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Was können wir von der Schlammdesintegration mit Ultraschall ...

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<strong>Was</strong> können <strong>wir</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> <strong>Schlammdesintegration</strong> <strong>mit</strong><br />

<strong>Ultraschall</strong> erwarten<br />

Klaus Nickel<br />

ULTRAWAVES GmbH<br />

<strong>Was</strong>ser & Umwelttechnologien<br />

Kasernenstrasse 12<br />

21073 Hamburg<br />

email: nickel@ultrawaves.de<br />

1. Ausgangslage<br />

Bei <strong>der</strong> mechanisch-biologischen Reinigung kommunaler und gewerblicher<br />

Abwässer fallen Klärschlämme an. Als Produkt <strong>der</strong> Abwasserreinigung weisen die<br />

anfallenden Klärschlämme unerwünschte Eigenschaften auf, so dass diese nicht<br />

un<strong>mit</strong>telbar verwertet o<strong>der</strong> durch eine umweltverträgliche Ablagerung beseitigt<br />

werden können. Die Rohschlämme müssen daher zunächst „stabilisiert“ werden.<br />

Die biologische Stabilisierung ist anerkannte Regel <strong>der</strong> Technik und führt zu einem<br />

Teilabbau <strong>der</strong> organischen Rohschlammbestandteile. Eine Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> zu<br />

entsorgenden Schlammmasse geht da<strong>mit</strong> einher. Darüber hinaus <strong>wir</strong>d die<br />

Entwässerbarkeit verbessert und eine Reduktion pathogener Keime erzielt<br />

(Abwassertechnische Vereinigung, 1994).<br />

Der Nachteil <strong>der</strong> biologischen Klärschlammstabilisierung liegt in <strong>der</strong> geringen<br />

Umsatzleistung. Aus diesem Grund werden große Stabilisierungssysteme benötigt.<br />

Trotz <strong>der</strong> langen Behandlungszeiten bestehen die stabilisierten Restschlämme noch<br />

zu hohen Anteilen aus organischer Substanz. Die Behandlung und Entsorgung des<br />

Klärschlammes führt zu einem erheblichen Anteil <strong>der</strong> Betriebskosten auf<br />

Kläranlagen.<br />

Durch einseitiges Wachstum fadenförmiger Belebtschlammorganismen werden<br />

zunehmend Betriebsprobleme in <strong>der</strong> Schlammbehandlung beobachtet (Knoop,<br />

1997). Diese sogenannte Bläh- und Schwimmschlammbildung kann zu einer<br />

signifikanten Verschlechterung des Stabilisierungsergebnisses führen.<br />

2. Klärschlammdesintegration<br />

Definition<br />

Unter Klärschlammdesintegration ist die Zerkleinerung <strong>von</strong> Klärschlämmen durch<br />

Ein<strong>wir</strong>kung äußerer Kräfte zu verstehen. Bei Verwendung <strong>von</strong> <strong>Ultraschall</strong> <strong>wir</strong>d<br />

akustisch Kavitation erzeugt, die hohe mechanische Scherkräfte in <strong>der</strong><br />

Klärschlammsuspension auslöst (Mason, 1999). Bereits nach kurzer Beschallzeit<br />

TU Hamburg-Harburg Reports on Sanitary Engineering 50, 2005<br />

Neis U. (ed): Ultrasound in Environmental Engineering III<br />

ISSN 0724-0783; ISBN 3-930400-69-3 123


K. Nickel<br />

bzw. geringem Energieeintrag werden Schlammflocken (Zell-Agglomerate) in<br />

einzelne Partikel zerlegt (deagglomeriert). Man spricht hierbei <strong>von</strong><br />

nie<strong>der</strong>energetischer Desintegration. Mit zunehmendem Energieeintrag setzt ein<br />

Aufschluss <strong>der</strong> biologischen Zellen im Klärschlamm ein. Bei dieser<br />

hochenergetischen Desintegration werden Zellwände <strong>der</strong> Mikroorganismen zerstört<br />

und intrazelluläre Bestandteile in die Schlammwasserphase freigesetzt. Wir haben<br />

dieses Zweiphasenmodell <strong>der</strong> Klärschlammdesintegration bereits früher ausführlich<br />

beschrieben und dokumentiert (Nickel, 2002).<br />

Anwendungsmöglichkeiten<br />

Die <strong>Ultraschall</strong>desintegration kann an verschiedenen Orten auf einer Kläranlage<br />

eingesetzt werden (Abbildung 1). Infolge <strong>der</strong> Rücklaufschlammdesintegration sind<br />

die freigesetzten organischen Bestandteile dem aeroben Abbau schneller<br />

zugänglich. Darüber hinaus werden fadenförmige Mikroorganismen zerlegt und so<strong>mit</strong><br />

Bläh- und Schwimmschlammbildung unterdrückt. Durch Behandlung des<br />

Überschussschlammes <strong>wir</strong>d ein weitergehen<strong>der</strong> Abbau in <strong>der</strong> Faulung erzielt. Die<br />

Behandlung des Rohschlammes führt neben dem Aufschluss <strong>der</strong> Bakterienzellen<br />

auch zur Zerkleinerung partikulärer Primärschlammbestandteile. Infolge<br />

Faulschlammdesintegration kann ein Teil <strong>der</strong> bereits stabilisierten Schlammfeststoffe<br />

einem weiteren Abbau verfügbar gemacht werden. Die Behandlung ist möglich im<br />

Heiz- o<strong>der</strong> Umwälzkreislauf. Bei dualer Stabilisierung kann die<br />

<strong>Schlammdesintegration</strong> zwischen den beiden biologischen Stufen erfolgen.<br />

