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Atopische Dermatitis State of the Art 2006 - MEDahead

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März <strong>2006</strong> S u p p l e m e n t u m<br />

Chair: K. Wolff, R. Urbanek; Steering Committee: W.<br />

Aberer, I. Eichler, F. Eitelberger, P. Fritsch, M. Götz, H. Hintner,<br />

H. Hönigsmann, E. Horak, I. Huttegger, H. Kerl, K.<br />

Klaush<strong>of</strong>er, G. Klein, T. Kopp, H. Pehamberger, K. Rappersberger,<br />

H.-J. Rauch, R. Schmitzberger, B. Simma, G.<br />

Stingl, Z. Szepfalusi, E.-M. Varga, B. Volc-Platzer, K. Zwiauer;<br />

Consensus Board: J. Auböck, H. Göpfrich, C. Huemer,<br />

Z. Jaros, W. Jurecka, W. Kaulfersch, H. Kurz, H. Litscher,<br />

P. Mischer, W. Pachinger, J. Riedler, K. Schmitt, L.<br />

Zimmerhackl<br />

<strong>Atopische</strong><br />

<strong>Dermatitis</strong><br />

<strong>State</strong> <strong>of</strong> <strong>the</strong> <strong>Art</strong> <strong>2006</strong><br />

Unter Patronanz<br />

Österreichische<br />

Gesellschaft für<br />

Dermatologie und Venerologie<br />

Österreichische<br />

Gesellschaft für<br />

Kinder- und Jugendheilkunde


Editorial<br />

em. o. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Klaus Wolff<br />

Univ.-Klinik für Dermatologie,<br />

Wien<br />

em. o. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Radvan Urbanek<br />

Univ.-Klinik für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde, Wien<br />

Seite 2 | Supplementum, März <strong>2006</strong><br />

T<br />

herapiestandard bei der atopischen <strong>Dermatitis</strong> (AD) waren bis vor<br />

wenigen Jahren die hochwirksamen topischen Kortikoide, die jedoch<br />

aufgrund ihres potentiellen Nebenwirkungsspektrums in zunehmendem<br />

Maße kritisch beurteilt werden. Die Entwicklung neuer topisch applizierbarer<br />

immunmodulatorischer Calcineurin-Inhibitoren (CI) hat die <strong>the</strong>rapeutischen<br />

Strategien bei Kindern und Erwachsenen entscheidend verändert.<br />

Das Fehlen lokaler oder systemischer Nebenwirkungen bei den<br />

CI hat dazu geführt, dass der Einsatz von topischen Kortikoiden entscheidend<br />

reduziert bzw. teilweise eingespart werden kann.<br />

Ende Jänner <strong>2006</strong> hat die FDA ein „Black Box Warning“ ausgesprochen,<br />

in dem vor einer möglichen karzinogenen Wirkung der CI gewarnt wird,<br />

obwohl expressis verbis ein kausaler Zusammenhang zwischen Langzeitbehandlung<br />

mit CI und Krebsentstehung als nicht etabliert beschrieben<br />

wird. Praktisch alle wichtigen Fachgesellschaften haben bereits<br />

gegen die Ankündigung dieses „Black Box Warning“ protestiert. Die Entscheidung<br />

selbst ist auch von der American Academy <strong>of</strong> Dermatology<br />

massiv kritisiert worden. Im Hinblick auf diese umstrittene Entscheidung<br />

der FDA ist das hier vorliegende Consensus-<strong>State</strong>ment von großer<br />

Bedeutung, um eine mögliche Verunsicherung der Kollegenschaft bzw.<br />

der Patienten zu verhindern.<br />

AD ist ein gemeinsames Anliegen der Dermatologen und der Pädiater.<br />

Es freut uns daher ganz besonders, im Rahmen dieses Projektes die<br />

namhaften Experten beider Fächer zusammengebracht zu haben. Die<br />

vorliegende gemeinsame Stellungnahme gibt einen Überblick des derzeitigen<br />

Wissens über Klinik, Pathogenese sowie des aktuellsten Standes<br />

in der Therapie. Es stellt eine praxisbezogene Leitlinie für die Kollegenschaft<br />

dar.<br />

Unser besonderer Dank gilt der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie<br />

und Venerologie sowie der Österreichischen Gesellschaft für<br />

Kinder- und Jugendheilkunde unter deren Patronanz dieses Consensus<br />

<strong>State</strong>ment entstanden ist, allen angeführten Experten für ihre Mitarbeit,<br />

sowie dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger<br />

für die Bereitstellung wichtiger Daten.<br />

In diesem Sinne zeichnen<br />

em. o. Univ.-Pr<strong>of</strong>. Dr.<br />

Klaus Wolff<br />

Karl Buresch<br />

<strong>MEDahead</strong><br />

em. o. Univ.-Pr<strong>of</strong>. Dr.<br />

Radvan Urbanek


1. Einleitung<br />

Der Begriff Atopie beschreibt die Triade allergische<br />

Rhinitis, allergisches Asthma und atopische <strong>Dermatitis</strong>.<br />

Die atopische <strong>Dermatitis</strong> (AD, auch atopisches<br />

Ekzem, früher Neurodermitis) ist eine familiär gehäufte,<br />

von massivem Juckreiz begleitete entzündliche<br />

Hauterkrankung mit chronisch-rezidivierendem Verlauf<br />

und präferentiellem Beginn im kindlichen Lebensalter<br />

mit stark steigender Inzidenz. AD führt zu einer deutlichen<br />

Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Juckreiz,<br />

Schlafstörungen, soziale Ausgrenzung, Einschränkung<br />

von Freizeitaktivitäten, verringerte Arbeitsproduktivität,<br />

die Notwendigkeit spezieller Kleidung bzw. Bettwäsche<br />

sowie dauernder Behandlung.<br />

2. Epidemiologie & Pathogenese<br />

2.1. Epidemiologie<br />

Die Prävalenz der AD beträgt in der westlichen Welt<br />

bei Kindern 5 bis 20% und bei Erwachsenen 1 bis 3%.<br />

Die schubartig verlaufende Krankheit beginnt meist<br />

im ersten Lebensjahr und verläuft zu 85% leicht, zu<br />

etwa 14% mittelschwer und zu 1 bis 2% schwer. Je früher<br />

der Beginn, desto wahrscheinlicher ist eine spontane<br />

Rückbildung in der Pubertät, je später, desto häufiger<br />

wird die Erkrankung im Erwachsenenalter chronisch.<br />

Ein Beginn bzw. Wiederbeginn im Erwachsenenalter<br />

kommt vor, ist aber selten.<br />

Eine große Rolle spielt die genetische Prädisposition:<br />

Zwei Drittel aller AD-Patienten haben eine positive Atopie-Familienanamnese.<br />

