Schmerzbekämpfung - Forum-Bioenergetik eV
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<strong>Schmerzbekämpfung</strong><br />
(Sendungen im MDR, WDR und NDR)<br />
INHALTSVERZEICHNIS:<br />
Sanfte Schmerztherapie: Strom 1<br />
Sanfte Schmerztherapie: Magnetfeld 2<br />
Sanfte Schmerztherapie: Stoßwellen 2<br />
Blutegel gegen Gelenkschmerzen 3<br />
Kopfschmerzen 3<br />
Gefahren von Paracetamol 4<br />
Schmerzarzt auf Hausbesuch 5<br />
Schleudertrauma 5<br />
Migräne 6<br />
Osteopathie gegen Schmerzen 7<br />
Schneckengift gegen Schmerzen 8<br />
Verwachsungen 8<br />
Fibromyalgie 9<br />
Krank durch Schmerzmittel 10<br />
Behandlung mittels Nervendurchtrennung 11<br />
Schmerzende Fingergelenke 11<br />
Opium gegen Schmerzen 12<br />
Polyneuropathie 13<br />
Falsche Behandlung 14<br />
NACHTRAG (WDR): Schmerzabhandlung 15<br />
Sanfte Schmerztherapie: Strombehandlung<br />
Sanfte Therapien statt starker Medikamente gegen quälende Schmerzen: Helfen kann die<br />
Transcutane Elektrische Nervenstimulation (TENS). Über Elektroden gibt das Tens-Gerät<br />
schwache Stromstöße auf die Hautoberfläche in die Nähe des schmerzenden Areals ab. Die<br />
elektrischen Impulse stimulieren die Freisetzung körpereigener Schmerzmittel, sogenannte endogene<br />
Endorphine. Außerdem sollen sie die Weiterleitung der Schmerzsignale zum Gehirn blockieren. Der<br />
Reizstrom wird bei Schmerzen in Muskeln, Gelenken und Nerven eingesetzt und soll gegen<br />
Verspannungen im Rücken, Nacken und bei Kopfschmerzen helfen. Die Behandlung kann zwar nicht<br />
die Ursache des Schmerzes beseitigen, diesen aber blockieren.<br />
Eine andere Form der Tens-Therapie ist das Strombad. Es eignet sich zum Beispiel bei Patienten mit<br />
Nervenschmerzen (Polyneuropathie) in Händen und Füßen. Die Anwendung sollte zwei bis drei Mal<br />
täglich für 20 Minuten erfolgen und kann auf Anordnung eines Arztes auch zu Hause in Eigenregie<br />
durchgeführt werden.<br />
Absprache mit Arzt wichtig<br />
Wichtig: Ein Gerät zur Nervenstimulation sollte nur nach genauer Diagnose und mit Einweisung des<br />
Arztes genutzt werden. Sonst schadet es mehr, als es nützt. Die Kosten werden von den gesetzlichen<br />
Krankenkassen übernommen. Die Geräte werden in der Regel für drei Monate verschrieben, bei<br />
Bedarf auch länger. Die Therapie wirkt nicht bei jedem, aber Strom gegen Schmerzen auszuprobieren<br />
kann in Absprache mit dem behandelnden Arzt nicht schaden.<br />
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Sanfte Schmerztherapie: Magnetfeldtherapie<br />
Zu den sanften Therapieformen gegen quälende Schmerzen gehört die Magnetfeldtherapie. Bei<br />
dieser Behandlung baut ein Hochspannungsgenerator ein Hochvolt-Magnetfeld auf, das die Intensität<br />
des Erdmagnetfeldes um mehr als das Tausendfache übersteigt. Die so gewonnenen Magnetwellen<br />
werden für etwa 15 Minuten auf die schmerzhaften Körperregionen abgegeben. Sie dringen in die<br />
Tiefe des Gewebes ein. Dort sollen sie in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, den<br />
Zellstoffwechsel aktivieren, um Heilungsprozesse zu beschleunigen.<br />
Fehlende Wirksamkeitsnachweise<br />
Für die Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie gibt es bisher keine dokumentierten Erfolge. Viele<br />
Patienten empfinden diese Therapie aber als wohltuend, berichten von Kribbeln und Wärmeempfindungen<br />
während der Therapie. Behandelt werden mit den Magnetwellen Störungen und<br />
Verletzungen der Muskulatur oder von Muskelansätzen. Dazu gehören Muskelfaserrisse oder der<br />
sogenannte Tennisarm. Für Patienten, die einen Herzschrittmacher tragen, eignet sich diese Behandlung<br />
nicht, da das Magnetfeld die Funktion ihres Herzschrittmachers stört. Die Kosten von bis zu 600<br />
Euro werden aufgrund fehlender Wirksamkeitsnachweise von den gesetzlichen Krankenkassen nicht<br />
übernommen.<br />
Sanfte Schmerztherapie: Stoßwellentherapie<br />
Stoßwellen wurden zuerst zur Therapie von Nierensteinen angewendet. Doch immer häufiger wird die<br />
extrakorporale Stoßwellentherapie jetzt auch erfolgreich zur Behandlung von orthopädischen<br />
Krankheitsbildern eingesetzt, um die Einnahme von starken Medikamenten oder gar drohende Operationen<br />
zu vermeiden. Während der Behandlung werden die in einem speziellen Gerät erzeugten<br />
akustischen Druckwellen über ein Handgerät auf die Schmerzstelle des Patienten gerichtet. Die<br />
Wellen sollen besonders im entzündeten Gewebe wirken und dort Durchblutung und Zellstoffwechsel<br />
verbessern.<br />
Linderung quälender Schmerzen<br />
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Besonders bei Erkrankungen der Sehnenansätze wie beim Tennisarm oder Fersensporn können<br />
Stoßwellen Entzündungen hemmen und quälende Schmerzen lindern. Auch Kalkablagerungen am<br />
Schultergelenk (Tendinosis calcarea) können durch die sanfte Therapie behandelt werden. Bei der<br />
Arthrose, dem schmerzhaften Gelenkverschleiß, ist die Stoßwellentherapie allerdings wirkungslos.<br />
Auch wenn schwerwiegende Komplikationen bei einer sachgerechten Anwendung nicht zu befürchten<br />
sind, kann besonders die erste Stoßwellenbehandlung am entzündeten Gewebe schmerzhaft sein.<br />
Drei Wochen nacheinander sollte einmal pro Woche eine Sitzung von 15 Minuten Dauer durchgeführt<br />
werden. Da die genaue Wirkung der Stoßwellen in Studien noch nicht abschließend geklärt ist,<br />
übernehmen die Krankenkassen die Kosten von etwa 80 Euro pro Sitzung in der Regel nicht.<br />
Blutegel gegen Gelenkschmerzen<br />
Die Egel saugen Blut aus dem menschlichen Körper und geben das heilende Sekret dann ab.<br />
"Hirudo medicinalis" ist der lateinische Name des Süßwasseregels. Er ist etwa fünf bis zehn cm lang,<br />
hat fünf Augenpaare, zwei Mäuler mit je 240 spitzen Zähnen und ernährt sich von Blut. Die heilsame<br />
Wirkung der Blutegel war schon in der Antike bekannt. Auch im Europa des 19. Jahrhunderts erfreute<br />
sich die Egeltherapie großer Beliebtheit zur Behandlung zahlloser Erkrankungen. Seit einigen Jahren<br />
werden die Tiere zu Behandlungszwecken wieder vermehrt eingesetzt. Mehrere aktuelle Studien<br />
haben ihre heilenden und schmerzlindernden Wirkungen belegt.<br />
Der Speichel der Tiere enthält bis zu 100 verschiedene Inhaltsstoffe, denen die Forscher<br />
gerinnungshemmende, schmerzstillende, durchblutungsfördernde und entzündungshemmende Wirkungen<br />
zuschreiben. Die genaue Zusammensetzung des Speichels ist aber noch nicht abschließend<br />
geklärt. Eingesetzt wird die Egeltherapie zur Behandlung von Schmerzen bei Rheuma und Arthrose<br />
sowie bei Migräne, Tinnitus-Beschwerden und Krampfadern. Neuerdings werden Blutegel mit großem<br />
Erfolg auch zur Behandlung der Beschwerden des sog. Tennisellenbogens eingesetzt. Nach Angaben<br />
der Experten setzt der schmerzstillende Effekt bereits kurze Zeit nach dem ersten Anlegen der Tiere<br />
ein und hält etwa drei Monate an.<br />
Vollgesaugte Egel fallen von selbst ab<br />
Der Biss der Parasiten ist zunächst etwas unangenehm. Das stechende Gefühl lässt jedoch aufgrund<br />
schmerzstillender Substanzen im Speichel der Blutegel schnell nach. Vollgesaugte Blutegel fallen von<br />
selbst ab. Sie dürfen auf keinen Fall gewaltsam entfernt werden, denn dabei könnten die Tiere<br />
gequetscht werden, in die Wunde erbrechen und so Infektionen verursachen. Die Tiere hinterlassen<br />
eine Y-förmige Bisswunde, die bis zu 24 Stunden nachbluten kann. Im Allgemeinen sind schwerwiegende<br />
Nebenwirkungen im Rahmen der Egeltherapie selten.<br />
Therapeutisch verwendete Egel gelten als Arzneimittel und werden unter hygienischen Bedingungen<br />
speziell für den medizinischen Einsatz gezüchtet. Die Kosten für eine einstündige Behandlung liegen<br />
bei etwa 100 Euro. Wird diese stationär durchgeführt, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in<br />
der Regel die Kosten der Behandlung. Eine Behandlung beim Heilpraktiker muss der Patient aber<br />
selbst tragen.<br />
Kopfschmerzen: Strategien<br />
Hämmern im Kopf, Sehstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit: Kopfschmerz hat viele Facetten. Etwa<br />
50 Millionen Menschen in Deutschland sind regelmäßig betroffen. Häufig wird das Leiden von Generation<br />
zu Generation weitervererbt. Schon Säuglinge und Kleinkinder können an Spannungs-<br />
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kopfschmerz und Migräne leiden. Am meisten verbreitet ist der Spannungskopfschmerz. 54 Prozent<br />
aller Kopfweh-Geplagten leiden darunter, Frauen mehr als Männer, Ältere häufiger als Jüngere.<br />
Behandlungsmöglichkeiten<br />
Manchmal schaden Medikamente bei der Behandlung mehr als sie nützen. Auch Akupunktur hilft nicht<br />
jedem Patienten. Häufig können jedoch kleine Dinge eine große Wirkung haben, das ist sogar wissenschaftlich<br />
bewiesen. Stress zum Beispiel, egal ob positiv oder negativ, kann einen Spannungskopfschmerz<br />
auslösen. Mehr Gelassenheit und Ruhe helfen, einen stressbedingten Kopfschmerz zu<br />
lindern. Manchen Patienten hilft bei Spannungskopfschmerzen Pfefferminz-Öl, das zu Beginn der<br />
Schmerzattacke auf die Stirn getupft wird. Bei geschlossenen Augen wird der Duft dann eingeatmet.<br />
Andere Patienten profitieren von sanftem Ausdauersport an der frischen Luft, wie zum Beispiel<br />
regelmäßigem Walking. Das macht nicht nur fit, sondern auch gelassener - die Kopfschmerzattacken<br />
kommen seltener. Progressive Muskelentspannung, am Morgen praktiziert, hilft Patienten ruhig zu<br />
werden und zu entspannen. So lässt sich der Tag ganz anders beginnen - Stress und Kopfschmerzen<br />
haben kaum eine Chance.<br />
Auch ein warmes Kirschkernkissen und Umschläge mit Kräutern haben sich bewährt: Durch die<br />
angenehme Wärme können Nacken- und Schultermuskeln schnell entspannen. Ein weiterer Tipp:<br />
regelmäßiges Essen und Trinken. Denn wenn der Blutzuckerspiegel sinkt, ist auch der Kopfschmerz<br />
nicht mehr weit. Drei kohlenhydratreiche Mahlzeiten und drei Liter Wasser pro Tag können dem<br />
Schmerz vorbeugen.<br />
Kopfschmerz-Tagebuch kann Aufschluss geben<br />
Wer sich unsicher ist, woher die Kopfschmerzen kommen, sollte ein Kopfschmerz-Tagebuch führen.<br />
So können Betroffene eventuelle Zusammenhänge von Alltagsgewohnheiten und dem Auftreten des<br />
Schmerzes erkennen. Wenn die Schmerzen fast täglich auftreten, ungewöhnlich intensiv sind und mit<br />
hohem Fieber einhergehen, sollten Betroffene unbedingt einen Arzt aufsuchen, rät die Deutsche<br />
Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Ein Arztbesuch ist aber auch dann dringend erforderlich,<br />
wenn weitere Symptome wie Lähmungen, Seh- oder Gleichgewichtsstörungen den Schmerz<br />
begleiten.<br />
Paracetamol: Überdosierung schädigt die Leber<br />
Ob als Tabletten, Zäpfchen oder Saft - Paracetamol gilt als besonders verträgliches Schmerzmittel<br />
und wird in der Apotheke ohne Rezept verkauft. Und auch oft zur Fiebersenkung bei Kindern<br />
eingesetzt. Doch Experten warnen: Schon ein paar Tabletten zuviel können schwere<br />
Leberschäden bis hin zum kompletten Leberversagen verursachen. Besonders gefährdet sind<br />
übergewichtige Menschen, die - meist unbemerkt - eine vorgeschädigte Leber haben, die nicht mehr<br />
