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UNTErNEHMEN LIDL<br />

Der<br />

GeheIme Krämer<br />

Im März eröffnet Lidl die ersten Geschäfte in der Schweiz.<br />

Während Aldi vor allem im Revier der Migros wildert, greift der<br />

zweite deutsche Discounter nun frontal Coop und Denner an.<br />

• Dirk ruschmann TexT<br />

Bei Lidl tragen sogar die Vorstände Uniform.<br />

Während die Lehrlinge in blau-rotgelbe<br />

Poloshirts mit Firmenlogo gesteckt<br />

werden, gilt auf der Teppichetage: dunkler<br />

Anzug, helles Hemd, keine Krawatte, den<br />

Kragen offen. So treten Aufsichtsratsboss<br />

Klaus Gehrig, Deutschland-Chef Frank-<br />

Michael Mros und der Schweiz-Geschäftsführer<br />

Andreas Pohl auf. Wir sind zupackende<br />

Schaffer, unkompliziert und<br />

erdverbunden, soll damit signalisiert werden<br />

– wir sprechen die Sprache des Volkes.<br />

Doch direkt, in Interviews oder bei Auftritten,<br />

äussern sich die Lidl-Chefs nur dann,<br />

wenn es gar nicht anders geht.<br />

36 BILANZ | 4 | 2009<br />

Lidl kontaktiert ihre Kunden am liebsten<br />

ausschliesslich via Produktwerbung<br />

und die spartanisch eingerichteten Verkaufsstellen.<br />

Dass der Handelskonzern allerdings<br />

die volksnahe Ansprache beherrscht,<br />

hat er schon längst bewiesen.<br />

Nicht nur durch den ruppigen Umgang<br />

mit Beschäftigten, den ein deutscher Gewerkschafter<br />

«ausbeuterisch» und «geradezu<br />

brutal» nennt. Sondern auch mit den<br />

Slogans. Lautet heute der Werbespruch<br />

«Lidl lohnt sich», so hiess es früher entwaffnend<br />

direkt: «Lidl ist billig.»<br />

Langsamer als in anderen Ländern,<br />

aber dennoch sichtbar greift auch in der<br />

Schweiz der Trend zum «Smart Shopping»,<br />

zur Segmentierung. Bei der Migros<br />

beispielsweise kaufen immer mehr Kunden<br />

zugleich die billigen M-Budget- und<br />

die edlen Sélection-Produkte ein, schon<br />

Ende 2007 war es jeder dritte. In anderen<br />

europäischen Ländern gilt es schon lange<br />

als Geldverschwendung, für Grundnahrungsmittel<br />

mehr als Discountpreise zu<br />

zahlen, und in Deutschland ist es geradezu<br />

Kult, bei Aldi Müesli und Champagner,<br />

bei Lidl Volvic-Wasser, Markenjoghurt<br />

und Nutella zu kaufen – und das gesparte<br />

Geld in der Feinkostabteilung eines Edelhändlers<br />

auszugeben.


