WHI – Paper 2/02 DIE DREI DIMENSIONEN DER ... - WHI-Berlin
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Franz C. Mayer<br />
tragstext beigefügten "Erklärung zur [*578] Zukunft der Union" heißt es, dass im Rahmen der<br />
Diskussion über die künftige Entwicklung der Union ('Post-Nizza Prozess' 2 ) bis 2004 "unter<br />
anderem" die Frage zu behandeln sein wird, "wie eine genauere, dem Subsidiaritätsprinzip<br />
entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den<br />
Mitgliedstaaten hergestellt und danach aufrechterhalten werden kann" 3 .<br />
Der folgende Beitrag unternimmt den Versuch, dieses Thema der Kompetenzverteilung<br />
zwischen EU und Mitgliedstaaten einer näheren Analyse zu unterziehen. Kompetenzverteilungsfragen<br />
sind nicht nur für die EU/EG 4 in der Vergangenheit bereits kontrovers diskutiert<br />
worden, sie sind auch ein klassisches Thema der Bundesstaatstheorie, so dass an Ansichten<br />
und Äußerungen zu Kompetenzfragen kein Mangel besteht. Dies nicht zuletzt weil mit der<br />
bundesstaatlichen Ordnung in den USA eines der ältesten Verfassungssysteme der Welt gerade<br />
zu Kompetenzfragen reiches Anschauungsmaterial liefert. Daraus ergeben sich auch für<br />
die Verfassungsentwicklung in der EU/EG wichtige Hinweise, die im folgenden mit angesprochen<br />
werden sollen.<br />
Im einzelnen soll versucht werden, die Kompetenzdebatte in der EU/EG unter verschiedenen<br />
Blickwinkeln näher zu beleuchten, um die Dimensionen der Kompetenzdebatte deutlich<br />
zu machen. Ausgangspunkt ist dabei die rechtliche Dimension (I.). In einem zweiten Teil soll<br />
die politische Dimension angesprochen werden (II.), um in einem dritten Teil den Bogen zur<br />
konstitutionellen Dimension zu schlagen (III.). Der Beitrag schließt mit einem zusammenfassenden<br />
Ausblick auf die sich stellenden Fragen im Lichte der Weiterentwicklung des europäischen<br />
Verfassungsrechts nach dem Vertrag von Nizza.<br />
I. Die rechtliche Dimension der Kompetenzdebatte: Die Abgrenzung von Zuständigkeiten<br />
und die Überwachung ihrer Einhaltung<br />
Nähert man sich dem Begriff der Kompetenz aus rechtlicher Sicht, so lassen sich im wesentlichen<br />
zwei Problemaspekte unterscheiden: einmal die Frage der näheren Bestimmung des<br />
Begriffs der Kompetenz als rechtliche Kategorie (dazu 1.), zum anderen die Frage, wie das<br />
Recht mit Kompetenzkonflikten umgeht (dazu 2.).<br />
1. Kompetenz als rechtliche Kategorie<br />
'Kompetenz' gehört zu den rechtlichen Begriffen, die im alltäglichen juristischen Sprachgebrauch<br />
mit großer Selbstverständlichkeit verwendet werden, so [*579] dass vielfach ein<br />
trügerisches Gefühl der Vertrautheit und der Bedeutungsgewissheit besteht, nämlich dass es<br />
bei Kompetenzfragen lediglich darum geht, 'wer was macht' bzw. 'wer was darf'.<br />
2 Der Sache nach meint ‚Post-Nizza Prozess’ nicht anderes als die Verfassungsdebatte zur Zukunft der Union.<br />
3 Dies der amtliche Wortlaut der Erklärung Nr. 23, im Konferenzdokument (Fn. 1) heißt es noch „[...] Abgrenzung<br />
der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten geschaffen und ihre Einhaltung<br />
überwacht werden kann“.<br />
4 Im folgenden wird zur Beschreibung der durch verschiedene Verträge errichteten Europäischen Gemeinschaften<br />
und Europäischen Union die Sammelbezeichnung EU/EG verwendet.<br />
(2)<br />
ZaöRV 61 (2001), Heft Nr. 2/3, S. 577 – 640