richtig arbeitet. Dann droht Gefahr, denn bei der Einnahme von Medikamenten wie Paracetamol muss<br />
die Leber Höchstleistungen vollbringen, um die chemischen Stoffe abzubauen.<br />
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Aber auch Normalgewichtige sollten sich nicht in Sicherheit wiegen: Wie man auf die Substanz<br />
reagiert, hängt auch von genetischen Faktoren ab und lässt sich vorher nicht abschätzen. Da<br />
Paracetamol schon in geringen Mengen giftig sein kann, muss man mit der Dosierung sehr vorsichtig<br />
sein. Daher sollte man sich im Beipackzettel über die Höchstdosis informieren und zur Sicherheit<br />
darunter bleiben. Mehr als drei Gramm, also sechs Tabletten pro Tag sollten nicht eingenommen<br />
werden und das auch nicht länger als drei Tage. Ansonsten den Hausarzt aufsuchen und um Rat<br />
fragen. Besondere Vorsicht gilt für Kinder. Ab dem 1. Oktober 2008 werden Großpackungen über 30<br />
Tabletten nur noch mit Rezept zu haben sein, Mediziner fordern jedoch sogar die generelle<br />
Verschreibungspflicht für Paracetamol.<br />
Schmerzarzt auf Hausbesuch<br />
Die Behandlung von Schmerzen gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Medizin, sowohl bei akuten<br />
als auch bei chronischen Schmerzzuständen und vor allem in der Palliativmedizin, also der<br />
Versorgung schwerstkranker und sterbender Patienten. Doch häufig sind gerade diese besonders<br />
schmerzgeplagten Menschen nicht mehr in der Lage, einen Schmerzspezialisten aufzusuchen. Ein<br />
Hamburger Narkosearzt hat sich deshalb auf die Behandlung von Schmerzpatienten vor Ort<br />
spezialisiert. Auf seinen Hausbesuchen setzt er spezielle Methoden wie gezielte Nervenblockade und<br />
muskelentspannende Spritzen ebenso ein wie individuell ausgearbeitete Pläne zur optimalen<br />
Einnahme von Schmerzmedikamenten, die er im Gespräch mit den Patienten erstellt. Das Problem:<br />
Hausbesuche, gerade bei schmerzgeplagten oder sterbenden Patienten, kosten viel Zeit und werden<br />
von den Krankenkassen kaum honoriert. Deshalb gibt es in einer Stadt wie Hamburg nur einen<br />
einzigen Schmerzspezialisten, der Hausbesuche macht - für viele Patienten die einzige Chance, ohne<br />
quälende Schmerzen weiter zu Hause zu leben.<br />
Schleudertrauma: wenn der Schmerz bleibt<br />
Jährlich erleiden schätzungsweise 200.000 Menschen in Deutschland meistens bei Auffahrunfällen<br />
ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Die plötzliche, sehr starke Beugung und Überstreckung des<br />
Kopfes führt bei den Betroffenen typischerweise mit ein bis zwei Tagen Verzögerung zu<br />
Bewegungseinschränkungen des Kopfes sowie Nacken- und Kopfschmerzen. Meist handelt es sich<br />
um eine unkomplizierte Zerrung der Weichteile im Halswirbelsäulenbereich. Mittels einer<br />
Röntgenuntersuchung lässt sich eine knöcherne Beteiligung der Halswirbel ausschließen. In diesen<br />
Fällen verschwinden die Beschwerden nach einigen Tagen oder Wochen oft von selbst. Das Tragen<br />
einer Halskrause wird mittlerweile nicht mehr empfohlen. Besser ist es, die Alltagsaktivitäten rasch<br />
wieder aufzunehmen und die Heilung gegebenenfalls mit krankengymnastischen Nackenübungen zu<br />
unterstützen. Die Einnahme von Schmerzmitteln und lokale Kühlung können in der akuten Phase<br />
helfen, die Beschwerden zu lindern.<br />
Bei Verdacht auf eine stärkere Weichteil- oder Knochenverletzung wird eine ausführliche<br />
Untersuchung nötig, die auch eine Computer- oder Magnetresonanztomografie beinhaltet. Symptome<br />
wie starke Schmerzen, Bewusstlosigkeit, Seh- und Sprachstörungen oder Kribbeln in Schulter und<br />
Armen können auf eine Schädel- oder Hirnverletzung hindeuten und müssen rasch vom Arzt<br />
untersucht und behandelt werden.<br />
Welchen Einfluss hat die Seele?<br />
Bei einigen Betroffenen werden die Beschwerden chronisch, obwohl sich keinerlei strukturelle Schädigung<br />
der Halswirbelsäule nachweisen lässt. Theorien über winzigste Knochenläsionen (Knochenschäden)<br />
oder Mikroblutungen konnten bisher nicht belegt werden. Mediziner vermuten daher, dass<br />
auch die Seele eine Rolle bei der Entwicklung des Dauerleidens spielt. Aus medizinischer Sicht<br />
oft völlig harmlos, wird das Schleudertrauma von Patienten oft jedoch psychisch falsch verarbeitet. Die<br />
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Beschwerden nehmen ohne körperlichen Hintergrund an Intensität zu. Als Behandlungsoptionen<br />
kommen dann neben Massagen, Wärmebehandlungen und therapeutischer Lokalanästhesie auch<br />
Akupunktur, Entspannungsverfahren und psychotherapeutische Unterstützung in Frage.<br />
Wissenschaftler versuchen neue Tests zu entwickeln, mit denen sich die Schwere eines<br />
Schleudertraumas besser einschätzen und objektivieren lässt. Dadurch wird der Weg für eine<br />
verbesserte, individuell zugeschnittene Therapie bereitet. Und darüber hinaus hilft dies bei der<br />
genauern Beurteilung von Versicherungsfällen.<br />
Migräne<br />
Jeder zehnte Mensch in Deutschland leidet unter anfallartig auftretenden, quälenden Kopfschmerzen -<br />
häufig mit Übelkeit und Erbrechen: Migräne. Etwa 15 Prozent der Betroffenen spüren bereits ein bis<br />
zwei Stunden vor einem Migräneanfall die sogenannte Aura, das sind Vorboten wie Seh- oder Sprachstörungen<br />
oder ein Kribbeln in Armen oder Beinen. Die Nervenzellen im Gehirn von Migränepatienten<br />
sind leichter erregbar und haben eine niedrigere Schmerzschwelle. Ausgelöst werden die Attacken im<br />
Hirnstamm: Bei einem Migräneanfall sendet ein bestimmtes Areal Nervenimpulse aus, die zu einer<br />
Entzündung von Blutgefäßen führen. Sie schwellen an und setzen Entzündungsstoffe frei. Das<br />
wiederum reizt Nervenbahnen in der Nähe und verursacht die Migräneschmerzen.<br />
Die Anfälle selbst dauern bis zu drei Tagen, in denen die Betroffenen kein normales Leben mehr<br />
führen können. Meist pulsiert der Schmerz auf einer Seite des Kopfes, er kann aber auch hin und her<br />
wechseln oder beidseitig vorhanden sein. Jedes Geräusch, jede Berührung, jede Bewegung und jeder<br />
Lichtstrahl verschlimmern die Qualen. Bei Frauen hängt die Migräne oft mit Hormonschwankungen<br />
zusammen. In diesem Fall lassen die Anfälle nach den Wechseljahren deutlich nach.<br />
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?<br />
Die Behandlung einer Migräne ist nicht einfach, denn die üblichen Schmerzmittel können einen<br />
schweren Anfall nicht stoppen. Hier werden vor allem sogenannte Triptane eingesetzt. Die Patienten<br />
spritzen sie bei Bedarf unter die Haut, nehmen sie als Tablette oder Nasenspray ein. Bei häufigen<br />
Anfällen kann auch eine vorbeugende medikamentöse Behandlung sinnvoll sein, die die Frequenz der<br />
Attacken deutlich senkt. Auch nicht-medikamentöse Therapien können helfen: Das Wichtigste ist,<br />
dass die Patienten lernen, gelassener mit "nervigen" Umwelteinflüssen umzugehen, statt ihnen aus<br />
dem Weg zu gehen. Denn die Vermeidung störender Einflüsse führt nur zu steigender Empfindlichkeit.<br />
Wird zum Beispiel ein tickender Wecker entfernt, stören andere leise Geräusche umso mehr.<br />
Biofeedback und Entspannungsmethoden wie die progressive Muskelentspannung helfen, zwischen<br />
den Attacken die Empfindlichkeit zu dämpfen. Nicht geeignet ist Autogenes Training, es verschlimmert<br />
die Migräne eher. Mit zunehmendem Alter sinkt das Migränerisiko meist von selbst, die Anfälle können<br />
auch ganz verschwinden, wenn zum Beispiel im Ruhestand der Stress nachlässt. Während Stress und<br />
körperliche Überforderung vor allem in der anschließenden Erholungsphase Migräneanfälle auslösen<br />
können, wirkt ein angemessenes körperliches Training vorbeugend.<br />
Studien zeigten, dass Patienten ohne Aura zwei Tage vor dem Anfall ein erhöhtes Aufmerksamkeitsniveau<br />
haben: Sie sind wacher, klarer, können gut denken, sind aber auch nervöser und reizbarer.<br />
In dieser Phase können die Betroffenen gezielt etwas gegen die drohende Migräne unternehmen,<br />
indem sie der Erregung durch bewusste Entspannung entgegensteuern. Erste Ergebnisse<br />
weiterer Untersuchungen zeigen, dass sich der Aufmerksamkeitspegel in dieser Phase auch mit<br />
niedrig dosierten Beruhigungsmitteln senken lässt.<br />
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Forscher setzen auf Gleichstrombehandlung<br />
Göttinger Forscher haben einen ganz anderen Weg eingeschlagen, um Migränepatienten zu helfen,<br />
bei denen die Medikamente nicht ausreichend anschlagen: Sie versuchen, mit elektrischem Strom von<br />
außen die Erregbarkeit des Gehirns zu beeinflussen. Zwar wurde die Gleichstrombehandlung bereits<br />
vor fast 50 Jahren erfolglos getestet, doch die Mediziner gehen davon aus, dass die Methode im<br />
Prinzip funktioniert. Sie erproben das Verfahren nun mit anderen Stromstärken und hoffen, damit doch<br />
noch zum Ziel zu gelangen.<br />
Zehn Tipps für Migränepatienten<br />
� lernen und üben, "nein" zu sagen<br />
� den Tagesablauf vorab planen - mit vielen Pausen<br />
� immer daran denken: 100 Prozent Leistung ist genug<br />
� Schlaf-Wach-Rhythmus auch am Wochenende beibehalten<br />
� täglich und regelmäßig Entspannungsübungen machen<br />
� mindestens zwei Mal pro Woche eine halbe Stunde joggen<br />
� im Schmerztagebuch auch die schmerzfreien Tage protokollieren<br />
� Anfallsvorboten beachten: Heißhunger, häufiges Gähnen, hohe Aufmerksamkeit<br />
� langsam in die Entspannung kommen<br />
� lernen, mit Anfallsauslösern umzugehen<br />
Osteopathie gegen Schmerzen: heilende Hände<br />
Schon nach wenigen Handgriffen spürt der Therapeut, warum ein Patient Schmerzen hat, oft lassen<br />
die Beschwerden bereits nach drei bis vier Behandlungen nach oder sind sogar ganz verschwunden:<br />
Die Osteopathie ist in anderen Ländern längst als seriöse Heilmethode anerkannt, wird aber in<br />
Deutschland immer noch kritisch betrachtet. Oft liegt die Ursache der Schmerzen gar nicht in dem<br />
Bereich, in dem sie auftreten, sondern ganz woanders. Das erspüren Osteopathen mit ihren Händen,<br />
viel Erfahrung und Sensibilität. Körperhaltung, Atmung und Muskelverhärtungen geben Hinweise, wo<br />
eine Störung vorliegt. So können Schwindel oder Kopfschmerzen auf ein Problem im Beckenbereich<br />
zurückzuführen sein oder Darmprobleme über Druck aufs Zwerchfell Herzrhythmusstörungen<br />
auslösen.<br />
"Leben ist Bewegung"<br />
Osteopathen gehen davon aus, dass alle Organe und Gewebe miteinander in Beziehung stehen.<br />
Flüssigkeitsstau, Gelenkfehlstellungen, Verletzungen oder Muskelblockaden führen danach zu vielfältigen<br />
Beschwerden im ganzen Körper. "Leben ist Bewegung" lautet die Grundüberzeugung der<br />
Osteopathie. Danach funktioniert der gesamte Körper wie ein Uhrwerk: Hakt auch nur ein kleines<br />
Rädchen, gerät das ganze System ins Stocken. Funktions- und Entwicklungsstörungen oder<br />
Schmerzen sind die Folge. Das gilt für Muskeln, Sehnen und Knochen ebenso wie für innere Organe<br />
wie zum Beispiel Herz, Lunge oder Niere.<br />
Die Entwicklung der Osteopathie geht auf den amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still zurück, der<br />
bereits vor mehr als 130 Jahren Muskelverspannungen und Blockaden als Wurzel gesundheitlicher<br />