ABWASSER<br />

VOR-<br />

KLÄRUNG<br />

BELEBUNG<br />

NACH-<br />

KLÄRUNG<br />

GEREINIGTES<br />

ABWASSER<br />

RÜCKLAUFSCHLAMM<br />

PRIMÄRSCHLAMM<br />

ÜBERSCHUSS-<br />

SCHLAMM<br />

ROHSCHLAMM<br />

FAUL-<br />

BEHÄLTER<br />

FAULSCHLAMM<br />

ZENTRAT<br />

ENTWÄSSERUNG<br />

SCHLAMMENTSORGUNG<br />

Abbildung 1: Anwendungsmöglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>desintegration (⊗) zur<br />

Intensivierung <strong>der</strong> biologischen Schlammstabilisierung (Nickel, 2002)<br />

124


<strong>Was</strong> können <strong>wir</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> <strong>Schlammdesintegration</strong> <strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong> erwarten<br />

3. Intensivierung <strong>der</strong> Schlammfaulung<br />

Wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

Systematische Erkenntnisse <strong>der</strong> Wirkung <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>desintegration auf die<br />

Ausfaulung <strong>von</strong> Klärschlamm wurden seit Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre in<br />

verschiedenen Forschungsarbeiten gesammelt. Es hat sich dabei herausgestellt,<br />

dass die deutlichsten Effekte bei <strong>der</strong> Desintegration <strong>von</strong> Überschussschlämmen<br />

erzielt werden.<br />

Shimizu et al. (1993) haben den Einfluss <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>desintegration auf den<br />

anaeroben Abbau <strong>von</strong> Überschussschlamm bestimmt. Schwerpunkt dieser<br />

Untersuchungen war die Er<strong>mit</strong>tlung <strong>der</strong> Abbaukinetik des Klärschlammes. Die<br />

<strong>Ultraschall</strong>desintegration <strong>wir</strong>kt demnach sowohl auf die Abbaugeschwindigkeit als<br />

auch den abbaubaren Anteil <strong>der</strong> organischen Bestandteile ein. Im Vergleich zum<br />

anaeroben Abbau des partikulären Überschussschlammes <strong>wir</strong>d das Desintegrat <strong>mit</strong><br />

etwa zehnfach höherer Geschwindigkeit zu Biogas umgesetzt. Darüber hinaus<br />

erhöht sich <strong>der</strong> maximale Abbaugrad <strong>der</strong> organischen Klärschlammbestandteile <strong>von</strong><br />

65% auf 90% (Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Kinetische Parameter des anaeroben Abbaus <strong>von</strong> Überschussschlamm<br />

(Shimizu et al., 1993)<br />

Substrat<br />

1. unbehandelter<br />

Überschussschlamm<br />

2. ultraschallbehandelter<br />

Überschussschlamm<br />

Abbaugeschwindigkeitskonstante<br />

k [d -1 ]<br />

maximaler Abbau<br />

[%]<br />

0,16 65<br />

1,20 90<br />

Langjährige Untersuchungen zum anaeroben Abbau ultraschallvorbehandelter<br />

Klärschlämme wurden an <strong>der</strong> TU Hamburg-Harburg durchgeführt. In<br />

semikontinuierlichen Parallelversuchen im Pilotmaßstab (200 Liter Faulsysteme)<br />

wurde nachgewiesen, dass die Abbauleistung im Faulbehälter um Faktor 4 gesteigert<br />

werden kann. In an<strong>der</strong>en Worten: die Verweilzeit des Klärschlammes im Faulturm<br />

kann um bis zu 75% reduziert werden, ohne dass Einbußen im Abbaugrad erkennbar<br />

werden (Abbildung 2). Sicherlich sind extrem kurze Verweilzeiten <strong>von</strong> nur vier Tagen<br />

für praktische Anwendungen nicht relevant, da hierbei die Gefahr <strong>der</strong> Auswaschung<br />

<strong>der</strong> aktiven Biomasse aus dem Suspensionsreaktor gegeben ist. Dennoch zeigen die<br />

obigen Arbeiten das enorme Einsparpotenzial im Hinblick auf Faulbehältervolumen.<br />

Seiler & Pöpel (1998) empfehlen die Dimensionierung des Faulbehälters auf<br />

Aufenthaltszeiten zwischen 7 und 10 Tagen bei Einsatz <strong>der</strong> mechanischen<br />

Desintegration. Überlastete Faulbehälter können dauerhaft und ohne Neubau<br />

weiterer Behälter entlastet werden.<br />

125


K. Nickel<br />

oTR-Abbau [%]<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

unbehandelter Schlamm<br />

desintegrierter Schlamm<br />

32.0<br />

27.0<br />

38.1<br />

32.3<br />

42.4<br />

0<br />

4 8 8 16 16<br />

Faulzeit [d]<br />

Abbildung 2: Einfluss <strong>von</strong> Faulzeit und <strong>Ultraschall</strong>desintegration auf den anaeroben<br />

Abbau <strong>von</strong> Klärschlamm (Nickel, 2002)<br />

Der Mehrabbau <strong>der</strong> organischen Schlammbestandteile folgt einer linearen Funktion<br />

erster Ordnung bezogen auf den Zell-Aufschlussgrad, siehe Abbildung 3. Mit<br />

erhöhter Desintegrations<strong>wir</strong>kung kann so<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Ausfaulgrad praktisch beliebig<br />

gesteigert werden. Es ist letztendlich eine Frage <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit, wieviel<br />

Energie <strong>der</strong> Betreiber in die <strong>Schlammdesintegration</strong> steckt, um als Endprodukt mehr<br />

