt, sind familiäre Probleme <strong>im</strong><br />
<strong>Tennis</strong> ein signifikant häufigeres Motiv für einen Ausstieg aus dem Leistungssportbereich als<br />
in anderen Sportarten.<br />
Sportart<br />
Daran gedacht, mit<br />
dem<br />
Leistungssport<br />
aufzuhören?<br />
nein ja<br />
Misserfolge<br />
Verletzungen<br />
Konflikte mit dem<br />
Trainer<br />
Wenn ja, Gründe?<br />
familiäre Probleme<br />
schulische/<br />
berufliche Probleme<br />
Basketball 51,4 48,6 8,4 8,4 22,2 0,0 5,6 11,1 44,3<br />
Faustball 23,0 77,0 10,5 3,5 17,5 3,5 5,3 15,8 43,9<br />
Fechten 45,2 54,8 23,5 5,3 20,8 7,8 15,7 28,6 8,3<br />
Fussball 50,0 50,0 12,0 12,0 13,2 5,2 14,4 13,2 30,0<br />
Handball 61,0 39,0 7,4 9,7 24,4 7,4 12,3 17,2 21,6<br />
Hockey 57,4 42,6 7,5 7,5 24,9 2,6 7,5 12,4 37,6<br />
Judo 17,9 82,1 14,1 11,9 3,3 5,5 16,3 13,0 35,9<br />
Kanu 28,3 71,7 13,9 9,3 13,9 4,6 9,3 20,9 28,1<br />
Karate 53,5 46,5 15,1 10,1 15,1 4,9 10,1 20,0 24,7<br />
Leichtathletik 35,1 64,9 13,9 19,4 19,4 2,8 6,9 20,8 16,8<br />
Radrennsport 23,2 76,8 14,3 9,5 7,9 1,6 11,1 23,8 31,8<br />
Ringen 30,2 69,8 4,4 6,0 9,0 7,4 10,5 16,5 46,2<br />
Rudern 13,2 86,8 7,6 6,6 17,4 2,2 8,6 19,6 38,0<br />
Schiessen 20,0 80,0 20,3 1,3 7,1 2,4 16,6 15,5 36,8<br />
Schw<strong>im</strong>men 34,6 65,4 19,0 9,0 15,7 4,9 8,3 20,6 22,5<br />
Ski Alpin 20,8 79,2 10,5 10,5 10,5 5,3 26,3 15,8 21,1<br />
SN-Biathlon 52,6 47,4 22,2 11,2 0,0 0,0 11,2 22,2 33,2<br />
SN-Kombination 24,0 76,0 26,3 10,5 5,3 0,0 15,8 21,1 21,0<br />
SN-Langlauf 31,5 68,5 21,6 0,0 2,8 8,2 2,8 27,0 37,6<br />
SN-Sprung 29,6 70,4 15,8 10,5 10,5 5,3 0,0 5,3 52,6<br />
Tanzsport 26,9 73,1 10,3 1,0 4,1 5,1 9,2 18,3 52,0<br />
<strong>Tennis</strong> 56,0 44,0 27,3 18,2 0,0 18,2 0,0 9,1 27,2<br />
Tischtennis 35,1 64,9 8,3 12,5 12,5 4,2 12,5 20,8 29,2<br />
Triathlon 38,1 61,9 15,3 7,8 7,8 0,0 7,8 38,5 22,8<br />
Volleyball 31,9 68,1 11,3 5,6 17,8 8,1 16,9 19,9 27,4<br />
Gesamt 35,3 64,7 13,1 8,0 12,8 4,6 11,1 17,3 33,1<br />
Zeitknappheit<br />
Sonstiges<br />
Tabelle<br />
Ausstieggedanken und möglliche<br />
Ausstiegsgründe modifiziert nach<br />
Fessler, Frommknecht, Kaiser,<br />
Renna, Schorer, Binder; In<br />
Förderung des leistungssportlichen<br />
Nachwuchses<br />
(1999/2000, 148)<br />
13
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
2.5.1 Auffassung von N. Fessler<br />
Konkret hat dies aus Sicht von Fessler zwei Ursachen. Zum einen setzt der <strong>Tennis</strong>sport zur<br />
Zeit sehr hohe Anforderungen an die Eltern. <strong>Tennis</strong> ist eine enorm teure Sportart. Platzmiete,<br />
Trainerkosten, Sportmaterial und Reisekosten ergeben zusammengerechnet eine Summe, die<br />
nur von wohlhabenden Eltern übernommen werden kann. An Turnieren benötigt jedes Kind<br />
einen eigenen Fahrdienst, da Turnierpläne und Standorte meist keine Anreise in Gruppen oder<br />
mit öffentlichen Verkehrsmitteln zulassen. Dies führt dazu, dass Eltern z.T. unbewusst oder<br />
gezwungenermassen ein Überengagement für ihre Kinder entwickeln. Durch die Tatsache,<br />
dass die Eltern ihre Kinder zu sehr unterstützen, kann ein Erwartungsdruck entstehen.<br />
Folgende negative Auswirkungen wurden in verschiedenen Studien belegt.<br />
Mc Elroy, Donnely, Smith und Udry sagen:<br />
„Wahrgenommener elterlicher Druck kann das Selbstwertgefühl von Athleten<br />
beinträchtigen, Stress und Schuldgefühle hervorrufen sowie Burn-out begünstigen.“<br />
Zum anderen kann durch den Klassierungsdruck, K.O.-Turniermodus und nur auf<br />
Klassierungspunkte beruhende Kadersysteme die Auffassung entstehen, dass nur noch der<br />
Erfolg allein das Mass aller Dinge ist. In einigen Fällen führt dieser falsche Ehrgeiz sogar so<br />
weit, dass Eltern ihre Kinder nach oder während schlechten Spielen anschreien oder sogar<br />
ohrfeigen, Weil das teuer bezahlte <strong>Tennis</strong>training nicht zum unmittelbaren Erfolg führt. Auch<br />
Trainer sind von solch falschem Ehrgeiz betroffen, indem das Kind einfach zu einem anderen<br />
Trainer geschickt wird. Dies ist für den Trainer meist weniger schl<strong>im</strong>m als für das Kind,<br />
welches dadurch nie einen auf langfristige Zusammenarbeit beruhenden Trainingsprozess<br />
erlebt.<br />
2.5.2 Aufassung von J.E. Loehr<br />
James E. Loehr erklärt sich die Frage so:<br />
<strong>Tennis</strong> ist eine Individualsportart. Individualsportarten erzeugen <strong>im</strong> Allgemeinen für die<br />
Teilnehmer mehr Druck als Mannschaftssportarten. Es gibt keine Auswechselspieler und<br />
keine Auszeiten. Niemand kann ihre Position solange einnehmen, bis sie sich wieder<br />
gefangen haben. Es darf nicht betreut oder beraten werden. Ausser bei Mannschaftsspielen,<br />
wie Davis Cup, Federation Cup oder Interclub kann Ihnen niemand helfen. Sie sind wirklich<br />
allein. Sie schaffen es oder auch nicht – ganz in eigener Verantwortung. In den meisten Fällen<br />
müssen die Spieler ihre eigenen Schiedsrichter sein. Ihr Gegner entscheidet, ob der Ball gut<br />
oder aus ist. Sie können den Ball <strong>im</strong> wichtigsten Moment des Matches deutlich ins Feld<br />
spielen und trotzdem den Gegner „Aus“ sagen hören; und Sie haben in der Tat keine Chance,<br />
14
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
wenn Sie den Ballabdruck nicht nachweisen können. All das setzt einen Spieler ungeheuer<br />
unter Druck. Sie stehen einem lebendigen Gegner gegenüber. Anders als in vielen<br />
Individualsportarten wie Turnen oder Eiskunstlaufen stehen sie in der direkten<br />
Auseinandersetzung mit einer anderen Person. Diese Interaktion von Angesicht zu Angesicht<br />
erhöht die Druckdynamik enorm.<br />
Die Zählweise <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> ist so angelegt, dass sie sich nie sicher fühlen können. Sie können<br />
sich nicht einen grossen Vorsprung verschaffen und dann darauf warten, dass die Spielzeit<br />
abläuft. Es gibt keine Uhr, sie sind jederzeit verletzlich.<br />
Die Dauer des Matches und die sich ständig verändernden Bedingungen können einen Spieler<br />
erschöpfen. Der Druck, sich über so lange Zeiträume konzentrieren zu müssen, ist<br />
ausserordentlich gross. Leichte Veränderungen <strong>im</strong> Zusammenhang mit Wind, Beleuchtung,<br />
Belag, Geräusche und Höhenlage des Spielortes können einen entscheidenden Einfluss auf die<br />
Spielbedingungen haben und bedeutsame psychische Barrieren aufbauen. Es gibt keine<br />
Möglichkeit, sich zu verstecken. <strong>Tennis</strong> spielt sich in einer deutlich sichtbaren Arena ab, wo<br />
alles, was sie tun und sagen, zur öffentlichen Angelegenheit wird. Wenn etwas schief geht,<br />
bekommt das jeder mit.<br />
Eltern spielen meist am Anfang der <strong>Tennis</strong>karriere junger Spieler eine grosse Rolle. Wegen<br />
der komplexen Natur von <strong>Tennis</strong> und dem erheblichen Aufwand an Zeit und Geld auf dem<br />
Wege zum Erfolg, sind Eltern häufig zu stark engagiert. Es gibt kaum Faktoren, die einen<br />
fataleren Druck auf Spieler, insbesondere auf junge Spieler ausüben, als der Druck, den Eltern<br />
erzeugen.<br />
Das Selbstwertgefühl ist überaus wichtig. Um <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> herausragende Leistungen zu zeigen,<br />
müssen Spieler früh beginnen und einen beträchtlichen Teil ihres Lebens dem <strong>Tennis</strong><br />
