algerien - Worldfolio
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FREITAG, 6. JULI<br />
1<br />
ALGERIEN<br />
Sie finden diesen Bericht unter<br />
worldfolio.co.uk<br />
TEIL 2<br />
Eine Sonderbeilage von GLOBUS VISION<br />
Eine führende Industrienation<br />
wächst heran<br />
Als eine von Afrikas fünf wichtigsten Volkswirtschaften, erzielt Algerien sich als Handelspartner der führenden europäischen Marken zu etablieren<br />
Algerien hat in der jüngsten Geschichte<br />
schwere Zeiten durchgemacht. Der Einbruch<br />
der Erdölpreise von 1986, die Intervention<br />
des Internationalen Währungsfonds<br />
(IWF) 1994 und das von sozialen<br />
Unruhen und politischen Krisen geprägte<br />
Schwarze Jahrzehnt – all das liegt noch<br />
nicht lange zurück. Doch in diesem Jahr,<br />
zum 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit,<br />
wird das Land eine beeindruckende wirtschaftliche<br />
Entwicklung feiern und seinen<br />
Anspruch erneuern, zu den fünf größten<br />
Volkswirtschaften Afrikas zu gehören.<br />
Mohamed Benmeradi, Minister für<br />
Industrie, kleine und mittlere Unternehmen<br />
und Investitionsförderung, erinnert<br />
an die schlechten Zeiten: „Wir mussten<br />
Tausende von Unternehmen schließen<br />
und Hunderttausende von Mitarbeitern<br />
entlassen, vor allem im industriellen Bereich.<br />
Als sich 2000 die Lage beruhigte,<br />
lag die Wirtschaft bereits völlig brach. Die<br />
in den 70er-Jahren gegründeten Unternehmen<br />
waren zwar noch da, aber nur zu 50<br />
Prozent ausgelastet. Sie mussten zudem<br />
restrukturiert, modernisiert und wiederbelebt<br />
werden.“<br />
Paradoxerweise war diese Krise der<br />
Ausgangspunkt der wirtschaftlichen<br />
Stabilisierung des Landes und letztlich<br />
des wirtschaftlichen Aufschwungs. „Das<br />
Land war gezwungen, seine Schulden<br />
zu reduzieren und seine Wirtschaft neu<br />
zu ordnen. Dank dieser Schritte drehten<br />
1997 und 1998 alle makroökonomischen<br />
Indikatoren wieder ins Plus“, berichtet<br />
Ahmed Tibaoui, Chef des World Trade<br />
Centre in Algier.<br />
Der Ölpreisverfall von 1986 machte<br />
deutlich, dass Algerien seine Wirtschaft<br />
diversifizieren und die Abhängigkeit vom<br />
Öl beenden musste. Heute ist das Land<br />
quasi frei von Auslandsschulden, weist<br />
allenfalls ein minimales Haushaltsdefizit<br />
aus, und die Inflationsrate zählt zu den<br />
geringsten in ganz Nordafrika und Nahost.<br />
Die zahlreichen Finanzkrisen, die der<br />
Weltwirtschaft so zu schaffen gemacht<br />
haben, hat Algerien erfolgreich überstanden<br />
– während viele Länder noch unter<br />
den Auswirkungen einer anhaltenden<br />
Rezession leiden, wächst die Wirtschaft<br />
Algeriens stabil um jährlich vier bis fünf<br />
Prozent.<br />
Die Entdeckung der Marktwirtschaft<br />
Seitdem der IWF dem Land Strukturanpassungen<br />
verordnet hat, öffnet sich Algerien<br />
für Privatisierung, ausländische<br />
Investitionen und dem Wettbewerb – enorme<br />
Schritte für ein Land, das seit seiner<br />
Unabhängigkeit im Wesentlichen sozialistisch<br />
ausgerichtet war. „Der Staat war immer<br />
und überall präsent: Als Arbeitgeber,<br />
Regulierer, Geldgeber und Beschützer“,<br />
sagt Reda Hamiani, Leiter des Unternehmerverbandes<br />
FCE.<br />
In Algerien setzte ein Prozess des industriellen<br />
Umbaus und des Übergangs<br />
zur Marktwirtschaft ein. Die großen<br />
Staatsunternehmen wurden reformiert<br />
„Nur Unternehmen, die durch Innovationen ihre<br />
Wettbewerbsfähigkeit steigern, werden überleben.“<br />
Mohamed Benmeradi, Minister für Industrie, kleine und mittlere<br />
Unternehmen sowie Investitionsförderung<br />
und für die Beteiligung durch private und<br />
ausländische Kapitalgeber geöffnet. „Wir<br />
haben den staatlichen Firmen gesagt: Wir<br />
akzeptieren eure Konsolidierungspläne,<br />
wir prüfen eure Finanzen, wir erarbeiten<br />
euch einen Investitionsplan – aber all das<br />
nur unter der Bedingung, dass ihr euch<br />
einen internationalen Technologiepartner<br />
sucht“, berichtet Industrieminister Benmeradi.<br />
Nachdem die Wähler ihm erneut das<br />
Vertrauen ausgesprochen haben (seine<br />
Front de Libération Nationale gewann im<br />
Mai die Wahl), verfügt Präsident Bouteflika<br />
über das Mandat, den Ausbau marktwirtschaftlicher<br />
Institutionen fortzusetzen.<br />
Die Notwendigkeit, die Abhängigkeit<br />
von den Weltmärkten zu reduzieren (die<br />
Importe des Landes belaufen sich auf 50<br />
Mrd. Dollar pro Jahr), die rapide wachsende<br />
Bevölkerung mit Arbeitsplätzen<br />
zu versorgen und die Wirtschaft zu modernisieren,<br />
haben die Regierung und die<br />
Menschen in Algerien davon überzeugt,<br />
dass Privatisierung und Öffnung zur Welt<br />
nötig ist.<br />
Der Welt die Hand reichen<br />
Nach vielen Jahren der internationalen<br />
Isolation hat Algerien seine Position neu<br />
definiert und sich zu einem führenden<br />
regionalen Akteur entwickelt. Nachdem<br />
Angela Merkel im Juli 2008 in Algerien<br />
war, wurde Präsident Bouteflika 2010<br />
nach Berlin eingeladen. Und erst im Februar<br />
reiste US-Außenministerin Hillary<br />
Clinton nach Algerien. Die USA, ebenso<br />
wie die internationale Gemeinschaft,<br />
zählen Algerien im Kampf gegen den<br />
Terrorismus auf ihrer Seite und stufen das<br />
Land jetzt als „strategischen Partner“ ein.<br />
Algerien ist das zweitgrößte Land in der<br />
arabischen Welt mit diesem Status.<br />
Nachdem sich das Land nun politisch<br />
und wirtschaftlich stabilisiert hat, bietet<br />
es ausländischen Investoren attraktive<br />
Möglichkeiten und unterhält hervorragende<br />
diplomatische und wirtschaftliche<br />
Beziehungen zu Europa, insbesondere zu<br />
Großbritannien, Spanien und Deutschland.<br />
Zahlreiche Kooperationsvereinbarungen<br />
in den Bereichen Handel und<br />
Kultur schaffen einen soliden Rahmen<br />
für ausländische Investoren. Im Jahr 2010<br />
erreichten die Direktinvestitionen aus<br />
Deutschland eine Summe von 350 Mio.<br />
Euro, Joint Ventures für die Produktion<br />
von Industriegasen und die Elektrifizierung<br />
der Eisenbahn mit eingerechnet.<br />
Mehr als 200 deutsche Unternehmen,<br />
darunter Daimler und MAN unterhalten<br />
Niederlassungen in Algerien, und Siemens<br />
baut derzeit in Algier die erste Untergrundbahn<br />
des Landes.<br />
Eine neue Industrielandschaft gestalten:<br />
Der Entwicklungsplan 2010–2014<br />
Die Probleme Algeriens verbergen sich<br />
hinter seinen Stärken: Das Land muss<br />
die Wirtschaft diversifizieren, um sich<br />
aus der Abhängigkeit von den Öl- und<br />
Gaserträgen zu lösen, die Produktionsgrundlagen<br />
und -kompetenzen sowie<br />
die Infrastruktur modernisieren, kleine<br />
und mittlere Unternehmen (KMU) fördern<br />
und entwickeln und die Abhängigkeit<br />
von Importen senken.<br />
Mit dem ambitionierten, 286 Mrd.<br />
Dollar schweren Entwicklungsplan<br />
sollen genau diese Baustellen angegangen<br />
und Algerien auf den Radarschirm<br />
der industriellen Akteure gehoben werden.<br />
„Wir haben sehr große Projekte<br />
umgesetzt – geschätzte 500 Mrd. Dollar<br />
hat der Staat in den vergangenen<br />
zwölf Jahren investiert. Das entspricht<br />
dem Drei- bis Vierfachen des Bruttoinlandprodukts<br />
von Algerien“, sagt Benmeradi.<br />
Zwar führt der Investitionsplan vor<br />
allem Unternehmungen im Energiebereich<br />
an, doch auch Industrieprojekte<br />
mit einem Gesamtwert von 6 Mrd. Dollar<br />
werden genannt. Dabei werden die<br />
Gelder nicht nur in Großunternehmen<br />
fließen, sondern – durch die Entwicklung<br />
von Unterauftragnehmer-Netzwerken<br />
in den industriellen Entwicklungsgebieten<br />
– vor allem kleine und<br />
mittlere Unternehmen erreichen. „Wir<br />
haben 4 Mrd. Dollar für die Modernisierung<br />
von 20 000 KMU vorgesehen“,<br />
sagt Benmeradi.<br />
Eine<br />
Fülle von<br />
Chancen<br />
Zwar verfügt Algerien über moderne<br />
Firmen in der Verarbeitung<br />
von Nahrungsmitteln und in der<br />
Herstellung von Baustoffen und<br />
Arzneimitteln – im Bereich der<br />
Automobil- und Elektronikproduktion<br />
besteht allerdings noch<br />
Entwicklungsbedarf. Weitere<br />
Chancen bietet der Stahlsektor,<br />
wie Minister Benmeradi berichtet.<br />
„Wir importieren jedes Jahr<br />
Stahlprodukte im Wert von 5<br />
Mrd. Dollar. Zwar verfügen wir<br />
über die natürlichen Rohstoffe,<br />
wir haben aber ein einziges Werk,<br />
das jährlich weniger als eine Million<br />
Tonnen produziert.“<br />
Die Modernisierung der Infrastruktur<br />
ist ein weiteres Anliegen<br />
von hoher Priorität, dementsprechend<br />
plant die Regierung öffentliche<br />
Bauvorhaben im Gesamtwert<br />
von 632 Mio. Dollar. Die<br />
Notwendigkeit zur Diversifizierung<br />
eröffnet neue Chancen in<br />
den Bereichen Dienstleistungen<br />
und Tourismus, die auf ein Volumen<br />
von jeweils 1,3 Mrd. Dollar<br />
und 382 Mio. Dollar geschätzt<br />
werden. Zudem, so der Industrieminister,<br />
sind in den Bereichen<br />
Zementherstellung, Baugewerbe<br />
und Papierproduktion Investitionen<br />
aus dem Ausland<br />
erforderlich.<br />
Algerien bietet also zahllose<br />
Geschäftsmöglichkeiten für<br />
internationale Unternehmen,<br />
die einen Zugang zu diesem<br />
Markt mit 37 Millionen<br />
Verbrauchern, vielen und<br />
gut ausgebildeten Arbeitskräften<br />
und einer Reihe<br />
groß angelegter Projekte<br />
suchen. Die Fülle<br />
steuerlicher und gesetzlicher<br />
Anreize, die<br />
zahlreichen privaten und<br />
staatlichen Fonds und die Unterstützung<br />
durch die Behörden<br />
machen deutlich, wie ernst es Algerien<br />
damit ist, mit kompetenten<br />
ausländischen Investoren langfristige<br />
Partnerschaften zum gegenseitigen<br />
Nutzen aufzubauen.<br />
GLOBUS VISION<br />
Albert Buildings<br />
49 Queen Victoria Street<br />
London EC4N 4SA<br />
Tel: 44 (0) 20 7409 2354<br />
globus@globusvision.com<br />
www.globusvision.com<br />
PROJEKTTEAM:<br />
Christophe Laurent<br />
(Chefredakteur);<br />
Paloma Garralda (Projektleiter);<br />
Alain Caignard,<br />
Jose Ignacio Alegre und<br />
Brianne Bystedt<br />
(Projektkoordinatoren)<br />
Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage
2 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Die Entwicklung<br />
von Algeriens Industrie<br />
Die frühen Jahre: die<br />
Entstehung eines<br />
sozialistischen Staates<br />
nach dem Unabhängigkeitskrieg<br />
Die algerische Wirtschaft ist bis<br />
heute ein Produkt der historischen<br />
Entwicklung des Landes. Die gegenwärtige<br />
Ordnung ist die Folge von in<br />
der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen.<br />
Nachdem das Land seine<br />
Unabhängigkeit erlangt hatte, formte<br />
die Regierung unter Präsident Ben<br />
Bella einen sozialistischen Staat nach<br />
dem Vorbild der Sowjetunion, der die<br />
Entwicklung privater Unternehmen<br />
weitestgehend verhinderte. Man war<br />
der Ansicht, dass wirtschaftliches<br />
Wachstum und Fortschritt auf einen<br />
starken öffentlichen Sektor gegründet<br />
sein müssten. Für die marxistische<br />
Ideologie war die zentrale Instanz und<br />
dominierende Macht der Staat, der so<br />
stark wie möglich sein musste und<br />
sich in jeden Bereich der Wirtschaft<br />
einbringen sollte. Als Wachstumsmotor<br />
sollte die Schwerindustrie dienen,<br />
und dafür waren nach Ansicht der Regierung<br />
strikte Planungsvorgaben nötig.<br />
Landwirtschaft und Handel waren<br />
die einzigen Sektoren, in denen private<br />
Initiativen möglich waren.<br />
Die erste Maßnahme der Regierung<br />
galt der Verstaatlichung der Abbaurechte<br />
an den Bodenschätzen: Präsident<br />
Ben Bella erklärte, dass jeglicher<br />
Land-, Industrie- und gewerblicher<br />
Besitz, der sich zuvor in europäischer<br />
Hand befunden hatte, von jetzt an<br />
dem Staat gehöre. Verstaatlicht wurden<br />
auch die Öl- und Gasvorkommen<br />
des Landes. Das Algerien der 60erund<br />
70er-Jahre trug alle Merkmale<br />
einer typischen zentralen Planwirtschaft,<br />
mit massiven Investitionen,<br />
einer aufstrebenden Schwerindustrie<br />
sowie einer Wirtschaftsplanung und<br />
-Entwicklung, die durch aufeinander<br />
folgende Fünf-Jahres-Pläne festgeschrieben<br />
wurden.<br />
Diese Politik führte zur Bildung einiger<br />
weniger hochkomplexer industrieller<br />
Strukturen mit fragwürdiger<br />
Effizienz. Anfang der 80er-Jahre<br />
waren die mangelnden Erfolge der<br />
Planwirtschaft nicht mehr zu übersehen.<br />
Eine grundlegende Veränderung<br />
wurde erforderlich. Das System<br />
stieß an seine Grenzen: Überdimensionierte<br />
Unternehmen und eine aufgeblähte<br />
Bürokratie rangen vergeblich<br />
darum, den Bedürfnissen des<br />
Landes gerecht zu werden. In der<br />
Konsequenz teilte die Regierung die<br />
schwergängigen Makrostrukturen in<br />
kleinere Einheiten auf, wobei diese<br />
Neuordnung jedoch im selben System<br />
und Planungsmuster befangen<br />
blieb, das man seit den Anfängen der<br />
Unabhängigkeit verfolgte.<br />
Die Neuordnung der<br />
nationalen Industrie<br />
Die Neuordnung der Industrie bewirkte<br />
wenig, was den Kern der wirtschaftlichen<br />
Misere im Lande betraf:<br />
mangelnder Wettbewerb, mangelnde<br />
Wachstumsdynamik und mangelndes<br />
Unternehmertum. Die bürokratisierte<br />
Verwaltung war unvermindert darauf<br />
bedacht, den Privatsektor zu kontrollieren.<br />
Die aus der Zerschlagung der<br />
Algier hat mittlerweile nahezu fünf Millionen Einwohner und ist seit jeher das Handels- und Wirtschaftszentrum Algeriens<br />
alten Organisationsstruktur hervorgegangenen<br />
Unternehmen waren allesamt<br />
nicht erfolgreich. Mehr und mehr<br />
kamen der Wirtschaft jede Leistungskraft<br />
und die Fähigkeit, von den Bodenschätzen<br />
zu profitieren, abhanden;<br />
die Produktionskapazität der Industrie<br />
verringerte sich dramatisch. So büßte<br />
zum Beispiel der Bausektor mehr als<br />
90 Prozent an Produktivität ein.<br />
Zu allem Überfluss brachen 1986<br />
die Öl- und später auch die Gaspreise<br />
ein. Durch die Abhängigkeit von seinen<br />
natürlichen Ressourcen und den<br />
internationalen Ölpreisen manövrierte<br />
sich das Land in eine verhängnisvolle<br />
Schuldenfalle. Jeder Sektor, insbesondere<br />
die Industrie, war davon betroffen.<br />
Der positive Kehrwert des<br />
Ölpreisverfalls war, dass die Unvermeidlichkeit<br />
wirtschaftlicher Diversifikation<br />
sowie die Notwendigkeit, die<br />
Produktionsbasis, die Qualifikation<br />
der Arbeitskräfte und die Infrastruktur<br />
zu modernisieren, deutlich zu Tage<br />
traten. In der Folge konzentrierte sich<br />
die Politik darauf, die Bedingungen<br />
für kleinere Unternehmen zu verbessern<br />
und die Abhängigkeit des Landes<br />
vom Import zu verringern.<br />
Der Weg zur Marktwirtschaft<br />
Am Ende des Jahrzehnts begann die<br />
Regierung schließlich, auf private<br />
Initiative zu setzen und sich einer<br />
mehr marktwirtschaftlich geprägten<br />
Wirtschaftspolitik zuzuwenden. Leider<br />
kam diese Kehrtwende zu spät,<br />
um die marode Wirtschaft noch zu<br />
retten, zumal sie mit dem Beginn<br />
der„schwarzen Dekade“ und der Zeit<br />
des Bürgerkriegs zusammenfiel. Dies<br />
alles sowie die Intervention des IWF<br />
im Jahr 1994 zwangen das Land, nach<br />
neuen und besseren Lösungen für seine<br />
Probleme zu suchen. Von nun an<br />
öffnete sich Algerien für private und<br />
ausländische Investoren. Der öffentliche<br />
Sektor kontrollierte nur noch<br />
strategische Bereiche und Aktivitäten,<br />
die außerhalb des wirtschaftlichen<br />
Wettbewerbs lagen.<br />
In der Frühphase der Reformen war<br />
es für öffentliche Unternehmen beinahe<br />
unmöglich, auf dem freien Markt<br />
zu konkurrieren. 400 000 Menschen<br />
wurden entlassen, sodass die Arbeitslosenzahlen<br />
in die Höhe schossen.<br />
Nicht selten waren Unternehmen mit<br />
ihren Gehaltszahlungen 12 bis 20 Monate<br />
im Rückstand. Doch so schmerzlich<br />
diese Situation auch am Anfang<br />
war, sie markierte für die Wirtschaft<br />
einen Wendepunkt und gab die Initialzündung<br />
für künftiges Wachstum:<br />
Ende der 90er-Jahre befanden sich<br />
alle makroökonomischen Indikatoren<br />
des Landes im grünen Bereich.<br />
Bestätigt durch die sich abzeichnende<br />
wirtschaftliche Erholung und<br />
Verbesserung der Lage, stellte die Regierung<br />
die Weichen weiter in Richtung<br />
Marktwirtschaft: 1998 gestatte<br />
sie erstmals Management-Buy-outs<br />
(MBO), die Übernahme kleinerer Unternehmen<br />
durch deren Angestellte.<br />
Die erste Privatisierungswelle<br />
setzte fast ausschließlich bei profitablen<br />
Unternehmen der Tourismus-,<br />
Transport-, Lebensmittel- und Baustoffbranche<br />
an. Mit enormem Erfolg.<br />
Im nächsten Schritt wurden auch<br />
größere Unternehmen privatisiert und<br />
landesweit bekannte Staatsunternehmen,<br />
wie Annaba Steel, verkauft. Zu<br />
guter Letzt schuf man einen Markt für<br />
den Handel von Aktien.<br />
Zur Jahrtausendwende hatte die<br />
Regierung alles getan, was nötig<br />
war, um einer Marktwirtschaft<br />
den Weg zu bereiten. Ein neu aufgelegtes<br />
nationales Infrastrukturprogramm<br />
gab der Wirtschaft zusätzliche<br />
Impulse. Danach folgten<br />
Kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU)<br />
gelten mittlerweile als<br />
Schlüssel für die Entwicklung<br />
und das Jobwachstum<br />
in Algerien.<br />
Eine gezielte Förderung<br />
dieses Sektors wird<br />
dazu beitragen, die<br />
Wirtschaft auf eine<br />
breitere Basis zu stellen<br />
und die Abhängigkeit<br />
von Öl und Gas zu<br />
reduzieren.<br />
noch zwei weitere, ähnlich ehrgeizige<br />
Programme.<br />
Auch die internationalen Handelsbeziehungen<br />
Algeriens erhielten<br />
neuen Schwung. Als eines von zehn<br />
MEDA-Ländern (neben Algerien<br />
Ägypten, Israel, Jordanien, der Libanon,<br />
Malta, Marokko, Syrien, Tunesien<br />
und die Türkei) unterstütze Algerien<br />
verschiedene Abkommen zur<br />
Handelsliberalisierung. Um ausländische<br />
Investoren anzulocken, wurde<br />
außerdem ein Freihandelsabkommen<br />
mit der EU für die Zeit von 2007 bis<br />
2017 geschlossen.<br />
Staatliche Holdings (Sociétés de Gestion<br />
des Participations – SGP) als neues Modell<br />
Um mehr Flexibilität zu schaffen<br />
und den Wettbewerb zu fördern,<br />
ordnete der Staat im April 2002<br />
seine öffentlichen Holdings neu.<br />
Grundlage hierfür war das neue Unternehmensmodell<br />
SGP (Société de<br />
Gestion de Participations). Aus fünf<br />
Holdings entstanden 28 SGPs, die<br />
– erstmals – auch dazu verpflichtet<br />
waren, Gewinne zu erwirtschaften.<br />
Die SGPs agieren als Holdinggesellschaften;<br />
sie sind in verschiedenen<br />
Branchen aktiv und steuern<br />
zudem die Aktivitäten der Firmen,<br />
die sich unter ihrem Dach befinden.<br />
Da die algerische Regierung ihnen<br />
ein erhebliches Maß an Selbstständigkeit<br />
gewährt hat, spielten sie<br />
eine entscheidende Rolle bei der<br />
Anbahnung von Partnerschaften<br />
und der Einbindung ausländischer<br />
Investoren in die algerische Wirtschaft.<br />
Hinzu kamen neue Gesetze,<br />
die ein schnelleres Zustandekommen<br />
von Partnerschaften ermöglichen<br />
und einen besseren Zugang<br />
zum lokalen Markt garantieren.<br />
Große Staatsunternehmen wurden<br />
reformiert und für den privaten<br />
Sektor sowie für ausländische Kapitalgeber<br />
geöffnet. Der Staat billigte<br />
die Konsolidierungspläne der<br />
öffentlichen Unternehmen; er prüfte<br />
die Finanzsituation und erließ den<br />
Unternehmen oftmals auch hohe<br />
Schulden – allerdings nur unter der<br />
Bedingung, dass sich ein internationaler<br />
Technologiepartner für sie<br />
fand. Davon profitierten nicht nur<br />
ausländische Investoren, sondern<br />
auch die Leistungskraft der lokalen<br />
Industrie. Das Finanzministerium<br />
erklärte dazu: „Seit 2001 wurden<br />
nacheinander drei Programme zur<br />
Reformierung öffentlicher Unternehmen<br />
auf den Weg gebracht; das<br />
letzte läuft 2014 aus. Sie sind das Instrument,<br />
mit dem wir die Situation<br />
von Privatunternehmen verbessern,<br />
nebenbei auch den wirtschaftlichen<br />
Druck verringern und nicht zuletzt<br />
