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Die Kunst des wissenschaftlichen Schreibens und Sprechens1

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<strong>Die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>des</strong> <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

<strong>Schreibens</strong> <strong>und</strong> Sprechens 1<br />

Peter Auer<br />

——————<br />

1 <strong>Die</strong>ser Text geht auf ein Forschungsprojekt zurück, das die Volkswagenstiftung an der<br />

Universität Freiburg gefördert hat. An seinem Zustandekommen war Harald Baßler<br />

wesentlich beteiligt. <strong>Die</strong> kontrastiven Analysen zum Russischen <strong>und</strong> Deutschen wurden<br />

von Anna Breitkopf durchgeführt (vgl. auch A. Breitkopf, 2006, Wissenschaftsstile im<br />

Vergleich. Freiburg).


0. Einleitung<br />

Auch im <strong>wissenschaftlichen</strong> Schreiben (<strong>und</strong> Sprechen) kommt es auf die<br />

Form an; es gibt gut <strong>und</strong> schlecht geschriebene wissenschaftliche Texte.<br />

<strong>Die</strong> stilistischen Normen unterscheiden sich nach wissenschaftlicher<br />

Disziplin, historischer Epoche <strong>und</strong> Kulturkreis. Aber: auch Wissenschaftler<br />

müssen sich durchaus Gedanken über die sprachliche Form ihrer Publikationen<br />

machen, um von ihren Kollegen gelesen <strong>und</strong> geschätzt zu<br />

werden. <strong>Die</strong>s war nicht immer so, sondern hat sich erst im Lauf der<br />

Entwicklung <strong>des</strong> modernen abendländischen Wissenschaftsbegriffs (<strong>und</strong><br />

unauflöslich mit ihm verb<strong>und</strong>en) ergeben. Aber etwa am Ende <strong>des</strong><br />

18. Jahrh<strong>und</strong>erts haben sich – zunächst in den Naturwissenschaften --<br />

Stilprinzipien für das wissenschaftliche Schreiben entwickelt, die einerseits<br />

im Zusammenhang mit den spezifischen Funktionen <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Arbeitens zu sehen, andererseits aber auch auf die Normen einzelner<br />

wissenschaftlicher Gemeinschaften zurückzuführen sind. Es handelt sich<br />

um stilistische Prinzipien, die in ihrer besonderen Kombination nur in der<br />

Wissenschaft gelten <strong>und</strong> ihren Diskurs mit definieren: Wer nicht so<br />

schreibt, wird nicht gelesen.<br />

<strong>Die</strong> Linguistik, deren Forschungsgegenstand der Gebrauch der Sprache,<br />

vornehmlich der nicht-literarischen Sprache, in verschiedensten<br />

kommunikativen Sphären <strong>und</strong> Medien ist, hat sich in den vergangenen<br />

Jahrzehnten diesem Thema verstärkt zugewandt (vergleiche zuletzt<br />

Fløttum u.a. 2006) <strong>und</strong> dabei einiges zur Aufdeckung der verdeckten <strong>und</strong><br />

offenen Stilnormen der Wissenschaft beigetragen. Einige dieser Stilnormen<br />

werden im Folgenden beschrieben.<br />

1. Wissenschaftlicher Sprachstil: Sprache auf der Suche<br />

nach der Wahrheit<br />

Würde man Laien wie Wissenschaftler fragen, was Wissenschaft eigentlich<br />

tut, so würde man wohl häufig die Antwort hören, dass sie die Welt erforscht,<br />

um sie besser zu verstehen. Es geht darum, Zusammenhänge in


der Welt aufzudecken <strong>und</strong> zu beschreiben, um dadurch allgemeingültige<br />

Merkmale <strong>und</strong> Mechanismen herauszustellen. Wissenschaftler wählen dazu<br />

Erscheinungen in der Welt aus <strong>und</strong> klassifizieren sie oder sie führen<br />

Experimente durch. <strong>Die</strong> Ergebnisse werden dann benutzt, um Verallgemeinerungen<br />

zu gewinnen, aus denen sich im Idealfall abstrakte<br />

Theorien über die Welt bauen lassen. Für die Publikation der Ergebnisse<br />

dieser Art <strong>wissenschaftlichen</strong> Forschens scheint ein sprachlicher Stil<br />

angemessen, der durch Exaktheit <strong>und</strong> Neutralität (Objektivität) gekennzeichnet<br />

ist, weil er nichts tun soll, als die Dinge als solche darzustellen. Er<br />

ist <strong>des</strong>halb auch universell, das heißt unabhängig vom Autor <strong>und</strong> seiner<br />

Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft. <strong>Die</strong>s ist die<br />

(oder zumin<strong>des</strong>t eine) landläufige Meinung. Wie sieht es nun mit dieser<br />

Exaktheit, Neutralität/Objektivität <strong>und</strong> Universalität <strong>des</strong> <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

<strong>Schreibens</strong> in der Praxis aus Textlinguistische Untersuchungen<br />

belegen, dass sie zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, jedoch in<br />

mancherlei Hinsicht modifiziert werden müssen.<br />

1.1. <strong>Die</strong> Exaktheit von Wissenschaftssprache<br />

Bei der Benennung von Phänomenen im Objektbereich einer Wissenschaft<br />

ist die Sprache selbst ein Problem. <strong>Die</strong> Alltagssprache reicht zur Kategorisierung<br />

nicht aus; sie ist bei weitem nicht genug ausdifferenziert, um die<br />

ständig sich erneuernden <strong>und</strong> verfeinernden Beobachtungen <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Forschens zu erfassen. Es werden also neue Wörter benötigt, die für<br />

Laien häufig unverständlich sind, weil sie nicht zur Alltagssprache gehören,<br />

sondern innerhalb der <strong>wissenschaftlichen</strong> Disziplin entstanden sind <strong>und</strong> in<br />

ihrem Rahmen definiert werden. So wird in dem folgenden Ausschnitt aus<br />

einem medizinischen Aufsatz über die durch Zecken übertragene<br />

Borreliose dafür eine Gruppe von Bakterien verantwortlich gemacht, die<br />

»Spirochäten«:<br />

Beispiel 1:<br />

<strong>Die</strong> auslösende Spirochäte Borrelia burgdorferi sensu lato ist sehr heterogen <strong>und</strong><br />

kann in min<strong>des</strong>tens 10 verschiedene Spezies unterteilt werden, von denen aber<br />

nur 3 sicher humanpathogen sind: B. afzelii, B. garinii <strong>und</strong> B. burgdorderi sensu<br />

stricto [40].


Quelle: Huppertz/Krause 2003: 175<br />

Über die Unschärfe <strong>des</strong> Alltagswortschatzes hinausgehende, präzise definierte<br />

Fachtermini sind ein besonders markantes Kennzeichen von Wissenschaftstexten.<br />

Sie entsprechen den Idealen der Exaktheit, Eindeutigkeit,<br />

Kontextunabhängigkeit <strong>und</strong> evaluativen Neutralität der Wissenschaftssprache<br />

(vergleiche Baßler 2002). Als exakt gelten Fachwörter, weil sie definiert<br />

sind. Für eindeutig werden sie gehalten, weil ein Fachwort nur eine Bedeutung<br />

hat beziehungsweise einer Bedeutung nur ein Fachwort zugeordnet<br />

werden kann. Solche Fachwörter können/müssen auch ohne den (Satz-/<br />

Text-/Situations-) Kontext verständlich sein, sie sind also kontextunabhängig.<br />

Als evaluativ neutral gelten sie schließlich, weil bei der Bildung<br />

solcher Fachwörter keine ästhetischen Gr<strong>und</strong>sätze beachtet werden müssen<br />

<strong>und</strong> in sie keine Bewertungen einfließen.<br />

Dem Gedanken, Wissenschaftler benutzten neue Wörter (Termini) zur<br />

Kategorisierung neu entdeckter Phänomene, liegt die idealistische, ja naive<br />

Vorstellung zugr<strong>und</strong>e, dass Welt bereits vor jeder Erkenntnis vorhanden sei<br />

<strong>und</strong> durch die Sprache lediglich abgebildet würde. Tatsächlich ist aber die<br />

Wahrnehmung der Welt durch die Erfahrungen menschlicher Subjekte<br />

geprägt <strong>und</strong> wird überhaupt erst durch diese Erfahrungen in je spezieller<br />

Weise hergestellt. Dass wissenschaftliches Denken <strong>und</strong> Schreiben trotz<br />

aller Bemühungen um exakt definierte Begriffe letztendlich seine Basis <strong>und</strong><br />

seinen Ausgangspunkt in der (alltäglichen) Erfahrung <strong>des</strong> einzelnen Wissenschaftlers<br />

hat, wird aus linguistischer Perspektive nicht zuletzt dadurch<br />

belegt, dass zur Benennung neu entdeckter Phänomene oder Zusammenhänge<br />

nur selten wirklich völlig neue Wörter geschaffen werden. Manchmal<br />

werden Wörter der Alltagssprache neu definiert (vergleiche etwa den<br />

Begriff Wurzel in der Mathematik beziehungsweise Linguistik oder den Begriff<br />

Erbgut in der Genetik). <strong>Die</strong> Verbindung zwischen der alltagssprachlichen<br />

<strong>und</strong> der <strong>wissenschaftlichen</strong> Verwendung <strong>des</strong> Worts ist dann in der<br />

Regel metaphorisch; die Bedeutungskomponenten <strong>des</strong> alltagssprachlichen<br />

Begriffs werden in versteckter Weise mit in die wissenschaftliche Verwendung<br />

transportiert, obwohl sie nicht Teil der kodierten Terminologie sind<br />

(etwa die Idee <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>legenden, Ursprünglichen, Nahrungsspendenden<br />

bei Wurzel oder <strong>des</strong> wirtschaftlichen Besitztums, das von einer Generation<br />

auf die andere weitergegeben wird <strong>und</strong> so zum Wohlstand der Familie beiträgt<br />

bei Erbgut).


Viel häufiger wird bei der <strong>wissenschaftlichen</strong> Begriffsbildung jedoch auf<br />

Elemente anderer Sprachen zurückgegriffen: Vor allem das Lateinische <strong>und</strong><br />

Griechische haben dabei in den Natur- <strong>und</strong> Geisteswissenschaften <strong>des</strong><br />

Abendlan<strong>des</strong> eine herausragende Rolle gespielt. Viele von diesen Bildungen<br />

sind reine Übersetzungen (Radikal anstelle von Wurzel), andere sind jedoch<br />

– jedenfalls für die Eingeweihten – ebenfalls hochgradig metaphorisch <strong>und</strong><br />

bauen auf vor<strong>wissenschaftlichen</strong> Bildwelten auf (vergleiche zum Beispiel<br />

die Appendicitis acuta/akute Blinddarmentzündung in der Medizin aus<br />

lateinisch appendix/Anhängsel mit der Konnotation nicht essentiell,<br />

überflüssig, nutzlos). Wieder andere lehnen sich metaphorisch an die<br />

Verwendung in einer anderen <strong>wissenschaftlichen</strong> Fachsprache an (wie die<br />

IT-Verwendung von Virus sich metaphorisch an den medizinischen Sprachgebauch<br />

anschließt). In all diesen Fällen wird die wissenschaftliche Objektivität<br />

zunächst gegen den Strich einer alltagssprachlichen Subjektivität gebürstet<br />

(solange, bis niemand mehr sich bewusst macht, dass er oder sie<br />

metaphorisch schreibt, wenn von Wurzeln, Erbgut oder Viren die Rede ist).<br />

<strong>Die</strong> Basis der <strong>wissenschaftlichen</strong> Terminologie liegt also außerhalb ihrer<br />

selbst <strong>und</strong> sie trennt sich nur idealtypisch vollständig von ihr.<br />

Um hinreichende spezifische Termini zu erhalten, werden außerdem<br />

verschiedene Verfahren der kompositionellen Wortbildung eingesetzt.<br />

Neben Zusammensetzungen vom Typ Kollektivgut oder Regressionsgerade gehören<br />

dazu zum Beispiel Mehrwortbildungen (Alle-oder-Niemand-Verträge,<br />

win-win-situation), Kombinationen mit Eigennamen (Gaussche Normalverteilung)<br />

oder Buchstaben-Wort-Verbindungen (F-Skala, SOEP-Daten).<br />

Auf der Satzebene führt das Streben nach Exaktheit in der Wissenschaftssprache<br />

zur Erweiterung von Satzgliedern durch Attribute. Im folgenden<br />

Beispiel 2 wird das Nomen Erythema durch vorangestellte, erweiterte<br />

Partizipialkonstruktionen sowie ein nachgestelltes Relativsatzattribut erweitert,<br />

in Beispiel 3 folgt dem Nomen Diskussion ein adjektivisch erweitertes<br />

Präpositionalattribut, <strong>des</strong>sen nominaler Kern selbst wieder durch ein Genitivattribut<br />

spezifiziert wird:<br />

Beispiele 2 <strong>und</strong> 3:<br />

Dabei findet sich ein nicht jucken<strong>des</strong>, sich zentrifugal ausbreiten<strong>des</strong> Erythema, das bei<br />

längerem Bestehen eine zentrale Abblassung zeigen kann.<br />

Quelle: Huppertz/Krause 2003: 176<br />

<strong>Die</strong> Diskussion über die situativen <strong>und</strong> die dispositionellen Bedingungen (überdauernden


Persönlichkeitseigenschaften) <strong>des</strong> Gehorsamkeitsverhaltens dauert an <strong>und</strong> lenkt den<br />