widmen. <strong>Tennis</strong> wird zum Lebensinhalt. Es wird <strong>im</strong>mer weniger wahrscheinlich, dass sich die<br />
Ansicht, es sei ja nur ein Spiel, aufrechterhalten lässt. Selbst unter den besten Bedingungen<br />
kann <strong>Tennis</strong> hart sein. Jeder merkt irgendwann einmal, dass dieses Spiel ihn irgendwie<br />
überfordert. Die Belastung, vor allem wenn professionell gespielt wird, kann auch den<br />
Stärksten auf die Knie zwingen (E. Loehr, 1991: S. 69f).<br />
15
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
3. Begleiterscheinungen<br />
Bei richtiger Vorgehensweise während der gesamten Jugendzeit sollte es eigentlich nicht zu<br />
diesen Problemen kommen. Trotzdem sollten den Eltern und vor allem den Trainern die<br />
Begleiterscheinungen eines Burn-outs bekannt sein, damit sie bei ersten Anzeichen rechtzeitig<br />
gegensteuern und möglicherweise ein Drop-out verhindern können.<br />
Folgende Warnzeichen können bei den Betroffenen vorkommen:<br />
• Hohe allgemeine Empfindlichkeit<br />
• Ungeduld<br />
• Unlust<br />
• Ablehnung<br />
• Weigerung<br />
• Frustration<br />
• Gefühl der Sinnlosigkeit der eigenen Tätigkeit<br />
• Physische Müdigkeit und Erschöpfung<br />
• Steigende Anzahl an Verletzungen aufgrund der physischen Überforderung und<br />
vermehrt verschiedenartige Infektionen aufgrund des geschwächten Immunsystems<br />
Solche Symptome sind in der Regel das letzte Warnsignal. Mit Mahnungen zur „Vernunft“,<br />
„grösserer Einsatzbereitschaft“, „mehr Konzentration“, „mehr Fleiss“ zieht man den Spieler<br />
nur noch tiefer in den Schlamassel.<br />
16
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
4. Lösungen<br />
In einer solchen Situation ist der Spieler nicht mehr positiv zu motivieren. Er ist erschöpft,<br />
ausgelaugt und am Ende seiner Kräfte. Dabei hilft nur noch ausspannen, aufhören, abschalten,<br />
Urlaub, Regeneration, eventuell Heilung und Wiederherstellung.<br />
Das heisst, als erstes muss eine äusserst konsequente Unterbrechung des <strong>Tennis</strong>sportes<br />
eintreffen. Kein Training, keine Turniere, völliges Abschalten und das für mindestens 6-8<br />
Wochen. In dieser Zeit soll der Spieler nur das machen, was ihm wirklich Spass macht, was er<br />
durch den Sport zu wenig bis gar nicht ausführen konnte. Jeglicher Stress muss vermieden<br />
werden. Falls Krankheiten oder Verletzungen aufgetreten sind, sollen diese völlig und restlos<br />
auskuriert werden.<br />
Nachdem man die Gründe des „Burn-outs“ erkannt hat, sollte eine Aufbauphase von<br />
mehreren Wochen stattfinden. Wenn in der alten Art und Weise fortgefahren wird, ist die<br />
Gefahr gross, dass dem Spieler wieder dasselbe passiert. Diese Phase entscheidet, ob das<br />
endgültige „Drop-out“ zu vermeiden ist oder nicht.<br />
Ist der alte Trainer nicht in der Lage, den Trainingsplan zu ändern, empfiehlt es sich, einen<br />
neuen Trainer zu suchen. Meistens gehört zu dem Wechsel das gesamte Umfeld. Das heisst,<br />
der Trainingsort oder der Club sollte gewechselt, neue Trainingspartner gesucht werden.<br />
Hatten auch die Eltern einen schlechten Einfluss, wäre es von Vorteil an einen Ort zu gehen,<br />
wo diese sich nicht mehr ins Geschehen einbeziehen können. Ein rigoroser Schritt ist<br />
meistens die beste Lösung.<br />
Solange richtiger Spass am <strong>Tennis</strong> vorhanden ist, besteht<br />
kaum Gefahr für „Burn-out“ und „Drop-out“<br />
(Grosser/Schönborn, 2001: S. 18)<br />
17
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
4.1 Wie können Eltern diesen Stress vermeiden?<br />
• Versichern Sie sich, dass Ihr Kind Spass am <strong>Tennis</strong> hat. Verbringen Sie so viel Zeit<br />
wie möglich damit, kleine Spielchen miteinander zu machen und lachen Sie dabei und<br />
geniessen Sie das Spiel. Wenn Sie noch nicht <strong>Tennis</strong> gespielt haben, können Sie es<br />
lernen, wenn Sie mit Ihrem Kind zusammen Bälle schlagen.<br />
• Spielen Sie die Bedeutung von Wettkampferfolgen herunter und betonen Sie<br />
stattdessen, wie wichtig Spass und Bemühen sind. Seien Sie sensibel für die<br />
Reaktionen wie Angst oder Bedrohung bei Ihrem Kind. Wenn Turniere bedrohlich<br />
erscheinen, dann verzichten Sie solange darauf, bis Ihr Kind reif dafür ist und selbst<br />
teilnehmen möchte.<br />
• Wenn Sie erst einmal den Grundstein erfolgreich gelegt haben und Ihr Kind stark<br />
motiviert ist und gute Fortschritte in der Entwicklung seiner Schläge macht, dann<br />
sollten Sie anfangen, sich zurückzuziehen.<br />
• Benutzen Sie ja nicht Angst und Bestrafung, damit Ihr Kind <strong>im</strong> Spiel das macht, was<br />
Sie für gut halten. Sie sollten, ausser wenn das Kind schummelt oder sonst unfair ist,<br />
<strong>im</strong>mer positive Gefühle zeigen.<br />
• Seien Sie konsequent. Sagen Sie nicht das eine und tun dann das andere. Und lassen<br />
Sie nicht Ihre eigenen Bedürfnisse die Entwicklung Ihres Kindes beeinflussen.<br />
18
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
5. Was braucht es, um erfolgreich zu werden?<br />
5.1 Erfolgsintelligenz nach R.J. Sternberg<br />
Menschen mit Erfolgsintelligenz…<br />
1. … motivieren sich selbst<br />
2. … lernen ihre Impulse zu kontrollieren<br />
3. … wissen, wann sie durchhalten müssen<br />
4. … wissen, das Beste aus ihren Fähigkeiten zu machen<br />
5. … setzen Gedanken in Taten um<br />
6. … sind ergebnisorientiert<br />
7. … bringen ihre Aufgaben zu Ende<br />
8. … sind initiativ<br />
9. … haben keine Angst vor Fehlschlägen<br />
10. … schieben nichts auf die lange Bank<br />
11. … akzeptieren berechtigte Kritik<br />
12. … lehnen Selbstmitleid ab<br />
13. … sind unabhängig<br />
14. … versuchen persönliche Schwierigkeiten zu überwinden<br />
15. … konzentrieren sich auf ihre Ziele<br />
16. … kennen den schmalen Grat zwischen Über- und Unterbelastung<br />
17. … besitzen die Fähigkeit, auf Belohnung zu warten<br />
18. … können den Wald und die Bäume sehen<br />
19. … besitzen ein vernünftiges Mass an Selbstvertrauen und glauben an ihre Fähigkeit,<br />
ihre Ziele zu erreichen<br />
20. … denken analytisch, kreativ und praktisch<br />
(http://private.addcom.de/b-treude/emotionalintelligenz.htm; 21.11.04)<br />
Für das <strong>Tennis</strong> bedeutet das also:<br />
1. Jeder Spieler muss selber fähig sein, sich zu motivieren. Sei es, um zu trainieren, sein<br />
Bestes zu geben, oder um ganz best<strong>im</strong>mte Ergebnisse in den Turnieren zu erreichen.<br />
Niemand anderes, also weder die Eltern noch der Trainer, kann diese Aufgabe<br />
übernehmen.<br />
19
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
2. Nerven behalten! Ein schlechter Tag ist nur ein schlechter Tag, Rückstände können<br />
aufgeholt werden. Emotionen sind normal und gut, solange sie unter Kontrolle sind.<br />
3. Es ist noch kein Meister vom H<strong>im</strong>mel gefallen. Oft kann man das <strong>im</strong> Training gelernte<br />
nicht direkt in der Praxis umsetzen. Wer dann aufgibt und alles hinschmeisst, hat<br />
kaum eine Chance auf Erfolg. Jedoch muss man auch wissen, wann genug ist. Zeigt<br />
der Körper z.B. erste Anzeichen für ein Burn-out, soll auch der Ehrgeizigste merken,<br />
dass es zu viel ist. In diesem Moment die Zähne zusammenzubeissen kann fatale<br />
Folgen haben.<br />