Biogas und weniger Faulschlamm zu erzeugen.<br />

Abbausteigerung ∆η oTR [%]<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

y = 1,9x + 10,4<br />

R = 0,94<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Aufschlussgrad A CSB [%]<br />

Abbildung 3: Steigerung des anaeroben Abbaus <strong>von</strong> Überschussschlamm als<br />

Funktion des Aufschlussgrades A CSB nach <strong>Ultraschall</strong>behandlung<br />

(Tiehm et al., 2001)<br />

126


<strong>Was</strong> können <strong>wir</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> <strong>Schlammdesintegration</strong> <strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong> erwarten<br />

Erfahrungen aus <strong>der</strong> Praxis<br />

Die positiven Ergebnisse diverser Forschungs- und Entwicklungsarbeiten haben<br />

Hersteller <strong>von</strong> <strong>Ultraschall</strong>geräten dazu veranlasst, spezielle Systeme für den<br />

großtechnischen Einsatz zur Schlammbehandlung auf Kläranlagen zu entwickeln.<br />

Heute steht zweifelsfrei fest, dass 1. nie<strong>der</strong>frequenter <strong>Ultraschall</strong> hoher akustischer<br />

Intensität zum Aufschluss <strong>von</strong> Klärschlammzellen führt und 2. da<strong>mit</strong> <strong>der</strong> anaerobe<br />

Abbau intensiviert <strong>wir</strong>d, d.h. ein beschleunigter und weitergehen<strong>der</strong> Abbau <strong>der</strong><br />

organischen Schlammfeststoffe erfolgt. Es gilt nun diese Effekte auch im full-scale<br />

Betrieb auf Kläranlagen nachzuweisen und da<strong>mit</strong> Planer und Betreiber <strong>von</strong> dem<br />

Nutzen <strong>der</strong> innovativen <strong>Ultraschall</strong>technik zu überzeugen.<br />

Der Nachweis <strong>der</strong> verbesserten Schlammfaulung kann nur auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>von</strong><br />

Massenbilanzen erfolgen. Hierfür ist zunächst die Systemgrenze zu definieren. Im<br />

einfachen Fall <strong>wir</strong>d eine Bilanz über den Faulbehälter aufgestellt. Da die<br />

Klärschlammdesintegration jedoch auch sekundäre Aus<strong>wir</strong>kungen erzeugt, sollte <strong>der</strong><br />

Bilanzraum idealerweise die gesamte Kläranlage umfassen.<br />

Im praktischen Kläranlagenbetrieb wurde jedoch deutlich, dass die Aufstellung einer<br />

Massenbilanz in vielen Fällen schwierig ist. An<strong>der</strong>s ausgedrückt: das erhobene<br />

Datenmaterial und die daraus abgeleiteten Kenngrößen (z.B. Ausfaulgrad, spezifisch<br />

erzeugte Biogasmenge) spiegeln nicht immer die tatsächlichen Verhältnisse wi<strong>der</strong>.<br />

Allein die Tatsache, dass nahezu alle großtechnischen Faulbehälter nicht vollständig<br />

durchmischt werden und daher Totzonen und Kurzschlussströme aufweisen,<br />

unterstreicht die Schwierigkeit hier repräsentative Faulschlammkennwerte zu<br />

bestimmen. Selbst in einer kontrollierten Studie über einen zweijährigen Zeitraum<br />

konnten Abbaukenndaten nur <strong>mit</strong> erheblicher Schwankungsbreite er<strong>mit</strong>telt werden<br />

(Winter, 2004). Abbildung 4 zeigt das Ergebnis dieser Studie, wobei die<br />

Referenzwerte für den konventionellen Schlammabbau um 80% (52,4:29,0) streuen.<br />

unbehandelt aufgeschlossen relative Differenz<br />

-10,7<br />

Ringspaltmühle<br />

25,9<br />

29,0<br />

Vollraummühle<br />

14,2<br />

43,4<br />

49,5<br />

Ozonbehandlung<br />

19,7<br />

48,8<br />

58,4<br />

-6,3<br />

Lysatzentrifuge<br />

49,1<br />

52,4<br />

<strong>Ultraschall</strong><br />

9,9<br />

48,9<br />

53,8<br />

-20 -10 0 10 20 30 40 50 60 70<br />

Abbaugrad organischer Substanz [%]<br />

relative Differenz [%]<br />

Abbildung 4: Erzielte Abbaugrade <strong>von</strong> unbehandeltem und <strong>mit</strong> verschiedenen<br />

Aufschlussverfahren vorbehandelter Klärschlämme (Winter, 2004)<br />

127


K. Nickel<br />

Der Einsatz <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>technik auf Kläranlagen erfor<strong>der</strong>t eine stufenweise<br />

Vorgehensweise (Abbildung 5):<br />

1) Zunächst ist die Kläranlagencharakteristik aufzunehmen. Hierfür stellen <strong>wir</strong><br />

dem Betreiber einen Fragebogen zur Verfügung. Aus den Angaben er<strong>mit</strong>teln<br />

<strong>wir</strong> die charakteristischen Kenndaten <strong>der</strong> Prozesse <strong>der</strong> Abwasserreinigung<br />

und Schlammbehandlung. In Abstimmung <strong>mit</strong> dem Betreiber erfolgt die<br />

Systemanalyse <strong>der</strong> konventionellen Schlammfaulung.<br />

2) In einem Laborversuch bestimmen <strong>wir</strong> wichtige physikalische<br />

