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DIE EHE DER MARIA BRAUN

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IM KINO IN <strong>DIE</strong> SCHULE G<strong>EHE</strong>N<br />

Filme mit dem Filmkanon<br />

Kino entdecken<br />

Handout zum Film:<br />

<strong>DIE</strong> <strong>EHE</strong> <strong>DER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>BRAUN</strong><br />

Produktionsland: BRD<br />

Erscheinungsjahr: 1979<br />

Filmlänge:<br />

120 Minuten<br />

FSK/Altersfreigabe: ab 12<br />

Genre: Drama, Autorenfilm Hanna Schygulla (Bildquelle: Fassbinder Foundation)<br />

Regie:<br />

Rainer Werner Fassbinder<br />

Drehbuch:<br />

Pea Fröhlich, Peter Mertesheimer<br />

Kamera:<br />

Michael Ballhaus<br />

Schnitt:<br />

Juliane Lorenz<br />

mit:<br />

Hanny Schygulla, Klaus Löwitsch, u.a.<br />

Produzent:<br />

Michael Fengler<br />

Preise: Deutscher Filmpreis 1979<br />

Fassbinders Melodram und Allegorie auf Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

ist der 1. Teil der sogenannten BRD-Trilogie und wurde international wie<br />

auch kommerziell zu seinem erfolgreichsten Film. ( 2. Teil: <strong>DIE</strong> SEHNSUCHT<br />

<strong>DER</strong> VERONIKA VOSS, 1981/ 3. Teil: LOLA, 1981)<br />

Inhalt:<br />

Während im Zweiten Weltkrieg ringsum die Bomben fallen, heiraten Hermann<br />

Braun (Klaus Löwitsch) und Maria (Hanna Schygulla). Eine einzige Nacht bleibt<br />

ihnen, dann muss der Ehemann wieder an die Front.<br />

Nach Kriegsende – ihr Mann, heißt es, ist gefallen – hat Maria ein Verhältnis mit<br />

dem schwarzen G.I. Bill (George Byrd). Doch Hermann kommt unerwartet aus der<br />

Gefangenschaft nach Hause. In der Konfrontation mit Mann und Liebhaber<br />

erschlägt Maria Bill mit einer Flasche. Hermann nimmt die Schuld auf sich und<br />

muss ins Zuchthaus.<br />

Maria lernt den Fabrikanten Oswald (Ivan Desny) kennen und macht sich in<br />

dessen Leben und Firma unentbehrlich, während sie auf Hermanns Entlassung<br />

wartet. Als es aber soweit ist, verschwindet der spurlos. Erst nach Oswalds Tod<br />

taucht er wieder auf. Maria erfährt von einem Vertrag zwischen den beiden<br />

Männern, demzufolge Hermann zu Lebzeiten Oswalds auf Maria verzichtete, der<br />

Fabrikant dafür aber das Ehepaar zu seinen Erben eingesetzt hat.<br />

Statt der erwarteten Wiedersehensfeier kommt es zur Katastrophe: Maria lässt –<br />

Absicht oder Versehen – den Gashahn des Herdes geöffnet, und während in der<br />

Radioübertragung die deutsche Fußballnationalmannschaft dem Weltmeistertitel<br />

1954 entgegenspielt, wird das Haus von einer gewaltigen Explosion erschüttert.<br />

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Peter Märthesheimer (Autor und Produzent) über R. W. Fassbinder:<br />

"... Dass Fassbinder so viele Filme in so kurzer Zeit gedreht hat, wird oft erklärt<br />

mit einer Art "Arbeitswut" oder auch "Besessenheit" - ganz im Sinne der<br />

bürgerlichen Trennung von Arbeit und Lust, die sich ein Leben nicht vorstellen<br />

kann, in dem beides eins ist. Filme zu drehen war einfach seine Form zu leben,<br />

seine Form des Nachdenkens, seine Form der Äußerung, auch seine Form des<br />

Umgangs mit anderen Menschen.<br />

Dass Fassbinder so viele Filme in so kurzer Zeit hat drehen können, rein<br />

produktionstechnisch also, ist allerdings tatsächlich irritierend. Er war sicher<br />

professionell - aber das sind andere auch; er war handwerklich insofern versierter<br />

als andere, als er selbst Kamera und Licht und Ton machen konnte - aber dazu<br />

gibt es ja Kameraleute und Beleuchter und Tonmeister, dass sie dem Regisseur<br />

diese Funktion perfekt erfüllen; er aber hat gerne mit dem gleichen Stab und<br />

sogar mit den gleichen Schauspielern gearbeitet - aber das hätten andere auch<br />

tun können, tun es teilweise, und drehen ihre Filme gleichwohl auch nicht<br />

annähernd in dem Tempo ab, wie Fassbinder seine Filme gedreht hat. Wie haben<br />