Haben oder hatten beide<br />

Eltern eine AD, sind 75% der Kinder betr<strong>of</strong>fen.<br />

2.2. Pathogenese<br />

Die AD ist eine genetisch determinierte Erkrankung,<br />

die durch Umweltfaktoren ausgelöst bzw. unterhalten<br />

wird. Die Pathogenese wird durch komplexe Interaktionen<br />

zwischen genetischen Faktoren, der Hautbarriere,<br />

Umwelt, pharmakologischen und immunologischen<br />

Faktoren bestimmt. Die Basisläsion ist eine anlagebedingte<br />

Trockenheit der Haut, die in einer herabgesetzten<br />

Barrierefunktion des Integuments und einem<br />

erhöhten transepidermalen Wasserverlust resultiert.<br />

Dazu gesellen sich immunologische, vorwiegend IgEmediierte<br />

Trigger, die einerseits Nahrungsmittelallergene,<br />

Aero-Allergene, mikrobielle Allergene und Autoallergene<br />

umfassen, andererseits aber auch unspezifi-<br />

<strong>Atopische</strong> <strong>Dermatitis</strong><br />

sche irritative Reize und Kontaktallergene einschließen.<br />

Es ist eine Reihe von Genpolymorphismen<br />

bekannt, die bei Atopikern besonders prävalent sind.<br />

Diese betreffen Zytokin- und Zytokinrezeptorgene und<br />

im Falle der AD auch "Psoriasis-Loci" (Psor 1-6), TGFbeta<br />

1, SPINK-5 (Serinproteaseinhibitor) sowie die<br />

Toll-like-Rezeptoren TLR2 und TLR4. Wie genau diese<br />

Genpolymorphismen das Krankheitsgeschehen auslösen<br />

bzw. steuern, ist im Detail nicht bekannt. Es gibt<br />

gute Gründe anzunehmen, dass die allergische<br />

Gewebsentzündung durch eine fehlgesteuerte Immunreaktion<br />

bedingt wird. Während die Symptome der<br />

allergischen Rhinokonjunktivitis und des allergischen<br />

Asthma zumindest in der Akutphase durch eine IgEmediierte<br />

Immunreaktion vom S<strong>of</strong>orttyp zustande<br />

kommen, scheint den ekzematösen Hautreaktionen<br />

eine zellvermittelte Immunreaktion vom Spättyp (Typ<br />

IV nach Gell und Coombs) zugrunde zu liegen.<br />

Auf oder in die Haut auf/eingebrachte Allergene werden<br />

von dendritischen Zellen aufgenommen, welche<br />

nach einer Wanderung in die regionären Lymphknoten<br />

ebendort eine Th2 (IL-4, IL-5, IL-13) – dominierte lymphozytäre<br />

Antwort auslösen. Wie diese Th2-Prägung<br />

zustande kommt, ist noch nicht völlig geklärt; möglicherweise<br />

sind dafür der von Keratinozyten produzierte<br />

Faktor TSLP (Thymic and Stromal Lymphopoietin)<br />

sowie eine verstärkte Apoptose von Th1-Zellen verantwortlich.<br />

Die so expandierten, Allergen-spezifischen T-Zellen<br />

vom Effektor-/Gedächtnis-Typ gelangen in die Zirkulation<br />

und werden durch Chemokine wie RANTES, MCP-<br />

4, Eotaxin, MDC und TARC in die Haut gelockt. Neuerdings<br />

meint man, dass sie durch Sekretion von FasL<br />

(CD95L) die Apoptose von Fas (CD95) – exprimierenden<br />

Keratinozyten herbeiführen.<br />

In der chronischen Phase der Erkrankung ändert sich<br />

allerdings das immunologische Pr<strong>of</strong>il der Haut.<br />

Anstatt der Th2-Zytokine dominieren nun Th1-Botenst<strong>of</strong>fe<br />

wie IL-12 und Interferon-Gamma. Eine besondere<br />

Population dendritischer Zellen, so genannte<br />

inflammatorische dendritische Zellen (IDEC), die auch<br />

über Chemokinreize in die Haut gelangen, scheint<br />

diese Umpolung auszulösen. Ob und, wenn ja, auf<br />

welche Weise IgE am Zustandekommen der Hautläsionen<br />

beteiligt ist, ist nicht bekannt. In vitro Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass hochaffine IgE-Rezeptoren<br />

an dendritischen Zellen, besonders an IDEC,<br />

exprimiert sind und dass Allergene über spezifisches<br />

IgE und diese Rezeptoren besonders effizient präsen-<br />

Supplementum, März <strong>2006</strong> | Seite 3


Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Werner Aberer<br />

Klin. Abt. für Allg. Dermatologie,<br />

Univ.-Klinik für<br />

Dermatologie und Venerologie,<br />

Graz<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Josef Auböck<br />

Abteilung Dermatologie,<br />

Krankenhaus der Stadt<br />

Linz<br />

tiert werden. Möglicherweise ist das ein Mitgrund für<br />

den schubhaften Verlauf sowie für die Chronizität der<br />

Erkrankung. Ein besonderes Kennzeichen der chronischen<br />

Phase der Erkrankung ist der sich als Lichenifizierung<br />

manifestierende Gewebsumbau. Wichtige<br />

Mediatoren dieses Geschehens sind <strong>of</strong>fenbar die<br />

Zytokine IL-11 und IL-17.<br />

Andere wichtige pathogenetische Faktoren sind eine<br />

gestörte Barrierefunktion der Haut sowie eine Schwächung<br />

der natürlichen Abwehr. Die besondere Anfälligkeit<br />

von AD-Patienten für Infektionen mit Staphylococcus<br />

aureus ist möglicherweise die Folge einer verminderten<br />

kutanen Produktion von antimikrobiellen Peptiden<br />

(Defensine und Ca<strong>the</strong>licidine).<br />

3. Klinik der <strong>Atopische</strong>n <strong>Dermatitis</strong><br />

Die AD ist klinisch durch die Wechselwirkung von Pruritus<br />

und Entzündung der Haut bestimmt und durch<br />

den so genannten „Itch-Scratch-Cycle“ charakterisiert.<br />

Juckreiz führt zu Kratzen oder Reiben, dieses zu einer<br />

entzündlichen Reaktion, die sich wiederum durch vermehrten<br />

Pruritus manifestiert. Die Hautmanifestationen<br />

und auch Prädilektionsstellen unterscheiden sich<br />

bei Patienten im Kindes- und Erwachsenenalter, haben<br />

jedoch folgende Erscheinungsbilder gemeinsam:<br />

Akute Hautläsionen sind durch hochpruritische Ery<strong>the</strong>me<br />

und Papeln mit Exkoriationen, Bläschen auf ery<strong>the</strong>matöser<br />

Haut und serösem Exsudat assoziiert. Subakute<br />

AD manifestiert sich vorwiegend durch ery<strong>the</strong>-<br />

Abb.1: Charakteristische altersabhängige Lokalisation<br />

Säuglingsalter<br />

Kindesalter Jugend,<br />

Erwachsenenalter<br />

Seite 4 | Supplementum, März <strong>2006</strong><br />

Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Irmgard Eichler<br />

Univ.-Klinik für Kinderund<br />

Jugendheilkunde,<br />

Wien<br />

matöse, exkoriierte, schuppende Papeln; chronische<br />

AD ist charakterisiert durch verdickte Plaques der<br />

Haut, Verstärkung der Hautfelderung (Lichenifikation)<br />

und fibrotische Papeln (Prurigo). Bei der chronischen<br />

AD treten sehr häufig alle drei Manifestationsformen<br />

beim selben Patienten auf.<br />

3.1. Kindesalter<br />

Das Krankheitsbild ist altersabhängig auf typische<br />

Lokalisationen konzentriert (Abb.1): Ab dem 2.<br />

Lebensmonat entstehen kleinflächige Läsionen,<br />

zunächst in Form von kleinschuppiger Rötung. Sie entwickeln<br />

sich zu nässenden Ekzemen („Milchschorf“),<br />

die mit gelblich-bräunlichen Krusten antrocknen. Im<br />

Säuglingsalter sind vor allem Kopfhaut, Gesicht und<br />

die Extremitäten (v.a. Streckseiten), gelegentlich auch<br />

generalisiert der gesamte Rumpf betr<strong>of</strong>fen.<br />

Ab dem 2. bis 3. Lebensjahr finden sich trockene,<br />

stark juckende Herde an den Beugeseiten der Extremitäten,<br />

Hals und Nackenbereich.<br />

Im Schulalter kommt es zunehmend zur Chronifizierung<br />

und Lichenifikation der Haut. Die Ekzeme<br />

beschränken sich zunehmend auf einzelne „Problembereiche“<br />

(Beugen, Handgelenke, Hals/Nacken), können<br />

aber auch generalisiert auftreten und in seltenen<br />

Fällen zu Erythrodermie führen.<br />

3.1.1. Diagnose<br />

Prim.<br />

Dr. Franz Eitelberger<br />

Kinderabteilung und Neonatologie,<br />

Klinikum<br />

Kreuzschwestern Wels<br />

o. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Peter Fritsch<br />

Univ.-Klinik für Dermatologie<br />

und Venerologie,<br />

Innsbruck<br />

Hauptkriterien sind: Pruritus, Ekzem in typischer Morphe<br />

und Lokalisation, chronisch rezidivierender schubweiser<br />

Verlauf, atopische Eigen- oder Familienanamnese. Assoziierte<br />

Symptome bzw. Krankheiten: Xerodermie (trockene<br />

Haut) bei über 90% der Patienten; bis zu 50% der<br />

Patienten mit AD haben eine autosomal dominante Ichthyosis<br />

vulgaris. Ferner Keratosis pilaris, weißer Dermographismus,<br />

doppelte infraorbitale Lidfalte (Dennie-<br />

Morgan-Falte), Rhagaden (v.a. in Gelenksnähe und im<br />

Bereich der Mundwinkel), Nahrungsmittelallergie,<br />

Hand- und Fußekzeme, Neigung zu Superinfektionen<br />

mit Staph. aureus und Herpes simplex. Erythrodermie<br />

ist in jedem Lebensalter möglich. Bei etwa 80% der AD-<br />

Patienten findet sich ein erhöhtes Serum IgE.<br />

Zur Schweregrad-Einteilung und Verlaufskontrolle ist<br />

der Score <strong>of</strong> atopic dermatitis (SCORAD) gut geeignet<br />

(Abb.2). Beurteilt werden Ausmaß und Intensität der<br />

Läsionen sowie die subjektiven Symptome Juckreiz<br />

und Schlafstörungen.