Schlammparameter (Feststoffkonzentration, Fließfähigkeit) sowie die<br />

notwendige <strong>Ultraschall</strong>dosierung für den Zellaufschluss. Aus diesen Daten<br />

können <strong>wir</strong> den Grad <strong>der</strong> Intensivierung des anaeroben Schlammabbaus in<br />

einer ersten Näherung abschätzen.<br />

3) Der Nachweis <strong>der</strong> Prozessintensivierung erfolgt in einem full-scale Test vor<br />

Ort auf <strong>der</strong> Kläranlage. Über einen zwei- bis dreimonatigen Dauerbetrieb<br />

werden die Systemanalyse <strong>der</strong> Schlammfaulung und die Kosten-Nutzen-<br />

Rechnung erstellt.<br />

4) Im letzten Schritt erfolgt die endgültige Auslegung <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>anlage für<br />

dauerhafte und nachhaltige Intensivierung <strong>der</strong> Klärschlammfaulung.<br />

1. Fragebogen zur Er<strong>mit</strong>tlung <strong>der</strong><br />

Kläranlagencharakteristik<br />

2. Labortest zur Bestimmung <strong>der</strong><br />

Schlammparameter<br />

Generator<br />

Sonotrode<br />

Klärschlamm<br />

<strong>Was</strong>serkühlung<br />

3. Full-scale-Test <strong>mit</strong> mobiler US-Anlage 4. Full-scale-Installation <strong>der</strong> US-Anlage<br />

Abbildung 5: Systematische Vorgehensweise zur Integration <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>technik<br />

auf Kläranlagen<br />

128


<strong>Was</strong> können <strong>wir</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> <strong>Schlammdesintegration</strong> <strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong> erwarten<br />

In den vergangenen drei Jahren sind in Deutschland etwa ein Dutzend Kläranlagen<br />

<strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong>desintegration ergänzt worden. Auf den meisten Anlagen erfolgt eine<br />

Teilstromdesintegration <strong>von</strong> etwa 30 bis 50% <strong>der</strong> anfallenden<br />

Überschussschlammmenge. Eine Vollstrombehandlung <strong>wir</strong>d aus rationalen und<br />

ökonomischen Gründen nicht empfohlen: Die Intensivierung <strong>der</strong> Faulung <strong>wir</strong>d nach<br />

heutiger Erkenntnis durch einen kombinierten Effekt <strong>von</strong> Flockenzerstörung,<br />

Zellzerstörung und enzymatischer Aktivierung ausgelöst. Infolge<br />

Teilstrombehandlung werden extra- und intrazelluläre Enzyme freigesetzt, die<br />

lysierende Eigenschaften besitzen und so<strong>mit</strong> zu einem Sekundäraufschluss <strong>der</strong><br />

unbehandelten Schlammmenge führen (Dohányos et al., 1999).<br />

Der spezifische Energieeintrag für den Teilstrom des ultraschallbehandelten<br />

Überschussschlammes liegt bei etwa 5 bis 15 kWh/m³. Im allgemeinen zeigt sich ein<br />

linearer Zusammenhang zwischen <strong>Ultraschall</strong>energie und Aufschlussgrad.<br />

Wesentlichen Einfluss auf den notwendigen Energieeintrag haben die<br />

Schlammeigenschaften. Bei günstigen technischen Voraussetzungen (siehe Kriterien<br />

in Tabelle 2) werden Abbausteigerungen in <strong>der</strong> Größenordnung 20 bis 50% erzielt.<br />

E<strong>der</strong> (2005) und Wolff (2005) berichten in separaten Beiträgen über großtechnische<br />

Erfahrungen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>desintegration und zeigen den <strong>wir</strong>tschaftlichen Nutzen<br />

für den Betreiber anhand <strong>von</strong> konkreten Praxisbeispielen.<br />

Tabelle 2: Technische Voraussetzungen für den <strong>wir</strong>tschaftlichen Einsatz <strong>von</strong><br />

<strong>Ultraschall</strong> zur Intensivierung <strong>der</strong> Schlammfaulung (Neis, 2004)<br />

Günstig<br />

• Getrennte Eindickung des Sekundärschlamms<br />

• Gute Fließfähigkeit des Schlamms<br />

• Separate Beschallung des Sekundärschlamms<br />

• Kurze Faulzeit (t < 20 Tage)<br />

• Geringer Abbaugrad <strong>der</strong> Schlammstabilisierung<br />

(η oTR< 45%)<br />

• Geringe spezifische Biogasausbeute<br />

(< 350 L/kg oTR zu )<br />

Ungünstig<br />

• Primär- und Überschussschlamm nicht separiert<br />

• Schlechte Fließfähigkeit des Schlamms /<br />

hohe Viskosität<br />

• Hoher Anteil an Grob- und Festststoffen<br />

• Lange Faulzeit (t > 30 Tage)<br />

4. Intensivierung <strong>der</strong> aeroben Schlammstabilisierung<br />

Das wachsende Problem <strong>der</strong> Klärschlammentsorgung hat in jüngster Zeit weltweit<br />

Forschungsaktivitäten ausgelöst, die darauf abzielen, biologische Systeme zur<br />

Abwasserreinigung <strong>mit</strong> möglichst geringer Schlammproduktion zu entwickeln. Durch<br />

die erhöhte Bioverfügbarkeit nach Desintegration des Rücklaufschlammes <strong>wir</strong>d die<br />

Schlammmenge bereits im Abwasserreinigungsprozess verringert. Alle<br />

nachgeschalteten Systeme zur Behandlung und Entsorgung <strong>der</strong> überschüssigen<br />