Beschwerden ansah. Stills Schüler entwickelten seinen Behandlungsansatz weiter und bezogen auch<br />
Schädel, Rückenmark und innere Organe in die osteopathische Denkweise mit ein. Erst Mitte des 20.<br />
Jahrhunderts kam die Osteopathie nach Europa. Doch während etwa in Großbritannien und Belgien<br />
die Ausbildung staatlich anerkannt und der Schulmedizin gleichgestellt ist, ist der Begriff des Osteopathen<br />
in Deutschland nicht gesetzlich geschützt. Dabei müssen auch hier "richtige", vom Verband<br />
anerkannte Osteopathen eine fünf- bis sechsjährige Ausbildung absolvieren, das Arbeiten mit den<br />
Händen und Erspüren von Blockaden erlernen. Über leichten Druck und winzige Bewegungen<br />
verändern sie mit speziellen Griffen den Spannungszustand der Muskulatur und des Gewebes. Bereits<br />
nach drei bis vier Behandlungssitzungen sollten die Beschwerden deutlich nachlassen.<br />
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Ergänzung zur Schulmedizin<br />
Doch die Osteopathie ist immer nur eine Ergänzung der Schulmedizin, ersetzen kann sie sie nicht. Hat<br />
sich eine Erkrankung bereits manifestiert, kann die Osteopathie nicht helfen. Und sie ist auch nicht<br />
immer frei von Nebenwirkungen: Gehen die vom Osteopathen gegebenen Impulse in die falsche<br />
Richtung, können sich die Beschwerden verschlimmern. Bei der richtigen Indikation kann die<br />
Osteopathie aber Patienten jeden Alters helfen - vom Kleinkind bis zum Greis. Selbst bei Säuglingen,<br />
die nach einer schweren Geburt unter Fehlhaltungen und Schmerzen leiden, kann die Osteopathie<br />
hilfreich sein und Beschwerden beseitigen. Die Kosten pro Sitzung liegen bei 50 bis 80 Euro, die von<br />
den gesetzlichen Krankenkassen allerdings nicht übernommen werden.<br />
Heilkraft aus dem Meer: Schneckengift gegen Schmerzen<br />
Viele Meeresbewohner haben über Jahrtausende Wirkstoffe entwickelt, mit denen sie Beutetiere<br />
lähmen oder Feinde töten können. Zu ihnen gehört auch die Kegelschnecke (Conus magus). Nähert<br />
sich ein Fisch, fährt die Schnecke blitzschnell eine Harpune aus. Sie bohrt sich in die Beute und das<br />
ausströmende Gift lähmt das Opfer sofort. Jahrelang haben Wissenschaftler weltweit daran geforscht,<br />
auf welche Weise der Giftcocktail (Conotoxin) ein Beutetier lähmt. Ihre Erkenntnis: Das Conotoxin ist<br />
ein starkes Nervengift. Das Besondere: Es wirkt auf Botenstoffe, die an der Schmerzübertragung<br />
beteiligt sind. Das Gift blockiert Calciumkanäle, so dass der Reiz im Nervensystem nicht weitergeleitet<br />
wird.<br />
Wirksamer als Morphium<br />
Diese Eigenschaft wird jetzt in der Schmerztherapie genutzt. Seit kurzem ist ein neuartiger Wirkstoff<br />
zugelassen, Ziconotid, der dem Gift der Kegelschnecke entspricht und künstlich hergestellt wird. Dies<br />
bedeutet Hoffnung für acht bis zehn Millionen Menschen in Deutschland, die an chronischen Schmerzen<br />
leiden. Manche Patienten haben so starke Schmerzen, dass ihnen selbst Opiate, also Morphium,<br />
keine Erleichterung bringen können. Besonders Nervenschmerzen, sogenannte neuropatische<br />
Schmerzen, lassen sich oft nur schwer behandeln. Das neue Medikament Ziconotid ist wesentlich<br />
wirksamer als Morphium und eine Gewöhnung an das Medikament soll nicht vorkommen.<br />
Schwierig ist aber die Verabreichung von Ziconotid, denn die Substanz muss als Flüssigkeit mit Hilfe<br />
einer Schmerzpumpe direkt an das Rückenmark geleitet werden und die Dosierung muss genau<br />
stimmen, denn die Nebenwirkungen können von Übelkeit, Verwirrtheit bis zu lebensbedrohlichen<br />
Lähmungen reichen. Noch wird Ziconotid erprobt, doch die Mediziner konnten bislang schon erste<br />
Erfolge verzeichnen.<br />
Schmerzen durch Verwachsungen<br />
Jahrelange Schmerzen im Bauch, die sich bei Bewegungen oder langem Sitzen verschlimmern,<br />
Verdauungsprobleme oder sogar Unfruchtbarkeit: Ursachen solcher Beschwerden können<br />
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Verwachsungen (Adhäsionen) im Bauchraum sein. Oft bleiben die Schmerzen trotz mehrerer<br />
Operationen bestehen oder nehmen sogar zu.<br />
Ursachen ungeklärt<br />
Obwohl Adhäsionen nach jeder Operation entstehen können, wird das Problem noch immer<br />
unterschätzt und daher erst spät erkannt. Die genauen Ursachen sind bis heute nicht bekannt.<br />
Wahrscheinlich ist eine Schädigung des Bauchfells der erste Schritt für das Entstehen von<br />
Adhäsionen, zum Beispiel durch Entzündung, Operation, Durchblutungsstörung oder Fremdkörper.<br />
Der Körper versucht die geschädigten Zellen des Bauchfells durch Verklebungen an diesen Stellen zu<br />
schützen. Innerhalb von zwei bis drei Tagen kann der Körper diese Verklebungen noch selbst lösen.<br />
Geschieht das nicht, sprießen Blutgefäße in die Verklebungen ein und führen zur Umwandlung des<br />
Gewebes in feste, bindegewebeartige Verwachsungen. Bilden sich zum Beispiel zwischen Dünndarmschlingen<br />
Narbenstränge, kann das den Stuhltransport verhindern. Verdauungsprobleme,<br />
Schmerzen oder sogar ein lebensbedrohlicher Darmverschluss drohen. Besonders schwierig ist die<br />
Diagnostik: Meist sind die Verwachsungen weder zu sehen noch zu tasten. Häufig ist selbst per<br />
Ultraschall oder Magnetresonanztomographie (MRT) das Ausmaß der Verwachsungen nicht immer<br />
genau zu erkennen. Oft gibt erst ein direkter Blick in den Bauchraum Aufschluss.<br />
Behandlungsmöglichkeiten<br />
Während einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) oder bei einer offenen Operation (Laparotomie)<br />
zeigen sich Verwachsungen als helle Narbenstränge. Der Operateur durchtrennt sie, damit die Organe<br />
wieder beweglich sind. Durch den Einsatz verschiedener Spüllösungen, Gels oder Folien versuchen<br />
Chirurgen solche Vernarbungen zu vermeiden, doch keine dieser Varianten bietet eine<br />
hundertprozentige Sicherheit vor Verwachsungen. Auch gibt es bislang keine Therapie, die<br />
Vernarbungen dauerhaft lösen kann. Bei einigen Patienten sind die Verwachsungen so ausgeprägt,<br />
dass eine vollständige Lösung aller Adhäsionen nicht möglich ist.<br />
Eine Operation muss gut überlegt sein, da keine sichere Vermeidung neuer Verwachsungen, aber ein<br />
Weiterbestehen oder sogar eine Verschlimmerung der Beschwerden möglich ist. Vielen Patienten hilft<br />
Krankengymnastik gegen die Schmerzen. Wer den Verdacht hat, unter den Folgen von<br />
Verwachsungen zu leiden, sollte sich an eine Selbsthilfegruppe wenden, die den richtigen Weg zu<br />
einer interdisziplinären Diagnostik und Therapie weisen kann.<br />
Rätselhafte Krankheit: Fibromyalgie<br />
Über zwei Millionen Menschen leiden bundesweit unter der rätselhaften Krankheit Fibromyalgie<br />
(FMS). Sie klagen über Muskelschmerzen, Erschöpfung, Darmprobleme - und das alles ohne<br />
Ursache. Die Symptome sind so vielfältig, dass die Krankheit lange unerkannt bleibt. Der Leidensweg<br />
der Betroffenen scheint endlos, physisch und psychisch wird der Patient einer Belastung ausgesetzt,<br />
muss sich vor den Ärzten erklären und leidet, weil keine Ursache für die Beschwerden, festgestellt<br />
werden kann, unter Selbstzweifeln. Oft dauert es Jahre, bis Ärzte die Fibromyalgie feststellen. Die<br />
Krankheit ist seit Anfang der 80er-Jahre bekannt und gilt als unheilbar. Frauen sind dabei häufiger<br />
betroffen als Männer.<br />
Störung der zentralen Schmerzverarbeitung<br />
Experten gehen davon aus, dass die Ursache der Krankheit im Gehirn liegt. Sie nehmen an, dass bei<br />
Fibromyalgie-Patienten eine Störung der zentralen Schmerzverarbeitung im Gehirn vorliegt. Die<br />
Schmerzschwelle ist herabgesetzt, die sogenannte Graue Substanz ist verringert. Einen Hinweis auf<br />
Fibromyalgie können die sogenannten Tenderpoints geben. Das sind 18 spezielle Druckschmerzpunkte<br />
an den Übergängen von Muskeln und Sehnen. Reagiert der Patient an mindestens elf dieser<br />
Punkte auf einen Daumendruck mit starken Schmerzen, spricht das für eine FMS.<br />
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Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?<br />
Bei der Behandlung kommt es auf einen frühen Therapiebeginn an, damit sich die Krankheit nicht<br />
weiter ausbreitet. Sie ist zwar auch ambulant möglich, aber die verschiedenen Verfahren wie<br />
Krankengymnastik, Psychotherapie, medikamentöse Behandlung und Entspannungsübungen unter<br />
einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach. Hilfreich ist eine speziell auf FMS ausgerichtete stationäre<br />
Behandlung. Die Therapie entspricht den aktuellen Leitlinien. Das heißt: Nicht alles hilft jedem. Für<br />
jeden Patienten wird ein individueller Therapieplan erstellt. Den einen tut eine Wärmebehandlung mit<br />
Moorbädern gut, anderen verschafft die Kältekammer Linderung.<br />
Sind die Schmerzen gelindert, folgt die Bewegungstherapie im warmen Wasser. Viele Patienten<br />
können hier wieder Bewegungen machen, die ihnen vorher unerträglich waren. Durch das Leben in<br />
ständiger Schonhaltung mangelt es den meisten FMS-Patienten an Ausdauer und Kraft. Deshalb sind<br />
leichte Trainingseinheiten wichtig, um die körperliche Leistungsfähigkeit wieder zu steigern. Auch die<br />
Ernährung spielt eine Rolle: Viele Patienten haben Verdauungsprobleme und profitieren von der Umstellung<br />
auf fleischarme, ballaststoffreiche Ernährung mit wenig Zucker. Sehr wichtig ist die<br />
psychotherapeutische Unterstützung, damit die Patienten für sich einen Weg finden, gut zu entspannen<br />
und Stress zu verarbeiten. Die Patienten lernen, positive Empfindungen bewusst wahrzunehmen,<br />
um die Schmerzsignale auszublenden. So soll das Schmerzgedächtnis "umlernen".<br />
Medikamente mit ganz unterschiedlicher Wirkung (Schmerzmittel oder Antidepressiva) ergänzen die<br />
Behandlung.<br />
Zu den häufigsten Erkrankungen in rheumatologischen und schmerztherapeutischen Ambulanzen<br />
gehört das sogenannte „Fibromyalgie-Syndrom“. Typischerweise leiden die meisten Patienten an<br />
mehreren Symptomen gleichzeitig. Im Vordergrund stehen chronische Schmerzen im ganzen Körper,<br />
die häufig den Ort wechseln. Viele Patienten fühlen sich ängstlich, depressiv und dauerhaft müde.<br />
Hinzu kommen noch Schlafstörungen und andere Beschwerden. Betroffen sind überwiegend Frauen<br />
zwischen 40 und 60 Jahren, wobei die Ursachen der erhöhten Schmerzempfindlichkeit, aber auch die<br />
angebotenen Therapien bisher umstritten sind.<br />
Schmerzforscher führten deshalb kürzlich eine umfassende Analyse aller vorhandenen Studien über<br />
Fibromyalgie durch und veröffentlichten jetzt ihre neuen und erstaunlichen Ergebnisse: Nur ein gezieltes<br />
Herz-Kreislauf-Training, das individuell an die Fähigkeiten des Patienten angepasst ist, lindert alle<br />
Beschwerden der Fibromyalgie gleichzeitig und anhaltend. Die meisten anderen Therapien wirken<br />
dagegen nur auf eines der vielen Symptome. Schmerzmedikamente zum Beispiel helfen bei Schmerzen,<br />
nicht aber nicht gegen die depressive Stimmung der Patienten. Verhaltenstherapie unterstützt ein<br />
gesünderes Denken, lindert aber die Schmerzen nicht. Die Forscher fanden außerdem heraus, dass<br />
die Therapie mit Medikamenten (z.B. mit Antidepressiva) häufig schon vorzeitig abgebrochen wird.<br />