OA<br />

Dr. Hubert Göpfrich<br />

Kinderinterne Abteilung,<br />

SMZ-Ost, Donauspital –<br />

Wien<br />

3.1.2. Differenzialdiagnosen<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Manfred Götz<br />

Abteilung für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde, Wilheminenspital<br />

der Stadt Wien<br />

Säuglingsalter: Windeldermatitis, Psoriasis, seborrhoische<br />

<strong>Dermatitis</strong>.<br />

Kindesalter: toxische und kontaktallergische <strong>Dermatitis</strong>,<br />

Skabies, Psoriasis (inversa), Pityriasis rosea. Selten<br />

St<strong>of</strong>fwechselerkrankungen (Acrodermatitis enteropathica,<br />

Gluten-sensitive Enteropathie, Phenlyketonurie,<br />

Mangel an essenziellen Fettsäuren), Immunopathien<br />

(Wiskott-Aldrich-Syndrom, Ataxia teleangiectatica,<br />

selektive IgA-Defizienz, Hyper-IgE-Syndrom), neoplastische<br />

Erkrankungen (Langerhans-Zell-Histiozytose)<br />

und Genodermatosen (Ne<strong>the</strong>rton-Syndrom).<br />

3.1.3. Prognose<br />

Bei ca. 40% der Betr<strong>of</strong>fenen kommt es in den ersten<br />

drei Lebensjahren zur Spontanremission, bei Weiterbestehen<br />

wird der Verlauf meist milder. Bis zum siebenten<br />

Lebensjahr werden die Symptome bei ca. 80%<br />

deutlich besser. Allerdings bekommt fast jedes zweite<br />

Kind später Asthma bronchiale oder eine allergische<br />

Rhinokonjunktivitis, <strong>of</strong>t bereits im Alter von fünf Jahren.<br />

Es ist daher notwendig, diese Kinder<br />

diesbezüglich klinisch zu überwachen.<br />

3.2. Adoleszenten- und Erwachsenenalter<br />

Die Hautmanifestationen sind meistens in<br />

typischen Prädilektionsstellen lokalisiert<br />

(Abb. 1). Juckende nummuläre, <strong>of</strong>t verkrustete<br />

und superinfizierte Ekzemherde befinden<br />

sich vorwiegend an Stirn, Augenlidern, Hals,<br />

Beugeseiten der Extremitäten, Hand- und Fußrücken.<br />

Es kommt zu einer deutlichen Lichenifikation<br />

(Vergröberung der Hautfalten) und<br />

Ausbildung von Prurigoknötchen. Zwei Drittel<br />

der Patienten haben erhöhte IgE-Spiegel.<br />

Begleitsymptome sind Ichthyosis vulgaris,<br />

Keratosis pilaris, Hertoghe-Zeichen (laterale<br />

Lichtung der Augenbrauen), Dennie-Morgan-<br />

Falte sowie rezidivierende Konjunktivitiden,<br />

selten Keratokonus und Katarakte.<br />

Zu den Manifestationen der Adoleszenz zählen<br />

ferner die Neigung zu trockener Haut v.a. an<br />

den Händen und Fußsohlen, dyshidrotisches<br />

Ekzem, Pityriasis alba, Rhagaden und Cheilosis<br />

(Schleckekzem). Daneben besteht eine Prädis-<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Helmut Hintner<br />

Univ.-Klinik für Dermatologie,<br />

Paracelsus Universität,<br />

Salzburg<br />

o.Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Herbert Hönigsmann<br />

Klin. Abt. f. Dermatologie<br />

und Umweltdermatosen,<br />

Univ.-Klinik für Dermatologie,<br />

Wien<br />

OA<br />

Dr. Elisabeth Horak<br />

Klinische Abt. für Allg. Padiatrie,<br />

Univ.-Klinik für Kinderund<br />

Jugendheilkunde,<br />

Innsbruck<br />

position für toxische Kontaktdermatitis, sowie eine Koinzidenz<br />

mit Asthma bronchiale und Rhinokonjunktivitis.<br />

AD zeichnet sich im Erwachsenenalter zusätzlich häufig<br />

durch besonders intensive Lichenifikation aus.<br />

4. Triggerfaktoren, Allergene, Risiken<br />

4.1. Nahrungsmittelallergie<br />

Betr<strong>of</strong>fen sind vor allem Säuglinge und Kleinkinder mit<br />

schwerer AD, bei Adoleszenten und Erwachsenen spielen<br />

Nahrungsmittelallergien eine geringere Rolle. Etwa<br />

30 bis 40% der Kinder mit AD entwickeln eine Nahrungsmittelallergie.<br />

Sie reagieren auf ein oder zwei<br />

Nahrungsmittel allergisch, nur ganz wenige auf drei<br />

oder mehr. Eine im Labor diagnostizierte Nahrungsmittelallergie<br />

muss nicht immer mit dem klinischen Verlauf<br />

korrelieren. Die häufigsten Nahrungsmittelallergene<br />

mit klinischer Relevanz bei Kindern sind Kuhmilch,<br />

Hühnerei, Weizen, Fisch, Nüsse und diverse<br />

Früchte und Gemüse. Ziel einer exakten Nahrungsmittel-Allergiediagnostik<br />

ist es, Allergene mit klini-<br />

Abb.2: Schweregrad – Einteilung der AD anhand des SCORAD<br />

Die Zahlen in Klammern gelten für Kinder unter 2 Jahren<br />

1<br />

4,5 (8,5)<br />

4,5<br />

18<br />

1 1<br />

9<br />

4,5 (8,5)<br />

4,5<br />

18<br />

9 (6)<br />

A: Ausbreitung: Bitte markieren<br />

Sie die befallenen Partien<br />

B: Intensität<br />

C: Subjektive Symptome<br />

Juckreiz und Schlafstörungen<br />

Kriterium Intensität<br />

Ery<strong>the</strong>m<br />

Ödem/Papeln<br />

Krusten<br />

Exkoriation<br />

Lichenifizierung<br />

Trockenheit*<br />

Bewertungsskala<br />

auf Grundlage der<br />

Intensität; Durchschnittswert<br />

der befallenen<br />

Partie<br />

O=ohne<br />

1=mild<br />

2=mäßig<br />

3=schwer<br />

* Die Trockenheit wird an nicht befallenen Stellen bewertet<br />

SCORAD<br />

A/5 + 7B/2 + C<br />

Visuelle Analogskala (Durchschnittswerte der letzten 3 Tage oder Nächte)<br />

Juckreiz (0-10)<br />

0 10<br />

Schlafstörungen (0-10)<br />

mild: 0-25 Punkte mäßiggradig: 25-50 Punkte schwer: >50 Punkte<br />

Supplementum, März <strong>2006</strong> | Seite 5


Prim. Univ.-Doz.<br />

Dr. Christian Huemer<br />

Pädiatrie, Landeskrankenhaus<br />

Bregenz<br />

scher Relevanz zu ermitteln, um diese zu eliminieren<br />

und nicht gerechtfertigte Nahrungsmitteleinschränkungen<br />

zu vermeiden.<br />

Die Diagnostik beruht auf einer exakten Anamnese,<br />

der Führung eines Symptom-Nahrungsmittel-Tagebuches,<br />

in vitro-Tests (Gesamt-IgE, spezifisches IgE)<br />

und/oder in vivo-Testverfahren (Prick, Prick-Prick). Am<br />

Ende der Abklärungskaskade kann ein Provokationstest<br />

stehen, der nur stationär in dafür spezialisierten<br />

Zentren, durchgeführt werden soll. Die orale Nahrungsmittelprovokation<br />

kann bei Säuglingen und<br />

Kleinkindern auch in <strong>of</strong>fener Form erfolgen. Bei Nahrungsmittelbelastung<br />