Foto: Jörg Müller / Visum<br />

Mit dem Markteintritt<br />

von Lidl brechen für<br />

die Schweizer Detailhändler<br />

harte Zeiten an.<br />

In vorauseilendem Gehorsam haben<br />

die Schweizer Detaillisten Billiglinien sowie<br />

höherwertige Eigenmarken eingeführt<br />

und ihr Sortiment stärker segmentiert.<br />

Genau so, wie es etwa die britische Tesco<br />

oder die deusche Edeka vormachten, beide<br />

auch erst auf Druck der Discounter. Migros<br />

hat ihre Billiglinie M-Budget inzwischen<br />

massiv ausgebaut, Coop gerade erst<br />

zu Jahresbeginn 600 Artikel verbilligt – auf<br />

das Niveau des einheimischen Discounters<br />

Denner, notabene bei exakt den gleichen<br />

Produkten. Und noch massiver als die<br />

Preissenkung war die begleitende Werbebotschaft.<br />

Coop-Chef Hansueli Loosli<br />

trommelte vom «grössten Preissturz aller<br />

Zeiten» – die Angst geht um, noch mehr<br />

Kunden an die deutschen Eindringlinge zu<br />

verlieren. Ihren Heimatmarkt haben Aldi<br />

und Lidl längst in der Hand: Der Marktanteil<br />

der Harddiscounter, zu denen auch<br />

Netto, Plus und Penny gehören, liegt in<br />

Deutschland bei 44 Prozent. In schwierigen<br />

Märkten wie Spanien, England und<br />

den USA bauen die deutschen Discounter<br />

zügig ihre Filialnetze aus.<br />

Nach fünf Jahren Vorbereitung in der<br />

Schweiz legt Lidl am 19. März los, mit 13<br />

Läden in sieben Kantonen. Für Loosli und<br />

seine Kollegen Lebensmittelhändler heisst<br />

das: Ein neuer Sheriff ist in der Stadt.<br />

JüNGerKuLtur. Von Dieter Schwarz,<br />

dem Sohn des schwäbischen Lidl-Gründers<br />

Josef Schwarz, existiert lediglich ein<br />

einziges Foto; es dürfte inzwischen jahrzehntealt<br />

sein. Bekannt ist nur der oberste<br />

Hilfssheriff: Klaus Gehrig. Der 60-Jährige<br />

ist der starke Mann in der verschachtelten,<br />

aus mehreren hundert Stiftungen und<br />

Einzelgesellschaften zusammengesetzten<br />

Gruppe. Dieter Schwarz, der Ende September<br />

70 Jahre alt wird, hat sich vor zehn<br />

Jahren weitgehend aus dem operativen<br />

Geschäft zurückgezogen. Gehrig nimmt<br />

heute unangefochten die «Unternehmerposition»<br />

ein: Er ist Aufsichtsratsvorsitzender<br />

der Lidl und der Kaufland Stiftung,<br />

der beiden Vertriebslinien, die<br />

getrennt voneinander agieren. Vor allem<br />

aber amtet er als Komplementär – also<br />

haftender Gesellschafter und Geschäftsführer<br />

– der Schwarz Unternehmenstreuhand<br />

KG in Neckarsulm, der Schaltzentrale<br />

des gesamten reichs. Zuvor<br />

befehligte er Lidl direkt.<br />

Gehrig gilt als zögerlicher reformer:<br />

Die Kasernenhofatmosphäre und den<br />

«recht rabiaten Umgangston», von dem<br />

ein Ex-Lidl-Mann berichtet, hat er zwar<br />

nicht eliminiert. Man siezt sich, auch in<br />

der Schweizer Ländergesellschaft, und<br />

hochrangige Manager achten angeblich<br />

intensiv darauf, dass kein anderer ihre<br />

Akten lesen kann. Noch immer herrscht in<br />

Neckarsulm eine Art Jüngerkultur. Die<br />

Prinzipien des Dieter Schwarz – einfach<br />

und billig – sind allgegenwärtig, und jeder<br />

Lidl-Manager hat sie inhaliert. Aber unter<br />

Gehrig gilt Lidl auch als lernfähig.<br />

Nicht erst seit der Bespitzelungsaffäre<br />

in Deutschland im vergangenen Jahr,<br />

nachdem Detektive Mitarbeiter mit versteckten<br />

Kameras überwacht und sogar<br />

Details über deren Eheprobleme ausgeforscht<br />

haben, geht Lidl behutsamer mit<br />

den eigenen Mitarbeitern um. «Die feuern<br />

nicht mehr so schnell», sagt ein Konzernkenner.<br />

Die Saläre liegen ohnehin über Tarif.<br />

«Wir sind doch keine Zombies», entrüstete<br />

sich Deutschland-Chef Mros vor<br />

zwei Monaten im «Stern». Und als Gehrig<br />

Ende 2006 den bis dato heiligen Krawattenzwang<br />