4. Jeder hat seine ganz individuellen Fähigkeiten. Wenn ein Spieler sehr gut defensiv<br />
spielt und sehr viel mehr Fehler mit einem offensiven Spielt macht, dann soll er so<br />
spielen, wie er am erfolgreichsten ist. Auch wenn ein offensiveres Spiel von aussen<br />
vielleicht besser aussieht.<br />
5. Während einem Match kommt es oft vor, dass man sich Gedanken zur Taktik macht.<br />
Doch Gedanken können kein Spiel ändern. Wenn meine Taktik nicht funktioniert und<br />
ich mich nicht traue, sie zu wechseln, kann ich nicht mit Erfolg rechnen.<br />
6. Ranglisten und Resultate werden zwar oft überbewertet, doch wer sich gar nicht daran<br />
orientiert, kann sich auch keine Ziele setzen.<br />
7. Erfolgreiche Spieler setzen sich Ziele, die sie auf jeden Fall zu Ende bringen. Wenn<br />
sie sich für vier Turniere angemeldet haben und die ersten beiden verlieren, spielen sie<br />
die letzten trotzdem noch und sagen sie nicht frustriert ab.<br />
8. Erfolglose Spieler machen, was ihnen der Trainer sagt, ohne zu beurteilen, ob es<br />
st<strong>im</strong>mt oder nicht. Die erfolgreichen spüren z.B. <strong>im</strong> Match selber, was sie bei zu<br />
vielen Out-Bällen ändern müssen (z.B. mehr Drall), ohne den Trainer zu fragen.<br />
9. Wer auf den Platz geht und Angst hat, zu verlieren, setzt sich automatisch unter Druck<br />
und ist verklemmt. Unter diesen Umständen können keine Leistungen erbracht<br />
werden. Nur wer Fehlschläge akzeptiert kann mit seiner ganzen Fähigkeit spielen.<br />
10. Erfolglose Spieler verschieben das Training schon wegen Kleinigkeiten, wie leichtes<br />
Unwohlsein oder Stress in der Schule. Wer erfolgreich sein will, weiss sich zu<br />
organisieren und verschiebt das Training nicht, wenn er genau weiss, dass er drei mal<br />
wöchentlich trainieren muss, um Erfolg zu haben.<br />
11. Kritik hilft, um sich zu verbessern. Oft sieht man viele Fehler selber nicht. Der Trainer<br />
ist dazu da, diese mit dem Spieler zu besprechen und sie zu verbessern. Wer Kritik<br />
nicht verträgt, kann sich somit auch nicht verbessern.<br />
20
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
12. Aussagen wie „Ich spiele schlecht, hilft mir denn niemand?“ etc. hört man nur bei<br />
Verlierern. Erfolgreiche sagen: „Mich kann niemand am Erfolg hindern, ich schaffe<br />
das.“<br />
13. Sehr ähnlich wie Punkt 8. Pascal Schwarb sagt: „Menschen wollen von Natur aus<br />
selbständig sein. Wenn sie daran gehindert werden (durch Eltern, Trainer…) löst das<br />
Schwierigkeiten aus, was sie am Erfolg hindern.“<br />
14. Viele erfolgreiche Spieler können persönliche Schwierigkeiten <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> überwinden,<br />
weil sie dort abschalten und sich nur auf das Spiel konzentrieren können.<br />
15. Erfolgreiche Spieler können sich besser und länger konzentrieren. Auch bei den<br />
Sportlern, mit denen Pascal Schwarb zusammenarbeitete trat Leistungskonstanz als<br />
häufigstes Problem auf.<br />
16. vgl. Punkt 3<br />
17. Mit Belohnung ist der Erfolg gemeint. Dazu gehören längerfristige Ziele. Wer schon<br />
mit einem guten Training vollkommen zufrieden ist, wird kein Erfolg haben. Wer<br />
Erfolg haben will, setzt sich entferntere Ziele, z.B. eine Meisterschaft zu gewinnen.<br />
Dafür muss man zuerst gut trainieren können, dann einige kleinere Turniere gewinnen<br />
und erst dann hat man die Chance auf den Titel.<br />
18. In einem Match muss man einzelne Fehler wegstecken können („Bäume“) und sich<br />
<strong>im</strong>mer das Ziel, den Sieg vor Augen behalten („Wald“). Man muss zwischen<br />
wichtigen und unwichtigen Fehlern unterscheiden können.<br />
19. <strong>Tennis</strong>spieler mit viel Selbstvertrauen kennen ihre Stärken und Schwächen und<br />
können diese auch realistisch einsetzen. Deshalb werden z.B. Schwächen auch nicht<br />
überbewertet. Aber Achtung: Zu viel Selbstvertrauen kann auch zu Überheblichkeit<br />
führen.<br />
20. Erfolgreiche Spieler haben ein ausgeprägteres Wahrnehmungsvermögen, können<br />
Situationen besser antizipieren und sich besser anpassen.<br />
21
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
5.2 Was ist ein Talent?<br />
„Junge Menschen, die in best<strong>im</strong>mten Handlungsfeldern – in unserem Fall dem<br />
Sportspiel – gegenüber Gleichaltrigen überdurchschnittliche Fähigkeiten bzw.<br />
Leistungen zeigen, werden als ‚Talente’ bezeichnet. Sie verfügen offensichtlich über<br />
Erbanlagen, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit einwirkenden Umwelteinflüssen sich auf ein<br />
qualitativ höchstes Leistungsniveau entwickeln können. Es ist bis heute jedoch nicht<br />
gelungen, den Anteil der Begabungsseite überzeugend zu quantifizieren<br />
(Grosser/Schönborn, 2001: S. 119)<br />
Laut Pascal Schwarb, Trainer und Sportpsychologe, gibt es zwei Arten von Talent. Zum einen<br />
sind das motorische, koordinative und konditionelle Fähigkeiten, zum andern, die Fähigkeit<br />
zu lernen, Kritik anzunehmen und mit Druck umzugehen, also genau das, was R.J. Sternberg<br />
in seiner Erfolgsintelligenz erwähnt. Die einen haben mehr Talent in der Motorik, die andern<br />
haben eine bessere Lernfähigkeit. Um an die Spitze zu gelangen, braucht es von beidem.<br />
5.2.1 Talentsichtung<br />
Bis auf wenige Ausnahmen werden heute schon bei den Kleinsten leider <strong>im</strong>mer noch<br />
Turnierresultate und Ranglisten zu Hilfe genommen, nach dem Motto: Die Erfolgreichen und<br />
vorne Platzierten müssen doch die Talentiertesten sein! Das ist der grösste Fehler, den man<br />
machen kann. Will man Talente entdecken, muss man sich auf möglichst viele Einzelheiten<br />
und Gegebenheiten stützen und nicht nur auf Turnierresultate und ein einmaliges Vorspielen.<br />
Junge Spieler mit Erfolg seien laut Pascal Schwarb vor allem in motorischen Fähigkeiten<br />
begabt. Dies bedeute aber noch lange nicht, dass diese automatisch das Potenzial zum<br />
Spitzensportler haben. Denn dazu gehört ja, wie in 5.2 erwähnt, auch die Fähigkeit,<br />
dazuzulernen und sich somit zu verbessern. Für ein Kind, das dieses Talent nicht habe,<br />
bestehe also kaum eine Chance um in die Top-100 zu kommen.<br />
22
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
6. Schule und <strong>Tennis</strong><br />
Vor allem die erfolgreichen und stark leistungsorientierten Jugendlichen müssen schon<br />
längere Turniere oder sogar Turnierserien spielen, was zu einer wiederholten Schulabsenz<br />
führt. Nicht alle Schulen und Lehrer machen da mit. Darüber hinaus entsteht ein<br />
Lehrstoffrückstand, der <strong>im</strong>mer schwieriger aufzuholen ist. Langjährige Erfahrungen zeigen,<br />
dass eine vernünftige Abmachung mit dem Schulleiter notwendig ist. Darüber hinaus muss für<br />
Nachhilfeunterricht gesorgt werden, was wiederum mit der Schule vereinbart werden sollte.<br />
Die meisten Schulleiter und Klassenlehrer sind für eine vernünftige Regelung zu gewinnen.<br />
Man darf allerdings nie das Max<strong>im</strong>um fordern, das wird keine Schule verantworten können.<br />
Die Schule mit oder ohne Abschluss verlassen und nur <strong>Tennis</strong> spielen? So lange an den<br />
Schulbesuch mit dem notwendigen Trainingsaufwand und vor allem mit dem<br />
Turniergeschehen vereinbaren kann, sollten die Jugendlichen die Schule nicht verlassen.<br />
