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Revolution 1848/49 – auch im Enzkreis? - Landratsamt Enzkreis

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Wenn wir den auf der Karte dargestellten Befund erläutern, so lassen sich die Gemeinden<br />

in verschiedene Kategorien einteilen.<br />

Zur ersten, der Kategorie 0 (in der Karte blau eingefärbt), gehören die Orte, die<br />

keinerlei Anteil an der <strong>Revolution</strong> genommen haben. Dies ist laut sechs der verwertbaren<br />

28 Protokolle der Fall. Als Beispiel sei hier ein Auszug aus dem Bilfinger Ortsbereisungsprotokoll<br />

vom 28. August 1851 wiedergegeben: 2 An der <strong>Revolution</strong> haben die Bewohner<br />

von Bilfingen sich nicht betheiligt. Sämtliche Gemeindebeamten haben der provisorischen<br />

Regierung den Eid verweigert und wenn <strong>auch</strong> ein paar Tage das erste Aufgebot 3<br />

exercirt wurden, so geschah dies erst, nachdem der Civilkommissär 4 einen eigenen Instructor<br />

5 gesandt hatte.<br />

In jahrzehntelanger Forschungsarbeit sind die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe<br />

und des Staatsarchivs Freiburg nach Personen durchforstet worden, die <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit den Ereignissen <strong>1848</strong>/<strong>49</strong> stehen. Das 1998 veröffentlichte Ergebnis dieser<br />

Arbeit, Buch mit CD-ROM, enthält knapp 40.000 Namen aus Baden. 8 Damit sind freilich<br />

nicht alle, sondern nur die aktenkundig gewordenen Sympathisanten der <strong>Revolution</strong><br />

erfasst. Die eingearbeiteten Informationen beruhen vor allem auf Teilnehmerlisten von<br />

Volksvereinen, Verzeichnissen von in Rastatt inhaftierte Personen, Berichte der Posthalter<br />

Die badischen „<strong>Revolution</strong>äre“ <strong>im</strong> Pforzhe<strong>im</strong>er Umland<br />

viele Anhänger ohne revolutionäre Aktionen am Ort<br />

einzelne Anhänger<br />

keine Aussage möglich<br />

viele Anhänger und revolutionäre Aktionen am Ort<br />

kein Anteil an der <strong>Revolution</strong><br />

<strong>Revolution</strong>äre Tendenzen<br />

<strong>im</strong> ehemaligen Landkreis Pforzhe<strong>im</strong><br />

Zu Kategorie 1 (gelb) zählen elf Orte, an denen die Ereignisse ebenfalls spurlos vorbeigingen<br />

und lediglich einzelne Personen gewisse revolutionäre Tendenzen erkennen ließen.<br />

So berichtet beispielsweise das Ispringer Protokoll vom 31. Mai 1851: 6 Mit der Politik<br />

haben sie sich nicht befaßt und <strong>–</strong> einige junge Burschen ausgenommen <strong>–</strong> gar keinen<br />

Antheil an der <strong>Revolution</strong> genommen. Sie sind streng conservativ zu nennen, sie verlangen<br />

Ruhe, um ihre Landwirthschaft gehörig betreiben zu können und fürchten jede<br />

Störung, weil sie „Kosten und Steuern“ mit sich bringe. Nach allen Wahrnehmungen, die<br />

ich seither und <strong>im</strong> Laufe des heutigen Tages machte, kann ich diese Einleitung nur mit<br />

dem Wunsche schließen, daß das Vaterland viele Gemeinden wie diese Ispringer besitzen<br />

möge.<br />

Zu Kategorie 2 (hellrot) gehören zehn Dörfer, in denen zahlreiche Personen zwar als<br />

revolutionär gesinnt eingestuft wurden, Gewalt gegen die Obrigkeit jedoch nicht stattgefunden<br />

hat. So wird unter dem 2. Oktober 1851 aus Königsbach berichtet: 7 Die Saat,<br />

welche der berüchtigte Rößelwirth Dittler von Wilferdingen vor und während der <strong>Revolution</strong><br />

<strong>auch</strong> hier ausstreute, fiel auf guten Boden; indessen wurden die besseren Bürger<br />

Meister über die anderen und verhinderten, daß irgend Gewaltthätigkeiten gegen die<br />

Grundherrschaft vorfielen.<br />

Lediglich aus dem Nußbaumer Ortsbereisungsprotokoll sind tatsächlich revolutionäre<br />

Aktionen mit dem sogenannten Pfarrhaussturm zu vermelden. Der Ort ist damit der<br />

einzige, der zur Kategorie 3 (dunkelrot) zu zählen ist. Auf ihn wird später noch einzugehen<br />

sein. Zu insgesamt sechs Ortschaften (grau) fehlen leider die Protokolle jener Zeit<br />

oder aber diese enthalten keine entsprechende Aussage zur <strong>Revolution</strong>.<br />

Bei der kartographischen Darstellung fallen die Gemeinden <strong>im</strong> Nordwesten des <strong>Enzkreis</strong>es<br />

weit mehr auf als die weiter südlich gelegenen Orte. Dies mag zum Teil auf die<br />

Nähe zu Karlsruhe zurückzuführen sein; zu beachten ist jedoch <strong>auch</strong>, dass nicht alle<br />

Gemeinden zum selben Oberamt gehörten und daher <strong>auch</strong> verschiedene Oberamtleute<br />

die Visitationen protokollieren ließen. Nußbaum und Stein gehörten zum Oberamt Bretten,<br />

Königsbach, Singen und Wilferdingen zum Oberamt Durlach. In den übrigen, allesamt<br />

zum Pforzhe<strong>im</strong>er Bezirk gehörigen Ortschaften, mag der Pforzhe<strong>im</strong>er Oberamtmann<br />

Ludwig Wilhelm Fecht vielleicht teilweise <strong>auch</strong> zur Verharmlosung der Ereignisse<br />

geneigt haben. So findet er häufig einschränkende Formulierungen, die für gewisse<br />

revolutionäre Tendenzen persönliche Antipathien oder <strong>auch</strong> überhöhten Alkoholgenuss<br />

als Ursache ausmachen wollen.<br />

Quelle: Ortsbereisungsakten 1850 <strong>–</strong>1852<br />

(Generallandesarchiv Karlsruhe, Bestände 343, 348, 369)<br />

59<br />

58 Konstantin Huber<br />

<strong>Revolution</strong> <strong>1848</strong>/<strong>49</strong>

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