From: Weihnachten. To: Silvester. From: Disco To - westend magazin
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Leidenschaft<br />
Theresienhöhe - Kochfeldtiefe. Saturn, Abteilung Einbauherde. Die Verkäuferin macht einen großen<br />
Bogen um den ausgestellten Speisenerhitzer. Nach wie vor ekelt sie sich vor dem Deko-Plastikbraten,<br />
der im Grillmodus beleuchtet schmort. Keine Durchsagen „Kollegin hier zu Verkaufspoint dort“,<br />
keine Kunden, nur der übliche Geräuschemix aus Rolltreppen, Lüftung und Langeweile. Eine Kundin<br />
betritt die Verkaufszone Kochen/Backen/Spülen. Alter: knapp über werberelevante Zielgruppe. Egal,<br />
hier ist jeder relevant. Von einer Frage scheinbar angetrieben steuert sie auf die Verkäuferin zu. Aber es<br />
geht nicht um den Herd.<br />
Der Anschein von Kaufinteressentin entpuppt<br />
sich als: Wahrsagerin. Sehr aufdringlich, sehr<br />
irgendwie deplaziert, auch weil sich die Verkäuferin<br />
im Küchenmagnat eigentlich sicher<br />
vor solchen Prophezeiungen wähnte. Ein Satz<br />
wie „nein-wirklich-absolut-gar-kein-Interesse“<br />
wirkt als wäre er nie ausgesprochen worden<br />
in diesem Verkaufsgespräch mit verkehrten<br />
Rollen.<br />
Dann folgen die Psychospiele, klar, drohendes<br />
Unheil usw. und die Wahrsagerin will Geld für<br />
ihre Vorschuss-Auskünfte. Aber die Verkäuferin<br />
bleibt hart. Super-resistent, versiegelte<br />
Arbeitsplatten-Oberfläche sozusagen. Last<br />
supper ist für sie maximal eine Frage der Perspektive.<br />
Dann - mit erschreckend plötzlicher<br />
Normalität und weitaus weniger forschem <strong>To</strong>n<br />
fragt die Wahrsagerin quasi im Gehen: „Aber<br />
– brauchts ihr vielleicht ne Putzfrau?“.<br />
now<br />
butter<br />
the<br />
soul.<br />
In der CD-Abteilung - der Mann mit übergroßem<br />
Gepäck. Sein Rucksack mit den grellen<br />
Werbeaufdrucken verrät ihn als Vertreter von<br />
Gemüseschneidern, wie sie in den Fußgängerzonen<br />
beworben werden, den Temporärküchen<br />
der Gesellschaft. Er hat Feierabend,<br />
ist müde und mürbe vom Alltag als Produktvorführer.<br />
Stundenlang hat er wieder den<br />
Nicer Dicer angepriesen und wieder nicht<br />
bemerkt, dass radical Radieschen und fancy<br />
Fenchel nicht mehr knackig aussehen, wenn<br />
sie in der prallen Sonne garen. (Vielleicht hätte<br />
Tupper geholfen, aber denen würde er nie<br />
zuarbeiten.) Jedenfalls ist die Kausalitätskette<br />
zwischen Nahrungszubereitung und genuss-<br />
Westends<br />
Küchenkino<br />
Find your salvation in supper or tupper.<br />
vollem Verspeisen nirgendwo so endgültig<br />
zertrennt wie bei den Gemüseschneidervorführungen.<br />
Vielleicht steht der Mann deshalb<br />
vor den Alben der Bananafishbones.<br />
the<br />
event<br />
of<br />
cooking<br />
may<br />
be<br />
the<br />
unevent<br />
of<br />
eating.<br />
Die Küche. Das Gefängnis. Die Cousine. 30<br />
Jahre alt und noch immer keinen Spargelschäler<br />
in der Schublade. Stattdessen: make<br />
peas, not war – und die dann nicht mal warm<br />
gemacht. Aber nice. Even nicer.<br />
Please<br />
treat that<br />
kitchen-<br />
confidential<br />
– set<br />
facecook<br />
aside.<br />
17<br />
Und wieder ist ein Artikel verfasst, der ohne<br />
den Hinweis auf die Küche als „ja, voll, bester<br />
Ort auf jeder Party“ auskam, denkt sich der<br />
Plastik-Lobster neben dem kategorischen<br />
„consider me“, steigt in einer salzigen Dampfwolke<br />
aus dem <strong>To</strong>pf, Seifenblasen in Erbsengröße<br />
umschmücken ihn während er<br />
klappernd über das Ceranfeld huscht. Beim<br />
Verlassen der Wohnung grüßt er noch rasch<br />
den anderen Hummer an der Telefongabelung.<br />
Lobster und Lobby, Horse and Hound,<br />
Hof und Herd, Glanz und Gloria, ganz und<br />
jetzt: gar.<br />
and<br />
i<br />
get<br />
my<br />
fortune<br />
told<br />
for<br />
free.