Blick wieder stärker auf differentielle Aspekte:<br />

Quelle: Steiner/Fahrenberg 2000: 330<br />

Allerdings sind nicht alle in der Sprache prinzipiell möglichen Formen der<br />

Erweiterung im <strong>wissenschaftlichen</strong> Stil gleichermaßen gebräuchlich. Der<br />

moderne westliche Wissenschaftsstil zeichnet sich durch eine starke Tendenz<br />

zur Nominalisierung aus; Nominalgruppen werden durch andere<br />

Nominalgruppen erweitert. Was bis ins 19. Jahrh<strong>und</strong>ert beliebt war, nämlich<br />

vielfach eingebettete <strong>und</strong> verzweigte Nebensatzkonstruktionen, wird<br />

hingegen heute vermieden. Dadurch bleibt der Bau der Sätze gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

einfach <strong>und</strong> transparent, auf der Ebene der Phrasen erhöht sich die Komplexität<br />

allerdings beträchtlich:<br />

Beispiel 4:<br />

<strong>Die</strong> graphischen Umsetzungen dieser Formeln in (29) sollen die drei Fragmente illustrieren,<br />

[…]<br />

Quelle: Egg 2006: 17<br />

Statt: Dadurch, dass die Formeln in (29) graphisch umgesetzt werden, sollen<br />

die drei Fragmente illustriert werden<br />

Bemerkenswert ist dabei, dass durch diese Art der Informationskondensierung<br />

in der Nominalgruppe bestimmte logische Operatoren, wie in Beispiel<br />

4 das modale dadurch, entfallen können beziehungsweise müssen. Entgegen<br />

dem Ideal der Exaktheit werden die Texte dadurch vager <strong>und</strong> interpretationsbedürftiger.<br />

<strong>Die</strong> Leser müssen eine ganze Reihe von Leerstellen<br />

auffüllen, die durch diese kondensierten Konstruktionen entstehen. Dafür<br />

ein weiteres Beispiel:<br />

Beispiel 5:<br />

Nach diesen Vorüberlegungen können im fünften Abschnitt die Implikationen der<br />

strukturellen Beschaffenheit von Entscheidungssituationen auf die Erklärungsleistung, die<br />

man von Rational-Choice-Modellen erwarten kann, differenzierter <strong>und</strong> genauer<br />

untersucht werden<br />

Quelle: Mensch 2000: 247


Statt: Nachdem dieses vorher überlegt worden ist, kann im fünften Abschnitt<br />

differenzierter <strong>und</strong> genauer untersucht werden, was die strukturelle Beschaffenheit<br />

von Situationen, in denen Entscheidungen gefällt werden, für die Leistungen,<br />

Sachverhalte zu erklären, implizieren, die man von Rational-Choice-<br />

Modellen erwarten kann<br />

Insgesamt entsteht ein sehr stark verdichteter Stil, in dem aber durchaus<br />

Interpretationsspielräume enthalten sind, wie die einzelnen Denotate zueinander<br />

in Beziehung stehen. Wissenschaftsstil ist auf der Ebene der<br />

Objektbenennungen (die in der Regel durch Nominalphrasen geleistet<br />

werden) also tendenziell sehr genau; auf der Ebene der Aussagen über<br />

diese Objekte ist aber ein erhebliches Vor- <strong>und</strong> Weltwissen erforderlich.<br />

1.2. Neutralität <strong>und</strong> Objektivität der Wissenschaftssprache<br />

Objektivität <strong>und</strong> Neutralität gelten vielen Wissenschaftstheoretikern als<br />

forschungsleitende Prinzipien (vergleiche Drescher 2003). <strong>Die</strong> Sprache, mit<br />

der die wissenschaftliche Beobachtung der Welt den Fachkollegen zugänglich<br />

gemacht wird, muss diesem Ziel dienen <strong>und</strong> ebenfalls objektiv <strong>und</strong><br />

neutral sein. <strong>Die</strong> verwendeten sprachlichen Mittel müssen <strong>des</strong>halb nicht<br />

nur Eindeutigkeit garantieren, sondern vor allem sachlich, neutral, ja unpersönlich<br />

sein. Harald Weinrich (1990) leitet daraus drei Verbote ab, die<br />

allerdings alle drei faktisch nicht eingehalten werden, obwohl sie als<br />

Normen durchaus akzeptiert werden. Eines davon ist das sogenannte<br />

»Metaphern-Verbot«, mit dem wir uns schon beschäftigt haben.<br />

Als weiteres Verbot führt Weinrich das »Ich-Verbot« an: Wissenschaftler<br />

führen sich selbst in die Texte nicht mit ich ein. Als Gr<strong>und</strong> dafür nennt<br />

Weinrich, dass die Beobachtung <strong>und</strong> das wissenschaftliche Handeln frei<br />

sein soll von »individuellen Besonderheiten der einzelnen Forscherpersönlichkeit«<br />

(Weinrich 1990: 8). Und tatsächlich verwenden die Autoren wissenschaftlicher<br />

Texte Strategien, um die Ich-Referenz zu vermeiden. Sie<br />

weichen zum Beispiel auf das Wir aus, obwohl sie sich eigentlich selbst bezeichnen,<br />

<strong>und</strong> erwecken damit den Eindruck, dass sie zusammen mit dem<br />

Leser oder Zuhörer eine Gruppe bilden:


Beispiel 6:<br />

In diesem Beitrag wollen wir die Frage angehen, welche Auswirkungen die<br />

neuen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien auf die Arbeit haben.<br />

Quelle: Knoblauch 1996<br />

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Autoren von sich in der<br />

dritten Person schreiben, wie in folgendem Abstract:<br />

Beispiel 7:<br />

Da dem Autor die erste Option wenig realistisch erscheint, plädiert er abschießend<br />

für eine gradualistische Strategie zur Realisierung der zweiten gr<strong>und</strong>legenden<br />

politischen Alternative.<br />

Quelle: Offe 1998: 359<br />

Ein weiteres Verfahren, um die Ich-Referenz zu vermeiden, ist die Wahl<br />

von syntaktischen Konstruktionen, die den Autor als Handelnden völlig in<br />

den Hintergr<strong>und</strong> drängen. Dafür steht vor allem das Passiv zur Verfügung<br />

(Beispiel 8), das als typisch für die Wissenschaftssprache gilt.<br />

Beispiel 8:<br />

<strong>Die</strong>ser Geltungsanspruch wird hier bestritten.<br />

Quelle: Aretz 1997: 79<br />

<strong>Die</strong>ses Verfahren hat aber insbesondere im englischen Wissenschaftsstil in<br />

den letzten Jahrzehnten an Boden verloren, wie die folgende Graphik zeigt.<br />

Waren 1961 noch ziemlich genau zwei Drittel aller finiten Verbalphrasen in<br />

<strong>wissenschaftlichen</strong> Texten im Passiv (<strong>und</strong> zwar im britischen <strong>und</strong> im<br />

amerikanischen Englisch), so ist dieser Anteil dreißig Jahre später erheblich<br />

gesunken (insbesondere im amerikanischen Englisch, dem in Hinblick auf<br />

diesen Stilwandel daher Führungsfunktion zukommt). Abbildung 1 stellt<br />

die Zahlenverhältnisse graphisch dar:


80<br />

70<br />

60<br />

67 66<br />

57<br />

50<br />

40<br />

42<br />

30<br />

20<br />

10<br />

1961<br />

0<br />

BrE<br />

AmE<br />

1991 / 1992<br />

Abbildung 1: Passivanteile aller finiten Verbphrasen in der Wissenschaftsprosa nach Seoane 2004<br />

Schließlich kann dem Text selbst Handlungscharakter zugesprochen werden;<br />

das Produkt steht dann metonymisch für seinen Autor:<br />

Beispiel 9:<br />

Der vorliegende Artikel versucht, auf der Basis verfügbarer Informationen über<br />

gesellschaftliche Mentalitäten herauszufinden, wie es um die Durchsetzungsfähigkeit<br />

kosmozentrischer Ethiken steht.<br />

Quelle: Döbert 1994:306<br />

Trotz dieses »Ich-Verbots« zeigen allerdings viele empirische Studien aus<br />

den letzten Jahren, dass Autoren viel häufiger auf sich selbst mit ich verweisen,<br />

als das bisher vermutet wurde – Tendenz steigend. Der Wissenschaftsstil<br />

wird also persönlicher. Ein typisches Beispiel:<br />

Beispiel 10:<br />

Im folgenden werde ich zunächst kurz skizzieren, mit welchen Formulierungen<br />

Louis Wirth zum populären Theoretiker von »Urbanität« werden konnte. Dabei<br />

handelt es sich im Kern um die Aussage, Großstädte seien Brutstätten von Toleranz<br />

<strong>und</strong> Zivilisation, in Großstädten könne daher die Integration von heterogenen<br />

Kulturen <strong>und</strong> Lebensstilen am besten gelingen. Da sich Wirth weitgehend<br />

auf Simmel stützt, werde ich anschließend den Text von Simmel noch einmal


esümieren – was zu einem etwas anderen Ergebnis führt als in Wirths verkürzter<br />

Rezeption. Das Simmelsche Konzept, das den Prozess der Individualisierung<br />

ins Zentrum stellt, konfrontiere ich dann mit den Vorstellungen von Robert Park<br />

bzw. der Chicago Schule, für die der Prozess der Gruppenbildung durch Segregation<br />

die entscheidende Dimension von »Stadtkultur« ist.<br />

Quelle: Häußermann 1995: 90<br />

Wie dieser Soziologe, so benutzen viele Autoren die selbstreferentielle erste<br />

Person vor allem dann, wenn sie die Leser darüber informieren wollen, wie<br />

der Text aufgebaut ist <strong>und</strong> welche Fragestellung sie darin zu beantworten<br />

suchen. Häufig geschieht das im Einleitungsteil von Zeitschriften- oder<br />

Buchartikeln, wo die grobe Argumentationsstruktur <strong>und</strong> die Absichten <strong>und</strong><br />

Zielsetzungen dargelegt werden. Es gibt dabei allerdings kulturelle <strong>und</strong><br />

fachspezifische Unterschiede. Breitkopf (2006) stellt zum Beispiel fest,<br />

dass deutsche Soziologinnen beziehungsweise Soziologen mehr das Ich benutzen,<br />

russische Soziologen dagegen viel häufiger das Wir. Hylands<br />

(2002) Studie lässt vermuten, dass gerade in soziologischen <strong>und</strong> philosophischen<br />

Texten Ich-Konstruktionen diesen Typs besonders häufig vorkommen,<br />

in der Biologie aber beispielsweise deutlich seltener benutzt werden.<br />

Auch Sanderson (2006) weist sowohl kulturelle wie disziplinentypische<br />

stilistische Präferenzen nach.<br />

Der Wissenschaftler als Individuum tritt besonders häufig dann in<br />

Erscheinung, wenn es um metatextuelle Leseanweisungen geht. Zudem<br />

wird die Subjektivität <strong>des</strong> Autors aber auch durch viel feinere Verfahren ins<br />

Spiel gebracht. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass Wissenschaftstexte<br />

keineswegs nur Fakten darstellen, sondern dass die Autoren<br />

ihre Aussagen häufig relativieren beziehungsweise abschwächen <strong>und</strong> damit<br />

ihre Haltung zum Wahrheitscharakter der Aussage ausdrücken. Ein ganz<br />

offensichtliches Beispiel ist das folgende:<br />

Beispiel 11:<br />

Ich schätze, dass die Hälfte der Ostdeutschen 1990/91 die Beschäftigung gewechselt<br />

oder verloren hat (gegenüber ca. 20% in Westdeutschland).<br />

Quelle: Zapf 1994: 297


Der Verfasser schützt sich hier gegen Einwände, indem er seine Aussage<br />

durch ein Verb modalisiert; er übernimmt eine deutlich geringere Verpflichtung,<br />

für die Wahrheit <strong>des</strong> Aussagegehalts einzustehen, dass »die<br />

Hälfte der Ostdeutschen 1990/91 die Beschäftigung gewechselt oder verloren<br />

haben«, indem er sie als Schätzung deklariert. Der Verfasser baut hier<br />

einem Gesichtsverlust gegenüber den Rezipienten vor, der sich ergäbe,<br />

wenn er die Wahrheit <strong>des</strong> Gesagten nicht belegen könnte.<br />

Besonders häufig in Wissenschaftstexten ist die Abschwächung durch<br />

das Modalverb scheinen:<br />

Beispiel 12:<br />

<strong>Die</strong>se Spezies scheinen im Sinne eines Organotropismus bevorzugt bestimmte<br />

System <strong>des</strong> Körpers zu befallen, wodurch die unterschiedlichen Manifestationen<br />

der Lyme-Borreliose erklärt werden.<br />

Quelle: Huppertz/Krause 2003: 175<br />

Würde man das Verb scheinen weglassen, würde die Aussage als nachweisbares<br />

Faktum erscheinen. Durch die Formulierung mit scheinen schwächen<br />

die beiden Wissenschaftler ihren Anspruch ab, das endgültige Wissen über<br />

die verschiedenen Spezies der Borrelien zu besitzen. Damit können sie in<br />

mehrfacher Hinsicht ihr Gesicht wahren: Einerseits schützen sie sich selbst<br />

vor möglicher Kritik aus der scientific community. Andererseits sind sie höflich:<br />