Der Grund dafür sind unangenehme Nebenwirkungen. Patienten, die ihre Krankheit dagegen mit<br />
aerobem Ausdauertraining wie Fahrradfahren auf dem Ergometer, Nordic Walking und/oder medizinischem<br />
Fitnesstraining bekämpfen, halten ihre Therapie meist durch und profitieren langfristig davon.<br />
Risiken und Nebenwirkungen: krank durch Schmerzmittel<br />
Sie sollen Schmerzen ausschalten oder zumindest lindern, sie können aber auch schaden:<br />
Schmerzmittel. Die Arzneimittel wirken auf ganz unterschiedliche Weise und genauso vielfältig sind<br />
die möglichen Nebenwirkungen. Vor einigen Jahren nahmen die Hersteller die für viele gut verträglichen<br />
sogenannten Cox-2-Hemmer freiwillig vom Markt, als sich herausstellte, dass sie das Schlaganfall-<br />
und Herzinfarktrisiko erhöhen. Doch inzwischen zeigen neuere Untersuchungen, dass auch<br />
viele andere Schmerzmedikamente und Entzündungshemmer aus der Wirkstoffgruppe der sogenannten<br />
Nicht-Steroidalen Antirheumatika (NSAR) die Herzinfarktgefahr verdoppeln, darunter weit verbreitete<br />
Klassiker wie Ibuprofen und Diclofenac. Das gilt sowohl für verschreibungspflichtige als auch für<br />
frei verkäufliche Arzneimittel.<br />
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Kopfschmerztabletten mit Bedacht einsetzen<br />
Aus diesem Grund musste der Beipackzettel dieser Präparate um entsprechende Warnhinweise<br />
ergänzt werden. Außerdem wird darin nun vor der Einnahme bei Herzschwäche gewarnt. Hinzu<br />
kommen die für NSAR typischen Nebenwirkungen im Magen-Darmbereich, die bei Cox-2-Hemmern<br />
nicht auftreten. Auch Kopfschmerztabletten sollten nicht unbedacht eingesetzt werden. Zwar bringen<br />
sie meist schnelle Linderung bei akuten Beschwerden, doch bei häufiger und unkontrollierter Einnahme<br />
drohen Nieren- und Leberschäden: Manchmal nehmen die Beschwerden sogar zu.<br />
Typisch für diesen durch die Medikamente selbst hervorgerufenen (medikamenteninduzierten)<br />
Kopfschmerz sind dumpfe drückende Schmerzen, die schon morgens beginnen und den ganzen Tag<br />
anhalten. Rund drei Prozent der erwachsenen Bevölkerung leiden darunter, Frauen häufiger als<br />
Männer. Um nicht in die Schmerzspirale zu geraten, sollten Kopfschmerztabletten an höchstens zehn<br />
Tagen pro Monat eingenommen werden.<br />
Vorsicht bei koffeinhaltigen Präparaten<br />
Bei der Verwendung koffeinhaltiger Präparate ist das Risiko, einen medikamentenabhängigen<br />
Dauerkopfschmerz zu entwickeln, besonders groß. Die einzige Möglichkeit, den<br />
medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz zu behandeln, ist der Entzug, also das Absetzen aller<br />
Schmerzmittel - am besten in einer speziellen Schmerzklinik.<br />
Generell gilt, dass Schmerzmedikamente nicht unkontrolliert auf Dauer und nicht in zu hoher Dosierung<br />
eingenommen werden dürfen. Außerdem wichtig: Medikamente möglichst nur mit Leitungswasser<br />
einnehmen, da Fruchtsäfte, Ballaststoffe (Müsli), Milch, Kaffee, Cola und Tee die Aufnahme,<br />
die Wirkung und die Ausscheidung mancher Wirkstoffe massiv beeinträchtigen können.<br />
Auch die individuellen Erbanlagen können die Wirkung der Medikamente beeinflussen, deshalb<br />
schlagen Schmerzmittel bei manchen Menschen besser oder schlechter an, führen zu mehr oder<br />
weniger Nebenwirkungen. Wer häufig oder dauerhaft unter Schmerzen leidet, sollte Hilfe bei einem<br />
Schmerztherapeuten suchen. Diese Spezialisten kennen sich besonders gut mit Möglichkeiten,<br />
Risiken und Nebenwirkungen der Schmerzmittel aus und können oft auch mit nichtmedikamentösen<br />
Verfahren helfen. Die Palette der Möglichkeiten reicht dabei von gezielten Entspannungsverfahren<br />
über Schmerzpflaster und Spritzenpumpen bis hin zu kleinen operativen Eingriffen, um die<br />
Schmerzweiterleitung dauerhaft zu unterbrechen.<br />
Gelenkschmerzen mit Nervendurchtrennung behandeln<br />
Infolge arthrotischer Veränderungen im Bereich des Handgelenkes kommt es nicht selten zu chroni^schen<br />
Schmerzen. Sind zur Linderung der Beschwerden alle schmerz- und physiotherapeutischen<br />
Optionen ausgeschöpft und ein Gelenkersatz wegen der schlechten Knochensubstanz ausgeschlossen,<br />
steht mit der sogenannten Denervierung eine weitere Behandlungsmöglichkeit zur<br />
Verfügung. Experten verstehen darunter die gezielte Durchtrennung schmerzleitender Nervenfasern.<br />
Dabei werden nur die Nerven durchtrennt, die Schmerzreize zum Gehirn leiten, um Lähmungen oder<br />
Taubheitsgefühle nach dem Eingriff zu verhindern.<br />
Ursachen werden nicht beseitigt<br />
Da die Schmerzfasern mit einem Durchmesser von 0,2 Millimetern besonders dünn sind, erfordert der<br />
etwa einstündige operative Eingriff viel Erfahrung und den Einsatz einer Lupenbrille. Der Eingriff<br />
beseitigt die Ursachen der Schmerzen allerdings nicht, sondern nur die Schmerzwahrnehmung.<br />
Veränderungen im Bereich des betroffenen Gelenkes können fortschreiten und Begleiterscheinungen<br />
wie zum Beispiel Schwellungen weiterhin auftreten. Seit einigen Jahren wird die Methode der<br />
Denervation auch zur Behandlung von chronischen Schmerzen im Bereich des Kniegelenkes<br />
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angewandt. Dabei wird zunächst eine Testblockade der betroffenen Nerven durchgeführt, um das<br />
Ergebnis zu simulieren. Dazu werden kleine Mengen eines Lokalänasthetikums an die schmerzhaften<br />
Nervenaustrittspunkte gespritzt. Der Patient kann so unmittelbar feststellen, ob die Schmerzen<br />
gelindert sind. Nach einem erfolgreichen Test werden die entsprechenden Nerven durchtrennt und ein<br />
Stück entfernt, damit sie nicht wieder zusammenwachsen und erneut Schmerzen übermitteln können.<br />
Schmerzende Fingergelenke: schonen oder zupacken ?<br />
Rund 30 Prozent aller Frauen und circa vier Prozent der Männer leiden unter Schmerzen, Steife und<br />
Bewegungseinschränkungen in den Fingergelenken. Ist der Daumen betroffen, sind selbst die einfachsten<br />
Handgriffe im Alltag mühsam und filigrane Fingerübungen gar unmöglich. Denn er ist nicht<br />
nur unser stärkster Finger, sondern ermöglicht uns mit seinem besonderen Sattelgelenk auch ein<br />
gezieltes Greifen und festes Halten.<br />
Schmerzt der Daumen, ist dafür häufig eine Arthrose des Daumensattelgelenkes, die sogenannte<br />
Rhizarthrose, verantwortlich. Schmerzen, Schwellungen und Morgensteifigkeit sind die typischen<br />
Symptome des Gelenkverschleißes und Folge eines abgenutzten Knorpels und angegriffener<br />
Knochen. Ursächlich dafür können mechanische Überbelastung, hormonelle Fehlfunktionen und<br />
Stoffwechselerkrankungen sowie Knochenbrüche oder Rheuma sein. Meist beginnt die Fingerarthrose<br />
ab dem 40. Lebensjahr.<br />
Doch auch jüngere Menschen können unter einem schmerzenden Daumen leiden. Die Ursache<br />
hierfür ist meist eine Entzündung der Strecksehnen. Bei der Tendovaginitis de Quervain, so der<br />
medizinische Fachausdruck, ist die Sehnenscheide zu eng. Dadurch schmerzen die Daumensehnen<br />
bei jeder Bewegung und entzünden sich.<br />
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?<br />
Bei Verdacht auf eine Erkrankung der Fingergelenke sollte unbedingt der Arzt aufgesucht werden,<br />
denn eine frühzeitige Diagnose mit einer gezielten Therapie ist für den weiteren Krankheitsverlauf von<br />
entscheidender Bedeutung. Neben den typischen Symptomen kann dabei auch eine Blutuntersuchung<br />
und ein Röntgenbild Aufschluss über die Ursachen der Fingerschmerzen geben. Liegt eine<br />
Entzündung der Strecksehne vor, sollte im akuten Stadium eine Ruhigstellung mit Schiene oder Tape<br />
erfolgen und entzündungshemmende Salbenverbände angelegt werden. Treten die Schmerzen im<br />
Daumen nach erneuter Belastung wieder auf, kann eine Bandage das Gelenk stabilisieren und so<br />
entlasten. Auch Behandlungen mit Gleichstrom (Iontophorese) oder Cortison, können die Entzün.dung<br />
lindern. Erst wenn diese Maßnahmen keinen dauerhaften Erfolg bringen, empfehlen die Ärzte<br />
eine Operation, bei der das enge Sehnenfach der Daumenstrecksehnen geweitet wird.<br />
Sind die Fingergelenke aber durch eine Arthrose geschädigt, ist eine komplette Heilung unmöglich.<br />
Oberstes Ziel einer Behandlung sollte es daher sein, Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit des<br />
betroffenen Gelenkes so lange wie möglich zu erhalten. Dazu kommen zunächst entzündungshemmende<br />
Medikamente und schmerzstillende Handbäder (zum Beispiel mit Senfsamen) zum<br />
Einsatz. Auch Injektionen mit Cortison oder Hyaluronsäure können die Beschwerden für einige<br />
Wochen lindern. Eine neue Therapieform ist die Radiosynoviorthese. Dabei werden radioaktive Stoffe<br />
in das Gelenk gespritzt, die entzündete Zellen abtöten und so eine weitere Gelenkzerstörung<br />
aufhalten können. Schreitet die Arthrose weiter fort, kann auch ein chirurgischer Eingriff mit Entfernung<br />
des angegriffenen Handwurzelknochens und einem Sehnenersatz notwendig werden. Um dem<br />
vorzubeugen, kann eine regelmäßige Fingergymnastik im warmen Wasser die Gelenke geschmeidig<br />
halten. Zudem gibt es viele Hilfsmittel wie Küchenutensilien mit extra dicken Griffen oder Knöpfhilfen,<br />
die Arthrosepatienten den Alltag erleichtern können.<br />
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Schmerztherapie: Opium gegen Schmerzen<br />
Dass Patienten nach Operationen oder Krebskranke wegen starker Schmerzen Opioide benötigen,<br />
bezweifelt heute kein Schmerztherapeut mehr. Aber auch chronisch Kranke haben oft Schmerzen, die<br />
sich mit üblichen Arzneimitteln wie ASS, Ibuprofen oder Paracetamol nicht ausreichend lindern lassen.<br />
Dazu gehören vor allem Krankheiten des Bewegungsapparats und starke Nervenschmerzen. Viele<br />
Patienten klagen zudem nach jahrelanger Einnahme dieser Medikamente über Nebenwirkungen im<br />
Magen-Darm-Trakt. Die stärkeren aber besser verträglichen Opioide, also morphinhaltigen Arzneimittel,<br />
würden Patienten mit starken chronischen Schmerzen noch viel zu wenig verordnet, klagen<br />
Experten. Schätzungen zufolge erhalten gerade einmal 40 Prozent der Patienten, die sie eigentlich<br />
benötigen, eine Opioid-Therapie. Das bedeutet, dass die meisten chronisch Schmerzkranken unnötige<br />
Qualen ertragen müssen.<br />
Genaue Diagnostik in Schmerzabulanzen<br />
Hilfe finden solche Patienten in speziellen Schmerzambulanzen. Hier entscheiden Experten<br />
verschiedener Fachrichtungen nach einer gründlichen Diagnostik gemeinsam, welche<br />
Schmerztherapie dem Patienten am besten helfen kann. Dabei kommen nicht nur Schmerztabletten<br />
zum Einsatz, sondern auch sogenannte TENS-Geräte und Neurostimulatoren, die durch schwache<br />
Stromimpulse die Weiterleitung des Schmerzreizes abschwächen können, oder schmerz- und<br />
entzündungshemmende Spritzen, die regelmäßig gezielt an den Ort der Schmerzentstehung gesetzt<br />
werden.<br />
Gut verträglich: Opioid-Pflaster<br />
Reichen diese Methoden nicht aus, um die Schmerzen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren,<br />
kommen Opioide zum Einsatz. Eine häufige Anwendungsform sind die sehr gut verträglichen Opioid-<br />
Pflaster. Sie geben kontinuierlich den Wirkstoff ab, der dann über die Haut aufgenommen wird. Alle<br />