wird dem Kind eine Portion des<br />

Nahrungsmittels, beginnend mit sehr kleinen Mengen,<br />

in halbstündigen Intervallen verabreicht. Vor der<br />

Testung, 5 Stunden nach der Testung und 24 Stunden<br />

später wird eine objektivierbare Beurteilung des Hautzustandsbildes<br />

durchgeführt (z.B. SCORAD-Index).<br />

Die Prognose einer Nahrungsmittelallergie bei AD ist<br />

vom Allergen und Lebensalter abhängig. Eine Eliminationsdiät<br />

wird jeweils für einen gewissen Zeitraum<br />

empfohlen. Beispiel Kuhmilchallergie: Ein Kind entwickelt<br />

mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% bis<br />

zum zweiten Geburtstag und 85% bis zum dritten<br />

Geburtstag eine Toleranz. Kuhmilchexklusion wird<br />

vorerst für 12 Monate empfohlen, bei Bedarf sollen<br />

Reevaluationen erfolgen. Es gibt also nicht „die Neurodermitisdiät“,<br />

sondern immer nur die begründete<br />

Exklusion.<br />

4.2. Aeroallergene<br />

Aeroallergene, die nach Inhalation eine AD exazerbieren,<br />

umfassen Hausstaubmilben, Gräser, Pollen, Tierschuppen,<br />

Schimmelpilze und andere. Studien<br />

haben gezeigt, dass die Vermeidung derartiger Aeroallergene<br />

zu einer klinischen Verbesserung der AD<br />

führt. Die Applikation von Aeroallergenen im Epikutantest<br />

führt bei 30 bis 50% der Patienten mit AD zu<br />

positiven Reaktionen. Im Labor werden spezifische<br />

IgE-Antikörper zu derartigen Aeroallergenen bei den<br />

meisten AD-Patienten nachgewiesen.<br />

4.3. Mikrobielle Produkte<br />

OA<br />

Dr. Isidor Huttegger<br />

Univ.-Klinik für Kinder u.<br />

Jugendheilkunde, Paracelsus<br />

Universität, Salzburg<br />

AD-Patienten haben eine erhöhte Tendenz zu bakteriellen,<br />

viralen und Pilz-Hautinfektionen. Staphylococcus<br />

Seite 6 | Supplementum, März <strong>2006</strong><br />

Prim.<br />

Dr. Zdenek Jaros<br />

Abteilung für Pädiatrie,<br />

Krankenhaus Zwettl<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Wolfgang Jurecka<br />

Dermatologische Abteilung,<br />

Wilhelminenspital der Stadt<br />

Wien<br />

aureus wird in mehr als 90% der Hautläsionen gefunden.<br />

Dieser Keim exazerbiert oder unterhält die Hautentzündung<br />

bei AD wahrscheinlich durch Sekretion<br />

von Toxinen, die als Superantigene wirken. Die meisten<br />

AD-Patienten produzieren spezifische IgE-Antikörper<br />

gegen staphylogene Superantigene in ihrer Haut.<br />

Eine Korrelation zwischen Schweregrad der AD und<br />

dem Vorhandensein von IgE-Anti-Superantigenen<br />

besteht. Neben Superantigenen produzieren Staphylococcen<br />

aber auch andere Toxine, die die Hautentzündung<br />

steigern. AD-S.-aureus-Isolate produzieren Alpha-<br />

Toxin, dies führt zu Keratinozyten-Toxizität und zur Freisetzung<br />

von TNF-alpha. Es wurde auch eine erhöhte<br />

Bindung von S. aureus an AD-Haut nachgewiesen.<br />

4.4. Unspezifische Trigger<br />

AD-Haut hat durch die Störung der epidermalen Barriere<br />

eine herabgesetzte Irritationsschwelle. Aus diesem<br />

Grund kommt es nach Kontakt mit Seifen, Detergentien,<br />

aber auch anderen potentiellen Irritantien, wie<br />

z.B. Tierwolle und manchen syn<strong>the</strong>tischen Polymeren,<br />

zu einer Exazerbation. Im Gegensatz zur früher vorherrschenden<br />

Meinung ist die Fähigkeit, auf Kontaktallergene<br />

zu reagieren, bei AD-Patienten nicht herabgesetzt,<br />

sodass auch eine Kontaktallergie AD exazerbieren<br />

kann (z.B. auf Lanolin, das in vielen Emollientien<br />

enthalten ist). Protein-Kontaktdermatitis ist bei AD-<br />

Patienten häufiger als bei der Normalbevölkerung, die<br />

AD ist daher ein Risik<strong>of</strong>aktor für Latex-Allergie.<br />

4.5. Komplikationen/Risiken<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Wilhelm Kaulfersch<br />

Abteilung für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde,<br />

LKH Klagenfurt<br />

AD-Patienten haben eine erhöhte Neigung zu kutanen<br />

Infektionen. Superinfektionen mit S. aureus führen zu<br />

Impetigo-artigen, gelblich verkrusteten erosiven Läsionen<br />

(Impetiginisation, Folliculitis); oberflächliche Pilzinfektionen<br />

sind bei AD-Patienten ebenfalls häufiger<br />

und führen zu einer Exazerbation. AD-Patienten haben<br />

eine erhöhte Neigung zu einer Infektion mit Trichophyton<br />

rubrum und Malassezia furfur sowie Herpes simplex;<br />

bei letzterer kann sich eine Ausbreitung der<br />

Infektion im Sinne eines Eczema herpeticatum einstellen<br />

(disseminierte vesiculo-pustulöse Läsion mit ausgestanzten<br />

Erosionen und Verkrustung, Fieber, Lymphadenopathie).<br />

Weiters besteht eine erhöhte Tendenz<br />

für Infektionen mit Molluscum contagiosum und<br />

humanem Papillomvirus (Warzen). Vakzination gegen<br />

Pocken ist kontraindiziert, da sich ein lebensgefährli-


o. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Helmut Kerl<br />

Univ.-Klinik für Dermatologie<br />

und Venerologie, Graz<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Klaus Klaush<strong>of</strong>er<br />

4. Medizinische Abteilung,<br />

Hanusch Krankenhaus,<br />

Wien<br />

ches Eczema vaccinatum entwickeln kann. Bei HIV-infizierten<br />

Personen kommt AD nicht häufiger zum Ausbruch,<br />

doch erweist sie sich als besonders <strong>the</strong>rapierefraktär.<br />

5. Therapie<br />

Im Vordergrund der AD-Behandlung stehen Aufklärung<br />

und Beratung. Als Therapieoptionen stehen in Abhängigkeit<br />

vom Schweregrad der Erkrankung und vom Alter<br />

des Patienten lokale (indifferente, differente) und systemische<br />

Behandlungen (oral, parenteral) zur Auswahl.<br />

5.1. Patientenführung/Aufklärung/Generelles<br />

Management aus der Sicht der Praxis<br />

Die wichtigste Säule in der Patientenführung bei AD ist<br />

die Aufklärung, da nur sie das Vertrauen zwischen<br />

Arzt, Patient und Familie ermöglicht und daher die<br />

Abb.3: Patientenaufklärung bei AD<br />

1. Genetische Disposition: Die Neigung zur atopischen <strong>Dermatitis</strong>-Erkrankung<br />

ist familiär bedingt. Es kann ein Zusammenhang<br />

mit Asthma bronchiale bzw. Rhinitis allergica bestehen.<br />

Um eine anhaltende Besserung zu erreichen, ist eine ständige<br />

Auseinandersetzung mit der Erkrankung erforderlich.<br />

2. Trockenheit der Haut: Diese bewirkt den Verlust der Barrierefunktion<br />

und erhöht die Empfindlichkeit gegenüber Allergenen,<br />

Irritantien mit nachfolgender Entzündung. Daher sind<br />

Hydratation und Reduktion des transepidermalen Wasserverlustes<br />

durch Verwendung neutraler Pflegecremes oder Pflegesalben,<br />

bei kaltem Wetter Emollientien sehr wichtig. Erhöhung<br />

der ambienten Luftfeuchtigkeit.<br />

3. Vermeidung von Triggerfaktoren: Fasern (Wolle oder reine Syn<strong>the</strong>tika),<br />

Haustierhaltung. Bei Nachweis einer echten Allergie<br />

strikte Vermeidung jeden Kontaktes. Organische Säuren (z.B.<br />

Orangensaft), können auf irritativer Basis zur Exazerbation der<br />

AD führen, v.a. in der Perioralregion. Gesteigerte Sensibilisierung<br />

durch Kontaktallergene: v.a. Metallionen, Duftst<strong>of</strong>fe, Neomycin<br />

und Lanolin (häufiger Bestandteil von Pflegemitteln).<br />

4. Vermeidung von exzessivem Schwitzen: Keine zu enge oder<br />

warme Kleidung, kühle Temperaturen im Schlafzimmer. Körperliche<br />

Anstrengung und Sport sind zulässig. Wenn allerdings<br />

Schwitzen einen Schub auslöst: progressive Adaptation. Nach<br />

Schwimmen im Swimmingpool Duschen (Vorsicht bei Duschgelen)<br />

und s<strong>of</strong>ortige Verwendung von Pflegecremes.<br />

5. Maßnahmen gegen Innenraumallergene (vor allem Hausstaubmilben):<br />

Ganzjährig ausreichende Lüftung, Vermeidung<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Georg Klein<br />