Sollte es sich bei der Aussage um eine neue wissenschaftliche Erkenntnis<br />

handeln, die in der scientific community noch nicht verbreitet ist <strong>und</strong> der<br />

der Kollegen widerspricht, so ermöglicht es die Verpackung der Feststellung<br />

mit dem Verb scheinen, diese Kollegen nicht vor den Kopf zu stoßen.<br />

Auch hier gibt es kulturelle Unterschiede, auf die ich noch zurückkommen<br />

werde.<br />

Das dritte Verbot, das Weinrich für den <strong>wissenschaftlichen</strong> Stil annimmt,<br />

ist das sogenannte Erzähltabu. »Ein Wissenschaftler erzählt nicht«<br />

(Weinrich 1990: 9), sondern er beschreibt. Auch dieses Verbot wird allerdings<br />

nicht immer befolgt. Zunächst gibt es einige wissenschaftliche Disziplinen<br />

wie die Anthropologie oder die historischen Wissenschaften, teils<br />

auch die Medizin <strong>und</strong> Psychologie (Fallbeschreibungen), in denen narrative<br />

Texte zumin<strong>des</strong>t als Teiltexte innerhalb wissenschaftlicher Publikationen<br />

durchaus eine Rolle spielen <strong>und</strong> zum Kanon der Darstellungstechniken gehören.<br />

Aber auch in anderen Disziplinen kommen narrative Strukturen


vor: So wird zum Beispiel in dem folgenden Textausschnitt ein autobiografisches<br />

Detail zum Ausgangspunkt für die allgemeine Aussage, dass bei<br />

Paaren in der Regel der Mann das Auto steuert:<br />

Beispiel 13:<br />

Als ich neulich – als Fußgänger! – ein Auto an mir vorbeifahren sah, w<strong>und</strong>erte<br />

ich mich darüber, dass die Frau auf der Fahrerseite saß, der Mann daneben –<br />

bis ich erkannte, dass es sich um ein britisches Fahrzeug handelte.<br />

Quelle: Burkart 1994: 230<br />

Im folgenden Ausschnitt dient die Geschichte zwar auch als Anknüpfungspunkt<br />

für allgemeingültige Aussagen, aber sie spricht die Leser stärker an<br />

<strong>und</strong> soll sie so dazu bringen, sich stärker auf den Argumentationsprozess<br />

<strong>des</strong> Verfassers einzulassen. Das wird dadurch erreicht, dass der Autor eine<br />

hypothetische Geschichte erzählt, deren Held der Leser ist:<br />

Beispiel 14:<br />

I want us to consider ›Saintly Cooperation.‹ One day, while you are waiting to<br />

deposit your Social Security check in a bank you are approached by an eccentric<br />

tycoon. She has a million dollars but very little time. She offers you ten dollars if<br />

you assure her that you will deposit her million dollars in her bank account. She’s<br />

in a hurry and can’t get any details about you that would enable her to track you<br />

down if you failed to keep your promise. What do you do Is it rational for you to<br />

put the money in her account After all, you are still doing better (namely, ten<br />

dollars better) than if you had given no assurance at all. But can we really consider<br />

this clearly moral, indeed saintly, decision as rational<br />

Quelle: Hyland 2004: 14<br />

Wissenschaftler erzählen auch manchmal, welche Vorgeschichte der Beitrag<br />

hat beziehungsweise wie es überhaupt zu ihm gekommen ist. Das<br />

machen sie besonders gerne in Fußnoten, wie zum Beispiel der folgende<br />

Linguist gleich in einer Fußnote zum Titel seines Aufsatzes:<br />

Beispiel 15:<br />

Der vorliegende Beitrag ist aus zwei Vorträgen an der Universitäten Siegen <strong>und</strong><br />

Wuppertal hervorgegangen. […]


Quelle: Ramers 2006: 95<br />

In dieser Art von Fußnoten gehen die Autoren dann auch immer wieder in<br />

Danksagungen an Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen über, die »wertvolle […] Anregungen<br />

<strong>und</strong> kritische […] Einwände« (ebd.: 96) zu dem Beitrag machten.<br />

Entgegen landläufiger Meinung sprechen Wissenschaftler also sehr wohl<br />

explizit von <strong>und</strong> über sich selbst <strong>und</strong> erzählen auch Begebenheiten aus<br />

ihrem Leben. Sie tragen damit dazu bei, dass ihr Artikel eine persönliche<br />

Note bekommt, den Leser stärker anspricht <strong>und</strong> an der Argumentation<br />

beteiligt sowie in manchen Fällen auch die Authentizität <strong>des</strong> Beobachteten<br />

erhöht.<br />

2. Wissenschaft erfolgt nicht im luftleeren Raum<br />

Wissenschaftler stellen neues Wissen her. Allerdings geschieht dies nicht<br />

einsam am Schreibtisch, sondern ist in der Regel selbst bereits ein kommunikativer<br />

Prozess, bei dem die Interaktion mit anderen Wissenschaftlern<br />

eine entscheidende Rolle spielt <strong>und</strong> der in einer sozialen Umgebung stattfindet<br />

(vergleiche Knorr-Cetina 1991). <strong>Die</strong>se soziale Umgebung umfasst<br />

sowohl die unmittelbare Arbeitsumgebung <strong>des</strong> einzelnen Forschers (sein<br />

Labor, sein Forschungsinstitut) als auch die scientific community (die sich auf<br />

Kongressen, im Internet, durch Publikationen <strong>und</strong> auf vielen anderen<br />

Wegen, oft über nationale Grenzen hinweg, konstituiert) <strong>und</strong> die Gesellschaft,<br />

in der der Wissenschaftler lebt. Alle drei Sphären legen der <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Forschung eben <strong>des</strong>halb enorme Beschränkungen auf, weil<br />

diese sich als soziale Aktivität an den in jenen gültigen normativen Gegebenheiten,<br />

an Machtverhältnisse <strong>und</strong> Statusverteilungen orientieren muss.<br />

Der Leiter eines Labors hat andere Möglichkeiten, Forschungsgegenstände<br />

zu bestimmen <strong>und</strong> zwischen interessanten <strong>und</strong> uninteressanten Themen zu<br />

entscheiden als ein Doktorand, <strong>des</strong>sen Arbeitsbedingungen formal <strong>und</strong><br />

inhaltlich von der Laborleitung diktiert werden. <strong>Die</strong> Institutionen der <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Selbstorganisation wie die nationalen Forschungsförderungsinstitutionen<br />

(etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft) regeln<br />

nicht nur die Zuweisung von Forschungsmitteln ganz direkt durch die Genehmigung<br />

von Anträgen, sie definieren auch, welche Forschung (welche<br />

Themen, welche Theorien, welche Methoden) akzeptiert ist <strong>und</strong> welche


nicht. (So können ganze Forschungsthemen kommen <strong>und</strong> gehen. Ein bekanntes<br />

Beispiel ist die Frage nach dem Ursprung der Sprache: Bis in das<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein war sie eines der wichtigsten Themen sprachwissenschaftlicher<br />

Forschung; nach der Etablierung der modernen Sprachgeschichtsforschung<br />

im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde das Thema zu einem rein<br />

spekulativen, unseriösen Gegenstand erklärt: zu einem Un-Thema. Erst<br />

vor wenigen Jahren hat sich dies erneut geändert.) Schließlich definiert der<br />

gesellschaftliche Kontext Themen, die in <strong>und</strong> gesellschaftlich (wirtschaftlich<br />

oder politisch) verwertbar sind, <strong>und</strong> solche, die out sind. Sie beeinflussen die<br />

Forschungsaktivitäten <strong>des</strong> Einzelnen nicht nur <strong>des</strong>halb, weil wirtschaftliche<br />

Interessen die Ressourcenverteilung in ökonomisch relevanten Disziplinen<br />

unmittelbar beeinflussen. Auch gesellschaftliche <strong>und</strong> kulturelle Fragen spielen<br />

eine Rolle. So hat die Formierung der europäischen Nationalstaaten im<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert die Erforschung der Geschichte, Sprache <strong>und</strong> Kultur dieser<br />

Nationalstaaten gefördert, weil sich auf diese Weise ihre Existenz überhaupt<br />

erst rechtfertigen ließ.<br />

Bereits die Wahl <strong>des</strong> Gegenstands, die Konstitution der Daten <strong>und</strong><br />

natürlich die Art <strong>und</strong> Weise, wie diese bearbeitet werden, erfolgen also vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> bestimmter Interessen, Machtverhältnisse <strong>und</strong> natürlich<br />

eines bestimmten Kenntnis- <strong>und</strong> Diskussionsstan<strong>des</strong> in der <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Disziplin selbst. Der Diskurs einer Wissenschaft – der bestimmt,<br />

was dazu gehört, was randständig ist, was als wichtig angesehen wird, was<br />

altmodisch <strong>und</strong> was modern ist, was als erforschbar <strong>und</strong> das was als unseriöse<br />

Spekulation gilt – findet in <strong>und</strong> mit der Sprache statt. Zur Wissenschaftskommunikation<br />

gehören <strong>des</strong>halb nicht nur die klassischen schriftlichen<br />

<strong>wissenschaftlichen</strong> Publikationsformen (Zeitschriftenaufsatz, Rezension,<br />

Abstract et cetera) <strong>und</strong> die entsprechenden mündlichen Gattungen<br />

wie der wissenschaftliche Vortrag oder Diskussionsbeitrag, sondern auch<br />

wissenschaftliche Projektanträge <strong>und</strong> die Formen der Entscheidungsabläufe<br />

in den Gremien, die über diese Anträge entscheiden, wissenschaftliche<br />

Anhörungen, Gutachten aller Art <strong>und</strong> nicht zuletzt der Small Talk am<br />

Rande all dieser offiziellen Ereignisse, in der die Bewertung der Fachkollegen<br />

<strong>und</strong> -kolleginnen untereinander stattfindet. Der wissenschaftliche<br />

Diskurs formiert sich in diesem kommunikativen Raum.


2.1. Das Rezeptionsgebot<br />

Doch zurück zum Stil der <strong>wissenschaftlichen</strong> Publikation selbst. Wissenschaftliches<br />

Arbeiten gilt nur als seriös, wenn man in seinen eigenen Forschungspublikationen<br />

belegt, dass man die Ergebnisse <strong>und</strong> Meinungen<br />

anderer verarbeitet hat. (Weinrich 1988: 46 spricht von einem »Rezeptionsgebot«.)<br />

Der Nachweis darüber erfolgt durch Bezugnahmen auf die<br />

Arbeiten anderer in Form von Zitaten, sinngemäßen Wiedergaben oder<br />

auch nur Verweisen. Wissenschaftliche Texte sind also in einem hohen <strong>und</strong><br />

expliziten Maß intertextuell: Sie stellen ein engmaschiges Netz von<br />

gegenseitigen Bezugnahmen zwischen den verschiedenen Textproduzenten<br />

her. <strong>Die</strong>se Vernetzung geht in ihrer heutigen Form auf das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zurück, also auf die Zeit, in der sich viele Fachdisziplinen<br />

institutionalisierten <strong>und</strong> es zu einem regelrechten Forschungsboom kam<br />

(Bazerman 1988a).<br />

Der Bezug auf die anderen Stimmen (also die Publikationen der anderen<br />

Wissenschaftler) dient aber nicht nur dazu, deren Erkenntnisse »Falsifikationsversuchen«<br />

auszusetzen <strong>und</strong> sie damit entweder zu erhärten oder zu<br />

Fall zu bringen (Weinrich 1988: 46). Mit Eva-Maria Jakobs (1997) können<br />

vielmehr sach- <strong>und</strong> beziehungsorientierte Funktionen von Bezugnahmen<br />

unterschieden werden. Zu den sachbezogenen Funktionen von Bezugnahmen<br />

gehört es besonders,<br />

– die vorgelegten Forschungsergebnisse innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft<br />

anschlussfähig zu machen;<br />

– Belege für eigene Behauptungen anzuführen;<br />

– die Ergebnisse anderer Forscher zu bestätigen oder zu widerlegen;<br />

Beziehungsorientierte Funktionen von Bezugnahmen sind zum Beispiel,<br />

– seine Belesenheit zu beweisen;<br />

– durch Verweise auf die eigenen Publikationen Werbung für sich selbst<br />

zu machen;<br />

– durch Verweise auf Autoritäten Glaubwürdigkeit zu gewinnen;<br />

– die Wichtigkeit anderer Wissenschaftler herauszustellen, die ihrerseits<br />

mit dem eigenen Ansatz verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> ihn bestätigen;<br />

– durch Zitierkartelle Schulen innerhalb einer Wissenschaft zu bilden;<br />

– umgekehrt durch kritische Bezugnahmen oder schlichtes Ignorieren<br />

andere Wissenschaftler beziehungsweise wissenschaftliche Schulen zu<br />

bekämpfen.