die Nachfrage im Inlandsmarkt<br />
unterstützen. Ob Baubranche, Gesundheitssektor,<br />
Infrastruktur oder<br />
Eisenbahnindustrie – all diese Branchen<br />
haben von den Programmen<br />
profitiert, sodass sie jetzt in der Lage<br />
sind, auch in ausländischen Märkten<br />
Fuß zu fassen.”<br />
Auch inländische Investoren können<br />
sich heute über ungleich bessere<br />
Voraussetzungen freuen: Bewährt<br />
hat sich hier der Trilog zwischen<br />
Steuerbehörden, Gewerkschaften<br />
und Arbeitgeberverbänden, wobei<br />
die Regierung die Interessen der<br />
betreffenden Investoren und der algerischen<br />
Unternehmer im Auge<br />
behält. Ein neuer Ansatz wurde<br />
etabliert, der sich auf drei Postulate<br />
stützt. Erstens: Kleine und mittlere<br />
Unternehmen sind der Schlüssel<br />
für die wirtschaftliche Entwicklung.<br />
Zweitens: Hier liegt das größte Potenzial,<br />
um Arbeitsplätze zu schaffen.<br />
Drittens: Diese Unternehmen<br />
werden zu einer diversifizierten<br />
Wirtschaft führen, die weniger abhängig<br />
von den Öl- und Gaseinnahmen<br />
ist.<br />
Algerien hat stets von diversen natürlichen<br />
Gegebenheiten profitiert,<br />
so zum Beispiel von seinen unermesslichen<br />
Öl- und Gasvorkommen<br />
oder auch von seiner einmaligen geographischen<br />
Lage als Tor zum Nahen<br />
Osten und nach Afrika. Die Verwaltung<br />
des Landes ist fortschrittlich<br />
und der Zukunft zugewandt. Und<br />
nicht zuletzt die Mischung aus wirtschaftlichem<br />
Wachstum, einer neuen<br />
Generation gut ausgebildeter und<br />
dynamischer Firmenlenker sowie<br />
einer wirtschaftsfreundlichen Politik<br />
machen Algerien zu einem Land<br />
voller Chancen und Möglichkeiten.<br />
Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage
FREITAG, 6. JULI<br />
ALGERIEN<br />
3<br />
Algerisch-deutsche Wirtschaft:<br />
Eine lange und fruchtbare Verbindung<br />
Seit Erlangung der Unabhängigkeit 1962 pflegt Algerien ein freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis zu Deutschland. Über eine technische Kooperationsvereinbarung<br />
hat die Bundesrepublik die Entwicklung des nordafrikanischen Landes finanziell unterstützt – mit rund 200 Mio. Euro seit 1974<br />
Auch auf kultureller Ebene sind<br />
die Beziehungen zwischen den<br />
beiden Ländern erfolgreich: Schon<br />
1963 wurde in Algerien ein Goethe-Institut<br />
gegründet. Deutsch<br />
wurde nach Englisch und Französisch<br />
die dritte Fremdsprache für<br />
Kinder in Algerien. Außerdem bekam<br />
das Deutsche Archäologische<br />
Institut 2008 den Auftrag, das in<br />
der algerischen Provinz Tipaza<br />
gelegene Cherchell-Museum zu<br />
restaurieren; dort lagern einige<br />
der bedeutendsten römischen und<br />
griechischen Antiquitäten des afrikanischen<br />
Kontinents.<br />
Heute gibt es auf beiden Seiten<br />
den starken politischen Willen, die<br />
bilateralen Beziehungen noch auszubauen.<br />
Im Jahr 2001 besuchte<br />
Abdelaziz Bouteflika als erster<br />
Präsident Algeriens die Bundesrepublik,<br />
2010 kam er noch einmal<br />
nach Berlin. Kanzlerin Merkel revanchierte<br />
sich mit einem Staatsbesuch<br />
in Algerien im Juli 2008.<br />
Um den Handel zwischen den<br />
beiden Ländern zu fördern, wurden<br />
in den vergangenen Jahren<br />
mehrere Vereinbarungen abgeschlossen.<br />
2005 trat ein bilaterales<br />
Abkommen mit der Europäischen<br />
Union über zollfreien Warenaustausch<br />
in Kraft; 2010 wurde es<br />
erweitert, um mehr europäische<br />
Investitionen in Algerien auszulösen.<br />
Außerdem sieht es den<br />
Aufbau von kleinen und mittleren<br />
Unternehmen (KMU) außerhalb<br />
des Kohlenwasserstoff-Sektors<br />
in Branchen wie Landwirtschaft,<br />
Wasser oder Transport vor. Im<br />
Jahr 2007 vereinbarten Algerien<br />
und Deutschland außerdem ein<br />
Doppelbesteuerungsabkommen<br />
für Unternehmen.<br />
Die Deutsch-Algerische Industrie-<br />
und Handelskammer, eingerichtet<br />
2006, hat inzwischen 760<br />
Mitglieder. Zu ihren Aufgaben<br />
zählt die offizielle Vertretung der<br />
deutschen Wirtschaft, das Verbinden<br />
von Unternehmen mit Interesse<br />
an bilateralen Beziehungen<br />
und die Unterstützung von gemeinsamen<br />
Geschäfts- und Handelsaktivitäten.<br />
So organisierte<br />
die Kammer im Juni den Besuch<br />
einer bayerischen Delegation bei<br />
algerischen Medizin- und Elektronik-Unternehmen.<br />
Außerdem<br />
vertritt sie von Köln, Düsseldorf<br />
und München aus algerische Mitglieder<br />
in Deutschland.<br />
Die Zahlen sprechen für sich<br />
Die algerischen Exporte nach<br />
Deutschland beliefen sich 2010<br />
auf 6,93 Mrd. Euro, wobei 95,7<br />
Prozent aus der Ölindustrie<br />
stammten. Exporte in umgekehrter<br />
Richtung erreichten im selben<br />
Jahr 1,4 Mrd. Euro, 32 Prozent<br />
mehr als 2009. Die deutschen<br />
Mercedes, Deutz und MTU gehören zu den vielen deutschen Unternehmen, die bereits in Algerien aktiv sind<br />
Ausfuhren kamen überwiegend<br />
aus der Automobilbranche, doch<br />
auch Industriemaschinen, Chemieprodukte<br />
und elektrische Geräte<br />
waren gefragt.<br />
Im Automobilbereich arbeiten<br />
Algerien und Deutschland seit<br />
Langem zusammen. SNVI und<br />
ZF zum Beispiel produzieren seit<br />
30 Jahren gemeinsam Getriebe.<br />
Ebenso lange gibt es eine Kooperation<br />
zwischen EQUIPAG<br />
und Lieber Deutz zum Bau von<br />
Traktoren und Baufahrzeugen.<br />
Immer wieder werden neue Partnerschaften<br />
vereinbart, etwa mit<br />
Mercedes, Deutz und MTU zur<br />
Herstellung einer neuen Generation<br />
von Dieselmotoren.<br />
„Für Unternehmen im Bereich<br />
Mechanik haben wir Entwicklungspläne<br />
verabschiedet, damit<br />
sie ihre Produktpaletten erneuern<br />
können.“, sagt Mohamed Benmeradi,<br />
Minister für Industrie, KMU<br />
und Investitionsförderung. „Mit<br />
Mercedes haben wir Verträge über<br />
eine Erneuerung unserer Lastwagen-Palette<br />
abgeschlossen und<br />
werden in diesem Rahmen 15 000<br />
Lastwagen produzieren – ein riesiges<br />
Projekt. Die Fahrzeuge werden<br />
2013 verfügbar sein und auch<br />
internationalen Standards entsprechen,<br />
was für uns sehr wichtig<br />
ist. Außerdem werden wir mit<br />
Mercedes neue Busse bauen und<br />
mit einem anderen deutschen Unternehmen<br />
45.000 Großmotoren.“<br />
Die jüngsten Bemühungen der<br />
algerischen Regierung zur Entwicklung<br />
des Landes über Investitionen<br />
in Bereichen wie Transport<br />
(Straßen, Schienenwegen und<br />
Häfen) oder Wohnraum sind für<br />
deutsche Unternehmen höchst interessant,<br />
insbesondere wegen ihrer<br />
Mechanik-Kompetenz. Im Jahr<br />
2010 erreichten die deutschen Direktinvestitionen<br />
in Algerien 350<br />
Millionen Euro, hauptsächlich<br />
durch Joint Ventures in der Erdgas-Produktion<br />
und die Elektrifizierung<br />
des Bahn-Netzes.<br />
Neue Formen der Partnerschaft<br />
„Mit Mercedes haben<br />
wir Verträge über eine<br />
Erneuerung unserer<br />
Lastwagen-Palette abgeschlossen<br />
und werden<br />
in diesem Rahmen<br />
15 000 Lastwagen<br />
produzieren – ein riesiges<br />
Projekt. Die Fahrzeuge<br />
werden 2013<br />
verfügbar sein und<br />
auch internationalen<br />
Standards entsprechen,<br />
was für uns sehr wichtig<br />
ist.“<br />
Mohamed Benmeradi, Minister<br />
für Industrie, KMU und Investitionsförderung<br />
Erneuerbare Energien und<br />
grünes Wirtschaften<br />
Ebenso wichtig ist es für Algerien,<br />
die Wirtschaft über den<br />
Bereich Erdöl und Erdgas hinaus<br />
zu diversifizieren, der derzeit<br />
98 Prozent seiner Exporte<br />
ausmacht. Auch das deutsche<br />
Desertec-Projekt hat zum Ziel,<br />
das solare Potenzial der algerischen<br />
Wüstengebiete für die<br />
Produktion nachhaltiger Energie<br />
im riesigen Maßstab zu nutzen.<br />
Um es in die Tat umzusetzen,<br />
werden beide Seiten ihre Kräfte<br />
bündeln müssen.<br />
Außerdem will Algerien auch<br />
beim Umweltschutz mit deutscher<br />
Hilfe besser werden. „In<br />
diesem Jahr richtet Algerien zum<br />
dritten Mal die Enviro Algeria<br />
aus, eine Kombination aus Messe<br />
und Konferenz“, sagt Christoph<br />
Partsch, Geschäftsführer<br />
der deutschen Auslandskammer<br />
in Algerien. Hauptthema der<br />
Veranstaltung vom 15. bis 17.<br />
Oktober in Oran ist dieses Mal<br />
umweltfreundliche Wirtschaft.<br />
Eine weitere Konferenz, vom<br />
12. bis 18. November, wird sich<br />
mit der Kultur für Unternehmensgründungen<br />
beschäftigen<br />
und hat zum Ziel, mehr Absolventen<br />
deutscher Universitäten<br />
nach Algerien zu holen und das<br />
Entstehen deutsch-algerischer<br />
Start-ups anzuschieben.<br />
Viele Jahre lang hat Algerien mit<br />
internationalen Partnern auf der<br />
Basis von Produktions lizenzen<br />
zusammengearbeitet, zum Beispiel<br />
mit Lieber Deutz. Heute<br />
will sich das Land neue Dimensionen<br />
der Kooperation erschließen:<br />
„Interaktive“ Partner sollen<br />
gemeinsam ein Unternehmen<br />
gründen, die Produkte verkaufen<br />
und sich die Gewinne teilen.<br />
Aus einer solchen Struktur gehen<br />
fertige Produkte hervor, die als<br />
international bezeichnet werden<br />
können und sich deshalb auch<br />
für den Export eignen. Auf diese<br />
neue Dynamik zielt das Land bei<br />
seinen Fertigungspartnerschaften<br />
jetzt ab.<br />
„Gelungen ist das zum Beispiel<br />
mit dem deutschen Mähdrescher-<br />
Hersteller Claas, bei dem eine<br />
Modernisierung des Angebots<br />
anstand: In einer Partnerschaft<br />
mit EQUIPAG entstanden gemeinsame<br />
Produkte, deren Gewinn<br />
sich beide Seiten teilten.<br />
„Am besten ist es, Produkte nach<br />
internationalen Normen herzustellen,<br />
so dass sie überall hin<br />
verkauft werden können. Natürlich<br />
muss die Qualität stimmen,<br />
aber sie müssen auch international<br />
sein. Das ist im Moment<br />
unser Ziel, denn es schafft die<br />
besten Bedingungen für einen<br />
Wissenstransfer“, erklärt Bachir<br />
Dehimi, der Chef von EQUIPAG.<br />
„Deutschland stand in Bezug auf<br />
gute Technologie, angesehene<br />
Produkte und einem hohen Standard<br />
bei Know-how und Ausbildung<br />
schon immer ganz oben auf<br />
der Liste.“<br />
Tatsächlich lässt die Bundesrepublik<br />
Algerien immer stärker<br />
an seiner Expertise und Ausbildungskompetenz<br />
teilhaben.<br />
So hat Knauf in der Stadt Oran<br />
nicht nur eine erfolgreiche Gips-<br />
Fabrik errichtet, sondern auch<br />
ein Schulungszentrum, das sich<br />
hauptsächlich an Algerier richtet.<br />
Und die Wirtschaftsstaatssekretärin<br />
Anne Ruth Herkes<br />
unterzeichnete kürzlich ein langfristiges<br />
Abkommen zur Übernahme<br />
des deutschen dualen<br />
Ausbildungssystems in Algerien,<br />
bei dem Beschäftigte parallel zu<br />
ihrer Arbeit ausgebildet werden.<br />
Die Deutsche-Algerische Handelskammer<br />
in Algier spielt dabei<br />
eine große Rolle und unterstützt<br />
die Kollegen in Oran bei<br />
der Umsetzung.<br />
Auch das deutsche Desertec-Projekt hat zum Ziel, das solare Potenzial der algerischen Wüstengebiete<br />
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4 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Pharma- und Biotechnologiefirmen locken<br />
internationale Investoren<br />
Ausländische und private<br />
Investoren tragen<br />
maßgeblich zum Wachstum<br />
des algerischen<br />
Pharmamarkts bei<br />
Mag sein, dass Algerien vor allem für<br />
seine Erdölindustrie bekannt ist. Doch<br />
seit sich das Land für ausländische Investoren<br />
öffnet und um multinationale<br />
Konzerne wirbt, ist Algeriens Pharmasektor<br />
rasant gewachsen.<br />
„Der Wert des Marktes hat sich in<br />
nur einem Jahrzehnt versechsfacht“,<br />
berichtet Boumediène Derkaoui, Chef<br />
von Saidal, dem führenden Pharmahersteller<br />
in Algerien. „Diese Zahl<br />
vermittelt einen Eindruck des enormen<br />
Wachstumspotenzials.“<br />
In ganz Afrika habe Algerien die<br />
zweitgrößte Pharmaindustrie, berichtet<br />
Derkaoui. Das Marktvolumen liegt bei<br />
2,5 Mrd. Dollar und könnte laut Schätzungen<br />
bis 2015 8 Mrd. Dollar erreichen.<br />
Zurückzuführen ist dieses plötzliche<br />
Wachstum vor allem auf die stufenweise<br />
Liberalisierung, die Anfang der 90er-<br />
Jahre angestoßen wurde und den Markt<br />
für Firmen aus der Privatwirtschaft und<br />
aus dem Ausland geöffnet hat. Saidal<br />
war beispielsweise ein staatliches Unternehmen,<br />
an dem sich Ende der 90er-<br />
Jahre erstmals auch private Investoren<br />
beteiligen durften. Heute ist Saidal zu 20<br />
Prozent in den Händen von Einzel- und<br />
Unternehmensinvestoren. Der Pharmahersteller<br />
unterhält Partnerschaften mit<br />
Sanofi-Aventis aus Frankreich und mit<br />
Pfizer aus den USA.<br />
Darüber hinaus verfolgt die algerische<br />
Regierung die Strategie, den Anteil der<br />
im Land produzierten Medikamente zu<br />
erhöhen. „Es wird geschätzt, dass 32 bis<br />
35 Prozent des nationalen Marktes auf algerische<br />
Produkte entfallen“, sagt Derkaoui.<br />
„Die Behörden haben sich zum Ziel<br />
gesetzt, bis 2014 oder 2015 den Anteil<br />
der nationalen Produktion auf mindestens<br />
70 Prozent zu verdoppeln.“<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, erlaubt<br />
die Regierung seit 2005 auch internationalen<br />
Unternehmen, Produktionseinrichtungen<br />
in Algerien zu gründen. Als erste<br />
Unternehmen folgten Julphar aus Saudi-<br />
Arabien und KIPCO Asset Management<br />
Company (KAMCO) aus Kuweit diesem<br />
Ruf.<br />
Julphar will gemeinsam mit dem algerischen<br />
Gesundheitsministerium 28 Mio.<br />
Dollar investieren, um ein Werk zur Herstellung<br />
von Infusionslösungen zu errichten,<br />
während KAMCO 380 Mio. Dollar<br />
in die Produktion von Medikamenten zur<br />
Krebsbehandlung stecken will.<br />
Aber auch US-Unternehmen interessieren<br />
sich mittlerweile für Algeriens<br />
Pharmasektor. Dabei bemüht sich<br />
Algeriens Regierung intensiv um die<br />
Entwicklung des Pharma- und Gesundheitssektors<br />
mithilfe ausländischer<br />
Investoren. Im Juni 2011 richtete Algerien<br />
die erste amerikanisch-algerische<br />
Gesundheitskonferenz in Algier aus, die<br />
die Forschung und Entwicklung in der<br />
Algeriens Pharmasektor<br />
hat sich in den vergangenen<br />
zehn Jahren<br />
versechsfacht und ist<br />
heute der zweitgrößte<br />
Wirtschaftszweig des<br />
Landes<br />
pharmazeutischen Biotechnologie zum<br />
Thema hatte. Prominente Unternehmen<br />
wie Pfizer, Merck und AstraZeneca diskutierten<br />
über die Möglichkeiten der<br />
Biotechnologie für die Arzneimittelherstellung<br />
in Algerien, und auf der begleitenden<br />
Ausstellung wurden jüngste<br />
Entwicklungen aus Pharmazie und<br />
Medizintechnik präsentiert. Anlässlich<br />
der Konferenz vereinbarten die beiden<br />
Nationen, ihre Zusammenarbeit im Gesundheitssektor<br />
weiter zu vertiefen.<br />
Im September 2011 organisierte der<br />
amerikanisch-algerische Wirtschaftsrat<br />
(USABC) eine zweitägige Studienreise<br />
durch die US-Bundesstaaten Boston und<br />
Washington DC. Die 30-köpfige Delegation<br />
aus Algerien wurde von Gesundheitsminister<br />
Djamel Ould Abbes angeführt,<br />
besuchte Labore und Universitäten<br />
und führte Gespräche mit Vertretern von<br />
internationalen Pharmaunternehmen,<br />
öffentlichen Einrichtungen und Regulierungsbehörden.<br />
Der algerische Gesundheitsminister<br />
traf seine Amtskollegin Kathleen<br />
Sebelius. Damit kam es erstmals<br />
zu einer offiziellen Kontaktaufnahme<br />
zwischen den beiden Ministerien.<br />
Die BIO International Convention,<br />
die vom 18. bis 21. Juni 2012 in Boston<br />
stattfand, ist das aktuellste Beispiel für<br />
ein internationales Forum, auf dem Algerien<br />
seine Ambitionen im Bereich der<br />
Biotechnologie zeigte. Auf Einladung<br />
von James Greenwood, dem Leiter der<br />
Biotechnology Industry Organization<br />
(BIO), nahm Algerien als Ehrengast an<br />
der Konferenz teil und warb vor internationalem<br />
Publikum für Investitionen im<br />
eigenen Land.<br />
Anlässlich der Konferenz, an der sich<br />
Algerien zum ersten Mal beteiligte, rief<br />
das Gesundheitsministerium die Initiative<br />
Algerien 2020 – eine Investitions- und<br />
Entwicklungsprogramm für den Gesundheitssektor<br />
– ins Leben.<br />
Saidals Erfolg unterstreicht<br />
das Potenzial des<br />
örtlichen Pharmasektors<br />
Algeriens führender Pharmakonzern ist gleichzeitig einer<br />
der größten des Kontinents<br />
Etwa zehn Jahre ist es her, dass der Bürgerkrieg<br />
in Algerien ein Ende fand. Seitdem<br />
hat sich die algeri-sche Regierung sehr<br />
für den Gesundheitssektor eingesetzt. Mit<br />
einem ehrgeizigen Programm beweist die<br />
Regierung ihr Engagement: Neben vielen<br />
anderen Verbesserungen soll bis 2025 die<br />
Zahl der Kran-kenhausbetten, der Ärzte<br />
und der lokal produzierten Arzneimittel<br />
aufgestockt werden.<br />
Das Gesundheitsprogramm bietet ausländischen<br />
Investoren, die zumeist als Importeure<br />
oder im Rah-men von Kooperationen<br />
in Algerien tätig sind, eine Vielzahl<br />
an Möglichkeiten. Momentan empfängt<br />
die algerische Pharmaindustrie potenzielle<br />
Partner mit offenen Armen.<br />
Arzneimittel machen 0,008 Prozent der<br />
Exporte und 4,5 Prozent der Importe aus.<br />
Aufgrund der Import-substitutionspolitik<br />
dürfen Medikamente, die im Land hergestellt<br />
werden können, nicht importiert werden.<br />
Da der Schwerpunkt der einheimischen<br />
Wirtschaft auf Generika liegt, könnte<br />
der Exportanteil noch beträchtlich steigen.<br />
Algeriens Ausgaben für Medikamente<br />
steigen stetig: 2008 waren es 159 Mrd.<br />
Dinar (2,35 Mrd. Dollar), 2013 werden<br />
es voraussichtlich 209 Mrd. Dinar (2,94<br />
Mrd. Dollar) sein. In Dinar bewertet<br />
entspricht dies einem durchschnittlichen<br />
jährlichen Wachstum von 5,62 Prozent.<br />
Und langfristige Prognosen weisen auch<br />
weiterhin auf ein starkes Wachstum hin.<br />
Demnach könnten die Ausgaben 2019<br />
bereits bei 407,14 Mrd. Dinar (5,82 Mrd.<br />
Dollar) liegen.<br />
Saidal ging im April 1982 aus der Umstrukturierung<br />
der Pharmacie Centrale<br />
Algérienne (PCA) hervor. Der Börsengang<br />
folgte 1989. Konzernchef Boumediène<br />
Derkaoui erläuterte vor Kurzem die<br />
Hintergründe des raschen Wachstums im<br />
algerischen Gesundheitssektor, insbesondere<br />
in der Pharmaindustrie: „Algerien<br />
ist der zweitgrößte Markt Afrikas, was<br />
Absatz und Umsatz betrifft. Algeriens<br />
Markt liegt direkt hinter Südafrika, doch<br />
noch vor Ägypten, trotz der großen demografischen<br />
Unterschiede zwischen diesen<br />
Län-dern. Algeriens Marktvolumen<br />
beträgt über 2,5 Mrd. Dollar und unser<br />
Arzneimittelkonsum nimmt seit Jahren<br />
kontinuierlich zu. Mittlerweile sind wir<br />
nicht mehr weit davon entfernt, jährlich<br />
80 Dollar pro Kopf auszugeben. 1999<br />
belief sich das Marktvolumen auf 240 bis<br />
250 Mio. Euro. Heute sind es mehr als<br />
1,7 Mrd. Euro. Diese Erhöhung, ca. sechs<br />
Mal so viel Bedarf in etwa zehn Jahren,<br />
veranschaulicht das Wachstumspotenzial<br />
des Sektors.“<br />
„Man kann kein Labor<br />
und keine Fabrik eines<br />
multinationalen oder nationalen<br />
Unternehmens<br />
mehr be-treten, ohne<br />
auf Manager zu treffen,<br />
die ihr Handwerk bei<br />
Saidal gelernt haben.“<br />
Boumediène Derkaoui,<br />
Saidal-Chef<br />
Der Zuwachs sei nachhaltigen Maßnahmen<br />
der algerischen Regierung zu<br />
verdanken, insbesondere dem leichteren<br />
Zugang zu Arzneimitteln für die Bevölkerung.<br />
„Unser System ist eines der besten<br />
und fort-schrittlichsten der Welt; noch<br />
dazu, völlig kostenlos. Sämtliche Arzneimittel<br />
werden zu 100 Prozent er-stattet,<br />
unabhängig davon, ob der Patient sozialversichert<br />
ist oder nicht.“<br />
Im Oktober 2010 unterzeichneten die<br />
algerische Regierung und eine Reihe<br />
von US-Unternehmen eine Absichtserklärung.<br />
Der Pharma- und Gesundheitssektor<br />
des Landes soll unter anderem<br />
durch Technolo-gietransfer, Forschung<br />
und Entwicklung sowie Direktinvestitionen<br />
stärker unterstützt werden.<br />
Saidal kündigte ein 1,4 Mio. Euro<br />
schweres Modernisierungsprogramm<br />