Rechnet man eine tägliche Trainingszeit von 3-5 Stunden und ca. neun Stunden Schlaf, dann<br />
bleiben noch ca. 10-12 Stunden für Schule, Hausaufgaben, Hygiene und (eventuell!) Freizeit.<br />
Diese Einteilung erfordert von jungen Menschen jedoch äusserste Selbstdisziplin,<br />
Pünktlichkeit, Härte und Pflichtbewusstsein, alles Eigenschaften, die sie später als eventueller<br />
Spitzenspieler <strong>im</strong> verstärkten Mass täglich brauchen. Sollte die Erfolgsquote rapide ansteigen<br />
und sie dadurch Turnierverpflichtungen nachgehen, die über lange Zeiträume andauern,<br />
können sie die Schule <strong>im</strong>mer noch verlassen. Dann haben sie aber schon eine reale<br />
Perspektive auf ihre zukünftige professionelle Spielerlaufbahn und wissen, welches Risiko sie<br />
sich leisten können.<br />
23
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
7. Entwicklung der Matchanzahl von den Top-20 der Schweizer Junioren<br />
Im Kapitel „Erläuterungen zu den verschiedenen Entwicklungsstufen <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>“ sieht man,<br />
wie viele Turniere man nach Grosser und Schönborn <strong>im</strong> Jahr und in der entsprechenden<br />
Trainingsphase spielen sollte. Doch halten sich auch die Schweizer Spieler an diese<br />
Richtlinie? Um das herauszufinden, muss man die Matchanzahl der Spieler mit dieser<br />
Richtlinie vergleichen.<br />
So sieht die Richtlinie nach Grosser und Schönborn aus:<br />
Trainingsphase Alter<br />
entspr.<br />
Katergorie Matchanzahl/Jahr<br />
Grundlagentraining 6 - 10 J. J5 (10 J. u. jünger) 20 - 30<br />
Aufbautraining 1 9 - 13 J. J4 (11/12 J.) 40 - 50<br />
Aufbautraining 2 11 - 15 J. J3 (13/14 J.) ca. 60 (55-65)<br />
Anschlusstraining 14 - 18 J. J2 (15/16 J.) ca. 70 (65-75)<br />
Hochleistungstraining 16 - 19 J. J1 (17/18 J.) 70 - 80<br />
Ich habe mich auf der Website von Swisstennis erkundigt, wie viele Matches pro Jahr gespielt<br />
werden. Und zwar habe ich die jeweils besten zwanzig Spielerinnen und Spieler jeder<br />
Kategorie berücksichtigt und aus dem Ergebnis folgende Tabelle erstellt (Stand: 26.10.04):<br />
24
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Rang Nr. M1 W1 M2 W2 M3 W3 M4 W4 M5 W5<br />
1 62 7 95 47 90 89 59 38 83 16<br />
2 65 57 75 80 73 46 78 59 48 52<br />
3 40 29 65 7 65 81 39 75 0 72<br />
4 31 22 89 54 56 55 81 53 39 51<br />
5 69 57 67 2 65 52 62 0 31 27<br />
6 80 19 69 5 53 69 64 74 48 32<br />
7 1 59 50 68 38 55 53 51 25 71<br />
8 81 40 73 75 54 75 61 47 33 37<br />
9 29 7 89 61 102 45 47 42 48 34<br />
10 43 10 81 50 75 61 39 7 58 51<br />
11 65 39 76 56 54 80 49 75 15 55<br />
12 3 35 58 63 99 58 58 97 31 46<br />
13 47 37 48 61 71 39 45 43 44 51<br />
14 62 18 66 70 58 6 52 17 28 25<br />
15 71 0 75 46 70 60 58 62 31 29<br />
16 72 43 80 48 60 94 73 45 46 57<br />
17 44 0 17 83 33 42 57 48 31 16<br />
18 87 56 74 42 64 34 33 50 56 14<br />
19 46 24 65 45 0 52 70 58 33 8<br />
20 51 48 39 54 67 54 49 53 29 18<br />
Durchschnitt 52.45 30.35 67.55 50.85 62.35 57.35 56.35<br />
Durchschnitt<br />
49.7 37.85 38.1<br />
ohne<br />
Matchanzahl<br />
unter 10<br />
58.06 37.06 67.55 59 65.63 60.05 56.35 54.83 39.84 39.68<br />
Rot: Matchanzahl unter<br />
der Richtlinie<br />
Grün: Matchanzahl der<br />
Richtlinie entsprechend<br />
Gelb: Matchanzahl über<br />
der Richtlinie<br />
25
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Es wird gut ersichtlich, dass in der linken Hälfte, also in den Kategorien J1 und J2, rot und in<br />
der rechten Hälfte mit den Kategorien J4 und J5 gelb dominieren. In der Kategorie J3<br />
gleichen sich rot und gelb aus. Noch besser ersichtlich wird es <strong>im</strong> Durchschnitt, wobei ich<br />
dafür nur die Spieler gerechnet habe, die über 10 Matches gespielt haben. Denn es ist<br />
wahrscheinlich, dass diese Spieler mit weniger als zehn Matches, bedingt durch Verletzungen<br />
oder Auslandaufenthalte, keine oder nur wenige Turniere spielen konnten. Das würde<br />
natürlich das Resultat verfälschen.<br />
In der folgenden Abbildung ist das Ergebnis noch grafisch dargestellt:<br />
80<br />
75<br />
70<br />
65<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
J5 J4 J3 J2 J1<br />
Richtig<br />
Knaben<br />
Mädchen<br />
Mädchen und Knaben spielen, <strong>im</strong> Vergleich zur Richtlinie, <strong>im</strong> frühen Alter zu viele und ab<br />
ca. 16 Jahre <strong>im</strong>mer weniger Matches. Best<strong>im</strong>mt liegt das einerseits daran, dass die<br />
Jugendlichen in diesem Alter neben Schule und Beruf zu wenig Zeit für <strong>Tennis</strong> finden.<br />
Anderseits erklärt es aber auch die Folgen von physischer Überbelastung und Stress durch zu<br />
viele Turniere und zu wenig Freizeit. Und zwar ein Burn-out oder sogar ein Drop-out. Das<br />
erklärt auch, weshalb nur wenige Spieler, die früher als Talent galten, es schlussendlich auch<br />
an die Spitze schaffen. Nämlich nur diese, die dieser Richtlinie folgen.<br />
26
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
8. Dreiecksverhältnis Eltern – Trainer – Kind<br />
Im Sport haben Eltern, Trainer und Kinder ihre ganz spezifischen Aufgaben, die sie zu<br />
erfüllen haben. Oftmals sind diese nicht allen bewusst und sie werden nicht richtig<br />
eingehalten. Dies führt oft zu Konflikten, Trainerwechsel und Ausstieg aus dem<br />
Leistungssport.<br />
Ich führe hier eine Liste mit den Aufgaben der jeweiligen Person auf und zeige anschliessend<br />
Beispiele, wie Konflikte entstehen können. Sie können ihre Situation auch ganz leicht selber<br />
testen. Eltern, Trainer und Spieler sollen jeweils aufschreiben, was sie voneinander erwarten<br />
und welche Aufgaben sie selber haben. Vergleichen Sie anschliessend das Ergebnis<br />
untereinander. Herrscht auch in Ihrem Dreiecksverhältnis ein Konfliktpotenzial?<br />
8.1 Die individuellen Aufgaben<br />
Aufgaben der…<br />
…Eltern:<br />
…Trainer:<br />
• finanzielle Unterstützung:<br />
Die Eltern bezahlen Material, Training und Turniergeld in einem<br />
angemessenen Rahmen. Für nicht dringend notwendige Materialien<br />
beispielsweise, können die Kinder auch selber dafür aufkommen, müssen aber<br />
nicht.<br />
• Fahrdienst:<br />
Bei weiten Strecken oder schlechten Verbindungen des öffentlichen Verkehrs<br />
sind die Eltern für den Fahrdienst zuständig.<br />
• positive Unterstützung:<br />
Die Eltern sollen den Spass am Sport ihrer Kinder erhalten und sie dazu<br />
ermuntern, freiwillig Sport zu betreiben. Aufmunterung und Lob nach<br />
Wettkämpfen, vor allem nach erfolglosen, gehören ebenfalls dazu.<br />
• Vermitteln der Technik, Taktik und Kondition<br />
• Beratung in Materialfragen:<br />
Welches Racket, welche Schuhe sind für das Kind ideal?<br />
• Betreuung an Turnieren:<br />
27
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
…Kind:<br />
Ab und zu an Turnieren anwesend sein. Sonst selbständige Erkundigung nach<br />
Resultaten.<br />
• Turnierplanung:<br />
Der Trainer stellt einen angemessenen Turnierplan auf, mit Absprache der<br />
Eltern.<br />
• Spass und Motivation:<br />
Der Spieler soll Freude am Sport zeigen und sich selber motivieren können.<br />
• sorgfältiger Umgang mit dem Material:<br />
Es ist die Aufgabe des Kindes, auf das Material zu achten, d.h. Schläger<br />