Durch Zitate verortet sich der Autor also in einem <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Diskurs; er zeigt, wo er hingehört. Und er erwartet natürlich auch, dass die<br />

von ihm Zitierten (jedenfalls wenn sie hierarchisch gleichrangig oder untergeordnet<br />

sind) ihrerseits auf ihn verweisen <strong>und</strong> so seinen <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Rang bestätigen. Auf diese Weise trägt der Verfasser je<strong>des</strong> <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Textes auch zur Fortsetzung eines thematisch geb<strong>und</strong>enen<br />

Diskurses bei <strong>und</strong> kann sich so »wissenschaftliches Kapital« (Bourdieu<br />

1988; 1998) aneignen.<br />

Allerdings: Wer etabliert ist, kann es sich unter Umständen leisten,<br />

wenig oder gar nicht zu zitieren, Anfänger müssen hingegen das Rezeptionsgebot<br />

schon <strong>des</strong>halb einhalten, weil ihre Arbeiten sonst nicht publiziert<br />

werden.<br />

2.2. Publish or perish<br />

Neben dem Rezeptionsgebot gilt nach Weinrich (1988: 45) für das wissenschaftliche<br />

Arbeiten ein »Veröffentlichungsgebot«: »Denn etwas wissen<br />

<strong>und</strong> es wissenschaftlich wissen, ist nichts wert, wenn es nicht auch den<br />

anderen Wissenschaftlern bekanntgegeben wird« (Weinrich 1988: 45). Dass<br />

sich dieser Gr<strong>und</strong>satz erst in den letzten 50 Jahren in Deutschland ausgebreitet<br />

hat, wird an folgenden Zahlen deutlich: 1954 lehrten an den Universitäten<br />

der ehemaligen Bun<strong>des</strong>republik 24 Anglistik-Professoren. Sie publizierten<br />

in jenem Jahr zwölf Bücher <strong>und</strong> eine noch kleinere Zahl von Artikeln.<br />

1984 waren an den bun<strong>des</strong>deutschen Universitäten bereits 300 Professuren<br />

für Anglistik besetzt. Publiziert wurden in diesem Jahr 60 Bücher<br />

<strong>und</strong> 600 Artikel (Zahlen nach Weingart u.a. 1991: 288). Peter Weingart<br />

zeigt sehr schön auf, wie die Zunahme an Forschern <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Publikationsexplosion zu einer neuen Unüberschaubarkeit führt.<br />

Weder können sich die Beteiligten alle untereinander wahrnehmen, geschweige<br />

denn die produzierte Literatur umfassend rezipieren. <strong>Die</strong> Zahlen<br />

zeigen aber noch mehr: <strong>Die</strong> Publikationen pro Professor haben sich mehr<br />

als verdoppelt. Ein Wissenschaftler musste im Jahre 1954 nicht unbedingt<br />

regelmäßig publizieren. Überdies hat sich (in den Geisteswissenschaften)<br />

die Gattung der <strong>wissenschaftlichen</strong> Publikation verändert: War in der Anglistik<br />

Mitte <strong>des</strong> vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts noch das Buch die herausragende<br />

Plattform für wissenschaftliche Neuheiten, hat sich das Verhältnis<br />

inzwischen eindeutig zu Gunsten <strong>des</strong> <strong>wissenschaftlichen</strong> Zeitschriften- <strong>und</strong>


Buchartikels verlagert. In vielen <strong>wissenschaftlichen</strong> Disziplinen ist das<br />

monographische Buch heute nur noch in Form <strong>des</strong> Lehrbuchs relevant; die<br />

Forschung findet in internationalen <strong>wissenschaftlichen</strong> Zeitschriften statt,<br />

die durch ein striktes System <strong>des</strong> peer-reviewing (also der Begutachtung der<br />

einzelnen Aufsätze durch Fachkollegen) vergleichbare Standards zu garantieren<br />

scheinen. (<strong>Die</strong> traditionelle wissenschaftliche Zeitschrift <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />

bei der ein Einzelner oder ein kleines Team von Herausgebern<br />

über die Qualität <strong>und</strong> damit über die Veröffentlichung der eingereichten<br />

Manuskripte entscheidet, hat sich nur in manchen kultur<strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Fächern noch in Ansätzen erhalten.) Da wissenschaftliches Renommee<br />

zunehmend durch die Anzahl der Veröffentlichungen gemessen wird, ist<br />

diese Vergleichbarkeit der Standards auch notwendig.<br />

<strong>Die</strong> Form der Ergebnispräsentation verändert sich auch durch neue<br />

Kommunikationsformen; vom Poster bei einem <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Kongress bis zur PowerPoint-Präsentation, die heute für viele<br />

Wissenschaftler die normale mediale Unterstützung <strong>des</strong> <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Vortrags ist, der sich in vielerlei Hinsicht vom traditionellen,<br />

monomedialen Vortrag unterscheidet.<br />

3. <strong>Die</strong> Gattungen <strong>des</strong> <strong>wissenschaftlichen</strong> Diskurses: einige<br />

Beispiele<br />

Es ist also wichtig, sich vor Augen zu halten, dass der wissenschaftliche<br />

Diskurs durch eine Vielzahl von mündlichen <strong>und</strong> schriftlichen Gattungen<br />

bestimmt ist. Nicht alle Akteure in der Wissenschaft müssen all diese<br />

Gattungen beherrschen: <strong>Die</strong> Wissenschaftler, die Festvorträge halten,<br />

Memoranden schreiben, Gutachten zur Vergabe von Forschungsmitteln<br />

oder über die An- oder Abnahme einer Habilitationsschrift verfassen, sind<br />

nur eine kleine Untergruppe der <strong>wissenschaftlichen</strong> Gemeinschaft.<br />

Wissenschaftskommunikation erschöpft sich aber auch nicht für den<br />

„durchschnittlichen“ Wissenschaftler im Schreiben von Büchern <strong>und</strong><br />

Artikeln sowie im Ablesen von Vorträgen. Hier einige Beispiele:


3.1. Abstracts<br />

Eine wichtige, wenn auch kleine wissenschaftliche Gattung ist das<br />

Abstract, vor allem, wenn es - wie durchgängig in den<br />

Naturwissenschaften, aber immer mehr auch zum Beispiel in der Linguistik<br />

– Zugangsvoraussetzung für die aktive Teilnahme an Kongressen ist: die<br />

Begutachtung von vorweg eingereichten Abstracts dient hier der Annahme<br />

oder Ablehnung von Vorträgen, sie ist mithin ein „ticket“ für die<br />

Teilnahme am <strong>wissenschaftlichen</strong> Diskurs. Tabelle 1 (aus Busch-Lauer<br />

2006) zeigt exemplarisch Unterschiede auf, die in verschiedenen<br />

Fachgebieten <strong>und</strong> Sprachen durch die Analyse der Teiltextsegmente in<br />

Abstracts ermittelt wurden.<br />

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, folgen Abstracts, die auf Experimenten<br />

<strong>und</strong> Versuchen beruhen, einem festen Schema, nach dem zunächst die<br />

Forschungslücke aufgezeigt wird <strong>und</strong> danach die Zielstellung, das Material<br />

<strong>und</strong> die verwendete Methodik der Untersuchung vorgestellt werden, bevor<br />

schließlich die wichtigsten Ergebnisse diskutiert oder Konsequenzen für<br />

die weitere Forschung abgeleitet werden.


Tabelle 1:<br />

Übersicht zu den Teiltextsegmenten in verschiedenen Fachgebieten<br />

Autor Fachgebiet/Sprachen Teilsegmente<br />

A. Oldenburg<br />

(1997: 70–75):<br />

Hutz<br />

(1997: 107ff.)<br />

Ad-Hoc<br />

Working<br />

Group (1987)<br />

Pädagogik<br />

Maschinenbau<br />

Deutsch<br />

Englisch<br />

Sozialpsychologie<br />

Deutsch<br />

Englisch<br />

Medizin<br />

Englisch<br />

(1) Globale Charakterisierung<br />

<strong>des</strong> Forschungsfel<strong>des</strong> <strong>und</strong>/oder<br />

der Forschungssituation;<br />

(2) Hauptziel/Hauptuntersuchungsgegenstand<br />

der Arbeit;<br />

(3) Darstellung der Untersuchungsergebnisse;<br />

(4) Methoden/Modelle/Experimente/Verfahrensschritte;<br />

(5) Konsequenzen für die Forschung<br />

<strong>und</strong> Praxis.<br />

(1) Einführung in das Forschungsgebiet<br />

<strong>und</strong> Zielsetzung<br />

der Studie;<br />

(2) Angaben zu experimentellen<br />

<strong>und</strong> methodischen Gr<strong>und</strong>lagen;<br />

(3) Darlegung der wichtigsten<br />

Untersuchungsergebnisse;<br />

(4) Diskussion der Ergebnisse.<br />

Originalartikel: Objective, Design,<br />

Setting, Patients or Participants,<br />

Interventions, Main Outcome<br />

Measures, Results & Conclusion<br />

Das folgende Beispiel stammt aus der Technik.<br />

Beispiel 4:<br />

Bekanntermaßen führen Unterschiede in der Partikelgrößenverteilung von Pigmenten<br />

zu Unterschieden in der Teilchenpackung <strong>und</strong> in der Mikrostruktur von Papierstrichen<br />

(EINORDNUNG IN DAS FORSCHUNGSFELD). Es wurde bereits eine Vielzahl<br />

von Untersuchungen durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Strichstruktur <strong>und</strong><br />

Bedruckbarkeitseigenschaften zu ermitteln. Allerdings konzentrierte sich das Interesse<br />

überwiegend auf Modellpigmente oder relativ isotrope Pigmente, wie rhomboedrische<br />

PCC-Typen, während Arbeiten zur systematischen Bewertung von Kaolinen nur in<br />

minimalem Umfang vorliegen (AUFZEIGEN DER FORSCHUNGSLÜCKE). Bei der vorliegenden<br />

Untersuchung wurden an Kaolinstrichen die Veränderungen in der Strichstruktur


während <strong>des</strong> Glättvorgangs systematisch erforscht (REFERENZ AUF DIE ZIELE UND<br />

METHODEN DER EIGENEN UNTERSUCHUNG). <strong>Die</strong> Untersuchungen bezogen sich auch<br />

auf Veränderungen in der Oberflächenrauhigkeit, Partikelorientierung <strong>und</strong><br />

Porenstruktur <strong>des</strong> Strichs <strong>und</strong> diese Veränderungen wurden zum Farbwegschlag <strong>und</strong><br />

zur Druckglanzentwicklung in Beziehung gesetzt. Anschließend wurde bei einer Reihe von<br />

maßgeschneiderten Kaolinen die Beziehung zwischen Porenstruktur <strong>und</strong> Bedruckbarkeit<br />

untersucht (VERWENDETES UNTERSUCHUNGSVERFAHREN). <strong>Die</strong> Ergebnisse bestätigen<br />

die Bedeutung <strong>des</strong> Pigment<strong>des</strong>igns für eine optimale Bedruckbarkeit <strong>des</strong> Strichs<br />

(KURZDARSTELLUNG DES ERGEBNISSES UND SCHLUSSFOLGERUNG).<br />

Quelle: Druck <strong>und</strong> Druckindustrie, 2/2000; mit Kommentaren der Verfasserin in Kapitälchen<br />

<strong>Die</strong> Sätze 1–3 führen zur Forschungslücke, die die Untersuchung notwendig<br />

macht. Satz 4 beschreibt das Untersuchungs<strong>des</strong>ign. <strong>Die</strong> Sätze 5–6<br />

benennen die Faktoren, die untersucht wurden <strong>und</strong> ihren Zusammenhang.<br />

Satz 7 thematisiert schließlich die Konsequenzen <strong>des</strong> Untersuchungsergebnisses.<br />

3.2. PowerPoint<br />

In den letzten Jahren ist eine massive Ausbreitung von audiovisuellen<br />

Präsentationen zu beobachten. Durch die Vorherrschaft einer bestimmten<br />

Software-Gruppe werden diese Präsentationen nach deren Programm<br />

benannt: Wir reden gemeinhin von »PowerPoint-Präsentationen«, die die<br />

älteren Formaten wie etwa Folienpräsentationen mittels<br />

Tageslichtprojektor, Diaprojektor-gestützte Vorträge <strong>und</strong> so weiter<br />

weitgehend abgelöst haben.<br />

Günthner <strong>und</strong> Knobloch (2006: 62-3) haben diese Form der<br />

Kommunikation untersucht <strong>und</strong> die typischen Merkmale von PowerPoint-<br />

Präsentationen herausgearbeitet: „<strong>Die</strong> Präsentation zeichnet sich schon<br />

binnenstrukturell durch Besonderheiten aus. Als Bezugspunkt <strong>des</strong> Vortrags<br />

dienen visuelle Darstellungen, Schaubilder, Graphiken <strong>und</strong> Textausschnitte,<br />

die meist mittels eines Beamers für ein Präsenzpublikum simultan während<br />

<strong>des</strong> mündlichen Vortrages auf eine Leinwand projiziert werden. <strong>Die</strong>se<br />

Darstellungen folgen einer mittlerweile schon eingespielten Typik, die zwar<br />

von der Software geleitet ist, aber keineswegs von ihr determiniert wird<br />

(wie Tufte meint), da sie immerhin mit bestimmten außenstrukturellen<br />

Faktoren variiert: Naturwissenschaften neigen zum Bildlichen,


Geisteswissenschaften zum Text, die freie Wirtschaft zum Emblematischen<br />

(vergleiche Pötzsch <strong>und</strong> Schnettler 2006). Auch im binnenstrukturell<br />

Sprachlichen zeigen sich offenk<strong>und</strong>ige Unterschiede, zu denen zum einen<br />

die Check-Listen, also das Herunterspulen von items, wie sie die<br />

PowerPoint-Listen nahe legen, gehören. Ein weiteres Merkmal der<br />

PowerPoint-Vorträge ist auch das Item-Paraphrase-Format: Es wird ein<br />

Begriff oder Textausschnitt von einer – für alle sichtbar projizierten –<br />

Folie abgelesen <strong>und</strong> dann – häufig in einem ausgeprägt umgangssprachlichen<br />