für acht Werke in Algier, Cher-chell und<br />
Medea an. Damit steigert das Unternehmen<br />
nicht nur die Produktionskapazität<br />
von 135 Millionen auf 298 Millionen Verkaufseinheiten,<br />
gleichzeitig sollen auch<br />
die Qualitätsstandards auf europäisches<br />
Niveau gebracht werden.<br />
Finanziert wird das Ganze über einen<br />
staatlichen Investitionskredit in Höhe von<br />
180 Mio. Euro. Pfizer-Saidal Manufacturing,<br />
ein Joint Venture zwischen Saidal<br />
und der Algerien-Tochter des US-Pharmakonzerns<br />
Pfizer, kündigte gleichzeitig<br />
die Produktion eines noch nicht näher<br />
spezifizierten ent-zündungshemmenden<br />
Arzneimittels an. Der Entzündungshemmer<br />
ist eines der rund 20 Importerzeugnisse<br />
des Unternehmens, das auch etwa<br />
18 eigene Produkte in seinem Werk in<br />
Algier herstellt.<br />
Und während Algeriens Pharmaindustrie<br />
jedes Jahr exponentiell wächst,<br />
ist Boumediène Derkaoui stolz auf<br />
Saidals Beitrag zur Verbesserung des<br />
Gesundheitssektors. „Besonders in<br />
den vergangenen zehn Jah-ren haben<br />
wir für den gesamten Sektor eine entscheidende<br />
Rolle gespielt. Und wir<br />
sind fast schon eine Art Ausbildungszentrum<br />
für die Branche geworden:<br />
Man kann kein Labor und keine Fabrik<br />
eines multi-nationalen oder nationalen<br />
Unternehmens mehr betreten, ohne auf<br />
Manager zu treffen, die ihr Hand-werk<br />
bei Saidal gelernt haben.“<br />
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FREITAG, 6. JULI<br />
ALGERIEN<br />
5<br />
Ausländische Autohersteller drängen ins Land<br />
Die Nachfrage nach Autos in Algerien wächst<br />
ungebrochen. Französische und deutsche<br />
Hersteller verhandeln deshalb über den Bau<br />
von Fabriken vor Ort.<br />
Seit kurzem ist Algerien der<br />
zweitgrößte Automarkt Afrikas:<br />
Nach 230 000 im Jahr 2010 stieg die<br />
Zahl der Autoverkäufer auf den<br />
Allzeit- Rekordwert von 320 000<br />
im Jahr 2011.<br />
Nur in Südafrika wurden mehr<br />
Autos verkauft. Dies ist umso bemerkenswerter,<br />
da die algerische<br />
Regierung im vergangenen Jahr, um<br />
die Importe zu drosseln, Autokredite<br />
verboten hat. Autos, Elektronik und<br />
Lebensmittel sind die wichtigsten Importgüter<br />
des Landes<br />
Zunächst schien das Verbot zu wirken.<br />
2009, im Jahr seiner Einführung,<br />
gingen die Autoimporte um mehr als<br />
23 Prozent zurück. 2010 aber wurde<br />
der Markt mit ausländischen Fahrzeugen<br />
geflutet. Und die Entwicklung<br />
hält an. In den ersten drei Monaten<br />
des Jahres 2012 kamen nach Angaben<br />
des Zolls 102 720 Autos nach Algerien<br />
– ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber<br />
dem ersten Quartal 2011.<br />
In einem aktuellen Bericht prognostiziert<br />
Business Monitor International<br />
dem algerischen Autosektor<br />
ein Umsatzwachstum von<br />
fünf Prozent pro Jahr, etwa gleichauf<br />
mit der wachsenden Inlandswirtschaft.<br />
Die Gesamtverkäufe<br />
an neuen Fahrzeugen sollen bis<br />
2016 auf mehr als 375 000 Stück<br />
steigen. Wenn die lokale Produktion<br />
in Schwung kommt, könnten<br />
die Zahlen nach oben korrigiert<br />
werden müssen, schreiben die<br />
Marktforscher.<br />
Führend in Algerien ist derzeit<br />
die französische Marke Renault, gefolgt<br />
von Hyundai aus Südkorea und<br />
den ebenfalls französischen Herstellern<br />
Peugeot und Citroen. Aber auch<br />
deutsche Autos sind zunehmend gefragt:<br />
2011 erhöhten sich die Importe<br />
von Marken wie Volkswagen und<br />
Audi, und auch von Seat und Skoda<br />
um mehr als 87 Prozent.<br />
Renault konnte im vergangenen<br />
Jahr in Algerien gut 75 000 Fahrzeuge<br />
der Marken Renault und Dacia<br />
verkaufen. Der Hersteller ist in Algerien<br />
präsent, seit er dort 1922 ein<br />
Vertriebsunternehmen aufgebaut hat.<br />
1959 startete Renault sogar die Produktion<br />
von Autos, die jedoch zehn<br />
Jahre später, nach ihrer Nationalisierung<br />
durch die Regierung, wieder<br />
eingestellt wurde. Seit 1997 gibt es<br />
die Vertriebs- und Marketingtochter<br />
Renault Algérie. Bis 2009 hatte sich<br />
VW und<br />
Renault<br />
planen<br />
Werkseröffnungen<br />
in<br />
Algerien<br />
Renault mit ihrer Hilfe etwa ein Viertel<br />
des inländischen Automarktes gesichert.<br />
Sowohl Renault als auch die Regierung<br />
sind sehr daran interessiert,<br />
eine Fabrik aufzubauen, in der die absatzstarken<br />
Modellreihen Logan und<br />
Sandero produziert werden. Doch die<br />
Verhandlungen dazu ziehen sich hin.<br />
Das französische Unternehmen will<br />
das Werk in Rouiba, in der Nähe der<br />
Hauptstadt Algier ansiedeln, doch die<br />
Regierung, die einen 51-prozentigen<br />
Anteil übernehmen würde, bevorzugt<br />
aus Gründen der regionalen Ausgewogenheit<br />
einen Standort in der Provinz<br />
Jijel.<br />
Wenn sie einmal steht, wird die<br />
Fabrik pro Jahr 75 000 Fahrzeuge<br />
liefern, in der zweiten Phase sollen<br />
es sogar 150 000 sein. Auch zwischen<br />
der algerischen Regierung und dem<br />
deutschen Hersteller Volkswagen gibt<br />
es Verhandlungen über den Bau einer<br />
Fabrik im Land.<br />
Der Anteil von Hyundai am algerischen<br />
Markt ist im vergangenen<br />
Jahr von 14,4 auf 18,6 Prozent gestiegen,<br />
was 52 185 Fahrzeugen entspricht.<br />
Peugeot verkaufte 28 199<br />
Autos, Chevrolet 24 716 und Toyota<br />
Motors aus Japan 22 742. Erst vor<br />
Kurzem meldete Maruti Suzuki, der<br />
größte Autohersteller Indiens, dass<br />
seine Gesamtexporte nach Algerien<br />
die Schwelle von 50 000 überschritten<br />
hätten. Das Land ist damit der<br />
zweitwichtigste Auslandsmarkt für<br />
das Unternehmen.<br />
Milliarden-Investition bereitet den Weg<br />
für Nutzfahrzeugbauer SNVI<br />
Algeriens staatlicher Nutzfahrzeughersteller will seine Kapazität ausbauen und ein Netz lokaler Auftragsfertiger entstehen lassen<br />
„Der Markt ist vorhanden, die Nachfrage nach<br />
unseren Produkten ist groß, und sie wird weiter<br />
zunehmen.“<br />
Hamoud Tazerouti, SNVI-Chef<br />
Nichts ist für ein Unternehmen so frustrierend,<br />
wie mit der Nachfrage nicht<br />
Schritt halten zu können. Genau in dieser<br />
Situation befindet sich Algeriens<br />
staatlicher Nutzfahrzeughersteller Entreprise<br />
Nationale des Véhicules Industriels<br />
(SNVI). Seine Auftragsbücher<br />
sind Auf drei Jahre hin gefüllt, doch das<br />
Unternehmen könnte noch viel mehr<br />
verkaufen, wenn es die nötigen Kapazitäten<br />
hätte.<br />
Dabei geht es nicht nur um entgangenes<br />
Geschäftspotenzial. Fahrzeuge<br />
von SNVI spielen eine tragende<br />
Rolle in der algerischen Wirtschaft.<br />
Und auch das Militär ist zu großen Teilen<br />
auf die Produkte des Unternehmens<br />
angewiesen. Mit 5000 Beschäftigten<br />
produziert es Lastwagen, Busse, Anhänger<br />
und Spezialfahrzeuge. Hinzu<br />
kommen Ersatzteile sowie Reparaturund<br />
Wartungsdienste.<br />
Um die Nachfrage bedienen zu<br />
können, muss das Unternehmen die<br />
Produktion ausweiten. Mit der Hilfe<br />
der algerischen Regierung hat es gute<br />
Chancen, dies tatsächlich zu schaffen.<br />
Ein wichtiges Hindernis war bis zuletzt<br />
die hohe Verschuldung von SNVI.<br />
Doch die Regierung hat die Schulden<br />
streichen lassen. Zudem investierte sie<br />
im Rahmen einer landesweiten Initiative<br />
zur Steigerung der Industrieproduktion,<br />
insbesondere im Bereich Maschinenbau,<br />
12 Mrd. Dinar (121 Mio. Euro)<br />
in das Unternehmen.<br />
„Mit dieser Investition werden wir<br />
unsere Produktionskapazität erhöhen,<br />
unsere Infrastruktur verbessern, unsere<br />
Anlagen modernisieren und unseren<br />
Marktanteil steigern“, sagt SNVI-Chef<br />
Hamoud Tazerouti. Der Produktionsausbau<br />
soll schrittweise über mehrere<br />
Jahre erfolgen. „Der Markt ist vorhanden,<br />
die Nachfrage nach unseren<br />
Produkten ist groß, und sie wird weiter<br />
zunehmen.“<br />
Im laufenden Jahr will SNVI 3642<br />
Fahrzeuge produzieren, was einem<br />
Umsatz von 27 Mrd. Dinar entspricht.<br />
Durch Partnerschaften mit anderen<br />
Herstellern soll die Kapazität letztlich<br />
auf 15 000 bis 20 000 Fahrzeuge pro<br />
Jahr gesteigert werden.<br />
Am Markt werden derzeit fünf verschiedene<br />
Fahrzeugtypen verlangt, mit<br />
einem Gewicht zwischen 6,6 und 26<br />
Tonnen. „Um die Nachfrage im Land<br />
vollständig abzudecken, brauchen wir<br />
diese Bandbreite“, sagt Tazerouti.<br />
Er ist nicht glücklich darüber, dass<br />
Algerien Fahrzeuge importieren muss,<br />
die auch im Land selbst hergestellt werden<br />
könnten. „Derzeit importieren wir<br />
etwa 60 Prozent aller Teile für Lastwagen<br />
aus dem Ausland. Unser Ziel ist es,<br />
stattdessen unsere Teile bei Auftragsfertigern<br />
im eigenen Land zu beziehen.<br />
Wir wollen Produktion vor Ort statt<br />
Importe.“<br />
Seit zehn Jahren arbeitet SNVI am<br />
Aufbau eines Netzwerkes von Auftragsfertigern.<br />
„Ziel ist es, um SNVI<br />
herum eine gewisse Anzahl von kleinen<br />
bis mittleren Branchen und kleinen bis<br />
mittleren Unternehmen zu etablieren,<br />
die Wohlstand, Arbeitsplätze und Wissenszuwachs<br />
bringen sollen“, erklärt<br />
Tazerouti.<br />
Bis SNVI tatsächlich alle Teile aus<br />
dem Inland beziehen kann, ist noch viel<br />
zu tun, räumt er ein: „Um uns herum<br />
entsteht eine industrielle Basis, aber<br />
sie reicht noch nicht aus. Wir brauchen<br />
noch viel mehr Auftragsfertiger. Vor<br />
allem müssen sie ihre Standards noch<br />
erhöhen, damit sie das bei SNVI und<br />
seinen möglichen Partnern benötigte<br />
Qualitätsniveau erreichen.“<br />
Auch Personalfragen spielen für<br />
Tazerouti eine Rolle: „Moderne Werkzeuge<br />
kann man einfach kaufen, aber<br />
man braucht auch jemanden, der sie<br />
bedient. Unsere lokalen Auftragnehmer<br />
haben den Fehler gemacht, nicht genug<br />
in Humanressourcen zu investieren.“<br />
Derzeit unterhält SNVI zwei Partnerschaften<br />
mit ausländischen Unternehmen:<br />
ein Joint Venture für den Bau von<br />
Getrieben mit dem deutschen Automobilzulieferer<br />
ZF in der SNVI-Fabrik<br />
Rouiba, im Osten Algeriens, und eine<br />
Partnerschaft mit dem französischen<br />
Karosseriehersteller Behn Titan Kaiser<br />
(BTK), angesiedelt im Industriegebiet<br />
von Ain-Bouchekif, 300 Kilometer<br />
südwestlich von Algier.<br />
Weitere Projekte sind laut Tazerouti<br />
in Vorbereitung – eines für Spezialfahrzeuge<br />
und ein Joint Venture mit einem<br />
großen Fahrzeughersteller. SNVI verspreche<br />
sich davon Einblicke in neue<br />
Methoden für Management, Qualitätskontrolle<br />
und Personalentwicklung, so<br />
Tazerouti.<br />
„Wir kennen uns gut mit Indus-<br />
triefahrzeugen aus, immerhin produzieren<br />
wir sie schon seit 30 Jahren. Es<br />
mag neue Produkte geben, aber man<br />
kann sagen, dass wir insgesamt die<br />
Technologie gut im Griff haben. Defizite<br />
haben wir bei neuen Ansätzen für<br />
Management, Personalverwaltung und<br />
die Planung von Investitionsprojekten.<br />
Um zu wissen, wie man ein Investitionsprojekt<br />
vorantreibt, muss man eine<br />
gewisse Leistungsstufe erreicht haben<br />
und halten können“, sagt Tazerouti.<br />
Letztlich will Algerien mit Partnerschaften<br />
die heimische Produktion<br />
fördern, Know-how hinzugewinnen,<br />
neue Stellen schaffen und die Importquote<br />
senken. „Die Vorgabe ist 30 bis<br />
40 Prozent lokale Integration über fünf<br />
Jahre“, sagt Tazerouti. „Ohne lokale Integration<br />
gibt, kann man nicht von<br />
Partnerschaft sprechen.“<br />
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6 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Mehr produzieren,<br />
weniger importieren<br />
Die zahlreichen Joint Ventures, die derzeit sowohl im öffentlichen als<br />
auch im privaten Sektor entstehen, tragen maßgeblich zum Aufbau<br />
einer besseren Zukunft für Algerien bei. Gute Beispiele dafür sind<br />
unter anderem die strategischen Partnerschaften von SGP EQUIPAG<br />
„In der aktuellen Phase<br />
der Diversifizierung<br />
kann der Anlagen- und<br />
Maschinenbau<br />
erheblich dazu beitragen,<br />
die Importausgaben<br />
zu senken.“<br />
Bachir Dehimi, EQUIPAG-Chef<br />
Die staatliche Holdinggesellschaft<br />
EQUIPAG ist auf den Bau von Land<br />
, Industrie- und Baumaschinen spezialisiert.<br />
Ihr Beteiligungsportfolio<br />
umfasst rund 30 Unternehmen und<br />
Tochtergesellschaften, die alle in<br />
drei Schlüsselsektoren tätig sind:<br />
Landmaschinen, Industriebedarf<br />
und Baugerät.<br />
Das Segment Landmaschinen<br />
steuert fast 40 Prozent zum Konzernumsatz<br />
bei und fertigt Produktionsgeräte<br />
wie Erntemaschinen,<br />
Traktoren, Säh-, Dünge- und andere<br />
Ackerbaumaschinen. Zudem baut<br />
und repariert das Geschäftssegment<br />
auch Boote für die Fischerei.<br />
„Die Regierung erzielt ein hohes<br />
Niveau der Lebensmittelsicherheit<br />
für Algerien und möchte die Infrastruktur<br />
des Landes entwickeln“,<br />
sagt Bachir Dehimi, der Chef von<br />
EQUIPAG. „Daher investiert sie<br />
in den Ausbau der Landwirtschaft<br />
durch Mechanisierung und Modernisierung.<br />
Parallel fließen<br />
Gelder in die Erschließung neuer<br />
Anbauflächen. Diese Maßnahmen<br />
ermöglichen, unsere Produktion zu<br />
erhöhen, angesichts der wachsenden<br />
Nachfrage, neue Produkte zu<br />
entwickeln und neue Geschäftsgebiete<br />
zu entdecken und auszubauen.<br />
Das Erschließen neuer Märkte ist<br />
ein wichtiger Grund für potenzielle<br />
Partner im Ausland, sich bei uns zu<br />
beteiligen. Mit Liebherr haben wir<br />
kürzlich ein bedeutendes Geschäft<br />
über die Produktion von Baumaschinen<br />
abgeschlossen.“<br />
EQUIPAG erzielt mittlerweile<br />
einen Umsatz von 375 Mio. Dollar<br />
pro Jahr. Da der Konzern weiter expandieren<br />
will, hat er ein 250 Mio.<br />
Dollar schweres Investitionsprogramm<br />
aufgelegt, mit dem er über<br />
vier Jahre seine Produktionsanlagen<br />
und -maschinen modernisieren<br />
und aufrüsten will. „Wir erklären<br />
unseren Partnern, dass wir alle nötigen<br />
Investitionen beisteuern, um<br />
die Produktionsausstattung zu modernisieren,<br />
sodass wir unsere Partnerschaft<br />
mit der denkbar höchsten<br />
Produktivität beginnen können.<br />
Somit erhalten unsere Partner eine<br />
Erfolgsgarantie. Bislang läuft das<br />
Ganze ausgesprochen reibungslos“,<br />
sagt Dehimi. „Dabei geht es nicht<br />
bloß um Gabelstapler und Lastenaufzüge,<br />
sondern auch um Abfertigungseinrichtungen,<br />
wie sie in Hafenstädten<br />
benötigt werden.“<br />
Importe reduzieren<br />
Mit dem erklärten Ziel, die Produktion<br />
der dringend benötigten<br />
Produktionsausrüstung im eigenen<br />
Land anzukurbeln, will EQUIPAG<br />
auch einen Beitrag zur Reduzierung<br />
der Importe leisten und langfristig<br />
sogar eigene Produktionsüberschüsse<br />
exportieren.<br />
„In dieser Phase der Diversifizierung<br />
kann die Produktion der<br />
Maschinenbranche erheblich zur<br />
Senkung unserer Importquote beitragen:<br />
All die Traktoren, die wir in<br />
Algerien selbst bauen, müssen wir<br />
nicht mehr importieren“, sagt Dehimi.<br />
„Jeder einzelne Mähdrescher,<br />
den wir bauen, bedeutet einen Import<br />
weniger“<br />
Tatsächlich können die Unternehmen<br />
der Industriesparte von<br />
EQUIPAG (EIH) bereits 60 Prozent<br />
der Binnennachfrage decken: Die<br />
Maschinen der EQUIPAG-Tochter<br />
EMO, die Wasserhähne, Schneidwaren<br />
und Schrauben von BCR, die<br />
Pumpen und Ventile von POVAL und<br />
die Werkzeugmaschinen von PMO<br />
tragen allesamt dazu bei, die Importkosten<br />
des Landes niedrig zu halten.<br />
Vielfalt und Synergie<br />
Auch die große Vielfalt der Aktivitäten<br />
von EQUIPAG, die auf das<br />
nationale Bestreben zurückzuführen<br />
ist, die produktive und industrielle<br />
Grundlage des Landes breiter<br />
aufzustellen, macht den Konzern zu<br />
einem Flaggschiff der algerischen<br />
Industrie. Das Tochterunternehmen<br />
EMO produziert Dieselmotoren,<br />
mit denen die Fahrzeuge und Maschinen<br />
der anderen Konzerntöchter<br />
wie der Traktor ETRAG 2311,<br />
der Mähdrescher CMA SAMPO<br />
500, die von ENMTP hergestellten<br />
Baumaschinen, die von POVAL<br />
produzierten Pumpen und die von<br />
SNVI gefertigten Industriefahrzeuge<br />
ausgestattet werden. Die<br />
enge Zusammenarbeit zwischen<br />
den verschiedenen Unternehmen<br />
des Konzerns verdeutlicht, von<br />
welchen Synergien der Konzern getragen<br />
wird.<br />
Exporte<br />
Schon heute ist EQUIPAG ein erfolgreicher<br />
Exporteur, insbesondere<br />
dank der Konzerntochter BCR,<br />
die für die hohe Qualität ihrer Produkte<br />
bekannt ist und sich sogar<br />
schon gegen Nachahmerprodukte<br />
aus Asien zur Wehr setzen muss.<br />
Doch nicht alle algerischen Marken<br />
werden im Ausland so erfolgreich<br />
vermarktet. Daher stützt sich der<br />
Konzern auf Partnerschaften, um<br />
hier Unterstützung zu erhalten.<br />
„Wenn ich meine Produkte mithilfe<br />
eines Partners exportiere,<br />
habe ich eine Qualitäts- und Kostengarantie,<br />
und die Sicherheit<br />
eines guten Namens“, sagt Dehimi.<br />
„Unsere Produkte werden nach den<br />
höchsten internationalen Standards<br />
hergestellt und unter dem Namen<br />
renommierter Partner vertrieben:<br />
Das ist der erste Schritt, einen Exportmarkt<br />
aufzubauen. Im nächsten<br />
Schritt kann es uns durchaus<br />
gelingen, unsere eigene Marke zu<br />
etablieren.“<br />
EQUIPAG wurde 1974 gegründet<br />
und hat sich im Laufe der Jahre auf<br />
dem Heimatmarkt einen exzellenten<br />
Ruf für Qualität und Service erarbeitet.<br />
Daher setzt jedes Produkt,<br />
das mit einem neuen Partner für den<br />
Binnen- oder den Exportmarkt hergestellt<br />
wird, ein Zeichen für Qualität.<br />
„Eine Partnerschaft ist für mich<br />
eine Möglichkeit, in die Zukunft zu<br />
investieren. Wissenstransfer ist der<br />
Kern unseres künftigen Erfolges“,<br />
sagt Dehimi.<br />
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FREITAG, 6. JULI<br />
ALGERIEN<br />
7<br />
Industrielle Partnerschaften<br />
Wissenstransfer und Joint Ventures mit in- und ausländischen Partnern stärken Algeriens Fertigungs- und Industriesektoren<br />
Mit dem Wunsch nach einer engeren<br />
internationalen Anbindung rennt Algerien<br />
offene Türen ein. So sprachen<br />
sich Vertreter der europäischen Nachbarn<br />
jenseits des Mittelmeeres erst<br />
Anfang des Jahres für eine Vertiefung<br />
der beiderseitigen Beziehungen aus.<br />
Mit der Mission, die bilateralen Abkommen<br />
zwischen der Europäischen<br />
Union und Algerien auszubauen,<br />
reiste Stefan Füle, EU-Kommissar<br />
für Erweiterung und Europäische<br />
Nachbarschaftspolitik, im März nach<br />
Algerien und erklärte: „Seit meinem<br />
letzten Besuch im Mai 2011 sind wir<br />
beim Ausbau der Beziehungen zwischen<br />
Algerien und der EU erheblich<br />
vorangekommen […] Algerien hat<br />
einen Reformprozess begonnen, der<br />
von der EU unterstützt wird. Der politische<br />
Dialog hat sich intensiviert.“<br />
Im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik<br />
will die Europäische Kommission<br />
von 2011 bis 2013 in Algerien<br />
216 Mio. Dollar investieren.<br />
Davon sollen rund 43 Mio. Dollar in<br />
den Umweltschutz fließen, 25 Mio.<br />
Dollar in kulturelle Programme, 25<br />
Mio. Dollar in die soziale und wirtschaftliche<br />
Entwicklung, 48 Mio.<br />
Dollar in das Transportwesen und 38<br />
Mio. Dollar in den Sektor Fischerei<br />
und Aquakultur.<br />
Der Wunsch nach stärkeren Partnerschaften<br />
zeigt sich nicht nur auf<br />
höchster politischer Ebene, sondern<br />
auch in den Handels- und Industrieunternehmen<br />
Algeriens und zwar<br />
sowohl im privatwirtschaftlichen als<br />
auch im öffentlichen Sektor. Unter<br />
der gesetzlichen Vorgabe, dass jedes<br />
Projekt im Land zu mindestens 51<br />
Prozent in algerischen Händen liegen<br />
muss, werden Kooperationen als zukunftweisender<br />
Weg für die internationale<br />
Beteiligung an der Entwicklung<br />
Algeriens gefeiert. Staatliche und<br />
privatwirtschaftliche Unternehmen<br />
gehen immer engere Verbindungen<br />
ein und gründen Partnerschaften, die<br />
