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Protokoll

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Toni Andjelkovic<br />

Obdachlosenheim Wien Siemensstraße<br />

2. Stock, Zimmer 2.09<br />

Wien, 11.12.2013<br />

1 Besprechung<br />

<strong>Protokoll</strong><br />

Wegen meiner Beschwerde hat am 19.11.2013 eine Besprechung zur Qualität des<br />

Reinigungsservice stattgefunden. Daran haben teilgenommen: Herr Robert Salmon von der<br />

Reinigungsfirma „Das fleißige Bienchen“; Herr Daniel Vasic, Mitarbeiter des Heimbetreibers<br />

„Wieder Wohnen“; Frau Henrike Huber, Teamleiterin Betreuung Heim Siemensstraße; und ich<br />

selbst.<br />

Herr Salmon hat die Kritik am Reinigungsdienst als Überempfindlichkeit abgetan. Herr Vasic hat<br />

eingewendet, dass ein Sanitärparfum nützlich sei, weil es Sauberkeit suggeriere. Die Firma wolle<br />

das Putzmittel nicht wechseln, weil sie zu viel davon auf Lager habe. Das Mittel sei im Übrigen<br />

gesundheitlich unbedenklich. Der Reinigungsdienst sei den Umständen angemessen und es gebe nur<br />

wenige Beschwerden.<br />

2 Neubewertung<br />

Mehrere Wochen später hat sich nichts gebessert. Die Firma verwendet nach wie vor das<br />

parfumierte Putzmittel in hoher Konzentration. Sie verschmiert die verkalkten Böden weiterhin mit<br />

schmutzigem Putzwasser und mit fettigen Wischmopps. Sie kippt das Abwasser nun in die WC-<br />

Muscheln, die jetzt Sanitärparfumgestank verströmen. Sie nimmt keine Rücksicht auf die bessere<br />

Reinigung in meiner Wohngruppe, sondern sie verunreinigt saubere Räume und macht so nützliche<br />

Arbeit zunichte.<br />

Das Putzmittel greift die Sanitarien an. Es hat alle Kunststoff-Klobrillenscharniere und alle<br />

Gummidichtungen rosa verfärbt, auch den Kalk und den Rost auf den Wasser-Armaturen. Alle Teile<br />

riechen intensiv nach chemisch-süßlichem Parfum.<br />

Die Arbeitsweise der Putzfirma ist ein Paradebeispiel für ökologisch inkompetentes Reinigen. Ihr<br />

Ziel ist nicht Sauberkeit, sondern das formelle Erbringen einer sinnentleerten Leistung. Das<br />

Ergebnis dieser Tätigkeit ist wie Klebstoff schnüffeln. Einen von der Firma behandelten<br />

Sanitärraum betritt man am besten mit einer Atemschutzmaske. Viele öffentliche WCs sind sauberer<br />

als die Bewohner-WCs im Heim.<br />

3 Hygienisches<br />

Es gibt besondere Anforderungen an die Hygiene im Heim, weil viele Personen auf engem Raum<br />

zusammen leben. In meiner Wohngruppe teilen sich 16 Bewohner drei WC-Kabinen und eine<br />

Dusche, was die Übertragung von Infektionskrankheiten begünstigt. Intravenöser Drogenkonsum<br />

und sexuelle Promiskuität unter unhygienischen Bedingungen sind in der Obdachlosen-Szene<br />

verbreitet. Viele Heimbewohner vernachlässigen ihre Hygiene.<br />

Der Reinigungsdienst ist dem großen Schmutzaufkommen nicht gewachsen. Die Sauberkeit im<br />

Heim nimmt stetig ab. Seit Jahren wird nur oberflächlich und chemisch kontaminierend geputzt.<br />

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Eine Grundreinigung aller Sanitärräume im Haus tut Not: Die Estrich-Böden, Duschtassen,<br />