Sie das gemacht, Herr Fassbinder<br />

Meine erste Produzentenerfahrung mit Fassbinder war ACHT STUNDEN SIND<br />

KEIN TAG, meine letzte BERLIN ALEXAN<strong>DER</strong>PLATZ. (…) Bei BERLIN ALEX-<br />

AN<strong>DER</strong>PLATZ reduzierte Fassbinder die ursprünglich geplanten 193 Drehtage<br />

auf 165 Drehtage, ohne auch nur eine einzige der fast 3000 Einstellungen dieses<br />

Films nicht zu drehen. "Der weiß, was er will", hatten die Bühnenarbeiter und<br />

Beleuchter und Aufnahmeleiter seinerzeit beim WDR schon gesagt, als sie<br />

Fassbinders Arbeitsweise einige Tage lang beobachtet hatten, und in dieser<br />

einfachen Formulierung liegt denn auch schon das ganze Geheimnis von<br />

Fassbinders Produktivität: Fassbinder hatte den Film, den er sich vorstellte, vorab<br />

schon fertig im Kopf - er brauchte ihn nur noch zu drehen.<br />

Ein Film besteht aus Einstellungen, die sich zusammensetzen zu Szenen, die sich<br />

zusammensetzen zu Sequenzen, die sich zusammensetzen zum Ganzen des<br />

Films. Fassbinder nun hatte die Fähigkeit, sich nicht nur den Ablauf einer Szene,<br />

sondern auch noch die Zusammensetzung dieser Szene aus ihren kleinsten<br />

Bausteinen, eben den Einstellungen, präzise vergegenwärtigen zu können, und<br />

dabei auch den Kontext jeder Einstellung zur anderen, jeder Szene zur anderen<br />

usw. im Auge zu behalten. Er schrieb nicht nur seine Drehbücher vorab schon in<br />

Einstellungen auf, sondern er skizzierte diese verbalen Beschreibungen vor dem<br />

Drehen noch einmal in Form von exakten Bildern, denen man entnehmen konnte,<br />

dass der Kopf der fotografierten Person in der linken oberen Bildhälfte zu sehen,<br />

ihre Blickrichtung nach rechts unten gehen und nur die Gesichtspartie unterhalb<br />

der Nase im Hellen sein würde. Dank dieser imaginativen Präzision konnte<br />

Fassbinder schließlich dazu übergehen, die meisten seiner Einstellungen nur ein<br />

einziges Mal zu drehen - er wusste ja eben, was er wollte, wie er es erreichen<br />

würde und wann er es erreicht hatte, das Drehen war sozusagen nur der<br />

geglückte Nachvollzug dessen, was er sich als eine Art Fantasiefilm in seinem<br />

Kopf längst vorführen konnte, von dem er jetzt nur noch gleichsam die materielle<br />

Kopie herstellen musste. Und um diese Kopie möglichst getreu zu reproduzieren,<br />

war die äußerste Anstrengung jedes Mitarbeitenden, wie sie vom Druck einer<br />

einzigen Klappe erzeugt wird, nur recht: wenn jeder wusste, dass er nicht die<br />

Chance einer zweiten oder dritten oder zehnten Wiederholung haben würde, dann<br />

musste er eben versuchen, schon beim ersten Mal so gut zu sein wie er konnte.<br />