beiden Seiten dienen.<br />
Wissenstransfer<br />
Algeriens Maschinenbauer, die in<br />
einem besonders kapital¬- und technologieintensiven<br />
Geschäft tätig sind,<br />
haben längst erkannt, dass die Zusammenarbeit<br />
mit algerischen und<br />
ausländischen Partnern notwendig<br />
ist, um ihre Existenz zu sichern.<br />
„Know-how können Sie nicht<br />
kaufen. Sie erhalten es ausschließlich<br />
durch Partnerschaften“, sagt<br />
Bachir Dehimi, Chef des staatlichen<br />
Land- und Baumaschinenherstellers<br />
SGP EQUIPAG. „Weil es<br />
sich bei einer Partnerschaft nicht<br />
um den Verkauf von Lizenzen oder<br />
Ausrüstung handelt, arbeiten unsere<br />
Partner mit uns zusammen, um die<br />
Möglichkeiten auf dem von uns beherrschten<br />
Markt zu nutzen.“<br />
Die Produkte von EQUIPAG werden<br />
nach strengen internationalen<br />
Normen gefertigt und sind für ihre<br />
hohe Qualität bekannt. Die 1974 gegründete<br />
Unternehmensgruppe bietet<br />
ihren bestehenden und potenziellen<br />
neuen Partnern aus dem Ausland<br />
jahrzehntelange Erfahrung auf dem<br />
algerischen Markt.<br />
„Wir kennen das Land und verfügen<br />
über Kontakte. Und wir sind in<br />
der Nähe von Regionen, die über ein<br />
hohes Absatzpotenzial für Exporte<br />
verfügen“, sagt Dehimi. „Im Gegenzug<br />
bringen unsere Partner ihr<br />
Know-how, ihre Kompetenz und ihre<br />
internationalen Netzwerke in unsere<br />
gemeinsamen Unternehmen ein. Sie<br />
beteiligen sich. So funktioniert der<br />
Transfer von Wissen und Technologie,<br />
denn meist setzen sie ihr eigenes<br />
Management ein und wickeln die<br />
Produktion mit uns und unseren Mitarbeitern<br />
ab. Das verstehen wir unter<br />
einer aktiven Partnerschaft.“<br />
Globale Allianzen<br />
Zu den neusten Partnern des Konzerns<br />
gehört der international erfolgreiche<br />
Landmaschinenbauer Massey<br />
Fergusson, mit dem EQUIPAG eine<br />
neue Serie von Traktoren entwickelt.<br />
Zu den langjährigen Allianzen zählen<br />
der deutsche Partner CLAAS, für den<br />
EQUIPAG Mähdrescher herstellt, sowie<br />
eine 38-Prozent-Beteiligung an<br />
einem Gemeinschaftsunternehmen<br />
mit dem finnischen Hersteller Sampo<br />
zur Produktion von Mähdreschern der<br />
nächsten Generation. Im Motorenbau<br />
wurde eine Partnerschaft mit der<br />
Daimler AG unterzeichnet, um gemeinsam<br />
mit Deutz und MTU einen<br />
neuen Dieselmotor zu entwickeln.<br />
Zudem hat die Konzerntochter<br />
BCR eine Handelspartnerschaft mit<br />
dem spanischen Unternehmen Genebre<br />
vereinbart, das führend in der<br />
Herstellung und im weltweiten Vertrieb<br />
von Ventilen, Wasserhähnen und<br />
Heizungssystemen ist.<br />
EQUIPAG erwirtschaftet<br />
375 Mio. Dollar<br />
Jahresumsatz. Knapp<br />
40 Prozent entfallen<br />
auf Landmaschinen<br />
BCR mit Sitz in Setif ist eine der<br />
wichtigsten Töchter von EQUIPAG<br />
und im Bereich der Industrieausrüstung<br />
tätig. Das Unternehmen hat<br />
seinerseits drei Tochterunternehmen:<br />
SANIAK, ORSIM und ORFEE.<br />
BCR produziert hochwertiges Besteck,<br />
Ventile und Beschläge und ist<br />
nach ISO-9002 zertifiziert. Zu den<br />
bisherigen Exportmärkten Deutschland,<br />
Frankreich, Schweiz und Tunesien<br />
sollen dank der Zusammenarbeit<br />
mit dem spanischen Partner Weitere<br />
hinzukommen.<br />
„Wir suchen außerdem nach einem<br />
Partner im Sektor Hebemaschinen,<br />
der mit unserer Tochtergesellschaft<br />
GERMAN bei der Herstellung von<br />
Gabelstaplern und Lagersystemen,<br />
zusammenarbeitet“, sagt Dehimi.<br />
Auch im Pumpengeschäft ist BCR<br />
auf der Suche nach weiteren Partnerschaften,<br />
vor allem im Hinblick auf<br />
die Fertigung von Ventilen, an denen<br />
nicht nur das algerische Staatsunternehmen<br />
Sonatrach, sondern auch<br />
die Öl- und Gasförderer im Ausland<br />
großen Bedarf haben. Derzeit verhandelt<br />
BCR mit dem italienischen<br />
Wettbewerber Petrovalve, der seit<br />
über 55 Jahren Spezialventile für<br />
Öl-, Gas- und Stromversorger produziert<br />
und Kunden wie Shell, Texaco,<br />
ExxonMobil, BP, Esso und die<br />
NASA beliefert.<br />
Lokale Stärken<br />
nutzen<br />
Maschinen für den Bau<br />
des neuen Algeriens<br />
Das 1983 gegründete Staatsunternehmen ENMTP produziert Baumaschinen,<br />
die für die Nation im Wandel unverzichtbar sind<br />
Anfang des Jahres gab Dehimi die<br />
Unterzeichnung von 50 neuen Verträgen<br />
bekannt, mit denen EQUIPAG<br />
zum Zulieferer und Dienstleister der<br />
zwei Erdöl- und Gaskonzerne Algeriens<br />
erkoren wurde: Sonatrach ist das<br />
größte Unternehmen in Algerien und<br />
weltweit einer der größten Erdöllieferanten.<br />
Sonelgaz ist Algeriens staatlicher<br />
Strom- und Gasversorger.<br />
Wie Dehimi berichtet, wird sich ein<br />
Kontrollausschuss alle drei Monate<br />
zusammenfinden, um die Einhaltung<br />
der hohen Qualitätsstandards zu überwachen<br />
und die Arbeit der Partnerschaften<br />
zu prüfen. Am ersten Treffen,<br />
das im April stattfand, haben nicht<br />
nur die drei Partner teilgenommen,<br />
sondern auch Vertreter der Ministerien<br />
für Energie und Bergbau und für<br />
Industrie, KMU und Investitionsförderung.<br />
„Wir verzeichnen jedes Jahr hohe<br />
Wachstumsraten von mindestens 10<br />
bis 15 Prozent. Der Sektor wächst also<br />
nach wie vor rapide“, sagt Dehimi.<br />
Algeriens staatlicher Hersteller von<br />
Maschinen für öffentliche Bauvorhaben<br />
ENMTP (Entreprise Nationale<br />
des Matériels de Travaux<br />
Publics) produziert Bagger, hydraulische<br />
Kräne, Radlader, Planierraupen,<br />
Straßenwalzen, Kompressoren<br />
ENMTP<br />
produziert<br />
Maschinen<br />
und Ausrüstung<br />
mit<br />
Liebherr und<br />
Ingersoll<br />
Rand<br />
und Zementmischer. Während das<br />
Land sich an den Aufbau neuer Infrastruktur,<br />
Häuser und Fabriken<br />
macht, stellt ENMTP all die Baugeräte<br />
und Maschinen bereit, die dafür<br />
nötig sind.<br />
Der Konzern beschäftigt 2230<br />
Mitarbeiter und erzielte im vergangenen<br />
Jahr 105 Mio. Dollar Umsatz.<br />
Bis Ende 2012 dürften es 2300<br />
Beschäftigte und 110 Mio. Dollar<br />
Umsatz sein.<br />
Das Unternehmen mit Sitz in Constantine<br />
hat insgesamt sechs produzierende<br />
Tochterunternehmen, von<br />
denen vier – SOMATEL, SOFAME,<br />
SOFARE und SOFACO – im Industriegebiet<br />
von Ain Smara angesiedelt<br />
sind. Die Tochter FAFECO, die<br />
Kräne und Straßenwalzen herstellt,<br />
sitzt in der Hafenstadt Bejaia. Eine<br />
weitere Tochterfirma SOMABE, die<br />
sich auf Zementmaschinen konzentriert,<br />
sitzt in Algier.<br />
Verwaltet werden die Tätigkeiten<br />
des Konzerns durch das Tochterunternehmen<br />
EGEZIA in Ain Smara,<br />
wo der Konzern auch ein Wartungsund<br />
Instandsetzungswerk sowie das<br />
zentrale Ersatzteillager betreibt.<br />
Die vier Hauptvertriebsniederlassungen<br />
von ENMTP befinden sich<br />
in Algiers, Oran, Annaba und Constantine.<br />
Darüber hinaus verfügt der<br />
Konzern über ein landesweites Netzwerk<br />
autorisierter Vertriebshändler.<br />
Im Rahmen der Restrukturierung<br />
hat ENMTP begonnen, Partnerschaften<br />
mit in- und ausländischen<br />
Unternehmen einzugehen, um das<br />
technische Know-how zu erweitern,<br />
die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern,<br />
die Lieferzeiten zu verkürzen<br />
und den Vertrieb vor allem auf das<br />
Ausland auszuweiten.<br />
Einige der renommiertesten Unternehmen<br />
weltweit zählen zu den<br />
neuen Partnern von ENMTP. Bagger<br />
und hydraulische Kräne werden<br />
zusammen mit dem deutschen Hersteller<br />
Liebherr hergestellt, Kompressoren<br />
mit dem US-Unternehmen<br />
Ingersoll Rand.<br />
Dank der neuen Allianzen werden<br />
jetzt auch völlig neue Produkte hergestellt,<br />
wie der Radlader L566, der<br />
gemeinsam mit Liebherr produziert<br />
wird und sich vor allem im Bergund<br />
Tagebau bewährt hat, und<br />
eine neue 12-Tonnen-Straßenwalze,<br />
die mit dem spanischen<br />
Partner Europactor entwickelt<br />
wurde.<br />
Darüber hinaus vergibt<br />
ENMTP Aufträge<br />
an algerische Unternehmen<br />
aus den Bereichen<br />
Verarbeitung, Metallbau und<br />
Wärmebehandlung und erweitert<br />
damit seinen Beitrag<br />
zum Aufbau der Industrielandschaft<br />
Algeriens um eine zusätzliche<br />
Ebene.<br />
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8 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Algerische Industrie wächst<br />
Zusammen mit der zweitgrößten Stadt Oran ist die Hauptstadt Algier seit Langem eines der industriellen<br />
Zentren Algeriens. Produktionsstandorte für Produkte wie Teppiche, Zement, Chemikalien,<br />
Autos, Seife und Textilien sowie Ölraffinerien und Anlagen zur Lebensmittelverarbeitung machen<br />
den Großteil der industriellen Aktivität in Algier aus. Hinzu kommt die Produktion von Baustoffen<br />
(Ziegeln, Kacheln oder Walzstahl), landwirtschaftlichen Geräten, Elektrotechnik, Werkzeugmaschinen,<br />
Phosphaten, Schwefelsäure, Papier und Karton, Streichhölzern und Tabakwaren.<br />
Während der französischen Kolonialzeit entstanden in Algerien viele Industrieunternehmen,<br />
die von den umfangreichen Ressourcen des Landes profitieren wollten. Nach der Unabhängigkeit<br />
ANIREF stärkt die Industrie<br />
Die Regierungsagentur betreut den Aufbau von 42 neuen<br />
Industrieparks in Algerien<br />
Der Wunsch der algerischen Regierung<br />
nach mehr Investitionen in<br />
die Industrie lässt sich auch an der<br />
Schaffung von Dutzenden neuer Industriegebiete<br />
ablesen: Im Mai gaben<br />
der nationale Investitionsrat CNI und<br />
die Raumplanungsagentur ANIREF<br />
bekannt, auf insgesamt 100 Quadratkilometern<br />
Fläche im ganzen Land 42<br />
neue Mehrzweckindustrieparks errichten<br />
zu wollen.<br />
Die Parks sind eine Reaktion auf<br />
die zunehmende Nachfrage von Investoren<br />
nach Land für ihre Projekte.<br />
Um sie zu befriedigen, hat die Regierung<br />
eine Reihe weiterer Maßnahmen<br />
ergriffen und Regelungen eingeführt.<br />
So wurden für Landkonzessionen,<br />
Tourismusentwicklung und neue<br />
Städte neue staatliche Agenturen<br />
geschaffen. Um Investitionen zu fördern,<br />
beschloss der Ministerrat außerdem<br />
Erleichterungen für die Vergabe<br />
von langfristigen Krediten.<br />
Ziel von ANIREF sei es, „zur Entstehung<br />
eines regulierten und transparenten<br />
ökonomischen Grundstücksmarkt<br />
beizutragen“, sagt deren Chefin<br />
Hassiba Mokraoui. Verfolgt werde es<br />
„durch die Beobachtung des Markts,<br />
die Erfassung der verfügbaren Flächen<br />
und Überlegungen zum Ausgleich von<br />
Angebot und Nachfrage“.<br />
Das Errichten der Industrieparks<br />
ist eine ganz neue Aufgabe für die<br />
Agentur. Die Arbeit daran hat schon<br />
begonnen: Machbarkeitsstudien<br />
und Entwürfe liegen vor, die Kosten<br />
wurden abgeschätzt. Außerdem, so<br />
Mokraoui, habe ANIREF schon die<br />
„hochinteressante Arbeit geleistet,<br />
alle Beteiligten zu aktivieren und<br />
zusammenzubringen – landesweite<br />
Institutionen wie lokale Behörden“.<br />
Durch die Verteilung der Industrieparks<br />
auf ganz Algerien sollen<br />
auch die Investitionen besser verteilt<br />
sein, was die Chancen für breites sozioökonomisches<br />
Wachstum erhöht.<br />
„Das Programm steht für eine Verzahnung<br />
der industriellen Basis im<br />
Land und wird dazu beitragen, lokale<br />
Entwicklung zu fördern und neue Investitionen<br />
anzuregen, die der Volkswirtschaft<br />
eine höhere Produktionskapazität<br />
verschaffen. Es gibt allen<br />
Teilen des Landes die Möglichkeit,<br />
von deren ökonomischen und sozialen<br />
Vorteilen zu profitieren“, sagt<br />
Mokraoui. ANIREF werde sich aktiv<br />
für die Bereitstellung hochwertiger<br />
Flächen einsetzen, die den Anforderungen<br />
von Investoren genügen.<br />
Informationen über neue Gelegenheiten<br />
in Englisch, Französisch oder<br />
Arabisch finden potenzielle Investoren<br />
auf der Website von ANIREF<br />
(www.aniref.dz) – Mokraoui bezeichnet<br />
sie als „echte Steuerzentrale für<br />
unser Gebietsmarketing“.<br />
ANIREF besteht seit dem Jahr 2007<br />
mit dem Mandat, für den Staat und<br />
andere Eigentümer Grund- und Immobilienbesitz<br />
zu verwalten und aktiv<br />
zu vermarkten. Außerdem pflegt die<br />
Agentur für öffentliche Anhörungen<br />
eine Datenbank verfügbarer Immobilien,<br />
soll eine Preisübersicht für<br />
Wirtschaftsland zusammenstellen und<br />
immer auf dem neuesten Stand halten.<br />
Außerdem kauft ANIREF selbst Land,<br />
das sie dann im Interesse von industriellen<br />
Investoren bewertet, entwickelt<br />
und stückweise weiterverkauft.<br />
Algier<br />
Die „weiße Stadt“ als Wirtschaftszentrum Algeriens<br />
Prächtige weiße Gebäude über der<br />
westlichen Mittelmeerküste – Algeri-<br />
ens Hauptstadt Algier ist das moderne<br />
Gesicht und wirtschaftliches<br />
Zentrum des nordafrikanischen<br />
Landes zu- gleich. Mit ihren drei<br />
Millionen Ein- wohnern und weiteren<br />
fünf Millionen im Umland<br />
ist die größte Stadt Algeriens. Sie<br />
beherbergt nicht nur den bedeutendsten<br />
Hafen, sondern ist auch ein<br />
wichtiger Anlaufpunkt zum Auftanken<br />
für Schiffe aus dem ge- samten<br />
Mittelmeerraum.<br />
Algier liegt zentral im Norden<br />
Algeriens, fast genau zwischen den<br />
beiden anderen bedeutenden Städten<br />
Oran und Constantine in jeweils gut<br />
400 Kilometer Entfernung. Die zentrale<br />
Lage macht es leicht, Exportgüter<br />
wie Getreide oder Wein über ein<br />
Netz gut ausgebauter Autobahnen<br />
und Schienenwege nach Algier zu<br />
transportieren. Am bedeutendsten<br />
für den Export sind Gas und Öl; dessen<br />
Abnehmer sind hauptsächlich<br />
südeuropäische Länder wie Spanien<br />
und Frankreich, aber auch die USA<br />
werden beliefert. Über seinen internationalen<br />
Flughafen ist Algier außerdem<br />
für Geschäftsreisende wie<br />
Touristen gut zu erreichen, mit der<br />
Fähre kommt man von Marseilles in<br />
Frankreich dorthin.<br />
Die meisten Produktionsstätten<br />
von Algier finden sich im Stadtteil<br />
Bab El Oued („Tor zum Fluss“). Die<br />
Stadt ist in mehrere Gemeinden unterteilt,<br />
darunter Casbah mit seinen<br />
Moscheen aus dem 17. Jahrhundert<br />
und das Gebiet entlang der Küste,<br />
auf dem moderne Bauten wie ein<br />
Theater und der Palast des Gouverneurs<br />
stehen. Auch die meisten Regierungs-<br />
und Verwaltungsbehörden<br />
sind in der Hauptstadt zu finden.<br />
Architektonisch gesehen bietet<br />
Algier, entstanden im Jahr 944, eine<br />
interessante Stilmischung: Die französische<br />
Herrschaft von 1815 bis<br />
1962 ist ebenso zu erkennen wie ein<br />
starker muslimischer Einfluss. Auf<br />
Französisch nennt man die Stadt Alger<br />
la Blanche (Algier die Weiße).<br />
Zu ihren interessantesten Bauwerken<br />
zählt die Notre-Dame von Afrika,<br />
eine beeindruckende Basilika,<br />
die sich von der Innenstadt aus mit<br />
einer Drahtseilbahn erreichen lässt.<br />
Oran<br />
Reizvoller Industriestandort im Westen Algeriens<br />
Oran, auch bekannt als Stadt der Löwen,<br />
ist für den Westen Algeriens ein<br />
Zentrum für Unternehmen, Industrie<br />
und Bildung und mit 800 000 Einwohnern<br />
die zweitgrößte Stadt des Landes.<br />
Zu bieten hat sie unter anderem einen bedeutenden<br />
Hafen, einen internati- onalen<br />
Flughafen und drei Univer- sitäten, außerdem<br />
eine Moschee aus dem 18. Jahrhundert<br />
und eine histo- rische Festung.<br />
Auf dem Schiffsweg ist Oran mit<br />
Hilfe des staatlichen Fährunternehmens<br />
Algerie Ferries zu erreichen; es gibt Direktverbindungen<br />
nach Marseilles und<br />
Sète in Frankreich und nach Alicante<br />
und Almeria in Spanien.<br />
Vor der Unabhängigkeit Algeriens<br />
verzeichnete Oran den größten Anteil<br />
europäischer Einwohner unter allen<br />
Städten Nordafrikas. Im Krieg aber<br />
kehrten viele von ihnen nach Frankreich<br />
zurück und hinterließen die Stadt halb<br />
leer. Dadurch fehlte es den ehemals florierenden<br />
Unternehmen und Produktionsstätten<br />
an Personal.<br />
Neuere Aktivitäten im Bereich Öl<br />
und Gas haben Oran wieder zum Leben<br />
erweckt. Eine Raffinerie von Sonatrach<br />
liegt nur gut 30 Kilometer entfernt, so<br />
dass sich Oran zu einem wichtigen Handelszentrum<br />
für die gesamte Provinz mit<br />
demselben Namen entwickelt hat. 2009<br />
errichtete Algeriens größtes Öl- und Gasunternehmen<br />
ein neues Kongresszentrum<br />
in Oran, um dort im April 2010 die<br />
16. International Conference & Exhibition<br />
on Liquefied Natural Gas abzuhalten,<br />
eine der wichtigsten Veranstaltungen<br />
für die weltweite Erdgas-Industrie. Dies<br />
verschaffte der Stadt dauerhafte Ergänzungen<br />
ihrer Infrastruktur, darunter neue<br />
Hotels und das 20 000 Quadratmeter<br />
große Kongresszentrum mit einem Auditorium<br />
mit 3000 Plätzen, zwei Sälen<br />
für jeweils 500 Teilnehmer, 20 Besprechungsräumen,<br />
einem Speisesaal mit<br />
2000 Plätzen und einem Fünf-Sterne-<br />
Hotel mit 300 Zimmern.<br />
Für Touristen interessant sind insbesondere<br />
Qasr el-Bey, ein Schloss aus<br />
dem späten 17. Jahrhundert im historischen<br />
Derb-Viertel, die alte spanische<br />
Kirche Santa Cruz, die Kathedrale Sacre<br />
Coeur aus dem frühen 20. Jahrhundert,<br />
die Große Moschee und das Demaeght-<br />
Museum mit prähistorischen Funden<br />
aus dem ganzen westlichen Maghreb<br />
sowie viele schöne Plätze und Küstenpromenaden.<br />
Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage
FREITAG, 6. JULI<br />
ALGERIEN<br />
9<br />
durch regionale Entwicklung<br />
wurden sie jedoch verstaatlicht, und die Regierung konzentrierte sich in den 60er- und 70er-Jahren<br />
auf den höchst lukrativen Ölsektor. Im Rahmen der Bemühungen um mehr wirtschaftliche Diversifikation<br />
sollen jetzt 42 neue Industriegebiete entstehen, die über ganz Algerien verteilt sind.<br />
Auf diese Weise sollen auch andere Bezirke Wachstumschancen bekommen und Investitionen<br />
in Branchen außerhalb von Öl und Gas angeschoben werden. Derzeit sind gut 13 Prozent der Algerier<br />
in der Industrie beschäftigt, weitere 10 Prozent bei privaten oder staatlichen Bauprojekten.<br />
Von der Errichtung der neuen Industriezentren erhofft sich die Regierung viele neue Arbeitsplätze<br />
in diesen beiden Sektoren.<br />
Sétif<br />
Hohe und kühle Attraktion für Touristen<br />
Gut 1000 Meter über dem Meeresspiegel<br />
gelegen, ist die nordalgerische<br />
Stadt Sétif bekannt<br />
für ihre kühlen Temperaturen und<br />
reichlich Schneefall, vor allem<br />
im Vergleich zum Rest des wüstenreichen<br />
Landes. Die Stadt<br />
befindet sich etwa 300 Kilometer<br />
entfernt von Algier und hat wirtschaftlich<br />
nicht nur florierende<br />
Landwirtschaft und Tourismus zu<br />
bieten, sondern auch eine erfolgreiche<br />
Metall- und Holzindustrie.<br />
Rund um Sétin befinden sich<br />
ländliche Gemeinden, in denen<br />
vor allem Getreideanbau und<br />
Viehzucht betrieben wird. Lokale<br />
Fabriken machen aus dem<br />
geernteten Getreide algerische<br />
Grundnahrungsmittel wie Grieß,<br />
Couscous oder Nudeln.<br />
Die Stadt selbst ist mit fast<br />
300 000 Einwohnern die drittgrößte<br />
Algeriens. Atmosphäre<br />
und Architektur sind unverkennbar<br />
französisch, unter anderem<br />
mit einem Springbrunnen und<br />
einem Theater. Über die Historie<br />
Sétins vor der französischen<br />
Herrschaft ab 1815 ist relativ<br />
wenig bekannt. Was man weiß,<br />
ist dass sie im ersten Jahrhundert<br />
von den Römern gegründet<br />
wurde und dann im Jahr 700 in<br />
islamische Hände kam.<br />
Die französischen Besatzer<br />
machten die Stadt später zur<br />
Residenz für Kriegsveteranen.<br />
1945, am letzten Tag vor dem<br />
offiziellen Ende des zweiten<br />
Weltkriegs, kam es hier zum<br />
„Massaker von Sétin“: Bei einem<br />
Aufstand der Bevölkerung gegen<br />
die Franzosen kamen mehrere<br />
tausend Menschen ums Leben.<br />
Unglücklicherweise ist Sétif bis<br />
heute vor allem für diesen unrühmlichen<br />
Vorfall bekannt.<br />
Trotzdem erlebt die Hauptstadt<br />
der gleichnamigen Provinz mittlerweile<br />
einen Aufschwung beim<br />