abschaffte, soll er für wochenlange<br />

Verwirrung gesorgt haben. Er zeigte<br />

sich sogar in der Fernsehtalkshow «Kerner»<br />

und sprach in Zeitungsredaktionen<br />

vor, um den Imageverlust durch die Spitzelaffäre<br />

zu kontern. Der Erfolg der revolutionären<br />

Aktion war zwar bescheiden,<br />

aber immerhin: Lidl ist am Leben und<br />

spricht bisweilen sogar. Aldi stellt sich tot.<br />

Das Konzept Harddiscount – alles so<br />

einfach, schmucklos und billig wie möglich<br />

– wie auch die notorische Verschwie-<br />

SCHWArZ’<br />

PrINZIPIEN SIND<br />

ALLGEGENWärTIG;<br />

JEDEr HAT<br />

SIE INHALIErT.<br />

•<br />

genheit und die produktorientierte Werbung<br />

hat Lidl mit dem ewigen<br />

Konkurrenten Aldi gemeinsam. Tatsächlich<br />

war Lidl in den ersten Jahren eine<br />

Kopie des Aldi-Konzepts. Die beiden Brüder<br />

Karl und Theo Albrecht (ALbrecht-<br />

DIscount) bauten das 1913 gegründete<br />

kleine Lebensmittelgeschäft ihrer Mutter<br />

kurz nach dem Zweiten Weltkrieg •<br />

mIGros uNGeschLAGeN<br />

Migros beherrscht mit ihren Töchtern Denner<br />

und Globus den Schweizer Detailhandel.<br />

Rang Firma<br />

Umsatz Detailhandel<br />

2007 in Mio. Fr.<br />

1 migros Genossenschaften 14 541<br />

2 coop retail 10 268<br />

3 manor 2 893<br />

4 Denner inkl. satelliten 2 717<br />

5 Globus 1 246<br />

6 Volg 1 148<br />

7 carrefour 981<br />

8 media markt 976<br />

9 Valora 919<br />

10 Dipl. Ing. Fust 903<br />

18 Aldi suisse 1 580<br />

1 Schätzung. Quelle: GfK<br />

4 | 2009 | BILANZ 37


UNTErNEHMEN LIDL<br />

•<br />

zügig aus und machten in den siebziger<br />

Jahren bereits einen dreistelligen Millionenumsatz.<br />

Zu dieser Zeit stieg Dieter<br />

Schwarz erst in die Obstgrosshandlung<br />

Lidl & Schwarz seines Vaters ein. Von diesem<br />

misstrauisch beäugt, eröffnete er 1973<br />

in Ludwigshafen seinen ersten Discountmarkt.<br />

Da ihm «Schwarz-Markt» zu unschön<br />

klang, kaufte er dem pensionierten<br />

Lehrer Ludwig Lidl für 1000 Mark die<br />

Namensrechte ab.<br />

KoNZeNtrAtIoN AuF europA. Als<br />

1977 der Vater starb, begann Dieter<br />

Schwarz, die Aldi-Brüder zu jagen. Bis heute<br />

«ist es für Schwarz ein entscheidender<br />

Antrieb, Aldi zu überholen», sagt der<br />

rheinbacher Wirtschaftsprofessor und<br />

Handelsexperte Thomas roeb. Doch anders<br />

als die Albrechts streute Schwarz das<br />

risiko: Er setzte nicht allein auf Discount,<br />

sondern integrierte Topmarken ins Sortiment<br />

und baute mit grossen Verbrauchermärkten,<br />

die meist unter dem Namen<br />

Kaufland firmieren, eine zweite erfolgreiche<br />

Vertriebslinie auf.<br />

Während Aldi weltweit aktiv ist, konzentriert<br />

sich Lidl auf Europa. Aus dem<br />

Schatten des Vorreiters ist der Emporkömmling<br />

aber längst herausgetreten: Vor<br />

wenigen Jahren hat Schwarz die Aldi-Brüder<br />

im Gesamtumsatz überholt. Laut den<br />

Marktforschern von GfK kommt die<br />

Schwarz-Gruppe auf 68 Milliarden Franken,<br />

Aldi Nord und Süd gemeinsam auf 61<br />

Milliarden. Die Zahl der Verkaufsstellen<br />

dürfte bei beiden ungefähr bei 8000 liegen.<br />

Beim genaueren Hinsehen differenziert<br />

sich das Bild. In Deutschland ist Aldi<br />

weiterhin ganz klar vor Lidl – Aldi erwirtschaftete<br />

2007 hier 23 Milliarden Euro,<br />

die Lidl-Märkte nur knapp die Hälfte. Sogar<br />

die Kaufland-Gruppe setzt in Deutschland<br />

mehr um als ihre Discountschwester.<br />

Im übrigen Europa liegen aber Lidl und<br />

Kaufland mit weitem Abstand vor Aldi.<br />

Pro Filiale in Deutschland setzt Aldi im<br />

Schnitt rund 6,4 Millionen Euro um. Die<br />

Zahl stagniert seit Jahren, vor allem weil<br />

Aldi Nord viele kleine und unwirtschaftliche<br />

