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Herr, hilff selig sterben

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Bei genauerer Analyse, etwa der monatlichen Verteilung der Sterbefälle, lassen sich<br />

mitunter vorsichtige Rückschlüsse auf die ursächlichen Krankheiten ziehen. So ereignen<br />

sich Beulenpestepidemien vorwiegend im Spätsommer und Herbst, da die Rattenflöhe<br />

bei Temperaturen von 20 bis 25 Grad Celsius und nicht zu geringer Luftfeuchtigkeit<br />

optimale Vermehrungsmöglichkeiten vorfinden, wogegen sie unter 10 Grad Celsius in<br />

Kältestarre fallen. 7 Der September gilt geradezu als „Flohmonat“. 8 Kürzer andauernde<br />

Sterblichkeitskrisen im Hochsommer hingegen weisen auf Durchfallerkrankungen wie<br />

Andere Seuchen<br />

Der Pesterreger ist das Bakterium „Yersinia pestis“, ein eiförmiges Stäbchen, das 1894<br />

entdeckt wurde. Erregerreservoir sind verschiedene Nagetierarten; von diesen kann die<br />

Krankheit über den Rattenfloh (Xenopsylla cheopis) auf die Ratte und von dort auch<br />

auf den Menschen mittels blutsaugender Stiche übertragen werden. In der Regel geht<br />

einer Pest unter Menschen eine Rattenpest voraus, wobei der Floh vom verendeten Tier<br />

in Ermangelung eines spezifischen Wirts auf den Menschen überwechselt. Die Bakterien<br />

gelangen von der Haut ins Lymphsystem und führen nach einer Inkubationszeit von<br />

wenigen Tagen zu hohem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie starker Anschwellung<br />

der Lymphknoten vor allem an Leisten, Achseln und am Nacken, den so genannten<br />

Beulen oder Bubonen. Sofern keine Heilung eintritt, 6 geht die Seuche in ein akuteres<br />

Stadium über, wobei die Erreger das Blut überschwemmen, was innerhalb kürzester<br />

Zeit zum Tode führt. Dabei können Flecken unter der Haut entstehen, die der Pest den<br />

Namen „Schwarzer Tod“ eingebracht haben. Außer dieser Form, der Beulen- oder<br />

Bubonenpest, ist jedoch auch eine Ansteckung direkt von Mensch zu Mensch durch<br />

Inhalation (Tröpfcheninfektion) der Pestbakterien, etwa bei der Krankenpflege, möglich.<br />

Diese Form wird Lungenpest genannt. Ihre Inkubationszeit beträgt nur einen Tag;<br />

nach zwei bis drei weiteren Tagen führt die Lungenpest zwangsläufig fast immer zum<br />

Tode. Umstritten ist in der Forschung die Frage, ob eine Übertragung der Beulenpest<br />

auch über den Menschenfloh (Pulex irritans) möglich ist.<br />

Die Kenntnisse über Ursachen und Verbreitung der Pest waren im 16. und 17. Jahrhundert<br />

noch relativ vage. Die Seuche wurde in erster Linie als Strafe Gottes betrachtet, die<br />

letztlich auf den Sündenfall im Paradies zurückzuführen und damit „ererbt“ sei. Ihre weitere<br />

Ausbreitung suchte man mit mehr oder weniger effektiven Abwehr- und Behandlungsmaßnahmen<br />

zu verhindern. Zwar hat man schon in der Antike vermutet, dass Ratten<br />

bei der Übertragung eine Rolle spielen, doch war die so genannte Miasma-Lehre weit<br />

verbreitet, nach der die Pest durch ungünstige Konstellationen der Gestirne ausgelöst und<br />

durch Verunreinigung der Luft übertragen wird. Die heutigen medizinischen Erkenntnisse<br />

verdanken wir der letzten großen Pestepidemie, die ab 1894 China und Indien heimsuchte.<br />

Bis heute gibt es immer wieder vereinzelte Pestfälle in Asien, Afrika und Amerika.<br />

Bei rechtzeitiger Diagnose ist die Krankheit jedoch mit Hilfe von Antibiotika leicht heilbar.<br />

Die Pest<br />

die vom Aus<strong>sterben</strong> ganzer Familien binnen weniger Wochen berichten, vielleicht eine<br />

leise Ahnung davon zu geben, welch unbeschreiblichem Leid sich unsere Vorfahren ausgesetzt<br />

sahen.<br />

Aufschneiden von Pestbeulen<br />

(Holzschnitt, 15. Jahrhundert)<br />

102 Konstantin Huber<br />

Pest und andere Seuchen im Pforzheimer Umland<br />

103

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