Dermatologische Abteilung,<br />

Krankenhaus der Elisabethinen<br />

Linz<br />

Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Tamara Kopp<br />

Klin. Abt. für Immundermatologie<br />

u. Infekt. Hautkrankh.,<br />

Univ.-Klinik für Dermatologie,<br />

Wien<br />

Compliance bei der Therapie herstellt. Eine strukturierte<br />

und standardisierte Neurodermitis-Schulung ist<br />

von großer Bedeutung. Für eine Anfangskonsultation<br />

ist mindestens ein Zeitraum von 30 Minuten zu veranschlagen.<br />

Empfehlenswert sind fixe Sprechstunden<br />

(30 bis 45 Minuten) für AD-Patienten (am besten mehrere<br />

Familien) einmal in der Woche oder einmal alle 14<br />

Tage. Die Beratung sollte umfassend alle anfallenden<br />

Fragen beantworten (Abb.3). Ergänzend sollten AD-<br />

Patienten auf Institutionen wie das Neurodermitis-<br />

Forum (www.neurodermitisforum.at) oder auf Selbsthilfegruppen<br />

hingewiesen werden.<br />

5.2 Topische Therapie<br />

5.2.1. Indifferente Basishautpflege<br />

OA<br />

Dr. Herbert Kurz<br />

Kinderinterne Abteilung,<br />

SMZ-Ost, Donauspital,<br />

Wien<br />

Die Basis der AD-Behandlung bilden wirkst<strong>of</strong>ffreie allergen-<br />

und irritationsarme Cremes zur Stabilisierung<br />

von Spannteppichen, Entfernung von Staub mit einem feuchten<br />

Schwamm, Saugen der Teppichböden und Polstermöbel<br />

mit entsprechendem Filter, Waschen von Bettwäsche bei Temperaturen<br />

über 55 Grad, Matratzen- und Polsterschutz durch<br />

Goretex u.a.<br />

6. Reduktion der Pollenexposition: Während der Hauptpollensaison<br />

Fenster geschlossen halten. Lüften am besten morgens,<br />

abends oder bei regnerischem Wetter. Einschränkung des Aufenthaltes<br />

im Freien.<br />

7. Sonne: Sonnenexposition verbessert die epidermale Barriere.<br />

Sommerferien in den Bergen oder am Meer empfehlenswert.<br />

Cave: Manche Patienten exazerbieren auf UV-Licht.<br />

8. Vermeidung von bakteriell kontaminierten Umweltgegenständen<br />

und Einrichtungen: z.B. Sandkisten.<br />

9. Vermeidung von Kontakt mit Menschen mit aktivem Herpes<br />

simplex.<br />

10. Vakzinierungen: ohne Einschränkung gestattet. Eine Impfung<br />

gegen Varizellen wird empfohlen. Bei Unverträglichkeit von<br />

Eiweiß kann eine fraktionierte Vakzination erfolgen. Die Vakzinierung<br />

gegen Pocken ist gefährlich und kontraindiziert.<br />

11. Ernährung: Stillen vier bis sechs Monate lang, dann langsamer<br />

Beginn mit Beikost. Ernährung ist ohne Restriktion möglich,<br />

außer bei nachgewiesener Nahrungsmittelallergie.<br />

Modifiziert nach Darsow et al, JEADV 2005<br />

Supplementum, März <strong>2006</strong> | Seite 7


OA<br />

Dr. Helmut Litscher<br />

Abteilung für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde,<br />

LKH Klagenfurt<br />

Prim.<br />

Dr. Paul Mischer<br />

Abt. für Haut- und<br />

Geschlechtskrankheiten,<br />

Klinikum Kreuzschwestern<br />

Wels<br />

der Hautbarriere und der Erhöhung des Feuchtigkeitsund<br />

Fettgehaltes. Sie fungieren als ständige Lebensbegleiter<br />

des Patienten.<br />

Faustregeln der Basishautpflege<br />

� Feucht auf feucht<br />

� Fett auf trocken<br />

� Je entzündeter die Haut, um so weniger fett die Salbengrundlage<br />

(Creme > Salbe)<br />

Akutphase: Öl-in-Wasser-(O/W-)Emulsionen (= Creme)<br />

Chronischer Verlauf: Wasser-in-Öl-(W/O)-Emulsionen<br />

(= Salbe)<br />

Als Basisprinzip haben sich individuelle Rezepturen<br />

z.B. mit Ultrabas®(W/O-Emulsion mit 30% Wassergehalt)<br />

und/oder Ultrasicc® (O/W-Emulsion mit 70%<br />

Wasser) gut bewährt. Tagsüber sollten lipidärmere,<br />

gut einziehende Externa verwendet werden, in den<br />

Abend- und Nachtstunden lipidreichere Verordnungen.<br />

Mehrmals tägliche Anwendung erhöht die Wirkung.<br />

Die Anwendung von Kühlcremes (z.B. Ultrabas®/Ultrasicc®aa,<br />

10% Wasser) beruht auf dem Prinzip der Verdunstung<br />

und wirkt juckreizlindernd, vasokonstriktorisch<br />

und dadurch entzündungsmindernd.<br />

Kurze Bäder oder Duschen werden empfohlen, da sie<br />

eine Feuchtigkeitszufuhr bewirken. Von langen, heißen<br />

Bädern sowie vor Duschgelen und Seifen wird<br />

abgeraten. Bäder mit spreitenden Ölen sind bei Säuglingen,<br />

Kleinkindern und Kindern die Pflege der Wahl.<br />

5.2.2. Basisprodukte mit Wirkst<strong>of</strong>fzusätzen<br />

Der Zusatz von 3-5%igem Harnst<strong>of</strong>f erhöht den Feuchtigkeitsgehalt<br />

der Haut, birgt jedoch insbesondere bei<br />

Kleinkindern ein Irritationsrisiko. Vortesten auf kleinem<br />

Hautareal ist auf jeden Fall empfehlenswert.<br />

Eine Reihe von Pflegeprodukten haben Zusätze, deren<br />

Stellenwert eher gering zu sein scheint: z.B. Antioxidanzien<br />

wie Tocopherol; Fettsäuren (Gamma-Linolensäure)<br />

wie z.B. Borretschöl, Nachtkerzensamenöl.<br />

5.2.3. Entzündungshemmende Therapie<br />

Eine gezielte antiinflammatorische Therapie ist erst<br />

bei Entzündung der Haut, also bei auftretender oder<br />

bestehender AD, einzusetzen. Dann ist sie jedoch<br />

wichtig, um die Selbstperpetuierung der Entzündung in<br />

der atopischen Haut zu verhindern (Kratzen!).<br />

Seite 8 | Supplementum, März <strong>2006</strong><br />

Prim.<br />

Dr. Wolf Pachinger<br />

Abteilung für Dermatologie<br />

und Venerologie,<br />

LKH Klagenfurt<br />

Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Hubert Pehamberger<br />

Abteilung für Allgemeine<br />

Dermatologie, Univ.-Klinik für<br />

Dermatologie, Wien<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Klemens Rappersberger<br />

