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Was geht mich das an? - Kirchenbezirk Geislingen

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Bernhard Leube singt mit Pfarrerinnen und Pfarrern des <strong>Kirchenbezirk</strong>es<br />

Schließlich: Die <strong>an</strong>deren singen mir, sogar und insbesondere<br />

d<strong>an</strong>n, wenn ich selbst nicht singen k<strong>an</strong>n, zum Beispiel<br />

auf dem Friedhof, bei der Beerdigung eines<br />

Angehörigen. Wenn der Sarg in die Erde gesenkt wird<br />

und ich nichts sagen und schon gar nichts singen k<strong>an</strong>n,<br />

stehen <strong>an</strong>dere um <strong>mich</strong> und – so ist die Perspektive unseres<br />

Gottesdienstbuches Bestattung – singen „Christ ist<br />

erst<strong>an</strong>den von der Marter alle“ (EG 99) und sorgen dafür,<br />

<strong>das</strong>s meine Seele wieder aufkommt.<br />

Lieder öffnen Räume über Generationen<br />

Solche Formen von Seelsorge stoßen bei den jüngeren<br />

Generationen kaum auf Widerhall. Dass Lieder in der<br />

Tiefe etwas <strong>an</strong>rühren, setzt ja voraus, <strong>das</strong>s etwas vorh<strong>an</strong>den<br />

ist, was Reson<strong>an</strong>z geben k<strong>an</strong>n. Wie entstehen diese<br />

Reson<strong>an</strong>zräume? Wir sollten uns, denke ich, systematisch<br />

auf ein gemeinsames Grundrepertoire von Ges<strong>an</strong>gbuchliedern<br />

verständigen, und wo wir mit Kindern zu tun<br />

haben in der Familie, im Kindergarten oder der Schule, im<br />

Konfirm<strong>an</strong>denunterricht oder im Gottesdienst, immer wieder<br />

darauf zurückkommen, um ein Lieder-Repertoire zu<br />

bilden, <strong>das</strong> uns mitein<strong>an</strong>der verbindet, <strong>das</strong> uns in Fragen<br />

des Glaubens sprachfähig und auch <strong>an</strong>sprechbar macht.<br />

Singen ist weissagen und zaubern<br />

Das regelmäßige abendliche Singen, wenn m<strong>an</strong> Kinder<br />

zu Bett bringt, ist ein unverzichtbares Stück musikalischer<br />

Seelsorge. Ihr Trost und Frieden liegt gewiss in der Stimme<br />

der Mutter oder des Vaters. Aber die Worte gehen ja weit<br />

darüber hinaus. Haben Abendlieder ihre Kraft nicht auch<br />

darin, <strong>das</strong>s sie Sterbeübungen sind? Ich tippe nur <strong>an</strong>:<br />

„Weißt du, wie viel Sternlein stehen“ (EG 511), "Hinunter<br />

ist der Sonnen Schein" (EG 467), „Mit meinem Gott geh ich<br />

zur Ruh“ (EG 474), „Mein schönste Zier und Kleinod bist“<br />

(EG 473) und „Meinem Gott gehört die Welt“ (EG 408).<br />

Das lateinische Wort „c<strong>an</strong>tare“ bedeutet nämlich nicht nur<br />

„singen“, sondern auch „weissagen“ und in seiner Grundbedeutung<br />

sogar „zaubern“. Welch ein Trost, den Tod bei<br />

hereinbrechender Nacht zu benennen und so zu b<strong>an</strong>nen:<br />

„. . . und im Leben und im Tod bin ich dein, du lieber Gott!“<br />

(EG 408,6).<br />

Lieder nehmen <strong>das</strong> Leid in den Blick<br />

Unter den neueren Liedern, die Liederbuch für Liederbuch<br />

ihren Weg machen, finden sich nur wenige Lieder für<br />

Unglück, Kr<strong>an</strong>kheit und Sterben. Gewiss, <strong>das</strong> ist nicht<br />

alles im Leben, zum Glück, und <strong>das</strong> Christentum ist nicht<br />

nur die Religion für die R<strong>an</strong>dsituationen des Lebens! Aber<br />

gerade hier haben wir neue Lieder nötig, nicht allein für<br />

den Lobpreis! Gute neue Passionslieder sind rar. Perlen im<br />

Ev<strong>an</strong>gelischen Ges<strong>an</strong>gbuch sind allerdings: „Holz auf Jesu<br />

Schulter“ (EG 97), „Gott, mein Gott, warum hast du <strong>mich</strong><br />

verlassen?“ (EG 381), auch „Ich steh vor dir mit leeren<br />

Händen, Herr; fremd wie dein Name sind mir deine<br />

Wege“ (EG 382). In dem g<strong>an</strong>z neuen Liederheft „Wo wir<br />

dich loben, wachsen neue Lieder“ finden sich Lieder wie<br />

„Wir wissen nicht, w<strong>an</strong>n diese Zeit zum letzten Ende<br />

<strong>geht</strong>“ von Wilma Klevinghaus und Christoph Lehm<strong>an</strong>n<br />

oder <strong>das</strong> neu von Jürgen Henkys übertragene „Bist du<br />

mein Gott?“ aus den Niederl<strong>an</strong>den, <strong>das</strong> aus der Situation<br />

des Jona heraus, also in der Situation der Entfernung von<br />

Gott um Worte zu Gott ringt. Das sind endlich Lieder, die<br />

die Erfahrung der Abwesenheit Gottes ausdrücklich thematisieren!<br />

In so gut wie allen Liedern des Ges<strong>an</strong>gbuchs<br />

wird Gottes Anwesenheit g<strong>an</strong>z selbstverständlich vorausgesetzt.<br />

Die Abwesenheit Gottes, die heute viele Menschen<br />

erleben, wird damit praktisch nicht ernst genommen.<br />

Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes ist in den<br />

gen<strong>an</strong>nten Liedern nun aber bereits in eine Anrede <strong>an</strong><br />

Gott gebracht. Wer diesen Weg gehen k<strong>an</strong>n, hat den<br />

ersten Schritt zu Gesundung schon get<strong>an</strong> oder einem<br />

<strong>an</strong>deren im Singen dazu geholfen und für dessen Seele<br />

gesorgt.<br />

Musik ist Gottes Gabe<br />

M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n im Lied mehr sagen, als mit eigenen Worten<br />

möglich ist, und lügt dennoch nicht. Das ist dieser heilsame<br />

Abst<strong>an</strong>d, ohne den wir nur bei uns selbst stehen<br />

bleiben. In diesen Abst<strong>an</strong>d k<strong>an</strong>n sogar Gott selbst eintreten.<br />

Martin Luther hat erfahren: „Musik ist die beste Gottesgabe.<br />

Durch sie werden viele und große Anfechtungen<br />

verjagt. Musik ist der beste Trost für einen verstörten<br />

Menschen, auch wenn er nur ein wenig zu singen vermag.“<br />

(EG Seite 628)<br />

So auch EG 34, 2; 40, 2; 213, 5+6; 278; 289, 1; 303, 1; 327, 3; 333, 2; 451, 1; 504;<br />

517, 3; 524, 1+8.<br />

Bernhard Leube, Süßen<br />

Pfarrer im Amt für Kirchenmusik,<br />

Stuttgart<br />

EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />

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