drei Tage muss das Pflaster gewechselt werden, dann ist der Wirkstoff verbraucht. Andere Patienten<br />
kommen besser mit Tabletten zurecht, vor allem, wenn sie hohe oder wechselnde Dosierungen<br />
benötigen. Eine häufige Nebenwirkung der Opiate sind Verstopfungen. Deshalb nehmen die Patienten<br />
in der Regel auch Präparate zur Anregung der Verdauung ein. Oft erlauben die starken Schmerzmittel<br />
den Patienten auch wichtige krankengymnastische Übungen, die sie ohne die Präparate nicht durchführen<br />
könnten. Eine Abhängigkeit von den Opioiden ist bei richtiger Dosierung und Anwendung nicht<br />
zu befürchten. Vorsicht ist allerdings beim Wechsel zwischen Präparaten unterschiedlicher Hersteller<br />
geboten. Sie können trotz gleichem Wirkstoff und gleicher Dosis deutliche Unterschiede bei<br />
Wirkungen und Nebenwirkungen aufweisen. Deshalb empfehlen Schmerzexperten, dass der Arzt auf<br />
dem Rezept den in der Apotheke üblichen Austausch des verordneten Präparates gegen ein eventuell<br />
billigeres ausdrücklich ausschließt.<br />
Polyneuropathie: wenn die Nerven verrückt spielen<br />
Kribbeln und Stechen, brennende Schmerzen, aber auch Taubheit in bestimmten Körperteilen können<br />
Anzeichen für eine Erkrankung des Nervensystems sein: Polyneuropathie.<br />
Sie gehört zu den häufigsten neurologischen Krankheiten und tritt oft als Spätfolge der<br />
Zuckerkrankheit Diabetes mellitus auf. Auch regelmäßiger Alkoholkonsum, Medikamente, Infektionen,<br />
Autoimmunkrankheiten oder genetische Faktoren können eine Polyneuropathie auslösen. In jedem<br />
dritten Fall bleibt die Ursache allerdings unklar.<br />
Nervenbahnen geschädigt<br />
Die Nervenbahnen durchziehen den ganzen Körper wie Stromkabel. Durch sie senden und<br />
empfangen unsere Nervenzellen Impulse, steuern Muskeln und leiten Gefühlsempfindungen an unser<br />
Gehirn und Rückenmark weiter. Bei der Polyneuropathie werden die Nervenbahnen aus<br />
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unterschiedlichen Gründen geschädigt, sodass sie die Impulse gar nicht mehr oder nur noch<br />
unvollständig weiterleiten. Die Folgen sind Muskelschwäche, Schmerzen oder Taubheitsgefühle.<br />
Besonders gefährlich wird es, wenn auch die Herznerven betroffen sind. Dies führt zu einem deutlich<br />
erhöhten Risiko, am plötzlichen Herztod zu sterben, da Infarkte so schmerzlos ablaufen können.<br />
Möglichkeiten der Diagnose<br />
Unabhängig von der Ursache gilt: Je früher die Polyneuropathie erkannt und behandelt wird, desto<br />
besser. Deuten Symptome wie Kribbeln, stechende oder brennende Schmerzen und Schwäche in<br />
Armen und Beinen auf eine Polyneuropathie hin, führt der Neurologe eine Reihe von Tests durch.<br />
Zunächst prüft er, ob die Reflexe noch funktionieren. Dann misst er mit einem einfachen und<br />
schmerzlosen Test die Nervenleitgeschwindigkeit, indem er Strom durch die Nerven schickt. Ist sie<br />
deutlich erniedrigt, ist dies ein Hinweis auf eine Polyneuropathie.<br />
Um festzustellen, wie stark die sensiblen Nerven bereits geschädigt sind, testet der Neurologe mit<br />
einer Stimmgabel das Vibrationsempfinden. Der Patient muss angeben, ab wann er die Schwingungen<br />
der angeschlagenen Gabel nicht mehr spürt. Das Temperatur- und Schmerzempfinden wird mit<br />
einer sogenannten Thermode geprüft. Gesunde nehmen Wärme ab 38 Grad wahr, Patienten mit einer<br />
Polyneuropathie erst bei deutlich höheren Temperaturen. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Betroffenen<br />
auch Verletzungen, Kälte- und Hitzeschäden erst viel zu spät spüren und sich so unbemerkt<br />
Geschwüre entwickeln können. Nicht selten bleibt dann nur noch die Amputation.<br />
Bei der Suche nach der Ursache einer Polyneuropathie kann auch eine Gewebeentnahme, eine<br />
sogenannte Biopsie, helfen. Dabei entnimmt der Arzt Muskel- und Nervengewebe und lässt es<br />
feingeweblich untersuchen. So kann er zum Beispiel feststellen, ob eine Infektion, eine Autoimmun-<br />
oder Erbkrankheit für das Leiden verantwortlich ist.<br />
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?<br />
Bei der Behandlung der Polyneuropathie geht es zunächst darum, die wahrscheinliche Ursache des<br />
Nervenleidens zu bekämpfen. Gelingt das, sind die Heilungschancen gut. Hat Diabetes schleichend<br />
über viele Jahre die Nerven zerstört, muss der Patient seine Blutzuckerwerte in den Griff bekommen,<br />
um die Nervenschädigung zu stoppen. Bei Altersdiabetes bedeutet das vor allem eine Umstellung des<br />
Lebensstils mit Gewichtsreduktion und viel Bewegung. Zusätzlich kann der körpereigene Stoff Alpha-<br />
Liponsäure als Infusion Schmerzen und Gefühlsstörungen lindern. Sind Alkohol oder Medikamente die<br />
Ursache, hilft Abstinenz beziehungsweise ein Wechsel der Präparate.<br />
Bei alkoholbedingter Polyneuropathie kann Vitamin B1 die Regeneration der peripheren Nerven<br />
fördern. Bei anderen Formen der Polyneuropathie sind Ursachensuche und Behandlung schwieriger.<br />
So wird die entzündliche Polyneuropathie mangels eindeutiger Ursache mit Kortison und<br />
Schmerzmitteln behandelt, um die Symptome zu lindern. In vielen Fällen haben sich auch<br />
Antidepressiva und Medikamente gegen Krampfanfälle (Antikonvulsiva) sowie eine physikalische<br />
Therapie bewährt. Besonders Diabetiker leiden häufig zusätzlich an Schmerzen durch<br />
Nervenschwellungen an Engstellen. Hier kann in einer Operation die Engstelle geweitet und damit für<br />
Linderung gesorgt werden.<br />
Schmerz-Patienten nicht ausreichend behandelt<br />
125 Millionen Packungen Schmerzmittel werden pro Jahr allein in Deutschland verkauft, meist auf<br />
Kosten der Krankenkassen. Doch der Nutzen für die schmerzgeplagten Patienten ist oft gering: Vor<br />
allem viele klassische Schmerzmittel wie Paracetamol, aber auch Opioide, bewirken häufig bei<br />
Patienten nichts und werden dennoch oft verschrieben.<br />
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Schmerzmittel manchmal verzichtbar<br />
Dabei wären zum Beispiel bei Kopf-, Rücken- oder Nackenschmerzen, die aus den Muskeln kommen,<br />
manchmal keine Schmerzmittel nötig, sondern andere Therapieformen. Das Problem: Die<br />
Schmerzbehandlung ist noch immer nicht fester Bestandteil des Medizinstudiums - und auch bei der<br />
Facharztausbildung spielt sie keine große Rolle. Darunter leiden die Patienten, die etwa bei<br />
chronischen Rückenschmerzen Schmerzmittel verschrieben bekommen oder Spritzen, die den<br />
Schmerz aber nicht beseitigen.<br />
Hilfe bei der Schmerzambulanz<br />
Experten raten daher, bei dauernden Schmerzen eine Schmerzambulanz aufzusuchen, wo<br />
Schmerzen fachübergreifend von verschiedenen Ärzten und Therapeuten behandelt werden. Hier<br />
finden viele Patienten oft nach langer Odyssee endlich Hilfe: Bewegungs-, Ergo- und<br />
Verhaltenstherapie helfen zum Beispiel bei chronischen Rückenschmerzen, den Teufelskreis aus<br />
falschen Bewegungsmustern, falscher Schonung und psychischen Problemen zu durchbrechen, die<br />
sonst zu ständigen Verkrampfungen und chronischen Schmerzen führen.<br />
Das bedeutet aber nicht, dass Schmerzmittel komplett unnötig sind: Bei OP- oder Tumorschmerzen<br />
etwa geht es nicht ohne, ebenso wie bei vielen Nervenschmerzen. Aber auch hier ist die richtige<br />
Diagnose wichtig, denn davon hängt ab, welches Schmerzmittel im Einzelfall das richtige ist. Experten<br />
sprechen dabei von sogenannten Schmerzmustern, die für bestimmte Erkrankungen typisch sind und<br />
jeweils mit bestimmten Wirkstoffen behandelt werden müssen.<br />
Nachtrag:<br />
Volkskrankheit Schmerz<br />
(Sendung im WDR)<br />
Viele Menschen leiden unter chronischen Schmerzen<br />
In Deutschland leiden schätzungsweise 6 bis 8 Millionen Menschen unter starken chronischen<br />
Schmerzen, etwa 3,5 Millionen sind von neuropathischen Schmerzen betroffen. Das können brennende<br />
Dauerschmerzen sein, Schmerzen, die sich wie 1.000 Nadelstiche anfühlen bis hin zu plötzlich<br />
auftretenden Schmerzattacken. Kennzeichnend ist, dass chronische neuropathische Schmerzen nach<br />
einer Schädigung von Nervenstrukturen im peripheren oder zentralen Nervensystem entstehen. Auch<br />
kleinste Berührungen am Körper können dann unerträgliche Schmerzen bereiten. Oft vergehen Jahre,<br />
bis den Betroffenen wirklich geholfen wird. Die Ursachen von neuropathischen Schmerzen sind<br />
vielfältig – es können Erkrankungen wie Diabetes sein, aber auch Verletzungen, Viren oder<br />
entzündliche Prozesse im hochempfindlichen Nervensystem.<br />
Hinter solchen Zahlen wird nur schemenhaft deutlich, was chronische neuropathische Schmerzen für<br />
den Einzelnen bedeuten. Die Lebensqualität der Betroffenen ist stark eingeschränkt, das führt bis zu<br />
psychosozialen Folgen wie Vereinsamung und Depressionen. Die Ursachen für die lange Leidenszeit<br />
sind nicht zuletzt in falschen Diagnosen und unzureichenden – oft sogar in falschen – Therapien zu<br />
finden.<br />
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Servicezeit: Gesundheit untersucht: Worin unterscheidet sich der akute von einem chronischen<br />
Schmerz? Wie helfen hochmoderne Diagnostikmöglichkeiten, zum Beispiel dem neuropathischen<br />
Rückenschmerz auf die Spur zu kommen? Welche Medikamente schaden mehr als dass sie helfen?<br />
Und welche Therapien versprechen Hilfe?<br />
Schmerzbehandlung schon vor der Operation<br />
An der Universitätsklinik Köln gibt es ein umfassendes Schmerzmanagement: Patienten bekommen<br />
schon vor der Operation einen Schmerzkatheter, um nach dem Eingriff weniger erdulden zu müssen.<br />
Regelmäßig werden auch Patienten aus anderen Abteilungen, die unter chronischen oder akuten<br />
Schmerzen leiden, vom Schmerz-Konsildienst aufgesucht und mit fächerübergreifenden Lösungen<br />
betreut.<br />
Schmerzen aushalten unnötig<br />
Dr. Frank Petzke ermuntert Patienten, den Schmerz nicht auszuhalten<br />
Für Dr. Frank Petzke, leitender Oberarzt der Schmerzambulanz an der Uniklinik Köln, ist auch wichtig:<br />
Wie können Patienten erkennen, dass im Krankenhaus besonders auf Schmerzvermeidung geachtet<br />
wird? Was können Patienten selber dazu beitragen, weniger Schmerzen zu ertragen? Das funktioniert<br />
im Miteinander – das Klinikpersonal fragt regelmäßig, wie es um das Schmerzempfinden der<br />
Patienten bestellt ist, und die Patienten werden ausdrücklich ermuntert, nicht „wie die Indianer“ den<br />
Schmerz irgendwie auszuhalten. Denn das ist nicht nötig. Niemand wird schneller oder „besser“<br />
gesund, nur weil sie oder er Schmerzen aushält. Im Gegenteil: Schmerzen bedeuten Stress für den<br />
Körper. Ein dadurch angestrengtes Herz oder die Vermeidung von Bewegung wegen Schmerzen<br />
nach einer Operation ist schlecht für die Heilung.<br />
Verschiedene Therapien<br />
Bei der Schmerzbehandlung nutzt man in Köln alle zur Verfügung stehenden Methoden – von der<br />
Gabe morphinhaltiger Medikamente bis hin zur Akupunktur. Realistischerweise steht die Vermeidung<br />
des Schmerzes im Vordergrund. Auch wenn die Zeit nach einer Operation oft nicht komplett schmerzfrei<br />
sein kann: Zu viele Patienten leiden unnötig an Schmerzen. Nach Untersuchungen in Kliniken in<br />
ganz Europa beklagen etwa zwei Drittel der operierten Kranken starke Schmerzen. Deutsche Krankenhäuser<br />