Tourismus. Dabei hilft, dass sie<br />
zwar hoch in den Bergen liegt,<br />
aber mit einem Bahnhof und einer<br />
Autobahn trotzdem gut an den<br />
Rest Algeriens angebunden ist.<br />
Vor allem seit der Errichtung<br />
eines Vergnügungsparks im<br />
Stadtzentrum nimmt die Zahl der<br />
Besucher zu. Auf Touristen warten<br />
hier ein Zoo, ein künstlicher<br />
und zahlreiche Wasserspiele.<br />
Constantine<br />
Stadt der Brücken<br />
Die malerische Stadt Constantine<br />
wurde über einer Schlucht erbaut<br />
– kein Wunder also, dass sie voller<br />
Brücken ist und auch „Stadt<br />
der Brücken“ genannt wird. Gelegen<br />
am Ufer des Flusses Rhumel<br />
in etwa 80 Kilometern Entfernung<br />
zur Mittelmeerküste, ist Constantine<br />
nach Algier und Oran die drittgrößte<br />
Stadt Algeriens. Sie gilt<br />
als Hauptstadt des östlichen Landesteils<br />
und hat vor allem für die<br />
Landwirtschaft große Bedeutung.<br />
Constantine besteht grob gesagt<br />
aus zwei Teilen, die von Nordosten<br />
nach Südwesten von der Rue<br />
Didouche Moutad, einer wichtigen<br />
Verkehrsader, getrennt sind.<br />
Den westlichen Teil bildet das historische<br />
Zentrum, eine Kasbah.<br />
Zu erkennen sind hier römische<br />
Einflüsse ebenso wie islamische,<br />
in den baumbeschatteten und gut<br />
organisierten Straßen aus der<br />
Zeit der Franzosen spielt sich der<br />
Hauptteil der geschäftlichen Aktivität<br />
der Stadt ab. Die südöstliche<br />
Seite dagegen ist eindeutig von<br />
muslimischer Architektur geprägt.<br />
Für traditionelle Gewerke und<br />
neuere Geschäfte gibt es hier jeweils<br />
eigene, chaotische Straßen.<br />
Neben den Kleingeschäften im<br />
südlichen Bereich hat Constantine<br />
mit seinen fast einer halben<br />
Million Einwohnern auch eine<br />
industrielle Seite: In Fabriken<br />
entstehen Traktoren und Dieselmotoren,<br />
außerdem werden Lederwaren,<br />
Wollstoffe und Leinen<br />
hauptsächlich für Algerien und<br />
Tunesien produziert.<br />
Zudem spielt die Stadt eine<br />
wichtige Rolle für die Landwirtschaft,<br />
denn in ihr laufen viele<br />
Schienenwege aus den umliegenden<br />
Agrar-Regionen zusammen.<br />
Dies hat sie zum Zentrum<br />
für Getreidehandel werden lassen;<br />
auf der intellektuellen Seite<br />
kann sie mit der 1969 gegründeten<br />
Université Mentouri de Constantine<br />
aufwarten.<br />
Und Constantine hat noch einen<br />
weiteren Anspruch auf Berühmtheit:<br />
1880 gelang es hier<br />
dem Militärarzt und späteren<br />
Nobelpreis-Träger Charles Louis<br />
Alphonse Laveran, erstmals die<br />
Erreger für Malaria zu isolieren<br />
und zu beschreiben.<br />
Tlemcen<br />
Annaba<br />
Algeriens Hochburg für Oliven und Wein<br />
Algeriens historische Hafenstadt<br />
Tlemcen liegt nur 80 Kilometer entfernt<br />
von der Grenze zu Marokko und<br />
65 Kilometer entfernt von der Mittelmeerküste.<br />
Bekannt ist die Stadt<br />
im Nordwesten Algeriens vor allem<br />
für ihre Oliven und Weine, die wirtschaftliche<br />
Basis für diese Binnenland-Region.<br />
Mit 140 000 Einwohnern ist Tlemcen<br />
nur die siebzehntgrößte Stadt Algeriens<br />
und doch gut angebunden an<br />
die Hauptstadt Algier als Wirtschaftszentrum.<br />
Dafür sorgen gut ausgebaute<br />
Straßen und Schienenwege, außerdem<br />
ist Tlemcen über den internationalen<br />
Flughafen Zenata zu erreichen.<br />
Der Name Tlemcen bedeutet in<br />
der Sprache der Berber „die trockene<br />
Quelle“. Die Architektur der<br />
Innenstadt ist französisch geprägt,<br />
über ihren Springbrunnen verläuft<br />
eine charakteristische Gondelbahn.<br />
Gegründet wurde Tlemcen im 4.<br />
Jahrhundert als militärischer Außenposten<br />
der Römer. Vor der arabischen<br />
Eroberung im Jahr 708 wohnten dort<br />
zunächst viele Christen, später kamen<br />
nacheinander unterschiedliche muslimische<br />
Herrscher. Deren Einflüsse<br />
sind erkennbar, passen aber gut zu<br />
den französischen Bauten aus der Besatzungszeit<br />
von 1815 bis 1962.<br />
2011 wurde Tlemcen zur Hauptstadt<br />
der islamischen Kultur gewählt,<br />
unter anderem deshalb, weil dort die<br />
im Jahr 1136 erbaute Große Moschee<br />
zu finden ist, eines der letzten intakten<br />
Beispiele für die Architektur der<br />
marokkanischen Almoraviden-Dynastie<br />
im elften Jahrhundert.<br />
Außer mit Architektur beeindruckt<br />
Tlemcen mit Naturschönheiten wie<br />
einem Nationalpark voller Wasserfälle<br />
und Klippen. Das kühle Klima<br />
des rund 800 Meter hohen Tlemcen-<br />
Gebirges hat die Gegend zu einem<br />
beliebten Ziel für Touristen aus dem<br />
Inland gemacht.<br />
Neben den Bergen ist die Region<br />
voller Olivenhaine und Weinberge,<br />
die sich mit Hilfe des Hafens Rashgun<br />
zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig<br />
für Tlemcen entwickelt<br />
haben. Weitere lokale Produkte sind<br />
Teppiche, Lederwaren und Textilien,<br />
von denen viele eine interessante<br />
Mischung aus islamischen, Berber-,<br />
andalusischen und französischen Einflüssen<br />
zeigen.<br />
Manche nennen Annaba wegen<br />
der Allgegenwart der kleinen roten<br />
Früchte auch die Stadt der Datteln.<br />
Doch die Stadt am nordwestlichen<br />
Ende Algeriens kann nicht nur mit<br />
reichlich natürlichen Rohstoffen<br />
aufwarten, sondern auch mit bedeutenden<br />
Ausgrabungsstätten und wichtigen<br />
Industrien.<br />
Mit 250 000 Einwohnern ist Annaba<br />
die viertgrößte Stadt des Landes nach<br />
Algier, Oran und Constantine und<br />
doch recht überschaubar. Trotzdem hat<br />
sie es geschafft, ein Zentrum für Industrie<br />
und Handel zu werden und einen<br />
bedeutenden Hafen zu betreiben.<br />
Gegründet wurde Annaba im siebten<br />
Jahrhundert in der Nähe der Ruinen<br />
der alten Römer-Stadt Hippo. Doch es<br />
gibt klare Belege dafür, dass die Stadt<br />
auf den Resten frühester menschlicher<br />
Siedlungen erbaut ist: Archäologische<br />
Fundstätten lassen ein Alter von 100<br />
000 Jahren erkennen.<br />
Annaba war zunächst ein wichtiges<br />
Zentrum für das frühe Christentum,<br />
wurde dann aber von muslimischen<br />
Kräften übernommen und später<br />
zu einer Hafenstadt umgewandelt.<br />
Durch seine ideale Lage an der Mittelmeerküste<br />
mit gutem Zugang zu<br />
Italien, Spanien und Frankreich ist<br />
Annaba bis heute eine wichtige Handelsregion.<br />
Über den Hafen verlassen die<br />
meisten Feststoffexporte das Land,<br />
darunter Eisen, Zink oder Stahl. Letzterer<br />
bildet zugleich den wichtigstes<br />
Industriezweig der Stadt: Sie bietet<br />
7000 Arbeitsplätze bei El Hadjar,<br />
dem von der Sowjetunion und Frankreich<br />
finanzierten größten Stahlwerk<br />
Afrikas in weniger als zehn Kilometern<br />
Entfernung von der Innenstadt.<br />
Weitere bedeutende Industriezweige<br />
der Region sind Chemie, Lebensmittel-Konserven<br />
und Schienenbau.<br />
Daneben hat die Stadt ein lebhaftes<br />
Nachtleben und weiße Sandstrände<br />
für Touristen anzubieten, die<br />
meist aus Italien oder Frankreich<br />
kommen. Eine interessante Sehenswürdigkeit<br />
ist die majestätische weiße<br />
Kathedrale St. Augustine, die sich<br />
über dem südlichen Horizont Annabas<br />
erhebt.<br />
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10 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Milliardeninvestition in Fabriken<br />
sichert Zementversorgung<br />
Der staatliche Baustoffkonzern GICA investiert<br />
4 Mrd. Dollar in die Modernisierung und den Neubau<br />
von Produktionswerken. So will er der enormen<br />
Zementnachfrage im Land gerecht werden<br />
Algerien ist ein Land mit vielen<br />
umfangreichen Bauprojekten. Dadurch<br />
steigt die Nachfrage nach<br />
Zement schneller, als die Produktion<br />
erhöht werden kann. Um das<br />
Tempo des Aufbaus durchzuhalten,<br />
musste der Baustoff deshalb<br />
zuletzt importiert werden.<br />
Derzeit produziert Algerien<br />
rund 18 Millionen Tonnen Zement<br />
pro Jahr. Die Nachfrage im Land<br />
beträgt jedoch 21 Millionen Tonnen.<br />
Besonders hoch ist der Bedarf<br />
in der Trockenzeit von März<br />
bis August, die sich am besten für<br />
Bauarbeiten eignet.<br />
„Wir decken das Defizit mit<br />
Importen, aber das ist keine Lösung“,<br />
sagt Yahia Bachir, der Chef<br />
des staatlichen Zementproduzenten<br />
GICA (Groupe Industriel<br />
des Ciments d‘Algerie). „Manchmal<br />
geht das schon deshalb nicht,<br />
weil die nötigen Mengen auch auf<br />
dem internationalen Markt nicht<br />
verfügbar sind. Wir müssen selbst<br />
genügend Zement herstellen.“<br />
Zu diesem Zweck hat GICA ein<br />
4 Mrd. Dollar schweres Investitionsprogramm<br />
aufgelegt, das die<br />
Jahresproduktion des Konzerns<br />
bis 2020 von 11,5 Millionen Tonnen<br />
auf 29 Millionen Tonnen steigern<br />
soll.<br />
Entstanden ist GICA vor drei<br />
Jahren im Zuge einer Konsolidierung<br />
der staatlichen Zementunternehmen<br />
samt Tochtergesellschaften.<br />
Der neue Konzern<br />
kontrolliert zwölf der 14 Zementfabriken<br />
des Landes.<br />
GICA soll „ein führendes Unternehmen<br />
für die landesweite<br />
Zementindustrie und andere Baustoffe“<br />
werden, erklärte Abdelhamid<br />
Temmar, der damalige Minister<br />
für Industrie und Förderung<br />
der Wirtschaft, bei der Zusammenlegung.<br />
Zuvor hatte der französische<br />
Privatkonzern Lafarge<br />
seit der Übernahme von Orascom<br />
Cement im Jahr 2008 den algerischen<br />
Markt dominiert. Lafarge<br />
produziert etwa sieben Millionen<br />
Tonnen Zement pro Jahr.<br />
Ziel der Gründung von GICA<br />
war es, den staatlichen Anteil am<br />
inländischen Zementmarkt von<br />
rund 67 Prozent auf 75 bis 80 Prozent<br />
auszuweiten und später auch<br />
ins Ausland zu expandieren.<br />
Der Investitionsplan sieht sowohl<br />
die Modernisierung von<br />
alten Fabriken als auch den Bau<br />
von neuen vor. Letztere sollen in<br />
der nördlichen Provinz Relizane<br />
und in den Südprovinzen Bechar,<br />
Adrar und Tamanrasset entstehen.<br />
„Die Nachfrage nach Zement ist dringend und<br />
steigt ständig. Wir müssen die Lücke so schnell<br />
wie möglich schließen.“<br />
Yahia Bachir, GICA-Chef<br />
Zudem laufen mit ausländischen<br />
Partnern Gespräche über den Bau<br />
von Werken in Djelfa im nördlichen<br />
Zentral<strong>algerien</strong> sowie in<br />
Sigus im Osten des Landes.<br />
„Der Prozess hat schon begonnen“,<br />
sagt GICA-Chef Bachir,<br />
„die Nachfrage nach Zement ist<br />
dringend und steigt immer weiter.<br />
Wir müssen die Lücke so schnell<br />
wie möglich schließen. Deshalb<br />
Yahia Bachir, Chef des staatlichen Zementherstellers GICA<br />
haben wir uns entschlossen,<br />
die Pläne schlüsselfertig von<br />
einem Partner aus dem Ausland<br />
realisieren zu lassen.<br />
Anders würden wir Verzögerungen<br />
riskieren.“<br />
Das Entwicklungsprogramm<br />
soll 2400 neue Arbeitsplätze<br />
schaffen. Und es<br />
hat noch einen Vorteil: Möglicherweise<br />
reicht die Produktion<br />
dann auch für den<br />
Verkauf ins Ausland.<br />
„Nach Abschluss des Programms<br />
werden wir sicher<br />
einen Überschuss haben. In<br />
den nächsten fünf Jahren dürften<br />
vier bis fünf Millionen<br />
Tonnen für den Export übrig<br />
sein“, so Bachir. „Und das ist<br />
nur die staatliche Produktion.<br />
Berücksichtigt man auch den<br />
Privatsektor, wird Algerien<br />
etwa zehn Millionen Tonnen<br />
exportieren können.“<br />
Nach den Worten des GICA-<br />
Chefs gibt es bereits Verhandlungen<br />
mit möglichen Partnern<br />
im Ausland, die Kompetenz<br />
und Erfahrung mit Zementausfuhren<br />
haben.<br />
„Zement ist ein schwierig<br />
zu exportierendes Produkt“,<br />
sagt Bachir. „Er ist sehr empfindlich.<br />
Schon wenig Feuchtigkeit<br />
kann die Qualität beeinträchtigen.<br />
Wir brauchen<br />
Partner, die den internationalen<br />
Zementhandel kennen.<br />
Meiner Meinung nach können<br />
wir uns in diesem Geschäft nur<br />
engagieren, wenn wir Partner<br />
mit viel Erfahrung finden.“<br />
Eine Onlineplattform<br />
für Investments<br />
Über das ANDI-Investmentportal finden ausländische Investoren und<br />
algerische Unternehmer zueinander<br />
„Die algerischen Behörden<br />
wollen über ausländische<br />
Investitionen<br />
vor allem den Technologietransfer<br />
fördern.“<br />
ANDI-Chef Abdelkrim Mansouri<br />
Wenn es je einen<br />
Ort der unbegrenzten<br />
Möglichkeiten<br />
für Investoren<br />
gegeben<br />
hat, dann ist das<br />
Algerien. Das<br />
größte afrikanische Land (seit der Teilung<br />
des Sudan) verfügt über eine lange<br />
Küste, Tausende Sonnenstunden,<br />
fruchtbare Böden, Erzvorkommen,<br />
Öl- und Erdgasreserven, gut erhaltene<br />
römische Ruinen und eine sehr junge<br />
Bevölkerung. Damit gehört Algerien<br />
zu den Ländern mit dem größten nicht<br />
erschlossenen Potenzial weltweit.<br />
In der Vergangenheit haben ausländische<br />
Investoren meist einen Bogen<br />
um das nordafrikanische Land gemacht,<br />
dessen Wirtschaft nach wie vor<br />
vom Staat dominiert wird. Umso vielfältiger<br />
sind die Möglichkeiten für die<br />
Unternehmer von heute. Blind einsteigen<br />
muss in Algerien niemand. In der<br />
nationalen Investitionsagentur ANDI<br />
(Agence Nationale de Développement<br />
de l‘Investissement) finden Ausländer<br />
einen kompetenten Partner vor Ort.<br />
Die Agentur, die sowohl privatwirtschaftliche<br />
als auch staatliche Partnerschaften<br />
fördert, bietet ein dreisprachiges<br />
Onlineportal, das Unternehmer<br />
und Investoren zusammenbringt.<br />
Geldgeber machen ein Angebot oder<br />
veröffentlichen ihre Pläne, und interessierte<br />
Unternehmer können über<br />
ANDI Kontakt zum entsprechenden<br />
Investor aufnehmen. 175 solcher Partnerschaftsangebote<br />
enthält die Datenbank<br />
momentan.<br />
Einer der größten Vorteile des<br />
Onlinesystems besteht darin, dass<br />
ausländische Investoren ihre Angebote<br />
bequem von ihrem Heimatland<br />
aus abgeben können. ANDI hat vor<br />
Kurzem die Anzahl der Prozessschritte<br />
verringert, damit Investitionen<br />
einfacher und schneller umgesetzt<br />
werden können.<br />
ANDI-Chef Abdelkrim Mansouri<br />
sagt, die Agentur unterstütze Investoren<br />
nicht nur beim Anbahnen<br />
sondern auch beim Umsetzen ihrer<br />
Projekte. Sie hilft beim Kontakt mit<br />
den maßgeblichen Behörden und<br />
informiert über steuerliche und andere<br />
Anreize.<br />
Algerien will seine Abhängigkeit<br />
von Erdgas- und Erdöl verringern.<br />
Auch hier spielt ANDI<br />
eine entscheidende Rolle, denn<br />
die Agentur trägt dazu bei, dass<br />
die inländische Industrie mit Hilfe<br />
von Know-how und Technologie<br />
aus dem Ausland wächst.<br />
„Die algerischen Behörden wollen<br />
über ausländische Investitionen vor<br />
allem den Technologietransfer fördern“,<br />
sagt Mansouri. „Sie sind an<br />
Aktivitäten interessiert, die die Importquote<br />
senken. Wenn Sie sich die<br />
Liste unserer Importe ansehen, werden<br />
Sie feststellen, dass wir Vieles<br />
einführen, das wir problemlos selbst<br />
herstellen könnten. Außerdem wollen<br />
wir uns bei den Exporten breiter aufstellen.<br />
Wir wollen nicht mehr nur Öl<br />
und Gas verkaufen – zwei Güter, die<br />
den Schwankungen der internationalen<br />
Märkten unterliegen.“<br />
Sorgen um ihr Kapital müssen sich<br />
Ausländer nicht machen, sagt Mansouri.<br />
Algerien hat Doppelbesteuerungsabkommen<br />
und 48 bilaterale<br />
Verträge unterzeichnet, die für faire<br />
Rahmenbedingungen sorgen. Darüber<br />
hinaus hat das Land alle internationalen<br />
Konventionen zum Schutz ausländischer<br />
Investoren ratifiziert.<br />
Vor dem Hintergrund der soliden<br />
Haushaltslage ermutigt Algerien ausländische<br />
Investoren, ihre Projekte<br />
über Banken vor Ort zu finanzieren.<br />
Technologietransfer und Know-how<br />
sind dem Land wichtiger als ausländische<br />
Finanzierung.<br />
Pro Unternehmen ist die Beteiligung<br />
von Ausländern zwar auf 49 Prozent<br />
beschränkt, die Regierung wirbt aber<br />
dafür, dass Investoren sich mit mehreren<br />
algerischen Partnern zusammentun.<br />
So können sie sich eine größere Beteiligung<br />
an einem Unternehmen sichern,<br />
und die Risiken sind besser verteilt.<br />
www.andi.dz<br />
Das Kleingedruckte<br />
Der rechtliche Rahmen<br />
für ausländische Investitionen<br />
Verordnung 01-03 zur Investitionsentwicklung<br />
vom 20.<br />
August 2001:<br />
Der rechtliche Rahmen für<br />
Investitionen in Algerien wird<br />
größtenteils durch diese Rechtsvorschrift<br />
festgesetzt und durch<br />
Verordnung Nr. 06-08 vom 15.<br />
Juli 2006 ergänzt.<br />
Dekret vom 9. Oktober 2006:<br />
Legt die Kompetenzen, Strukturen<br />
und Arbeitsabläufe des<br />
algerischen Investitionsrats CNI<br />
und der staatlichen Investitionsagentur<br />
ANDI fest.<br />
Dekret des Premierministers<br />
vom 11. Januar 2007:<br />
Enthält eine Liste der Unternehmen,<br />
Waren und Dienstleistungen,<br />
die von den in der<br />
Verordnung zur Investitionsentwicklung<br />
vom 20. August 2001<br />
festgelegten Vergünstigungen<br />
ausgenommen sind.<br />
Nachtragshaushaltsgesetz vom<br />
Mai 2009:<br />
Trotz der Kritik einiger ausländischer<br />
Unternehmen an der<br />
hierdurch gesetzlich verankerten<br />
51/49-Prozent-Regel verdreifachte<br />
sich die Zahl der Projekte ausländischer<br />
Partner sowohl 2010<br />
als auch 2011 im Vergleich zum<br />
jeweiligen Vorjahr.<br />
Vergaberecht, 7. Oktober 2010,<br />
Nr. 10-236:<br />
Artikel 23: Im Rahmen dieses<br />
Gesetzes über das öffentliche Auftragswesen,<br />
das das entsprechende<br />
Dekret des Präsidenten vom 24. Juli<br />
2002 ersetzte, wurde eine Präferenzspanne<br />
für inländische Bieter<br />
eingeführt, die damit gegenüber<br />
ausländischen Unternehmen bevorzugt<br />
werden.<br />
Artikel 54: Neben der Präferenzspanne<br />
besteht die Verpflichtung<br />
zur Wahl eines inländischen Bieters,<br />
wenn dessen Produkte und Dienstleistungen<br />
die Ausschreibungsbedingungen<br />
erfüllen. Zudem müssen<br />
ausländische Unternehmen, die bei<br />
einer internationalen Ausschreibung<br />
den Zuschlag erhalten, laut dem<br />
neuen Gesetzestext eine Investitionspartnerschaft<br />
mit einem einheimischen<br />
Unternehmen eingehen.<br />
Um den Auftrag zu erhalten, muss<br />
das ausländische Unternehmen 25<br />
Prozent billiger sein als das algerische<br />
(bis dahin: 15 Prozent).<br />
Nach der Gesetzgebung vom<br />
Mai 2009 müssen mindestens 30<br />
Prozent des Kapitals eines ausländischen<br />
Unternehmens, das Waren<br />
nach Algerien importiert, von<br />
einem algerischen Partner gehalten<br />
werden.<br />
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FREITAG, 6. JULI<br />
ALGERIEN<br />
11<br />
Neues Geschäftsfeld noch dieses Jahr<br />
Der Zementhersteller GICA will bis Ende des Jahres auch Fertigbeton anbieten<br />
Als mineralienreiches Land hat Algerien<br />
jede Menge Ressourcen für<br />
die Produktion von Baustoffen. „Unser<br />
Reichtum liegt im Boden und<br />
Unterboden“, sagt Yahir Bachir, der<br />
Chef des Zementherstellers GICA.<br />
„Das sind unsere Trümpfe, und wir<br />
wollen sie bestmöglich einsetzen.“<br />
Das Kerngeschäft von GICA ist<br />
die Zementherstellung, aber Tochtergesellschaften<br />
produzieren auch Zuschlagstoffe<br />
und sind dabei, ein Geschäft<br />
mit Fertigbeton aufzubauen.<br />
Derzeit bietet GICA drei Zementsorten<br />
an: CPJ 42.5, CPJ 32.5 und CRS<br />
400, eine sulfatresistente Variante.<br />
„Wir achten sehr darauf, hochwertigen<br />
Zement zu produzieren“, sagt<br />
Bachir, „der Herstellungsprozess ist<br />
komplexer, als viele Leute glauben“.<br />
Machbarkeitsstudien werden<br />
vom Technikzentrum der Gruppe<br />
durchgeführt, das auf Baustofftechnologien<br />
spezialisiert ist. „Das<br />
Technikzentrum führt geologische<br />
Untersuchungen durch, um festzustellen,<br />
wo sich die Rohstoffe befinden,<br />
mit denen sich die besten<br />
Endprodukte herstellen lassen. Der<br />
gesamte Fabrikationsprozess, von<br />
der Gewinnung der Rohstoffe bis hin<br />
zum FertigProdukt, unterliegt bei<br />
uns einer strengen Qualitätskontrolle“,<br />
erklärt Bachir.<br />
Wenn die Zementnachfrage das<br />