Stil – paraphrasiert (Schnettler 2006). Hierbei kommt ein<br />

weiteres typisches Verfahren von PowerPoint-Präsentationen zum Tragen:<br />

Der Verweis auf das Bild. Ob mit Gesten, Zeigehandlungen oder<br />

Körperwendungen – ein ganzes performatives Arsenal dient dem Umstand,<br />

dass hier etwas präsentiert wird. <strong>Die</strong>se Performanz – ein Merkmal<br />

der situativen Realisierungsebene besteht vor allem darin, dass Bild <strong>und</strong><br />

gesprochenes Wort (seltener auch: <strong>des</strong> vorgelesenen gesprochenen Wortes,<br />

denn der typische Modus der Präsentation ist eine Art von »fresh talk«<br />

(Goffman 1981a [2005])) miteinander verb<strong>und</strong>en werden. Trotz Medialisierung<br />

ist es gerade der menschliche Körper, der gleichsam als Dreh- <strong>und</strong><br />

Angelpunkt die Verbindung zwischen beiden Ebenen leistet, die vor allem<br />

in den verschiedenen Formen <strong>des</strong> Zeigens (mit Fingern, Laserpointern<br />

oder Mauspfeilen) kulminiert.“ Nicht mehr der Sprecher, sondern das<br />

gebeamte Bild bildet den Fokus der visuellen Aufmerksamkeit bildet. <strong>Die</strong>s<br />

verändert die situative Struktur der Präsentation auf eine solche Weise,<br />

dass schon aus diesem Gr<strong>und</strong>e eine Differenz zum traditionellen Vortrag<br />

zu vermuten ist.<br />

3.3. Diskussionen nach dem Vortrag<br />

<strong>Die</strong>se Gattung hat ihre ganz besonderen Tücken. Auch hier sind die<br />

Gepflogenheiten von Anlass zu Anlass (großer Kongress, wo meist über<br />

Mikrofon eine Frage gestellt wird, kleiner Workshop mit informeller<br />

Verteilung <strong>des</strong> Rederechts, Diskussion nach einem Vortrag in einer Sektion<br />

einer Tagung, wo meist extremer Zeitdruck herrscht) recht unterschiedlich,<br />

<strong>und</strong> wieder unterscheiden sich die <strong>wissenschaftlichen</strong> Disziplinen. Mehr als<br />

sonst vielleicht in der Wissenschaftskommunikation tritt der Status <strong>des</strong>


oder der Fragenden in den Vordergr<strong>und</strong>; eine Frage einer internationalen<br />

Zelebrität nach dem Vortrag eines Anfängers kann aufbauend sein (in der<br />

Regel ist das so) oder ihn/sie in seiner weiteren Karriere massiv schädigen.<br />

Eine Frage eines Anfängers an einen hochberühmten Redner kann<br />

umgekehrt peinlich sein (wenn der Frage sich eine Autorität anmaßt, die er<br />

nicht hat) oder ihn zu einem Star machen. Es gibt in diesem Bereich also<br />

stillschweigende Regeln der Angemessenheit, die den Novizen nicht immer<br />

klar sind – schon, weil er oder sie vielleicht die Hierarchien <strong>und</strong> Netzwerke<br />

nicht gut kennt.<br />

Ein Beispiel für die formale Struktur von Diskussionsbeiträge<br />

diskutiert H. Baßler (2006). Es handelt sich dabei um den dritten<br />

Diskussionsbeitrag zu einem Vortrag bei der Tagung Familie <strong>und</strong> soziale<br />

Ungleichheit, in dem sich der Vortragende mit der damals aktuellen<br />

offiziellen Familien- <strong>und</strong> Gleichstellungspolitik der Bun<strong>des</strong>regierung<br />

auseinandersetzte <strong>und</strong> darin enthaltene Paradoxien herausstellte. <strong>Die</strong><br />

Situation ist die einer Sektion mit relativ wenig Teilnehmern <strong>und</strong> einer eher<br />

informellen Atmosphäre. Der Ausschnitt setzt in dem Moment ein, als der<br />

Moderator unmittelbar nach dem zweiten Diskussionsbeitrag einer<br />

weiteren Teilnehmerin (DI), die sich offensichtlich nonverbal bemerkbar<br />

machte, das Wort erteilt:<br />

Beispiel 8:<br />

01 MD:<br />

02 DI:<br />

03<br />

04<br />

05<br />

06<br />

07<br />

08<br />

09<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

ja bitte<br />

äh mein name is angelika (feingeld)<br />

ich bin vom max planck institut (hier) in stuttgart <strong>und</strong> ich hab<br />

auch eine frage zu ihren gesellschaftspolitischen forderungen.<br />

ihrer/(.) eine ihrer hauptforderungen war ja (.)<br />

ausbau der kinderbetreuung was ich erst mal sehr sympathisch<br />

finde.<br />

andererseits äh (-)<br />

ich weiß nicht ob dieses argument (nich) immer wieder überbewertet<br />

wird.<br />

wenn man sich zum beispiel (einstellung zu) kinderbetreuung in<br />

westdeutschland anguckt (-)<br />

sagen zum beispiel sehr viele frauen ja also kinderbetreuung is<br />

ne gute sache aber mein eigenes kind (.) das würd ich (nicht in<br />

die krippe geben). (-)<br />

<strong>und</strong> äh ob (--) da nicht einfach (-) über (-) das einfach<br />

überschätzt wird. die bedeutung von kinderbetreuung


18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23 VO:<br />

wenn man nich andere maßnahmen (.) äh mit einbezieht. nicht<br />

mit berücksichtigt (dass das) kinderbetreuungssystem in westdeutschland<br />

(--) nur ein teil eines ganzen systems is was frauen<br />

aus dem arbeitsmarkt äh (-) frauen nich aber frauen mit kindern<br />

aus=m arbeitsmarkt raus(hält).<br />

ja is sicherlich richtig dass die (-) tatsächliche […]<br />

Quelle: Freiburger Korpus zu deutschen <strong>und</strong> russischen Wissenschaftsgattungen<br />

Bassler analysiert das Beispiel wie folgt: „<strong>Die</strong> Erteilung <strong>des</strong> Rederechts<br />

lediglich mit der Formulierung ja bitte macht der Diskutantin deutlich, dass<br />

sie nicht zu dem inneren Kreis der Kommunikationsteilnehmer gehört, die<br />

durch regelmäßigen Kontakt miteinander vertraut sind, denn diese kennen<br />

sich namentlich (vergleiche auch Webber 2002: 246). <strong>Die</strong>s führt dazu, dass<br />

sich die Diskutantin zunächst einmal vorstellt: Zur Identifizierung wählt sie<br />

die syntaktisch vollständige Vorstellungsformel mein name is mit Vor- <strong>und</strong><br />

Familiennamen unter Zusatz ihrer beruflichen Wirkungsstätte. (In anderen<br />

Diskussionen, in denen der Moderator ebenfalls das Rederecht ohne<br />

namentliche Nennung zuweist, treten auch syntaktisch verkürzte Varianten<br />

auf, wie zum Beispiel rolf wudlik universität erfurt.) In der Einleitungsphase<br />

ihres Diskussionsbeitrags vollzieht die Diskutantin eine weitere<br />

thematische Aktivität, die bei vielen anderen Diskutanten ebenfalls zu<br />

beobachten ist: Mit der Formulierung ich hab auch eine frage zu ihren<br />

gesellschaftspolitischen forderungen klassifiziert sie zunächst ihren Redebeitrag.<br />

<strong>Die</strong> Klassifikation <strong>des</strong> eigenen Beitrags als Frage ist dabei recht typisch.<br />

Andere Möglichkeiten sind:<br />

– ich habe ne eher gesellschaftspolitische anmerkung<br />

<strong>und</strong> aus einer Konferenz über den deutschen Naturforscher <strong>und</strong> Weltumsegler<br />

Georg Forster:<br />

– gestatten Sie mir einige bemerkungen zu dem besuch auf der osterinsel<br />

(Ventola 2002a: 40);<br />

– ich wollt nur, nur eine kurze bemerkung (Ventola 2002b: 353).<br />

<strong>Die</strong> Einstufung <strong>des</strong> eigenen Beitrags als Frage oder als Anmerkung<br />

suggeriert, dass man den Vortragenden nicht attackieren möchte: Eine<br />

Frage suggeriert, dass der Diskutant auf seiner eigenen Seite ein<br />

Wissensdefizit entdeckt hat, dass er etwas noch nicht weiß. Macht man


dagegen eine Anmerkung oder Bemerkung, wird recht neutral eine<br />

thematische Ergänzung angedeutet. Zudem fokussieren die Diskutanten<br />

mit den daran angeschlossenen präpositionalen Elementen (zum Beispiel<br />

zu ihren gesellschafts-politischen forderungen) die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Referenten<br />

(<strong>und</strong> natürlich auch der übrigen Zuhörer) auf einen bestimmten Aspekt,<br />

den sie in ihrem Beitrag thematisieren möchten. Wie in unserem Beispiel<br />

geben die Diskutanten dann meist Aspekte aus dem Vortrag in ihren<br />

eigenen Worten wieder. Daher kommen hier auch häufig Ausdrücke <strong>des</strong><br />

Sagens vor, an die sich eine Redewiedergabe anschließt:<br />

– andererseits (-) ist der fall dass sie gesagt haben mittlere <strong>und</strong> höhere bildungsgruppen<br />

wurden befragt;<br />

– sie haben einerseits institutionalistische konzepte angesprochen (-) kulturalistische<br />

konzepte ähm (-);<br />

– äh du hast erzählt die alleinerziehenden (.) die mit ner anderen erwachsenen<br />

im haushalt leben werden als paare gekennzeichnet.<br />

Bei den wiedergegebenen Elementen handelt sich in der Regel um Interpretationen<br />

der Diskutanten, was sie durch Formulierungen anzeigen wie<br />

– ich wiederhol noch mal wie ich das verstanden habe;<br />

– wenn ich=s richtig verstanden hab;<br />

– so hab ich das verstanden.<br />

<strong>Die</strong> Diskutanten machen damit nicht nur ihre subjektive Perspektive<br />

deutlich, aus der sie den Vortrag gehört haben, sondern räumen den<br />

Vortragenden auch später die Möglichkeit ein, ihre interpretierten<br />

Ausführungen als Missverständnis vom Tisch zu wischen.<br />

Vor der Formulierung <strong>des</strong> eigentlichen Anliegens bewerten die<br />

Diskutanten häufig auch den Vortrag, zumin<strong>des</strong>t Aspekte daraus. In dem<br />

Ausschnitt oben bek<strong>und</strong>et die Diskutantin zum Beispiel zunächst einmal<br />

Sympathie mit der Forderung, die Kinderbetreuungsplätze auszubauen (was<br />

ich erst mal sehr sympathisch finde). <strong>Die</strong> Mitteilung von Nettigkeiten, zu denen<br />

auch das Lob der Verständlichkeit <strong>und</strong> der Überzeugungskraft oder die<br />

Signalisierung von Konsens gehören, sind aber nur eine Möglichkeit der<br />

Bewertung. Statt<strong>des</strong>sen kann nämlich auch direkt Kritik vorgebracht<br />

werden, wobei die Diskutanten Negatives selten explizit, sondern eher<br />

implizit formulieren <strong>und</strong> die kritische Äußerung erst aus dem Kontext<br />

deutlich wird. <strong>Die</strong>se klassische ja-aber-Strategie mit vorangestellter positiver<br />

Bewertung ist damit eine Höflichkeitsstrategie, mit der die Diskutantin


ihren nachfolgenden Einwand <strong>und</strong> damit die Kritik an dem Vortragenden<br />

abschwächt.<br />

Ab Zeile 9 formuliert die Diskutantin, worum es ihr eigentlich geht; das<br />

Argument <strong>des</strong> Vortragenden Erhöhung der Geburtenrate durch mehr<br />

Kinderbetreuungsplätze hält sie für überbewertet (ich weiß nicht ob dieses argument<br />

(nich) immer wieder überbewertet wird). Es handelt sich also um eine Kritik –<br />

was übrigens nach einer anderen Untersuchung von Diskussionsbeiträgen<br />

bei medizinischen Konferenzen für 30 Prozent der gestellten Fragen gilt<br />

(vergleiche Webber 2002: 230ff.). <strong>Die</strong> Kritik in unserem Fall tritt zwar<br />

durch Verwendung <strong>des</strong> Verbs überbewertet offen zu Tage. <strong>Die</strong> Diskutantin<br />

schwächt aber gleichzeitig ihren Einwand in mehrfacher Hinsicht ab: Sie<br />

formuliert ihn gerade nicht als kategorische Aussage (»<strong>Die</strong>ses Argument<br />

wird überbewertet«), sondern tarnt ihn als indirekte Frage, die abhängig ist<br />

von der Formulierung ich weiß nicht. Damit hält sie beide Möglichkeiten,<br />

Über- oder Unterschätzung <strong>des</strong> Arguments Kinderbetreuung, offen.<br />

Zudem wird durch die Ich-Perspektive der Einwand als subjektive Meinung<br />

dargestellt. Sie vermeidet damit einen harschen Angriff auf den<br />

Vortragenden. Eigentlich könnte es die Diskutantin bei dieser Frage<br />

bewenden lassen <strong>und</strong> ihren Beitrag abschließen. Das tut sie aber nicht.<br />