Dermatologische Abteilung,<br />

Krankenanstalt der Stadt<br />

Wien – Rudolfstiftung, Wien<br />

Glukokortikoide: Gelten in klinischen Studien als Therapiestandard.<br />

Trotz des weltweiten Einsatzes seit über<br />

40 Jahren gibt es wenig Evidenzdaten zur Häufigkeit<br />

und Dauer der Anwendung, <strong>Art</strong> und Konzentration der<br />

Steroide sowie Ausmaß und Bedeutung der Kurz- und<br />

Langzeitnebenwirkungen. Generell werden Glukokortikoide<br />

heute aufgrund ihres potentiellen Nebenwirkungsspektrums<br />

eher kritisch oder ablehnend beurteilt.<br />

Glukokortikoide sind aber nach wie vor die wirksamsten<br />

antiinflammatorischen Substanzen und sind<br />

bei kritischer und indikationsbezogener Anwendung<br />

aus der Therapie der AD nicht wegzudenken.<br />

Topische Glukokortikoide sind effektiv und relativ<br />

sicher. Beim Auftragen sind dennoch Risikoareale wie<br />

der Gesichtsbereich zu beachten (hier keine Klasse III-<br />

Steroide). Für die topische Akut<strong>the</strong>rapie werden stark<br />

wirksame Präparate (Klasse II bis III) gewählt, die nur<br />

1 x täglich angewendet werden. In einer Langzeit<strong>the</strong>rapie<br />

über vier Monate wurde bei zweimal wöchentlicher<br />

Anwendung eine signifikante Symptomlinderung ohne<br />

dermatologische Nebenwirkungen erzielt. Patienten<br />

mit Bedenken gegen die Anwendung von Kortikoiden<br />

sind dahingehend aufzuklären, dass gegen einen vernünftigen<br />

und kontrollierten Einsatz von Kortikoiden<br />

bei einer Exazerbation der AD keinerlei Bedenken<br />

bestehen.<br />

Bufexamac bis 5% hat in Studien kaum positive Ergebnisse<br />

erzielt und gilt als potentes Kontaktallergen.<br />

Gerbst<strong>of</strong>fe (Eichenrinde) und Phytopharmaka (z.B.<br />

Hamamelis) sind wenig wirksam. Sie können eventuell<br />

jenen Patienten empfohlen werden, die andere Therapien<br />

nachhaltig ablehnen. Teerpräparate waren bei<br />

chronischer AD früher von Bedeutung, werden aber<br />

heute wegen der mangelnden Compliance der Patienten<br />

(Geruch, Verfärbung der Wäsche!) nicht mehr<br />

angewendet.<br />

Topische Calcineurininhibitoren<br />

Die seit dem Jahr 2002 verfügbaren topischen Calcineurininhibitoren<br />

(CI) Pimecrolimus (Elidel®) und<br />

Tacrolimus (Protopic®) interferieren mit der T-Lymphozyten-Aktivierung<br />

und bieten damit ein völlig neues,<br />

effektives und nebenwirkungsarmes Wirkprinzip zur<br />

Behandlung der AD. Beide Substanzen sind chemisch<br />

verwandte große lipophile Makrolidmoleküle ohne


Dr. Hans-Jörg Rauch<br />

Niedergelassener Facharzt<br />

für Dermatologie, Wien<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Josef Riedler<br />