Biomasse können dann entsprechend kleiner ausgelegt werden. Allerdings liegen -<br />

im Vergleich zu den Untersuchungen zur anaeroben Schlammstabilisierung - bisher<br />

wenig systematische Erkenntnisse vor. Wir stehen hier noch ganz am Anfang. Im<br />

Gegensatz zur Schlammfaulung muss ein viel komplexeres System <strong>mit</strong> internen<br />

129


K. Nickel<br />

Rückführungen betrachtet werden. Die Entwicklung eines mathematischen Modells<br />

ist für die Beschreibung des Systems notwendig.<br />

Eine erste Untersuchung über den Einsatz <strong>der</strong> Rücklaufschlammdesintegration<br />

wurde 2002 auf dem Klärwerk Ditzingen durchgeführt. So wie diese Versuche<br />

ausgelegt waren, ergab sich kein wesentlicher Vorteil im Sinne einer verbesserten<br />

Denitrifikation infolge Nutzung des Klärschlammdesintegrats als „interner C-Träger“.<br />

Die Messergebnisse sind aber in an<strong>der</strong>er Weise interessant: Im System <strong>mit</strong><br />

<strong>Ultraschall</strong>behandlung des rückgeführten Schlammes erhöhte sich das Schlammalter<br />

im biologischen System sehr deutlich, in einer Einstellung wurde sogar überhaupt<br />

kein Überschussschlamm mehr erzeugt. Der eingestellte Aufschlussgrad A CSB im<br />

Rücklaufschlamm betrug dabei nur ein Prozent, so dass die erzielten Effekte nicht<br />

ausschließlich auf den Zellaufschluss zurückgeführt werden können. Vielmehr gibt es<br />

Hinweise, dass durch Zellzerstörung im Rücklaufschlamm eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Kinetik des biologischen Kohlenstoff- und Nährstoffabbaus eintritt. Diehm (2005) <strong>wir</strong>d<br />

in einem separaten Beitrag zu den Untersuchungen berichten.<br />

Auf <strong>der</strong> thüringischen Kläranlage Leinetal <strong>wir</strong>d seit 2003 etwa 30% <strong>der</strong> täglichen<br />

Überschussschlammmenge nach mechanischer Eindickung <strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong><br />

desintegriert und zurück in die biologische Abwasserreinigung geführt. Die<br />

Verwendung eingedickten Überschussschlammes hat gegenüber Rücklaufschlamm<br />

den Vorteil, dass ein kleinerer Volumenstrom behandelt werden muss. Für die<br />

genannte Kläranlage <strong>der</strong> Anschlussgröße <strong>von</strong> etwa 50.000 EW ist dann ein 5-kW<br />

<strong>Ultraschall</strong>reaktor ausreichend dimensioniert. Neben <strong>der</strong> Reduktion <strong>der</strong> zu<br />

entsorgenden Restschlammmenge konnten zugleich massive Probleme <strong>mit</strong> Blähund<br />

Schwimmschlammbildung in <strong>der</strong> Abwasserreinigung beseitigt und so<strong>mit</strong> ein<br />

stabiler Kläranlagenbetrieb erzeugt werden. Kaufhold & Poetsch (2005) werden in<br />

einem separaten Beitrag die Wirtschaftlichkeit dieser Anwendung darstellen.<br />

Diese ersten Betriebserfahrungen zeigen das Potenzial <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>technik in<br />

Bezug auf Schlammminimierung. Grundsätzlich können durch Bioverfügbarmachung<br />

des überschüssigen Klärschlammes interne Stoffkreisläufe geschlossen und <strong>der</strong><br />

Output an Biomasse reduziert werden. Sogar die Realisierung einer „Klärschlamm<br />

freien Kläranlage“ scheint möglich. Allerdings <strong>wir</strong>d eine Anpassung verschiedener<br />

Prozessstufen <strong>der</strong> Abwasserreinigung erfor<strong>der</strong>lich. Weitere Forschungsarbeit ist<br />

notwendig, um die Wirkung <strong>der</strong> Desintegration auf die Kinetik <strong>der</strong> enzymatischbiologischen<br />

Prozesse <strong>der</strong> Abwasserreinigung zu er<strong>mit</strong>teln. Systematische<br />

Erkenntnisse über den Einfluss des mechanischen Zellaufschlusses auf den<br />

Biomasseertrag müssen erarbeitet werden. Da die Klärschlammmatrix auch als<br />

Senke für organische und anorganische Schadstoffe fungiert, ist zu klären, inwieweit<br />

die Qualität des gereinigten Abwassers durch die Prozesse <strong>mit</strong> minimaler<br />

Schlammproduktion beeinflusst <strong>wir</strong>d.<br />

5. Bekämpfung <strong>von</strong> Bläh- und Schwimmschlamm<br />

In vielen Kläranlagen entwickeln sich in periodischen Abständen fadenförmige<br />

Mikroorganismen im Belebtschlamm. Dieses Phänomen ist als Bläh- und<br />

Schwimmschlammbildung bekannt. Durch Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schlammstruktur werden<br />

substantielle Betriebsprobleme verursacht. Aufgrund <strong>der</strong> schlechten<br />

Absetzeigenschaften verringert sich <strong>der</strong> Schlammgehalt und da<strong>mit</strong> die<br />

130


<strong>Was</strong> können <strong>wir</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> <strong>Schlammdesintegration</strong> <strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong> erwarten<br />

Reinigungsleistung <strong>der</strong> Belebung. Die anaerobe Stabilisierung <strong>von</strong> fädigen<br />

Klärschlämmen ist oftmals nicht möglich, da bei <strong>der</strong> Faulung erhebliche<br />