werden nicht geschmissen, Taschen nicht liegengelassen.<br />
• Turniervorbereitung:<br />
Material-Check, Ernährung, Schlaf, Aufwärmen…<br />
• Selbständigkeit auf dem Platz:<br />
Im Match ist das Kind auf sich allein gestellt. Es trifft jegliche Entscheidungen<br />
alleine.<br />
8.2 Konfliktpotenzial<br />
Konflikte können <strong>im</strong>mer dann entstehen, wenn<br />
1. diese Punkte nicht eingehalten werden.<br />
Beispiele:<br />
• Die Eltern loben ihre Kinder nie<br />
• Der Trainer interessiert sich nicht für Turnierresultate<br />
• Das Kind kann sich nicht selber motivieren<br />
2. die Aufgaben eines anderen übernommen werden.<br />
Beispiele:<br />
• Eltern wollen oft die Aufgabe des Trainers übernehmen und geben ihrem Kind<br />
Anweisungen, wie es zu spielen hat. Das ist einzig und allein die Aufgabe des<br />
Trainers, denn dieser wurde auch speziell dafür ausgebildet. Ausserdem wird das<br />
28
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Kind durch verschiedene Anweisungen durcheinander gebracht. Pascal Schwarb<br />
meint dazu: „Gutes Coaching ist sehr anspruchsvoll. Die Eltern sind dafür<br />
normalerweise gar nicht ausgebildet. So werden die Kinder nicht richtig<br />
unterrichtet. Ausserdem lassen sie sich in diesem Alter häufig nichts von ihren<br />
Eltern sagen. Meistens führt das dann zu Streit.“<br />
Auch während einem Match dürfen die Eltern sich nicht einmischen, die ganze<br />
Entscheidungs- und Durchsetzungskraft liegt be<strong>im</strong> Kind. Es gibt eine einzige<br />
Ausnahme: wenn sich das Kind auf dem Platz schlecht ben<strong>im</strong>mt, darf es jederzeit<br />
von den Eltern vom Platz geholt und der Wettkampf somit beendet werden.<br />
• Ist das Kind der Ansicht, dass der Trainer dafür zuständig ist, für Motivation zu<br />
sorgen, besteht auch hier ein Konfliktpotenzial. Natürlich kann ein Trainer das<br />
Training interessanter oder weniger interessant gestalten. Allerdings kann auch der<br />
ambitionierteste Trainer mit einem demotivierten Kind keine Fortschritte<br />
erreichen.<br />
• Überlässt der Trainer die Turnierplanung den Eltern und dem Kind, kann das unter<br />
Umständen negative Folgen haben, da diese oft Turniere auswählen, welche nicht<br />
dem „Drittelprinzip“ (vgl. 2.3.1.3) entsprechen.<br />
29
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
9. Leitfrage<br />
In meiner Arbeit versuche ich herauszufinden, ob der Druck, den Eltern und Trainer<br />
verursachen können Grund dafür ist, dass viele Talente dem Leistungssport verloren gehen.<br />
Würden es die Spieler ohne diesen Druck bis an die Spitze schaffen? Oder würden genau jene<br />
die harte Prüfung des Profi-<strong>Tennis</strong> nicht bestehen?<br />
Ich habe mit einem Trainer und Sportpsychologen darüber gesprochen. Mit den<br />
Informationen, die ich dabei bekommen habe, und aus meiner eigenen Erfahrung <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>,<br />
versuche ich, meine Leitfrage zu beantworten.<br />
9.1 Wie viel Druck ist nötig?<br />
In jeder Sportart, die leistungsmässig betrieben wird, herrscht automatisch ein gewisser<br />
Druck. Ranglisten, Titel, Zuschauer und Veröffentlichung der Resultate sind nur wenige<br />
Beispiele, die <strong>im</strong> Sport unausweichlich sind. Doch all das braucht es, um sich Ziele zu setzen,<br />
sich zu motivieren, Ehrgeiz zu zeigen und schliesslich Leistung zu erbringen. Wer mit diesem<br />
Druck nicht umgehen kann, hat keine Chance auf Erfolg, denn die Bedingungen auf der Tour<br />
sind noch härter. <strong>Tennis</strong> ist ausserdem noch eine Sportart, die sehr viel Druck bewirken kann.<br />
Man ist zu jeder Zeit verletzlich, muss das ganze Spiel lang konzentriert sein. Man kann nicht<br />
einfach ausgewechselt werden, wie z.B. <strong>im</strong> Fussball (siehe auch 2.5). Mit dem ganzen Druck,<br />
der das <strong>Tennis</strong> mit sich bringt, muss ein Spieler umgehen können, damit er später nicht daran<br />
scheitert. Wer zusätzlich noch mit dem Druck der Eltern umgehen kann, hat später bessere<br />
Voraussetzungen. Allerdings ist dies keine Voraussetzung dafür.<br />
„Druck produziert man selber, für jeden bedeutet Druck etwas anderes. Die einen spielen<br />
lieber, wenn es viele Zuschauer hat, die anderen können sich dann nicht mehr opt<strong>im</strong>al<br />
konzentrieren. Deshalb ist Druck sehr individuell und man kann nicht sagen, ob es ohne<br />
Druck mehr Top-Spieler gäbe, oder ob es diese gerade wegen dem Druck gibt. Jeder einzelne<br />
Profispieler hat einen eigenen Werdegang. Allgemein kann man aber sagen, wer das Talent<br />
hat, mit Druck gut umzugehen, hat die besten Voraussetzungen, um gut zu werden.“ (Pascal<br />
Schwarb)<br />
30
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
10. Stehen Bündner Junioren unter <strong>Leistungsdruck</strong>?<br />
Um das herauszufinden habe ich eine Umfrage gemacht, die ich an 28 Junioren aus<br />
Graubünden, die regelmässig Turniere spielen, verteilt habe. Die Fragen waren unter<br />
anderem,<br />
• ob sie lieber spielen, wenn Eltern/Trainer dabei sind, oder wenn es viele Zuschauer<br />
hat.<br />
• ob sie von den Eltern/Trainern kritisiert oder aufgemuntert werden.<br />
• ob sie mit Kritik gut umgehen können.<br />
• ob sie mit <strong>Tennis</strong> und Schule zeitlich ausgelastet sind.<br />
• ob sie dieser ganze Trainingsaufwand belastet.<br />
• ob ihnen <strong>Tennis</strong> zu spielen Freude bereitet.<br />
Dabei sollten sie jeweils eine Zahl zwischen 1 (trifft überhaupt nicht zu) und 7 (trifft voll und<br />
ganz zu) ankreuzen. Allgemein kann ich sagen, dass es bei den meisten Fragen sehr<br />
unterschiedliche Antworten gab und nur bei wenigen ein Trend ersichtlich wurde, da<br />
anscheinend die Fragen sehr individuell beantwortet werden können.<br />
Ich werde nun auf einige Fragen genauer eingehen und versuchen, sie zu interpretieren.<br />
10.1 Interpretationen der einzelnen Fragen<br />
• Ich spiele lieber, wenn meine Eltern (nicht) dabei sind.<br />
Hier wurde <strong>im</strong> „Ja-Bereich“ (5-7) und <strong>im</strong> „Nein-Bereich“ (1-3) sehr ausgeglichen<br />
geantwortet. Jedoch haben 30% der Befragten „unentschieden“ (4) angekreuzt.<br />
Best<strong>im</strong>mt wollten viele, obwohl die Umfrage anonym war, ihre Eltern nicht schlecht<br />
darstellen. In diesem Fall bietet sich natürlich ein „unentschieden“ am besten an.<br />
• Meinen Eltern ist es egal, ob ich gewinne oder verliere.<br />
32% antworteten mit „trifft überhaupt nicht zu“. Das Resultat ist jedoch schwer zu<br />
interpretieren, da die Frage nicht sehr gut definiert ist. Was meinen diese 32% mit<br />
ihrer Antwort? Ihren Eltern ist es überhaupt nicht egal, ob sie gewinnen oder verlieren.<br />
Wollen sie also, dass ihre Kinder unbedingt gewinnen? Das wäre natürlich <strong>im</strong> Bezug<br />
auf <strong>Leistungsdruck</strong> ein sehr negativer Aspekt. Allerdings ist es auch wichtig, dass den<br />
Eltern die Resultate ihrer Kinder nicht egal sind, und dass sie sich für ihr Kind<br />
interessieren, solange sie nicht von ihnen verlangen, dass sie gewinnen. Daher kann es<br />
auch ein positives Ergebnis sein.<br />
31
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
• Meine Eltern erwarten von mir, dass ich (zumindest gegen Gleichklassierte)<br />
gewinne.<br />