Innenstadtlagen betreibt. Aldi Süd,<br />

der umsatzstärkere und rentablere Teil,<br />

fährt einen strengeren Discountkurs mit<br />

tendenziell kleinerem, konservativem Sor-<br />

38 BILANZ | 4 | 2009<br />

So einfach, schmucklos<br />

und billig wie möglich:<br />

Konzept der Lidl-Läden.<br />

timent, dafür aber an Stadtrandlagen mit<br />

grossem Parkplatz. Lidl erzielt je Filiale<br />

4,9 Millionen Euro, mit steigender Tendenz.<br />

In der Schweiz dürften beide einen<br />

Ladenumsatz von 10 Millionen Franken<br />

anstreben. Aldi Suisse, Ableger von Aldi<br />

Süd, touchiert diese Marke bereits.<br />

Aldi hat immer noch einen Sympathievorsprung.<br />

2002 ergab eine deutsche Umfrage,<br />

dass 40 Prozent der Haushalte bei<br />

KoNZerNspItZe<br />

Dieter Schwarz’ Statthalter<br />

Andreas Pohl, Geschäftsführer von Lidl<br />

in der Schweiz.<br />

Lidl einkaufen und 75 Prozent bei Aldi.<br />

Kürzlich fragte das Marketingfachblatt<br />

«Horizont» erneut nach – das resultat<br />

war ähnlich. Vor allem gut verdienende<br />

Verbraucher tendieren zu Aldi. Bei der<br />

«reader’s Digest»-Erhebung der «vertrauenswürdigsten<br />

Marken Europas» schlägt<br />

Aldi den Konkurrenten regelmässig.<br />

Zwei Gründe spielen dabei eine rolle.<br />

Erstens die wiederkehrenden Berichte<br />

Klaus Gehrig, Aufsichtsratsvorsitzender<br />

der Lidl und der Kaufland Stiftung.<br />

Fotos: AFP, Keystone (2), Caro, Visum, Stockagentur. Photothek.net, Argum


Fotos: BA - Geduldig. PR<br />

über schlechte Arbeitsbedingungen bei<br />

Lidl. Höhepunkte waren die «Schwarzbücher»<br />

der Handelsgewerkschaft Verdi vor<br />

einigen Jahren sowie die Spitzelaffäre im<br />

April 2008. Während laut einer Lidl-Sprecherin<br />

damals «nur ein bis zwei Tage ein<br />

Umsatzeinbruch» entstand, besagt eine<br />

jüngst publizierte Umfrage des Marktforschers<br />

Grass roots, dass vier von zehn<br />

Verbrauchern Lidl wegen «schlechter Ar-<br />

LIDL IN DeN top teN<br />

beitsbedingungen» gemieden hätten. An<br />

Aldi fuhr nur jeder Zehnte vorbei.<br />

Zweitens geht Aldi besser mit ihren<br />

Lieferanten um – jedenfalls im Heimatmarkt<br />

Deutschland. Solange die Qualität<br />

stimmt, zahlt Aldi prompt und vollständig,<br />

Nachverhandlungen über Umsatzbeteiligungen<br />

oder ähnliches gibt es nicht.<br />

Einem darbenden Milchlieferanten soll<br />

Aldi freiwillig mehr bezahlt haben. Aldi<br />

wird nur dann unangenehm, wenn die<br />

Qualität nicht stimmt. Prüft die Stiftung<br />

Warentest ein Aldi-Produkt, muss es «sehr<br />

gut» oder «gut» abschneiden, schon «zufriedenstellend»<br />

signalisiert Handlungsbedarf.<br />

Alles andere fliegt sowieso aus dem<br />

regal. Wer dann aber nachbessert, kann<br />

wieder mit Aldi ins Geschäft kommen,<br />

nachtragend ist man nicht. Viele Hersteller<br />

beliefern Aldi seit Jahrzehnten und<br />

sind stetig mitgewachsen.<br />

mILItärIscher toN. Bei Lidl gibt es<br />

das alles natürlich auch. Aber die Hersteller,<br />

berichtet einer, würden «straffer und<br />

konfrontativer» bewirtschaftet, bei Preisverhandlungen<br />

«brüllen die Lidl-Einkäufer<br />

manchmal wie auf dem Truppenübungsplatz».<br />

Liefert ein Papierhersteller<br />

mehr als die laut Packung garantierten 250<br />

Blätter auf einer rolle Toilettenpapier<br />

(Lidl-Manager zählen das immer wieder<br />

nach), dann hat er offensichtlich noch Margenreserven<br />

und muss mit Preisabzügen<br />

rechnen. Liefert er rollen mit zu wenig<br />

Blättern, wird es erst recht kühl um ihn<br />

herum. Der Key-Account-Manager eines<br />

Lidl-Lieferanten erzählt, er bekomme immer<br />

«hektische Flecken im Gesicht, wenn<br />

am Telefon eine Nummer aus Neckars- •<br />

Unter den weltgrössten Detailhändlern ist Lidl die Nummer zehn, klar vor Migros und Coop.<br />