Schaumprobleme auftreten (Lemmer et al., 1998).<br />

Ziel <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>behandlung ist die Zerstörung <strong>der</strong> fädigen Schlammstrukturen, um<br />

Sedimentationseigenschaften zu verbessern und den aeroben o<strong>der</strong> anaeroben<br />

Abbau <strong>der</strong> Schlämme ohne Betriebsprobleme zu gewährleisten.<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Schlammsedimentation<br />

Verschiedene Autoren haben über die Wirkung <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>behandlung auf das<br />

Sedimentationsverhalten <strong>von</strong> biologischen Klärschlämmen berichtet (Jorgensen &<br />

Kristensen, 1996; Tiehm et al., 1998). Anhand lichtmikroskopischer Analysen wurde<br />

gezeigt, dass die voluminösen Schlammflocken kompaktiert werden können<br />

(Abbildungen 6A & 6B). In allen Fällen führte dies zur deutlichen Reduktion des<br />

Schlammindex. Der notwendige Energieeintrag ist auf die verschiedenen dominanten<br />

Fadentypen abzustimmen: Während <strong>der</strong> Fadentyp Microthrix parvicella bereits durch<br />

Energieeinträge um die 0,5 Wh/L zerlegt <strong>wir</strong>d, benötigt die Zerstörung robusterer<br />

Organismen <strong>wir</strong> Typ 021N etwa zehnmal mehr Energie (Jorgensen & Kristensen,<br />

1996). Eine zu starke <strong>Ultraschall</strong>dosierung kann demgegenüber zur Auflösung <strong>der</strong><br />

kompaktierten Flocken führen (Abbildung 6C). Der Schlammindex steigt dann wie<strong>der</strong><br />

an, weil die Sinkgeschwindigkeit <strong>von</strong> Einzelpartikeln im Vergleich zu Flocken<br />

geringer ist (Neis & Nickel, 2001). Für Er<strong>mit</strong>tlung <strong>der</strong> optimalen <strong>Ultraschall</strong>dosierung<br />

müssen daher entsprechende Voruntersuchungen im Labor herangezogen werden.<br />

A) Original B) kurze Beschallung C) lange Beschallung<br />

Abbildung 6: Struktur <strong>von</strong> Blähschlamm vor und nach <strong>Ultraschall</strong>behandlung<br />

Schaumbekämpfung im Faulbehälter<br />

Systematische Arbeiten zur Schaumbekämpfung im Faulbehälter nach<br />

<strong>Ultraschall</strong>behandlung fädiger Schlämme wurden kürzlich an <strong>der</strong> TU Hamburg-<br />

Harburg beendet. Diese Erkenntnisse sind im Beitrag <strong>von</strong> Neis (2005) dargestellt.<br />

Soweit die strukturelle Fädigkeit des Klärschlammes als Ursache <strong>der</strong> Schaumbildung<br />

131


K. Nickel<br />

ausgemacht werden kann, führt die <strong>Ultraschall</strong>vorbehandlung zu einer dauerhaften<br />

ungestörten anaeroben Stabilisierung des Klärschlammes.<br />

Ein aktuelles Anwendungsbeispiel soll hier vorgestellt werden: Auf <strong>der</strong> Kläranlage<br />

Meldorf konnte <strong>der</strong> anfallende Klärschlamm in den vergangenen Jahren aufgrund<br />

massiver Schaumprobleme im Faulturm nur unzureichend stabilisiert werden. Häufig<br />

wurde <strong>der</strong> Schaum in die Gasleitung gepresst, was die Verwertung des erzeugten<br />

Biogases erschwerte. Der Betreiber entschied sich für einen testweisen Einsatz einer<br />

<strong>Ultraschall</strong>desintegration. Der gesamte Überschussschlamm wurde <strong>mit</strong> einer<br />

Beschalldosis <strong>von</strong> ca. 4 Wh/L vor Zugabe in den Faulturm behandelt. Durch<br />

Zerstörung <strong>der</strong> fadenförmigen Schlammstrukturen wurde die Schaumbildung<br />

nachhaltig unterbunden. Hierdurch verbesserte sich das Stabilisierungsergebnis, so<br />

dass Ausfaulgrad und Biogasproduktion gesteigert wurden. Die deutliche Reduktion<br />

des organischen Restgehalts im Faulschlamm (Abbildung 7) zeigt, dass <strong>der</strong> gesamte<br />

Faulbehälterinhalt wie<strong>der</strong> durchmischt und da<strong>mit</strong> dem anaeroben Abbau zugänglich<br />

gemacht wurde.<br />

70<br />

Glühverlust des Faulschlamms [%]<br />

60<br />

50<br />

40<br />

27. Sep. 4. Okt. 11. Okt. 18. Okt. 25. Okt. 1. Nov. 8. Nov. 15. Nov.<br />

Abbildung 7: Verän<strong>der</strong>ung des organischen Restgehalts im Faulschlamms infolge<br />

ungestörter Schlammfaulung nach <strong>Ultraschall</strong>desintegration des<br />

Überschussschlammes (Kläranlage Meldorf, 2004)<br />

6. Reaktordesign und betriebliche Aspekte<br />

Großtechnische <strong>Ultraschall</strong>systeme zur Behandlung <strong>von</strong> Klärschlamm werden seit<br />

etwa drei Jahren angeboten. Es gibt eine Reihe <strong>von</strong> Herstellern, die unterschiedliche<br />

Bauformen bevorzugen. Zur Erzeugung <strong>von</strong> <strong>Ultraschall</strong> werden in <strong>der</strong> Regel<br />

piezokeramische Wandler verwendet. Man unterscheidet verschiedene Typen <strong>von</strong><br />