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Folgerichtig gab es, spätestens seit 'Alexanderplatz', auch keine Muster - wie<br />

hätte Fassbinder auch aus etwa verschiedenen Bildern auswählen sollen, wenn<br />

es doch nur ein einziges, ganz bestimmtes geben könnte Und das hatte er ja<br />

beim Drehen hergestellt. Und das setzte sich mit den anderen Bildern, die ihm<br />

vorausgingen und die ihm folgten, so zwingend und logisch zusammen wie nur<br />

die Teile eines Puzzles. Kein Wunder, hatte er selbst doch das Puzzle vorher<br />

zerlegt, das er jetzt zusammensetzte. …<br />

Dass das Geburtsjahr der Bundesrepublik in etwa mit seinem zusammenfiel,<br />

erschien Fassbinder stets als bedeutungsvolle Fügung - fast wie ein Wink, seine<br />

eigene Biografie in einen Zusammenhang mit der gesellschaftlichen zu bringen,<br />

das Innere durch das Äußere zu interpretieren und umgekehrt. Wenn er die<br />

deutsche Nachkriegsgeschichte erforschte, galt sein Untersuchungsinteresse<br />

ganz konkret und direkt auch sich selbst. … Fassbinder konnte beispielsweise<br />

allen Ernstes behaupten (im Zusammenhang mit 'Maria Braun'), die unmittelbare<br />

Nachkriegszeit aus eigener Anschauung sehr gut zu kennen. Der irritierte<br />

Einwand, er sei damals doch noch ein Baby, allenfalls ein Kleinstkind gewesen,<br />

berührte ihn überhaupt nicht: Gerade Kleinkinder nehmen die Welt doch<br />

besonders wissbegierig wahr, oder Und ihre Wahrnehmung ist doch noch nicht<br />

durch die vielen ideologischen Hemmungen verstellt, die die Erwachsenen<br />

aufgebaut haben, oder ..."<br />

(Auszüge aus: ARD Fernsehspiel, Heft 10-12/1982 „Das forschende Kind“, Quelle: www.deutsches-filmhaus.de)<br />

Rückblicke auf die Ära Fassbinder von Wolfram Schütte:<br />

"... Vor allem aber stand er im Zentrum, als Gravitationsfeld des Neuen<br />

Deutschen Films, weil er dessen entschiedenster Erzähler war. … Erst im<br />

Rückblick – und vielleicht braucht dieser Blick noch eine größere Distanz, um sich<br />

dessen bewusst zu werden – wird man inne, welche Comédie humaine Rainer<br />

Werner Fassbinder in seinem Oeuvre hinterlassen hat, wie intensiv seine<br />

filmischen Erzählungen von Menschen durchtränkt sind von der Politik,<br />

der Geschichte und dem Alltag, den Wechseln und den Kontinuitäten im<br />

Lebenszusammenhang Deutschlands ...<br />

Derartig umfassend, in Breite und Tiefe gestaffelt, ist die Bundesrepublik (bis in<br />

ihr historisches Vorfeld) in keinem anderen künstlerischen Werk der<br />

Nachkriegszeit präsent – mit der einen Ausnahme: dem literarischen Oeuvre<br />

Heinrich Bölls ..."<br />

(Aus: Das Herz des neuen Deutschen Films; Quelle: www.fassbinderfoundation.de)<br />

Douglas Sirk über den neuen deutschen Film:<br />

"Der neue deutsche Film hatte es schwer, sehr schwer. 1960 existierte er<br />

praktisch noch nicht. Sein Aufbruch danach zu einer schließlich die engen<br />

Grenzen überspannenden Anerkennung war zunächst voller Probleme. Das<br />

größte war der Schatten einer Vergangenheit, die sich über jeden schöpferischen<br />

Mut zu etwas Neuem legte. …<br />

Das Wesentliche jedoch in der Entwicklung des neuen deutschen Autorenfilms<br />

scheint mir sein unbeirrbarer Wille zur Qualität gewesen zu sein. Ein Wille der zäh<br />

und gegen alle Enttäuschungen blind am Ende zu dem geführt hat, was man<br />

heute das „Wunder“ des Neuen Deutschen Films nennt.<br />

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Diesen Ausdruck hörte ich zum ersten Mal während meines letzten Aufenthaltes<br />

in New York, ein Besuch, zu dem die Columbia University und andere öffentliche<br />

Institutionen mich eingeladen hatten.<br />

Anlässlich der Preisüberreichnung durch mich an eine Studentin, die einen Essay<br />