Statt<strong>des</strong>sen erläutert sie ihren Einwand mehrfach: <strong>Die</strong> erste Erläuterung hat<br />

die Funktion, den Einwand zu rechtfertigen. Sie stützt sich dabei auf Frauen,<br />

deren Einstellung gegen Kindertagesstätten in Form einer kollektiven<br />

Redewiedergabe dargestellt wird: sagen zum beispiel sehr viele frauen ja also<br />

kinderbetreuung is ne gute sache aber mein eigenes kind (.) das würd ich (nicht in die<br />

krippe geben).<br />

Nach dieser Rechtfertigung ihrer Position kommt die Diskutantin noch<br />

einmal auf ihr Anliegen zurück: (-) <strong>und</strong> äh ob (--) da nicht einfach (-) über (-) das<br />

einfach überschätzt wird. die bedeutung von kinderbetreuung. <strong>Die</strong>ses Mal wiederholt<br />

sie ihren Einwand aber bereits sicherer: zwar immer noch als untergeordnete<br />

Entscheidungsfrage, aber nicht mehr abhängig von einer übergeordneten<br />

Unsicherheitsformulierung wie beim ersten Mal. Und wieder<br />

schiebt sie zur Stützung <strong>des</strong> reformulierten Einwands eine weitere Rechtfertigung<br />

nach, dass nämlich Kinderbetreuung nur ein teil eines ganzen systems ist,<br />

was frauen mit kindern aus=m arbeitsmarkt raushält. <strong>Die</strong> Diskutantin macht also<br />

ihren Beitrag schrittweise verständlicher, stellt aber damit das anfänglich<br />

zaghaft, für den Vortragenden wenig gesichtsbedrohend vorgebrachte Anliegen<br />

durch Rechtfertigungen <strong>und</strong> Reformulierung auch immer eindring-


licher dar, so dass der Druck für den Vortragenden größer wird, sich<br />

intensiv mit dem Beitrag auseinanderzusetzen.<br />

In anderen Fällen werden statt<strong>des</strong>sen Gründe genannt, die dem<br />

Vortragenden erläutern, warum man eine Frage stellt: zum Beispiel weil<br />

man als Zuhörer etwas im Vortrag vermisst hat oder weil einem etwas<br />

unklar blieb:<br />

– in ihrem vortrag is=es gar nicht so: (.) zur sprache gekommen;<br />

– ähm zwei sachen sind mir noch nicht ganz klar geworden.<br />

Schaut man sich die Diskussionsbeiträge anderer Tagungen an, zum Beispiel<br />

die, die Webber (ebd.) bei zwei internationalen Medizinkongressen<br />

mit deutscher Beteiligung gesammelt hat, dann stellt man eine etwas andere<br />

Struktur der Diskussionsbeiträge fest. Hier kommen die Teilnehmer<br />

schneller, ohne Umschweife zur Sache. <strong>Die</strong>s hängt sicher auch mit der<br />

angesetzte Diskussionszeit zusammen: Bei den soziologischen Tagungen,<br />

aus denen die oben aufgeführten Beispiele stammen, wurde durchschnittlich<br />

pro Vortrag über zwölf Minuten diskutiert, während bei den Medizinkonferenzen<br />

lediglich fünf Minuten für die Diskussion vorgesehen waren.<br />

Webber (ebd.) untersucht in ihrem Material besonders die Fragetypen,<br />

die der Formulierung <strong>des</strong> Anliegens dienen: <strong>Die</strong> größte Gruppe machen<br />

bei ihr solche Fragen aus, mit denen die Diskutanten versuchen, noch<br />

mehr Informationen hervorzulocken, die über den Vortrag <strong>des</strong> Referenten<br />

hinausgehen (sogenannte »information-eliciting questions«). Dazu gehören<br />

zum einen Fragen der Art Könnten Sie x kommentieren beziehungsweise Was<br />

ist ihre Meinung zu/über x Zum anderen bilden Fragen wie Haben Sie versucht,<br />

x zu tun einen neutraleren Fragetyp. Webber stellt fest, dass dieser Fragetyp<br />

vor allem dann vorkommt, wenn die Vortragenden in ihrem Referat<br />

von Problemen sprachen, die sie noch nicht gelöst hatten. Implizit enthalten<br />

solche Fragen Vorschläge für den Vortragenden, wie er eventuell die<br />

angesprochenen Probleme lösen kann. <strong>Die</strong>ser Typ macht aber bei Webber<br />

(ebd.: 231) nur neun Prozent aus.“


4. Universalität <strong>und</strong> Kulturalität wissenschaftlicher Stile<br />

»Internationalität ist ein Wesenszug <strong>und</strong> ein Bedürfnis der Wissenschaft.«<br />

Mit diesem Satz leitet der Philosoph Jürgen Mittelstraß einen Aufsatz über<br />

die Internationalität von Wissenschaft ein (vergleiche Mittelstraß 2002).<br />

International sei Wissenschaft nicht nur, weil es wissenschaftliche Institutionen<br />

<strong>und</strong> damit wissenschaftliches Handeln praktisch in jeder Gesellschaft<br />

gebe (<strong>und</strong> diese Institutionen heutzutage in einer globalen Wissenschaftsszene<br />

miteinander vernetzt seien), sondern auch, weil immer mehr<br />

Probleme der heutigen Welt nur durch gemeinsames wissenschaftliches<br />

Handeln über nationale Grenzen hinweg gelöst werden könnten – man<br />

denke zum Beispiel an ökologische Probleme oder an die Kluft zwischen<br />

Industrienationen <strong>und</strong> Staaten der Dritten Welt.<br />

Jenseits dieser Herausforderungen, die von außen an die Wissenschaft<br />

herangetragen werden, hat sich auch in der Wissenschaftskommunikation<br />

selbst Einiges verändert. In jüngster Vergangenheit wird für jeden <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Arbeitenden die Tendenz zur Globalisierung immer deutlicher.<br />

Was für Naturwissenschaftler schon seit längerer Zeit gilt, ist inzwischen<br />

auch bei den geistes- <strong>und</strong> sozial<strong>wissenschaftlichen</strong> Disziplinen angekommen:<br />

Der Kontakt zwischen Wissenschaftlern über Lan<strong>des</strong>- <strong>und</strong> Sprachgrenzen<br />

wird immer normaler, der Wissenschaftsbetrieb unifiziert sich.<br />

Dazu haben neben verbilligten Reisemöglichkeiten <strong>und</strong> verstärkter elektronischer<br />

Zusammenarbeit auch die politischen Veränderungen seit den<br />

Achtzigerjahren beigetragen. <strong>Die</strong> Möglichkeiten, sich mit Kolleginnen <strong>und</strong><br />

Kollegen aus osteuropäischen Ländern zu treffen <strong>und</strong> mit ihnen zusammenzuarbeiten,<br />

sind heute wesentlich vielfältiger als noch vor 30 Jahren. In<br />

Europa wird die Integration neuer Länder in die Europäische Union diesen<br />

Prozess in den nächsten Jahren noch verstärken. Spezielle Programme<br />

nationaler Förderungsinstitutionen unterstützen die Internationalisierung<br />

der Wissenschaft. So investiert zum Beispiel die Volkswagen-Stiftung, die<br />

von Rainer Nicolaysen (2002: 1) als »leistungsstärkste wissenschaftsfördernde<br />

Stiftung in Deutschland« bezeichnet wird, zwischen zehn <strong>und</strong><br />

20 Prozent ihres jährlichen Finanzvolumens, das über 90 Millionen EURO<br />

beträgt (Zahlen nach Mittelstraß 2002: 470), in die Förderung international<br />

orientierter Forschung. Auch die nationale Einrichtung für Forschungsförderung<br />

DFG investiert in solche internationalen Programme.<br />

Das führt uns zum letzten der Klischees über Wissenschaftsstil: nämlich<br />

der Auffassung, dass wissenschaftliches Handeln universalen Prinzi-


pien folgt <strong>und</strong> damit auch die oben aufgeführten Stilprinzipien für wissenschaftliche<br />

Texte kulturunabhängig seien. Aus dem oben Gesagten ist allerdings<br />

schon abzuleiten, dass eine solche Kulturunabhängigkeit nur dann zu<br />

erwarten wäre, wenn Wissenschaftstexte wirklich ausschließlich der objektiven<br />

<strong>und</strong> wertungsfreien, exakten Übermittlung von Aussagen über die Welt<br />

dienten. Wir haben diese Auffassung bereits ausführlich kritisiert. Sobald<br />

aber Wissenschaft als ein Aggregat von Diskursen gesehen wird, die unterschiedlichen<br />

Regulierungsverfahren unterliegen <strong>und</strong> innerhalb derer sich<br />

die Wissenschaftler durchaus auch subjektiv positionieren, sobald Wissenschaft<br />

auch als ein Prozess gesehen wird, in der nicht jeder gleich gut zu<br />

Wort kommt <strong>und</strong> gleich gehört wird, wird Konformität mit den Normen<br />

<strong>des</strong> Diskurses zu einem wesentlichen Kriterium. Zahlreiche Studien<br />

belegen inzwischen, dass sich diese Normen in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen<br />

<strong>und</strong> in verschiedenen Wissenschaftskulturen durchaus<br />

unterscheiden (vergleiche etwa Hyland 1999; Ivanic 1998; Kotthoff<br />

2001; Kreutz/Harres 1997; Mauranen 1992; Breitkopf 2006; Sanderson<br />

2006). Wie stark sich das »Rezeptionsgebot« in Verweisen auf andere Autoren<br />

niederschlägt, wie sehr sich der Autor als Person in der Ich-Perspektive<br />

herausstellt, wie viel subjektive Modalität erlaubt ist, wie wichtig lineare<br />

Textstruktur <strong>und</strong> klare Argumentationslinie sind, welche Formen der Kritik<br />

erlaubt sind – diese <strong>und</strong> viele andere Merkmale wissenschaftlicher Texte<br />

sind unterschiedlich geregelt. <strong>Die</strong> kulturellen Differenzen auf diesem Gebiet<br />

sind weniger national, als nach kulturellen Wissenschaftsräumen organisiert:<br />

Zum Beispiel ließ sich zumin<strong>des</strong>t bis vor einigen Jahrzehnten in<br />

Europa ein deutsch-nordeuropäisch-osteuropäischer Stilraum von einem<br />

romanischen <strong>und</strong> einem angloamerikanischen unterscheiden. Inzwischen<br />

scheinen sich allerdings diese kulturellen Unterschiede anzugleichen, während<br />

die zwischen den Disziplinen weiterhin eine große Rolle spielen<br />

(Sanderson 2006). Für diese Angleichung ist der genannte Trend zu globalisierten<br />

<strong>wissenschaftlichen</strong> Märkten verantwortlich, die über internationale<br />

Publikationsorgane einen erheblichen Druck auf die alten kulturellen<br />

Schreibtraditionen ausüben <strong>und</strong> diese vereinheitlichen. Allerdings ist dabei<br />

der angloamerikanische Wissenschaftsstil nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> seiner<br />

Leserfre<strong>und</strong>lichkeit, vor allem aber natürlich als Konsequenz der beherrschenden<br />

Stellung US-amerikanischer Wissenschaftler in vielen Bereichen<br />

der Gewinner: Er setzt sich, zusammen mit der Publikationssprache<br />

Englisch, mehr <strong>und</strong> mehr durch <strong>und</strong> verdrängt die anderen <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Diskurs- <strong>und</strong> Stilgemeinschaften. Manche sehen das als eine Ver-


armung der Wissenschaft (vergleiche Graefen <strong>und</strong> Thielmann in diesem<br />

Band), andere betrachten die Unifizierung der Wissenschaften als Chance<br />

<strong>des</strong> weltweiten verstärkten Austauschs (vergleiche Ventola in diesem Band).<br />

Bei der Diskussion über diese Frage sollte man freilich nicht vergessen,<br />

dass wissenschaftliche Diskurse nie frei von Regeln der Darstellung <strong>und</strong><br />

der Präsentation waren, die inhaltliche Aspekte überlagert haben; <strong>und</strong> dass<br />

nie alle (National-) Sprachen als Wissenschaftssprachen akzeptiert wurden.<br />

Anhang: deutscher <strong>und</strong> russischer Wissenschaftsstil im<br />

Vergleich (aus: Breitkopf/Vassileva 2006)<br />

Unter der rhetorischen Struktur eines <strong>wissenschaftlichen</strong> Textes versteht<br />

man die Abfolge von <strong>und</strong> den Zusammenhang zwischen einzelnen thematischen<br />

Teilen im Text. <strong>Die</strong> rhetorische Struktur eines Textes kann zum<br />

Beispiel linear sein, wenn sich das Hauptthema über eine Kette aneinander<br />

geknüpfter Einzelthemen entfaltet. Von einer digressiven rhetorischen<br />

Struktur spricht man dagegen dann, wenn die Entwicklung <strong>des</strong> Hauptthemas<br />

durch die Einführung von Nebenaspekten unterbrochen wird<br />

(Clyne 1987). <strong>Die</strong>se Nebenaspekte haben keinen direkten Zusammenhang<br />

zum Hauptthema, dienen aber dazu, zusätzliche Informationen zu vermitteln,<br />

die in der Regel die Argumentation <strong>des</strong> Autors unterstützen. Osteuropäische<br />

Wissenschaftler scheinen in ihren Artikeln einen digressiven Textaufbau<br />

einem linearen vorzuziehen. Zu diesem Ergebnis kamen nicht nur<br />

Kaplan (1966), Galtung (1985), Čmejrkova/Daneš (1997) <strong>und</strong> Duszak<br />

(1997), sondern auch Punkki/Schröder (1989), die einen russischen soziologischen<br />