Kinder- und Infektionsabteilung,<br />

Kardinal Schwarzenbergsches<br />

KH,<br />

Schwarzach/Pongau<br />

antibiotische Wirkung mit einem ähnlichen Pr<strong>of</strong>il in der<br />

Behandlung entzündlicher Hautkrankheiten.<br />

Die Phosphatase Calcineurin dephosphoryliert den<br />

zytosolischen nukleären Faktor (cNF-AT) der T-Zellen.<br />

Dadurch kann NF-AT in den Zellkern gelangen und eine<br />

ganze Reihe proinflammatorischer Zytokine aktivieren.<br />

Durch Inhibition des Calcineurins in einer aktivierten<br />

T-Zelle werden die Transmigration und anschließende<br />

Transkription dieser Zytokine unterbunden und somit<br />

ein Teil der Entzündungskaskade abgeblockt. Daneben<br />

gibt es noch verschiedene andere Mechanismen,<br />

die unter anderem im B-Zell-System wirksam sind.<br />

CI durchdringen nur geschädigte Barriereschichten.<br />

Sobald sich der Hautzustand verbessert, nimmt die<br />

Penetrationsfähigkeit ab. Die systemische Resorption<br />

liegt bei 80% der Patienten unter der Nachweisgrenze,<br />

es kommt daher weder zur Kumulation noch zu einer<br />

Systemtoxizität.<br />

CI sind generell arm an Nebenwirkungen, abgesehen<br />

von einer passageren lokalen Irritation, völlig frei von<br />

steroid-typischen Nebenwirkungen und haben keinen<br />

Einfluss auf die Rate systemischer oder lokaler Infektionen.<br />

Alle klinischen Studien sowie Daten aus der<br />

klinischen Praxis zeigen keine Evidenz für ein erhöhtes<br />

Malignomrisiko im Zusammenhang mit der Anwendung<br />

topischer CI.<br />

Wirkung und Verträglichkeit der beiden topischen CI<br />

sind in zahlreichen großen klinischen Studien an mehr<br />

als jeweils 20.000 Patienten, auch in der Langzeitanwendung,<br />

untersucht worden. Sie erwiesen sich dabei<br />

auch in direkten Vergleichsstudien in ihrer Effizienz<br />

und Verträglichkeit als weitgehend ähnlich, Tacrolimus<br />

ist etwas stärker wirksam, Pimecrolimus wird systemisch<br />

weniger resorbiert. Tacrolimus scheint vor allem<br />

bei lichenifizierter Haut etwas stärker wirksam zu<br />

sein. Daher ist Pimecrolimus 1% zur Behandlung der<br />

milden bis mittelgradigen AD in Österreich zugelassen,<br />

Tacrolimus (0,1% und 0,03%) zur Behandlung der<br />

mittelgradigen bis schweren AD. In Österreich sind<br />

Pimecrolimus und Tacrolimus bei Kindern ab dem 2.<br />

Lebensjahr zugelassen.<br />

Eine „proaktive“ Behandlung bei Auftreten eines Rezidivs<br />

ist mit CI bereits auf einem geringeren Erscheinungsniveau<br />

und daher zu einem früheren Zeitpunkt<br />

zu empfehlen als bei topischen Kortikoiden. Weltweit<br />

ist Pimecrolimus bisher bei über 5 Millionen Patienten<br />

angewendet worden, Tacrolimus bei einer vergleichbaren<br />

Zahl.<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Klaus Schmitt<br />

Abt. f. Kinder- und Jugendheilkunde,<br />

Landes-Frauen<br />

und Kinderklinik Linz<br />

Dr. Rudolf Schmitzberger<br />

Niedergelassener Facharzt<br />

für Kinder- und Jugendheilkunde,<br />

Wien<br />

Prim. Univ.-Doz.<br />

Dr. Burkhard Simma<br />

Abteilung für Pädiatrie,<br />

Landeskrankenhaus<br />

Feldkirch<br />

Eine Berechnung der Kosteneffizienz (CE)-Ratio unter<br />

Einbeziehung aller Kosten (Medikation, Arzt- und Spitalskosten,<br />

Arbeitsausfall etc.) zeigt, dass ein krankheitsfreier<br />

Tag pro Patient in der Langzeitbehandlung<br />

mit topischen CI kostengünstiger zu erreichen ist als<br />

mit einer topischen Kortikosteroid-Behandlung.<br />

Der große Fortschritt durch die Einführung der topischen<br />

CI bei der Behandlung der AD besteht in der<br />

Kombination ihrer Wirksamkeit, vor allem bei leichter<br />

bis mittelschwerer AD, sowie dem Fehlen lokaler oder<br />

systemischer Nebenwirkungen. Der Einsatz von topischen<br />

Kortikoiden kann daher entscheidend und signifikant<br />

reduziert, teilweise sogar völlig eingespart werden.<br />

Der positive Einfluss dieser Präparate auf die<br />

Lebensqualität sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen<br />

ist unumstritten.<br />

5.2.4. Topisches antiinfektiöses Management<br />

Patienten mit AD sind regelmäßig mit S. aureus kolonisiert.<br />

Verschiedenste Faktoren (siehe oben) fördern<br />

das Bakterienwachstum. Der intrinsische Defekt der<br />

antimikrobiellen Peptidproduktion in der Haut, der bei<br />

nahezu allen Atopikern vorliegt, die gestörte Barriere<br />

und Immunabwehr, die pH-Verschiebung ins alkalische<br />

Milieu sowie Lipidanomalien sind dafür verantwortlich.<br />

Durch eine Reduktion der S. aureus-Besiedelung wird<br />

die Hautbarriere wieder hergestellt.<br />

Grundsätzlich erscheint daher eine begleitende antimikrobielle<br />

Therapie als brauchbares Therapiekonzept.<br />

Allerdings stehen der Praxis einige ungelöste<br />

Probleme entgegen: Eine antiinfektive Therapie müsste<br />

notgedrungen langfristig sein, da topische (wie<br />

systemische) Antibiotika sich nur vorübergehend auf<br />

die Kolonisierung durch S. aureus auswirken. Hier<br />

stellt sich allerdings das Problem der Resistenzentwicklung,<br />

das besonders bei Antibiotika mit anderweitiger<br />

wichtiger Indikation (Erythromycin, Mupirocin –<br />

MRSA!) bedeutsam ist. Die meisten Kliniker empfehlen<br />

daher eine antibiotische Behandlung nur bei Vorliegen<br />

einer klinisch manifesten Infektion, und nicht nur<br />

aufgrund von Abstrichbefunden. Allgemein sind daher<br />

topische Antibiotika als Routinemaßnahmen abzulehnen,<br />

mit Ausnahme von Mupirocin für Nasenschleimhaut<br />

(S. aureus-Besiedelung), ebenso Antbiotika-/Kortikosteroid-Mischsalben.<br />

Das Problem der Antibiotikaresistenz<br />

könnte durch die Verwendung von Antiinfek-<br />

Supplementum, März <strong>2006</strong> | Seite 9


o. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Georg Stingl<br />

Klin. Abt. für Immundermatologie<br />

u. Infekt. Hautkrankh.,<br />

Univ.-Klinik für Dermatologie,<br />

Wien<br />

tiva (Chlorhexidin, Triclosan) vermieden werden, allerdings<br />

sind auch diesbezüglich die Daten aus einschlägigen<br />

Studien kontroversiell. Eine endgültige Empfehlung<br />

ist daher aufgrund der Datenlage derzeit noch<br />

nicht möglich. Es sollte allerdings bedacht werden,<br />

dass die Keimbesiedelung bei Besserung der AD (z.B.<br />

durch topische Corticosteroide, CI oder Photo<strong>the</strong>rapie)<br />

von selbst zurückgeht.<br />

5.3. Systemische Therapie<br />

5.3.1. Antihistaminika und Antibiotika<br />

Obwohl sehr wenige gut kontrollierte Studien den<br />

systemischen Einsatz von Antihistaminika und Antibiotika<br />

rechtfertigen, werden sie verbreitet eingesetzt.<br />

5.3.1.1. Antihistaminika<br />

Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Zsolt Szepfalusi<br />

Die Blockade von H1-Rezeptoren soll den Juckreiz<br />

reduzieren. Allerdings ist Histamin nur ein Mediator<br />

unter mehreren für Pruritus bei AD. Publikationen weisen<br />

darauf hin, dass viele v.a. alte Antihistaminika<br />

sedierende und daher anxiolytische Eigenschaften<br />

haben. Diese können die stressbedingten Exazerbationen<br />

der AD und begleitende respiratorische Symptome<br />

mildern sowie zu besserem Schlaf verhelfen.<br />

In einer Langzeitstudie über 18 Monate bei Kindern<br />

mit AD wurde gezeigt, dass Cetirizin sicher ist und helfen<br />

könnte, Dauer und Menge topischer Steroide zu<br />

reduzieren. Ein Schutzeffekt gegen Asthmaentwicklung<br />

wurde bisher nur in der Gruppe der Gräserpollensensibilisierten<br />

Kinder mit AD nachgewiesen.<br />

Andererseits gibt es nach einer Literaturübersicht derzeit<br />

keine Evidenz für die Wirksamkeit von nichtsedierenden<br />

Antihistaminika bei AD. Zur Wirkung von Leukotrienrezeptorantagonisten<br />

stehen nur <strong>of</strong>fene Studien<br />

zur Verfügung, die wenig Aussagewert besitzen.<br />

5.3.1.2. Antibiotische Therapie<br />

Univ.-Klinik für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde, Wien<br />

Im Hinblick auf das stark erhöhte Risiko einer Staphylococcus<br />

aureus Besiedelung und Überwucherung<br />

würde es eigentlich Sinn machen, AD mit systemischen<br />

Antibiotika zu behandeln (siehe oben). Einige<br />

Studien unterstützen diese Argumentation. Der<br />

Beweis, dass eine derartige Antibiotika-Therapie auf<br />

den Schweregrad und den Langzeitverlauf der AD<br />

einen Einfluss nimmt, steht jedoch aus. Systemische<br />

Seite 10 | Supplementum, März <strong>2006</strong><br />

Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Eva-Maria Varga<br />

Klin. Abt. für Pädiatrische<br />

Pulmologie und Allergologie,<br />

Univ.-Klinik für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde, Graz<br />

Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Beatrix Volc-Platzer<br />

Dermatologische Abteilung,<br />

SMZ-Ost, Donauspital –<br />

Wien<br />

Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Lothar Zimmerhackl<br />

Klin. Abt. für Allgemeine<br />

Pädiatrie, Univ.-Klinik für<br />

Kinder- und Jugendheilkunde,<br />

Innsbruck<br />

Antibiotika sollten daher nur dann eingesetzt werden,<br />

wenn eine klinisch manifeste Infektion vorliegt. Auf<br />

jeden Fall sollte eine derartige Therapie nicht kontinuierlich,<br />

sondern nur intermittierend durchgeführt werden.<br />

Vor allem Cephalosporine oder Macrolide werden<br />

empfohlen.<br />

5.3.2. Systemische Immunsuppressiva und<br />

Immunmodulatoren<br />

Systemische Glukokortikoide: Die Effekte sind bei<br />

Kurzzeitanwendung in verschiedenen Studien nachgewiesen.<br />

Es fehlen jedoch Langzeitstudien und auch<br />

Untersuchungen, die systemische Kortikoide mit<br />

anderen Präparaten vergleichen. Systemische Kortikoide<br />

sollten nur als „Rescue“-Therapie bei schwerer<br />

AD kurzfristig eingesetzt werden.<br />

Immunsuppressiva: Azathioprin ist in der Behandlung<br />

schwerer AD bei Erwachsenen wirksam, verursacht<br />

jedoch häufig Nebenwirkungen. Ein entsprechendes<br />

Monitoring der Blutwerte und der Leberwerte<br />

ist daher erforderlich. Eine Bestimmung der Thiopurinmethyltransferase<br />

wird zur Verhinderung einer<br />

exzessiven Myelosuppression empfohlen. Azathioprin<br />

erfordert eine lange Anlaufzeit und wird daher<br />

kaum noch eingesetzt. Über Methotrexate und Mycophenolat-M<strong>of</strong>etil<br />

liegen zu wenige Daten vor.<br />

Systemische Immunmodulatoren: Der Calcineurininhibitor<br />

Cyclosporin A (CsA) erwies sich in Studien als<br />

wirksam, aber nebenwirkungsreich. Wird die Therapie<br />

zu plötzlich abgesetzt, kommt es rasch zu Rezidiven,<br />

es ist daher ein langsames Ausschleichen erforderlich,<br />

dementsprechend resultiert eine länger dauernde<br />

Immunsuppression (bis zu 5 Monaten). Da die<br />

neuen topischen Calcineurinhibitoren gute Wirkung<br />

und gute Verträglichkeit gezeigt haben, sollte CsA<br />

nur mehr bei schweren <strong>the</strong>rapierefraktären AD zum<br />

Einsatz kommen. Nach einer Initial<strong>the</strong>rapie mit CsA<br />

empfiehlt sich das Umsteigen auf die lokal wirksamen<br />

CI.<br />

Kontraindikationen sind Malignome, Immundefizienzen,<br />

Leber- und Nierenerkrankungen, Hypertension,<br />

Infektionen, Alkohol- oder Drogenabusus und fehlende<br />

Compliance. Weiters sind mögliche Medikamenteninteraktionen<br />

auszuschließen. CsA sollte daher<br />

nur nach einer internen Durchuntersuchung und<br />

unter laufendem Monitoring verabreicht werden.