Auch hier hat ein sehr grosser Teil (36%) mit „trifft überhaupt nicht zu“ geantwortet.<br />
Dieses Resultat dürfte daher die Lösung auf oben geschildertes Problem sein. Die<br />
Eltern interessieren sich sehr für ihre Kinder, verlangen von ihnen jedoch nicht, dass<br />
sie gewinnen. Das ist ein sehr positives Ergebnis.<br />
• Mein Trainer muntert mich auf, wenn ich verloren habe:<br />
Zwölf von 28 Spielern haben mit „unentschieden“ geantwortet. Zum einen liegt das<br />
best<strong>im</strong>mt daran, dass der Trainer <strong>im</strong> Normalfall nicht sehr häufig an den Turnieren<br />
dabei ist. Zudem liegt seine Aufgabe darin, den Spieler zu verbessern und zu<br />
kritisieren, während es die Aufgabe der Eltern ist, ihr Kind positiv zu unterstützen<br />
(vgl. 8.1).<br />
• Ich bin mit <strong>Tennis</strong>, Schule usw. zeitlich ausgelastet.<br />
Erstaunlicherweise antworteten hier sieben Spieler mit „trifft überhaupt nicht zu“ und<br />
ebenfalls sieben mit „trifft zu“. Obwohl die Umfrage anonym war, kann ich mir<br />
vorstellen, dass hauptsächlich die jüngeren genügend Zeit mit Schule und <strong>Tennis</strong><br />
haben und die älteren schon weniger beides unter einen Hut bringen, da die Schule mit<br />
zunehmendem Alter mehr Zeit in Anspruch n<strong>im</strong>mt.<br />
• <strong>Tennis</strong> zu spielen gibt mir ein echtes Gefühl der Freude und der Erfüllung:<br />
Sehr erfreut hat mich, dass hier fast ausschliesslich nur mit „trifft zu“ und „trifft voll<br />
und ganz zu“ geantwortet wurde. Denn das ist die Voraussetzung, um überhaupt<br />
<strong>Tennis</strong> zu spielen. Wem es an Freude fehlt, sollte sich ein anderes Hobby suchen, oder<br />
es besteht die Gefahr, in ein Burn-out zu geraten.<br />
32
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
11. Diskussion<br />
Mit meiner Arbeit wollte ich herausfinden, wie sehr junge <strong>Tennis</strong>spieler von ihren Eltern<br />
unter Druck gesetzt werden können und was die Folgen daraus sind. Aus meinen eigenen<br />
Erfahrungen <strong>im</strong> Turnierbereich weiss ich, dass sehr viele Eltern von ihren Kindern<br />
wahnsinnig viel verlangen und sie dadurch unter enormen Druck setzen. Ich denke aber, dass<br />
das den meisten Kindern nicht bewusst ist. Für sie ist das normal, sie kennen nichts anderes.<br />
Würden sie es wissen, hätten sie vermutlich bereits aufgehört zu spielen. Deshalb ist es auch<br />
sehr schwer, Kinder zu finden, die sich unter Druck gesetzt fühlen. Ausserdem würden die<br />
meisten nichts Schlechtes über ihre Eltern sagen, da diese ja ermöglichen, dass sie<br />
<strong>Tennis</strong>spielen können. Was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass junge <strong>Tennis</strong>spieler, etwa<br />
zehnjährige zu viele Turniere spielen, oftmals sogar mehr als achtzehnjährige. Die meisten<br />
Eltern haben die Vorstellung, nur mit vielen Turnieren werde man erfolgreich. Manchmal ist<br />
es vielleicht sogar ein kleiner Wettkampf zwischen den Eltern. Jeder will sagen: „Mein Kind<br />
spielt die meisten Turniere.“ Doch irgendwann kann man sich nicht mehr steigern, die<br />
Erfolgsquote und gleichzeitig die Lust am Spielen sinkt und viele Jugendliche fallen in ein<br />
Burn-out oder sogar in ein Drop-out. Möglicherweise unterstützt auch das Klassierungssystem<br />
des schweizerischen <strong>Tennis</strong>verbandes dieses Denken, denn es ist offensichtlich, dass man viel<br />
spielen muss, um <strong>im</strong> Ranking weiter vorne zu erscheinen und natürlich kann man eher mit der<br />
finanziellen Unterstützung von Verbänden rechen, wenn man zu den Bestrangierten gehört.<br />
Wäre es deshalb nicht sinnvoll, vor allem bei den Kategorien unter zehn Jahren gänzlich auf<br />
ein Klassierungssystem zu verzichten, um dieses Problem möglicherweise zu vermeiden?<br />
Meine Leitfrage „Gäbe es mehr Topspieler, wenn Jugendliche nicht von Eltern und Trainern<br />
unter Druck gesetzt würden, oder braucht es eine so grosse Drop-out Rate, damit einige dank<br />
diesem Druck an die Spitze gelangen?“ ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt in diesem<br />
Sinne kein „Richtig“ und „Falsch“. Druck ist sehr individuell, für jeden bedeutet Druck etwas<br />
anderes. Die einen brauchen ihn, um Höchstleistungen zu erbringen, die anderen können<br />
damit nicht umgehen und werden es deshalb nie an die Spitze schaffen. Trotzdem denke ich,<br />
wenn häufiger die Freude und nicht Resultate <strong>im</strong> Vordergrund stehen würden, könnten viele<br />
Turniere sehr viel friedlicher verlaufen und mehr junge <strong>Tennis</strong>spieler bekämen die Chance,<br />
erfolgreich zu werden.<br />
33
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
12. Zusammenfassung<br />
In meiner Arbeit habe ich in einem Theorieteil erklärt, dass ein Burn-out eine Überbelastung<br />
in psychischer und physischer Hinsicht ist und ein Drop-out die Folge davon sein kann,<br />
nämlich der Ausstieg aus dem Leistungssport. Gründe, wie es dazu kommt, können einerseits<br />
sein, dass ein Spieler zu oft spielt und zu hart trainiert, anderseits, dass er durch Erwartungen<br />
seiner Umwelt unter enormen psychischen Druck gerät. Ich habe die ideale Leistungsentwicklung<br />
mit den einzelnen Etappen des Trainings gezeigt. Man sieht, dass oft der falsche<br />
Weg, also zu früher Eintritt in den Leistungssport, gewählt wird. Interessant ist auch das<br />
Kapitel, in dem behandelt wird, weshalb gerade <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> so grosse familiäre Probleme<br />
entstehen. Weiter habe ich über die Begleiterscheinungen geschrieben, damit Eltern und<br />
Trainer bei ersten Anzeichen rechtzeitig handeln und möglicherweise ein Drop-out verhindern<br />
können und was sie tun können, um einen solchen Stress zu vermeiden. Ich habe mich<br />
gefragt, was es eigentlich braucht, um erfolgreich zu werden. Robert J. Sternberg zeigt in<br />
zwanzig Punkten, was es dazu braucht. Diese Punkte habe ich ganz spezifisch für das <strong>Tennis</strong><br />
übernommen. Ich erkläre auch den Begriff „Talent“ und haben in einem Interview mit Pascal<br />
Schwarb, einem <strong>Tennis</strong>trainer und Sportpsychologen, darüber geredet. In der Feldarbeit habe<br />
ich ausserdem untersucht, wie viele Matches die Top-20 der Schweizer Junioren spielen und<br />
das Ergebnis mit einer idealen Richtlinie von Grosser und Schönborn verglichen. Weiter habe<br />
ich die individuellen Aufgaben der Eltern, des Trainers und des Spielers aufgelistet und<br />
gezeigt, welche Konflikte auftreten könne, wenn diese nicht eingehalten oder die Aufgaben<br />
eines anderen übernommen werden. Durch das Interview mit Pascal Schwarb konnte ich ganz<br />
konkret auf meine Leitfrage eingehen und zeigen, wie viel Druck nötig ist. Ausserdem habe<br />
ich eine Umfrage an knapp dreissig Bündner Junioren verteilt, um herauszufinden, ob sie<br />
unter <strong>Leistungsdruck</strong> stehen und habe anschliessend das Ergebnis interpretiert.<br />
34
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Literaturverzeichnis<br />
Grosser, M. und Schönborn, R. (2001). Leistungstennis mit Kindern und Jugendlichen. Der<br />
opt<strong>im</strong>ale Weg zum Erfolgsspieler. Aachen: Meyer und Meyer.<br />