Angebot übersteigt, werden bevorzugt<br />
Entwicklungsarbeiten wie öffentliche<br />
Bauvorhaben oder Staudammprojekte<br />
beliefert. „Diese<br />
Unternehmen machen 55 Prozent<br />
unseres Geschäfts aus; selbst bei<br />
einer Lücke von drei Millionen Tonnen<br />
können wir ihren Bedarf noch<br />
decken“, sagt Bachir.<br />
Drei der Gesellschaften von GICA<br />
produzieren Zuschlagstoffe: eine im<br />
Osten des Landes, eine im Zentrum<br />
und eine im Westen. Die aktuelle<br />
Bis Anfang 2013 dürfte die Produktion von aktuell 4,5 Millionen<br />
Tonnen auf sieben Millionen Tonnen steigen<br />
Produktion beträgt 4,5 Millionen<br />
Tonnen pro Jahr, das Ziel von sieben<br />
Millionen Tonnen soll Anfang 2013<br />
erreicht sein.<br />
Im Rahmen des Fünf-Jahres-Plans<br />
steigt GICA dieses Jahr außerdem<br />
ins Fertigbetongeschäft ein. Dazu<br />
Bachir: „Wir installieren 14 Fertigbetonstationen,<br />
sieben davon werden<br />
bis Ende des Jahres fertig sein. Wir<br />
sprechen auch mit einem Partner<br />
aus dem Ausland. Wir würden das<br />
Geschäft auch ohne Unterstützung<br />
aufsbauen, aber wenn eine für beide<br />
„Der Herstellungsprozess<br />
für Zement<br />
ist komplexer, als viele<br />
Leute glauben.“<br />
GICA-Chef Yahia Bachir<br />
Seiten nützliche Partnerschaft möglich<br />
ist, warum nicht?“<br />
Ergänzt wird das Portfolio der<br />
Gruppe um Unternehmen für industrielle<br />
Wartung, Marketing und<br />
Vertrieb. Von den drei Vertriebstöchtern<br />
sind zwei im Zentrum Algeriens<br />
angesiedelt und eine im Westen; die<br />
Zementfabriken im Osten haben ihr<br />
eigenes Vertriebsnetz.<br />
„Wenn man zum öffentlichen<br />
Sektor gehört, steht man in der<br />
Verantwortung, Baustoffe in allen<br />
Regionen des Landes verfügbar zu<br />
machen“, sagt Bachir. „Unser Netz<br />
reicht von Algier im Norden bis zu<br />
den Grenzen zu Mali und Niger ganz<br />
im Süden.“<br />
Partnerschaften<br />
mit Gewinn<br />
Unternehmen aus dem Ausland bringen<br />
Erfahrung und Kompetenz mit<br />
Die Regierung hat mir der<br />
Schaffung von GICA zwar<br />
deutlich gemacht, dass sie<br />
einen möglichst großen Teil der<br />
Wirtschaft unter algerischer<br />
Kontrolle behalten will. Doch<br />
die Vorteile von Partnerschaften<br />
mit ausländischen Unternehmen<br />
sind ihr sehr wohl bewusst.<br />
Nur sieben der 14 Zementfabriken<br />
der GICA-Gruppe sind<br />
100-Prozent-Töchter, an den<br />
übrigen halten ausländische Unternehmen<br />
Minderheitsanteile<br />
von 35 Prozent.<br />
„Unser Ziel war, ihre Managementkompetenz<br />
zu nutzen, um<br />
den Einsatz unserer Produktionsmittel<br />
zu optimieren. Das hat<br />
gut funktioniert, also werden<br />
wir diesen Kurs mit weiteren<br />
Partnern fortsetzen“, erläutert<br />
GICA-Chef Yahia Bachir die<br />
Motivation für Allianzen.<br />
Einige der im Rahmen eines<br />
4 Mrd. Dollar schweren Investitionsprogramms<br />
geplanten<br />
Zementfabriken werden wahrscheinlich<br />
als Joint Ventures<br />
gegründet. Für den Export von<br />
Zement hält GICA ebenfalls<br />
Ausschau nach Know-how und<br />
Erfahrungen aus dem Ausland.<br />
Und auch im technischen Bereich<br />
können ausländische Partner<br />
wertvolle Beiträge leisten.<br />
„Wenn man sein Geschäft<br />
ohne Öffnung nach außen<br />
betreibt und sich nicht für die<br />
technische Entwicklung interessiert,<br />
kommt man manchmal<br />
statt vorwärts nur rückwärts“,<br />
sagt Bachir. „Durch die Zusammenarbeit<br />
mit großen internationalen<br />
Unternehmen können wir<br />
technologisch auf dem neuesten<br />
Stand bleiben, und das hilft uns<br />
beim Wachsen. Unser Ziel ist es,<br />
den Einsatz der Produktionsmittel<br />
mit Hilfe von Partnern, die<br />
hier einen Vorsprung haben, zu<br />
optimieren.“<br />
Außerdem spricht GICA<br />
derzeit mit ausländischen Unternehmen<br />
über den Bau eines<br />
Schulungszentrums für Ingenieure<br />
und Techniker.<br />
„Wir wollen uns auf Technik<br />
für die Zementindustrie spezialisieren.<br />
Dafür braucht es<br />
heute mehr als die gute Standardausbildung,<br />
die es in Algerien<br />
bereits gibt“, sagt Bachir. „Wir<br />
benötigen ein zusätzliches Schulungszentrum,<br />
in dem Ingenieure<br />
und Techniker die nötigen<br />
Fachkenntnisse erwerben, so<br />
dass sie möglichst schnell<br />
einsatzbereit sind. Auch hier<br />
wollen wir mit Partnern zusammenarbeiten,<br />
die uns in dieser<br />
Hinsicht voraus sind.“<br />
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12 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Großzügige<br />
Anreize für ernsthafte<br />
Investoren<br />
Algerien investiert massiv in seine Staatsunternehmen und verbessert<br />
damit nicht nur den Wissenstransfer, sondern schafft<br />
auch Vorteile für Investoren<br />
CABELEQ und die<br />
Auch der staatliche Sektor kennt die Vorteile von Synergien, um<br />
die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Die algerische Elektronikgruppe<br />
Cabeleq hat viel Erfahrung damit<br />
Große multinationale Unternehmen<br />
– insbesondere solche, die durch<br />
strategische Akquisitionen gewachsen<br />
sind – achten sehr darauf: Jede<br />
neue Übernahme muss den Wert der<br />
Gruppe erhöhen, sodass der Mutterkonzern<br />
mehr wert ist als die Summe<br />
seiner Teile. Dynamische Teamarbeit,<br />
eine optimierte Zusammenarbeit und<br />
produktive Synergien sind Grundbausteine<br />
der größten Konglomerate der<br />
Welt. Doch das Bemühen um Stärke<br />
durch Synergien beschränkt sich keineswegs<br />
auf den Privatsektor: Auch<br />
die Holdinggesellschaften der öffentlichen<br />
Einrichtungen Algeriens sind<br />
vom Wunsch geprägt, auf diese Weise<br />
Effizienz und die besten Ergebnisse<br />
zu erzielen.<br />
Einer der Verfechter guter Teamarbeit<br />
ist das staatliche Unternehmen<br />
SGP Cabeleq, das als Dachgesellschaft<br />
führender Anbieter<br />
von elektrischen Komponenten wie<br />
Electro Industrie und ENPEC ein<br />
wichtiger Mitspieler in vielen strategischen<br />
Bereichen der algerischen<br />
Industrie ist. ENPEC hat sich auf<br />
Batterien für die Automobilherstellung<br />
spezialisiert, Electro Industrie<br />
produziert Elektromotoren, Wechselstromgeneratoren,<br />
Transformatoren<br />
und Lichtmaschinen. Über die<br />
Tochtergesellschaften REELEC und<br />
ALRELEC ist Cabeleq außerdem<br />
in verwandten Geschäftszweigen<br />
wie der Elektrifizierung aktiv. Als<br />
Gesamtgruppe, deren Mitglieder einander<br />
ergänzen und unterstützen,<br />
kann Cabeleq produktive Allianzen<br />
unter seinen Geschäftsbereichen<br />
entwickeln und so die Geschäftschancen<br />
jeder Einheit verbessern.<br />
„Wir stehen alle in Kontakt miteinander:<br />
Manche Unternehmen<br />
produzieren, andere installieren,<br />
wieder andere übernehmen die<br />
Wartung. Also können wir bei Ausschreibungen<br />
mit mehreren Firmen<br />
gleichzeitig antreten“, sagt Aziza<br />
Boukaoula, Cabeleq-Chefin. „REE-<br />
LEC kann Anlagen zur Stromerzeugung<br />
produzieren und installieren<br />
und dabei mit Electro Industrie und<br />
SORELEC zusammenarbeiten. Diese<br />
Unternehmen arbeiten seit vielen<br />
Jahren eng zusammen.“<br />
Das Zusammenlegen ihrer Stärken<br />
ist auch für andere Geschäftsbereiche<br />
von Cabeleq entscheidend,<br />
darunter INATEL und RETELEM<br />
aus dem Sektor der Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie<br />
(IuK). RETELEM produziert Telekomeinrichtungen<br />
wie Telefonzentralen<br />
und Vermittlungsstellen bis<br />
hin zu Telefon- und IT-Netzen oder<br />
elektronischen Überwachungssystemen,<br />
INATEL übernimmt die Installation.<br />
Die Vorteile der Zusammenarbeit<br />
zeigen sich auch anhand der<br />
Synergien mit anderen Geschäftszweigen<br />
von Cabeleq wie SITEL<br />
oder INFRATELE, die nationale und<br />
städtische Telefonnetze aufbauen.<br />
Algeriens Regierung unterstützt<br />
das Arbeiten mit Nachunternehmern<br />
und die gegenseitige Ko- operation<br />
in der Industrie. Beides ist auch<br />
unter staatlichen Betrieben üblich.<br />
So empfiehlt Sonelgaz offiziell die<br />
Transformatoren von Electro Industrie<br />
(und denkt über einen Einstieg in<br />
das Unternehmen nach). Der Haus-<br />
Qualität ist Trumpf<br />
Die in Algerien hergestellten Produkte von CABELEQ gelten als so gut, dass<br />
sie sich wie von selbst verkaufen. Unterdessen plant das Unternehmen mit seinen<br />
Tochtergesellschaften eine Expansion in den Sektoren ICT und Solarstrom<br />
Bei Management und moderner<br />
Technologie haben viele<br />
Staatsunternehmen Nachholbedarf.<br />
Dessen sind sie sich auch<br />
bewusst. Partnerschaften mit<br />
kompetenten ausländischen Firmen<br />
sollen unterstützen. In den<br />
vergangenen fünf Jahren hat Algerien<br />
die Rahmenbedingungen<br />
für Allianzen vereinfacht und<br />
neue Anreize für ausländische<br />
Investoren geschaffen.<br />
„Wir haben mehr als 150<br />
Maßnahmen, um Investitionen<br />
zu erleichtern. Dazu zählt unter<br />
anderem eine vollständige<br />
Steuerbefreiung während der<br />
Aufbauphase und der darauffolgenden<br />
zehn Jahre. Zudem<br />
stellen wir Investoren kostenlos<br />
Baugrundstücke für Fabriken<br />
zur Verfügung, unsere Banken<br />
sorgen für die nötige Finanzierung,<br />
und wir tun alles, damit<br />
der private Sektor die Herausforderung<br />
annimmt“, sagt Mohamed<br />
Benmeradi, Minister für<br />
Industrie, kleine und mittlere<br />
Unternehmen sowie Investitionsförderung.<br />
Die Regierung hilft den<br />
Staatsunternehmen auch durch<br />
Restrukturierungen – einschließlich<br />
Bilanzsanierung und<br />
technologischer Modernisierung.<br />
Dem Automobilhersteller<br />
SNVI wurden nicht nur die<br />
Schulden erlassen, das Unternehmen<br />
erhielt darüber hinaus<br />
Investitionen, deren Wert auf<br />
bis zu 12,5 Mrd. Dinar (125<br />
Mio. Euro) beziffert wird. Und<br />
in öffentliche Bauprojekte hat<br />
Algerien in den vergangenen<br />
zehn Jahren 10 Mrd. Dollar<br />
investiert.<br />
Allianzen unterliegen der<br />
51/49-Regel. Das heißt, die<br />
Beteiligung ausländischer Investoren<br />
ist auf 49 Prozent des<br />
Eigenkapitals beschränkt. Um<br />
den ausländischen Partner aber<br />
zumindest in den Genuss einer<br />
relativen Mehrheit kommen<br />
zu lassen, teilt sich der Staat<br />
in manchen Fällen das 51-Prozent-Paket<br />
mit inländischen<br />
„Wir haben mehr<br />
als 150 Maßnahmen,<br />
um Investitionen<br />
zu erleichtern.<br />
Dazu zählt unter<br />
anderem eine vollständige<br />
Steuerbefreiung<br />
während der<br />
Aufbauphase und<br />
der darauffolgenden<br />
zehn Jahre. Zudem<br />
stellen wir Investoren“,<br />
Mohamed Benmeradi,<br />
Minister für Industrie,<br />
kleine und mittlere<br />
Unternehmen sowie<br />
Investitionsförderung<br />
Privatunternehmen.<br />
So geht beispielsweise der<br />
Zementhersteller Sigus eine<br />
Partnerschaft mit dem französischen<br />
Wettbewerber Lafarge<br />
ein, einem der weltgrößten Zementkonzerne.<br />
49 Prozent der<br />
Anteile hält Lafarge, weitere<br />
49 Prozent der algerische Staat<br />
und zwei Prozent gehen an<br />
inländische Privatunternehmen.<br />
Eine andere Möglichkeit sind<br />
Aktionärsvereinbarungen, die<br />
dem ausländischen Partner die<br />
Kontrolle über das Management<br />
übertragen. Beim staatlichen<br />
Zementhersteller Meftah<br />
etwa kontrolliert Lafarge die<br />
Unternehmensführung, obwohl<br />
die Franzosen nur 35 Prozent<br />
der Anteile halten.<br />
Die strategische Ausrichtung<br />
für ausländische Investitionen<br />
legt der nationale Investitionsrat<br />
CNI fest. Er ermittelt,<br />
welche Projekte für das Land<br />
von wirtschaftlichem Interesse<br />
sind. Für die praktische<br />
Durchführung ist die Investitionsagentur<br />
ANDI (Agence<br />
Nationale de Développement<br />
de l‘Investissement) zuständig.<br />
Sie wurde 2001 gegründet, um<br />
ausländische Investoren dabei<br />
zu unterstützen, in Algerien zu<br />
investieren und Unternehmen<br />
aufzubauen. ANDI informiert,<br />
vermittelt und macht im Ausland<br />
Werbung für Algerien.<br />
Vertreter der Agentur begleiten<br />
Investoren sogar zu Treffen<br />
mit algerischen Unternehmen<br />
und Verwaltungsbehörden.<br />
Algeriens World Trade Center<br />
(WTC) bietet unterdessen<br />
ebenfalls Unterstützung bei<br />
administrativen, rechtlichen<br />
und steuerrechtlichen Angelegenheiten.<br />
„Wir wollen unseren Kunden<br />
die aufwendigsten bürokratischen<br />
Aufgaben abnehmen“,<br />
sagt WTC-Chef Ahmed<br />
Tibaoui. „Wir können für sie<br />
die Firmengründung und den<br />
Eintrag im Handelsregister<br />
übernehmen, geeignete Partner<br />
finden und die von ANDI angebotenen<br />
steuerlichen Anreize<br />
erschließen. Viele europäische<br />
Unternehmer sind zuversichtlich,<br />
dass sie in Algerien finden,<br />
was Europa während der<br />
Finanzkrise 2008 verloren hat.“<br />
Ähnlich optimistisch beurteilt<br />
Tibaoui das zunehmend<br />
positive Image seines Landes:<br />
„Bleibt nur noch, das Vertrauen<br />
in die Wirtschaft wieder zu<br />
stärken, indem wir im Ausland<br />
zeigen, was Algerien letztlich<br />
darstellt: einen stabilen Markt<br />
mit 37 Millionen Verbrauchern<br />
und jeder Menge Chancen.“<br />
Algerische Hersteller sind sehr qualitätsorientiert<br />
– sowohl Unternehmenskunden<br />
als auch Privatleute wissen<br />
und schätzen das. Ein freier Markt<br />
bringt zwar Wettbewerb, doch nachdem<br />
sie sich von den niedrigeren Preisen<br />
ausländischer Produkte hat- ten<br />
locken lassen, kehrten viele algerische<br />
Kunden nun zu den hochwertigeren<br />
heimischen Marken zurück. Batterien<br />
von ENPEC sind beispielsweise häufig<br />
ausverkauft, obwohl das Unternehmen<br />
garnicht für sie wirbt – zufriedene<br />
Kunden und Mundpropaganda<br />
bringen ihm ausreichend Reputation<br />
und Nachfrage. Das Gleiche gilt für<br />
seine Muttergesellschaft, das Staatsunternehmen<br />
Cabeleq. Dessen Biskra-<br />
Kabel genießt zum Beispiel einen hervorragenden<br />
Ruf und kann sich gegen<br />
billigere Konkurrenzprodukte aus China<br />
mühelos behaupten.<br />
„Anfangs waren wir wegen der<br />
Konkurrenz durch billigere Produkte<br />
aus China besorgt. Die Kunden haben<br />
die Qualitätsunterschiede aber erkannt<br />
und verstanden, dass die Produkte<br />
nicht identisch sind, also kaufen sie<br />
wieder bei uns“, sagt Cabeleq-Chefin<br />
Aziza Boukaoula.<br />
Cabeleq hat eine gut etablierte Qualitätspolitik,<br />
unter anderem belegt durch<br />
eine hohe Zahl von Zertifizierungen<br />
bei seinen Tochterunternehmen. Die<br />
Produkte des Konzerns genügen<br />
höchsten internationalen Standards<br />
und eignen sich somit auch für die<br />
Exportmärkte. ENPEC verkauft beispielsweise<br />
Batterien auch in Libyen.<br />
Die Produktionsprozesse von ENPEC<br />
entsprechen der ISO-Produktnorm<br />
9001:2000 und der ISO-Umweltnorm<br />
14001. Mit der Einhaltung solcher<br />
Standards beweisen Management und<br />
Mitarbeiter von Cabeleq ihren Einsatz<br />
und ihre Professionalität.<br />
Arbeit im Team<br />
Boukaoula lobt das Qualitätsbewusstsein<br />
der Belegschaft: „Unsere<br />
technischen Teams haben von der<br />
Konkurrenz aus Übersee nichts zu<br />
befürchten. Sie kommen von hervorragenden<br />
Universitäten wie der École<br />
Polytechnique und sind hoch qualifiziert.<br />
Wir wissen, was wir wollen und<br />
wohin wir gehen. Mögliche internationale<br />
Partner sind manchmal überrascht<br />
über unserer hohe Effizienz<br />
und haben derart gute Investitionsbedingungen<br />
nicht erwartet.“<br />
Einer der von Cabeleq neu anvisierten<br />
Märkte ist der Bereich erneuerbare<br />
Energien – und internationale<br />
Partner sollen bei seiner Erschließung<br />
dabei sein. Die Tochtergesellschaft<br />
ENPEC hat bereits das Potenzial untersucht<br />
und sieht gute Chancen. „Wir<br />
wollen in den Sektor Solarbatterien<br />
einsteigen“, sagt Boukaoula, „die<br />
Voraussetzungen dafür hat ENPEC<br />
schon, denn Batterien für Fahrzeuge<br />
sind Batterien für Solaranwendungen,<br />
von ein paar Änderungen<br />
und Kniffen<br />
abgesehen,<br />
sehr ähnlich. Mit<br />
der Universität<br />
Setif haben wir<br />
gemeinsame<br />
Forschungsprojekte<br />
und die<br />
Weiterentwicklung unseres<br />
Solarbereichs vereinbart“.<br />
Eine breit aufgestellte Gruppe<br />
ENPEC ist eine der 13 Tochtergesellschaften<br />
von Cabeleq und hat sich<br />
auf Elektrochemie spezialisiert. Zum<br />
Unternehmen gehören wiederum drei<br />
Tochtergesellschaften, die Kabel herstellen:<br />
CABEL produziert Stromleiter<br />
aus Kupfer, Aluminium und Stahl und<br />
Drähte für die Industrie, von CATEL<br />
kommen Kupferleitungen für geringe<br />
Spannungen sowie Glasfaserkabel und<br />
Enica-Biskra ist ein führender Anbieter<br />
von Kabeln für den Niedrig- und<br />
Mittelvoltbereich und von Industrieund<br />
Baukabeln. Der Firmensitz befindet<br />
sich 400 Kilometer südöstlich von<br />
Algier. Etwa 90 000 Quadratmeter des<br />
insgesamt fast 350 000 Quadratmeter<br />
großen Geländes sind für Produktion,<br />
Lager und Büroraum reserviert.<br />
Im Geschäftsbereich Elektrotechnik<br />
von Cabeleq produzieren und<br />
vermarkten die Unternehmenstöchter<br />
EDIEL und Electro-Industries Ausrüstung<br />
wie Motoren, Transformatoren,<br />
Wechselstromgeneratoren und<br />
Generatoren. Um technisch führend<br />
zu bleiben, arbeitet EDIEL mit mehreren<br />
Partnern zusammen, darunter<br />
ABB, Alstom und Schneider. Electro-<br />
Industries entwickelt sich vor allem<br />
mit Nischenprodukte.<br />
Im Telekomsektor ist die Gruppe<br />
mit den Unternehmen ENTC und Sitel<br />
aktiv, die beide in Tlemcen, im Nordwesten<br />
Algeriens niedergelassen sind.<br />
ENTC produziert Telefongeräte und<br />
analoge Vermittlungstechnik. Sitel ist<br />
ein Joint Venture mit der führenden<br />
schwedischen Telekomfirma Ericsson,<br />
das seit 1988 besteht und 2004 das<br />
erste in Algerien hergestellte Mobiltelefon<br />
produziert hat. Sitel betreut zudem<br />
das volldigitale Festnetz des Landes<br />
mit seinen mehr als drei Millionen<br />
Anschlüssen.<br />
Die vier Unternehmenstöchter<br />
Al-Elec, REELEC, Armel und Infratele<br />
von Cabeleq erbringen Dienstleistungen<br />
in der Stromversorgung.<br />
Al-Elec baut Stromleitungen und<br />
Stromversorgungseinrichtungen und<br />
übernimmt die Elektrifizierung ländlicher<br />
Gebiete. REELEC kümmert<br />
sich um Installation und Wartung von<br />
Stromgeneratoren in der Industrie. Armel<br />
repariert elektrische Anlagen und<br />
entsorgt Industrieöle. Infratele verlegt<br />
Glasfaserkabel und baut die technische<br />
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FREITAG, 6. JULI<br />
ALGERIEN<br />
13<br />
Kraft der Partnerschaft<br />
haltsgerätehersteller INDELEC verwendet<br />
für alle Produkte die Kabel<br />
von Cabeleq.<br />
Trotz dieser Vereinbarungen<br />
und trotz seiner marktführenden<br />
Position in vielen Bereichen ist<br />
Cabeleq sehr daran interessiert,<br />
Partner aus dem Ausland zu gewinnen.<br />
Dabei hilft, dass die<br />
entsprechenden Verfahren vereinfacht<br />
wurden: Staatsunternehmen<br />
können mittlerweile ohne<br />
Ausschreibung Kontakt zu potenziellen<br />
Partnern aufnehmen und<br />
haben volle Verhandlungsfreiheit<br />
– erst ganz am Ende ist eine formelle<br />
Genehmigung erforderlich.<br />
„ENPEC ist Marktführer bei Autobatterien,<br />
aber wir können nicht<br />
den gesamten Markt versorgen.<br />
Jedes Jahr werden in Algerien 1,5<br />
Millionen Autos hergestellt und<br />
250 000 importiert, also gäbe es<br />
noch Marktanteile zu gewinnen.<br />
Um in der Lage zu sein, mit EN-<br />
PEC-Produkten 100 Prozent des<br />
Marktes zu bedienen, hat ENPEC<br />
damit begonnen, einen Partner zu<br />
suchen“, erklärt Boukaoula.<br />
Ziel von Electro Industrie ist ein<br />
Joint-Venture im Eigentumsverhältnis<br />
51 zu 49. „Wir wollen das<br />
Unternehmen vergrößern und mehr<br />
Hochleistungstransformatoren mit<br />
einer Leistung von bis zu 2000<br />
kVA anbieten. Dazu suchen wir<br />
einen Partner mit internationaler<br />
Reputation, der seine technischen<br />