Artikel aus dem Jahr 1986 zur Problematik sowjetischer Industriebetriebe<br />

analysierten, der 1986 in der Zeitschrift Sociologičeskije issledovanija<br />

erschienen ist. In dem Aufsatz werden folgende Themen behandelt:<br />

<strong>Die</strong> Rolle der Soziologie in der sowjetischen Gesellschaft, Probleme der<br />

sowjetischen Planwirtschaft, Aspekte der Sozialplanung, die Rolle<br />

soziologischer Befragungen im Industriebetrieb, die Beteiligung der Werktätigen<br />

an der Leitung sozialer Prozesse im Industriebetrieb, Aspekte der<br />

Entlohnungssysteme sowie Fluktuation <strong>und</strong> Arbeitszufriedenheit. <strong>Die</strong><br />

Autoren stellten fest, dass die Teilthemen <strong>des</strong> Textes keinen expliziten Bezug<br />

zueinander haben <strong>und</strong> damit für den Leser kein klares thematisches


Zentrum bilden. Allenfalls lassen sich die einzelnen Themen unter Einbeziehung<br />

von Hintergr<strong>und</strong>wissen durch die Konstruktion eines übergeordneten<br />

Themas verbinden<br />

<strong>Die</strong> Tendenz, einen Text so zu schreiben, dass er nur auf der Basis gemeinsamen<br />

Hintergr<strong>und</strong>wissens verstanden werden kann, ist auch bei anderen<br />

russischen Soziologen zu beobachten (vergleiche Breitkopf 2005). <strong>Die</strong>s<br />

lässt sich am Beispiel der Verwendung von intensivierenden Modalwörtern<br />

wie конечно (selbstverständlich) oder естественно (natürlich) in russischen<br />

<strong>und</strong> deutschen Wissenschaftstexten verdeutlichen. <strong>Die</strong>se Modalwörter können<br />

sowohl am Anfang als auch in der Mitte eines Satzes vorkommen.<br />

Stehen sie im Deutschen am Anfang eines Satzes, so erwartet man eine<br />

konzessive Struktur: Gegen die so eingeleitete Meinung wird im Folgesatz<br />

eine andere gestellt, die der Verfasser vertritt (im Sinne der Konstruktion<br />

zwar […] aber):<br />

Beispiel 1:<br />

Natürlich können die Akteure, die zwischen Kooperation <strong>und</strong> Nicht-Kooperation<br />

wählen müssen, über Kommunikation im Dunstkreis <strong>des</strong> Nutzenkalküls<br />

eine Strategiekombination wählen, die zum Pareto-Optimum führt (Feld I).<br />

Nachdem sie aber miteinander vereinbart haben, zu kooperieren, steht jeder<br />

rationale Akteur im weiteren Handlungsverlauf vor der Wahl, ob er nun der<br />

Vereinbarung folgt oder nicht.<br />

Quelle: Aretz 1997<br />

Eine nahe liegende Lesart ist hier: Es ist zwar richtig, dass die Akteure<br />

zwischen Kooperation <strong>und</strong> Nicht-Kooperation wählen können; sie sind<br />

aber in ihren weiteren Handlungsentscheidungen frei.<br />

In russischen Wissenschaftstexten ist es hingegen durchaus möglich,<br />

dass die Modalwörter конечно oder естественно einen Satz einleiten, ohne<br />

einen Kontrast aufzubauen. <strong>Die</strong> Modalwörter funktionieren dann, im<br />

Wortsinn der Adverbien, nicht als Konzessivmarker sondern als Verweise<br />

auf geteiltes Hintergr<strong>und</strong>wissen, das der Leser mit dem Verfasser teilen<br />

sollte. <strong>Die</strong>ses Hintergr<strong>und</strong>wissen wird im Satz nicht explizit erläutert, dient<br />

aber als Mittel, um verschiedene thematische Teile zu verbinden:<br />

Beispiel 2:<br />

Конечно, Россия такая страна, где распространенные во всем мире понятия


и явления не могут рассматриваться так же, как в нормальном политическом<br />

и экономическом дискурсе. А значит, тем более необходимо проанализировать,<br />

что представляет собой современный средний класс, каковы<br />

его функции и состав, экономическая роль и идеология, в чем состоит<br />

особенность для российского общества, каковы перспективы его формирования<br />

и развития в России.<br />

Übersetzung:<br />

Natürlich ist Russland ein Land, in dem Begriffe <strong>und</strong> Erscheinungen, die in der<br />

ganzen Welt verbreitet sind, nicht so betrachtet werden können, wie es in einem<br />

normalen politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Diskurs geschieht. Deshalb ist es um<br />

so notwendiger zu analysieren, was die zeitgenössische Mittelschicht an sich<br />

darstellt, durch welche Funktionen, Bestandteile, wirtschaftliche Rolle <strong>und</strong> Ideologie<br />

sie gekennzeichnet ist, worin ihre Besonderheit für die russische Gesellschaft<br />

besteht, welche Perspektiven für ihre Herausbildung <strong>und</strong> Entwicklung in<br />

Russland vorhanden sind.<br />

Quelle: Belajeva 1996<br />

<strong>Die</strong> russische Verfasserin will sagen: »Wie wir alle wissen, ist Russland ein<br />

Land, in dem die üblichen gesellschaftlich-politischen Phänomene anders<br />

als in einem stabileren Land sind.« Aus diesem gemeinsamen Wissen<br />

werden nun (siehe in Beispiel 2: <strong>des</strong>halb) weitere Aussagen abgeleitet. Ein<br />

deutscher Leser würde nach dem ersten Satz hingegen ein folgen<strong>des</strong>, mit<br />

jedoch, trotzdem oder aber eingeleitetes Gegenargument erwarten.<br />

Auch in der Textgliederung osteuropäischer wissenschaftlicher Artikel<br />

lassen sich Unterschiede gegenüber der westlichen Tradition feststellen.<br />

Während die Texte angloamerikanischer <strong>und</strong> in der neuesten Zeit auch<br />

zunehmend kontinentalwesteuropäischer Natur- <strong>und</strong> Geisteswissenschaftler<br />

eine einheitliche sogenannte IMRD-Struktur aufweisen, die aus einer<br />

Einleitung (introduction), einer Methodendarstellung (methods), Ergebnissen<br />

(results) <strong>und</strong> einer abschließenden Diskussion (discussion) besteht (siehe<br />

Swales 1990; Graefen/Thielmann 2006), folgen die meisten Artikel<br />

osteuropäischer (russischer, bulgarischer, tschechischer, polnischer)<br />

Wissenschaftler nicht diesem Gliederungsmuster. Nicht selten kommt es<br />

vor, dass die osteuropäischen Texte keine markierte Gliederung in Form<br />

von Kapitelüberschriften aufweisen. Außerdem können die Anzahl der<br />

Kapitel sowie ihre Überschriften – falls sie vorkommen – von Verfasser zu<br />

Verfasser stark variieren (Prozorova 1997; Vassileva 1995; 2000; Čmejrkova/Daneš<br />

1997; Duszak 1997).


Zum Metadiskurs zählen Konstruktionen, mit deren Hilfe der Autor über<br />

den Aufbau <strong>des</strong> Textes informiert, so dass der Leser einen Überblick über<br />

die gesamte Textstruktur sowie über die einzelnen Textteile bekommt.<br />

Metadiskursive Konstruktionen sind zum Beispiel Verweise auf das, was<br />

im Text demnächst kommt, wie im Folgenden, im nächsten Kapitel, oder auf<br />

das, was bereits gesagt wurde, zum Beispiel wie bereits erwähnt (vergleiche<br />

auch Graefen/Thielmann in diesem Band). Außerdem zählen dazu Signale<br />

<strong>des</strong> Themenwechsels zum Beispiel in Form von Fragen (Wie sehen nun die<br />

Ergebnisse für die zweite Kohorte aus) <strong>und</strong> natürlich Überschriften beziehungsweise<br />

Kapitelbezeichnungen (Crismore 1984; Vande Kopple 1988). Typisch<br />

für Artikel osteuropäischer (russischer, bulgarischer <strong>und</strong> tschechischer)<br />

Wissenschaftler sind explizite Markierungen <strong>des</strong> Themenwechsels wie zum<br />

Beispiel Переходим собственно к нашим наблюдениям над употреблением слов<br />

(Wir gehen eigentlich nun zu unseren Beobachtungen zum Wortgebrauch<br />

über) (Vanhala-Aniszewski 2001). Verweise auf das Kommende oder auf<br />

das bereits Gesagte als Zeichen thematischer Übergänge, die zur Textgliederung<br />

beitragen, kommen jedoch selten vor. In den Texteinleitungen<br />

fehlen oft Ankündigungen <strong>des</strong> allgemeinen Themas <strong>des</strong> Artikels, wie sie in<br />

der westlichen Diskurstradition üblich sind (Čmejrkova/Daneš 1997: 53;<br />

Vassileva 2000; Vanhala-Aniszewski 2001). Das heißt, dass mikro-textuelle<br />

metadiskursive Ausdrücke, die die Übergänge zwischen kleineren thematischen<br />

Teilen markieren, typischer für die Texte osteuropäischer Wissenschaftler<br />

sind als Konstruktionen, die sich auf die Makroebene <strong>des</strong> Texts<br />

beziehen.<br />

Eine weitere Besonderheit <strong>des</strong> osteuropäischen Wissenschaftsstils betrifft<br />

die Titel wissenschaftlicher Beiträge. Im Gegensatz zur angloamerikanischen<br />

Tradition, in der versucht wird, bereits mit den Titeln das Interesse<br />

<strong>des</strong> Lesers/Hörers zu wecken, machen osteuropäische Wissenschaftler<br />

weniger Werbung für ihren Beitrag. Sie deuten vielmehr nur den theoretischen<br />

Rahmen <strong>des</strong> Beitrags an (vergleiche Yakhontova 2002). Für die<br />

Titel englischsprachiger Wissenschaftler sind zum Beispiel Doppelpunkt-<br />

Konstruktionen typisch, die das Interesse <strong>des</strong> Lesers auf konkrete Themen<br />

fokussieren, wie zum Beispiel Adjectives or pronouns: the status of pronominal<br />

possessives. Zusätzlich können darin Wortspielereien vorkommen: A new<br />

metaphor for metaphor: evidence for a single dynamic metaphorical category. In den<br />

Titeln russischer <strong>und</strong> ukrainischer Wissenschaftler kommen solche Doppelpunkt-Konstruktionen<br />

fast nie vor. <strong>Die</strong> Titel beginnen statt<strong>des</strong>sen mit<br />

Präpositionen к (zu) oder о (über) <strong>und</strong> stellen eine manchmal detaillierte


Beschreibung <strong>des</strong> theoretischen Rahmens <strong>des</strong> Beitrages dar: О некоторых<br />

номинациях в концептосфере русского языка (Zu einigen Nominierungen im<br />

Konzeptbereich der russischen Sprache). Solche Konstruktionen können<br />

auch zu detailliert sein, um dem Leser eine klare <strong>und</strong> knappe Vorstellung<br />

über das Thema <strong>des</strong> Beitrags zu vermitteln (siehe auch Busch-Lauer 2005:<br />

339 zu Zwischenüberschriften der Dissertationsabschnitte). Somit scheinen<br />

solche Titel weniger geeignet zu sein, das Interesse <strong>des</strong> Lesers für den<br />

Beitrag zu wecken. Möglicherweise ist diese Tendenz zur Vermeidung der<br />

Eigenwerbung osteuropäischer Wissenschaftler auf fehlende Erfahrungen<br />

im Wettbewerbsverhalten zurückzuführen, die die sozialistische Wissenschaftskultur<br />

charakterisierte (vergleiche Toren 1988). <strong>Die</strong>s hat damit zu<br />

tun, dass es während der Sowjetzeit in sozialistischen Ländern keine<br />

Arbeitslosigkeit gab, weil der Staat allen Bürgern Arbeitsplätze garantierte.<br />

<strong>Die</strong> Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt war daher unbekannt.<br />

Unter Subjektivität versteht man Verweise auf die Präsenz <strong>des</strong> Autors im<br />

Text. Sie werden vor allem durch Personalpronomina wie ich, wir <strong>und</strong> die<br />

entsprechenden Possessivpronomina wie mein – beziehungsweise unser – realisiert.<br />

Nach traditioneller Vorstellung sollten Personalpronomina in <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Texten vermieden werden (siehe zum Beispiel Foucault<br />

1977: 126; Weinrich 1990: 8ff.). <strong>Die</strong> Vermeidung der Personenreferenz<br />

beziehungsweise das Ersetzen der Personalpronomina durch Passiv- oder<br />

man-Konstruktionen soll den Eindruck vermitteln, das dargestellte Wissen<br />

sei objektiv <strong>und</strong> existiere unabhängig vom Forscher als Individuum. <strong>Die</strong><br />

neusten Studien zu Wissenschaftsstilen zeigen jedoch, dass die Verwendung<br />

von ich, mein- <strong>und</strong> ähnlichen Pronomina längst kein Tabu mehr ist<br />

(Hyland 1999; 2001; 2002). Insbesondere in der angloamerikanischen Kultur<br />

ist diese subjektive Ausdrucksweise verbreitet. Im osteuropäischen Wissenschaftsdiskurs<br />

scheint hingegen die persönliche Ausdrucksweise (noch)<br />

weniger akzeptiert zu sein.<br />

<strong>Die</strong> Tendenz zur unpersönlichen Schreibweise wird vor allem in den<br />

Texten osteuropäischer Wissenschaftler sichtbar, die bis Ende der achtziger<br />

Jahre veröffentlicht wurden (siehe Punkki/Schröder 1989; Wiese 1989;<br />

Vassileva 1998; 2000; Stănescu 2003). Wie Beispiel 3 aus einem russischen<br />

soziologischen Text zeigt, werden Formen wie ich <strong>und</strong> mein selbst dann<br />

vermieden, wenn es um den Ausdruck der persönlichen Meinung <strong>des</strong><br />

Verfassers geht. Statt <strong>des</strong>sen verwenden selbst Einzelautoren Konstruktionen<br />

wie мы думаем (wir glauben) oder на наш взгляд (aus unserer Sicht).