Rang Firma Land<br />

Umsatz<br />

Detailhandel<br />

in Mrd. $<br />

1 Wal-mart USA 345,0<br />

2 carrefour F 97,9<br />

3 the home Depot USA 90,8<br />

4 tesco GB 80,0<br />

5 metro D 74,9<br />

6 Kroger USA 66,1<br />

7 target USA 59,5<br />

8 costco Wholesale USA 59,0<br />

9 sears USA 53,0<br />

10 Lidl D 52,4<br />

11 Aldi D 50,0<br />

Zahlen 2006. Quelle: Deloitte<br />

Rang Firma Land<br />

Umsatz<br />

Detailhandel<br />

in Mrd. $<br />

12 Walgreens USA 47,4<br />

13 Lowe’s USA 46,9<br />

14 rewe D 45,8<br />

15 seven & I J 43,8<br />

16 Groupe Auchan F 43,2<br />

17 edeka D 40,7<br />

18 cVs USA 40,3<br />

19 safeway USA 40,2<br />

20 e. Leclerc F 38,7<br />

57 migros CH 12,4<br />

68 coop CH 10,9<br />

orGANIsAtIoN<br />

Management<br />

by veto<br />

Wie Dieter Schwarz die<br />

Zügel in der Hand hält.<br />

Bei seinem Rückzug aus dem operativen<br />

Geschäft gründete Dieter<br />

Schwarz eine gemeinnützige Stiftung,<br />

die seinen Namen trägt. Hier liegen<br />

die Anteile an seiner Beteiligungsgesellschaft.<br />

Das Machtzentrum ist hingegen<br />

die Schwarz Unternehmenstreuhand,<br />

die von Klaus Gehrig<br />

geführt wird. Schwarz selbst hat hier<br />

allerdings ein exklusives Vetorecht.<br />

Viele von Schwarz’ langjährigen<br />

Zuarbeitern, in ähnlichem Alter wie er<br />

selbst, haben sich aus ihren operativen<br />

Top-Positionen zurückgezogen.<br />

Zu den wichtigsten Figuren gehörten<br />

Günter Fergen, Richard Meyer sowie<br />

der ehemalige Chefeinkäufer Walter<br />

Pötter, die der Firmengruppe<br />

nun als<br />

«Generalbevollmächtigte»<br />

dienen.<br />

Im CeO-Sessel von<br />

Lidl sitzt heute<br />

Karl-Heinz Holland,<br />

Generalbevollmächtigter:<br />

Walter Pötter.<br />

der als linientreuer<br />

Workaholic gilt.<br />

Sein Vize Holger<br />

Albrecht verant-<br />

wortet Verwaltung und Personal, der<br />

erst 35-jährige Robin Goudsblom das<br />

Schlüsselressort einkauf, Gerd Chrzanowski<br />

die zentralen Dienste wie die<br />

Immobilienaktivitäten. Veit Weiland<br />

und Hans Christoph Templin teilen<br />

sich das Auslandressort. Deutschland-Chef<br />

Frank-Michael Mros<br />

berichtet direkt an CeO Holland,<br />

Schweiz-Chef Andreas Pohl, 38 Jahre<br />

alt, ist einem der beiden Auslandvorstände<br />

unterstellt – wem, verschweigt<br />

Lidl, auch wer mit Pohl und seinem<br />

einkaufsleiter Reto Ruch, beide<br />

Schweizer, in der fünfköpfigen Geschäftsleitung<br />

sitzt. Zwei davon dürften<br />

die Deutschen Frank Henning<br />

Kirberg und Volker Murr sein. Von den<br />

meisten Managern existieren keine<br />

Fotos, Lidl schirmt sie ab. Mitglieder<br />

der Lidl-Konzernleitung dürften nach<br />

Schätzung eines Insiders rund zwei<br />

Millionen euro pro Jahr verdienen.<br />

4 | 2009 | BILANZ 39


UNTErNEHMEN LIDL<br />

• ulm aufleuchtet – da wird man jedes<br />