Loehr, J.E. (1991). <strong>Tennis</strong> <strong>im</strong> Kopf. Der mentale Weg zum Erfolg. München: BLV<br />
Verlagsgesellschaft mbH.<br />
http://private.addcom.de/b-treude/emotionalintelligenz.htm<br />
http://www.mytennis.ch/wettkampf/index.cfm?FOLDER=wettkampf&PK_OBJECT=40300&<br />
lang=D<br />
Bildernachweis<br />
Titelblatt: Grosser/Schönborn, 2001: S.14<br />
35
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Anhang<br />
Interviews mit drei Sportgymnasiasten<br />
1. Interview<br />
Hast du schon einmal Erfahrungen mit <strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> gemacht?<br />
Bis jetzt eigentlich nicht. Vielleicht ein bisschen <strong>im</strong> Training. Die anderen sind alle besser,<br />
deshalb bin ich ganz wenig unter Druck.<br />
Du hast also das Gefühl, dass du dieselbe Leistung erbringen musst, wie deine<br />
Trainingspartner?<br />
Ja genau.<br />
Und während Turnieren hast du diesen Druck nie gespürt?<br />
Bis jetzt noch nicht, zum Glück.<br />
Wie bereitest du dich auf ein Match vor? Was denkst du dir, bevor du auf den Platz gehst?<br />
Eigentlich nicht viel. Es kommt drauf an, gegen wen ich spiele. Gegen Besserklassierte denke<br />
ich nicht viel nach. Die sind besser, also spiele ich einfach so gut, wie ich kann. Wenn sie<br />
schlechter sind als ich verspüre ich schon einen leichten Druck, aber nicht schl<strong>im</strong>m.<br />
Wie unterstützen dich deine Eltern während dem Turnier?<br />
Die kommen <strong>im</strong>mer mit.<br />
Ist dir das angenehm?<br />
Wenn ich gut spiele, dann schon. Und wenn ich schlecht spiele, haben sie das auch nicht so<br />
gern und dann mag ich das nicht so.<br />
Was sagen sie dann, wenn du schlecht spielst?<br />
„Du machst <strong>im</strong>mer die gleichen Fehler.“<br />
Und wie empfindest du das?<br />
Das ist schon nicht so angenehm für mich, aber es depr<strong>im</strong>iert mich auch nicht so extrem.<br />
Wie wichtig ist dir der Sieg?<br />
Ich denke mir nicht, dass ich gewinnen MUSS. Ich denke mir einfach „gut spielen und Freude<br />
am <strong>Tennis</strong> haben“. Dann ist es mir eigentlich egal, ob ich gewonnen habe oder verloren.<br />
Was fühlst du denn nach einer Niederlage?<br />
36
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Kommt auf den Gegner an. Wenn sie schlechter waren als ich, bin ich frustriert, vielleicht so<br />
eine Stunde lang.<br />
Du hast ins Sportgymnasium gewechselt. Aus welchen Gründen hast du das gemacht?<br />
Ich wollte einfach Erfolg <strong>im</strong> Sport und weil ich Sport allgemein gerne betreibe.<br />
Hattest du früher neben dem Sport noch genügend Zeit für Schule und Freizeit?<br />
Ja, damit hatte ich eigentlich nie Probleme. Ich konnte mich <strong>im</strong>mer noch mit meinen<br />
Freunden treffen. Natürlich gab es Wochen, die stressiger waren, aber <strong>im</strong> Grossen und<br />
Ganzen hatte ich <strong>im</strong>mer genügend Zeit.<br />
Was erwartest du von deinen Eltern? Was sollen sie für deine Karriere tun?<br />
Sie sollen mich unterstützen, während den Spielen, und zuschauen kommen und mich<br />
finanziell unterstützen.<br />
Was erwartest du von deinem Trainer?<br />
Dass er mir zeigt, wie ich besser spielen kann, dass er mich konditionell verbessern kann und<br />
mich mental unterstützt.<br />
Welche Gründe könnte es geben, damit du aufhörst <strong>Tennis</strong> zu spielen?<br />
Verletzung, sonst eigentlich nichts.<br />
Auch nicht Zeitdruck?<br />
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.<br />
2. Interview<br />
Hast du schon einmal Erfahrungen mit <strong>Leistungsdruck</strong> gemacht?<br />
Ja. Einen gewissen Druck hat man ja eigentlich – nicht <strong>im</strong>mer – aber viel <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>.<br />
Wo genau, oder wie?<br />
Wenn ich gegen einen Schlechteren spiele und verliere, dann verliere ich ja auch Punkte.<br />
Deshalb steht man schon unter Druck. Ich bin ja R3; wenn ich gegen einen R5er spiele und<br />
merke, der kann auch gut <strong>Tennis</strong> spielen, dann denke ich mir <strong>im</strong> Match „ich muss gewinnen,<br />
ich habe nur das“ und wenn ich dann verliere, ist einfach eine Riesenenttäuschung da. Einen<br />
gewissen Druck gibt es in jedem Match.<br />
Wie wichtig ist dir denn der Sieg?<br />
37
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Ja klar, der Sieg ist <strong>im</strong>mer wichtig. Wie letztes Wochenende. Da habe ich gegen jemand<br />
gespielt, da war der Sieg so nahe und ich habe trotzdem verloren. Und dann ist einfach die<br />
Enttäuschung riesengross.<br />
Wenn ich auf den Platz gehe, rechne ich eigentlich <strong>im</strong>mer mit einem Sieg. Die Einstellung<br />
muss einfach positiv sein. Bei mir ist es so, wenn ich negativ eingestellt auf den Platz gehe,<br />
dann spiele ich auch schlechter. Gegen einen besser Klassierten geht man einfach positiv auf<br />
den Platz und dann ist auch die Niederlage nicht so schl<strong>im</strong>m.<br />
Du hast gesagt, du „rechnest“ mit dem Sieg. Rechnest du auch mit dem Sieg, wenn du gegen<br />
bessere spielst?<br />
Ich gehe einfach positiv auf den Platz. Gegen einen Besseren lastet kein Druck auf mir und<br />
ich kann frei spielen. Wenn ich gewinne, ist es super und wenn nicht, ist es auch nicht eine<br />
Riesenenttäuschung.<br />
Was fühlst du denn nach einem Sieg?<br />
Das kommt drauf an. Klar, ich freue mich über jeden Sieg. Aber wenn es ein Match der ersten<br />
Runde ist, dann ist die Freude nicht so gross wie wenn ich Bündnermeister werde.<br />
Du hast bereits angedeutet, wie du dich nach einer Niederlage fühlst, obwohl du eigentlich<br />
hättest gewinnen sollen. Kannst du das noch etwas genauer schildern?<br />
Also, in erster Linie bin ich einfach mal enttäuscht. Dann brauche ich einfach meine Ruhe. So<br />
eine Niederlage muss man ja auch so schnell wie möglich wegstecken. Ich vergesse es dann<br />
meistens relativ schnell.<br />
Wie reagieren deine Eltern?<br />
Wenn ich gewinne, haben sie Freude und wenn ich verliere, sagen sie:„nächstes Mal wird’s<br />
besser“. Sie sagen auch, dass man einmal einen schlechten Tag und einmal einen guten hat.<br />
Sie reklamieren auch nie mit mir.<br />
Wie unterstützen sie dich sonst noch in deiner Karriere?<br />
Sehr gut. Sie haben auch geschaut, dass ich ins Sportgymnasium gehen konnte und schauen,<br />
dass alles gut geht.<br />
Was erwartest du von ihnen?<br />
Ich freue mich, dass sie mich unterstützen. Ich kann nicht sagen, wie es wäre, wenn sie mich<br />
nicht so sehr unterstützen würden. Ich bin sehr zufrieden.<br />
Hattest du vorher genügend Freizeit neben Schule und <strong>Tennis</strong>?<br />
Ich hatte genügend Freizeit. Ich hatte auch gar kein richtiges Training. Ich ging einfach<br />
selbständig mit Kameraden spielen. Turniere habe ich dementsprechend auch nicht viele<br />
gespielt. Hier <strong>im</strong> Sportgymnasium wird sicher alles ganz anders.<br />
Welche Erwartungen stellst du an deinen Trainer?<br />
38
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Dass er einen guten Trainingsplan macht. Abwechslung ist sehr wichtig. Und Einzelstunden.<br />
Welche gründe gäbe es für dich, um mit dem <strong>Tennis</strong> aufzuhören?<br />
Verletzungen. Solange ich <strong>Tennis</strong> spielen kann, werde ich es auch tun. Es gibt für mich<br />
keinen Grund um aufzuhören.<br />