Schwinggebilden: Flächenschwinger und Sonotroden werden jeweils <strong>von</strong> einem<br />

Wandler angeregt und übertragen den Schall über die Stirnflächen <strong>der</strong><br />

Schwingmassen in das Medium. Bei sogenannten Push-Pull-Schwingern erfolgt die<br />

Anregung über zwei Wandler, ein <strong>mit</strong>tig eingespanntes Rohr überträgt den<br />

<strong>Ultraschall</strong> über seine Radialfläche.<br />

132


<strong>Was</strong> können <strong>wir</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> <strong>Schlammdesintegration</strong> <strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong> erwarten<br />

Die Wirkung <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>desintegration <strong>wir</strong>d durch verschiedene Faktoren<br />

beeinflusst: Neben Reaktordesign (z.B. Reaktoraufbau, Frequenz und Intensität <strong>der</strong><br />

Schwinggebilde) und Beschaffenheit des Klärschlammes (z.B. Fließfähigkeit und<br />

Feststoffkonzentration) spielen die Reaktionsbedingungen wie äußerer Druck,<br />

Temperatur und gelöster Gasgehalt eine Rolle.<br />

Schwerpunkt unserer Entwicklungsarbeiten <strong>der</strong> vergangenen Jahre war das<br />

Reaktordesign (Abbildung 8). Durch Optimierung <strong>der</strong> Schwinggebilde sowie <strong>der</strong>en<br />

Anordnung im Reaktionsraum wurde die Effizienz <strong>der</strong> Systeme signifikant gesteigert<br />

(Abbildung 9). Dies führte zu einer deutlichen Reduktion <strong>der</strong> Kosten. Mit einem 5-kW<br />

Reaktor <strong>der</strong> heutigen Baureihe können etwa 30 m³ eingedickter Klärschlamm pro<br />

Tag beschallt werden.<br />

Ablauf<br />

Ablauf<br />

Flächenschwinger<br />

Zulauf<br />

Sonotrode<br />

Zulauf<br />

A) B)<br />

Abbildung 8: <strong>Ultraschall</strong>systeme zur Behandlung <strong>von</strong> Klärschlamm, A) Reaktor <strong>mit</strong><br />

Flächenschwingern und B) Reaktor <strong>mit</strong> Sonotroden als aktives<br />

Schwinggebilde<br />

133


K. Nickel<br />

15<br />

<strong>Ultraschall</strong>reaktor 2005<br />

<strong>Ultraschall</strong>reaktor 1998<br />

Aufschlussgrad A CSB [%]<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6<br />

Spezifische Energie [kWh/kg]<br />

Abbildung 9: Spezifischer Energiebedarf zur Klärschlammdesintegration<br />

verschiedener <strong>Ultraschall</strong>systeme (Überschussschlamm Kläranlage<br />

Bad Bramstedt, TR = 3,0 %)<br />

<strong>Ultraschall</strong> ist in die Klasse <strong>der</strong> mechanischen Desintegrationsverfahren<br />

einzuordnen. Die mechanische Desintegration konkurriert <strong>mit</strong> thermischen,<br />

chemischen und biochemischen Verfahren (Tabelle 3). Aufgrund hoher<br />

Anlageninvestitionen eignen sich thermische Verfahren für Kläranlagen ab einer<br />

Größenklasse <strong>von</strong> ca. 500.000 EW. Chemische Verfahren erfor<strong>der</strong>n demgegenüber<br />

einen erhöhten betrieblichen Aufwand (Umgang <strong>mit</strong> gesundheitsgefährdenden<br />

Chemikalien wie Säuren, Laugen o<strong>der</strong> Ozon). Nachteil <strong>der</strong> chemischen und<br />

thermischen Klärschlammdesintegration ist die Gefahr <strong>der</strong> Bildung schwer<br />

abbaubarer Reaktionsprodukte, die im Extremfall zur Hemmung <strong>der</strong> biologischen<br />

Kläranlagenprozesse führen kann. Biochemische Verfahren, d.h. <strong>der</strong> Zusatz<br />

sogenannter Bio<strong>mit</strong>tel (Mixturen aus Enzymen, Pflanzenextrakten, Mineralstoffen,<br />

etc.), sind einfach im Handling. Allerdings liegen bisher unzureichende Erkenntnisse<br />

über die Wirkung <strong>der</strong> verschiedenen Bio<strong>mit</strong>tel vor (Abwassertechnische Vereinigung,<br />

2003).<br />

Unsere <strong>Ultraschall</strong>geräte sind aufgrund <strong>der</strong> meist sehr kompakten Bauform schnell<br />

und einfach in den Betriebsablauf auf Kläranlagen einzufügen. Der Anschluss erfolgt<br />

über Rohr- o<strong>der</strong> Schlauchverbindung, darüber hinaus ist eine För<strong>der</strong>pumpe<br />

notwendig. Aufgrund des modularen Aufbaus können <strong>Ultraschall</strong>systeme quasi auf<br />

je<strong>der</strong> Kläranlagengröße eingesetzt werden. Die einfache Installation ist insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei <strong>der</strong> Bekämpfung saisonal auftreten<strong>der</strong> Bläh- und Schwimmschlammereignisse<br />

hilfreich. Wir bieten in solchen Fällen Miete o<strong>der</strong> Mietkauf <strong>von</strong> <strong>Ultraschall</strong>geräten an,<br />

so dass <strong>der</strong> Betreiber ohne große Investitionsentscheidungen rasch reagieren kann.<br />

Die bisherigen Erfahrungen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>technik auf Kläranlagen hat die<br />

wartungsarme Betriebsweise unterstrichen. Aufgrund <strong>der</strong> freien Strömungskanäle im<br />