Mal zusammengestaucht».<br />

Lidl müsse diesen Druck ausüben, sagen<br />

Beobachter. Die Neckarsulmer sind<br />

nicht wie Aldi weitgehend eigenfinanziert,<br />

sondern tragen Milliardenschulden ab.<br />

Lieferanten müssen ihren Teil dazu beitragen.<br />

Einerseits durch Tiefpreise: Grob geschätzt<br />

kauft Lidl jeden einzelnen Artikel<br />

in einem Volumen von 22 Millionen Franken<br />

jährlich – eine Einkaufsmacht, die nur<br />

Aldi mit ihrem kleineren Sortiment noch<br />

übertreffen dürfte. Und anderseits durch<br />

lange Zahlungsziele: 60 bis 90 Tage, sagt<br />

ein Insider, lasse Lidl Lieferanten auf ihr<br />

Geld warten, obwohl die Ware oft schon<br />

nach einer halben Woche verkauft ist. Das<br />

sorgt für extreme Liquidität, die Zinsen<br />

bringt. Der Lieferantenpool übernimmt<br />

quasi die Funktion einer eigenen Bank.<br />

Noch, kritisiert der Luzerner Detailhandelsberater<br />

Gotthard <strong>Wangler</strong>, sei Lidl in<br />

der Schweiz «ein Phantom ohne Gesicht –<br />

Aldi hingegen gilt mittlerweile als Schweizer<br />

Unternehmen». Dennoch rechnet Handelsprofessor<br />

Thomas roeb damit, «dass<br />

Lidl in der Schweiz Erfolg haben wird».<br />

Denn trotz dem Markteintritt von Aldi ist<br />

die Lage noch vergleichsweise beschaulich.<br />

Deutsche ANGrIFFsLust. Während<br />

sich in Deutschland die Discounter eine<br />

noch nie da gewesene Unterbietungsschlacht<br />

liefern – seit Jahresbeginn gab es<br />

bereits drei Preissenkungswellen –, kommt<br />

in der Schweiz «die Preisdeflation erst<br />

ganz allmählich in Gang», sagt ein Branchenberater.<br />

Die bisherigen Bewegungen<br />

hätten eher im Warenkorb stattgefunden,<br />

durch die Einführung der Billiglinien M-<br />

Budget und Prix Garantie. Und mit höherwertigen<br />

Eigenmarken wie Fine Food bei<br />

Coop oder Sélection bei der Migros konnten<br />

die Grossverteiler Margenerosionen<br />

kompensieren. Unter Aldi leidet vor allem<br />

die Migros, die wie Aldi stark auf Eigenmarken<br />

setzt. Jeder dritte Aldi-Kunde<br />

kommt von der Migros; von Coop jeder<br />

vierte, von Denner nur jeder achte.<br />

Mit Lidl wird sich das gewaltig ändern.<br />

Lidl führt nicht 800 Artikel wie Aldi, sondern<br />

dürfte in der Schweiz eher auf 1800<br />

kommen, genauso viele, wie Denner im<br />

Sortiment führt.<br />

«Der Markenartikler Lidl ist viel bedrohlicher<br />

für die Schweizer Detaillisten»,<br />

sagt ein Branchenberater. Nicht nur die<br />

vielen kleinen Verkaufsstellen von Migros<br />

und Coop in Wohngebieten sind gefähr-<br />

40 BILANZ | 4 | 2009<br />

VERSCHLUNGENES REICH<br />

Wem der deutsche Harddiscounter Lidl gehört.<br />

Schwarz Unternehmenstreuhand KG<br />

100% Stimmrechte<br />

0,1% Anteile<br />

Quelle: Verdi, WirtschaftsWoche. © BILANZ-Grafik<br />

det, denn die sind oft nur 200 Quadratmeter<br />

gross und wenig rentabel. Noch gefährlicher<br />