Auch nicht, wenn du einmal ein Tief haben solltest?<br />
Nein, ich hatte jetzt auch ein Tief und bin zurückgefallen. Aber das muss man wegstecken<br />
können. Nach einem Tief kommt auch wieder ein Hoch.<br />
3. Interview<br />
Hast du schon einmal Erfahrungen mit <strong>Leistungsdruck</strong> gemacht?<br />
Nein, eigentlich nicht.<br />
Aus welchen Gründen hast du ins Sportgymnasium gewechselt? Was sind deine Ziele?<br />
Ich wollte schauen, ob mein Körper das viele Trainieren aushält. Auch um zu schauen, ob ich<br />
das nach zwei Jahren auch noch will. Ich will erst einmal schauen, ob mir das gefällt und dann<br />
sehe ich weiter.<br />
Welche Ziele hast du <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong>, in deiner Karriere?<br />
Als erstes N4 zu werden und in den internationalen Turnieren besser abzuschneiden, nicht in<br />
der ersten Runde zu verlieren. Ich möchte mich auch psychisch verbessern. Da bin ich<br />
schwach.<br />
Wird das <strong>im</strong> Sportgymnasium unterstützt?<br />
Ja. Einmal in der Woche haben wir Sitzungen mit einer Sportpsychologin.<br />
Wie unterstützen dich deine Eltern?<br />
Ziemlich gut, eigentlich. Aber durch das viele Geld, das sie für mich ausgeben, haben sie<br />
schon eine gewisse Erwartung. Sie sagen auch, ich soll erst mal schauen, wie es mir <strong>im</strong><br />
Sportgymnasium gefällt. Wenn es mir nicht mehr gefällt, dann soll ich aufhören. Ich finde es<br />
gut, dass sie sagen, wenn ich den Willen zum Spielen nicht mehr habe, dass ich dann auch<br />
nicht muss.<br />
Was erwartest du von deinen Eltern?<br />
Dass sie Interesse zeigen. Dass sie merken, wie es mir geht und auch, dass sie mit an Turniere<br />
kommen und mich unterhalten. Nicht, dass sie mir sagen, wie ich was machen muss.<br />
39
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Was denkst du, wenn du auf den Platz gehst?<br />
Wie ich gegen meine Gegnerin spielen muss und was ich häufig falsch mache. Ich denke<br />
nicht:„jetzt gewinne ich“, ich denke einfach:„jetzt gehst du auf den Platz und zeigst deine<br />
Schwächen nicht.“ Ich muss einfach klug spielen.<br />
Wie wichtig ist dir der Sieg?<br />
Natürlich ist es mir wichtig, zu gewinnen. Aber ich gehe eigentlich auf den Platz, um <strong>Tennis</strong><br />
zu spielen und nicht unbedingt, um zu gewinnen.<br />
Wie fühlst du dich nach einem Sieg?<br />
Gut. Für mich gibt es verschiedene Siege. Ein Sieg, weil ich vielleicht aus Glück gewonnen<br />
habe oder ein Sieg, weil ich wirklich gut gespielt habe. Ich habe eigentlich Freude, wenn ich<br />
vom Platz komme und gut gespielt habe. Egal, ob ich gewonnen oder verloren habe. Natürlich<br />
fühlt man sich gut, wenn man gewonnen hat. Aber wenn ich nur gewonnen habe, weil die<br />
Gegnerin schlecht gespielt hat, dann ist die Freude nicht so gross, wie wenn ich wegen meiner<br />
guten Leistung gewonnen habe.<br />
Wie reagieren deine Eltern, wenn du gewonnen hast?<br />
Also, wenn ich gewonnen habe, zeigen sie weniger Freude als sie Enttäuschung zeigen, wenn<br />
ich verloren habe. Sie haben schon Freude, meistens sogar mehr als ich. Für mich ist es<br />
eigentlich zweitrangig, ob ich verloren habe oder gewonnen. Wenn ich verliere, bin ich zwar<br />
meistens enttäuscht, aber wenn ich gewinne, ist die Freude nicht so gross.<br />
Wie äussert sich die Enttäuschung, wenn du verloren hast?<br />
Ich denke einfach hundert Mal darüber nach, was ich falsch gemacht habe und weshalb. Das<br />
schl<strong>im</strong>me ist einfach, wenn ich vom Platz komme, selber von mir enttäuscht bin und mir dann<br />
Eltern und Trainer vortragen, was ich alles falsch gemacht habe.<br />
Welche Gründe gäbe es für dich, um mit dem <strong>Tennis</strong> aufzuhören?<br />
Verletzungen oder wenn es finanziell nicht mehr geht. Auch wenn ich merken sollte, dass ich<br />
den Willen und die Lust verliere, dann hat es keinen Sinn mehr. Dann würde ich auch sagen,<br />
dass ich ein Jahr lang nicht mehr spiele.<br />
Hattest du, bevor du ins Sportgymnasium gewechselt hast, genügend Freizeit und Zeit für die<br />
Schule neben dem <strong>Tennis</strong>?<br />
Mit den Turnieren hatte ich nie Probleme. Aber mit dem Training, weil ich <strong>im</strong>mer nach<br />
Lichtenstein fahren musste. Das war manchmal schon sehr viel für mich. Aber man gewöhnt<br />
sich auch daran. Deshalb bin ich jetzt froh, dass ich hier bin.<br />
40
<strong>Leistungsdruck</strong> <strong>im</strong> <strong>Tennis</strong> – Einflüsse von Eltern und Trainer<br />
Umfrage<br />
Ich spiele lieber, wenn meine Eltern dabei sind<br />
Ich spiele lieber, wenn meine Eltern nicht dabei sind<br />
Ich spiele lieber, wenn mein Trainer dabei ist<br />
Ich spiele lieber, wenn mein Trainer nicht dabei ist<br />
Ich spiele lieber, wenn es viele ZuschauerInnen hat<br />
Meine Eltern sagen mir nach dem Spiel, wie ich hätte spielen müssen<br />
Meinen Eltern ist es egal, ob ich gewinne oder verliere<br />
Meine Eltern erwarten von mir, dass ich (gegen Gleichklassierte) gewinne<br />
Meine Eltern muntern mich auf, wenn ich verloren habe<br />
Ich kann die Kritik meiner Eltern gut annehmen<br />
Mein Trainer muntert mich auf, wenn ich verloren habe<br />
Ich kann die Kritik des Trainers gut annehmen<br />
Wenn ich gewinne, ist mir egal, wie gut/schlecht ich gespielt habe<br />
Wenn ich verliere, bin ich enttäuscht, egal, wie ich gespielt habe<br />
Ich bin mit <strong>Tennis</strong>, Schule usw. zeitlich ausgelastet<br />
Dieser ganze Trainingsaufwand belastet mich schon sehr<br />
<strong>Tennis</strong> zu spielen gibt mir ein echtes Gefühl der Freude und der Erfüllung<br />
1: trifft überhaupt nicht zu<br />
2: trifft nicht zu<br />
3: trifft eher nicht zu<br />
4: unentschieden<br />
5: trifft eher zu<br />
6: trifft zu<br />
7: trifft voll und ganz zu<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
Ergebnisse Anzahl Antworten<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
Ich spiele lieber, wenn meine Eltern dabei sind 5 0 5 8 4 4 2<br />
Ich spiele lieber, wenn meine Eltern nicht dabei sind 3 5 3 9 2 3 3<br />
Ich spiele lieber, wenn mein Trainer dabei ist 4 2 9 7 3 3 0<br />
Ich spiele lieber, wenn mein Trainer nicht dabei ist 3 2 3 6 8 4 2<br />
Ich spiele lieber, wenn es viele ZuschauerInnen hat 5 2 4 4 3 2 8<br />
Meine Eltern sagen mir nach dem Spiel, wie ich hätte spielen müssen 4 5 4 5 2 5 3<br />
Meinen Eltern ist es egal, ob ich gewinne oder verliere 9 4 3 4 2 3 3<br />
Meine Eltern erwarten von mir, dass ich (gegen gleichklassierte) gewinne 10 5 3 5 3 0 2<br />
Meine Eltern muntern mich auf, wenn ich verloren habe 0 0 1 4 3 10 10<br />
Ich kann die Kritik meiner Eltern gut annehmen 0 1 3 12 5 3 4<br />
Mein Trainer muntert mich auf, wenn ich verloren habe 1 3 0 12 5 5 2<br />
Ich kann die Kritik des Trainers gut annehmen 0 1 0 5 8 9 5<br />
Wenn ich gewinne, ist mir egal, wie gut/schlecht ich gespielt habe 3 6 8 5 4 1 1<br />
Wenn ich verliere, bin ich enttäuscht, egal, wie ich gespielt habe 2 5 5 7 4 4 1<br />
Ich bin mit <strong>Tennis</strong>, Schule usw. zeitlich ausgelastet 7 2 2 3 3 7 4<br />
Dieser ganze Trainingsaufwand belastet mmich schon sehr 12 8 6 1 0 1 0<br />
<strong>Tennis</strong> zu spielen gibt mir ein echtes Gefühl der Freude und der Erfüllung 0 0 2 3 3 8 12<br />
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