schneiden dabei nicht besser ab. Zum einen liegt das an der Einstellung der Chirurgen,<br />
zum anderen oft am Schmerzmanagement in den Krankenhäusern. An der Uniklinik Köln ist die Kompetenz<br />
für die Schmerzbehandlung bei dem Anästhesisten Frank Petzke gebündelt. Das hilft, um mit<br />
den Chirurgen auf Augenhöhe verhandeln zu können, die oft nicht viel über den postoperativen<br />
Schmerz nachdenken. Aber auch die Patienten selber können viel beitragen.<br />
Patientenerziehung<br />
Die Patienten müssen lernen, dass es nicht notwendig ist, Schmerzen auszuhalten. Sie dürfen und<br />
müssen einfordern, dass sich jemand um sie kümmert. Im konventionellen Krankenhausbetrieb stößt<br />
eine Pflegekraft hier an ihre Grenzen, denn sie darf keine Medikamente geben, ohne dass ein Arzt<br />
diese verschrieben hat. Die Lösung innerhalb des Konzeptes ist, im Vorhinein eine Verschreibungsroutine<br />
festzulegen, die bestimmte Medikamente bei entsprechenden Schmerzmeldungen der Patienten<br />
vorsieht. Das aber erfordert die aktive Mitteilung seitens der Behandelten, die in einer Schmerz-<br />
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skala erfasst wird. Je nach Beschwerden kann dann durch eine Pflegekraft auch am Wochenende<br />
ohne Arzt ein stärkeres Präparat verabreicht werden.<br />
Ungewohnte Kooperation in der Klinik<br />
Bei der Schmerzbehandlung müssen alle Fachrichtungen einer Klinik zusammenarbeiten<br />
Solch ein Konzept funktioniert aber nur, wenn die medizinischen Fachrichtungen in einer Klinik<br />
zusammenarbeiten. Besonders die Chirurgen sind gehalten, an die Zeit nach der OP zu denken. Das<br />
bekommen sie in ihrer Ausbildung an der Universität eher nicht beigebracht, bedacht wird die beste<br />
Methode für den aktuellen Eingriff, weniger beachtet wird die Nachbehandlung des Patienten. Auch<br />
die Anästhesisten müssen frühzeitig überlegen, welche wirksamen Mittel es gibt, um den Schmerz<br />
unmittelbar nach der Operation besser zu steuern. Hinzukommen muss ein Vertrauen in die Pflegekräfte,<br />
an die über festgelegte Medikationen ein Teil der ärztlichen Kompetenz abgegeben wird. Das<br />
ist nur möglich über Fortbildungen und kundiger Begleitung der Ergebnisse solcher Konzepte. Alles in<br />
allem müssen die Abteilungen eines Krankenhauses, also die verschiedenen Chefärzte, in einer Art<br />
miteinander kooperieren, wie es bisher nicht unbedingt üblich ist. Eine Grundidee, die aus Patientensicht<br />
nur zu begrüßen ist.<br />
Ein Schmerzkonzept für alle<br />
Die Uniklinik in Köln setzt Konzepte um, die an anderen Krankenhäusern mit teuren Zertifikaten beglaubigt<br />
und beworben werden. Solche Siegel wären überflüssig, wenn es eine eindeutige Regelung<br />
für alle Krankenhäuser gäbe: Der Gesetzgeber oder die Krankenkassen könnten vorschreiben, welche<br />
Kriterien eine Klinik zur Schmerzbehandlung erfüllen muss. Die Programme und Konzepte sind seit<br />
Jahren bekannt – es gibt keinen Grund, warum nur einige wenige Patienten davon profitieren dürfen.<br />
SCHMERZ – Was ist das ?<br />
Jeder kennt sie, niemand will sie: Schmerzen begleiten unser Leben. Millionen von „Schmerzfühlern“,<br />
sogenannte Nozizeptoren, in Haut, Muskeln, Sehnen und Organen melden Körperschäden, indem sie<br />
sie als elektrische Impulse an die Nervenzentren im Gehirn schicken. Ein wunderbarer Warnmechanismus,<br />
der den Körper vor Schäden und Verletzungen schützt, aber auch eine Qual, wenn sich die<br />
Quelle des Schmerzes nicht behandeln lässt oder der Schmerz sich verselbstständigt.<br />
Der akute Schmerz<br />
Wird der Körper durch äußere Einflüsse verletzt, werden die Reize weitergeleitetm<br />
Der akute Schmerz, den Mediziner auch den „banalen Schmerz“ nennen, entsteht immer dann, wenn<br />
der Körper durch äußere Einflüsse verletzt wird, etwa durch extreme Temperatureinwirkungen oder<br />
durch Druck oder wenn die inneren Körperabläufe gestört sind, etwa durch eine Entzündung. Als<br />
Auslöser werden körpereigene schmerzerzeugende Stoffe wie Histamin ausgestoßen. Diese Stoffe<br />
wirken auf freie Nervenenden, die elektrische Botschaften an das Nervenzentrum im Rückenmark<br />
schicken. Hier werden erste Abwehrmechanismen ausgelöst: Intuitiv wird die gefährdete Hand<br />
zurückgezogen, die schmerzende Stelle geschützt, noch bevor der Schmerz richtig empfunden wird.<br />
Erst wenn die Schmerzbotschaft das Gehirn erreicht hat, wird er wahrgenommen. Jetzt ist der<br />
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ewusste Alarm ausgelöst: Der Schmerz hilft, die gestörte Stelle zu lokalisieren, damit sie behandelt<br />
werden kann.<br />
Auch der Körper selbst tut etwas gegen den Schmerz: Bevor der Schmerzreiz das Gehirn erreicht,<br />
filtern spezielle Nervenzellen die Empfindung: Ist der Impuls so stark, dass er gemeldet werden muss?<br />
Hat das Gehirn zurzeit genügend Kapazität, den Schmerz zu verarbeiten? Deshalb kann es dazu<br />
kommen, dass in einer Stresssituation der Schmerzimpuls zunächst nicht weitergeleitet wird, sodass<br />
der Verletzte den Schmerz erst spürt, wenn der Stress abebbt.<br />
Um einen empfundenen Schmerz einzudämmen, produziert der Körper eigene Schmerzstiller wie<br />
Endorphine oder Serotonin, die wie Opiate wirken. Der Schmerz hält an bis zur Beseitigung der<br />
Ursache, aber in einer gebremsten Form. Ein wunderbar effektives System.<br />
Der chronische Schmerz<br />
Es gibt schnell leitende und langsam leitende Schmerzfühler<br />
Es gibt unterschiedliche Arten von Nozizeptoren, den Schmerzfühlern: Sie können schnell leitend und<br />
langsam leitend sein. Die schnell leitenden, die einen hellen stechenden Schmerz auslösen, melden<br />
den Beginn des akuten Schmerzes, zum Beispiel einen Schnitt in die Haut oder ein umknickendes<br />
Knöchelgelenk. Die langsam leitenden Nozizeptoren wirken direkt im beschädigten Gewebe und<br />
erzeugen einen eher dumpfen Schmerz, den Wundschmerz, der ständig weiter produziert wird. Je<br />
länger ein Schmerz andauert, desto erregbarer werden die Zellen. Die Nozizeptoren werden<br />
empfindlicher. Das körpereigene Betäubungssystem, die Endorphinausschüttung, wird überlastet und<br />
versagt zuletzt. Gehirnregionen verändern sich, die Verknüpfungen werden lockerer. Das Warnsystem<br />
Schmerz verselbstständigt sich, wird zur eigenen Krankheit. Immer empfindlicher und früher reagieren<br />
die Schmerzmelder, bis sie schon bei leichten Berührungen oder Anspannungen Schmerz auslösen<br />
oder gar ohne jeden Außenreiz Schmerz produzieren. Der Schmerz ist chronisch geworden.<br />
Schmerz erzeugt Schmerz. Man kann sich nicht gegen ihn abhärten. Darum ist es wichtig, akute<br />
Schmerzen, etwa nach Operationen, schnell und effizient zu bekämpfen, um sie nicht langfristig im<br />
Gehirn zu speichern. Denn Schmerz ist ein Gefühl, das sich wesentlich über Lernen und Erinnern<br />
verfestigt.<br />
Das Schmerzgedächtnis<br />
Jeder Schmerz wird nach seiner Empfindung im Gehirn bewertet und im limbischen System als Erinnerung<br />
gespeichert. Das hilft bei zukünftiger Schmerzvermeidung. Wer sich einmal am Bügeleisen<br />
verbrannt hat, den lässt allein schon der Geruch von heißem Eisen zurückschrecken.<br />
Aber das Gehirn geht auch über die sinnvolle Speicherung von Schmerzerfahrungen hinaus. Das<br />
sogenannte „Schmerzgedächtnis“ oder die „Schmerzspur“ verändert das Nervensystem. Forscher der<br />
Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf haben nachgewiesen, dass sich die schmerzverarbeitenden<br />
Hirnregionen bei chronischen Schmerzkrankheiten verändern wie bei einem Lernprozesses. Das<br />
Programm Schmerz wird gespeichert und setzt sich dann auch ohne Schmerzauslöser in Gang – eine<br />
Erklärung für das Phänomen Phantomschmerz, bei dem zum Beispiel nach Amputationen ein nicht<br />
mehr vorhandener Körperteil trotzdem schmerzt.<br />
Unterschiedliche Schmerzempfindungen<br />
Schmerz ist ein Alarmsystem, das sich einschaltet, wenn der Körper in seinen Funktionen und seiner<br />
Unversehrtheit gefährdet ist. Deshalb liegt die Schmerzschwelle, der Punkt, an dem ein akuter<br />
Schmerz ausgelöst wird, zunächst einmal bei allen Menschen ähnlich hoch, unabhängig von Alter,<br />
Geschlecht und kultureller Herkunft. Große individuelle Unterschiede gibt es dagegen bei der<br />
Schmerztoleranz, der Beurteilung, wie stark und unerträglich ein Schmerz ist.<br />
In einer Studie der Technischen Universität München konnte nachgewiesen werden, dass die<br />
individuelle Schmerzempfindlichkeit mit davon abhängt, wie stark die Nervenvernetzungen in<br />
bestimmten Regionen der Hirnrinde und des Hirnstamms kurz vor dem Schmerzreiz sind: Je enger die<br />
Vernetzung, desto weniger Schmerz wird empfunden.<br />
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Wie eng sich eine Hirnregion vernetzt, ist abhängig von der sogenannten „Schmerzpersönlichkeit“ des<br />
jeweiligen Menschen. Bei ängstlichen, „schmerzerfahrenen“ oder sehr schmerzaufmerksamen<br />
Menschen ist die Schmerztoleranz erheblich niedriger und die Schmerzempfindung somit erheblich<br />
höher als bei anderen. Und noch etwas zeigt die Münchener Untersuchung: Das Empfinden von<br />
Schmerz hängt auch wesentlich von der Schmerzerwartung ab. Die Dispositionen für die Empfindung<br />
werden im Gehirn teilweise schon vor der Schmerzerzeugung getroffen. Je mehr Schmerz erwartet<br />
wird, desto mehr wird auch empfunden. Umgekehrt kann so auch die Erwartung einer<br />
Schmerzlinderung, etwa durch Einnahme eines Medikamentes, den Schmerz vermindern – der<br />
Placeboeffekt.<br />
„Beiß die Zähne zusammen.“ „Stell dich nicht so an.“: Schmerzensäußerungen sind nicht beliebt in unserer<br />
Kultur. Da sind Ärzte keine Ausnahme. Auf der Suche nach der richtigen Diagnose nutzen und<br />
schätzen sie die richtungweisenden Eigenschaften des Schmerzes. Aber wenn die Schmerzquelle<br />
beseitigt ist und der Schmerz trotzdem nicht verschwindet, fühlen sich manche Mediziner hilflos und<br />
würden den Patienten mit seinen ständigen, nicht lokalisierbaren Schmerzen gern loswerden.<br />
Schmerzbehandlung ist ein kompliziertes, längst nicht erforschtes Feld. Der erste und vielleicht wichtigste<br />
Schritt auf dem Weg zur <strong>Schmerzbekämpfung</strong> ist daher das Finden des richtigen Arztes.<br />
Suche nach der Schmerzursache<br />
Schmerz ist nicht objektiv messbar. Jeder Mensch empfindet Schmerzen anders. Um die Intensität der<br />
Schmerzempfindung und die daraus entstehende Minderung der Lebensqualität des Patienten richtig<br />
einschätzen zu können, arbeiten Mediziner mit einer Schmerzskala von 1 bis 10, bei<br />
Kopfschmerzpatienten häufig auch mit einer Skala von 1 bis 5. Über einen längeren Zeitraum bewertet<br />
der Patient mehrmals täglich die Intensität seiner Schmerzen. Zusätzlich notiert er in einem<br />
Schmerztagebuch die jeweilige Tagesform in Sachen Beweglichkeit, Leistungsfähigkeit,<br />
Konzentration, Schlaffähigkeit und Verdauung. In ausführlichen Gesprächen suchen Patient und Arzt<br />
gemeinsam nach Quellen der Schmerzentstehung. Dabei spielt die Lebensführung eine<br />
entscheidende Rolle: Stress im Beruf und im Privaten, extrem unregelmäßige Tagesabläufe,<br />
Überarbeitung, aber auch Unterforderung, Vereinsamung oder Zukunftsängste können die Ursache<br />