Wandfliesen und Wasser-Armaturen gehören zuerst entkalkt. Danach kann der Schmutz mit Seife<br />

entfernt werden. Was nachher an Schmutz verblieben ist, lässt sich mit einem geeigneten<br />

Lösungsmittel entfernen. Die Bodenversiegelung im Heim verträgt Isopropanol, welches auch als<br />

Desinfektionsmittel verwendet werden kann.<br />

Die Abluftfilter in den Sanitärräumen wurden seit Jahren nicht gewechselt. Schmutzige Filter<br />

senken die Lüfterleistung. Weiters gehören die Ventilatoren vom Lichtstromkreis entkoppelt, damit<br />

sie durchlaufen können.<br />

Würde man die Hygiene des Heimes medizinisch deuten, könnte man eine chronisch-progrediente<br />

bakterielle Infektion diagnostizieren, die zudem falsch behandelt wird (etwa mit einer<br />

Chemotherapie statt mit Antibiotika).<br />

4 Organisatorisches<br />

Die Rahmenbedingungen für die Reinigungsarbeit im Heim sind ungünstig.<br />

Die Duschen und Toiletten werden viel und rücksichtslos benutzt. Auf dem Boden liegen meistens<br />

Harnlacken, Müll und Zigarettenasche. Die WC-Muscheln und Sitzbrillen sind oft mit Harn und<br />

Kot bespritzt. Manchmal stuhlen Bewohner in die Dusche.<br />

Das Hygiene-Niveau der Heimbewohner ist im Allgemeinen niedrig. Der Schmutz kommt aus den<br />

Bewohner-Zimmern und Gängen, die selten geputzt werden. Einige Mitbewohner reagieren sich ab,<br />

indem sie die Gemeinschaftsräume verunreinigen. Andere sind so schwer beeinträchtigt, dass sie<br />

nicht in die WC-Muschel treffen.<br />

Enge Räume und enge Gänge behindern die Reinigung.<br />

Der versiegelte Estrich-Boden ist chemisch und physikalisch unbeständig. In den Sanitärräumen<br />

wäre ein Fliesenboden hygienischer und pflegeleichter.<br />

Es gibt keine Wasserentnahmestellen für größere Wassereimer.<br />

Es gibt wenig Putzkräfte, aber vergleichsweise viel Betreuungs- und Verwaltungspersonal. Der<br />

hauseigene Reinigungsdienst ist überarbeitet und lässt die Putzfirma gewähren.<br />

Man müsste ein besseres Reinigungskonzept auf Basis von Wohngruppen entwickeln. Das Heim<br />

könnte mindestens einen Bewohner pro Wohngruppe für eine fallweise Reinigung der Sanitärräume<br />

anwerben. Weiters müsste ein Konzept für Problembewohner entwickelt werden.<br />

Im Gegensatz zur Siemensstraße klappt die Reinigung des Obdachlosen-Tageszentrums „Gruft“ viel<br />

besser. Die Gruft wird von der Firma „Reiwag“ geputzt.<br />

5 Rechtliches<br />

Gemäß Artikel 13 des Benutzungs- und Betreuungsvertrages haben Heimbewohner eine<br />

Erhaltungspflicht für die öffentlichen Bereiche des Hauses. Die Putzfirma behindert mich und<br />

andere Mitbewohner massiv dabei, dieser Pflicht nachzukommen. Sie verhindert auch bessere<br />

Lösungen, indem sie alle Bewohner mit einem Bärendienst zwangsbeglückt.<br />

Die Tätigkeit der Firma ist in Wahrheit eine tägliche Besitzstörung, die weder vertraglich noch<br />

gesetzlich erlaubt ist. Weder im Vertrag noch in der Hausordnung gibt es eine Verpflichtung des<br />

Heimbetreibers, die Sanitärräume zu reinigen. Die Bewohner müssen auch keine Reinigung durch<br />

Dritte dulden, erst recht nicht in der beschriebenen Qualität.<br />

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