Fähigkeiten einbringt. Uns geht es<br />
nicht um Geld, sondern um einen<br />
Wissenstransfer bei Technologie,<br />
Management und Schulung. Derzeit<br />
produzieren wir pro Jahr maximal<br />
zwei Hochleistungstransformatoren,<br />
der Rest wird importiert.<br />
Es gibt dafür Nachfrage von Unternehmen<br />
wie Sonelgaz“, erklärt<br />
Boukaoula. Auch Partner für die<br />
Produktion von starken Motoren<br />
werden gesucht.<br />
Ein derartiges Arrangement<br />
wäre für Cabeleq kein Neuland:<br />
Die Gruppe arbeitet seit vielen<br />
Jahren mit ausländischen Partnern<br />
und ist am Joint-Venture SITEL<br />
beteiligt, einer der ersten algerischen<br />
Partnerschaften außerhalb<br />
der Öl- und Gasbranche.<br />
Gegründet wurde SITEL 1990<br />
mit Unterstützung des Ministeriums<br />
für Postdienste und IuK als<br />
Finanz- und Technik-Joint-Venture<br />
für die Produktion und Installation<br />
neuer Vermittlungsstellen, die die<br />
staatliche Telefongesellschaft Algérie<br />
Télécom einsetzt. Der schwedische<br />
Partner Ericsson hält mit 35<br />
Prozent die größte Beteiligung, die<br />
algerische Seite ist durch Cabeleq<br />
(20 Prozent), ENTC (20 Prozent),<br />
Sonatite (15 Prozent) und die<br />
Banque Extérieure d‘Algérie (15<br />
Prozent) vertreten.<br />
Seit der Gründung hat SITEL<br />
mit der AXE10-Technologie von<br />
Ericsson 2,25 Million Telefonanschlüsse<br />
an rund 1200 Standorten<br />
installiert und arbeitet derzeit daran,<br />
weitere 800 Gebiete einzubinden.<br />
Dank dieser Arbeit gibt<br />
es heute in Algerien mehr als drei<br />
Millionen Festnetzanschlüsse.<br />
Um den Binnenmarkt zurückzuerobern,<br />
der aktuell von importierten<br />
Produkten dominiert wird,<br />
will die Gruppe moderner werden<br />
und neue Technologien wie Glasfaser<br />
einführen.<br />
Allerdings exportiert SITEL<br />
auch seinerseits Know-how und<br />
übernimmt für Ericsson die technische<br />
Beratung in Afrika, dem<br />
Nahen Osten und China. Auf diesem<br />
Bereich ist das Unternehmen<br />
in Algerien marktführend und<br />
hält nahezu eine Monopolstellung.<br />
SITEL-Chef Amin Baghli<br />
rät potenziellen Investoren deshalb,<br />
sich das Beispiel Ericsson<br />
genau anzusehen: „Wenn<br />
Sie sich wirklich engagieren,<br />
werden Sie in Algerien Erfolg<br />
haben. Denken Sie nicht nur ans<br />
Geschäft, sondern auch daran,<br />
Arbeitsplätzezu schaffen.<br />
Das war die Philosophie von<br />
Ericsson, und sie ist der Grund für<br />
den großen Erfolg von Ericsson“.<br />
Infrastruktur des Telekomsektors aus.<br />
Hohe Nachfrage nach IuK<br />
Algeriens junge und wachsende Bevölkerung<br />
hat einen steigenden Bedarf<br />
an IT-Dienstleistungen. 2010<br />
verfügten 12,5 Prozent der Algerier<br />
über einen Internetzugang, doch nur<br />
2,5 Prozent hatten einen Breitbandanschluss.<br />
Weil zudem immer mehr<br />
Regierungsdienste – wie Anträge zur<br />
Ausstellung eines Personalausweises<br />
oder einer Geburtsurkunde – auch<br />
online verfügbar sind, wird eine zuverlässige<br />
Telekominfrastruktur für<br />
die nachhaltige Entwicklung Algeriens<br />
immer wichtiger. Die Regierung<br />
will die Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
(IuK) überall<br />
im Land ausbauen, deshalb hat das<br />
Ministerium für Post und IuK die<br />
Initiative e-Algérie 2013 gestartet.<br />
Ziel der Initiative ist, die miteinander<br />
verbundenen Herausforderungen<br />
einer besseren Infrastruktur, Verfügbarkeit<br />
und Nutzung von IuK-Diensten<br />
anzugehen. Auch dieses Vorhaben<br />
lässt die Nachfrage bei den<br />
Unternehmen des Sektors, zu denen<br />
Cabeleq gehört, weiter steigen.<br />
Reichweite erhöhen<br />
Die nationale Initiative zur Elektrifizierung<br />
der ländlichen Regionen füllt<br />
ebenfalls die Auftragsbücher von<br />
Cabeleq. In Algerien gibt es bereits<br />
mehr als 220 000 Kilometer Stromleitungen,<br />
die gut 98 Prozent der Bevölkerung<br />
erreichen. In den kommenden<br />
Jahren soll das Netz noch einmal<br />
um fünf Prozent vergrößert werden,<br />
damit auch isolierte Landgemeinden<br />
und Öl- und Gasentwicklungsprojekte<br />
in der weitläufigen Sahara versorgt<br />
werden können.<br />
Und nicht zuletzt der geplante<br />
Ausbau der erneuerbaren Energiequellen<br />
wird die Nachfrage nach<br />
Produkten von Cabeleq stützen.<br />
Laut Energieminister Youcef Yousfi<br />
besteht „das größte Potenzial für<br />
Algerien bei der Nutzung der Solarenergie“.<br />
Nach einem Bericht<br />
der Internationalen Energieagentur<br />
(IEA) könnten Länder wie Algerien<br />
eines Tages Solarenergie nach Europa<br />
exportieren, da ihre Stromnetze<br />
bald an das europäische Netzwerk<br />
angeschlossen werden sollen. Innerhalb<br />
der nächsten zwei Jahrzehnte,<br />
heißt es in dem Bericht, könnte Solarenergie<br />
so viel Strom liefern wie<br />
72 Kohlekraftwerke – genug für<br />
die Versorgung von 100 Millionen<br />
Menschen oder die Bevölkerung<br />
von Algerien, Marokko, Tunesien<br />
und Libyen zusammengerechnet.<br />
Chancen durch<br />
Elektrifizierung<br />
Mit dem Nationalen Plan von<br />
1976 setzte sich Algerien erstmals<br />
zum Ziel, das gesamte Land ans<br />
Stromnetz zu bringen. Eine wichtige<br />
Rolle dabei spielen staatliche<br />
Unternehmen wie Sonelgaz. Die<br />
Umsetzung des riesigen Infrastrukturprogramms<br />
hält bis heute<br />
an, doch die größten Löcher im<br />
Stromnetz sind bereits beseitigt.<br />
Von 1962, dem Jahr der Unabhängigkeit,<br />
bis 2001 stieg der Anteil<br />
der erschlossenen Gebiete von 33<br />
Prozent auf 96 Prozent (schwach<br />
besiedelte Gebiete nicht eingerechnet).<br />
Zwischen 2001 und<br />
2010 wurden weitere 100 000<br />
Kilometer Nieder- und Mittelspannungsleitungen<br />
gezogen<br />
und 3,5 Millionen Stromzähler<br />
installiert. Die benötigten Kabel<br />
wurden vom Staatsunternehmen<br />
Cabeleq bezogen. Auch in Zukunft<br />
wird die Nachfrage nach<br />
seinen Produkten hoch bleiben:<br />
Neue Industriegebiete, die Erschließung<br />
ländlicher Regionen,<br />
Telekommunikation und Elektrifizierungsprogramme<br />
für Schienenwege<br />
und Straßen garantieren<br />
über mindestens weitere 15 Jahre<br />
einen dynamischen Markt.<br />
Nationaler Entwicklungsplan<br />
2010 bis 2014<br />
Während des zehnjährigen Bürgerkriegs<br />
in den 90er-Jahren kamen<br />
die Infrastrukturmaßnahmen<br />
fast vollständig zum Erliegen.<br />
Jetzt, da das Land stabilisiert ist,<br />
will die Regierung die verlorene<br />
Zeit aufholen. In ihrem Nationalen<br />
Entwicklungsplan für 2010<br />
bis 2014 sieht sie eine umfangreiche<br />
Verbesserung der Lebensumstände<br />
vor. Im ganzen Land<br />
werden Häuser, Straßen und Wasserspeicher<br />
gebaut.<br />
„Diese öffentlichen Programme<br />
stimulieren die Inlandsnachfrage<br />
und helfen zugleich, die Erwartung<br />
gewisser Standards bei<br />
Wohnraum, Gesundheit, Transportwesen<br />
und Bildung zu erfüllen,<br />
an denen es vor dem Entwicklungsplan<br />
noch mangelte“,<br />
sagt Algeriens Finanzminister<br />
Karim Djoudi.<br />
Für jedes dieser Programme<br />
werden Kabel und andere Produkte<br />
benötigt, die von der Cabeleq-Tochter<br />
Electro-Industries<br />
mit anerkannt hoher Qualität produziert<br />
werden. Zudem verspricht<br />
allein die fortlaufende Elektrifizierung<br />
des Landes für weitere 15<br />
bis 20 Jahre gute Geschäfte.<br />
Auf der Suche nach starken<br />
Partnern<br />
Eines der Ziele Algeriens ist, die<br />
eigene Stromproduktion in den<br />
nächsten Jahren zu verdoppeln<br />
und die Importe entsprechend zu<br />
verringern. Dafür soll Electro-<br />
Industries eine steigende Anzahl<br />
von Transformatoren bereitstellen.<br />
Bei Transformatoren kleiner<br />
und mittlerer Größe ist das Unternehmen<br />
mit fast 60 Prozent<br />
Marktanteil führend, doch sein<br />
Angebot an Hochleistungstransformatoren<br />
ist noch kaum entwickelt.<br />
Deren Herstellung ist ein<br />
komplexer und langwieriger<br />
Prozess, sodass Electro-Industries<br />
davon bislang nur Wenige<br />
baut. Angesichts der wachsenden<br />
Nachfrage, die vor allem vom<br />
Partner Sonelgaz kommt, soll<br />
sich das künftig ändern.<br />
Am besten lässt sich dieses<br />
Ziel durch eine Partnerschaft mit<br />
einem ausländischen Hersteller<br />
erreichen. Electro-Industries<br />
strebt eine langfristige Geschäftsbeziehung<br />
an, bietet eigene Expertise<br />
auf vielen Segmenten des<br />
Marktes und erwartet von seinem<br />
Partner im Gegenzug Unterstützung<br />
bei technischen und Managementfragen.<br />
Exporte in Sicht<br />
Electro-Industries beschränkt<br />
sich mit seinen Ambitionen nicht<br />
allein auf den algerischen Markt.<br />
Das Unternehmen hat in der<br />
ganzen Region bereits zahlreiche<br />
Geschäftschancen ausgemacht<br />
und will diese jetzt mit Unterstützung<br />
eines Partners angehen.<br />
„Wir haben eine Klasse von Unternehmen<br />
entwickelt, die in meinen<br />
Augen sowohl inländische<br />
Nachfrage bedienen als auch auf<br />
internationalen Märkten mithalten<br />
können“, sagt Finanzminister<br />
Djoudi. „Außerdem haben wir<br />
unser öffentliches Beschaffungsprogramm<br />
dazu genutzt, die wirtschaftliche<br />
Modernisierung zu<br />
fördern und zugleich die Steuerlast<br />
zu reduzieren.“<br />
Wir wollen ins Geschäft mit Solarakkus einsteigen.<br />
ENPEC hat bereits den Anfang gemacht …<br />
Aziza Boukaoula, CABELEQ-Chefin<br />
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14 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Innovation, Technologie<br />
und Wissenstransfer<br />
Bessere Ausbildung und die Weitergabe von Wissen und Technologie durch erfahrene Partner im Ausland<br />
Partnerschaften mit Unternehmen<br />
aus dem Ausland sind in der Geschäfts-<br />
welt Algeriens höchst gefragt.<br />
Kein Wunder. Ein idealer<br />
Joint-Venture- Partner kann nicht nur<br />
zusätzliche Er- fahrung einbringen<br />
und dabei helfen, Betriebe vor Ort<br />
zu modernisieren, sondern auch bei<br />
Management und Marketing wertvolle<br />
Unterstützung leisten. Letztlich<br />
geht es bei diesen Verbindungen<br />
mit dem Ausland vor allem um eins:<br />
Personalentwicklung. Regierung wie<br />
Privatwirtschaft sind sich einig, dass<br />
Algerien gut ausgebildete heimische<br />
Arbeitskräfte braucht, die das Land<br />
auf einen Weg bringen, den künftige<br />
Generationen weitergehen können.<br />
Ebensolche Einigkeit herrscht darüber,<br />
dass Ausbildung und Schulung<br />
auf der richtigen Ebene koordiniert<br />
und gesteuert werden müssen. Das gilt<br />
für den Staat ebenso wie für den Privatsektor.<br />
In der Vergangenheit musste<br />
die Regierung oft zusehen, wie Angestellte<br />
im öffentlichen Dienst nach<br />
ihrer Ausbildung ins Ausland oder zu<br />
einem Privatunternehmen wechselten,<br />
sodass nur die ungelernten Kräfte<br />
blieben. Diese Erfahrung möchte das<br />
Land aus verständlichen Gründen<br />
nicht wiederholen.<br />
Für Ahmed Tibaoui, den Chef<br />
der World Trade Centers Association<br />
in Algerien, ist klar, wie sich<br />
das Geschäftsklima verbessern<br />
und die Abwanderung von hellen<br />
Köpfen vermeiden lässt: „Bildung,<br />
Bildung, Bildung. Wir müssen das<br />
Gleiche tun wie China, nämlich mit<br />
Steuererleichterungen und anderen<br />
Anreizen international anerkannte<br />
Business Schools nach Algerien<br />
holen. Eine umfassende Bildungsreform<br />
ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen<br />
Zukunft“.<br />
Insgesamt verfügt das Land durchaus<br />
über einen jungen, dynamischen<br />
und qualifizierten Pool an Arbeitskräften.<br />
Zwar gibt es noch Schulungsbedarf,<br />
doch beispielsweise<br />
beim staatlichen Elektrohersteller<br />
INDELEC genießen die Fähigkeiten<br />
der lokalen Arbeitskräfte einen guten<br />
Ruf. Unternehmenschef Ahmed Fettouhi<br />
bezeichnet Personalentwicklung<br />
als zentral für seine Ambitionen<br />
in Bezug auf Modernisierung und<br />
Expansion. Kurz gesagt: Die grundlegenden<br />
Humanressourcen sind in<br />
Algerien bereits vorhanden.<br />
„Von einer Partnerschaft erwarten<br />
wir einen globalen Wissenstransfer,<br />
der alle Aspekte umfasst – Produktion<br />
ebenso wie Management und<br />
Marketing. Das verbindende Element<br />
bei all diesen Faktoren, und<br />
das ist in meinen Augen am wichtigsten,<br />
ist der menschliche Aspekt,<br />
die Ausbildung des Personals“, sagt<br />
Fettouhi.<br />
INDELEC sucht, wie viele andere<br />
algerische Unternehmen auch, nach<br />
Partnern mit ausgeprägten Branchenkenntnissen,<br />
in die sie sich einbringen<br />
wollen – nicht nur in Bezug<br />
auf die Ressourcen, sondern auch in<br />
Bezug auf Möglichkeiten in der Produktentwicklung.<br />
Von einem Partner erhofft sich IN-<br />
DELEC Unterstützung bei der Produktentwicklung<br />
und beim Aufbau<br />
neuer Zentren für Forschung und<br />
Entwicklung (F&E). Dabei ist das<br />
Unternehmen sowohl an Innovationen<br />
interessiert, weil es auf dem<br />
algerischen Markt Bedarf an neuen<br />
„Man muss sagen, dass algerische Verbraucher<br />
dazu neigen, Güter zu kaufen, die vom<br />
öffentlichen Sektor hergestellt wurden. Das gibt<br />
ihnen Sicherheit.“<br />
Ahmed Fettouhi, INDELEC-Chef<br />
Produkten gibt, als auch an einer<br />
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
auf dem lokalen Markt, der<br />
immerhin drei Millionen Menschen<br />
umfasst.<br />
Während andere algerische Unternehmen<br />
die Exporte steigern<br />
wollen, liegt der Fokus von INDE-<br />
LEC auf dem Heimatmarkt. Auch<br />
die geplanten F&E-Zentren sollen<br />
hauptsächlich zur Entwicklung von<br />
Lösungen und Produkten speziell für<br />
den lokalen Markt beitragen, indem<br />
sie Traditionen des Landes berücksichtigen.<br />
„Wenn ich ein profitables F&E-<br />
Zentrum aufbaue, werden dort mit<br />
Sicherheit Produkte entstehen, die<br />
nichts mit den Bedürfnissen in Europa<br />
zu tun haben. Denn ich ziele<br />
auf ein Marktsegment ab, das sich<br />
deutlich von Europa unterscheidet.<br />
Algerische Kunden haben andere<br />
Gewohnheiten und Traditionen“,<br />
sagt Fettouhi.<br />
So entsteht in Algerien derzeit ein<br />
Markt für kleinere Kühlschränke, die<br />
sich in Büros oder im Freien benutzen<br />
lassen. Die INDELEC-Tochter<br />
ENIEM, führender Kühlschrankhersteller<br />
im Land, ist bislang nicht<br />
in der Lage, solche Kleingeräte zu<br />
produzieren. Mit Hilfe eines Partners<br />
könnten INDELEC und ENIEM<br />
auch die Nachfrage in dieser wachsenden<br />
Marktnische bedienen.<br />
INDELEC will für jeden seiner<br />
Kernbereiche einen passenden<br />
Partner finden. Dadurch soll um<br />
das Mutterunternehmen herum eine<br />
Gruppe von kleineren Ablegern entstehen,<br />
die neue Märkte und neue<br />
Kunden ansprechen und so Umsatz<br />
und Gewinn steigern.<br />
Reda Hamiani, Leiter des Unternehmerverbands<br />
Forum des Chefs<br />
d‘Entreprises, erklärt die Lage so:<br />
„Der nötige Geschäftssinn ist vorhanden,<br />
genau wie in der gesamten<br />
Mittelmeer-Region. Das Problem ist,<br />
dass unser Bildungssystem nicht gut<br />
auf die Bedürfnisse der Wirtschaft<br />
abgestimmt ist: In Algerien gibt es<br />
kaum ein mittleres Management und<br />
auch keine Ausbildung dafür, keine<br />
Business Schools oder Universitäten,<br />
an denen Management, Marketing<br />
Ahmed Fettouhi, INDELEC-Chef<br />
oder einfache Geschäftsprinzipien<br />
gelehrt werden. Wir haben keine Abstufung<br />
unterschiedlicher Abschlüsse.<br />
Die Leute haben entweder keine<br />
Qualifikation, oder sie sind überqualifiziert,<br />
wie Ärzte, Ingenieure oder<br />
Wissenschaftler. Unsere Studenten<br />
müssen lernen, was ein Markt ist,<br />
wie man Preise kalkuliert, wie Export<br />
funktioniert und so weiter.“<br />
„Die Lücke in unserem Bildungssystem<br />
erklärt zugleich, warum<br />
wir so wenige kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU) haben:<br />
nur 75 pro 100 000 Einwohner, in<br />
Marokko sind es 350 pro 100 000<br />
Einwohner. Wir haben heute 600<br />
000 KMU, 95 Prozent davon Handwerker,<br />
aber es sollten mindestens<br />
1,5 Millionen sein. Wir müssen unserer<br />
Jugend dringend beibringen,<br />
wie man die Initiative ergreift, etwas<br />
riskiert, investiert und ein Unternehmen<br />
aufbaut.“<br />
Die Konsumgewohnheiten in Algerien<br />
verändern sich. Die Nachfrage<br />
nach neuen Produkten und<br />
modernen Entwicklungen wie 3D-<br />
Brillen steigt. „Die Leute hier sind<br />
geradezu besessen von allem, was<br />
neu ist. Wenn es neu ist, wollen sie<br />
es kaufen“, sagt Fettouhi.<br />
Auf der Suche nach<br />
Win-win-Situationen<br />
Unternehmen wie INDELEC wollen auf dem Heimatmarkt führend bleiben – mithilfe von internationalen Partnerschaften.<br />
Hochwertige Produkte haben in<br />
Algerien eine lange Tradition.<br />
Viele Einheimische kaufen lieber<br />
„Made in Algeria“ als Importe,<br />
weil sie die Herstellung im eigenen<br />
Land als Garant für Qualität,<br />
Haltbarkeit und Authentizität verstehen.<br />
Und auch im Ausland sind<br />
algerische Produkte gefragt.<br />
Nach Angaben der nationalen Investitionsagentur<br />
ANDI (Agence<br />
Nationale de Développement de<br />
l’Investissement) hat sich Algeriens<br />
Exportvolumen zwischen 2001<br />
und 2010 von 19,1 Mrd. Dollar auf<br />
gut 57 Mrd. Dollar erhöht. Allerdings<br />
überTrifft die Binnennachfrage<br />
das inländische Angebot bei<br />
Weitem, sodass die Importe im<br />
selben Zeitraum von 9,9 Mrd. auf<br />
rund 40,5 Mrd. Dollar noch stärker<br />
anstiegen.<br />
Europäische Staaten wie Frankreich,<br />
Italien und Spanien exportieren<br />
traditionell sehr viel nach<br />
Algerien, neuerdings drängen<br />
aber auch chinesische und türkische<br />
Anbieter dorthin. So kamen<br />
2010 von den 460 Mio. Dollar<br />
an importierten IT-Produkten<br />
schon 54 Prozent aus China.<br />
Mit diesem Hintergrund ist es<br />
nicht überraschend, dass algerische<br />
Unternehmen zunehmend nach<br />
Joint Ventures suchen. Sehr gefragt<br />
sind etwa Partner aus den USA, die<br />
Fabriken modernisieren oder Lizenzen<br />
vergeben können. Andersherum<br />
glauben US-Unternehmen<br />
trotz der internationalen Finanzkrise<br />
daran, dass Algeriens Exportmarkt<br />
weiter wächst. Da auch die<br />
Inlandsnachfrage zunimmt, werden<br />
immer häufiger Partnerschaften<br />
mit lokalen Unternehmengeplant.<br />
Schon heute werden viele internationale<br />
Markenprodukte<br />
und Dienstleistungen in Algerien<br />
produziert, fertiggestellt oder erbracht.<br />
„Zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung<br />
[1962] exportierte Algerien<br />
alles Mögliche, von Maschinen<br />
bis hin zu Wein – allein<br />
acht Millionen Hektoliter Wein<br />
nach Frankreich“, sagt Mohamed<br />
Benmeradi, Algeriens Minister<br />
für Industrie, kleine und mittlere<br />
Unternehmen und Investitionsförderung,<br />
„Heute aber haben wir<br />
keine industrielle Basis mehr und<br />
müssen viele Konsumgüter importieren.“<br />
Partner mit Qualität<br />
Trotzdem gibt es in Algerien<br />
noch Industrieunternehmen, die<br />
hochwertige Konsumgüter produzieren,<br />
zum Beispiel INDELEC.<br />
Das Unternehmen setzt alles daran,<br />
seine führende Stellung im<br />
Land zu bewahren. Über strategische<br />
Partnerschaften mit ausländischen<br />
Unternehmen will der<br />
Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit<br />
weiter verbessern.<br />
Das staatseigene Unternehmen<br />
produziert und verkauft Elektrogeräte.<br />
Gegründet wurde es 1970<br />
in einer Partnerschaft mit General<br />
Electric (GE) aus den USA. GE<br />
wollte seine Produktion in Übersee<br />
ausbauen, und zu dieser Zeit<br />
galt Algerien als das am besten<br />
geeignete Land für solche Pläne.<br />
In den Folgejahren jedoch wurde<br />
klar, dass das Umsatzvolumen<br />
nicht ausreichte, um eine vollständige<br />
Produktionsinfrastruktur<br />
zu unterhalten. Mehrere Standorte<br />
wurden deshalb mit der Zeit<br />
geschlossen.<br />
Heute hat INDELEC eine<br />
Reihe von erfolgreichen Tochtergesellschaften<br />
im Bereich<br />
elektronischer und elektrischer<br />
Hausgeräte. Viele davon sind<br />