für Schmerzerkrankungen sein. Rund die Hälfte aller Schmerzleiden hat psychosomatische<br />
Ursprünge. Häufig ist eine zusätzliche psychotherapeutische Behandlung parallel zur medizinischen<br />
Schmerzbehandlung hilfreich.<br />
<strong>Schmerzbekämpfung</strong> ohne Medikamente<br />
Vor der Behandlung muss Art und Stärke des Schmerzes bestimmt werden<br />
Die Vielfalt der Angebote an nicht pharmazeutischen Schmerztherapien ist mittlerweile groß. Viele<br />
Therapien helfen vor allem bei akuten Schmerzen, und nicht jede Methode ist für jeden geeignet.<br />
Zudem sind die nicht pharmazeutischen Behandlungsmethoden oft auch ein Kostenfaktor: Nicht alle<br />
Behandlungen werden von den Krankenkassen übernommen. In vielen Fällen von den Kassen<br />
bezahlt werden die klassischen Massage- und Physiotherapien, meist auch Entspannungstherapien<br />
wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder das Biofeedback-Entspannungstraining.<br />
Hierbei lernt der Patient, Schmerzen selbst durch An- und Entspannung gezielt und bewusst entgegenzuwirken<br />
– Methoden, die sich besonders bei chronischen Schmerzen anbieten. Auch<br />
Alternativmethoden wie Reiki – Tiefenentspannung durch Energieübertragung – oder Yoga können<br />
helfen, besser mit Schmerzen umzugehen. Akupunktur hat sich bei vielen Schmerzerkrankungen als<br />
gut erwiesen, allerdings hält die Wirkung nicht dauerhaft an. Gut bei akuten Schmerzen, etwa nach<br />
Gelenkverletzungen, hilft eine Ultraschalltherapie. TENS- oder Elektrostimulation wird auch bei<br />
chronischen Schmerzen angewendet. Dabei werden über Elektroden an der schmerzenden<br />
Körperstelle niedrige Reizströme abgegeben, die den Schmerz überlagern.<br />
Als Vorbeugung, aber auch als Therapie eignet sich immer Bewegung. Spezielle Trainingsprogramme<br />
zur Stärkung der Muskulatur und des Rückens, aber auch Aquagymnastik helfen, Schmerzen<br />
abzubauen. Die Behandlung mit Wärme oder Kälte wird je nach Schmerzkrankheit und Mensch sehr<br />
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unterschiedlich empfunden. Viele Rheumapatienten erfahren Schmerzlinderung durch<br />
Kältebehandlungen, aber auch warme Fangopackungen können ihnen helfen. So individuell wie jeder<br />
Schmerz und jeder Patient ist, so individuell muss auch die Schmerzbehandlung angelegt sein.<br />
Pharmakologische <strong>Schmerzbekämpfung</strong><br />
Der Markt der Schmerzmedikamente ist groß<br />
Der Markt der Schmerzmedikamente, der Analgetika, ist riesig und wird rege genutzt. Zwei Drittel aller<br />
Schmerzmittel werden in Selbstmedikation ohne ärztliche Verschreibung gekauft. Man unterscheidet<br />
zwei Gruppen: Die peripher wirkenden Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen oder alle ASS-<br />
Verbindungen wie Aspirin hemmen die Produktion von Prostaglandinen – körpereigenen Botenstoffen,<br />
die das Schmerzgefühl an den Nervenenden auslösen. Sie sind meist rezeptfrei zu bekommen und<br />
relativ nebenwirkungsarm, aber darum nicht grundsätzlich ungefährlich. Die häufige Einnahme kann,<br />
zum Beispiel bei Kopfschmerzen, zu Dauerkopfschmerz führen. Und nicht jedes Mittel passt für jeden<br />
Schmerz. Schmerzmittel wie die ASS-Analgetika wirken zwar schnell und gut gegen Kopfschmerzen,<br />
bei Menstruationsschmerzen ist ihre blutverdünnende Wirkung aber eher kontraproduktiv. Bei starken<br />
akuten Schmerzen, etwa im Rücken oder im Nacken, werden Schmerzmittel auch als Spritze gesetzt.<br />
Sie wirken dann im Idealfall sehr schnell. Der „Schaden“ ist in kürzester Zeit repariert. Aber was dem<br />
Körper zugeführt wurde, kann man nicht wieder herausholen. Tabletten lassen sich portionieren, um<br />
die Wirkung im Körper zu beobachten, Spritzen nicht. Sie können allergische Schocks auslösen oder<br />
Abszesse hervorrufen, sind also nicht immer die beste Lösung.<br />
Opioide<br />
Die zweite Gruppe der Schmerzmedikamente bilden zentral wirkende oder opioide Schmerzmittel wie<br />
Tramadol, Codein oder Morphin. Sie wirken direkt auf das zentrale Nervensystem und hemmen die<br />
Wahrnehmung der Schmerzen im Gehirn und Rückenmark. Die Opiate blockieren gezielt die<br />
Schaltstellen der Nervenzellen und verhindern so, dass die Schmerzbotschaft weitergeleitet wird.<br />
Opioide Schmerzmittel fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Ihre Anwendung und Dosierung<br />
muss einem festen, vom Arzt vorgegebenen Schema folgen. Eine Überdosierung kann tödlich sein.<br />
Seit einiger Zeit geht der Trend zum Opiumpflaster, das Patienten auch mit starken Schmerzen für<br />
mehrere Tage nahezu schmerzfrei macht. Die Dosierung eines Pflasters ist bis zu 70-mal höher als<br />
die einer Tablette, es wirkt aber bei richtiger Dosierung nicht besser als die Einnahme von Tabletten.<br />
Dafür kostet es etwa das zehnfache. Für Patienten, die keine Tabletten einnehmen können und unter<br />
extremen Schmerzen leiden, ist das Opiumpflaster eine sehr gute, angenehme Möglichkeit. Für den<br />
alltäglichen Einsatz in der Schmerzbehandlung sind andere Methoden schonender und besser<br />
geeignet.<br />
Eine andere Möglichkeit, den Körper mit Opioiden schmerzfrei zu halten, ist der Einsatz von Schmerzpumpen,<br />
die von den Patienten auch selbst gesteuert werden können.<br />
Antidepressiva<br />
Auch Antidepressiva haben sich in vielen Schmerzfällen als hilfreich erwiesen. Schmerzen können<br />
Depressionen hervorrufen, aber auch umgekehrt können Depressionen zu Schmerzen führen. Vermutlich<br />
hemmen die Wirkstoffe die Steigerung der Schmerzempfindlichkeit, wie sie bei chronischen<br />
Schmerzkrankheiten auftritt.<br />
Antiepileptika und Antirheumatika<br />
Antiepileptische Medikamente können sich zur Schmerzbehandlung eignen, weil sie die elektrischen<br />
Entladungen in den Nervenbahnen vermindern. Auch antirheumatische Medikamente und Kortison<br />
sind bewährte Schmerzmittel, weil sie die Bildung von entzündungsfördernden Stoffen im Körper<br />
senken und eingeklemmte Nerven abschwellen lassen. Aber all diese schmerzlindernden Stoffe<br />
haben immer auch erhebliche Nebenwirkungen.<br />
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Nebenwirkungen<br />
Alle Medikamente haben Nebenwirkungen. Die nicht verschreibungspflichtigen, als eher harmlos<br />
geltenden, peripher wirkenden Analgetika wie Rheuma- oder Kopfschmerzmittel können Magen- und<br />
Darmbeschwerden hervorrufen, zu Magenblutungen und zu Nierenschäden führen.<br />
Besonders beim Einsatz von Opoiden ist es häufig angezeigt, mehrere Medikamente miteinander zu<br />
kombinieren, um die Nebenwirkungen abzubauen. Sie gelten zwar als organschonender, machen den<br />
Patienten jedoch häufig müde oder rufen Schlaflosigkeit hervor, erzeugen Übelkeit, beeinträchtigen<br />
die Verdauung und können Depressionen verstärken. Außerdem können sie – falsch eingenommen<br />
oder falsch dosiert – zu Abhängigkeit führen. Mehrere Tausend Menschen sterben jedes Jahr durch<br />
den Gebrauch von Schmerzmitteln. Auf der anderen Seite gibt es aber auch etwa 2.000 Selbsttötungen<br />
von Patienten, die ihre Schmerzen nicht mehr aushalten.<br />
Neuropathischer SCHMERZ<br />
Nach Analysen in verschiedenen Ländern Europas, so auch in Deutschland, leiden circa 5 bis 7 Prozent<br />
der Bevölkerung an neuropathischen Schmerzen. Bei einer noch größeren Anzahl von chronischen<br />
Schmerzpatienten spielt eine neuropathische Schmerzkomponente zumindest eine gewisse<br />
Rolle und trägt damit zu den Gesamtschmerzen bei. Neuropathische Schmerzen können brennende<br />
Dauerschmerzen sein, Schmerzen, die sich wie 1.000 Nadelstiche anfühlen bis hin zu plötzlich einschießenden<br />
Schmerzattacken. Im Gegensatz zu anderen Schmerzarten ist bei chronischen neuropathischen<br />
Schmerzen das Nervensystem selbst geschädigt. Diese Art von Schmerzen kann nach<br />
einer Schädigung von Nervenstrukturen im peripheren oder zentralen Nervensystem entstehen. Das<br />
heißt, die Schmerzen entstehen in dem System, das eigentlich das Signal „Schmerz“ zum Gehirn<br />
weiterleiten soll. Diese Störung im Schmerzleitungssystem kann dazu führen, dass selbst kleinste<br />
Berührungen am Körper unerträgliche Schmerzen bereiten. Die Ursachen dieser Schmerzen bleiben<br />
häufig unerkannt. Oft vergehen Jahre, bis den Betroffenen wirklich geholfen und eine richtige Diagnose<br />
gestellt wird. Nach Angaben der Deutschen Schmerzliga dauert dies im Schnitt acht bis zehn<br />
Jahre. Die Ursachen von neuropathischen Schmerzen sind vielfältig – es können Erkrankungen wie<br />
Diabetes sein, aber auch Verletzungen, Viren oder entzündliche Prozesse im hochempfindlichen<br />
Nervensystem.<br />
Therapie möglich<br />
Neuropathische Schmerzen sind behandelbar. Allerdings erfordern sie ein hohes Maß an Geduld, sowohl<br />
beim Patienten als auch beim behandelnden Arzt. Neuropathische Schmerzen werden auch<br />
medikamentös behandelt, aber nicht mit den geläufigen „klassischen Schmerzmitteln“, wie den entzündungshemmenden<br />
Antiphlogistika und Antirheumatika. Hier finden vielmehr Medikamente Anwendung,<br />
die aus der Behandlung von Epilepsie und Depressionen bekannt sind. Auch starke Opioide<br />
sind bei neuropathischen Schmerzen gut wirksam. Wichtig ist, dass die richtige Diagnose rasch gestellt<br />
und eine Behandlung schnell begonnen wird, damit eine Chronifizierung der neuropathischen<br />
Schmerzen verhindert werden kann.<br />
Neuropathische Rückenschmerzen<br />
Oft werden neuropathische Schmerzen mit den falschen Medikamenten behandelt<br />
Fachleute beklagen allerdings, dass aktuell rund 40 Prozent der neuropathischen Schmerzen mit den<br />
falschen Medikamenten behandelt werden. Nach Angaben von Prof. Thomas R. Tölle, Sprecher des<br />
Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS), der an der Neurologischen<br />
Klinik der Technischen Universität München seine Geschäftsstelle hat, werden diese Schmerzen oft<br />
mit Antiphlogistika, also mit sogenannten Rheumamitteln behandelt, die bei neuropathischen<br />
Schmerzen keine Wirkung zeigen. Das ist auch bei neuropathischen Rückenschmerzen der Fall. Tölle<br />
schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der Rückenschmerzen eine neuropathische Komponente haben. Das<br />
ist fatal, denn Rückenschmerzen gehören zu den größten und teuersten Gesundheitsproblemen in<br />
Deutschland. Die volkswirtschaftlichen Krankheitskosten belaufen sich auf geschätzte 13 Milliarden<br />
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Euro pro Jahr. Hinzu kommt, dass der neuropathische Rückenschmerz die Schmerzstärke und den<br />
Behinderungsgrad bei den Patienten erhöht.<br />
Ein Grund für die unzureichende Behandlung ist, dass sich das Vorliegen einer neuropathischen<br />
Schmerzkomponente nur selten im Röntgenbild oder MRT darstellen lässt und sie deshalb nur selten<br />
diagnostiziert wird. Darüber hinaus wissen viele Ärzte zu wenig über die Schmerzqualität und –intensität<br />
ihrer Patienten. Und noch seltener wird der Krankheitsverlauf ausreichend erfasst. Schmerzfragebögen,<br />
die den neuropathischen Schmerzursprung des Patienten klar eingrenzen können, werden zu<br />
selten genutzt.<br />
Diagnose durch Sensoren<br />
Mithilfe von Sensoren können Körperhaltung und Rückenbewegungen des Patienten analysiert<br />