wird es für Denner. Der Schweizer<br />

Discounter leidet an vielen Standorten unter<br />

Platzmangel und schlechten Ladenzuschnitten.<br />

«Wäre Denner selbständig geblieben,<br />

wäre es sehr kritisch geworden»,<br />

urteilt Immo-Suisse-Geschäftsführer Peter<br />

Cammerer. Mit dem Verkauf an die Migros<br />

zog Denner-Erbe Philippe Gaydoul die<br />

Notbremse gerade noch rechtzeitig.<br />

Lidl, da sind sich die Experten einig,<br />

wird mit Kampfpreisen in den Markt gehen.<br />

Am heftigsten bluten werden Denner<br />

und Coop, weil Kunden anhand der Markenartikel<br />

am einfachsten vergleichen<br />

können. Besonders umkämpft sind sogenannte<br />

Eckartikel wie Milch, Kaffee oder<br />

Mineralwasser, die von Verbrauchern besonders<br />

beachtet werden. Mit Aldi hingegen<br />

sind verblüffend wenige Lidl-Produkte<br />

direkt vergleichbar – eine gezielte<br />

Strategie, um die Margen zu schonen.<br />

Grundsätzlich, sagt Thomas roeb,<br />

habe sich Lidl in Deutschland meistens<br />

«preisaggressiver als Aldi» gezeigt, weil<br />

die Schwarz-Truppe aufholen wollte. In<br />

der Schweiz sei Lidl in vergleichbarer<br />

Schwarz Beteiligungs-GmbH<br />

100% 100%<br />

Dieter Schwarz Stiftung gemeinnützige GmbH<br />

0% Stimmrechte<br />

99,9% Anteile<br />

Kaufland Stiftung & Co. GmbH Lidl Stiftung & Co. GmbH<br />

DENNEr UND COOP<br />

WErDEN BEI LIDLS<br />

KAMPFPrEISEN AM<br />

STärKSTEN BLUTEN.<br />

•<br />

rolle, also müsse man auch hier mit Angriffslust<br />

rechnen. Und auch wenn Lidl<br />

anfangs auf Ablehnung bei Schweizer Verbrauchern<br />

stossen sollte, «wird sich die<br />

bald auflösen», vermutet roeb. Laut Gotthard<br />

<strong>Wangler</strong> hat die Firma Lidl «nur<br />

dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie<br />

bei Markenartikeln die billigsten Preise<br />

anbieten kann». Wer Lidls wirklicher<br />

Gegner ist, zeigt die Einschätzung eines<br />

Insiders: Dass Lidl jahrelang mit dem<br />

Markteintritt in die Schweiz gezögert habe,<br />

habe an der erfolgreichen Umpositionierung<br />

von Coop gelegen.<br />

Coop hat mit ihrer grossflächigen<br />

Preissenkung erst einmal die Eintrittshürden<br />

für Lidl etwas erhöht – nun wartet<br />

Loosli ab. Was Lidl wirklich bringt, wissen<br />

auch die Konkurrenten erst, wenn die<br />

Läden aufgehen.<br />

Aus der Lidl-Zentrale in Weinfelden<br />

TG verlautet nur, man wolle «alle Güter<br />

des täglichen Bedarfs bieten», auch Frischwaren,<br />

Früchte und Gemüse, sogar Bioprodukte.<br />

Denner und Migros experimentieren<br />

bereits eifrig mit neuen<br />

Ladenkonzepten, um dagegenzuhalten.<br />

Denner hat in Burgdorf BE eine Filiale auf<br />

die grüne Wiese gesetzt, die aber nur halb<br />

so viel Platz bietet wie ein Lidl- oder<br />

ein Aldi-Markt. Und ausgerechnet im<br />

Gewerbepark Weinfelden setzen Migros<br />