Beispiel 3:<br />

Меньшая степень удовлетворенности ориентированных только на свободное<br />

время, на наш взгляд, связана с несоответствием между высокими запросами<br />

и реальными возможностями использования свободного времени.<br />

Übersetzung:<br />

Ein niedrigeres Niveau der Befriedigung bei denjenigen, die sich nur an die<br />

Freizeit orientieren, ist, unserer Meinung nach, mit der Diskrepanz zwischen den<br />

hohen Ansprüchen an <strong>und</strong> den tatsächlichen Möglichkeiten zur Nutzung der<br />

Freizeit verb<strong>und</strong>en.<br />

Quelle: Patrušev 1979<br />

Mit diesem Wir bewirkt der Autor – wie mit dem Passiv- oder man-<br />

Konstruktionen –, dass er als Subjekt in den Hintergr<strong>und</strong> tritt. Vermutlich<br />

wurde diese unpersönliche Schreibweise in der osteuropäischen Wissenschaftstradition<br />

zusätzlich durch die dominierende Rolle der kommunistischen<br />

Ideologie begünstigt, in der das Kollektiv über den Einzelnen<br />

gestellt wurde.<br />

Wissenschaftliche Texte, die in den neunziger Jahren, also nach dem<br />

Zusammenbruch <strong>des</strong> sozialistischen Systems in Osteuropa, erschienen<br />

sind, weisen eine deutliche Tendenz zur Aufhebung <strong>des</strong> unpersönlichen<br />

Stils auf. Ich <strong>und</strong> mein sind kein Tabu mehr, statt wir glauben zu schreiben,<br />

wählen osteuropäische Wissenschaftler zunehmend Konstruktionen wie ich<br />

glaube, ich denke (vergleiche zum Beispiel für das Russische Breitkopf 2006).<br />

Man kann also von einem stilistischen Wandel sprechen, der sehr wahrscheinlich<br />

auf die gesellschaftspolitische Veränderung <strong>und</strong> auf die Intensivierung<br />

der Kontakte zu westlichen Wissenschaftlern zurückzuführen ist.<br />

Trotzdem wird die wir-Form in den Texten osteuropäischer Wissenschaftler<br />

immer noch häufiger als in den westlichen <strong>wissenschaftlichen</strong> Texten<br />

verwendet. Typisch für den russischen <strong>wissenschaftlichen</strong> Stil sind zum<br />

Beispiel Konstruktionen wie betrachten wir, schauen wir uns an, nun gehen wir zu<br />

folgendem Beispiel über, die den Leser durch den Text leiten <strong>und</strong> das nächste<br />

Thema einführen (siehe den Abschnitt Metadiskurs). Hierzu ein Beispiel<br />

aus einem russischen soziologischen Artikel:<br />

Beispiel 4:<br />

Присмотримся к тому, как происходит инсценирование новых культурных


стилей. Возьмем, например, стиль хиппи.<br />

Übersetzung:<br />

Schauen wir uns genauer an, wie die Inszenierung neuer Kulturstile abläuft.<br />

Nehmen wir als Beispiel den Hippie-Stil.<br />

Quelle: Ionin 1995<br />

<strong>Die</strong>ses Wir schließt sowohl den Autor selbst als auch den Leser ein. <strong>Die</strong><br />

Leser werden quasi mit in den Argumentationsprozess einbezogen (Breitkopf<br />

2006). Zu einer weiteren Anhäufung der wir-/unser-Formen kommt<br />

es zumin<strong>des</strong>t in einigen russischen soziologischen Texten dadurch, dass die<br />

Soziologen auch häufiger die ganze Gesellschaft beziehungsweise Nation<br />

thematisieren: наша история (unsere [das heißt russische; die Verfasserinnen]<br />

Geschichte), наш средний класс (unsere Mittelschicht). Der Verfasser<br />

verweist damit auf eine Gruppe, der auch er angehört (Breitkopf 2006).<br />

Möglicherweise hängt diese Verwendung der Personal- <strong>und</strong> Possessivpronomina<br />

der ersten Person Plural mir der wachsenden Selbstwahrnehmung<br />

Russlands als Nation zusammen, die im Laufe der gesellschaftspolitischen<br />

Veränderungen den früher propagierten Internationalismus ersetzt hat.<br />

Höflichkeit spielt im Alltag, aber auch in der <strong>wissenschaftlichen</strong> Kommunikation<br />

eine wichtige Rolle (Myers 1989). Wie offen darf ein Wissenschaftler<br />

seine Gegner bei einer Diskussion oder in einer Publikation kritisieren<br />

Wie kann man mögliche Kritik seitens der Leser oder Hörer vermeiden<br />

Wie kategorisch dürfen wissenschaftliche Behauptungen sein Welche<br />

Form der Kritik kann für andere Wissenschaftler beleidigend sein <strong>Die</strong>se<br />

Fragen werden durch Höflichkeitskonventionen geregelt, die je nach Kultur<br />

recht stark variieren können.<br />

<strong>Die</strong> bisherigen Studien haben ergeben, dass im osteuropäischen <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Diskurs nicht dieselben Höflichkeitsregeln wie im westlichen<br />

gelten. Offene Kritik scheint wenig angebracht zu sein, positive oder neutrale<br />

Stellungnahmen gegenüber fremden Behauptungen sind hingegen<br />

üblicher. So gilt in russischen <strong>wissenschaftlichen</strong> Texten ein zurückhaltender<br />

Umgang mit Kritik als höflich. Wenn russische Wissenschaftler zum<br />

Beispiel Rezensionen schreiben, sind sie sehr sparsam mit negativen Bewertungen<br />

<strong>und</strong> großzügig mit Lob (Grimm 1999). Auch in <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Artikeln ist die explizite Kritik an fremden Autoren eher selten<br />

(Baßler 2003).


<strong>Die</strong> seltenen kritischen Äußerungen osteuropäischer Wissenschaftler<br />

haben möglicherweise zur Folge, dass vom Leser/Hörer beziehungsweise<br />

der Wissenschaftsgemeinschaft ebenfalls weniger Kritik erwartet wird. <strong>Die</strong>s<br />

führt zur Verwendung eher kategorischer Formulierungen. Eine vorsichtige<br />

Ausdrucksweise, die möglicher Kritik vorbeugt, ist dementsprechend<br />

weniger üblich als im Westen. <strong>Die</strong>se Tendenz zur kategorischen Ausdrucksweise<br />

kann – besonders in den Geisteswissenschaften – erneut auf<br />

die frühere dominierende Rolle <strong>des</strong> Marxismus zurückgeführt werden. In<br />

den von der marxistischen Monokultur dominierten Diskursgemeinschaften<br />

war es unüblich, Gleichgesinnte zu kritisieren; nur ideologische Gegner<br />

(Vertreter bourgeoiser Wissenschaften) durften attackiert werden. Außerdem<br />

war eine tentative, unsichere Ausdrucksweise für überzeugte Marxisten<br />

unangebracht. <strong>Die</strong>se Sichtweise wird dadurch unterstützt, dass sich in<br />

den <strong>wissenschaftlichen</strong> Texten nach der Transformation eine Tendenz zu<br />

einer weniger kategorischen, also vorsichtigeren Ausdrucksweise zeigt.<br />

<strong>Die</strong>s kann auf die Pluralisierung der osteuropäischer Wissenschaftsgemeinschaften<br />

sowie auf den Einfluss westlicher Traditionen zurückzuführen<br />

sein. Was also für westliche Wissenschaftler durchaus akzeptabel ist (Grimm<br />

1999; Breitkopf 2006), kann von ihren osteuropäischen Kollegen als unhöflich<br />

empf<strong>und</strong>en werden. Dasselbe gilt auch umgekehrt.<br />

Zur Höflichkeit gehört auch die Vermeidung zu kategorischer Behauptungen<br />

im Text. Eine stark kategorische Behauptung kann für den Verfasser<br />

gesichtsbedrohend wirken, weil er sich damit anmaßt, die alleinige<br />

Wahrheit zu kennen <strong>und</strong> eventuell sogar die Überzeugung seiner Leser<br />

(anderer Wissenschaftler) indirekt in Frage stellt (siehe zum Beispiel Myers<br />

1989; Namsaraev 1997). Um eine Behauptung weniger kategorisch zu<br />

machen, werden <strong>des</strong>halb in <strong>wissenschaftlichen</strong> Texten abschwächende Ausdrücke<br />

wie vielleicht, möglicherweise, man kann sagen <strong>und</strong> ähnliche verwendet.<br />

<strong>Die</strong>s lässt sich an einem Beispiel aus einem deutschen soziologischen Text<br />

erläutern:<br />

Beispiel 5:<br />

Vielleicht ist dies der richtige Zeitpunkt, diesem soziokulturellen Phänomen<br />

etwas mehr sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit zu widmen, als das bisher<br />

der Fall war. Zwar gibt es eine reichhaltige <strong>und</strong> verzweigte Literatur über das<br />

Auto – auf eine soziologische Diskurstradition kann man sich jedoch nicht<br />

stützen.<br />

Quelle: Burkart 1994


Der Verfasser erklärt hier, warum er sich in seinem Artikel mit dem Thema<br />

Auto auseinandersetzt <strong>und</strong> begründet seine Auswahl dadurch, dass diesem<br />

Thema im soziologischen Diskurs bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt<br />

wurde. Um diejenige Soziologen nicht anzugreifen, die es versäumt<br />

haben, über die gesellschaftliche Rolle <strong>des</strong> Autos zu forschen, obwohl der<br />

richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist, schwächt der Verfasser seine<br />

Aussage durch das Modalwort vielleicht ab. Ohne das Modalwort wäre die<br />

Aussage zu kategorisch.<br />

In den Texten westlicher Wissenschaftler ist dies eine übliche Praxis. In<br />

russischen Artikeln kommen diese abschwächenden Ausdrücke deutlich<br />

seltener vor. Viel häufiger werden Behauptungen mit Ausdrücken wie<br />

разумеется (selbstverständlich), несомненно, безусловно (zweifelsohne), можно с<br />

уверенностью сказать (man kann mit Sicherheit sagen) versehen, was dazu<br />

führt, dass die russischen Texte im Vergleich zu den deutschen insgesamt<br />

kategorischer wirken (Breitkopf 2006):<br />

Beispiel 6:<br />

Основной »образовательной« проблемой книги можно, безусловно, считать<br />

проблему первичной и вторичной социализации, которую Бергер и Лукман<br />

исследуют весьма продуктивно.<br />

Übersetzung:<br />

Als wesentliches »bildungsbedingtes« Problem dieses Buches kann man zweifellos<br />

das Problem der primären <strong>und</strong> der sek<strong>und</strong>ären Sozialisierung ansehen, das<br />

Berger <strong>und</strong> Luckmann recht produktiv erforschen.<br />

Quelle: Zborovskij 1997<br />

Auch in Artikeln bulgarischer Wissenschaftler erscheinen abschwächende<br />

Formulierungen seltener als zum Beispiel in den Texten englischsprachiger<br />

Wissenschaftler (Vassileva 1997; 2001).


Zitierte Literatur<br />

Baßler, Harald (2002), »Definierte Wörter. Fachsprachliche Terminologie«, in: Dittmann,<br />

Jürgen/Schmidt, Claudia (Hgg.), Über Wörter – Gr<strong>und</strong>kurs Linguistik, Freiburg<br />

im Breisgau, 211–231.<br />

— (2006), »Diskussionen nach Vorträgen bei <strong>wissenschaftlichen</strong> Tagungen«, in:<br />

Auer, Peter/Baßler, Harald (Hg.), Reden <strong>und</strong> Schreiben in der Wissenschaft.<br />

Frankfurt, 133-156.<br />

Bazerman, Charles (1988a), Rhetoric of the Human Sciences, Madison/Wis.<br />

Bourdieu, Pierre (1988), Homo academicus, Frankfurt am Main.<br />

— (1998), Vom Gebrauch der Wissenschaft: für eine klinische Soziologie <strong>des</strong> <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Fel<strong>des</strong> (Edition discours; 12), Konstanz.<br />

Breitkopf, Anna (2005), »Hegding in deutschen <strong>und</strong> russischen <strong>wissenschaftlichen</strong><br />

Aufsätzen: sprachliche <strong>und</strong> funktionale Unterschiede«, in: Wolff, Armin/Riemer,<br />

Claudia/Neubauer, Fritz (Hgg.), Sprache lehren – Sprache lernen (Materialien Deutsch<br />

als Fremdsprache; 74), Regensburg, 293–325.<br />

— (2006), Wissenschaftsstile im Vergleich: Subjektivität in deutschen <strong>und</strong> russischen Zeitschriftenartikeln<br />

der Soziologie, Freiburg im Breisgau.<br />

— / Vassileva, Irena (2006), »Osteuroäischer Wissenschaftsstil«, in: Auer,<br />

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