Prim. Univ.-Pr<strong>of</strong>.<br />

Dr. Karl Zwiauer<br />

Abt. für Kinder- und Jugendheilkunde,<br />

Zentralklinikum<br />

St. Pölten<br />

Interferon-Gamma: Studien belegen eine relativ gute<br />

Wirksamkeit, die aber mit einer hohen Nebenwirkungsrate<br />

und dem raschen Auftreten von Rezidiven<br />

nach Therapieende verbunden ist.<br />

i.v. Immunglobulin: Eine Studie zeigte exzellente Effekte,<br />

bis dato fehlt eine Bestätigung dieser Ergebnisse.<br />

5.4. Adjuvante Therapie<br />

Photo<strong>the</strong>rapie: Ist seit Jahrzehnten bewährt und<br />

durch Studien belegt. Bei leichten bis mittelschweren<br />

Formen wird UV 311nm mit sehr gutem Erfolg angewandt.<br />

Bei schweren Formen wird die PUVA-Therapie<br />

(Psoralen plus UVA) eingesetzt. In einzelnen Studien<br />

konnte ein positiver Effekt für langwelliges UVA1 in<br />

hohen Dosen gezeigt werden, allerdings stehen diese<br />

Bestrahlungsquellen nur wenigen Therapiezentren zur<br />

Verfügung. Im Kindesalter sollten sie nicht durchgeführt<br />

werden. Auch ist zu<br />

bedenken, dass manche<br />

AD-Patienten unter UV-<br />

Bestrahlung exazerbieren.<br />

Allergenvermeidung durch<br />

Encasings: Encasings sind<br />

Bettüberzüge aus einer<br />

Membran, die Milbenallergene<br />

nicht nach außen und<br />

Hautschuppen nicht nach<br />

innen durchdringen lassen.<br />

Ein positiver Effekt der<br />

Encasings bei Kindern mit<br />

AD wurde beschrieben,<br />

jedoch zeigen mehrere Studien<br />

keinen klinischen<br />

Effekt auf den Verlauf der<br />

AD. Sie belegen nur, dass<br />

sie die Allergene in der Luft<br />

reduzieren.<br />

Gamma-Linolensäure: Für<br />

sie konnte kein Wirknachweis<br />

bei AD erbracht werden.<br />

Probiotika: Im Darm vorkommende<br />

Lactobazillen<br />

sollen eine postulierte und<br />

zum Teil bereits nachge-<br />

Abb.4: Behandlungs-Algorithmus für AD*<br />

trockene Haut<br />

Erste Anzeichen<br />

von Ekzem und<br />

Juckreiz<br />

Ekzem und<br />

Juckreiz<br />

schwere AD<br />

keine Besserung<br />

unter Topischer<br />

Therapie<br />

wiesene Imbalance der Darmflora ausgleichen. Mehrere<br />

Studien zeigen, dass Kinder, deren Mütter in den<br />

letzten vier Schwangerschaftswochen und während<br />

der Stillzeit Probiotika zu sich genommen haben, in<br />

den ersten zwei Lebensjahren seltener an AD erkranken.<br />

Schwächen in der Methodik dieser Arbeiten reduzieren<br />

aber ihre Aussagekraft.<br />

Derma Silk TM : Durch die Behandlung von Seidenkleidung<br />

mit einer quarternären Ammoniumbase soll die<br />

Seide ihre Eigenschaften verändern, Bakterien binden<br />

und töten. Zwei Studien mit kleinen Fallzahlen zeigen<br />

eine signifikante SCORAD-Reduktion bereits nach<br />

einer Woche. Derzeit reicht die Evidenz aber nicht aus,<br />

um diese Kleidungsstücke für die Praxis generell zu<br />

empfehlen.<br />

Alternativmedizinische Methoden (Bioresonanz, Homöopathie<br />

u.ä.): Keine Wirksamkeit.<br />

Kinder<br />

leicht: Pimecrolimus<br />

mittelschwer: TCS II/III**<br />

Pimecrolimus<br />

Tacrolimus<br />

schwer: TCS II/III**<br />

Tacrolimus<br />

Kinder<br />

topisch: TCS III**<br />

systemisch: Corticosteroide<br />

(kurz!)<br />

Basispflege mit Emollientien<br />

Pimecrolimus<br />

Tacrolimus<br />

Erwachsene<br />

mittelschwer: TCS II/III**<br />

Pimecrolimus<br />

Tacrolimus<br />

schwer: TCS III**<br />

Tacrolimus<br />

Erwachsene<br />

topisch: UV Therapien<br />

systemisch: Cyclosporin<br />

(Corticosteroide, Azathioprin,<br />

Mycophenolatm<strong>of</strong>etil)<br />

* Bei entschiedener Besserung in einer Stufe Rückkehr in die nächsthöhere Stufe;<br />

** TCS topische Corticosteroide, Klasse I-III. Klasse III nicht im Gesicht, Hals, Intertrigines<br />

Supplementum, März <strong>2006</strong> | Seite 11


Chinesische Kräuter<strong>the</strong>rapie: Mehrere Studien mit guter<br />

Evidenz wurden im British Medical Journal publiziert,<br />

andere zeigen jedoch keine Wirksamkeit.<br />

Entspannungübungen: Bei schwerer AD empfehlenswert.<br />

Psycho<strong>the</strong>rapie: Im Einzelfall zu erörtern.<br />

5.5. Zukunftsentwicklungen: Immunmodulatoren,<br />

Biologicals<br />

In der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung<br />

der AD werden Substanzen mit verschiedenen Wirkmechanismen<br />

und Ansätzen erforscht. Für die meisten liegen<br />

noch keine ausreichenden Daten vor, um ihren<br />

zukünftigen Stellenwert beurteilen zu können.<br />

� Anti-allergische Substanzen<br />

� Anti-inflammatorische Substanzen<br />

� Modulation der T-Zell-Antwort<br />

� Blockade der Rekrutierung von Entzündungszellen<br />

� Topisch applizierbare antimikrobielle Peptide<br />

5.6. Zusammenfassung der Therapie und des<br />

Managements<br />

Das Management der AD ergibt sich aus einer Kombination<br />

von Aufklärung, Prävention, Pflege und der<br />

eigentlichen Therapie (Abb.4). Es muss maßgeschneidert<br />

nach Lebensalter, Umweltbedingungen, Compliance<br />

des Patienten (bzw. bei Kindern der Eltern) und den<br />

jeweiligen Lebensumständen erfolgen. Die Basis<strong>the</strong>rapie<br />

besteht aus Pflege der Haut durch Emollientien<br />

und Verhinderung der Austrocknung. Bei Auftreten von<br />

Juckreiz und minimal entzündlichen Veränderungen<br />

empfiehlt sich die Applikation von topischen Immunmodulatoren,<br />

bei Exazerbationen, die durch topische<br />

Immunmodulatoren nicht kupiert werden können, topische<br />

Kortikoide, bei Besserung wieder Rückgang auf<br />

topische Immunmodulatoren. Erst bei schwerer AD,<br />

die durch topische Therapie allein nicht unter Kontrolle<br />

gebracht werden kann, ist ein Einsatz einer systemischen<br />

Therapie und/oder der Einsatz einer adjuvan-<br />

Seite 12 | Supplementum, März <strong>2006</strong><br />

<strong>Atopische</strong> <strong>Dermatitis</strong><br />

ten UV-Therapie ins Auge zu fassen. Bei nachweislicher<br />

Superinfektion Antibiotika, bei nachweislicher<br />

Nahrungsmittelallergie bei Kindern Karenz der auslösenden<br />

Nahrungsmittel.<br />

6. Ökonomische Aspekte aus der<br />

Sicht der Krankenversicherungen<br />

Zur Behandlung der Neurodermitis stehen auf Kosten<br />

der sozialen Krankenversicherung zahlreiche Arzneispezialitäten<br />

zur Verfügung.<br />

Nachfolgend werden für einige Arzneispezialitäten die<br />

durchschnittlichen Behandlungskosten pro Verordnung<br />

(zu Kassenverkaufspreisen (KVP) ohne Umsatzsteuer)<br />

für das Jahr 2004 aufgelistet:<br />

� für die Indikationsgruppen 21A11-14, 21-22,<br />

21B00, 21C10-30 (ATC D05, D07) – topische<br />

Kortikoide: € 9,82<br />

� für die Indikationsgruppe 21C40 (ATC D11AX) –<br />

Balneologika: € 7,01<br />

� für die Arzneispezialitäten Elidel®(ATC D11AX15)<br />

und Protopic®(ATC D11AX14): € 37,39<br />

� für die Substanzen Ultrasicc®und Ultrabas®500<br />

Gramm (mit IND): € 20,50; 100 Gramm (ohne<br />

IND): € 5,75<br />

Die Kosten (zu KVP ohne USt) von Elidel® und Protopic®sind<br />

im Jahr 2004 im Vergleich zum Jahr 2003 in<br />

Summe um 38% gestiegen, die Anzahl der Verordnungen<br />

in Summe um 60%.<br />

Der Vollständigkeit halber darf nicht unerwähnt bleiben,<br />

dass ein beträchtlicher Teil der Kosten auch durch<br />

hier nicht aufgelistete Arzneispezialitäten (z.B. Antihistaminika<br />

– primär andere Indikation) und Medizinprodukte<br />

sowie durch Arzthonorare und Krankenhausaufenthalte<br />

verursacht werden. Da dem Hauptverband<br />

keine personenbezogenen Daten vorliegen, können<br />

diese Daten auch nicht zur Verfügung gestellt werden.<br />

IMPRESSUM: Medieninhaber (Verleger) und Herausgeber: Österreichische Ärztekammer, Verlagshaus der Ärzte GmbH., Nibelungengasse 13, A-1010 Wien,<br />

Mit der Herausgabe betraut: Mag. Martin Stickler, Tel.: 01/5124486, Fax: 01/5124486-24, E-Mail: presse.verlag@oak.at; Chefredaktion: Mag. Reinhard Hampl,<br />

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In Kooperation mit: <strong>MEDahead</strong> Gesellschaft für medizinische Information GmbH. (Redaktionelle Umsetzung), Davidgasse 87-89, A-1100 Wien, Tel.: 01/6070233,<br />

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F. Eitelberger, P. Fritsch, M. Götz, H. Hintner, E. Horak, H. Hönigsmann, I. Huttegger, H. Kerl, K. Klaush<strong>of</strong>er, G. Klein, T. Kopp, H. Pehamberger, K. Rappersberger, H.-J. Rauch,<br />

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H. Litscher, P. Mischer, W. Pachinger, K. Schmitt, J. Riedler, L. Zimmerhackl; Layout und DTP: Mag. Nicole Pinteritsch, Fotos: Hans Ringh<strong>of</strong>er; Titelbild: Mauritius Images;<br />

Auflage: 6.700 Stück; Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlagshauses der Ärzte GmbH. oder der <strong>MEDahead</strong><br />

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