und Denner Lidl im Juni einen Pavillon<br />

mit 100 Parkplätzen vor die Nase, in den<br />

beide gemeinsam einziehen werden.<br />

Schwer vorstellbar, dass sich Lidl davon<br />

beeindrucken lässt. Ein Experte


Foto: Jochen Zick / Keystone<br />

schätzt, dass der Discounter schon im<br />

kommenden Jahr 100 Filialen in Betrieb<br />

haben könnte. Etwa 60 braucht es, um ein<br />

Logistikzentrum auszulasten und in die<br />

Gewinnzone zu kommen. Wie Aldi plant<br />

Lidl mittelfristig rund 180 Verkaufsstellen.<br />

Die Milliardengrenze im Umsatz,<br />

von Aldi 2010 angepeilt, dürfte Lidl 2013<br />

überqueren. Branchenexperten machen<br />

hinter die Zukunft Denners jedenfalls dicke<br />

Fragezeichen. Einige erwarten, dass<br />

die Migros («die schwimmen im Geld<br />

und können jahrelange Experimente finanzieren»)<br />

verschiedene Konzepte aus-<br />

probieren wird. Etwa die Weinabteilung<br />

von Denner hochwertiger zu positionieren<br />

– ein Weg, den Gaydoul mit seinen<br />

D-Vino-Weinbars schon eingeschlagen<br />

hat. Oder Denner zum Harddiscounter<br />

umzubauen, in richtung Aldi, auf Eigenmarken<br />

fokussiert.<br />

spIeLrAum NAch uNteN. «Man<br />

könnte sich für Migros und Denner auch<br />

eine Lösung vorstellen, wie sie in Deutschland<br />

Edeka mit ihrem Discounter Netto<br />

praktiziert», sagt Peter Cammerer. Dort<br />

bietet die Konzernmutter ein differen-<br />

Ausserhalb der Stadtzentren:<br />

Lidl baut ihre Verkaufsstellen<br />

häufig auf der grünen Wiese.<br />

ziertes Sortiment an, auch im Billigsegment,<br />

wie die Migros bereits eines hat,<br />

und auf der grünen Wiese stehen die Läden<br />

der Discounttochter.<br />

Ein Berater möchte nicht einmal ausschliessen,<br />

dass Denner «nach einer Schamfrist<br />

beerdigt wird». Dagegen spricht allerdings,<br />

dass Philippe Gaydoul nach seinem<br />

Ausscheiden als Denner-CEO als Verwaltungsratspräsident<br />

amten will und in der<br />

Migros-Konzernleitung sein Vertrauter<br />

Dieter Berninghaus für Denner zuständig<br />

ist. Die beiden werden alles tun, um Denner<br />

am Leben zu erhalten.<br />

Coop verlangt derzeit 5.50 Franken für<br />

eine Dreierpackung des Kräuterlikörs<br />

Underberg. Wer diese Summe bei Lidl<br />

Deutschland investiert, kann dafür nicht<br />

drei-, sondern fünfmal die Verdauung ankurbeln.<br />

Gleiches Geld, aber 66 Prozent<br />

mehr Magenspülung – das zeigt, wie viel<br />

Spielraum nach unten besteht. Fragt man<br />

Lidl nach dem Schweizer Marktumfeld,<br />

dann heisst es lapidar, man äussere sich<br />

nicht zu Mitbewerbern, im Übrigen<br />

«überlassen wir es unseren Kunden herauszufinden,<br />

dass das hohe Schweizer<br />

Qualitätsbedürfnis zu einem günstigen<br />

Preis möglich ist».<br />

So langweilig hört sich eine Kriegserklärung<br />

an. •<br />

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