werden<br />
Im Rahmen des DFNS erforscht Prof. Tölle neuropathische Schmerzen und ihre Diagnose weiter<br />
intensiv. Ziel der Forschung ist es, die Diagnostik besser zu stellen und die richtige Therapie rasch<br />
einzuleiten. An der Technischen Universität am Klinikum rechts der Isar in München erproben<br />
Wissenschaftler zurzeit den Wirbelsäulensensor eines Münchener Start-Up-Unternehmens, um die<br />
neuropathische Komponente bei Rückenschmerzen sicher zu erkennen. Rückenschmerz führt häufig<br />
zu unbewussten, Schmerz vermeidenden Bewegungsmustern und Schonhaltungen. Das sogenannte<br />
Spine-Sensor-System misst die Rückenbewegungsmuster und Körperhaltungen der Patienten, wertet<br />
diese durch komplexe Analysen aus und stellt die Ergebnisse in anschaulichen Diagrammen dar.<br />
Diese lassen sich vom Arzt zur Dokumentation, zur Unterstützung der Diagnose, zur Auswahl und<br />
Optimierung einer Therapie nutzen. Die Technologie dieses Systems beruht auf einem Verfahren, das<br />
in der Automobilindustrie entwickelt wurde. Eine lichtleitende Faser sendet bei Biegung der Faser (wie<br />
bei Bewegung des Rückens) zahlreiche Lichtsignale, die ausgewertet werden und das individuelle<br />
Bewegungsmuster des Patienten wiedergeben. Eingesetzt werden kann der Spine-Sensor sowohl zu<br />
Kurzzeituntersuchungen als auch zur Langzeituntersuchung von Bewegungsmustern im Alltag.<br />
Die medizinische Aussagekraft dieses Spine-Sensors wurde bereits in einer klinischen Studie am<br />
Münchener Klinikum rechts der Isar deutlich belegt. Weitere größere klinische Studien sollen folgen.<br />
Aber schon jetzt hat sich Prof. Tölle zufolge gezeigt, dass das System objektive Einblicke in die<br />
Beweglichkeit des Rückens gewährt, die auch der versierteste Mediziner durch Untersuchung und<br />
Beobachtung nicht leisten kann. Wenn sich das System weiter so bewährt, wird die Diagnose der<br />
Fehlfunktionen des Rückens in Zukunft um eine vollständig neue Dimension der Betrachtung<br />
erweitert. So kann eine Behandlung rascher begonnen werden. Denn schon nach etwa drei Monaten<br />
können Rückenschmerzen chronisch werden – und chronische Schmerzen lassen sich im Laufe der<br />
Zeit immer schlechter erfolgreich behandeln.<br />
SCHMERZ lindern: Kältekammer<br />
(Sendung im NDR)<br />
Im Jahr 1978 berichtete der japanische Arzt Dr. Toschima Yamauchi in Europa erstmals über den<br />
erfolgreichen Einsatz der Ganzkörper-Kältetherapie zur Behandlung rheumatischer Schmerzen. Nur<br />
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mit Badehose oder -anzug, Schuhen, Handschuhen sowie Ohren- und Mundschutz bekleidet verbringt<br />
der Patient dabei maximal drei Minuten bei einer Temperatur von minus 110 Grad und sehr geringer<br />
Luftfeuchtigkeit in einer Kältekammer. In dieser Zeit kühlt sich die Körpertemperatur um etwa 0,4 Grad<br />
Celsius ab.<br />
Aktivierung schmerzstillender Botenstoffe<br />
Diese Temperaturänderung reicht aus, um im Körper schmerzlindernde Mechanismen auszulösen:<br />
Kälterezeptoren in der Haut reagieren auf die sinkende Temperatur und bewirken eine Freisetzung<br />
körpereigener, schmerzstillender Botenstoffe, sogenannter Endorphine. Außerdem reduziert die Kälte<br />
die Leitungsgeschwindigkeit der Nervenbahnen, die die Schmerzen zum Gehirn leiten. Die Drosselung<br />
des Zellstoffwechsels wirkt entzündungshemmend. Zudem kommt es zu einer Verbesserung der<br />
Durchblutung und einer Entspannung der Muskulatur. Bei Patienten, die unter einer Schuppenflechte<br />
leiden, soll es sogar zu einer Linderung des Juckreizes kommen. Die Effekte setzen bereits eine halbe<br />
Minute nach dem Betreten der Kältekammer ein und halten je nach Patient bis zu etwa drei Stunden<br />
an. In diesem Zeitraum können krankengymnastische Anwendungen und manuelle Therapieverfahren<br />
optimal eingesetzt werden, denn die Kälte macht auch die "Gelenkschmiere" flüssiger, sodass sich die<br />
sonst schmerzenden Gelenke besser und vor allem schmerzfreier bewegen lassen. In akuten Stadien<br />
rheumatischer Erkrankungen raten Experten zu einer täglichen Anwendung. Im chronischen Stadium<br />
reichen zwei Anwendungen in der Woche. Nach etwa 20 Anwendungen in der Kältekammer sollen<br />
chronische Schmerzen für mehrere Monate so gelindert sein, dass die Betroffenen weniger<br />
Schmerzmedikamente benötigen.<br />
Keine Kostenübernahme<br />
Krankenkassen erkennen die Kältekammern nicht als Heilmittel an und übernehmen daher die Kosten<br />
nicht. In Einzelfallentscheidungen können jedoch Sondergenehmigungen und Kostenübernahmen<br />
erteilt werden. Patienten, die an höhergradigen Durchblutungsstörungen, schweren Herz-<br />
Kreislauferkrankungen, einem nicht eingestellten Bluthochdruck oder einem frischen Herzinfarkt sowie<br />
kälteassoziierten Immunerkrankungen leiden, dürfen nicht mit der Ganzkörper-Kältetherapie behandelt<br />
werden.<br />
Rolle der Palliativmedizin<br />
Das Wort „palliativ“ leitet sich ab von dem lateinischen Begriff „pallium – der Mantel“ beziehungsweise<br />
„palliare – ummanteln, mit dem Mantel bedecken“ im Sinne von „lindern“. Verstanden wird die<br />
Palliativmedizin als ganzheitliche Behandlung von Menschen mit einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen<br />
Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung. Ganzheitlich bedeutet dabei, dass es<br />
nicht nur um die medizinische Behandlung des Patienten geht, sondern auch um die psychologische,<br />
soziale und spirituelle Betreuung. Ein wesentlicher Punkt der Palliativmedizin ist, dass dabei auch die<br />
soziale Betreuung der Angehörigen und Familie in dieser letzten Lebensphase des Patienten mit<br />
eingeschlossen ist.<br />
Mehr als nur Schmerzlinderung<br />
Auf Palliativstationen nimmt man sich viel Zeit für die Patienten und ihre Angehörigen<br />
Die Schmerzlinderung steht bei der Palliativmedizin im Mittelpunkt, weil Schmerzen das häufigste<br />
Symptom in der letzten Phase des Lebens sind. Dabei geht es nicht um die Verlängerung des Lebens,<br />
sondern die Verbesserung der Lebensqualität. Viele Patienten haben außer Schmerzen noch andere<br />
Symptome wie Atemnot, Angstzustände, Schlaflosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Ziel ist die<br />
Linderung all dieser Symptome. Das behandelnde Team besteht in der Regel aus Ärzten<br />
verschiedener Disziplinen, Pflegenden sowie Therapeuten und Psychologen, die größtenteils eine<br />
palliativmedizinische Zusatzqualifikation erworben haben.<br />
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Palliativstationen arbeiten sehr personalintensiv, damit sich die Teammitglieder ausreichend Zeit für<br />
die Patienten und ihre Angehörigen nehmen können. Mittelfristig sollen die Patienten nach der medizinischen<br />
Stabilisierung wieder nach Hause entlassen werden, um ihre letzten Tage oder die letzten<br />
Monate in vertrauter Umgebung verbringen zu können. Die Lebensqualität soll sowohl für die Patienten<br />
als auch für die Angehörigen verbessert werden, damit diese schwierige Situation ohne große<br />
Probleme und in Würde vonstatten gehen kann. Ist trotz erfolgreicher medizinischer Behandlung der<br />
Symptome die Weiterbetreuung zu Hause oder in einer Pflegeeinrichtung nicht mehr möglich, so<br />
können die Patienten in ein stationäres Hospiz verlegt werden.<br />
Hospize<br />
Über 90 Prozent der Hospizbewohner versterben auch dort<br />
Stationäre Hospize sind im Gegensatz zu Palliativstationen in Krankenhäusern eigenständige Einrichtungen.<br />
Zum betreuenden Team gehören in der Regel Pflegekräfte, Sozialarbeiter und ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter. Die ärztliche Versorgung erfolgt meist über niedergelassene Ärzte. Der wesentliche<br />
Unterschied zwischen Palliativstation und Hospiz ist, dass in der Palliativstation der Patient rund<br />
um die Uhr ärztlich betreut und stabilisiert wird und auch Familie und Angehörige betreut werden. Bei<br />
der Hospizversorgung steht dagegen eine palliative Pflege des Patienten im Vordergrund. Für die<br />
meisten Bewohner ist das Stationäre Hospiz der letzte Lebensort – über 90 Prozent versterben nach<br />
Angaben der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) dort.<br />
Stiefkind Palliativmedizin<br />
Fortschritte – ja, ausreichende Versorgung mit Palliativbetten beziehungsweise Hospizbetten in<br />
Deutschland – nein. Nach Angaben der DGP gab es im Jahr 1990 bundesweit nur drei Palliativstationen<br />
und drei stationäre Hospize. Bis zum Jahr 2009 ist diese Zahl auf insgesamt etwa 350<br />
angewachsen (180 Palliativstationen, 170 Stationäre Hospize). Die international als bedarfsdeckend<br />
betrachtete Zahl von 50 Palliativ- beziehungsweise Hospizbetten pro eine Million Einwohner ist<br />
allerdings noch lange nicht erreicht. Mit derzeit 17 Palliativbetten pro eine Million Einwohner und 18<br />
Hospizbetten pro eine Million Einwohner besteht nach DGP-Aussagen weiterhin erheblicher<br />
Nachholbedarf.<br />
Ähnlich sieht es auch Rainer Freynhagen, Chefarzt des Zentrums für Anästhesiologie, Intensivmedizin,<br />
Schmerztherapie und Palliativmedizin am Benedictus Krankenhaus im bayerischen Tutzing am<br />
Starnberger See. Das Schmerzzentrum des Hauses ist eine der größten stationären und tagesklinischen<br />
Einrichtungen in diesem Bereich in Europa. Für ihn ist es nach eigenen Worten immer noch<br />
eine Katastrophe, wenn Patienten zu ihm kommen, weil Ärzte ihnen gesagt haben: „Wir können nichts<br />
mehr für Sie tun.“ Er kritisiert scharf, dass Schmerztherapie noch immer nicht verpflichtend für Mediziner<br />
gelehrt wird – immerhin sei Schmerz der häufigste Grund weltweit, warum Menschen zum Arzt<br />
gehen. Allerdings müssen Medizinstudenten spätestens ab 2014 für die Versorgung Schwerstkranker<br />
und Sterbender ausgebildet und in diesem Fachgebiet auch geprüft werden. Dann müssen junge<br />
Ärzte einen Leistungsnachweis in Palliativmedizin innerhalb ihres Studiums nachweisen. Dies sei<br />
schon mal ein erster Schritt, wenn auch lange noch nicht ausreichend.<br />
Palliativstationen sind kostenintensiv<br />
Auf Palliativstationen werden besonders kranke Menschen mit häufig schwierigen Krankheitsverläufen<br />
betreut und dies in der Regel länger als auf einer Normalstation. Die durchschnittliche Verweildauer<br />
auf Palliativstationen beträgt nach DPG-Angaben etwa 12 bis 14 Tage – ohne dass dies im Einzelfall<br />
sicher vorhersehbar wäre. Außerdem sorgen die Besonderheiten von Palliativstationen – wie<br />
personalintensives Arbeiten – dafür, dass die Kosten über den vergleichbaren Kosten auf anderen<br />
Stationen liegen.<br />
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Buchtipps<br />
� Rainer Freynhagen, Ralf Baron<br />
Kompendium Neuropathischer Schmerz<br />
Aesopus, 2005<br />
ISBN 9783936993332<br />
Das Buch ist vergriffen, gebraucht aber bei verschiedenen Internetbuchhändlern zu<br />
bekommen.<br />
� Marianne Koch, Hans Rüdiger Vogel (Hrsg.)<br />
Weißbuch Schmerz<br />
Eine Bestandsaufnahme der Versorgungssituation von Patienten mit chronischem<br />
Schmerz in Deutschland<br />
Thieme, 2008<br />
ISBN 9783131499110<br />
Preis: 29,95 Euro<br />
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