134


<strong>Was</strong> können <strong>wir</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> <strong>Schlammdesintegration</strong> <strong>mit</strong> <strong>Ultraschall</strong> erwarten<br />

<strong>Ultraschall</strong>reaktor <strong>wir</strong>d - im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en mechanischen<br />

Desintegrationsverfahren - eine geringe Anfälligkeit gegenüber Störstoffen im<br />

Klärschlamm (Grobstoffe, Fasern, Steine, Haare, etc.) erzielt. Die Erfahrungen auf<br />

<strong>der</strong> Kläranlage Leinetal zeigen, dass <strong>der</strong> Betreiber als einziges Verschleißteil die<br />

Frontmassen <strong>der</strong> Schwinggebilde in etwa einjährigem Zyklus tauschen muss<br />

(Kaufhold & Poetsch, 2005).<br />

Tabelle 3: Verfahren zur Desintegration <strong>von</strong> Klärschlamm<br />

Einteilung Verfahren / Apparate Erfahrungen im Dauerbetrieb<br />

Mechanisch Rührwerkskugelmühle<br />

Hochdruckhomogenisator<br />

Lysat-Zentrifuge<br />

Prallstrahlverfahren<br />

<strong>Ultraschall</strong>technik<br />

keine<br />

wenig<br />

wenig<br />

keine<br />

umfangreich<br />

Chemisch Säurezugabe<br />

Laugezugabe<br />

Industriekläranlagen<br />

Zusatz chemischer Oxidations<strong>mit</strong>tel<br />

Biochemisch Zusatz <strong>von</strong> Bio<strong>mit</strong>teln unzureichende Nachweise<br />

Thermisch Erhitzung des Schlammes für Kläranlagen ab 500.000 EW (hohe<br />

Investitionskosten)<br />

Risiko <strong>der</strong> Bildung <strong>von</strong> Reaktionsprodukten<br />

(inerte Stoffe, Hemmstoffe)<br />

7. Fazit und Ausblick<br />

Aufgrund <strong>der</strong> in den vergangenen zehn Jahren stattgefundenen Forschung und<br />

Entwicklung stehen heute innovative und praxistaugliche <strong>Ultraschall</strong>anwendungen für<br />

die Klärschlammbehandlung zur Verfügung. Das breite Anwendungsfeld umfasst die<br />

Intensivierung <strong>der</strong> verschiedenen Prozesse <strong>der</strong> biologischen<br />

Klärschlammstabilisierung sowie die Beseitigung <strong>von</strong> betrieblichen Störungen<br />

(Bekämpfung <strong>von</strong> Bläh- und Schwimmschlamm). Darüber hinaus kann die<br />

<strong>Ultraschall</strong>desintegration als unterstützendes Verfahren für die Rückgewinnung <strong>von</strong><br />

Wertstoffen im Klärschlamm eingesetzt werden.<br />

Der Einsatz <strong>von</strong> <strong>Ultraschall</strong>anlagen ist dann sinnvoll, wenn neben den betrieblichen<br />

Vorteilen auch die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens nachgewiesen <strong>wir</strong>d. Einerseits<br />

führte die Entwicklung <strong>der</strong> vergangenen Jahre zu immer leistungsstärkeren<br />

<strong>Ultraschall</strong>geräten, was zur Reduktion <strong>der</strong> Investitions- und Betriebskosten<br />

beigetragen hat. An<strong>der</strong>erseits ist bekannt, dass die jeweilige Prozessintensivierung<br />

neben dem <strong>Ultraschall</strong>energieeintrag auch <strong>von</strong> diversen weiteren Einflussgrößen<br />

abhängt, wie beispielsweise den Schlammeigenschaften (u.a. Art, Herkunft,<br />

Schlammalter, Feststoffgehalt, Fließverhalten). Wir empfehlen im Vorfeld <strong>der</strong><br />

geplanten Anwendung die technischen Voraussetzungen auf <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Kläranlage zu prüfen und den Nachweis <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit in systematischen<br />

Vorversuchen zu erbringen.<br />

Die gesetzlichen Vorschriften für die Entsorgung des Klärschlammes werden in den<br />

kommenden Jahren verän<strong>der</strong>t. Entgegen <strong>der</strong> z.Zt. in Deutschland geführten<br />

135


K. Nickel<br />

Diskussion för<strong>der</strong>t die Europäische Union die stoffliche Verwertung des stabilisierten<br />

Klärschlammes und so<strong>mit</strong> seine Rückführung in die Land<strong>wir</strong>tschaft. Dabei werden<br />

die Anfor<strong>der</strong>ung an die Qualität des Klärschlammes verschärft: Neben weiter<br />

reduzierten anorganischen und organischen Schadstoffgehalten <strong>wir</strong>d die<br />

mikrobiologische Qualität (Keimfreiheit) nachzuweisen sein. Dies <strong>wir</strong>d eine<br />

entsprechende Anpassung <strong>der</strong> Behandlungsstufen nach sich ziehen, wobei sich<br />

auch neue Einsatzgebiete <strong>der</strong> <strong>Ultraschall</strong>behandlung ergeben. Diskutiert <strong>wir</strong>d z.Zt.<br />

auch die Möglichkeit <strong>der</strong> getrennten Stabilisierung und Entsorgung <strong>von</strong> Primär- und<br />

Überschussschlamm, wobei <strong>Ultraschall</strong>behandlung des Sekundärschlammes zur<br />

besseren Bioverfügbarkeit und Reduktion <strong>der</strong> Keimbelastung beitragen kann.<br />

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136


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137


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