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Prof. Dr. Daniel RUBIN - Gesellschaft für Versicherungsfachwissen

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<strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Versicherungsfachwissen</strong><br />

29.06.2011<br />

Obligatorische<br />

Haftpflichtversicherung <strong>für</strong> Ärzte<br />

Ass.-<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Daniel</strong> Rubin<br />

Universität Wien<br />

daniel.rubin@univie.ac.at


A. § 52d ÄrzteG, § 26c ZÄG und § 5c KAKuG<br />

– Übersicht<br />

I. Seit 19. August 2010 obligatorische Haftpflichtversicherungen <strong>für</strong>:<br />

1. Krankenanstalten (§ 5c KAKuG)<br />

Ausnahme: Betreiber = Körperschaft öffentlichen Rechts oder eine in<br />

deren Eigentum stehende juristische Person.<br />

2. jede freiberufliche ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit (§ 52d<br />

ÄrzteG und § 26c ZÄG)<br />

II. Übergangsregelung<br />

Versicherungspflicht erst ab 19. August 2011 <strong>für</strong><br />

• Ärzte/Gruppenpraxen, die am 19.8.2010 bereits in die Ärzteliste<br />

eingetragen waren<br />

• Betreiber von Krankenanstalten mit am 19.8.2010 rechtskräftiger<br />

Betriebsbewilligung


B. Ausnahmen von der Versicherungspflicht<br />

• nicht freiberuflich tätige Ärzte = angestellte Ärzte (§ 46<br />

ÄrzteG), insb in Krankenhäusern)<br />

• freiberufliche Ärzte außerhalb Ihrer freiberuflichen Tätigkeit,<br />

zB Erste Hilfe an einem Bewusstlosen (§ 48 ÄrzteG)<br />

• nichtärztliche Heilberufe: zB Apotheker, Physio- und<br />

Psychotherapeuten (Heilmasseur)


C. Versicherungspflicht –<br />

allgemeine Grundsätze<br />

I. Zweck<br />

Entschärfung des erhöhten Haftungsrisiko (bestimmter)<br />

gefahrengeneigter Tätigkeiten:<br />

ratio: Geschädigtenschutz<br />

späte Versicherungspflicht <strong>für</strong> Ärzte/Spitäler<br />

II. Rechtsfolgen<br />

1. versicherungspflichtige Tätigkeit darf ohne<br />

Haftpflichtversicherung nicht ausgeübt werden<br />

Berufsausübungsverbot ( Holzgruber)<br />

2. Anwendung der §§ 158c ff VersVG<br />

(Leistungspflicht trotz kranken Versicherungsverhältnisses)


D. Inhalt der Versicherungspflicht nach<br />

§ 52d ÄrzteG et al –Überblick<br />

• Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall:<br />

zwei Mio €.<br />

• Zulässiges Haftungshöchstlimit pro Versicherungsjahr<br />

(aggregate limits)<br />

– mindestens: 6 Mio €<br />

– Ärzte-GmbH / Krankenanstalt: mind 10 Mio €


E. Subjektiver Anwendungsbereich der<br />

Versicherungspflicht<br />

I. Krankenanstalten<br />

„haben zur Deckung der aus ihrer Tätigkeit entstehenden Schadenersatzansprüche<br />

eine Haftpflichtversicherung … abzuschließen“ (§ 5c Abs 1<br />

KAKuG)<br />

• 2 Haftpflichtige bei Behandlungsfehlern:<br />

1. Deliktische Haftung des behandelnden Arztes, Schwester etc gem<br />

§ 1325 ABGB<br />

2. Haftung des Spitalsträgers gem § 1313a ABGB: Verletzung des<br />

Behandlungsverhältnisses durch Erfüllungsgehilfen<br />

• beschränkter Geschädigtenschutz:<br />

2 Mio Versicherungssumme / 10 Mio aggregate limits:<br />

Nur Ersatzpflichten des Spitals aus Behandlungsverhältnis gedeckt


Subjektiver Anwendungsbereich<br />

II. Ärzte<br />

1. „Freiberufliche ärztliche Tätigkeit“ (§ 52d Abs 1 ÄrzteG)<br />

= nicht „im Rahmen eines Dienstverhältnisses“<br />

(§ 3 Abs 2 u § 31 Abs 1 u 2 ÄrzteG)<br />

= unternehmerische Tätigkeit (§ 1 KSchG)


Subjektiver Anwendungsbereich<br />

2. Fälle freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit:<br />

a. Arzt als Einzelunternehmer<br />

• als niedergelassener Arzt: Einzelordination (§ 45 ÄrzteG) oder<br />

• Ordinations- bzw Apparategemeinschaft (§ 52 ÄrzteG)<br />

= rechtlich selbständige Ärzte teilen Räumlichkeiten/Apparate<br />

• als Wohnsitzarzt (§ 47 ÄrzteG)<br />

jeder Arzt:<br />

o Mindestversicherungssumme: 2 Mio €<br />

o aggregate limits: 6 Mio €<br />

kein Unterschied, ob Einzelordination oder Ordinationsgemeinschaft<br />

mit anderem Arzt


. Gruppenpraxis (§ 52a ÄrzteG)<br />

Subjektiver Anwendungsbereich<br />

= gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss zu Ärzte-OG / Ärzte-GmbH<br />

• Ärzte-GmbH<br />

o Versicherungspflicht <strong>für</strong> <strong>Gesellschaft</strong> und Arzt<br />

Gesetz: keine ausdrückliche Antwort („bei einer Gruppenpraxis“)<br />

Versicherungspflicht nur <strong>für</strong> Ärzte-OG / Ärzte-GmbH<br />

nur sie sind freiberuflich = als Unternehmer tätig<br />

keine strengere Versicherungspflicht als bei Krankenanstalten<br />

Ergebnis: Versicherungspflicht nur 1x auf 2 Mio /10 Mio aggregate limits<br />

unabhängig von Anzahl der Ärzte<br />

o aber Haftpflichtversicherung der <strong>Gesellschaft</strong>erstellung<br />

= zwingende Mitversicherung von Schadenersatzansprüchen, „die gegen einen<br />

Arzt auf Grund seiner <strong>Gesellschaft</strong>erstellung bestehen.“ (§ 52d Abs 3 S 1 ÄrzteG)<br />

kein Schadenersatz des GmbH-<strong>Gesellschaft</strong>ers sinnvoll denkbar<br />

historische Auslegung: Vorbild: § 21a Abs 3 RAO<br />

Versicherung der Haftung der Anwälte als <strong>Gesellschaft</strong>er bei<br />

Rechtsanwalts-Partnerschaft = nur OG oder KG!<br />

Ergebnis: Mitversicherung der Schadenersatzpflichten auf Grund der<br />

<strong>Gesellschaft</strong>erstellung: nicht bei Ärzte-GmbH, sondern bei Ärzte-OG!


Subjektiver Anwendungsbereich<br />

• Ärzte-OG<br />

1. Versicherung des eigenen Haftpflichtrisikos:<br />

2 Mio/6 Mio<br />

2. Zusätzlich: Mitversicherung des <strong>Gesellschaft</strong>er-Risikos<br />

(§ 128 UGB)<br />

pro <strong>Gesellschaft</strong>er zusätzliche 2 Mio/6 Mio aggregate<br />

limits


F. Unbeschränkte Nachhaftung<br />

Inhaltsverbot: „Der Ausschluss oder eine zeitliche<br />

Begrenzung der Nachhaftung des Versicherers ist<br />

unzulässig.“ (§ 52d Abs 5 S 1 ÄrzteG) (Fitsch)


G. Querfinanzierungsverbot<br />

„Bei der Festlegung der Versicherungsbedingungen sind die<br />

fachspezifischen Prämien zu berücksichtigen.“ (§ 52d Abs 2 lS<br />

ÄrzteG)<br />

= Gebot risikoadäquater Prämien <strong>für</strong> das jeweilige ärztliche<br />

Fach<br />

= Verbot der Querfinanzierung teurer fachärztlicher Risken durch<br />

billige<br />

= gesetzliches Inhaltsverbot Teilnichtigkeit in Höhe der<br />

Überteuerung


H. Direktanspruch (§ 52d Abs 6 ÄrzteG)<br />

„Der geschädigte <strong>Dr</strong>itte kann den ihm zustehenden<br />

Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden<br />

Versicherungsvertrages auch gegen den Versicherer<br />

geltend machen. Der Versicherer und der ersatzpflichtige<br />

Versicherte haften als Gesamtschuldner.“<br />

(§ 52d Abs 6 ÄrzteG, § 26c Abs 6 ZÄG und § 5c Abs 3<br />

KAKuG)


1. § 158c VersVG<br />

Fiktion der Deckungspflicht:<br />

I. Krankes / unwirksames<br />

Versicherungsverhältnis<br />

• Abs 2:<br />

Deckungspflicht, obwohl kein Versicherungsverhältnis (mehr) existiert<br />

Deckungspflicht endet 1 Monat nach Anzeige des Nichtbestehens oder<br />

Erlöschens der Versicherung an die „zuständigen Stelle“:<br />

2. § 52d ÄrzteG<br />

Zuständige Stelle iSd § 158c Abs 2 VersVG: = Österreichische<br />

Ärztekammer:<br />

„Die Versicherer sind verpflichtet, der Österreichischen Ärztekammer<br />

unaufgefordert und umgehend den Abschluss des Versicherungsvertrags<br />

sowie jeden Umstand, der eine Beendigung oder Einschränkung des<br />

Versicherungsschutzes oder eine Abweichung von der ursprünglichen<br />

Versicherungsbestätigung bedeutet oder bedeuten kann, zu melden.<br />

Die Versicherer sind verpflichtet, auf Verlangen der Österreichischen<br />

Ärztekammer über solche Umstände Auskunft zu erteilen.“ (§ 52d Abs 4<br />

ÄrzteG)


J. unterbliebener Versicherungsvertrag<br />

Ausfallshaftung der <strong>Gesellschaft</strong>er bei Ärzte-GmbH<br />

„Besteht die Berufshaftpflichtversicherung nicht oder nicht<br />

im vorgeschriebenen Umfang, so haften neben der<br />

Gruppenpraxis in der Rechtsform einer GmbH auch die<br />

<strong>Gesellschaft</strong>er unabhängig davon, ob ihnen ein Verschulden<br />

vorzuwerfen ist, persönlich in Höhe des fehlenden<br />

Versicherungsschutzes.“ (§ 52d Abs 3 Satz 2 ÄrzteG)<br />

= bedingte Solidarhaftung der <strong>Gesellschaft</strong>er<br />

Vorbild = § 21a Abs 4 Satz 2 RAO


K. Nachtragsvereinbarungen <strong>für</strong> bestehende<br />

Verträge<br />

Problem: teure Prämien<br />

• Außerordentliche Kündigung (= Wegfall der Geschäftsgrundlage)<br />

Voraussetzungen:<br />

1. beide Parteien gehen vom Fortbestehen der bisherigen Rechtslage (dh, keine<br />

Versicherungspflicht) aus<br />

keine Vorhersehbarkeit <strong>für</strong> VN<br />

1. Gesetzesänderung aus der neutralen Sphäre<br />

2. Äquivalenzstörung<br />

Problem: Äquivalenzstörung:<br />

Nur zu bejahen, wenn bisheriger Vertrag <strong>für</strong> VN wesentlich entwertet wird, weil er § 52d<br />

ÄrzteG nicht entspricht:<br />

dh, VN muss Neuvertrag abschließen u Altvertrag erfüllt keinen Zweck mehr.<br />

Zu verneinen, wenn<br />

o am Markt Differenzdeckungsverträge <strong>für</strong> die auf § 52d ÄrzteG fehlenden<br />

Bausteine (zu risikoadäquaten Prämien) erworben werden können<br />

o oder solange der bestehende Altvertrag eine sinnvolle Ergänzung zu einem<br />

Neuvertrag iSv § 52d ÄrzteG bleibt<br />

Annahme: Bejahung der Voraussetzungen 1.-4.:<br />

Vorrang der Vertragsanpassung (zu adäquater Prämie) geht Kündigung vor (§ 872<br />

analog).


Nachtragsvereinbarungen<br />

• Verbot der Ungleichbehandlung von bestehenden mit<br />

Neukunden<br />

o Analogie zu § 52d Abs 2 lS ÄrzteG (Berücksichtigung der<br />

fachspezifischen Prämien):<br />

auch keine Querfinanzierung zwischen Alt- und Neukunden


L. Rahmenvereinbarung Ärztekammer –<br />

VVO<br />

Eigener Wirkungsbereich der Österreichischen<br />

Ärztekammer:<br />

„Abschluss von <strong>für</strong> die jeweiligen<br />

Versicherungsverträge verbindlichen<br />

Rahmenbedingungen <strong>für</strong> Haftpflichtversicherungen<br />

gemäß § 52d mit dem Fachverband der<br />

Versicherungsunternehmen.“<br />

(§ 117b Abs 1 Z 22a ÄrzteG)

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