über einen meiner Filme verfasst hatte, war es, dass einer der Studenten mich<br />

bat, ihm ein Einführungsschreiben für die Münchner Filmhochschule zu geben, an<br />

der ich ja lehrte.<br />

Erstaunt fragte ich ihn: Wieso München und Deutschland Es gibt doch hier in<br />

Amerika viele derartige Schulen. 'Stimmt', sagte er, 'aber ich möchte lernen,<br />

solche Filme zu machen wie die des Neuen Deutschen Films, das ist doch<br />

einfach ein Wunder, was die jungen Filmemacher da fertig bringen. Sie haben<br />

doch sicher bemerkt ' - fuhr er fort – 'wie man rund um den Block Schlange steht,<br />

nur damit man noch eine Eintrittskarte für <strong>DIE</strong> <strong>EHE</strong> <strong>DER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>BRAUN</strong><br />

bekommt! Einen deutschen Film! Und das in New York - das gab es noch nie!' ..."<br />

(Aus dem Vorwort <strong>DER</strong> NEUE DEUTSCHE FILM 1960-1980, Robert Fischer /Joe Hembus, München 1981)<br />

François Truffaut über <strong>DIE</strong> <strong>EHE</strong> <strong>DER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>BRAUN</strong><br />

"... Eine besondere Stärke, die den Film auszeichnet (...) ist die Gleichheit des<br />

Blicks, mit der er auf seine männlichen wie seine weiblichen Helden sieht; so<br />

etwas findet man nur sehr selten. Fassbinder liebt die Männer und die Frauen ..."<br />

(Aus einem Interview in den Cahiers du cinéma, 1980; Quelle: www.fassbinderfoundation.de)<br />

Interview mit Juliane Lorenz (Schnitt) zu <strong>DIE</strong> <strong>EHE</strong> <strong>DER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>BRAUN</strong>:<br />

„… Über Schnitt hat Rainer nie viel mit mir geredet. Für mich war die Anweisung -<br />

wenn es überhaupt eine gab - ‚Da haste ‘ne Szene, guck mal, wie du sie<br />

schneidest!‘ Da wir schon einige Arbeiten miteinander gemacht hatten, waren wir<br />

natürlich auch eingespielt. Was mich fasziniert hat, war der Rhythmus dieser<br />

Szene. Dass sie von der Regie schon so genau vorgegeben war, dass ich<br />

eigentlich keine Chance hatte, irgendwo großartig andere Szenen oder<br />

Einstellungen zu verwenden. Ich erinnere mich, ehrlich gesagt, auch nicht mehr.<br />

Ich weiß nur, dass ich von der Kamera, von der ganzen Ruhe und Klarheit so<br />

beeindruckt war, dass es eigentlich mehr ein hintereinander schneiden im<br />

vorgegebenen Rhythmus war. Ich habe gar nicht so sehr darüber nachgedacht,<br />

ob ich das richtig schneide. Sondern ich schnitt. Das innere Seelenleben der<br />

Menschen war eigentlich der treibende Faktor. Auch in den Bildgrößen und in den<br />

Ausschnittsgrößen. Auch in den Schnitten zusammen. ... Es gab einen Ablauf von<br />

innerer Befindlichkeit der Figuren. ...<br />

Wir hatten natürlich vorher schon DESPAIR geschnitten. Wir hatten BOLWIESER,<br />

da war ich noch zweite Cutterin. Ich hatte natürlich viel mitbekommen von seiner<br />

Art zu arbeiten. Aber hier hieß es auf einmal: ‚Das ist jetzt der Film, den du<br />

schneidest. Den hast du zu gestalten. Und wehe, du kommst da nicht durch!’<br />

Insofern ist die <strong>MARIA</strong> <strong>BRAUN</strong> für mich auch eine Feuertaufe gewesen. Ich habe<br />

alles zum ersten Mal allein verantwortet. Ich habe ohne Assistent gearbeitet, war<br />

für jeden Fetzen Ton zuständig, habe alles wirklich selbst gemacht. Das hat mich<br />

unglaublich reifen lassen. ...“<br />

(INTERVIEW mit Juliane Lorenz zu <strong>DIE</strong> <strong>EHE</strong> <strong>DER</strong> <strong>MARIA</strong> <strong>BRAUN</strong> Quelle: www.vierundzwanzig.de)<br />

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