Marktführer. ENIEM stellt Haushaltsgeräte<br />
wie Kühlschränke<br />
und Waschmaschinen her, ENIE<br />
ist auf Unterhaltungselektronik<br />
wie Fernseher, Stereoanlagen<br />
und Heimkinosysteme spezialisiert.<br />
Weitere Töchter sind EIMS<br />
(Hygiene-Produkte), FILOP<br />
(Lampen), Alphatron (PCs) und<br />
ENASK (Aufzüge). Die beiden<br />
bekanntesten Marken ENIEM und<br />
ENIE erwirtschaften den Großteil<br />
des Konzernumsatzes. Die Gruppe<br />
verfügt über eine starke Bilanz<br />
und ist für eine Expansion gut<br />
aufgestellt.<br />
Anreize für ausländische Partner<br />
Viele ambitionierte Unternehmen<br />
aus Algerien verfolgen dieselbe<br />
Strategie: die eigenen Stärken<br />
nutzen und zugleich strategische<br />
Partnerschaften mit internationalen<br />
Anbietern abschließen. IN-<br />
DELEC zum Beispiel kann dabei<br />
auf mehrere Vorteile setzen: Das<br />
Unternehmen hat gut entwickelte<br />
Produktionskapazitäten mit allen<br />
nötigen Anlagen, verteilt über<br />
das ganze Land. Manche davon<br />
müssten ergänzt und modernisiert<br />
werden, doch sie sind einsatzbereit.<br />
Zudem verfügt INDELEC über<br />
ein starkes landesweites Vertriebsnetz<br />
und einen leistungsfähigen<br />
Kundendienst. Um von<br />
Marktkenntnis, Bekanntheit und<br />
Glaubwürdigkeit der beiden<br />
Töchter zu profitieren, hat das<br />
Management der Gruppe Funktionen<br />
wie Verkauf und Vertrieb bei<br />
ihnen gebündelt. Dadurch können<br />
sie Ausstellungsflächen und Vertriebsteams<br />
gemeinsam nutzen,<br />
sodass eine einheitliche Marke<br />
mit hoher Anziehungskraft auf<br />
die Kunden entstanden ist.<br />
Hinzu kommt: Für Algerien<br />
bietet sich die Gelegenheit, starke<br />
Verbindungen zu seinen Nachbarländern<br />
aufzubauen, die zwar<br />
Arbeitskräfte haben, aber nicht<br />
alle ansonsten nötigen Ressourcen.<br />
Gute Handelsbeziehungen zu<br />
diesen Ländern könnten Algerien<br />
und den restlichen Maghreb als<br />
weltweit bedeutende Wirtschaftsregion<br />
etablieren. Der Austausch<br />
ist bereits im Gang, etwa zwischen<br />
Tunesien und Algerien, und<br />
dürfte sich noch intensivieren.<br />
Made in Algeria: Qualitätssiegel<br />
und Schlüssel zum Binnenmarkt<br />
Algerier sind daran gewöhnt, robuste<br />
und langlebige Güter zu<br />
kaufen – im Gegensatz zum Wegwerftrend<br />
in vielen europäischen<br />
und asiatischen Ländern.<br />
„Man muss sagen, dass algerische<br />
Verbraucher dazu neigen,<br />
Güter zu kaufen, die vom öffentlichen<br />
Sektor hergestellt wurden.<br />
Das gibt ihnen Sicherheit.<br />
Sie glauben immer, dass staatliche<br />
Unternehmen nicht tricksen.<br />
Langlebigkeit ist hierzulande ein<br />
sehr wichtiger Faktor“, erklärt<br />
INDELEC-Chef Ahmed Fettouhi.<br />
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FREITAG, 6. JULI<br />
ALGERIEN<br />
15<br />
Aufbau der industriellen Grundlage durch<br />
Den Einsatz von Nachunternehmen<br />
Fertigung im Auftrag anderer Unternehmen ist ein wichtiges Element der Wachstumsstrategie von ENIEM. Letztlich könnte diese Strategie dem<br />
gesamten Land dabei hel- fen, die Ausgaben für Importe zu verringern und wieder eine eigene industrielle Basis zu entwickeln<br />
ENIEM ist eines der Juwelen der<br />
INDELEC-Gruppe. Das Unternehmen<br />
mit Sitz in Tizi-Ouzou in der<br />
Nähe der Küste ist spezialisiert<br />
auf „weiße Ware“, also Haushaltsgeräte<br />
wie Kühlschränke, Herde<br />
oder Waschmaschinen, und hat<br />
zwei Tochtergesellschaften: EIMS<br />
produziert Metallprodukte für den<br />
Sanitär-Bereich, wie Badewannen<br />
oder Duschköpfe, und FILAMP<br />
stellt Lampen her. Wirtschaftlich ist<br />
ENIEM mit 5 Mrd. Dinar (etwa 51<br />
Millionen Euro) Jahresumsatz und<br />
2000 Beschäftigten gut in Form.<br />
Dabei profitiert das Unternehmen<br />
von seinem hervorragenden<br />
Ruf für solide und langlebige<br />
Qualitätsprodukte. Die Marke ist<br />
führend bei Haushaltsgeräten und<br />
besonders bekannt für ihre Kühlschränke.<br />
Im internationalen Wettbewerb<br />
könnten diese Qualitätsprädikate<br />
aber eher zum Hindernis<br />
werden, denn hochwertige Güter<br />
sind teurer zu produzieren und auf<br />
den hochgradig umkämpften Märkten<br />
von heute schwieriger mit<br />
Gewinn zu verkaufen. Tatsächlich<br />
betrachten viele Algerier, anders<br />
als Europäer, die Anschaffung<br />
eines Kühlschranks als langfristige<br />
Investition.<br />
Trotzdem entsteht mit der Weiterentwicklung<br />
des algerischen<br />
Markts Bedarf an neuen Produkten,<br />
neuen Designs und neuen<br />
Produktlinien. Um diese Wachstumschancen<br />
nicht zu verpassen,<br />
muss ENIEM starke Verbindungen<br />
zu Partnern aufbauen. Von DO-<br />
MELEC wurde diese Strategie bereits<br />
erfolgreich umgesetzt.<br />
Dieses Unternehmen produziert<br />
seit einigen Jahren zusammen mit<br />
Microsoft und Intel PCs. Die Kooperation<br />
umfasst geschäftliche wie<br />
technische Aspekte. Unter anderem<br />
profitiert DOMELEC vom Wissen<br />
der US-Partner über Einkauf, Produkttests<br />
und Marketing.<br />
Noch wichtiger aber ist für<br />
ENIEM die Optimierung der vorhandenen<br />
Produktionsstätten. Es<br />
ergibt keinen Sinn, für eine neue<br />
Produktlinie eigens eine neue Fabrik<br />
zu bauen, wenn die bestehenden<br />
Anlagen noch in gutem Zustand<br />
und nicht voll ausgelastet sind.<br />
ENIEM verfügt über eine starke<br />
Produktionsbasis und exzellentes<br />
Know-how bei der Fertigung von<br />
Ersatzteilen, bei Fließbandfertigung<br />
und Ähnlichem. Und das Potenzial<br />
ist groß. Die Tochter EIMS<br />
zum Beispiel verkauft derzeit nur<br />
20 000 bis 30 000 Badewannen und<br />
erwirtschaftet damit 257 Mio. Dinar<br />
(2,6 Mio. Euro) Umsatz. Das<br />
ist wenig, vor allem, wenn man<br />
bedenkt, dass die Regierung plant,<br />
zwei Millionen neue Wohnhäuser<br />
zu bauen. Das birgt ein enormes<br />
Expansionspotenzial. Zugleich<br />
könnten Chancen für den Export<br />
entstehen. ENIEM spricht bereits<br />
mit potenziellen Partnern aus<br />
Deutschland und Asien.<br />
Laut INDELEC-Chef Ahmed<br />
Fettouhi will die Unternehmensgruppe<br />
verstärkt dafür sorgen, dass<br />
sämtliche Produktionsanlagen immer<br />
voll ausgelastet sind. Auch<br />
Möglichkeiten zur Auftragsfertigung<br />
sollen dafür genutzt werden.<br />
Aufträge als Nachunternehmer<br />
anzunehmen, ist ein wesentliches<br />
Element der Wachstumsstrategie<br />
von ENIEM. Davon profitiert<br />
nicht nur das Unternehmen, sondern<br />
letztlich das ganze Land,<br />
denn so können die Importe verringert<br />
und wieder eine industrielle<br />
Basis im Inland geschaffen<br />
werden. Derzeit werden viele<br />
Teile importiert, die auch vor Ort<br />
produziert werden könnten.<br />
Um das sogenannte Subcontracting<br />
auszubauen, müssen algerische<br />
Unternehmen – öffentliche<br />
wie private – global denken und<br />
politische Aspekte ebenso beachten<br />
wie ökonomische. Der Entwicklungsplan<br />
der Regierung sieht<br />
vor, dass jeder Sektor das Subunternehmertum<br />
mit entsprechenden<br />
Investitionen fördert. Entscheidend<br />
dabei ist, Doppelinvestitionen zu<br />
vermeiden und so die Synergieeffekte<br />
zwischen den einzelnen Unternehmen<br />
zu maximieren.<br />
Der Plan erfordert zwar Koordination<br />
und Steuerung, doch<br />
ein effizientes Subunternehmernetz<br />
könnte Algeriens Importausgaben<br />
drastisch reduzieren.<br />
Natürlich haben wir unser Programm für die<br />
öffentliche Beschaffung dafür genutzt, eine<br />
wirtschaftliche Modernisierung zu<br />
fördern und die Steuerlast zu verringern.<br />
Karim Djoudi, Finanzminister<br />
Durch Subcontracting-Initiativen<br />
von Töchtern wie ENIEM, ENIE<br />
(Fernsehgeräte des Premiumsegments)<br />
oder SONARIC hat INDE-<br />
LEC bereits ansehnliche Einsparungen<br />
von 120 Mio. Dinar erzielt.<br />
Ziel ist der Aufbau einer Industrie,<br />
die Qualitätsprodukte zu niedrigen<br />
Kosten herstellt – so wie es in der<br />
Türkei oder in Tunesien bereits der<br />
Fall ist. Für Algerien sprechen dabei<br />
niedrige und steuerfreie Löhne,<br />
geringe Energiekosten und die<br />
Nähe zu Europa.<br />
„Natürlich haben wir unser<br />
Programm für die öffentliche<br />
Beschaffung dafür genutzt, eine<br />
wirtschaftliche Modernisierung<br />
zu fördern und die Steuerlast zu<br />
verringern. Durch diesen Prozess<br />
haben wir meiner Meinung nach<br />
eine Klasse von Unternehmen geschaffen,<br />
die sowohl die Binnennachfrage<br />
befriedigen als auch auf<br />
internationalen Märkten mithalten<br />
können“, sagt Algeriens Finanzminister<br />
Karim Djoudi.<br />
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16 ALGERIEN<br />
FREITAG, 6. JULI<br />
Auf seinem Weg von einem sozialistisch<br />
geprägten System zu einer neuaufgestellten,<br />
produktiven und diversifizierten<br />
Volkswirtschaft hat Algerien<br />
riesige Fortschritte gemacht. Durch die<br />
Liberalisierung seiner Märkte bietet das<br />
Land Zugang zu 37 Millionen potenziellen<br />
Kunden und unzählige Gelegenheiten<br />
für ausländische Investoren, wie<br />
Finanzminister Karim Djoudi erklärt:<br />
„Weil die Inlandsnachfrage sehr groß<br />
ist, haben die verfügbaren Einkommen<br />
zugenommen, was wiederum zu einem<br />
starken Anstieg der Konsumausgaben<br />
geführt hat“.<br />
Angelockt von Steuervorteilen und<br />
niedrigen Arbeitskosten haben sich<br />
Unternehmen wie die Pharmakonzerne<br />
GSK und AstraZeneca in Algerien angesiedelt.<br />
Andere aus den Bereichen<br />
Banken, Dienstleistungen, Medizintechnik,<br />
Luftfahrt, Entsalzung und<br />
Technologie sind gefolgt. General Electric<br />
unterzeichnete mit dem algerischen<br />
Unternehmen Sonelgaz kürzlich einen<br />
1. Mrd. Dollar schweren Vertrag über<br />
den Bau eines Kraftwerks in El-Tarf.<br />
Im Automobilsektor arbeiten<br />
Mercedes und Deutz in Partnerschaft<br />
mit Equipag und SNVI. Mercedes will<br />
bald sogar eigene Fahrzeuge in algerischen<br />
Fabriken produzieren. „Die ersten<br />
Mercedes-Lastwagen werden 2013<br />
vom Band rollen. Sie werden nach internationalen<br />
Standards produziert, was für<br />
uns sehr wichtig ist. Die deutschen Partner<br />
interessieren sich für unseren KMU-<br />
Sektor, der das Projekt unterstützen<br />
wird. Somit passen alle Puzzlestücke<br />
zusammen“, sagt Algeriens Industrieminister<br />
Mohamed Benmeradi.<br />
Seit 2007 setzt Algerien statt auf<br />
direkte Privatisierungen auf Partnerschaften,<br />
und die internationalen Partner<br />
müssen technisches und Managementwissen<br />
teilen. Für Amin Baghli,<br />
Chef des Telekomriesen SITEL, ist<br />
es genau diese Kombination aus algerischen<br />
Unternehmenswerten und<br />
fremdem Know-how, die aus der Partnerschaft<br />
mit dem schwedischen Hersteller<br />
Ericsson einen Erfolg werden<br />
ließ: „SITEL wurde gegründet, um<br />
das nationale Telefonnetz aufzubauen.<br />
Folglich bietet eine Partnerschaft dem<br />
ausländischen Unternehmen die Gelegenheit,<br />
an der Digitalisierung des<br />
Netzes zu arbeiten, und lässt zugleich<br />
Die Gunst der<br />
Stunde nutzen<br />
Algerien hat mittlerweile alle Voraussetzungen versammelt, sich zu einer bedeutenden<br />
Wirtschaftsmacht zu entwickeln. Unternehmen aus dem Ausland werden ermutigt, denen zu<br />
folgen , die sich bereits für eine Investition in Algerien entschieden haben<br />
einheimischen Unternehmen Spielraum<br />
zur Beteiligung.“<br />
Das deutsche Unternehmen Knauf<br />
Algerien, ein Hersteller von Gipskartonplatten<br />
und Isoliermaterial für die<br />
Bauindustrie, ist heute Afrikas größter<br />
Exporteur dieser Produkte. Seit seinen<br />
Anfängen in Algerien im Jahr 2006<br />
hat es die Zahl seiner Beschäftigten<br />
dort auf 320 verdoppelt. Dank neuer<br />
Technologien und des Wissenstransfers<br />
beschäftigt die Gipsindustrie des<br />
Landes inzwischen indirekt mehr als<br />
3000 Menschen.<br />
„In Zusammenarbeit mit dem Ministerium<br />
für Berufsausbildung vergeben<br />
wir Praktika, insofern ist dies eine<br />
Partnerschaft zwischen Knauf Algerien<br />
und einer öffentlichen Institution. Es<br />
gibt sechs Pilotprojekte für Schulungszentren<br />
im Land, in denen die Verwendung<br />
von Gips nach internationalen<br />
Standards gelehrt wird. Der Staat hat<br />
dieses Gewerbe anerkannt, sodass junge<br />
Unternehmensgründer jetzt in angegliederten<br />
Bereichen Unternehmen<br />
aufbauen können, beispielsweise in der<br />
Inneneinrichtung oder der Dekoration“,<br />
sagt Brahim Abdelatif, Geschäftsführer<br />
von Knauf Algerien, „wir haben bereits<br />
2000 junge Menschen geschult.“<br />
Lafarge, einer der größten Zementhersteller<br />
der Welt, hat wiederum davon<br />
profitiert, dass er an drei aufeinanderfolgenden<br />
Infrastrukturprogrammen beteiligt<br />
war. Industrieminister Benmeradi<br />
beschreibt die steuerlichen und rechtlichen<br />
Anreize, die Investitionen des<br />
Privatsektors – ob inländisch oder ausländisch<br />
– fördern: „Die Regierung hat<br />
für Investitionen in den Provinzen des<br />
südlichen Hochplateaus einen attraktiven<br />
Rahmen geschaffen. Man kann gemeinsam<br />
mit Anderen Land erwerben,<br />
manchmal sogar kostenlos. Man erhält<br />
bis zu zehn Jahre Steuer- befreiung.<br />
Man kann investieren, ohne selbst einen<br />
einzigen Cent auszugeben! Wenn Sie<br />
Maschinen importieren müs- sen, zahlen<br />
Sie keinen Zoll und keine Umsatzsteuer<br />
dafür. Sie zahlen auch keine Steuern auf<br />
Ihre Unternehmensgewinne.“<br />
„Es gibt inzwischen Privatunternehmen,<br />
die mehr Erfolg haben als staatliche“,<br />
erklärt Benmeradi weiter. „Im<br />
Bereich Lebensmittel hat die Benamor-<br />
Gruppe als eine der ersten in die eigene<br />
Produktion investiert, während ähnliche<br />
Unternehmen noch von Importen<br />
abhängig waren. Benamor finanziert<br />
Programme und hat ein Netz von Produzenten<br />
aufgebaut. Das Unternehmen<br />
übernimmt die Ernte, die Sortierung<br />
und die Klassifizierung des Tomatenkonzentrats.<br />
Es ist ein echtes Vorbild“,<br />
resümiert der Minister.<br />
IFRI, ein Pionier auf dem Getränkemarkt,<br />
ist eine Familien-Erfolgsgeschichte,<br />
die auch für die Entwicklung<br />
Algeriens steht. Das ISO-zertifizierte<br />
Unternehmen hat mehr als 50 Prozent<br />
Marktanteil und ist in 14 Ländern tätig.<br />
„Als wir 2005 unsere erste Anlage<br />
für die Abfüllung von Mineralwasser<br />
auf- gebaut haben, konnten wir ein<br />
Gesetz von 1993 zur Förderung von<br />
Investitionen in Anspruch nehmen“,<br />
sagt IFRI-Chef Ibrahim Kassi. „Der<br />
Fonds zur Förderung der Exporte hat<br />
uns bei den Kosten für den Transport<br />
unserer Waren geholfen und auch bei<br />
den Kosten für die Teilnahme an Messen<br />
und Ausstellungen im Ausland.“<br />
IFRI wird diesen September auf der<br />
International Food Industry Fair in<br />
Miami vertreten sein.<br />
„Der Jahrestag unserer Unabhängigkeit<br />
ist ein historisches Datum“, so Kassi<br />
weiter. „Er steht für ein halbes Jahrhundert<br />
sozialer und wirtschaftlicher<br />
Fortschritte. Für die jungen Menschen<br />
bedeuten die Feierlichkeiten vor allem<br />
der Beginn einer neuen Ära – einer Ära,<br />
in der unser Land zu den Schwellenmärkten<br />
zählt.“<br />
Eine neue Art des Bauens<br />
Als Knauf 2006 eine Niederlassung<br />
in Algerien eröffnete, kam mit einem<br />
der weltweit führenden Hersteller von<br />
ultraleichten Bauprodukten und systemen<br />
eine völlig neue Art des Bauens<br />
ins Land. „Den Beruf des Putzers hatte<br />
es zuvor in Algerien nicht gegeben.<br />
Zwar gab es Klempner, Zimmermänner,<br />
Maler und viele andere Gewerke,<br />
aber weder Putzer noch Trockenbauer“,<br />
sagt Brahim Abdelatif, Geschäftsführer<br />
von Knauf Algerien, dessen<br />
Unternehmen zur multinationalen<br />
Knauf Gruppe mit Sitz in Deutschland<br />
gehört.<br />
Im Rahmen eines Partnerschaftsvertrags<br />
mit dem Ministerium für<br />
Aus- und Fortbildung hat Knauf ein<br />
hochmodernes Schulungszentrum<br />
eröffnet. Sechs<br />
weitere fördert das Unternehmen<br />
mit finanzieller<br />
Unterstützung. Zusammen<br />
haben diese Einrichtungen<br />
bislang mehr als 3000<br />
Facharbeiter ausgebildet,<br />
die heute als Putzer und<br />
Trockenbaufachkräfte arbeiten.<br />
„Wir müssen schnell<br />
bauen in diesem Land.<br />
Trockenbaumethoden<br />
sind daher genau, was wir<br />
brauchen. Der Trockenausbau<br />
geht schnell, ist aber zugleich<br />
sehr leistungsstark. Er ist günstiger als<br />
traditionelle Methoden, technisch sehr<br />
fortschrittlich, ermöglicht Brand- und<br />
Schallschutz und sorgt für hochwertige<br />
Lösungen“, erklärt Abdelatif den<br />
Erfolg der neuen Baumethode. „Knauf<br />
ist eine bekannte Marke und ein Garant<br />
für hochwertige Bauprodukte.”<br />
„Wir bilden in unseren Zentren junge<br />
Menschen als Trockenbauer oder<br />
Putzer aus, sodass wir künftig bei<br />
Großprojekten nicht mehr auf ausländische<br />
Fachleute angewiesen sind“,<br />
sagt Abdelatif.<br />
Die beiden Brüder Knauf haben ihr<br />
Unternehmen 1932 in Perl an der Mosel,<br />
im Saarland, gegründet. Seitdem<br />
hat sich das Familienunternehmen zu<br />
einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe<br />
entwickelt, die an mehr als<br />
150 Standorten in 40 Ländern 23 000<br />
Mitarbeiter beschäftigt. Die Niederlassung<br />
in Algerien verfügt derzeit über<br />
200 Mitarbeiter und hat über Drittunternehmen<br />
weitere 120 Fachkräfte im<br />
Einsatz.<br />
„Indem wir über große Verträge mit<br />
Architekten und Bauunternehmen für<br />
Nachfrage sorgen, tragen wir erheblich<br />
zur Entstehung von kleinen Unternehmen<br />
bei, die unsere Produkte<br />
vertreiben und verbauen. Wir glauben,<br />
dass durch die Abschlussarbeiten an<br />
Gebäuden potenziell 30 000 Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden könnten“<br />
sagt Abdelatif.<br />
Ursprünglich war Knauf ein reiner<br />
„Schon jetzt werden<br />
durch Knauf Trockenbau-<br />
und moderne Gebäudesysteme<br />
entwickelt,<br />
die Algerien zum<br />
Vorreiter für Systeme<br />
zum Trockenbau in<br />
ganz Afrika machen.“<br />
Brahim Abdelatif,<br />
Geschäftsführer von<br />
Knauf Algerien<br />
Hersteller von konventionellem Gips,<br />
doch mittlerweile hat sich der Konzern<br />
auf die Produktion von Baumaterialien<br />
für den Trockenausbau spezialisiert<br />
und stellt Gipsplatten, Mineralfaserplatten<br />
für die akustische Dämmung<br />
sowie Trockenmörtel für den Inneneinsatz<br />
und zementhaltigen Putz für<br />
den Außeneinsatz her.<br />
Der Konzern bietet maßgeschneiderte<br />
Gesamtlösungen für einen flexiblen<br />
und schnellen Innenausbau an,<br />
zu denen auch seine bekannten Gipsplattensysteme<br />
gehören. Die Putz- und<br />
Bodenbelagsprodukte von Knauf lassen<br />
bei der Innenraumgestaltung viel<br />
Freiraum. Zudem bietet Knauf wetterfeste<br />
Außenputze an.<br />
Die leistungsstarken<br />
Wärmedämmstoffe auf<br />
Wollbasis sind recycelbar<br />
und können sowohl im<br />
Neubau als auch bei Sanierungen<br />
verbaut werden,<br />
vom Keller bis zum Dach.<br />
Aufgrund der einfachen<br />
Handhabung, hohen Qualität<br />
und Vielseitigkeit vertreibt<br />
Knauf seine Produkte<br />
nicht nur an Fachunternehmen<br />
im Baugewerbe, sondern<br />
über Baumärkte auch<br />
an Heimwerker, die ihre<br />
Häuser selbst renovieren<br />
oder ausbauen.<br />
„Wenn es um Materialien für die<br />
energiesparende oder akustische Dämmung<br />
geht, oder um einen hohen Lebensstandard,<br />
um die Integration von<br />
Licht und Klimatisierung, wird man<br />
einige dieser Techniken in Algerien<br />
nicht finden. Die Menschen kennen<br />
die Möglichkeiten, nutzen sie aber<br />
nicht“, sagt Abdelatif.<br />
„Wir helfen ihnen, damit zurechtzukommen.<br />
Es ist ein langer Prozess und<br />
wir gehen davon aus, dass die gesamte<br />
Gipsindustrie im Land an der Entwicklung<br />
dieser Techniken teilnehmen<br />
wird. Schon jetzt werden durch Knauf<br />
Trockenbau- und moderne Gebäudesysteme<br />
entwickelt, die Algerien zum<br />
Vorreiter für Systeme zum Trockenbau<br />
in ganz Afrika machen.“<br />
Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage