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FREITAG, 6. JULI<br />

1<br />

ALGERIEN<br />

Sie finden diesen Bericht unter<br />

worldfolio.co.uk<br />

TEIL 2<br />

Eine Sonderbeilage von GLOBUS VISION<br />

Eine führende Industrienation<br />

wächst heran<br />

Als eine von Afrikas fünf wichtigsten Volkswirtschaften, erzielt Algerien sich als Handelspartner der führenden europäischen Marken zu etablieren<br />

Algerien hat in der jüngsten Geschichte<br />

schwere Zeiten durchgemacht. Der Einbruch<br />

der Erdölpreise von 1986, die Intervention<br />

des Internationalen Währungsfonds<br />

(IWF) 1994 und das von sozialen<br />

Unruhen und politischen Krisen geprägte<br />

Schwarze Jahrzehnt – all das liegt noch<br />

nicht lange zurück. Doch in diesem Jahr,<br />

zum 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit,<br />

wird das Land eine beeindruckende wirtschaftliche<br />

Entwicklung feiern und seinen<br />

Anspruch erneuern, zu den fünf größten<br />

Volkswirtschaften Afrikas zu gehören.<br />

Mohamed Benmeradi, Minister für<br />

Industrie, kleine und mittlere Unternehmen<br />

und Investitionsförderung, erinnert<br />

an die schlechten Zeiten: „Wir mussten<br />

Tausende von Unternehmen schließen<br />

und Hunderttausende von Mitarbeitern<br />

entlassen, vor allem im industriellen Bereich.<br />

Als sich 2000 die Lage beruhigte,<br />

lag die Wirtschaft bereits völlig brach. Die<br />

in den 70er-Jahren gegründeten Unternehmen<br />

waren zwar noch da, aber nur zu 50<br />

Prozent ausgelastet. Sie mussten zudem<br />

restrukturiert, modernisiert und wiederbelebt<br />

werden.“<br />

Paradoxerweise war diese Krise der<br />

Ausgangspunkt der wirtschaftlichen<br />

Stabilisierung des Landes und letztlich<br />

des wirtschaftlichen Aufschwungs. „Das<br />

Land war gezwungen, seine Schulden<br />

zu reduzieren und seine Wirtschaft neu<br />

zu ordnen. Dank dieser Schritte drehten<br />

1997 und 1998 alle makroökonomischen<br />

Indikatoren wieder ins Plus“, berichtet<br />

Ahmed Tibaoui, Chef des World Trade<br />

Centre in Algier.<br />

Der Ölpreisverfall von 1986 machte<br />

deutlich, dass Algerien seine Wirtschaft<br />

diversifizieren und die Abhängigkeit vom<br />

Öl beenden musste. Heute ist das Land<br />

quasi frei von Auslandsschulden, weist<br />

allenfalls ein minimales Haushaltsdefizit<br />

aus, und die Inflationsrate zählt zu den<br />

geringsten in ganz Nordafrika und Nahost.<br />

Die zahlreichen Finanzkrisen, die der<br />

Weltwirtschaft so zu schaffen gemacht<br />

haben, hat Algerien erfolgreich überstanden<br />

– während viele Länder noch unter<br />

den Auswirkungen einer anhaltenden<br />

Rezession leiden, wächst die Wirtschaft<br />

Algeriens stabil um jährlich vier bis fünf<br />

Prozent.<br />

Die Entdeckung der Marktwirtschaft<br />

Seitdem der IWF dem Land Strukturanpassungen<br />

verordnet hat, öffnet sich Algerien<br />

für Privatisierung, ausländische<br />

Investitionen und dem Wettbewerb – enorme<br />

Schritte für ein Land, das seit seiner<br />

Unabhängigkeit im Wesentlichen sozialistisch<br />

ausgerichtet war. „Der Staat war immer<br />

und überall präsent: Als Arbeitgeber,<br />

Regulierer, Geldgeber und Beschützer“,<br />

sagt Reda Hamiani, Leiter des Unternehmerverbandes<br />

FCE.<br />

In Algerien setzte ein Prozess des industriellen<br />

Umbaus und des Übergangs<br />

zur Marktwirtschaft ein. Die großen<br />

Staatsunternehmen wurden reformiert<br />

„Nur Unternehmen, die durch Innovationen ihre<br />

Wettbewerbsfähigkeit steigern, werden überleben.“<br />

Mohamed Benmeradi, Minister für Industrie, kleine und mittlere<br />

Unternehmen sowie Investitionsförderung<br />

und für die Beteiligung durch private und<br />

ausländische Kapitalgeber geöffnet. „Wir<br />

haben den staatlichen Firmen gesagt: Wir<br />

akzeptieren eure Konsolidierungspläne,<br />

wir prüfen eure Finanzen, wir erarbeiten<br />

euch einen Investitionsplan – aber all das<br />

nur unter der Bedingung, dass ihr euch<br />

einen internationalen Technologiepartner<br />

sucht“, berichtet Industrieminister Benmeradi.<br />

Nachdem die Wähler ihm erneut das<br />

Vertrauen ausgesprochen haben (seine<br />

Front de Libération Nationale gewann im<br />

Mai die Wahl), verfügt Präsident Bouteflika<br />

über das Mandat, den Ausbau marktwirtschaftlicher<br />

Institutionen fortzusetzen.<br />

Die Notwendigkeit, die Abhängigkeit<br />

von den Weltmärkten zu reduzieren (die<br />

Importe des Landes belaufen sich auf 50<br />

Mrd. Dollar pro Jahr), die rapide wachsende<br />

Bevölkerung mit Arbeitsplätzen<br />

zu versorgen und die Wirtschaft zu modernisieren,<br />

haben die Regierung und die<br />

Menschen in Algerien davon überzeugt,<br />

dass Privatisierung und Öffnung zur Welt<br />

nötig ist.<br />

Der Welt die Hand reichen<br />

Nach vielen Jahren der internationalen<br />

Isolation hat Algerien seine Position neu<br />

definiert und sich zu einem führenden<br />

regionalen Akteur entwickelt. Nachdem<br />

Angela Merkel im Juli 2008 in Algerien<br />

war, wurde Präsident Bouteflika 2010<br />

nach Berlin eingeladen. Und erst im Februar<br />

reiste US-Außenministerin Hillary<br />

Clinton nach Algerien. Die USA, ebenso<br />

wie die internationale Gemeinschaft,<br />

zählen Algerien im Kampf gegen den<br />

Terrorismus auf ihrer Seite und stufen das<br />

Land jetzt als „strategischen Partner“ ein.<br />

Algerien ist das zweitgrößte Land in der<br />

arabischen Welt mit diesem Status.<br />

Nachdem sich das Land nun politisch<br />

und wirtschaftlich stabilisiert hat, bietet<br />

es ausländischen Investoren attraktive<br />

Möglichkeiten und unterhält hervorragende<br />

diplomatische und wirtschaftliche<br />

Beziehungen zu Europa, insbesondere zu<br />

Großbritannien, Spanien und Deutschland.<br />

Zahlreiche Kooperationsvereinbarungen<br />

in den Bereichen Handel und<br />

Kultur schaffen einen soliden Rahmen<br />

für ausländische Investoren. Im Jahr 2010<br />

erreichten die Direktinvestitionen aus<br />

Deutschland eine Summe von 350 Mio.<br />

Euro, Joint Ventures für die Produktion<br />

von Industriegasen und die Elektrifizierung<br />

der Eisenbahn mit eingerechnet.<br />

Mehr als 200 deutsche Unternehmen,<br />

darunter Daimler und MAN unterhalten<br />

Niederlassungen in Algerien, und Siemens<br />

baut derzeit in Algier die erste Untergrundbahn<br />

des Landes.<br />

Eine neue Industrielandschaft gestalten:<br />

Der Entwicklungsplan 2010–2014<br />

Die Probleme Algeriens verbergen sich<br />

hinter seinen Stärken: Das Land muss<br />

die Wirtschaft diversifizieren, um sich<br />

aus der Abhängigkeit von den Öl- und<br />

Gaserträgen zu lösen, die Produktionsgrundlagen<br />

und -kompetenzen sowie<br />

die Infrastruktur modernisieren, kleine<br />

und mittlere Unternehmen (KMU) fördern<br />

und entwickeln und die Abhängigkeit<br />

von Importen senken.<br />

Mit dem ambitionierten, 286 Mrd.<br />

Dollar schweren Entwicklungsplan<br />

sollen genau diese Baustellen angegangen<br />

und Algerien auf den Radarschirm<br />

der industriellen Akteure gehoben werden.<br />

„Wir haben sehr große Projekte<br />

umgesetzt – geschätzte 500 Mrd. Dollar<br />

hat der Staat in den vergangenen<br />

zwölf Jahren investiert. Das entspricht<br />

dem Drei- bis Vierfachen des Bruttoinlandprodukts<br />

von Algerien“, sagt Benmeradi.<br />

Zwar führt der Investitionsplan vor<br />

allem Unternehmungen im Energiebereich<br />

an, doch auch Industrieprojekte<br />

mit einem Gesamtwert von 6 Mrd. Dollar<br />

werden genannt. Dabei werden die<br />

Gelder nicht nur in Großunternehmen<br />

fließen, sondern – durch die Entwicklung<br />

von Unterauftragnehmer-Netzwerken<br />

in den industriellen Entwicklungsgebieten<br />

– vor allem kleine und<br />

mittlere Unternehmen erreichen. „Wir<br />

haben 4 Mrd. Dollar für die Modernisierung<br />

von 20 000 KMU vorgesehen“,<br />

sagt Benmeradi.<br />

Eine<br />

Fülle von<br />

Chancen<br />

Zwar verfügt Algerien über moderne<br />

Firmen in der Verarbeitung<br />

von Nahrungsmitteln und in der<br />

Herstellung von Baustoffen und<br />

Arzneimitteln – im Bereich der<br />

Automobil- und Elektronikproduktion<br />

besteht allerdings noch<br />

Entwicklungsbedarf. Weitere<br />

Chancen bietet der Stahlsektor,<br />

wie Minister Benmeradi berichtet.<br />

„Wir importieren jedes Jahr<br />

Stahlprodukte im Wert von 5<br />

Mrd. Dollar. Zwar verfügen wir<br />

über die natürlichen Rohstoffe,<br />

wir haben aber ein einziges Werk,<br />

das jährlich weniger als eine Million<br />

Tonnen produziert.“<br />

Die Modernisierung der Infrastruktur<br />

ist ein weiteres Anliegen<br />

von hoher Priorität, dementsprechend<br />

plant die Regierung öffentliche<br />

Bauvorhaben im Gesamtwert<br />

von 632 Mio. Dollar. Die<br />

Notwendigkeit zur Diversifizierung<br />

eröffnet neue Chancen in<br />

den Bereichen Dienstleistungen<br />

und Tourismus, die auf ein Volumen<br />

von jeweils 1,3 Mrd. Dollar<br />

und 382 Mio. Dollar geschätzt<br />

werden. Zudem, so der Industrieminister,<br />

sind in den Bereichen<br />

Zementherstellung, Baugewerbe<br />

und Papierproduktion Investitionen<br />

aus dem Ausland<br />

erforderlich.<br />

Algerien bietet also zahllose<br />

Geschäftsmöglichkeiten für<br />

internationale Unternehmen,<br />

die einen Zugang zu diesem<br />

Markt mit 37 Millionen<br />

Verbrauchern, vielen und<br />

gut ausgebildeten Arbeitskräften<br />

und einer Reihe<br />

groß angelegter Projekte<br />

suchen. Die Fülle<br />

steuerlicher und gesetzlicher<br />

Anreize, die<br />

zahlreichen privaten und<br />

staatlichen Fonds und die Unterstützung<br />

durch die Behörden<br />

machen deutlich, wie ernst es Algerien<br />

damit ist, mit kompetenten<br />

ausländischen Investoren langfristige<br />

Partnerschaften zum gegenseitigen<br />

Nutzen aufzubauen.<br />

GLOBUS VISION<br />

Albert Buildings<br />

49 Queen Victoria Street<br />

London EC4N 4SA<br />

Tel: 44 (0) 20 7409 2354<br />

globus@globusvision.com<br />

www.globusvision.com<br />

PROJEKTTEAM:<br />

Christophe Laurent<br />

(Chefredakteur);<br />

Paloma Garralda (Projektleiter);<br />

Alain Caignard,<br />

Jose Ignacio Alegre und<br />

Brianne Bystedt<br />

(Projektkoordinatoren)<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


2 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Die Entwicklung<br />

von Algeriens Industrie<br />

Die frühen Jahre: die<br />

Entstehung eines<br />

sozialistischen Staates<br />

nach dem Unabhängigkeitskrieg<br />

Die algerische Wirtschaft ist bis<br />

heute ein Produkt der historischen<br />

Entwicklung des Landes. Die gegenwärtige<br />

Ordnung ist die Folge von in<br />

der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen.<br />

Nachdem das Land seine<br />

Unabhängigkeit erlangt hatte, formte<br />

die Regierung unter Präsident Ben<br />

Bella einen sozialistischen Staat nach<br />

dem Vorbild der Sowjetunion, der die<br />

Entwicklung privater Unternehmen<br />

weitestgehend verhinderte. Man war<br />

der Ansicht, dass wirtschaftliches<br />

Wachstum und Fortschritt auf einen<br />

starken öffentlichen Sektor gegründet<br />

sein müssten. Für die marxistische<br />

Ideologie war die zentrale Instanz und<br />

dominierende Macht der Staat, der so<br />

stark wie möglich sein musste und<br />

sich in jeden Bereich der Wirtschaft<br />

einbringen sollte. Als Wachstumsmotor<br />

sollte die Schwerindustrie dienen,<br />

und dafür waren nach Ansicht der Regierung<br />

strikte Planungsvorgaben nötig.<br />

Landwirtschaft und Handel waren<br />

die einzigen Sektoren, in denen private<br />

Initiativen möglich waren.<br />

Die erste Maßnahme der Regierung<br />

galt der Verstaatlichung der Abbaurechte<br />

an den Bodenschätzen: Präsident<br />

Ben Bella erklärte, dass jeglicher<br />

Land-, Industrie- und gewerblicher<br />

Besitz, der sich zuvor in europäischer<br />

Hand befunden hatte, von jetzt an<br />

dem Staat gehöre. Verstaatlicht wurden<br />

auch die Öl- und Gasvorkommen<br />

des Landes. Das Algerien der 60erund<br />

70er-Jahre trug alle Merkmale<br />

einer typischen zentralen Planwirtschaft,<br />

mit massiven Investitionen,<br />

einer aufstrebenden Schwerindustrie<br />

sowie einer Wirtschaftsplanung und<br />

-Entwicklung, die durch aufeinander<br />

folgende Fünf-Jahres-Pläne festgeschrieben<br />

wurden.<br />

Diese Politik führte zur Bildung einiger<br />

weniger hochkomplexer industrieller<br />

Strukturen mit fragwürdiger<br />

Effizienz. Anfang der 80er-Jahre<br />

waren die mangelnden Erfolge der<br />

Planwirtschaft nicht mehr zu übersehen.<br />

Eine grundlegende Veränderung<br />

wurde erforderlich. Das System<br />

stieß an seine Grenzen: Überdimensionierte<br />

Unternehmen und eine aufgeblähte<br />

Bürokratie rangen vergeblich<br />

darum, den Bedürfnissen des<br />

Landes gerecht zu werden. In der<br />

Konsequenz teilte die Regierung die<br />

schwergängigen Makrostrukturen in<br />

kleinere Einheiten auf, wobei diese<br />

Neuordnung jedoch im selben System<br />

und Planungsmuster befangen<br />

blieb, das man seit den Anfängen der<br />

Unabhängigkeit verfolgte.<br />

Die Neuordnung der<br />

nationalen Industrie<br />

Die Neuordnung der Industrie bewirkte<br />

wenig, was den Kern der wirtschaftlichen<br />

Misere im Lande betraf:<br />

mangelnder Wettbewerb, mangelnde<br />

Wachstumsdynamik und mangelndes<br />

Unternehmertum. Die bürokratisierte<br />

Verwaltung war unvermindert darauf<br />

bedacht, den Privatsektor zu kontrollieren.<br />

Die aus der Zerschlagung der<br />

Algier hat mittlerweile nahezu fünf Millionen Einwohner und ist seit jeher das Handels- und Wirtschaftszentrum Algeriens<br />

alten Organisationsstruktur hervorgegangenen<br />

Unternehmen waren allesamt<br />

nicht erfolgreich. Mehr und mehr<br />

kamen der Wirtschaft jede Leistungskraft<br />

und die Fähigkeit, von den Bodenschätzen<br />

zu profitieren, abhanden;<br />

die Produktionskapazität der Industrie<br />

verringerte sich dramatisch. So büßte<br />

zum Beispiel der Bausektor mehr als<br />

90 Prozent an Produktivität ein.<br />

Zu allem Überfluss brachen 1986<br />

die Öl- und später auch die Gaspreise<br />

ein. Durch die Abhängigkeit von seinen<br />

natürlichen Ressourcen und den<br />

internationalen Ölpreisen manövrierte<br />

sich das Land in eine verhängnisvolle<br />

Schuldenfalle. Jeder Sektor, insbesondere<br />

die Industrie, war davon betroffen.<br />

Der positive Kehrwert des<br />

Ölpreisverfalls war, dass die Unvermeidlichkeit<br />

wirtschaftlicher Diversifikation<br />

sowie die Notwendigkeit, die<br />

Produktionsbasis, die Qualifikation<br />

der Arbeitskräfte und die Infrastruktur<br />

zu modernisieren, deutlich zu Tage<br />

traten. In der Folge konzentrierte sich<br />

die Politik darauf, die Bedingungen<br />

für kleinere Unternehmen zu verbessern<br />

und die Abhängigkeit des Landes<br />

vom Import zu verringern.<br />

Der Weg zur Marktwirtschaft<br />

Am Ende des Jahrzehnts begann die<br />

Regierung schließlich, auf private<br />

Initiative zu setzen und sich einer<br />

mehr marktwirtschaftlich geprägten<br />

Wirtschaftspolitik zuzuwenden. Leider<br />

kam diese Kehrtwende zu spät,<br />

um die marode Wirtschaft noch zu<br />

retten, zumal sie mit dem Beginn<br />

der„schwarzen Dekade“ und der Zeit<br />

des Bürgerkriegs zusammenfiel. Dies<br />

alles sowie die Intervention des IWF<br />

im Jahr 1994 zwangen das Land, nach<br />

neuen und besseren Lösungen für seine<br />

Probleme zu suchen. Von nun an<br />

öffnete sich Algerien für private und<br />

ausländische Investoren. Der öffentliche<br />

Sektor kontrollierte nur noch<br />

strategische Bereiche und Aktivitäten,<br />

die außerhalb des wirtschaftlichen<br />

Wettbewerbs lagen.<br />

In der Frühphase der Reformen war<br />

es für öffentliche Unternehmen beinahe<br />

unmöglich, auf dem freien Markt<br />

zu konkurrieren. 400 000 Menschen<br />

wurden entlassen, sodass die Arbeitslosenzahlen<br />

in die Höhe schossen.<br />

Nicht selten waren Unternehmen mit<br />

ihren Gehaltszahlungen 12 bis 20 Monate<br />

im Rückstand. Doch so schmerzlich<br />

diese Situation auch am Anfang<br />

war, sie markierte für die Wirtschaft<br />

einen Wendepunkt und gab die Initialzündung<br />

für künftiges Wachstum:<br />

Ende der 90er-Jahre befanden sich<br />

alle makroökonomischen Indikatoren<br />

des Landes im grünen Bereich.<br />

Bestätigt durch die sich abzeichnende<br />

wirtschaftliche Erholung und<br />

Verbesserung der Lage, stellte die Regierung<br />

die Weichen weiter in Richtung<br />

Marktwirtschaft: 1998 gestatte<br />

sie erstmals Management-Buy-outs<br />

(MBO), die Übernahme kleinerer Unternehmen<br />

durch deren Angestellte.<br />

Die erste Privatisierungswelle<br />

setzte fast ausschließlich bei profitablen<br />

Unternehmen der Tourismus-,<br />

Transport-, Lebensmittel- und Baustoffbranche<br />

an. Mit enormem Erfolg.<br />

Im nächsten Schritt wurden auch<br />

größere Unternehmen privatisiert und<br />

landesweit bekannte Staatsunternehmen,<br />

wie Annaba Steel, verkauft. Zu<br />

guter Letzt schuf man einen Markt für<br />

den Handel von Aktien.<br />

Zur Jahrtausendwende hatte die<br />

Regierung alles getan, was nötig<br />

war, um einer Marktwirtschaft<br />

den Weg zu bereiten. Ein neu aufgelegtes<br />

nationales Infrastrukturprogramm<br />

gab der Wirtschaft zusätzliche<br />

Impulse. Danach folgten<br />

Kleine und mittlere<br />

Unternehmen (KMU)<br />

gelten mittlerweile als<br />

Schlüssel für die Entwicklung<br />

und das Jobwachstum<br />

in Algerien.<br />

Eine gezielte Förderung<br />

dieses Sektors wird<br />

dazu beitragen, die<br />

Wirtschaft auf eine<br />

breitere Basis zu stellen<br />

und die Abhängigkeit<br />

von Öl und Gas zu<br />

reduzieren.<br />

noch zwei weitere, ähnlich ehrgeizige<br />

Programme.<br />

Auch die internationalen Handelsbeziehungen<br />

Algeriens erhielten<br />

neuen Schwung. Als eines von zehn<br />

MEDA-Ländern (neben Algerien<br />

Ägypten, Israel, Jordanien, der Libanon,<br />

Malta, Marokko, Syrien, Tunesien<br />

und die Türkei) unterstütze Algerien<br />

verschiedene Abkommen zur<br />

Handelsliberalisierung. Um ausländische<br />

Investoren anzulocken, wurde<br />

außerdem ein Freihandelsabkommen<br />

mit der EU für die Zeit von 2007 bis<br />

2017 geschlossen.<br />

Staatliche Holdings (Sociétés de Gestion<br />

des Participations – SGP) als neues Modell<br />

Um mehr Flexibilität zu schaffen<br />

und den Wettbewerb zu fördern,<br />

ordnete der Staat im April 2002<br />

seine öffentlichen Holdings neu.<br />

Grundlage hierfür war das neue Unternehmensmodell<br />

SGP (Société de<br />

Gestion de Participations). Aus fünf<br />

Holdings entstanden 28 SGPs, die<br />

– erstmals – auch dazu verpflichtet<br />

waren, Gewinne zu erwirtschaften.<br />

Die SGPs agieren als Holdinggesellschaften;<br />

sie sind in verschiedenen<br />

Branchen aktiv und steuern<br />

zudem die Aktivitäten der Firmen,<br />

die sich unter ihrem Dach befinden.<br />

Da die algerische Regierung ihnen<br />

ein erhebliches Maß an Selbstständigkeit<br />

gewährt hat, spielten sie<br />

eine entscheidende Rolle bei der<br />

Anbahnung von Partnerschaften<br />

und der Einbindung ausländischer<br />

Investoren in die algerische Wirtschaft.<br />

Hinzu kamen neue Gesetze,<br />

die ein schnelleres Zustandekommen<br />

von Partnerschaften ermöglichen<br />

und einen besseren Zugang<br />

zum lokalen Markt garantieren.<br />

Große Staatsunternehmen wurden<br />

reformiert und für den privaten<br />

Sektor sowie für ausländische Kapitalgeber<br />

geöffnet. Der Staat billigte<br />

die Konsolidierungspläne der<br />

öffentlichen Unternehmen; er prüfte<br />

die Finanzsituation und erließ den<br />

Unternehmen oftmals auch hohe<br />

Schulden – allerdings nur unter der<br />

Bedingung, dass sich ein internationaler<br />

Technologiepartner für sie<br />

fand. Davon profitierten nicht nur<br />

ausländische Investoren, sondern<br />

auch die Leistungskraft der lokalen<br />

Industrie. Das Finanzministerium<br />

erklärte dazu: „Seit 2001 wurden<br />

nacheinander drei Programme zur<br />

Reformierung öffentlicher Unternehmen<br />

auf den Weg gebracht; das<br />

letzte läuft 2014 aus. Sie sind das Instrument,<br />

mit dem wir die Situation<br />

von Privatunternehmen verbessern,<br />

nebenbei auch den wirtschaftlichen<br />

Druck verringern und nicht zuletzt<br />

die Nachfrage im Inlandsmarkt<br />

unterstützen. Ob Baubranche, Gesundheitssektor,<br />

Infrastruktur oder<br />

Eisenbahnindustrie – all diese Branchen<br />

haben von den Programmen<br />

profitiert, sodass sie jetzt in der Lage<br />

sind, auch in ausländischen Märkten<br />

Fuß zu fassen.”<br />

Auch inländische Investoren können<br />

sich heute über ungleich bessere<br />

Voraussetzungen freuen: Bewährt<br />

hat sich hier der Trilog zwischen<br />

Steuerbehörden, Gewerkschaften<br />

und Arbeitgeberverbänden, wobei<br />

die Regierung die Interessen der<br />

betreffenden Investoren und der algerischen<br />

Unternehmer im Auge<br />

behält. Ein neuer Ansatz wurde<br />

etabliert, der sich auf drei Postulate<br />

stützt. Erstens: Kleine und mittlere<br />

Unternehmen sind der Schlüssel<br />

für die wirtschaftliche Entwicklung.<br />

Zweitens: Hier liegt das größte Potenzial,<br />

um Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Drittens: Diese Unternehmen<br />

werden zu einer diversifizierten<br />

Wirtschaft führen, die weniger abhängig<br />

von den Öl- und Gaseinnahmen<br />

ist.<br />

Algerien hat stets von diversen natürlichen<br />

Gegebenheiten profitiert,<br />

so zum Beispiel von seinen unermesslichen<br />

Öl- und Gasvorkommen<br />

oder auch von seiner einmaligen geographischen<br />

Lage als Tor zum Nahen<br />

Osten und nach Afrika. Die Verwaltung<br />

des Landes ist fortschrittlich<br />

und der Zukunft zugewandt. Und<br />

nicht zuletzt die Mischung aus wirtschaftlichem<br />

Wachstum, einer neuen<br />

Generation gut ausgebildeter und<br />

dynamischer Firmenlenker sowie<br />

einer wirtschaftsfreundlichen Politik<br />

machen Algerien zu einem Land<br />

voller Chancen und Möglichkeiten.<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


FREITAG, 6. JULI<br />

ALGERIEN<br />

3<br />

Algerisch-deutsche Wirtschaft:<br />

Eine lange und fruchtbare Verbindung<br />

Seit Erlangung der Unabhängigkeit 1962 pflegt Algerien ein freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis zu Deutschland. Über eine technische Kooperationsvereinbarung<br />

hat die Bundesrepublik die Entwicklung des nordafrikanischen Landes finanziell unterstützt – mit rund 200 Mio. Euro seit 1974<br />

Auch auf kultureller Ebene sind<br />

die Beziehungen zwischen den<br />

beiden Ländern erfolgreich: Schon<br />

1963 wurde in Algerien ein Goethe-Institut<br />

gegründet. Deutsch<br />

wurde nach Englisch und Französisch<br />

die dritte Fremdsprache für<br />

Kinder in Algerien. Außerdem bekam<br />

das Deutsche Archäologische<br />

Institut 2008 den Auftrag, das in<br />

der algerischen Provinz Tipaza<br />

gelegene Cherchell-Museum zu<br />

restaurieren; dort lagern einige<br />

der bedeutendsten römischen und<br />

griechischen Antiquitäten des afrikanischen<br />

Kontinents.<br />

Heute gibt es auf beiden Seiten<br />

den starken politischen Willen, die<br />

bilateralen Beziehungen noch auszubauen.<br />

Im Jahr 2001 besuchte<br />

Abdelaziz Bouteflika als erster<br />

Präsident Algeriens die Bundesrepublik,<br />

2010 kam er noch einmal<br />

nach Berlin. Kanzlerin Merkel revanchierte<br />

sich mit einem Staatsbesuch<br />

in Algerien im Juli 2008.<br />

Um den Handel zwischen den<br />

beiden Ländern zu fördern, wurden<br />

in den vergangenen Jahren<br />

mehrere Vereinbarungen abgeschlossen.<br />

2005 trat ein bilaterales<br />

Abkommen mit der Europäischen<br />

Union über zollfreien Warenaustausch<br />

in Kraft; 2010 wurde es<br />

erweitert, um mehr europäische<br />

Investitionen in Algerien auszulösen.<br />

Außerdem sieht es den<br />

Aufbau von kleinen und mittleren<br />

Unternehmen (KMU) außerhalb<br />

des Kohlenwasserstoff-Sektors<br />

in Branchen wie Landwirtschaft,<br />

Wasser oder Transport vor. Im<br />

Jahr 2007 vereinbarten Algerien<br />

und Deutschland außerdem ein<br />

Doppelbesteuerungsabkommen<br />

für Unternehmen.<br />

Die Deutsch-Algerische Industrie-<br />

und Handelskammer, eingerichtet<br />

2006, hat inzwischen 760<br />

Mitglieder. Zu ihren Aufgaben<br />

zählt die offizielle Vertretung der<br />

deutschen Wirtschaft, das Verbinden<br />

von Unternehmen mit Interesse<br />

an bilateralen Beziehungen<br />

und die Unterstützung von gemeinsamen<br />

Geschäfts- und Handelsaktivitäten.<br />

So organisierte<br />

die Kammer im Juni den Besuch<br />

einer bayerischen Delegation bei<br />

algerischen Medizin- und Elektronik-Unternehmen.<br />

Außerdem<br />

vertritt sie von Köln, Düsseldorf<br />

und München aus algerische Mitglieder<br />

in Deutschland.<br />

Die Zahlen sprechen für sich<br />

Die algerischen Exporte nach<br />

Deutschland beliefen sich 2010<br />

auf 6,93 Mrd. Euro, wobei 95,7<br />

Prozent aus der Ölindustrie<br />

stammten. Exporte in umgekehrter<br />

Richtung erreichten im selben<br />

Jahr 1,4 Mrd. Euro, 32 Prozent<br />

mehr als 2009. Die deutschen<br />

Mercedes, Deutz und MTU gehören zu den vielen deutschen Unternehmen, die bereits in Algerien aktiv sind<br />

Ausfuhren kamen überwiegend<br />

aus der Automobilbranche, doch<br />

auch Industriemaschinen, Chemieprodukte<br />

und elektrische Geräte<br />

waren gefragt.<br />

Im Automobilbereich arbeiten<br />

Algerien und Deutschland seit<br />

Langem zusammen. SNVI und<br />

ZF zum Beispiel produzieren seit<br />

30 Jahren gemeinsam Getriebe.<br />

Ebenso lange gibt es eine Kooperation<br />

zwischen EQUIPAG<br />

und Lieber Deutz zum Bau von<br />

Traktoren und Baufahrzeugen.<br />

Immer wieder werden neue Partnerschaften<br />

vereinbart, etwa mit<br />

Mercedes, Deutz und MTU zur<br />

Herstellung einer neuen Generation<br />

von Dieselmotoren.<br />

„Für Unternehmen im Bereich<br />

Mechanik haben wir Entwicklungspläne<br />

verabschiedet, damit<br />

sie ihre Produktpaletten erneuern<br />

können.“, sagt Mohamed Benmeradi,<br />

Minister für Industrie, KMU<br />

und Investitionsförderung. „Mit<br />

Mercedes haben wir Verträge über<br />

eine Erneuerung unserer Lastwagen-Palette<br />

abgeschlossen und<br />

werden in diesem Rahmen 15 000<br />

Lastwagen produzieren – ein riesiges<br />

Projekt. Die Fahrzeuge werden<br />

2013 verfügbar sein und auch<br />

internationalen Standards entsprechen,<br />

was für uns sehr wichtig<br />

ist. Außerdem werden wir mit<br />

Mercedes neue Busse bauen und<br />

mit einem anderen deutschen Unternehmen<br />

45.000 Großmotoren.“<br />

Die jüngsten Bemühungen der<br />

algerischen Regierung zur Entwicklung<br />

des Landes über Investitionen<br />

in Bereichen wie Transport<br />

(Straßen, Schienenwegen und<br />

Häfen) oder Wohnraum sind für<br />

deutsche Unternehmen höchst interessant,<br />

insbesondere wegen ihrer<br />

Mechanik-Kompetenz. Im Jahr<br />

2010 erreichten die deutschen Direktinvestitionen<br />

in Algerien 350<br />

Millionen Euro, hauptsächlich<br />

durch Joint Ventures in der Erdgas-Produktion<br />

und die Elektrifizierung<br />

des Bahn-Netzes.<br />

Neue Formen der Partnerschaft<br />

„Mit Mercedes haben<br />

wir Verträge über eine<br />

Erneuerung unserer<br />

Lastwagen-Palette abgeschlossen<br />

und werden<br />

in diesem Rahmen<br />

15 000 Lastwagen<br />

produzieren – ein riesiges<br />

Projekt. Die Fahrzeuge<br />

werden 2013<br />

verfügbar sein und<br />

auch internationalen<br />

Standards entsprechen,<br />

was für uns sehr wichtig<br />

ist.“<br />

Mohamed Benmeradi, Minister<br />

für Industrie, KMU und Investitionsförderung<br />

Erneuerbare Energien und<br />

grünes Wirtschaften<br />

Ebenso wichtig ist es für Algerien,<br />

die Wirtschaft über den<br />

Bereich Erdöl und Erdgas hinaus<br />

zu diversifizieren, der derzeit<br />

98 Prozent seiner Exporte<br />

ausmacht. Auch das deutsche<br />

Desertec-Projekt hat zum Ziel,<br />

das solare Potenzial der algerischen<br />

Wüstengebiete für die<br />

Produktion nachhaltiger Energie<br />

im riesigen Maßstab zu nutzen.<br />

Um es in die Tat umzusetzen,<br />

werden beide Seiten ihre Kräfte<br />

bündeln müssen.<br />

Außerdem will Algerien auch<br />

beim Umweltschutz mit deutscher<br />

Hilfe besser werden. „In<br />

diesem Jahr richtet Algerien zum<br />

dritten Mal die Enviro Algeria<br />

aus, eine Kombination aus Messe<br />

und Konferenz“, sagt Christoph<br />

Partsch, Geschäftsführer<br />

der deutschen Auslandskammer<br />

in Algerien. Hauptthema der<br />

Veranstaltung vom 15. bis 17.<br />

Oktober in Oran ist dieses Mal<br />

umweltfreundliche Wirtschaft.<br />

Eine weitere Konferenz, vom<br />

12. bis 18. November, wird sich<br />

mit der Kultur für Unternehmensgründungen<br />

beschäftigen<br />

und hat zum Ziel, mehr Absolventen<br />

deutscher Universitäten<br />

nach Algerien zu holen und das<br />

Entstehen deutsch-algerischer<br />

Start-ups anzuschieben.<br />

Viele Jahre lang hat Algerien mit<br />

internationalen Partnern auf der<br />

Basis von Produktions lizenzen<br />

zusammengearbeitet, zum Beispiel<br />

mit Lieber Deutz. Heute<br />

will sich das Land neue Dimensionen<br />

der Kooperation erschließen:<br />

„Interaktive“ Partner sollen<br />

gemeinsam ein Unternehmen<br />

gründen, die Produkte verkaufen<br />

und sich die Gewinne teilen.<br />

Aus einer solchen Struktur gehen<br />

fertige Produkte hervor, die als<br />

international bezeichnet werden<br />

können und sich deshalb auch<br />

für den Export eignen. Auf diese<br />

neue Dynamik zielt das Land bei<br />

seinen Fertigungspartnerschaften<br />

jetzt ab.<br />

„Gelungen ist das zum Beispiel<br />

mit dem deutschen Mähdrescher-<br />

Hersteller Claas, bei dem eine<br />

Modernisierung des Angebots<br />

anstand: In einer Partnerschaft<br />

mit EQUIPAG entstanden gemeinsame<br />

Produkte, deren Gewinn<br />

sich beide Seiten teilten.<br />

„Am besten ist es, Produkte nach<br />

internationalen Normen herzustellen,<br />

so dass sie überall hin<br />

verkauft werden können. Natürlich<br />

muss die Qualität stimmen,<br />

aber sie müssen auch international<br />

sein. Das ist im Moment<br />

unser Ziel, denn es schafft die<br />

besten Bedingungen für einen<br />

Wissenstransfer“, erklärt Bachir<br />

Dehimi, der Chef von EQUIPAG.<br />

„Deutschland stand in Bezug auf<br />

gute Technologie, angesehene<br />

Produkte und einem hohen Standard<br />

bei Know-how und Ausbildung<br />

schon immer ganz oben auf<br />

der Liste.“<br />

Tatsächlich lässt die Bundesrepublik<br />

Algerien immer stärker<br />

an seiner Expertise und Ausbildungskompetenz<br />

teilhaben.<br />

So hat Knauf in der Stadt Oran<br />

nicht nur eine erfolgreiche Gips-<br />

Fabrik errichtet, sondern auch<br />

ein Schulungszentrum, das sich<br />

hauptsächlich an Algerier richtet.<br />

Und die Wirtschaftsstaatssekretärin<br />

Anne Ruth Herkes<br />

unterzeichnete kürzlich ein langfristiges<br />

Abkommen zur Übernahme<br />

des deutschen dualen<br />

Ausbildungssystems in Algerien,<br />

bei dem Beschäftigte parallel zu<br />

ihrer Arbeit ausgebildet werden.<br />

Die Deutsche-Algerische Handelskammer<br />

in Algier spielt dabei<br />

eine große Rolle und unterstützt<br />

die Kollegen in Oran bei<br />

der Umsetzung.<br />

Auch das deutsche Desertec-Projekt hat zum Ziel, das solare Potenzial der algerischen Wüstengebiete<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


4 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Pharma- und Biotechnologiefirmen locken<br />

internationale Investoren<br />

Ausländische und private<br />

Investoren tragen<br />

maßgeblich zum Wachstum<br />

des algerischen<br />

Pharmamarkts bei<br />

Mag sein, dass Algerien vor allem für<br />

seine Erdölindustrie bekannt ist. Doch<br />

seit sich das Land für ausländische Investoren<br />

öffnet und um multinationale<br />

Konzerne wirbt, ist Algeriens Pharmasektor<br />

rasant gewachsen.<br />

„Der Wert des Marktes hat sich in<br />

nur einem Jahrzehnt versechsfacht“,<br />

berichtet Boumediène Derkaoui, Chef<br />

von Saidal, dem führenden Pharmahersteller<br />

in Algerien. „Diese Zahl<br />

vermittelt einen Eindruck des enormen<br />

Wachstumspotenzials.“<br />

In ganz Afrika habe Algerien die<br />

zweitgrößte Pharmaindustrie, berichtet<br />

Derkaoui. Das Marktvolumen liegt bei<br />

2,5 Mrd. Dollar und könnte laut Schätzungen<br />

bis 2015 8 Mrd. Dollar erreichen.<br />

Zurückzuführen ist dieses plötzliche<br />

Wachstum vor allem auf die stufenweise<br />

Liberalisierung, die Anfang der 90er-<br />

Jahre angestoßen wurde und den Markt<br />

für Firmen aus der Privatwirtschaft und<br />

aus dem Ausland geöffnet hat. Saidal<br />

war beispielsweise ein staatliches Unternehmen,<br />

an dem sich Ende der 90er-<br />

Jahre erstmals auch private Investoren<br />

beteiligen durften. Heute ist Saidal zu 20<br />

Prozent in den Händen von Einzel- und<br />

Unternehmensinvestoren. Der Pharmahersteller<br />

unterhält Partnerschaften mit<br />

Sanofi-Aventis aus Frankreich und mit<br />

Pfizer aus den USA.<br />

Darüber hinaus verfolgt die algerische<br />

Regierung die Strategie, den Anteil der<br />

im Land produzierten Medikamente zu<br />

erhöhen. „Es wird geschätzt, dass 32 bis<br />

35 Prozent des nationalen Marktes auf algerische<br />

Produkte entfallen“, sagt Derkaoui.<br />

„Die Behörden haben sich zum Ziel<br />

gesetzt, bis 2014 oder 2015 den Anteil<br />

der nationalen Produktion auf mindestens<br />

70 Prozent zu verdoppeln.“<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, erlaubt<br />

die Regierung seit 2005 auch internationalen<br />

Unternehmen, Produktionseinrichtungen<br />

in Algerien zu gründen. Als erste<br />

Unternehmen folgten Julphar aus Saudi-<br />

Arabien und KIPCO Asset Management<br />

Company (KAMCO) aus Kuweit diesem<br />

Ruf.<br />

Julphar will gemeinsam mit dem algerischen<br />

Gesundheitsministerium 28 Mio.<br />

Dollar investieren, um ein Werk zur Herstellung<br />

von Infusionslösungen zu errichten,<br />

während KAMCO 380 Mio. Dollar<br />

in die Produktion von Medikamenten zur<br />

Krebsbehandlung stecken will.<br />

Aber auch US-Unternehmen interessieren<br />

sich mittlerweile für Algeriens<br />

Pharmasektor. Dabei bemüht sich<br />

Algeriens Regierung intensiv um die<br />

Entwicklung des Pharma- und Gesundheitssektors<br />

mithilfe ausländischer<br />

Investoren. Im Juni 2011 richtete Algerien<br />

die erste amerikanisch-algerische<br />

Gesundheitskonferenz in Algier aus, die<br />

die Forschung und Entwicklung in der<br />

Algeriens Pharmasektor<br />

hat sich in den vergangenen<br />

zehn Jahren<br />

versechsfacht und ist<br />

heute der zweitgrößte<br />

Wirtschaftszweig des<br />

Landes<br />

pharmazeutischen Biotechnologie zum<br />

Thema hatte. Prominente Unternehmen<br />

wie Pfizer, Merck und AstraZeneca diskutierten<br />

über die Möglichkeiten der<br />

Biotechnologie für die Arzneimittelherstellung<br />

in Algerien, und auf der begleitenden<br />

Ausstellung wurden jüngste<br />

Entwicklungen aus Pharmazie und<br />

Medizintechnik präsentiert. Anlässlich<br />

der Konferenz vereinbarten die beiden<br />

Nationen, ihre Zusammenarbeit im Gesundheitssektor<br />

weiter zu vertiefen.<br />

Im September 2011 organisierte der<br />

amerikanisch-algerische Wirtschaftsrat<br />

(USABC) eine zweitägige Studienreise<br />

durch die US-Bundesstaaten Boston und<br />

Washington DC. Die 30-köpfige Delegation<br />

aus Algerien wurde von Gesundheitsminister<br />

Djamel Ould Abbes angeführt,<br />

besuchte Labore und Universitäten<br />

und führte Gespräche mit Vertretern von<br />

internationalen Pharmaunternehmen,<br />

öffentlichen Einrichtungen und Regulierungsbehörden.<br />

Der algerische Gesundheitsminister<br />

traf seine Amtskollegin Kathleen<br />

Sebelius. Damit kam es erstmals<br />

zu einer offiziellen Kontaktaufnahme<br />

zwischen den beiden Ministerien.<br />

Die BIO International Convention,<br />

die vom 18. bis 21. Juni 2012 in Boston<br />

stattfand, ist das aktuellste Beispiel für<br />

ein internationales Forum, auf dem Algerien<br />

seine Ambitionen im Bereich der<br />

Biotechnologie zeigte. Auf Einladung<br />

von James Greenwood, dem Leiter der<br />

Biotechnology Industry Organization<br />

(BIO), nahm Algerien als Ehrengast an<br />

der Konferenz teil und warb vor internationalem<br />

Publikum für Investitionen im<br />

eigenen Land.<br />

Anlässlich der Konferenz, an der sich<br />

Algerien zum ersten Mal beteiligte, rief<br />

das Gesundheitsministerium die Initiative<br />

Algerien 2020 – eine Investitions- und<br />

Entwicklungsprogramm für den Gesundheitssektor<br />

– ins Leben.<br />

Saidals Erfolg unterstreicht<br />

das Potenzial des<br />

örtlichen Pharmasektors<br />

Algeriens führender Pharmakonzern ist gleichzeitig einer<br />

der größten des Kontinents<br />

Etwa zehn Jahre ist es her, dass der Bürgerkrieg<br />

in Algerien ein Ende fand. Seitdem<br />

hat sich die algeri-sche Regierung sehr<br />

für den Gesundheitssektor eingesetzt. Mit<br />

einem ehrgeizigen Programm beweist die<br />

Regierung ihr Engagement: Neben vielen<br />

anderen Verbesserungen soll bis 2025 die<br />

Zahl der Kran-kenhausbetten, der Ärzte<br />

und der lokal produzierten Arzneimittel<br />

aufgestockt werden.<br />

Das Gesundheitsprogramm bietet ausländischen<br />

Investoren, die zumeist als Importeure<br />

oder im Rah-men von Kooperationen<br />

in Algerien tätig sind, eine Vielzahl<br />

an Möglichkeiten. Momentan empfängt<br />

die algerische Pharmaindustrie potenzielle<br />

Partner mit offenen Armen.<br />

Arzneimittel machen 0,008 Prozent der<br />

Exporte und 4,5 Prozent der Importe aus.<br />

Aufgrund der Import-substitutionspolitik<br />

dürfen Medikamente, die im Land hergestellt<br />

werden können, nicht importiert werden.<br />

Da der Schwerpunkt der einheimischen<br />

Wirtschaft auf Generika liegt, könnte<br />

der Exportanteil noch beträchtlich steigen.<br />

Algeriens Ausgaben für Medikamente<br />

steigen stetig: 2008 waren es 159 Mrd.<br />

Dinar (2,35 Mrd. Dollar), 2013 werden<br />

es voraussichtlich 209 Mrd. Dinar (2,94<br />

Mrd. Dollar) sein. In Dinar bewertet<br />

entspricht dies einem durchschnittlichen<br />

jährlichen Wachstum von 5,62 Prozent.<br />

Und langfristige Prognosen weisen auch<br />

weiterhin auf ein starkes Wachstum hin.<br />

Demnach könnten die Ausgaben 2019<br />

bereits bei 407,14 Mrd. Dinar (5,82 Mrd.<br />

Dollar) liegen.<br />

Saidal ging im April 1982 aus der Umstrukturierung<br />

der Pharmacie Centrale<br />

Algérienne (PCA) hervor. Der Börsengang<br />

folgte 1989. Konzernchef Boumediène<br />

Derkaoui erläuterte vor Kurzem die<br />

Hintergründe des raschen Wachstums im<br />

algerischen Gesundheitssektor, insbesondere<br />

in der Pharmaindustrie: „Algerien<br />

ist der zweitgrößte Markt Afrikas, was<br />

Absatz und Umsatz betrifft. Algeriens<br />

Markt liegt direkt hinter Südafrika, doch<br />

noch vor Ägypten, trotz der großen demografischen<br />

Unterschiede zwischen diesen<br />

Län-dern. Algeriens Marktvolumen<br />

beträgt über 2,5 Mrd. Dollar und unser<br />

Arzneimittelkonsum nimmt seit Jahren<br />

kontinuierlich zu. Mittlerweile sind wir<br />

nicht mehr weit davon entfernt, jährlich<br />

80 Dollar pro Kopf auszugeben. 1999<br />

belief sich das Marktvolumen auf 240 bis<br />

250 Mio. Euro. Heute sind es mehr als<br />

1,7 Mrd. Euro. Diese Erhöhung, ca. sechs<br />

Mal so viel Bedarf in etwa zehn Jahren,<br />

veranschaulicht das Wachstumspotenzial<br />

des Sektors.“<br />

„Man kann kein Labor<br />

und keine Fabrik eines<br />

multinationalen oder nationalen<br />

Unternehmens<br />

mehr be-treten, ohne<br />

auf Manager zu treffen,<br />

die ihr Handwerk bei<br />

Saidal gelernt haben.“<br />

Boumediène Derkaoui,<br />

Saidal-Chef<br />

Der Zuwachs sei nachhaltigen Maßnahmen<br />

der algerischen Regierung zu<br />

verdanken, insbesondere dem leichteren<br />

Zugang zu Arzneimitteln für die Bevölkerung.<br />

„Unser System ist eines der besten<br />

und fort-schrittlichsten der Welt; noch<br />

dazu, völlig kostenlos. Sämtliche Arzneimittel<br />

werden zu 100 Prozent er-stattet,<br />

unabhängig davon, ob der Patient sozialversichert<br />

ist oder nicht.“<br />

Im Oktober 2010 unterzeichneten die<br />

algerische Regierung und eine Reihe<br />

von US-Unternehmen eine Absichtserklärung.<br />

Der Pharma- und Gesundheitssektor<br />

des Landes soll unter anderem<br />

durch Technolo-gietransfer, Forschung<br />

und Entwicklung sowie Direktinvestitionen<br />

stärker unterstützt werden.<br />

Saidal kündigte ein 1,4 Mio. Euro<br />

schweres Modernisierungsprogramm<br />

für acht Werke in Algier, Cher-chell und<br />

Medea an. Damit steigert das Unternehmen<br />

nicht nur die Produktionskapazität<br />

von 135 Millionen auf 298 Millionen Verkaufseinheiten,<br />

gleichzeitig sollen auch<br />

die Qualitätsstandards auf europäisches<br />

Niveau gebracht werden.<br />

Finanziert wird das Ganze über einen<br />

staatlichen Investitionskredit in Höhe von<br />

180 Mio. Euro. Pfizer-Saidal Manufacturing,<br />

ein Joint Venture zwischen Saidal<br />

und der Algerien-Tochter des US-Pharmakonzerns<br />

Pfizer, kündigte gleichzeitig<br />

die Produktion eines noch nicht näher<br />

spezifizierten ent-zündungshemmenden<br />

Arzneimittels an. Der Entzündungshemmer<br />

ist eines der rund 20 Importerzeugnisse<br />

des Unternehmens, das auch etwa<br />

18 eigene Produkte in seinem Werk in<br />

Algier herstellt.<br />

Und während Algeriens Pharmaindustrie<br />

jedes Jahr exponentiell wächst,<br />

ist Boumediène Derkaoui stolz auf<br />

Saidals Beitrag zur Verbesserung des<br />

Gesundheitssektors. „Besonders in<br />

den vergangenen zehn Jah-ren haben<br />

wir für den gesamten Sektor eine entscheidende<br />

Rolle gespielt. Und wir<br />

sind fast schon eine Art Ausbildungszentrum<br />

für die Branche geworden:<br />

Man kann kein Labor und keine Fabrik<br />

eines multi-nationalen oder nationalen<br />

Unternehmens mehr betreten, ohne auf<br />

Manager zu treffen, die ihr Hand-werk<br />

bei Saidal gelernt haben.“<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


FREITAG, 6. JULI<br />

ALGERIEN<br />

5<br />

Ausländische Autohersteller drängen ins Land<br />

Die Nachfrage nach Autos in Algerien wächst<br />

ungebrochen. Französische und deutsche<br />

Hersteller verhandeln deshalb über den Bau<br />

von Fabriken vor Ort.<br />

Seit kurzem ist Algerien der<br />

zweitgrößte Automarkt Afrikas:<br />

Nach 230 000 im Jahr 2010 stieg die<br />

Zahl der Autoverkäufer auf den<br />

Allzeit- Rekordwert von 320 000<br />

im Jahr 2011.<br />

Nur in Südafrika wurden mehr<br />

Autos verkauft. Dies ist umso bemerkenswerter,<br />

da die algerische<br />

Regierung im vergangenen Jahr, um<br />

die Importe zu drosseln, Autokredite<br />

verboten hat. Autos, Elektronik und<br />

Lebensmittel sind die wichtigsten Importgüter<br />

des Landes<br />

Zunächst schien das Verbot zu wirken.<br />

2009, im Jahr seiner Einführung,<br />

gingen die Autoimporte um mehr als<br />

23 Prozent zurück. 2010 aber wurde<br />

der Markt mit ausländischen Fahrzeugen<br />

geflutet. Und die Entwicklung<br />

hält an. In den ersten drei Monaten<br />

des Jahres 2012 kamen nach Angaben<br />

des Zolls 102 720 Autos nach Algerien<br />

– ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber<br />

dem ersten Quartal 2011.<br />

In einem aktuellen Bericht prognostiziert<br />

Business Monitor International<br />

dem algerischen Autosektor<br />

ein Umsatzwachstum von<br />

fünf Prozent pro Jahr, etwa gleichauf<br />

mit der wachsenden Inlandswirtschaft.<br />

Die Gesamtverkäufe<br />

an neuen Fahrzeugen sollen bis<br />

2016 auf mehr als 375 000 Stück<br />

steigen. Wenn die lokale Produktion<br />

in Schwung kommt, könnten<br />

die Zahlen nach oben korrigiert<br />

werden müssen, schreiben die<br />

Marktforscher.<br />

Führend in Algerien ist derzeit<br />

die französische Marke Renault, gefolgt<br />

von Hyundai aus Südkorea und<br />

den ebenfalls französischen Herstellern<br />

Peugeot und Citroen. Aber auch<br />

deutsche Autos sind zunehmend gefragt:<br />

2011 erhöhten sich die Importe<br />

von Marken wie Volkswagen und<br />

Audi, und auch von Seat und Skoda<br />

um mehr als 87 Prozent.<br />

Renault konnte im vergangenen<br />

Jahr in Algerien gut 75 000 Fahrzeuge<br />

der Marken Renault und Dacia<br />

verkaufen. Der Hersteller ist in Algerien<br />

präsent, seit er dort 1922 ein<br />

Vertriebsunternehmen aufgebaut hat.<br />

1959 startete Renault sogar die Produktion<br />

von Autos, die jedoch zehn<br />

Jahre später, nach ihrer Nationalisierung<br />

durch die Regierung, wieder<br />

eingestellt wurde. Seit 1997 gibt es<br />

die Vertriebs- und Marketingtochter<br />

Renault Algérie. Bis 2009 hatte sich<br />

VW und<br />

Renault<br />

planen<br />

Werkseröffnungen<br />

in<br />

Algerien<br />

Renault mit ihrer Hilfe etwa ein Viertel<br />

des inländischen Automarktes gesichert.<br />

Sowohl Renault als auch die Regierung<br />

sind sehr daran interessiert,<br />

eine Fabrik aufzubauen, in der die absatzstarken<br />

Modellreihen Logan und<br />

Sandero produziert werden. Doch die<br />

Verhandlungen dazu ziehen sich hin.<br />

Das französische Unternehmen will<br />

das Werk in Rouiba, in der Nähe der<br />

Hauptstadt Algier ansiedeln, doch die<br />

Regierung, die einen 51-prozentigen<br />

Anteil übernehmen würde, bevorzugt<br />

aus Gründen der regionalen Ausgewogenheit<br />

einen Standort in der Provinz<br />

Jijel.<br />

Wenn sie einmal steht, wird die<br />

Fabrik pro Jahr 75 000 Fahrzeuge<br />

liefern, in der zweiten Phase sollen<br />

es sogar 150 000 sein. Auch zwischen<br />

der algerischen Regierung und dem<br />

deutschen Hersteller Volkswagen gibt<br />

es Verhandlungen über den Bau einer<br />

Fabrik im Land.<br />

Der Anteil von Hyundai am algerischen<br />

Markt ist im vergangenen<br />

Jahr von 14,4 auf 18,6 Prozent gestiegen,<br />

was 52 185 Fahrzeugen entspricht.<br />

Peugeot verkaufte 28 199<br />

Autos, Chevrolet 24 716 und Toyota<br />

Motors aus Japan 22 742. Erst vor<br />

Kurzem meldete Maruti Suzuki, der<br />

größte Autohersteller Indiens, dass<br />

seine Gesamtexporte nach Algerien<br />

die Schwelle von 50 000 überschritten<br />

hätten. Das Land ist damit der<br />

zweitwichtigste Auslandsmarkt für<br />

das Unternehmen.<br />

Milliarden-Investition bereitet den Weg<br />

für Nutzfahrzeugbauer SNVI<br />

Algeriens staatlicher Nutzfahrzeughersteller will seine Kapazität ausbauen und ein Netz lokaler Auftragsfertiger entstehen lassen<br />

„Der Markt ist vorhanden, die Nachfrage nach<br />

unseren Produkten ist groß, und sie wird weiter<br />

zunehmen.“<br />

Hamoud Tazerouti, SNVI-Chef<br />

Nichts ist für ein Unternehmen so frustrierend,<br />

wie mit der Nachfrage nicht<br />

Schritt halten zu können. Genau in dieser<br />

Situation befindet sich Algeriens<br />

staatlicher Nutzfahrzeughersteller Entreprise<br />

Nationale des Véhicules Industriels<br />

(SNVI). Seine Auftragsbücher<br />

sind Auf drei Jahre hin gefüllt, doch das<br />

Unternehmen könnte noch viel mehr<br />

verkaufen, wenn es die nötigen Kapazitäten<br />

hätte.<br />

Dabei geht es nicht nur um entgangenes<br />

Geschäftspotenzial. Fahrzeuge<br />

von SNVI spielen eine tragende<br />

Rolle in der algerischen Wirtschaft.<br />

Und auch das Militär ist zu großen Teilen<br />

auf die Produkte des Unternehmens<br />

angewiesen. Mit 5000 Beschäftigten<br />

produziert es Lastwagen, Busse, Anhänger<br />

und Spezialfahrzeuge. Hinzu<br />

kommen Ersatzteile sowie Reparaturund<br />

Wartungsdienste.<br />

Um die Nachfrage bedienen zu<br />

können, muss das Unternehmen die<br />

Produktion ausweiten. Mit der Hilfe<br />

der algerischen Regierung hat es gute<br />

Chancen, dies tatsächlich zu schaffen.<br />

Ein wichtiges Hindernis war bis zuletzt<br />

die hohe Verschuldung von SNVI.<br />

Doch die Regierung hat die Schulden<br />

streichen lassen. Zudem investierte sie<br />

im Rahmen einer landesweiten Initiative<br />

zur Steigerung der Industrieproduktion,<br />

insbesondere im Bereich Maschinenbau,<br />

12 Mrd. Dinar (121 Mio. Euro)<br />

in das Unternehmen.<br />

„Mit dieser Investition werden wir<br />

unsere Produktionskapazität erhöhen,<br />

unsere Infrastruktur verbessern, unsere<br />

Anlagen modernisieren und unseren<br />

Marktanteil steigern“, sagt SNVI-Chef<br />

Hamoud Tazerouti. Der Produktionsausbau<br />

soll schrittweise über mehrere<br />

Jahre erfolgen. „Der Markt ist vorhanden,<br />

die Nachfrage nach unseren<br />

Produkten ist groß, und sie wird weiter<br />

zunehmen.“<br />

Im laufenden Jahr will SNVI 3642<br />

Fahrzeuge produzieren, was einem<br />

Umsatz von 27 Mrd. Dinar entspricht.<br />

Durch Partnerschaften mit anderen<br />

Herstellern soll die Kapazität letztlich<br />

auf 15 000 bis 20 000 Fahrzeuge pro<br />

Jahr gesteigert werden.<br />

Am Markt werden derzeit fünf verschiedene<br />

Fahrzeugtypen verlangt, mit<br />

einem Gewicht zwischen 6,6 und 26<br />

Tonnen. „Um die Nachfrage im Land<br />

vollständig abzudecken, brauchen wir<br />

diese Bandbreite“, sagt Tazerouti.<br />

Er ist nicht glücklich darüber, dass<br />

Algerien Fahrzeuge importieren muss,<br />

die auch im Land selbst hergestellt werden<br />

könnten. „Derzeit importieren wir<br />

etwa 60 Prozent aller Teile für Lastwagen<br />

aus dem Ausland. Unser Ziel ist es,<br />

stattdessen unsere Teile bei Auftragsfertigern<br />

im eigenen Land zu beziehen.<br />

Wir wollen Produktion vor Ort statt<br />

Importe.“<br />

Seit zehn Jahren arbeitet SNVI am<br />

Aufbau eines Netzwerkes von Auftragsfertigern.<br />

„Ziel ist es, um SNVI<br />

herum eine gewisse Anzahl von kleinen<br />

bis mittleren Branchen und kleinen bis<br />

mittleren Unternehmen zu etablieren,<br />

die Wohlstand, Arbeitsplätze und Wissenszuwachs<br />

bringen sollen“, erklärt<br />

Tazerouti.<br />

Bis SNVI tatsächlich alle Teile aus<br />

dem Inland beziehen kann, ist noch viel<br />

zu tun, räumt er ein: „Um uns herum<br />

entsteht eine industrielle Basis, aber<br />

sie reicht noch nicht aus. Wir brauchen<br />

noch viel mehr Auftragsfertiger. Vor<br />

allem müssen sie ihre Standards noch<br />

erhöhen, damit sie das bei SNVI und<br />

seinen möglichen Partnern benötigte<br />

Qualitätsniveau erreichen.“<br />

Auch Personalfragen spielen für<br />

Tazerouti eine Rolle: „Moderne Werkzeuge<br />

kann man einfach kaufen, aber<br />

man braucht auch jemanden, der sie<br />

bedient. Unsere lokalen Auftragnehmer<br />

haben den Fehler gemacht, nicht genug<br />

in Humanressourcen zu investieren.“<br />

Derzeit unterhält SNVI zwei Partnerschaften<br />

mit ausländischen Unternehmen:<br />

ein Joint Venture für den Bau von<br />

Getrieben mit dem deutschen Automobilzulieferer<br />

ZF in der SNVI-Fabrik<br />

Rouiba, im Osten Algeriens, und eine<br />

Partnerschaft mit dem französischen<br />

Karosseriehersteller Behn Titan Kaiser<br />

(BTK), angesiedelt im Industriegebiet<br />

von Ain-Bouchekif, 300 Kilometer<br />

südwestlich von Algier.<br />

Weitere Projekte sind laut Tazerouti<br />

in Vorbereitung – eines für Spezialfahrzeuge<br />

und ein Joint Venture mit einem<br />

großen Fahrzeughersteller. SNVI verspreche<br />

sich davon Einblicke in neue<br />

Methoden für Management, Qualitätskontrolle<br />

und Personalentwicklung, so<br />

Tazerouti.<br />

„Wir kennen uns gut mit Indus-<br />

triefahrzeugen aus, immerhin produzieren<br />

wir sie schon seit 30 Jahren. Es<br />

mag neue Produkte geben, aber man<br />

kann sagen, dass wir insgesamt die<br />

Technologie gut im Griff haben. Defizite<br />

haben wir bei neuen Ansätzen für<br />

Management, Personalverwaltung und<br />

die Planung von Investitionsprojekten.<br />

Um zu wissen, wie man ein Investitionsprojekt<br />

vorantreibt, muss man eine<br />

gewisse Leistungsstufe erreicht haben<br />

und halten können“, sagt Tazerouti.<br />

Letztlich will Algerien mit Partnerschaften<br />

die heimische Produktion<br />

fördern, Know-how hinzugewinnen,<br />

neue Stellen schaffen und die Importquote<br />

senken. „Die Vorgabe ist 30 bis<br />

40 Prozent lokale Integration über fünf<br />

Jahre“, sagt Tazerouti. „Ohne lokale Integration<br />

gibt, kann man nicht von<br />

Partnerschaft sprechen.“<br />

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6 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Mehr produzieren,<br />

weniger importieren<br />

Die zahlreichen Joint Ventures, die derzeit sowohl im öffentlichen als<br />

auch im privaten Sektor entstehen, tragen maßgeblich zum Aufbau<br />

einer besseren Zukunft für Algerien bei. Gute Beispiele dafür sind<br />

unter anderem die strategischen Partnerschaften von SGP EQUIPAG<br />

„In der aktuellen Phase<br />

der Diversifizierung<br />

kann der Anlagen- und<br />

Maschinenbau<br />

erheblich dazu beitragen,<br />

die Importausgaben<br />

zu senken.“<br />

Bachir Dehimi, EQUIPAG-Chef<br />

Die staatliche Holdinggesellschaft<br />

EQUIPAG ist auf den Bau von Land<br />

, Industrie- und Baumaschinen spezialisiert.<br />

Ihr Beteiligungsportfolio<br />

umfasst rund 30 Unternehmen und<br />

Tochtergesellschaften, die alle in<br />

drei Schlüsselsektoren tätig sind:<br />

Landmaschinen, Industriebedarf<br />

und Baugerät.<br />

Das Segment Landmaschinen<br />

steuert fast 40 Prozent zum Konzernumsatz<br />

bei und fertigt Produktionsgeräte<br />

wie Erntemaschinen,<br />

Traktoren, Säh-, Dünge- und andere<br />

Ackerbaumaschinen. Zudem baut<br />

und repariert das Geschäftssegment<br />

auch Boote für die Fischerei.<br />

„Die Regierung erzielt ein hohes<br />

Niveau der Lebensmittelsicherheit<br />

für Algerien und möchte die Infrastruktur<br />

des Landes entwickeln“,<br />

sagt Bachir Dehimi, der Chef von<br />

EQUIPAG. „Daher investiert sie<br />

in den Ausbau der Landwirtschaft<br />

durch Mechanisierung und Modernisierung.<br />

Parallel fließen<br />

Gelder in die Erschließung neuer<br />

Anbauflächen. Diese Maßnahmen<br />

ermöglichen, unsere Produktion zu<br />

erhöhen, angesichts der wachsenden<br />

Nachfrage, neue Produkte zu<br />

entwickeln und neue Geschäftsgebiete<br />

zu entdecken und auszubauen.<br />

Das Erschließen neuer Märkte ist<br />

ein wichtiger Grund für potenzielle<br />

Partner im Ausland, sich bei uns zu<br />

beteiligen. Mit Liebherr haben wir<br />

kürzlich ein bedeutendes Geschäft<br />

über die Produktion von Baumaschinen<br />

abgeschlossen.“<br />

EQUIPAG erzielt mittlerweile<br />

einen Umsatz von 375 Mio. Dollar<br />

pro Jahr. Da der Konzern weiter expandieren<br />

will, hat er ein 250 Mio.<br />

Dollar schweres Investitionsprogramm<br />

aufgelegt, mit dem er über<br />

vier Jahre seine Produktionsanlagen<br />

und -maschinen modernisieren<br />

und aufrüsten will. „Wir erklären<br />

unseren Partnern, dass wir alle nötigen<br />

Investitionen beisteuern, um<br />

die Produktionsausstattung zu modernisieren,<br />

sodass wir unsere Partnerschaft<br />

mit der denkbar höchsten<br />

Produktivität beginnen können.<br />

Somit erhalten unsere Partner eine<br />

Erfolgsgarantie. Bislang läuft das<br />

Ganze ausgesprochen reibungslos“,<br />

sagt Dehimi. „Dabei geht es nicht<br />

bloß um Gabelstapler und Lastenaufzüge,<br />

sondern auch um Abfertigungseinrichtungen,<br />

wie sie in Hafenstädten<br />

benötigt werden.“<br />

Importe reduzieren<br />

Mit dem erklärten Ziel, die Produktion<br />

der dringend benötigten<br />

Produktionsausrüstung im eigenen<br />

Land anzukurbeln, will EQUIPAG<br />

auch einen Beitrag zur Reduzierung<br />

der Importe leisten und langfristig<br />

sogar eigene Produktionsüberschüsse<br />

exportieren.<br />

„In dieser Phase der Diversifizierung<br />

kann die Produktion der<br />

Maschinenbranche erheblich zur<br />

Senkung unserer Importquote beitragen:<br />

All die Traktoren, die wir in<br />

Algerien selbst bauen, müssen wir<br />

nicht mehr importieren“, sagt Dehimi.<br />

„Jeder einzelne Mähdrescher,<br />

den wir bauen, bedeutet einen Import<br />

weniger“<br />

Tatsächlich können die Unternehmen<br />

der Industriesparte von<br />

EQUIPAG (EIH) bereits 60 Prozent<br />

der Binnennachfrage decken: Die<br />

Maschinen der EQUIPAG-Tochter<br />

EMO, die Wasserhähne, Schneidwaren<br />

und Schrauben von BCR, die<br />

Pumpen und Ventile von POVAL und<br />

die Werkzeugmaschinen von PMO<br />

tragen allesamt dazu bei, die Importkosten<br />

des Landes niedrig zu halten.<br />

Vielfalt und Synergie<br />

Auch die große Vielfalt der Aktivitäten<br />

von EQUIPAG, die auf das<br />

nationale Bestreben zurückzuführen<br />

ist, die produktive und industrielle<br />

Grundlage des Landes breiter<br />

aufzustellen, macht den Konzern zu<br />

einem Flaggschiff der algerischen<br />

Industrie. Das Tochterunternehmen<br />

EMO produziert Dieselmotoren,<br />

mit denen die Fahrzeuge und Maschinen<br />

der anderen Konzerntöchter<br />

wie der Traktor ETRAG 2311,<br />

der Mähdrescher CMA SAMPO<br />

500, die von ENMTP hergestellten<br />

Baumaschinen, die von POVAL<br />

produzierten Pumpen und die von<br />

SNVI gefertigten Industriefahrzeuge<br />

ausgestattet werden. Die<br />

enge Zusammenarbeit zwischen<br />

den verschiedenen Unternehmen<br />

des Konzerns verdeutlicht, von<br />

welchen Synergien der Konzern getragen<br />

wird.<br />

Exporte<br />

Schon heute ist EQUIPAG ein erfolgreicher<br />

Exporteur, insbesondere<br />

dank der Konzerntochter BCR,<br />

die für die hohe Qualität ihrer Produkte<br />

bekannt ist und sich sogar<br />

schon gegen Nachahmerprodukte<br />

aus Asien zur Wehr setzen muss.<br />

Doch nicht alle algerischen Marken<br />

werden im Ausland so erfolgreich<br />

vermarktet. Daher stützt sich der<br />

Konzern auf Partnerschaften, um<br />

hier Unterstützung zu erhalten.<br />

„Wenn ich meine Produkte mithilfe<br />

eines Partners exportiere,<br />

habe ich eine Qualitäts- und Kostengarantie,<br />

und die Sicherheit<br />

eines guten Namens“, sagt Dehimi.<br />

„Unsere Produkte werden nach den<br />

höchsten internationalen Standards<br />

hergestellt und unter dem Namen<br />

renommierter Partner vertrieben:<br />

Das ist der erste Schritt, einen Exportmarkt<br />

aufzubauen. Im nächsten<br />

Schritt kann es uns durchaus<br />

gelingen, unsere eigene Marke zu<br />

etablieren.“<br />

EQUIPAG wurde 1974 gegründet<br />

und hat sich im Laufe der Jahre auf<br />

dem Heimatmarkt einen exzellenten<br />

Ruf für Qualität und Service erarbeitet.<br />

Daher setzt jedes Produkt,<br />

das mit einem neuen Partner für den<br />

Binnen- oder den Exportmarkt hergestellt<br />

wird, ein Zeichen für Qualität.<br />

„Eine Partnerschaft ist für mich<br />

eine Möglichkeit, in die Zukunft zu<br />

investieren. Wissenstransfer ist der<br />

Kern unseres künftigen Erfolges“,<br />

sagt Dehimi.<br />

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FREITAG, 6. JULI<br />

ALGERIEN<br />

7<br />

Industrielle Partnerschaften<br />

Wissenstransfer und Joint Ventures mit in- und ausländischen Partnern stärken Algeriens Fertigungs- und Industriesektoren<br />

Mit dem Wunsch nach einer engeren<br />

internationalen Anbindung rennt Algerien<br />

offene Türen ein. So sprachen<br />

sich Vertreter der europäischen Nachbarn<br />

jenseits des Mittelmeeres erst<br />

Anfang des Jahres für eine Vertiefung<br />

der beiderseitigen Beziehungen aus.<br />

Mit der Mission, die bilateralen Abkommen<br />

zwischen der Europäischen<br />

Union und Algerien auszubauen,<br />

reiste Stefan Füle, EU-Kommissar<br />

für Erweiterung und Europäische<br />

Nachbarschaftspolitik, im März nach<br />

Algerien und erklärte: „Seit meinem<br />

letzten Besuch im Mai 2011 sind wir<br />

beim Ausbau der Beziehungen zwischen<br />

Algerien und der EU erheblich<br />

vorangekommen […] Algerien hat<br />

einen Reformprozess begonnen, der<br />

von der EU unterstützt wird. Der politische<br />

Dialog hat sich intensiviert.“<br />

Im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik<br />

will die Europäische Kommission<br />

von 2011 bis 2013 in Algerien<br />

216 Mio. Dollar investieren.<br />

Davon sollen rund 43 Mio. Dollar in<br />

den Umweltschutz fließen, 25 Mio.<br />

Dollar in kulturelle Programme, 25<br />

Mio. Dollar in die soziale und wirtschaftliche<br />

Entwicklung, 48 Mio.<br />

Dollar in das Transportwesen und 38<br />

Mio. Dollar in den Sektor Fischerei<br />

und Aquakultur.<br />

Der Wunsch nach stärkeren Partnerschaften<br />

zeigt sich nicht nur auf<br />

höchster politischer Ebene, sondern<br />

auch in den Handels- und Industrieunternehmen<br />

Algeriens und zwar<br />

sowohl im privatwirtschaftlichen als<br />

auch im öffentlichen Sektor. Unter<br />

der gesetzlichen Vorgabe, dass jedes<br />

Projekt im Land zu mindestens 51<br />

Prozent in algerischen Händen liegen<br />

muss, werden Kooperationen als zukunftweisender<br />

Weg für die internationale<br />

Beteiligung an der Entwicklung<br />

Algeriens gefeiert. Staatliche und<br />

privatwirtschaftliche Unternehmen<br />

gehen immer engere Verbindungen<br />

ein und gründen Partnerschaften, die<br />

beiden Seiten dienen.<br />

Wissenstransfer<br />

Algeriens Maschinenbauer, die in<br />

einem besonders kapital¬- und technologieintensiven<br />

Geschäft tätig sind,<br />

haben längst erkannt, dass die Zusammenarbeit<br />

mit algerischen und<br />

ausländischen Partnern notwendig<br />

ist, um ihre Existenz zu sichern.<br />

„Know-how können Sie nicht<br />

kaufen. Sie erhalten es ausschließlich<br />

durch Partnerschaften“, sagt<br />

Bachir Dehimi, Chef des staatlichen<br />

Land- und Baumaschinenherstellers<br />

SGP EQUIPAG. „Weil es<br />

sich bei einer Partnerschaft nicht<br />

um den Verkauf von Lizenzen oder<br />

Ausrüstung handelt, arbeiten unsere<br />

Partner mit uns zusammen, um die<br />

Möglichkeiten auf dem von uns beherrschten<br />

Markt zu nutzen.“<br />

Die Produkte von EQUIPAG werden<br />

nach strengen internationalen<br />

Normen gefertigt und sind für ihre<br />

hohe Qualität bekannt. Die 1974 gegründete<br />

Unternehmensgruppe bietet<br />

ihren bestehenden und potenziellen<br />

neuen Partnern aus dem Ausland<br />

jahrzehntelange Erfahrung auf dem<br />

algerischen Markt.<br />

„Wir kennen das Land und verfügen<br />

über Kontakte. Und wir sind in<br />

der Nähe von Regionen, die über ein<br />

hohes Absatzpotenzial für Exporte<br />

verfügen“, sagt Dehimi. „Im Gegenzug<br />

bringen unsere Partner ihr<br />

Know-how, ihre Kompetenz und ihre<br />

internationalen Netzwerke in unsere<br />

gemeinsamen Unternehmen ein. Sie<br />

beteiligen sich. So funktioniert der<br />

Transfer von Wissen und Technologie,<br />

denn meist setzen sie ihr eigenes<br />

Management ein und wickeln die<br />

Produktion mit uns und unseren Mitarbeitern<br />

ab. Das verstehen wir unter<br />

einer aktiven Partnerschaft.“<br />

Globale Allianzen<br />

Zu den neusten Partnern des Konzerns<br />

gehört der international erfolgreiche<br />

Landmaschinenbauer Massey<br />

Fergusson, mit dem EQUIPAG eine<br />

neue Serie von Traktoren entwickelt.<br />

Zu den langjährigen Allianzen zählen<br />

der deutsche Partner CLAAS, für den<br />

EQUIPAG Mähdrescher herstellt, sowie<br />

eine 38-Prozent-Beteiligung an<br />

einem Gemeinschaftsunternehmen<br />

mit dem finnischen Hersteller Sampo<br />

zur Produktion von Mähdreschern der<br />

nächsten Generation. Im Motorenbau<br />

wurde eine Partnerschaft mit der<br />

Daimler AG unterzeichnet, um gemeinsam<br />

mit Deutz und MTU einen<br />

neuen Dieselmotor zu entwickeln.<br />

Zudem hat die Konzerntochter<br />

BCR eine Handelspartnerschaft mit<br />

dem spanischen Unternehmen Genebre<br />

vereinbart, das führend in der<br />

Herstellung und im weltweiten Vertrieb<br />

von Ventilen, Wasserhähnen und<br />

Heizungssystemen ist.<br />

EQUIPAG erwirtschaftet<br />

375 Mio. Dollar<br />

Jahresumsatz. Knapp<br />

40 Prozent entfallen<br />

auf Landmaschinen<br />

BCR mit Sitz in Setif ist eine der<br />

wichtigsten Töchter von EQUIPAG<br />

und im Bereich der Industrieausrüstung<br />

tätig. Das Unternehmen hat<br />

seinerseits drei Tochterunternehmen:<br />

SANIAK, ORSIM und ORFEE.<br />

BCR produziert hochwertiges Besteck,<br />

Ventile und Beschläge und ist<br />

nach ISO-9002 zertifiziert. Zu den<br />

bisherigen Exportmärkten Deutschland,<br />

Frankreich, Schweiz und Tunesien<br />

sollen dank der Zusammenarbeit<br />

mit dem spanischen Partner Weitere<br />

hinzukommen.<br />

„Wir suchen außerdem nach einem<br />

Partner im Sektor Hebemaschinen,<br />

der mit unserer Tochtergesellschaft<br />

GERMAN bei der Herstellung von<br />

Gabelstaplern und Lagersystemen,<br />

zusammenarbeitet“, sagt Dehimi.<br />

Auch im Pumpengeschäft ist BCR<br />

auf der Suche nach weiteren Partnerschaften,<br />

vor allem im Hinblick auf<br />

die Fertigung von Ventilen, an denen<br />

nicht nur das algerische Staatsunternehmen<br />

Sonatrach, sondern auch<br />

die Öl- und Gasförderer im Ausland<br />

großen Bedarf haben. Derzeit verhandelt<br />

BCR mit dem italienischen<br />

Wettbewerber Petrovalve, der seit<br />

über 55 Jahren Spezialventile für<br />

Öl-, Gas- und Stromversorger produziert<br />

und Kunden wie Shell, Texaco,<br />

ExxonMobil, BP, Esso und die<br />

NASA beliefert.<br />

Lokale Stärken<br />

nutzen<br />

Maschinen für den Bau<br />

des neuen Algeriens<br />

Das 1983 gegründete Staatsunternehmen ENMTP produziert Baumaschinen,<br />

die für die Nation im Wandel unverzichtbar sind<br />

Anfang des Jahres gab Dehimi die<br />

Unterzeichnung von 50 neuen Verträgen<br />

bekannt, mit denen EQUIPAG<br />

zum Zulieferer und Dienstleister der<br />

zwei Erdöl- und Gaskonzerne Algeriens<br />

erkoren wurde: Sonatrach ist das<br />

größte Unternehmen in Algerien und<br />

weltweit einer der größten Erdöllieferanten.<br />

Sonelgaz ist Algeriens staatlicher<br />

Strom- und Gasversorger.<br />

Wie Dehimi berichtet, wird sich ein<br />

Kontrollausschuss alle drei Monate<br />

zusammenfinden, um die Einhaltung<br />

der hohen Qualitätsstandards zu überwachen<br />

und die Arbeit der Partnerschaften<br />

zu prüfen. Am ersten Treffen,<br />

das im April stattfand, haben nicht<br />

nur die drei Partner teilgenommen,<br />

sondern auch Vertreter der Ministerien<br />

für Energie und Bergbau und für<br />

Industrie, KMU und Investitionsförderung.<br />

„Wir verzeichnen jedes Jahr hohe<br />

Wachstumsraten von mindestens 10<br />

bis 15 Prozent. Der Sektor wächst also<br />

nach wie vor rapide“, sagt Dehimi.<br />

Algeriens staatlicher Hersteller von<br />

Maschinen für öffentliche Bauvorhaben<br />

ENMTP (Entreprise Nationale<br />

des Matériels de Travaux<br />

Publics) produziert Bagger, hydraulische<br />

Kräne, Radlader, Planierraupen,<br />

Straßenwalzen, Kompressoren<br />

ENMTP<br />

produziert<br />

Maschinen<br />

und Ausrüstung<br />

mit<br />

Liebherr und<br />

Ingersoll<br />

Rand<br />

und Zementmischer. Während das<br />

Land sich an den Aufbau neuer Infrastruktur,<br />

Häuser und Fabriken<br />

macht, stellt ENMTP all die Baugeräte<br />

und Maschinen bereit, die dafür<br />

nötig sind.<br />

Der Konzern beschäftigt 2230<br />

Mitarbeiter und erzielte im vergangenen<br />

Jahr 105 Mio. Dollar Umsatz.<br />

Bis Ende 2012 dürften es 2300<br />

Beschäftigte und 110 Mio. Dollar<br />

Umsatz sein.<br />

Das Unternehmen mit Sitz in Constantine<br />

hat insgesamt sechs produzierende<br />

Tochterunternehmen, von<br />

denen vier – SOMATEL, SOFAME,<br />

SOFARE und SOFACO – im Industriegebiet<br />

von Ain Smara angesiedelt<br />

sind. Die Tochter FAFECO, die<br />

Kräne und Straßenwalzen herstellt,<br />

sitzt in der Hafenstadt Bejaia. Eine<br />

weitere Tochterfirma SOMABE, die<br />

sich auf Zementmaschinen konzentriert,<br />

sitzt in Algier.<br />

Verwaltet werden die Tätigkeiten<br />

des Konzerns durch das Tochterunternehmen<br />

EGEZIA in Ain Smara,<br />

wo der Konzern auch ein Wartungsund<br />

Instandsetzungswerk sowie das<br />

zentrale Ersatzteillager betreibt.<br />

Die vier Hauptvertriebsniederlassungen<br />

von ENMTP befinden sich<br />

in Algiers, Oran, Annaba und Constantine.<br />

Darüber hinaus verfügt der<br />

Konzern über ein landesweites Netzwerk<br />

autorisierter Vertriebshändler.<br />

Im Rahmen der Restrukturierung<br />

hat ENMTP begonnen, Partnerschaften<br />

mit in- und ausländischen<br />

Unternehmen einzugehen, um das<br />

technische Know-how zu erweitern,<br />

die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern,<br />

die Lieferzeiten zu verkürzen<br />

und den Vertrieb vor allem auf das<br />

Ausland auszuweiten.<br />

Einige der renommiertesten Unternehmen<br />

weltweit zählen zu den<br />

neuen Partnern von ENMTP. Bagger<br />

und hydraulische Kräne werden<br />

zusammen mit dem deutschen Hersteller<br />

Liebherr hergestellt, Kompressoren<br />

mit dem US-Unternehmen<br />

Ingersoll Rand.<br />

Dank der neuen Allianzen werden<br />

jetzt auch völlig neue Produkte hergestellt,<br />

wie der Radlader L566, der<br />

gemeinsam mit Liebherr produziert<br />

wird und sich vor allem im Bergund<br />

Tagebau bewährt hat, und<br />

eine neue 12-Tonnen-Straßenwalze,<br />

die mit dem spanischen<br />

Partner Europactor entwickelt<br />

wurde.<br />

Darüber hinaus vergibt<br />

ENMTP Aufträge<br />

an algerische Unternehmen<br />

aus den Bereichen<br />

Verarbeitung, Metallbau und<br />

Wärmebehandlung und erweitert<br />

damit seinen Beitrag<br />

zum Aufbau der Industrielandschaft<br />

Algeriens um eine zusätzliche<br />

Ebene.<br />

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8 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Algerische Industrie wächst<br />

Zusammen mit der zweitgrößten Stadt Oran ist die Hauptstadt Algier seit Langem eines der industriellen<br />

Zentren Algeriens. Produktionsstandorte für Produkte wie Teppiche, Zement, Chemikalien,<br />

Autos, Seife und Textilien sowie Ölraffinerien und Anlagen zur Lebensmittelverarbeitung machen<br />

den Großteil der industriellen Aktivität in Algier aus. Hinzu kommt die Produktion von Baustoffen<br />

(Ziegeln, Kacheln oder Walzstahl), landwirtschaftlichen Geräten, Elektrotechnik, Werkzeugmaschinen,<br />

Phosphaten, Schwefelsäure, Papier und Karton, Streichhölzern und Tabakwaren.<br />

Während der französischen Kolonialzeit entstanden in Algerien viele Industrieunternehmen,<br />

die von den umfangreichen Ressourcen des Landes profitieren wollten. Nach der Unabhängigkeit<br />

ANIREF stärkt die Industrie<br />

Die Regierungsagentur betreut den Aufbau von 42 neuen<br />

Industrieparks in Algerien<br />

Der Wunsch der algerischen Regierung<br />

nach mehr Investitionen in<br />

die Industrie lässt sich auch an der<br />

Schaffung von Dutzenden neuer Industriegebiete<br />

ablesen: Im Mai gaben<br />

der nationale Investitionsrat CNI und<br />

die Raumplanungsagentur ANIREF<br />

bekannt, auf insgesamt 100 Quadratkilometern<br />

Fläche im ganzen Land 42<br />

neue Mehrzweckindustrieparks errichten<br />

zu wollen.<br />

Die Parks sind eine Reaktion auf<br />

die zunehmende Nachfrage von Investoren<br />

nach Land für ihre Projekte.<br />

Um sie zu befriedigen, hat die Regierung<br />

eine Reihe weiterer Maßnahmen<br />

ergriffen und Regelungen eingeführt.<br />

So wurden für Landkonzessionen,<br />

Tourismusentwicklung und neue<br />

Städte neue staatliche Agenturen<br />

geschaffen. Um Investitionen zu fördern,<br />

beschloss der Ministerrat außerdem<br />

Erleichterungen für die Vergabe<br />

von langfristigen Krediten.<br />

Ziel von ANIREF sei es, „zur Entstehung<br />

eines regulierten und transparenten<br />

ökonomischen Grundstücksmarkt<br />

beizutragen“, sagt deren Chefin<br />

Hassiba Mokraoui. Verfolgt werde es<br />

„durch die Beobachtung des Markts,<br />

die Erfassung der verfügbaren Flächen<br />

und Überlegungen zum Ausgleich von<br />

Angebot und Nachfrage“.<br />

Das Errichten der Industrieparks<br />

ist eine ganz neue Aufgabe für die<br />

Agentur. Die Arbeit daran hat schon<br />

begonnen: Machbarkeitsstudien<br />

und Entwürfe liegen vor, die Kosten<br />

wurden abgeschätzt. Außerdem, so<br />

Mokraoui, habe ANIREF schon die<br />

„hochinteressante Arbeit geleistet,<br />

alle Beteiligten zu aktivieren und<br />

zusammenzubringen – landesweite<br />

Institutionen wie lokale Behörden“.<br />

Durch die Verteilung der Industrieparks<br />

auf ganz Algerien sollen<br />

auch die Investitionen besser verteilt<br />

sein, was die Chancen für breites sozioökonomisches<br />

Wachstum erhöht.<br />

„Das Programm steht für eine Verzahnung<br />

der industriellen Basis im<br />

Land und wird dazu beitragen, lokale<br />

Entwicklung zu fördern und neue Investitionen<br />

anzuregen, die der Volkswirtschaft<br />

eine höhere Produktionskapazität<br />

verschaffen. Es gibt allen<br />

Teilen des Landes die Möglichkeit,<br />

von deren ökonomischen und sozialen<br />

Vorteilen zu profitieren“, sagt<br />

Mokraoui. ANIREF werde sich aktiv<br />

für die Bereitstellung hochwertiger<br />

Flächen einsetzen, die den Anforderungen<br />

von Investoren genügen.<br />

Informationen über neue Gelegenheiten<br />

in Englisch, Französisch oder<br />

Arabisch finden potenzielle Investoren<br />

auf der Website von ANIREF<br />

(www.aniref.dz) – Mokraoui bezeichnet<br />

sie als „echte Steuerzentrale für<br />

unser Gebietsmarketing“.<br />

ANIREF besteht seit dem Jahr 2007<br />

mit dem Mandat, für den Staat und<br />

andere Eigentümer Grund- und Immobilienbesitz<br />

zu verwalten und aktiv<br />

zu vermarkten. Außerdem pflegt die<br />

Agentur für öffentliche Anhörungen<br />

eine Datenbank verfügbarer Immobilien,<br />

soll eine Preisübersicht für<br />

Wirtschaftsland zusammenstellen und<br />

immer auf dem neuesten Stand halten.<br />

Außerdem kauft ANIREF selbst Land,<br />

das sie dann im Interesse von industriellen<br />

Investoren bewertet, entwickelt<br />

und stückweise weiterverkauft.<br />

Algier<br />

Die „weiße Stadt“ als Wirtschaftszentrum Algeriens<br />

Prächtige weiße Gebäude über der<br />

westlichen Mittelmeerküste – Algeri-<br />

ens Hauptstadt Algier ist das moderne<br />

Gesicht und wirtschaftliches<br />

Zentrum des nordafrikanischen<br />

Landes zu- gleich. Mit ihren drei<br />

Millionen Ein- wohnern und weiteren<br />

fünf Millionen im Umland<br />

ist die größte Stadt Algeriens. Sie<br />

beherbergt nicht nur den bedeutendsten<br />

Hafen, sondern ist auch ein<br />

wichtiger Anlaufpunkt zum Auftanken<br />

für Schiffe aus dem ge- samten<br />

Mittelmeerraum.<br />

Algier liegt zentral im Norden<br />

Algeriens, fast genau zwischen den<br />

beiden anderen bedeutenden Städten<br />

Oran und Constantine in jeweils gut<br />

400 Kilometer Entfernung. Die zentrale<br />

Lage macht es leicht, Exportgüter<br />

wie Getreide oder Wein über ein<br />

Netz gut ausgebauter Autobahnen<br />

und Schienenwege nach Algier zu<br />

transportieren. Am bedeutendsten<br />

für den Export sind Gas und Öl; dessen<br />

Abnehmer sind hauptsächlich<br />

südeuropäische Länder wie Spanien<br />

und Frankreich, aber auch die USA<br />

werden beliefert. Über seinen internationalen<br />

Flughafen ist Algier außerdem<br />

für Geschäftsreisende wie<br />

Touristen gut zu erreichen, mit der<br />

Fähre kommt man von Marseilles in<br />

Frankreich dorthin.<br />

Die meisten Produktionsstätten<br />

von Algier finden sich im Stadtteil<br />

Bab El Oued („Tor zum Fluss“). Die<br />

Stadt ist in mehrere Gemeinden unterteilt,<br />

darunter Casbah mit seinen<br />

Moscheen aus dem 17. Jahrhundert<br />

und das Gebiet entlang der Küste,<br />

auf dem moderne Bauten wie ein<br />

Theater und der Palast des Gouverneurs<br />

stehen. Auch die meisten Regierungs-<br />

und Verwaltungsbehörden<br />

sind in der Hauptstadt zu finden.<br />

Architektonisch gesehen bietet<br />

Algier, entstanden im Jahr 944, eine<br />

interessante Stilmischung: Die französische<br />

Herrschaft von 1815 bis<br />

1962 ist ebenso zu erkennen wie ein<br />

starker muslimischer Einfluss. Auf<br />

Französisch nennt man die Stadt Alger<br />

la Blanche (Algier die Weiße).<br />

Zu ihren interessantesten Bauwerken<br />

zählt die Notre-Dame von Afrika,<br />

eine beeindruckende Basilika,<br />

die sich von der Innenstadt aus mit<br />

einer Drahtseilbahn erreichen lässt.<br />

Oran<br />

Reizvoller Industriestandort im Westen Algeriens<br />

Oran, auch bekannt als Stadt der Löwen,<br />

ist für den Westen Algeriens ein<br />

Zentrum für Unternehmen, Industrie<br />

und Bildung und mit 800 000 Einwohnern<br />

die zweitgrößte Stadt des Landes.<br />

Zu bieten hat sie unter anderem einen bedeutenden<br />

Hafen, einen internati- onalen<br />

Flughafen und drei Univer- sitäten, außerdem<br />

eine Moschee aus dem 18. Jahrhundert<br />

und eine histo- rische Festung.<br />

Auf dem Schiffsweg ist Oran mit<br />

Hilfe des staatlichen Fährunternehmens<br />

Algerie Ferries zu erreichen; es gibt Direktverbindungen<br />

nach Marseilles und<br />

Sète in Frankreich und nach Alicante<br />

und Almeria in Spanien.<br />

Vor der Unabhängigkeit Algeriens<br />

verzeichnete Oran den größten Anteil<br />

europäischer Einwohner unter allen<br />

Städten Nordafrikas. Im Krieg aber<br />

kehrten viele von ihnen nach Frankreich<br />

zurück und hinterließen die Stadt halb<br />

leer. Dadurch fehlte es den ehemals florierenden<br />

Unternehmen und Produktionsstätten<br />

an Personal.<br />

Neuere Aktivitäten im Bereich Öl<br />

und Gas haben Oran wieder zum Leben<br />

erweckt. Eine Raffinerie von Sonatrach<br />

liegt nur gut 30 Kilometer entfernt, so<br />

dass sich Oran zu einem wichtigen Handelszentrum<br />

für die gesamte Provinz mit<br />

demselben Namen entwickelt hat. 2009<br />

errichtete Algeriens größtes Öl- und Gasunternehmen<br />

ein neues Kongresszentrum<br />

in Oran, um dort im April 2010 die<br />

16. International Conference & Exhibition<br />

on Liquefied Natural Gas abzuhalten,<br />

eine der wichtigsten Veranstaltungen<br />

für die weltweite Erdgas-Industrie. Dies<br />

verschaffte der Stadt dauerhafte Ergänzungen<br />

ihrer Infrastruktur, darunter neue<br />

Hotels und das 20 000 Quadratmeter<br />

große Kongresszentrum mit einem Auditorium<br />

mit 3000 Plätzen, zwei Sälen<br />

für jeweils 500 Teilnehmer, 20 Besprechungsräumen,<br />

einem Speisesaal mit<br />

2000 Plätzen und einem Fünf-Sterne-<br />

Hotel mit 300 Zimmern.<br />

Für Touristen interessant sind insbesondere<br />

Qasr el-Bey, ein Schloss aus<br />

dem späten 17. Jahrhundert im historischen<br />

Derb-Viertel, die alte spanische<br />

Kirche Santa Cruz, die Kathedrale Sacre<br />

Coeur aus dem frühen 20. Jahrhundert,<br />

die Große Moschee und das Demaeght-<br />

Museum mit prähistorischen Funden<br />

aus dem ganzen westlichen Maghreb<br />

sowie viele schöne Plätze und Küstenpromenaden.<br />

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FREITAG, 6. JULI<br />

ALGERIEN<br />

9<br />

durch regionale Entwicklung<br />

wurden sie jedoch verstaatlicht, und die Regierung konzentrierte sich in den 60er- und 70er-Jahren<br />

auf den höchst lukrativen Ölsektor. Im Rahmen der Bemühungen um mehr wirtschaftliche Diversifikation<br />

sollen jetzt 42 neue Industriegebiete entstehen, die über ganz Algerien verteilt sind.<br />

Auf diese Weise sollen auch andere Bezirke Wachstumschancen bekommen und Investitionen<br />

in Branchen außerhalb von Öl und Gas angeschoben werden. Derzeit sind gut 13 Prozent der Algerier<br />

in der Industrie beschäftigt, weitere 10 Prozent bei privaten oder staatlichen Bauprojekten.<br />

Von der Errichtung der neuen Industriezentren erhofft sich die Regierung viele neue Arbeitsplätze<br />

in diesen beiden Sektoren.<br />

Sétif<br />

Hohe und kühle Attraktion für Touristen<br />

Gut 1000 Meter über dem Meeresspiegel<br />

gelegen, ist die nordalgerische<br />

Stadt Sétif bekannt<br />

für ihre kühlen Temperaturen und<br />

reichlich Schneefall, vor allem<br />

im Vergleich zum Rest des wüstenreichen<br />

Landes. Die Stadt<br />

befindet sich etwa 300 Kilometer<br />

entfernt von Algier und hat wirtschaftlich<br />

nicht nur florierende<br />

Landwirtschaft und Tourismus zu<br />

bieten, sondern auch eine erfolgreiche<br />

Metall- und Holzindustrie.<br />

Rund um Sétin befinden sich<br />

ländliche Gemeinden, in denen<br />

vor allem Getreideanbau und<br />

Viehzucht betrieben wird. Lokale<br />

Fabriken machen aus dem<br />

geernteten Getreide algerische<br />

Grundnahrungsmittel wie Grieß,<br />

Couscous oder Nudeln.<br />

Die Stadt selbst ist mit fast<br />

300 000 Einwohnern die drittgrößte<br />

Algeriens. Atmosphäre<br />

und Architektur sind unverkennbar<br />

französisch, unter anderem<br />

mit einem Springbrunnen und<br />

einem Theater. Über die Historie<br />

Sétins vor der französischen<br />

Herrschaft ab 1815 ist relativ<br />

wenig bekannt. Was man weiß,<br />

ist dass sie im ersten Jahrhundert<br />

von den Römern gegründet<br />

wurde und dann im Jahr 700 in<br />

islamische Hände kam.<br />

Die französischen Besatzer<br />

machten die Stadt später zur<br />

Residenz für Kriegsveteranen.<br />

1945, am letzten Tag vor dem<br />

offiziellen Ende des zweiten<br />

Weltkriegs, kam es hier zum<br />

„Massaker von Sétin“: Bei einem<br />

Aufstand der Bevölkerung gegen<br />

die Franzosen kamen mehrere<br />

tausend Menschen ums Leben.<br />

Unglücklicherweise ist Sétif bis<br />

heute vor allem für diesen unrühmlichen<br />

Vorfall bekannt.<br />

Trotzdem erlebt die Hauptstadt<br />

der gleichnamigen Provinz mittlerweile<br />

einen Aufschwung beim<br />

Tourismus. Dabei hilft, dass sie<br />

zwar hoch in den Bergen liegt,<br />

aber mit einem Bahnhof und einer<br />

Autobahn trotzdem gut an den<br />

Rest Algeriens angebunden ist.<br />

Vor allem seit der Errichtung<br />

eines Vergnügungsparks im<br />

Stadtzentrum nimmt die Zahl der<br />

Besucher zu. Auf Touristen warten<br />

hier ein Zoo, ein künstlicher<br />

und zahlreiche Wasserspiele.<br />

Constantine<br />

Stadt der Brücken<br />

Die malerische Stadt Constantine<br />

wurde über einer Schlucht erbaut<br />

– kein Wunder also, dass sie voller<br />

Brücken ist und auch „Stadt<br />

der Brücken“ genannt wird. Gelegen<br />

am Ufer des Flusses Rhumel<br />

in etwa 80 Kilometern Entfernung<br />

zur Mittelmeerküste, ist Constantine<br />

nach Algier und Oran die drittgrößte<br />

Stadt Algeriens. Sie gilt<br />

als Hauptstadt des östlichen Landesteils<br />

und hat vor allem für die<br />

Landwirtschaft große Bedeutung.<br />

Constantine besteht grob gesagt<br />

aus zwei Teilen, die von Nordosten<br />

nach Südwesten von der Rue<br />

Didouche Moutad, einer wichtigen<br />

Verkehrsader, getrennt sind.<br />

Den westlichen Teil bildet das historische<br />

Zentrum, eine Kasbah.<br />

Zu erkennen sind hier römische<br />

Einflüsse ebenso wie islamische,<br />

in den baumbeschatteten und gut<br />

organisierten Straßen aus der<br />

Zeit der Franzosen spielt sich der<br />

Hauptteil der geschäftlichen Aktivität<br />

der Stadt ab. Die südöstliche<br />

Seite dagegen ist eindeutig von<br />

muslimischer Architektur geprägt.<br />

Für traditionelle Gewerke und<br />

neuere Geschäfte gibt es hier jeweils<br />

eigene, chaotische Straßen.<br />

Neben den Kleingeschäften im<br />

südlichen Bereich hat Constantine<br />

mit seinen fast einer halben<br />

Million Einwohnern auch eine<br />

industrielle Seite: In Fabriken<br />

entstehen Traktoren und Dieselmotoren,<br />

außerdem werden Lederwaren,<br />

Wollstoffe und Leinen<br />

hauptsächlich für Algerien und<br />

Tunesien produziert.<br />

Zudem spielt die Stadt eine<br />

wichtige Rolle für die Landwirtschaft,<br />

denn in ihr laufen viele<br />

Schienenwege aus den umliegenden<br />

Agrar-Regionen zusammen.<br />

Dies hat sie zum Zentrum<br />

für Getreidehandel werden lassen;<br />

auf der intellektuellen Seite<br />

kann sie mit der 1969 gegründeten<br />

Université Mentouri de Constantine<br />

aufwarten.<br />

Und Constantine hat noch einen<br />

weiteren Anspruch auf Berühmtheit:<br />

1880 gelang es hier<br />

dem Militärarzt und späteren<br />

Nobelpreis-Träger Charles Louis<br />

Alphonse Laveran, erstmals die<br />

Erreger für Malaria zu isolieren<br />

und zu beschreiben.<br />

Tlemcen<br />

Annaba<br />

Algeriens Hochburg für Oliven und Wein<br />

Algeriens historische Hafenstadt<br />

Tlemcen liegt nur 80 Kilometer entfernt<br />

von der Grenze zu Marokko und<br />

65 Kilometer entfernt von der Mittelmeerküste.<br />

Bekannt ist die Stadt<br />

im Nordwesten Algeriens vor allem<br />

für ihre Oliven und Weine, die wirtschaftliche<br />

Basis für diese Binnenland-Region.<br />

Mit 140 000 Einwohnern ist Tlemcen<br />

nur die siebzehntgrößte Stadt Algeriens<br />

und doch gut angebunden an<br />

die Hauptstadt Algier als Wirtschaftszentrum.<br />

Dafür sorgen gut ausgebaute<br />

Straßen und Schienenwege, außerdem<br />

ist Tlemcen über den internationalen<br />

Flughafen Zenata zu erreichen.<br />

Der Name Tlemcen bedeutet in<br />

der Sprache der Berber „die trockene<br />

Quelle“. Die Architektur der<br />

Innenstadt ist französisch geprägt,<br />

über ihren Springbrunnen verläuft<br />

eine charakteristische Gondelbahn.<br />

Gegründet wurde Tlemcen im 4.<br />

Jahrhundert als militärischer Außenposten<br />

der Römer. Vor der arabischen<br />

Eroberung im Jahr 708 wohnten dort<br />

zunächst viele Christen, später kamen<br />

nacheinander unterschiedliche muslimische<br />

Herrscher. Deren Einflüsse<br />

sind erkennbar, passen aber gut zu<br />

den französischen Bauten aus der Besatzungszeit<br />

von 1815 bis 1962.<br />

2011 wurde Tlemcen zur Hauptstadt<br />

der islamischen Kultur gewählt,<br />

unter anderem deshalb, weil dort die<br />

im Jahr 1136 erbaute Große Moschee<br />

zu finden ist, eines der letzten intakten<br />

Beispiele für die Architektur der<br />

marokkanischen Almoraviden-Dynastie<br />

im elften Jahrhundert.<br />

Außer mit Architektur beeindruckt<br />

Tlemcen mit Naturschönheiten wie<br />

einem Nationalpark voller Wasserfälle<br />

und Klippen. Das kühle Klima<br />

des rund 800 Meter hohen Tlemcen-<br />

Gebirges hat die Gegend zu einem<br />

beliebten Ziel für Touristen aus dem<br />

Inland gemacht.<br />

Neben den Bergen ist die Region<br />

voller Olivenhaine und Weinberge,<br />

die sich mit Hilfe des Hafens Rashgun<br />

zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig<br />

für Tlemcen entwickelt<br />

haben. Weitere lokale Produkte sind<br />

Teppiche, Lederwaren und Textilien,<br />

von denen viele eine interessante<br />

Mischung aus islamischen, Berber-,<br />

andalusischen und französischen Einflüssen<br />

zeigen.<br />

Manche nennen Annaba wegen<br />

der Allgegenwart der kleinen roten<br />

Früchte auch die Stadt der Datteln.<br />

Doch die Stadt am nordwestlichen<br />

Ende Algeriens kann nicht nur mit<br />

reichlich natürlichen Rohstoffen<br />

aufwarten, sondern auch mit bedeutenden<br />

Ausgrabungsstätten und wichtigen<br />

Industrien.<br />

Mit 250 000 Einwohnern ist Annaba<br />

die viertgrößte Stadt des Landes nach<br />

Algier, Oran und Constantine und<br />

doch recht überschaubar. Trotzdem hat<br />

sie es geschafft, ein Zentrum für Industrie<br />

und Handel zu werden und einen<br />

bedeutenden Hafen zu betreiben.<br />

Gegründet wurde Annaba im siebten<br />

Jahrhundert in der Nähe der Ruinen<br />

der alten Römer-Stadt Hippo. Doch es<br />

gibt klare Belege dafür, dass die Stadt<br />

auf den Resten frühester menschlicher<br />

Siedlungen erbaut ist: Archäologische<br />

Fundstätten lassen ein Alter von 100<br />

000 Jahren erkennen.<br />

Annaba war zunächst ein wichtiges<br />

Zentrum für das frühe Christentum,<br />

wurde dann aber von muslimischen<br />

Kräften übernommen und später<br />

zu einer Hafenstadt umgewandelt.<br />

Durch seine ideale Lage an der Mittelmeerküste<br />

mit gutem Zugang zu<br />

Italien, Spanien und Frankreich ist<br />

Annaba bis heute eine wichtige Handelsregion.<br />

Über den Hafen verlassen die<br />

meisten Feststoffexporte das Land,<br />

darunter Eisen, Zink oder Stahl. Letzterer<br />

bildet zugleich den wichtigstes<br />

Industriezweig der Stadt: Sie bietet<br />

7000 Arbeitsplätze bei El Hadjar,<br />

dem von der Sowjetunion und Frankreich<br />

finanzierten größten Stahlwerk<br />

Afrikas in weniger als zehn Kilometern<br />

Entfernung von der Innenstadt.<br />

Weitere bedeutende Industriezweige<br />

der Region sind Chemie, Lebensmittel-Konserven<br />

und Schienenbau.<br />

Daneben hat die Stadt ein lebhaftes<br />

Nachtleben und weiße Sandstrände<br />

für Touristen anzubieten, die<br />

meist aus Italien oder Frankreich<br />

kommen. Eine interessante Sehenswürdigkeit<br />

ist die majestätische weiße<br />

Kathedrale St. Augustine, die sich<br />

über dem südlichen Horizont Annabas<br />

erhebt.<br />

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10 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Milliardeninvestition in Fabriken<br />

sichert Zementversorgung<br />

Der staatliche Baustoffkonzern GICA investiert<br />

4 Mrd. Dollar in die Modernisierung und den Neubau<br />

von Produktionswerken. So will er der enormen<br />

Zementnachfrage im Land gerecht werden<br />

Algerien ist ein Land mit vielen<br />

umfangreichen Bauprojekten. Dadurch<br />

steigt die Nachfrage nach<br />

Zement schneller, als die Produktion<br />

erhöht werden kann. Um das<br />

Tempo des Aufbaus durchzuhalten,<br />

musste der Baustoff deshalb<br />

zuletzt importiert werden.<br />

Derzeit produziert Algerien<br />

rund 18 Millionen Tonnen Zement<br />

pro Jahr. Die Nachfrage im Land<br />

beträgt jedoch 21 Millionen Tonnen.<br />

Besonders hoch ist der Bedarf<br />

in der Trockenzeit von März<br />

bis August, die sich am besten für<br />

Bauarbeiten eignet.<br />

„Wir decken das Defizit mit<br />

Importen, aber das ist keine Lösung“,<br />

sagt Yahia Bachir, der Chef<br />

des staatlichen Zementproduzenten<br />

GICA (Groupe Industriel<br />

des Ciments d‘Algerie). „Manchmal<br />

geht das schon deshalb nicht,<br />

weil die nötigen Mengen auch auf<br />

dem internationalen Markt nicht<br />

verfügbar sind. Wir müssen selbst<br />

genügend Zement herstellen.“<br />

Zu diesem Zweck hat GICA ein<br />

4 Mrd. Dollar schweres Investitionsprogramm<br />

aufgelegt, das die<br />

Jahresproduktion des Konzerns<br />

bis 2020 von 11,5 Millionen Tonnen<br />

auf 29 Millionen Tonnen steigern<br />

soll.<br />

Entstanden ist GICA vor drei<br />

Jahren im Zuge einer Konsolidierung<br />

der staatlichen Zementunternehmen<br />

samt Tochtergesellschaften.<br />

Der neue Konzern<br />

kontrolliert zwölf der 14 Zementfabriken<br />

des Landes.<br />

GICA soll „ein führendes Unternehmen<br />

für die landesweite<br />

Zementindustrie und andere Baustoffe“<br />

werden, erklärte Abdelhamid<br />

Temmar, der damalige Minister<br />

für Industrie und Förderung<br />

der Wirtschaft, bei der Zusammenlegung.<br />

Zuvor hatte der französische<br />

Privatkonzern Lafarge<br />

seit der Übernahme von Orascom<br />

Cement im Jahr 2008 den algerischen<br />

Markt dominiert. Lafarge<br />

produziert etwa sieben Millionen<br />

Tonnen Zement pro Jahr.<br />

Ziel der Gründung von GICA<br />

war es, den staatlichen Anteil am<br />

inländischen Zementmarkt von<br />

rund 67 Prozent auf 75 bis 80 Prozent<br />

auszuweiten und später auch<br />

ins Ausland zu expandieren.<br />

Der Investitionsplan sieht sowohl<br />

die Modernisierung von<br />

alten Fabriken als auch den Bau<br />

von neuen vor. Letztere sollen in<br />

der nördlichen Provinz Relizane<br />

und in den Südprovinzen Bechar,<br />

Adrar und Tamanrasset entstehen.<br />

„Die Nachfrage nach Zement ist dringend und<br />

steigt ständig. Wir müssen die Lücke so schnell<br />

wie möglich schließen.“<br />

Yahia Bachir, GICA-Chef<br />

Zudem laufen mit ausländischen<br />

Partnern Gespräche über den Bau<br />

von Werken in Djelfa im nördlichen<br />

Zentral<strong>algerien</strong> sowie in<br />

Sigus im Osten des Landes.<br />

„Der Prozess hat schon begonnen“,<br />

sagt GICA-Chef Bachir,<br />

„die Nachfrage nach Zement ist<br />

dringend und steigt immer weiter.<br />

Wir müssen die Lücke so schnell<br />

wie möglich schließen. Deshalb<br />

Yahia Bachir, Chef des staatlichen Zementherstellers GICA<br />

haben wir uns entschlossen,<br />

die Pläne schlüsselfertig von<br />

einem Partner aus dem Ausland<br />

realisieren zu lassen.<br />

Anders würden wir Verzögerungen<br />

riskieren.“<br />

Das Entwicklungsprogramm<br />

soll 2400 neue Arbeitsplätze<br />

schaffen. Und es<br />

hat noch einen Vorteil: Möglicherweise<br />

reicht die Produktion<br />

dann auch für den<br />

Verkauf ins Ausland.<br />

„Nach Abschluss des Programms<br />

werden wir sicher<br />

einen Überschuss haben. In<br />

den nächsten fünf Jahren dürften<br />

vier bis fünf Millionen<br />

Tonnen für den Export übrig<br />

sein“, so Bachir. „Und das ist<br />

nur die staatliche Produktion.<br />

Berücksichtigt man auch den<br />

Privatsektor, wird Algerien<br />

etwa zehn Millionen Tonnen<br />

exportieren können.“<br />

Nach den Worten des GICA-<br />

Chefs gibt es bereits Verhandlungen<br />

mit möglichen Partnern<br />

im Ausland, die Kompetenz<br />

und Erfahrung mit Zementausfuhren<br />

haben.<br />

„Zement ist ein schwierig<br />

zu exportierendes Produkt“,<br />

sagt Bachir. „Er ist sehr empfindlich.<br />

Schon wenig Feuchtigkeit<br />

kann die Qualität beeinträchtigen.<br />

Wir brauchen<br />

Partner, die den internationalen<br />

Zementhandel kennen.<br />

Meiner Meinung nach können<br />

wir uns in diesem Geschäft nur<br />

engagieren, wenn wir Partner<br />

mit viel Erfahrung finden.“<br />

Eine Onlineplattform<br />

für Investments<br />

Über das ANDI-Investmentportal finden ausländische Investoren und<br />

algerische Unternehmer zueinander<br />

„Die algerischen Behörden<br />

wollen über ausländische<br />

Investitionen<br />

vor allem den Technologietransfer<br />

fördern.“<br />

ANDI-Chef Abdelkrim Mansouri<br />

Wenn es je einen<br />

Ort der unbegrenzten<br />

Möglichkeiten<br />

für Investoren<br />

gegeben<br />

hat, dann ist das<br />

Algerien. Das<br />

größte afrikanische Land (seit der Teilung<br />

des Sudan) verfügt über eine lange<br />

Küste, Tausende Sonnenstunden,<br />

fruchtbare Böden, Erzvorkommen,<br />

Öl- und Erdgasreserven, gut erhaltene<br />

römische Ruinen und eine sehr junge<br />

Bevölkerung. Damit gehört Algerien<br />

zu den Ländern mit dem größten nicht<br />

erschlossenen Potenzial weltweit.<br />

In der Vergangenheit haben ausländische<br />

Investoren meist einen Bogen<br />

um das nordafrikanische Land gemacht,<br />

dessen Wirtschaft nach wie vor<br />

vom Staat dominiert wird. Umso vielfältiger<br />

sind die Möglichkeiten für die<br />

Unternehmer von heute. Blind einsteigen<br />

muss in Algerien niemand. In der<br />

nationalen Investitionsagentur ANDI<br />

(Agence Nationale de Développement<br />

de l‘Investissement) finden Ausländer<br />

einen kompetenten Partner vor Ort.<br />

Die Agentur, die sowohl privatwirtschaftliche<br />

als auch staatliche Partnerschaften<br />

fördert, bietet ein dreisprachiges<br />

Onlineportal, das Unternehmer<br />

und Investoren zusammenbringt.<br />

Geldgeber machen ein Angebot oder<br />

veröffentlichen ihre Pläne, und interessierte<br />

Unternehmer können über<br />

ANDI Kontakt zum entsprechenden<br />

Investor aufnehmen. 175 solcher Partnerschaftsangebote<br />

enthält die Datenbank<br />

momentan.<br />

Einer der größten Vorteile des<br />

Onlinesystems besteht darin, dass<br />

ausländische Investoren ihre Angebote<br />

bequem von ihrem Heimatland<br />

aus abgeben können. ANDI hat vor<br />

Kurzem die Anzahl der Prozessschritte<br />

verringert, damit Investitionen<br />

einfacher und schneller umgesetzt<br />

werden können.<br />

ANDI-Chef Abdelkrim Mansouri<br />

sagt, die Agentur unterstütze Investoren<br />

nicht nur beim Anbahnen<br />

sondern auch beim Umsetzen ihrer<br />

Projekte. Sie hilft beim Kontakt mit<br />

den maßgeblichen Behörden und<br />

informiert über steuerliche und andere<br />

Anreize.<br />

Algerien will seine Abhängigkeit<br />

von Erdgas- und Erdöl verringern.<br />

Auch hier spielt ANDI<br />

eine entscheidende Rolle, denn<br />

die Agentur trägt dazu bei, dass<br />

die inländische Industrie mit Hilfe<br />

von Know-how und Technologie<br />

aus dem Ausland wächst.<br />

„Die algerischen Behörden wollen<br />

über ausländische Investitionen vor<br />

allem den Technologietransfer fördern“,<br />

sagt Mansouri. „Sie sind an<br />

Aktivitäten interessiert, die die Importquote<br />

senken. Wenn Sie sich die<br />

Liste unserer Importe ansehen, werden<br />

Sie feststellen, dass wir Vieles<br />

einführen, das wir problemlos selbst<br />

herstellen könnten. Außerdem wollen<br />

wir uns bei den Exporten breiter aufstellen.<br />

Wir wollen nicht mehr nur Öl<br />

und Gas verkaufen – zwei Güter, die<br />

den Schwankungen der internationalen<br />

Märkten unterliegen.“<br />

Sorgen um ihr Kapital müssen sich<br />

Ausländer nicht machen, sagt Mansouri.<br />

Algerien hat Doppelbesteuerungsabkommen<br />

und 48 bilaterale<br />

Verträge unterzeichnet, die für faire<br />

Rahmenbedingungen sorgen. Darüber<br />

hinaus hat das Land alle internationalen<br />

Konventionen zum Schutz ausländischer<br />

Investoren ratifiziert.<br />

Vor dem Hintergrund der soliden<br />

Haushaltslage ermutigt Algerien ausländische<br />

Investoren, ihre Projekte<br />

über Banken vor Ort zu finanzieren.<br />

Technologietransfer und Know-how<br />

sind dem Land wichtiger als ausländische<br />

Finanzierung.<br />

Pro Unternehmen ist die Beteiligung<br />

von Ausländern zwar auf 49 Prozent<br />

beschränkt, die Regierung wirbt aber<br />

dafür, dass Investoren sich mit mehreren<br />

algerischen Partnern zusammentun.<br />

So können sie sich eine größere Beteiligung<br />

an einem Unternehmen sichern,<br />

und die Risiken sind besser verteilt.<br />

www.andi.dz<br />

Das Kleingedruckte<br />

Der rechtliche Rahmen<br />

für ausländische Investitionen<br />

Verordnung 01-03 zur Investitionsentwicklung<br />

vom 20.<br />

August 2001:<br />

Der rechtliche Rahmen für<br />

Investitionen in Algerien wird<br />

größtenteils durch diese Rechtsvorschrift<br />

festgesetzt und durch<br />

Verordnung Nr. 06-08 vom 15.<br />

Juli 2006 ergänzt.<br />

Dekret vom 9. Oktober 2006:<br />

Legt die Kompetenzen, Strukturen<br />

und Arbeitsabläufe des<br />

algerischen Investitionsrats CNI<br />

und der staatlichen Investitionsagentur<br />

ANDI fest.<br />

Dekret des Premierministers<br />

vom 11. Januar 2007:<br />

Enthält eine Liste der Unternehmen,<br />

Waren und Dienstleistungen,<br />

die von den in der<br />

Verordnung zur Investitionsentwicklung<br />

vom 20. August 2001<br />

festgelegten Vergünstigungen<br />

ausgenommen sind.<br />

Nachtragshaushaltsgesetz vom<br />

Mai 2009:<br />

Trotz der Kritik einiger ausländischer<br />

Unternehmen an der<br />

hierdurch gesetzlich verankerten<br />

51/49-Prozent-Regel verdreifachte<br />

sich die Zahl der Projekte ausländischer<br />

Partner sowohl 2010<br />

als auch 2011 im Vergleich zum<br />

jeweiligen Vorjahr.<br />

Vergaberecht, 7. Oktober 2010,<br />

Nr. 10-236:<br />

Artikel 23: Im Rahmen dieses<br />

Gesetzes über das öffentliche Auftragswesen,<br />

das das entsprechende<br />

Dekret des Präsidenten vom 24. Juli<br />

2002 ersetzte, wurde eine Präferenzspanne<br />

für inländische Bieter<br />

eingeführt, die damit gegenüber<br />

ausländischen Unternehmen bevorzugt<br />

werden.<br />

Artikel 54: Neben der Präferenzspanne<br />

besteht die Verpflichtung<br />

zur Wahl eines inländischen Bieters,<br />

wenn dessen Produkte und Dienstleistungen<br />

die Ausschreibungsbedingungen<br />

erfüllen. Zudem müssen<br />

ausländische Unternehmen, die bei<br />

einer internationalen Ausschreibung<br />

den Zuschlag erhalten, laut dem<br />

neuen Gesetzestext eine Investitionspartnerschaft<br />

mit einem einheimischen<br />

Unternehmen eingehen.<br />

Um den Auftrag zu erhalten, muss<br />

das ausländische Unternehmen 25<br />

Prozent billiger sein als das algerische<br />

(bis dahin: 15 Prozent).<br />

Nach der Gesetzgebung vom<br />

Mai 2009 müssen mindestens 30<br />

Prozent des Kapitals eines ausländischen<br />

Unternehmens, das Waren<br />

nach Algerien importiert, von<br />

einem algerischen Partner gehalten<br />

werden.<br />

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FREITAG, 6. JULI<br />

ALGERIEN<br />

11<br />

Neues Geschäftsfeld noch dieses Jahr<br />

Der Zementhersteller GICA will bis Ende des Jahres auch Fertigbeton anbieten<br />

Als mineralienreiches Land hat Algerien<br />

jede Menge Ressourcen für<br />

die Produktion von Baustoffen. „Unser<br />

Reichtum liegt im Boden und<br />

Unterboden“, sagt Yahir Bachir, der<br />

Chef des Zementherstellers GICA.<br />

„Das sind unsere Trümpfe, und wir<br />

wollen sie bestmöglich einsetzen.“<br />

Das Kerngeschäft von GICA ist<br />

die Zementherstellung, aber Tochtergesellschaften<br />

produzieren auch Zuschlagstoffe<br />

und sind dabei, ein Geschäft<br />

mit Fertigbeton aufzubauen.<br />

Derzeit bietet GICA drei Zementsorten<br />

an: CPJ 42.5, CPJ 32.5 und CRS<br />

400, eine sulfatresistente Variante.<br />

„Wir achten sehr darauf, hochwertigen<br />

Zement zu produzieren“, sagt<br />

Bachir, „der Herstellungsprozess ist<br />

komplexer, als viele Leute glauben“.<br />

Machbarkeitsstudien werden<br />

vom Technikzentrum der Gruppe<br />

durchgeführt, das auf Baustofftechnologien<br />

spezialisiert ist. „Das<br />

Technikzentrum führt geologische<br />

Untersuchungen durch, um festzustellen,<br />

wo sich die Rohstoffe befinden,<br />

mit denen sich die besten<br />

Endprodukte herstellen lassen. Der<br />

gesamte Fabrikationsprozess, von<br />

der Gewinnung der Rohstoffe bis hin<br />

zum FertigProdukt, unterliegt bei<br />

uns einer strengen Qualitätskontrolle“,<br />

erklärt Bachir.<br />

Wenn die Zementnachfrage das<br />

Angebot übersteigt, werden bevorzugt<br />

Entwicklungsarbeiten wie öffentliche<br />

Bauvorhaben oder Staudammprojekte<br />

beliefert. „Diese<br />

Unternehmen machen 55 Prozent<br />

unseres Geschäfts aus; selbst bei<br />

einer Lücke von drei Millionen Tonnen<br />

können wir ihren Bedarf noch<br />

decken“, sagt Bachir.<br />

Drei der Gesellschaften von GICA<br />

produzieren Zuschlagstoffe: eine im<br />

Osten des Landes, eine im Zentrum<br />

und eine im Westen. Die aktuelle<br />

Bis Anfang 2013 dürfte die Produktion von aktuell 4,5 Millionen<br />

Tonnen auf sieben Millionen Tonnen steigen<br />

Produktion beträgt 4,5 Millionen<br />

Tonnen pro Jahr, das Ziel von sieben<br />

Millionen Tonnen soll Anfang 2013<br />

erreicht sein.<br />

Im Rahmen des Fünf-Jahres-Plans<br />

steigt GICA dieses Jahr außerdem<br />

ins Fertigbetongeschäft ein. Dazu<br />

Bachir: „Wir installieren 14 Fertigbetonstationen,<br />

sieben davon werden<br />

bis Ende des Jahres fertig sein. Wir<br />

sprechen auch mit einem Partner<br />

aus dem Ausland. Wir würden das<br />

Geschäft auch ohne Unterstützung<br />

aufsbauen, aber wenn eine für beide<br />

„Der Herstellungsprozess<br />

für Zement<br />

ist komplexer, als viele<br />

Leute glauben.“<br />

GICA-Chef Yahia Bachir<br />

Seiten nützliche Partnerschaft möglich<br />

ist, warum nicht?“<br />

Ergänzt wird das Portfolio der<br />

Gruppe um Unternehmen für industrielle<br />

Wartung, Marketing und<br />

Vertrieb. Von den drei Vertriebstöchtern<br />

sind zwei im Zentrum Algeriens<br />

angesiedelt und eine im Westen; die<br />

Zementfabriken im Osten haben ihr<br />

eigenes Vertriebsnetz.<br />

„Wenn man zum öffentlichen<br />

Sektor gehört, steht man in der<br />

Verantwortung, Baustoffe in allen<br />

Regionen des Landes verfügbar zu<br />

machen“, sagt Bachir. „Unser Netz<br />

reicht von Algier im Norden bis zu<br />

den Grenzen zu Mali und Niger ganz<br />

im Süden.“<br />

Partnerschaften<br />

mit Gewinn<br />

Unternehmen aus dem Ausland bringen<br />

Erfahrung und Kompetenz mit<br />

Die Regierung hat mir der<br />

Schaffung von GICA zwar<br />

deutlich gemacht, dass sie<br />

einen möglichst großen Teil der<br />

Wirtschaft unter algerischer<br />

Kontrolle behalten will. Doch<br />

die Vorteile von Partnerschaften<br />

mit ausländischen Unternehmen<br />

sind ihr sehr wohl bewusst.<br />

Nur sieben der 14 Zementfabriken<br />

der GICA-Gruppe sind<br />

100-Prozent-Töchter, an den<br />

übrigen halten ausländische Unternehmen<br />

Minderheitsanteile<br />

von 35 Prozent.<br />

„Unser Ziel war, ihre Managementkompetenz<br />

zu nutzen, um<br />

den Einsatz unserer Produktionsmittel<br />

zu optimieren. Das hat<br />

gut funktioniert, also werden<br />

wir diesen Kurs mit weiteren<br />

Partnern fortsetzen“, erläutert<br />

GICA-Chef Yahia Bachir die<br />

Motivation für Allianzen.<br />

Einige der im Rahmen eines<br />

4 Mrd. Dollar schweren Investitionsprogramms<br />

geplanten<br />

Zementfabriken werden wahrscheinlich<br />

als Joint Ventures<br />

gegründet. Für den Export von<br />

Zement hält GICA ebenfalls<br />

Ausschau nach Know-how und<br />

Erfahrungen aus dem Ausland.<br />

Und auch im technischen Bereich<br />

können ausländische Partner<br />

wertvolle Beiträge leisten.<br />

„Wenn man sein Geschäft<br />

ohne Öffnung nach außen<br />

betreibt und sich nicht für die<br />

technische Entwicklung interessiert,<br />

kommt man manchmal<br />

statt vorwärts nur rückwärts“,<br />

sagt Bachir. „Durch die Zusammenarbeit<br />

mit großen internationalen<br />

Unternehmen können wir<br />

technologisch auf dem neuesten<br />

Stand bleiben, und das hilft uns<br />

beim Wachsen. Unser Ziel ist es,<br />

den Einsatz der Produktionsmittel<br />

mit Hilfe von Partnern, die<br />

hier einen Vorsprung haben, zu<br />

optimieren.“<br />

Außerdem spricht GICA<br />

derzeit mit ausländischen Unternehmen<br />

über den Bau eines<br />

Schulungszentrums für Ingenieure<br />

und Techniker.<br />

„Wir wollen uns auf Technik<br />

für die Zementindustrie spezialisieren.<br />

Dafür braucht es<br />

heute mehr als die gute Standardausbildung,<br />

die es in Algerien<br />

bereits gibt“, sagt Bachir. „Wir<br />

benötigen ein zusätzliches Schulungszentrum,<br />

in dem Ingenieure<br />

und Techniker die nötigen<br />

Fachkenntnisse erwerben, so<br />

dass sie möglichst schnell<br />

einsatzbereit sind. Auch hier<br />

wollen wir mit Partnern zusammenarbeiten,<br />

die uns in dieser<br />

Hinsicht voraus sind.“<br />

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12 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Großzügige<br />

Anreize für ernsthafte<br />

Investoren<br />

Algerien investiert massiv in seine Staatsunternehmen und verbessert<br />

damit nicht nur den Wissenstransfer, sondern schafft<br />

auch Vorteile für Investoren<br />

CABELEQ und die<br />

Auch der staatliche Sektor kennt die Vorteile von Synergien, um<br />

die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Die algerische Elektronikgruppe<br />

Cabeleq hat viel Erfahrung damit<br />

Große multinationale Unternehmen<br />

– insbesondere solche, die durch<br />

strategische Akquisitionen gewachsen<br />

sind – achten sehr darauf: Jede<br />

neue Übernahme muss den Wert der<br />

Gruppe erhöhen, sodass der Mutterkonzern<br />

mehr wert ist als die Summe<br />

seiner Teile. Dynamische Teamarbeit,<br />

eine optimierte Zusammenarbeit und<br />

produktive Synergien sind Grundbausteine<br />

der größten Konglomerate der<br />

Welt. Doch das Bemühen um Stärke<br />

durch Synergien beschränkt sich keineswegs<br />

auf den Privatsektor: Auch<br />

die Holdinggesellschaften der öffentlichen<br />

Einrichtungen Algeriens sind<br />

vom Wunsch geprägt, auf diese Weise<br />

Effizienz und die besten Ergebnisse<br />

zu erzielen.<br />

Einer der Verfechter guter Teamarbeit<br />

ist das staatliche Unternehmen<br />

SGP Cabeleq, das als Dachgesellschaft<br />

führender Anbieter<br />

von elektrischen Komponenten wie<br />

Electro Industrie und ENPEC ein<br />

wichtiger Mitspieler in vielen strategischen<br />

Bereichen der algerischen<br />

Industrie ist. ENPEC hat sich auf<br />

Batterien für die Automobilherstellung<br />

spezialisiert, Electro Industrie<br />

produziert Elektromotoren, Wechselstromgeneratoren,<br />

Transformatoren<br />

und Lichtmaschinen. Über die<br />

Tochtergesellschaften REELEC und<br />

ALRELEC ist Cabeleq außerdem<br />

in verwandten Geschäftszweigen<br />

wie der Elektrifizierung aktiv. Als<br />

Gesamtgruppe, deren Mitglieder einander<br />

ergänzen und unterstützen,<br />

kann Cabeleq produktive Allianzen<br />

unter seinen Geschäftsbereichen<br />

entwickeln und so die Geschäftschancen<br />

jeder Einheit verbessern.<br />

„Wir stehen alle in Kontakt miteinander:<br />

Manche Unternehmen<br />

produzieren, andere installieren,<br />

wieder andere übernehmen die<br />

Wartung. Also können wir bei Ausschreibungen<br />

mit mehreren Firmen<br />

gleichzeitig antreten“, sagt Aziza<br />

Boukaoula, Cabeleq-Chefin. „REE-<br />

LEC kann Anlagen zur Stromerzeugung<br />

produzieren und installieren<br />

und dabei mit Electro Industrie und<br />

SORELEC zusammenarbeiten. Diese<br />

Unternehmen arbeiten seit vielen<br />

Jahren eng zusammen.“<br />

Das Zusammenlegen ihrer Stärken<br />

ist auch für andere Geschäftsbereiche<br />

von Cabeleq entscheidend,<br />

darunter INATEL und RETELEM<br />

aus dem Sektor der Informations-<br />

und Kommunikationstechnologie<br />

(IuK). RETELEM produziert Telekomeinrichtungen<br />

wie Telefonzentralen<br />

und Vermittlungsstellen bis<br />

hin zu Telefon- und IT-Netzen oder<br />

elektronischen Überwachungssystemen,<br />

INATEL übernimmt die Installation.<br />

Die Vorteile der Zusammenarbeit<br />

zeigen sich auch anhand der<br />

Synergien mit anderen Geschäftszweigen<br />

von Cabeleq wie SITEL<br />

oder INFRATELE, die nationale und<br />

städtische Telefonnetze aufbauen.<br />

Algeriens Regierung unterstützt<br />

das Arbeiten mit Nachunternehmern<br />

und die gegenseitige Ko- operation<br />

in der Industrie. Beides ist auch<br />

unter staatlichen Betrieben üblich.<br />

So empfiehlt Sonelgaz offiziell die<br />

Transformatoren von Electro Industrie<br />

(und denkt über einen Einstieg in<br />

das Unternehmen nach). Der Haus-<br />

Qualität ist Trumpf<br />

Die in Algerien hergestellten Produkte von CABELEQ gelten als so gut, dass<br />

sie sich wie von selbst verkaufen. Unterdessen plant das Unternehmen mit seinen<br />

Tochtergesellschaften eine Expansion in den Sektoren ICT und Solarstrom<br />

Bei Management und moderner<br />

Technologie haben viele<br />

Staatsunternehmen Nachholbedarf.<br />

Dessen sind sie sich auch<br />

bewusst. Partnerschaften mit<br />

kompetenten ausländischen Firmen<br />

sollen unterstützen. In den<br />

vergangenen fünf Jahren hat Algerien<br />

die Rahmenbedingungen<br />

für Allianzen vereinfacht und<br />

neue Anreize für ausländische<br />

Investoren geschaffen.<br />

„Wir haben mehr als 150<br />

Maßnahmen, um Investitionen<br />

zu erleichtern. Dazu zählt unter<br />

anderem eine vollständige<br />

Steuerbefreiung während der<br />

Aufbauphase und der darauffolgenden<br />

zehn Jahre. Zudem<br />

stellen wir Investoren kostenlos<br />

Baugrundstücke für Fabriken<br />

zur Verfügung, unsere Banken<br />

sorgen für die nötige Finanzierung,<br />

und wir tun alles, damit<br />

der private Sektor die Herausforderung<br />

annimmt“, sagt Mohamed<br />

Benmeradi, Minister für<br />

Industrie, kleine und mittlere<br />

Unternehmen sowie Investitionsförderung.<br />

Die Regierung hilft den<br />

Staatsunternehmen auch durch<br />

Restrukturierungen – einschließlich<br />

Bilanzsanierung und<br />

technologischer Modernisierung.<br />

Dem Automobilhersteller<br />

SNVI wurden nicht nur die<br />

Schulden erlassen, das Unternehmen<br />

erhielt darüber hinaus<br />

Investitionen, deren Wert auf<br />

bis zu 12,5 Mrd. Dinar (125<br />

Mio. Euro) beziffert wird. Und<br />

in öffentliche Bauprojekte hat<br />

Algerien in den vergangenen<br />

zehn Jahren 10 Mrd. Dollar<br />

investiert.<br />

Allianzen unterliegen der<br />

51/49-Regel. Das heißt, die<br />

Beteiligung ausländischer Investoren<br />

ist auf 49 Prozent des<br />

Eigenkapitals beschränkt. Um<br />

den ausländischen Partner aber<br />

zumindest in den Genuss einer<br />

relativen Mehrheit kommen<br />

zu lassen, teilt sich der Staat<br />

in manchen Fällen das 51-Prozent-Paket<br />

mit inländischen<br />

„Wir haben mehr<br />

als 150 Maßnahmen,<br />

um Investitionen<br />

zu erleichtern.<br />

Dazu zählt unter<br />

anderem eine vollständige<br />

Steuerbefreiung<br />

während der<br />

Aufbauphase und<br />

der darauffolgenden<br />

zehn Jahre. Zudem<br />

stellen wir Investoren“,<br />

Mohamed Benmeradi,<br />

Minister für Industrie,<br />

kleine und mittlere<br />

Unternehmen sowie<br />

Investitionsförderung<br />

Privatunternehmen.<br />

So geht beispielsweise der<br />

Zementhersteller Sigus eine<br />

Partnerschaft mit dem französischen<br />

Wettbewerber Lafarge<br />

ein, einem der weltgrößten Zementkonzerne.<br />

49 Prozent der<br />

Anteile hält Lafarge, weitere<br />

49 Prozent der algerische Staat<br />

und zwei Prozent gehen an<br />

inländische Privatunternehmen.<br />

Eine andere Möglichkeit sind<br />

Aktionärsvereinbarungen, die<br />

dem ausländischen Partner die<br />

Kontrolle über das Management<br />

übertragen. Beim staatlichen<br />

Zementhersteller Meftah<br />

etwa kontrolliert Lafarge die<br />

Unternehmensführung, obwohl<br />

die Franzosen nur 35 Prozent<br />

der Anteile halten.<br />

Die strategische Ausrichtung<br />

für ausländische Investitionen<br />

legt der nationale Investitionsrat<br />

CNI fest. Er ermittelt,<br />

welche Projekte für das Land<br />

von wirtschaftlichem Interesse<br />

sind. Für die praktische<br />

Durchführung ist die Investitionsagentur<br />

ANDI (Agence<br />

Nationale de Développement<br />

de l‘Investissement) zuständig.<br />

Sie wurde 2001 gegründet, um<br />

ausländische Investoren dabei<br />

zu unterstützen, in Algerien zu<br />

investieren und Unternehmen<br />

aufzubauen. ANDI informiert,<br />

vermittelt und macht im Ausland<br />

Werbung für Algerien.<br />

Vertreter der Agentur begleiten<br />

Investoren sogar zu Treffen<br />

mit algerischen Unternehmen<br />

und Verwaltungsbehörden.<br />

Algeriens World Trade Center<br />

(WTC) bietet unterdessen<br />

ebenfalls Unterstützung bei<br />

administrativen, rechtlichen<br />

und steuerrechtlichen Angelegenheiten.<br />

„Wir wollen unseren Kunden<br />

die aufwendigsten bürokratischen<br />

Aufgaben abnehmen“,<br />

sagt WTC-Chef Ahmed<br />

Tibaoui. „Wir können für sie<br />

die Firmengründung und den<br />

Eintrag im Handelsregister<br />

übernehmen, geeignete Partner<br />

finden und die von ANDI angebotenen<br />

steuerlichen Anreize<br />

erschließen. Viele europäische<br />

Unternehmer sind zuversichtlich,<br />

dass sie in Algerien finden,<br />

was Europa während der<br />

Finanzkrise 2008 verloren hat.“<br />

Ähnlich optimistisch beurteilt<br />

Tibaoui das zunehmend<br />

positive Image seines Landes:<br />

„Bleibt nur noch, das Vertrauen<br />

in die Wirtschaft wieder zu<br />

stärken, indem wir im Ausland<br />

zeigen, was Algerien letztlich<br />

darstellt: einen stabilen Markt<br />

mit 37 Millionen Verbrauchern<br />

und jeder Menge Chancen.“<br />

Algerische Hersteller sind sehr qualitätsorientiert<br />

– sowohl Unternehmenskunden<br />

als auch Privatleute wissen<br />

und schätzen das. Ein freier Markt<br />

bringt zwar Wettbewerb, doch nachdem<br />

sie sich von den niedrigeren Preisen<br />

ausländischer Produkte hat- ten<br />

locken lassen, kehrten viele algerische<br />

Kunden nun zu den hochwertigeren<br />

heimischen Marken zurück. Batterien<br />

von ENPEC sind beispielsweise häufig<br />

ausverkauft, obwohl das Unternehmen<br />

garnicht für sie wirbt – zufriedene<br />

Kunden und Mundpropaganda<br />

bringen ihm ausreichend Reputation<br />

und Nachfrage. Das Gleiche gilt für<br />

seine Muttergesellschaft, das Staatsunternehmen<br />

Cabeleq. Dessen Biskra-<br />

Kabel genießt zum Beispiel einen hervorragenden<br />

Ruf und kann sich gegen<br />

billigere Konkurrenzprodukte aus China<br />

mühelos behaupten.<br />

„Anfangs waren wir wegen der<br />

Konkurrenz durch billigere Produkte<br />

aus China besorgt. Die Kunden haben<br />

die Qualitätsunterschiede aber erkannt<br />

und verstanden, dass die Produkte<br />

nicht identisch sind, also kaufen sie<br />

wieder bei uns“, sagt Cabeleq-Chefin<br />

Aziza Boukaoula.<br />

Cabeleq hat eine gut etablierte Qualitätspolitik,<br />

unter anderem belegt durch<br />

eine hohe Zahl von Zertifizierungen<br />

bei seinen Tochterunternehmen. Die<br />

Produkte des Konzerns genügen<br />

höchsten internationalen Standards<br />

und eignen sich somit auch für die<br />

Exportmärkte. ENPEC verkauft beispielsweise<br />

Batterien auch in Libyen.<br />

Die Produktionsprozesse von ENPEC<br />

entsprechen der ISO-Produktnorm<br />

9001:2000 und der ISO-Umweltnorm<br />

14001. Mit der Einhaltung solcher<br />

Standards beweisen Management und<br />

Mitarbeiter von Cabeleq ihren Einsatz<br />

und ihre Professionalität.<br />

Arbeit im Team<br />

Boukaoula lobt das Qualitätsbewusstsein<br />

der Belegschaft: „Unsere<br />

technischen Teams haben von der<br />

Konkurrenz aus Übersee nichts zu<br />

befürchten. Sie kommen von hervorragenden<br />

Universitäten wie der École<br />

Polytechnique und sind hoch qualifiziert.<br />

Wir wissen, was wir wollen und<br />

wohin wir gehen. Mögliche internationale<br />

Partner sind manchmal überrascht<br />

über unserer hohe Effizienz<br />

und haben derart gute Investitionsbedingungen<br />

nicht erwartet.“<br />

Einer der von Cabeleq neu anvisierten<br />

Märkte ist der Bereich erneuerbare<br />

Energien – und internationale<br />

Partner sollen bei seiner Erschließung<br />

dabei sein. Die Tochtergesellschaft<br />

ENPEC hat bereits das Potenzial untersucht<br />

und sieht gute Chancen. „Wir<br />

wollen in den Sektor Solarbatterien<br />

einsteigen“, sagt Boukaoula, „die<br />

Voraussetzungen dafür hat ENPEC<br />

schon, denn Batterien für Fahrzeuge<br />

sind Batterien für Solaranwendungen,<br />

von ein paar Änderungen<br />

und Kniffen<br />

abgesehen,<br />

sehr ähnlich. Mit<br />

der Universität<br />

Setif haben wir<br />

gemeinsame<br />

Forschungsprojekte<br />

und die<br />

Weiterentwicklung unseres<br />

Solarbereichs vereinbart“.<br />

Eine breit aufgestellte Gruppe<br />

ENPEC ist eine der 13 Tochtergesellschaften<br />

von Cabeleq und hat sich<br />

auf Elektrochemie spezialisiert. Zum<br />

Unternehmen gehören wiederum drei<br />

Tochtergesellschaften, die Kabel herstellen:<br />

CABEL produziert Stromleiter<br />

aus Kupfer, Aluminium und Stahl und<br />

Drähte für die Industrie, von CATEL<br />

kommen Kupferleitungen für geringe<br />

Spannungen sowie Glasfaserkabel und<br />

Enica-Biskra ist ein führender Anbieter<br />

von Kabeln für den Niedrig- und<br />

Mittelvoltbereich und von Industrieund<br />

Baukabeln. Der Firmensitz befindet<br />

sich 400 Kilometer südöstlich von<br />

Algier. Etwa 90 000 Quadratmeter des<br />

insgesamt fast 350 000 Quadratmeter<br />

großen Geländes sind für Produktion,<br />

Lager und Büroraum reserviert.<br />

Im Geschäftsbereich Elektrotechnik<br />

von Cabeleq produzieren und<br />

vermarkten die Unternehmenstöchter<br />

EDIEL und Electro-Industries Ausrüstung<br />

wie Motoren, Transformatoren,<br />

Wechselstromgeneratoren und<br />

Generatoren. Um technisch führend<br />

zu bleiben, arbeitet EDIEL mit mehreren<br />

Partnern zusammen, darunter<br />

ABB, Alstom und Schneider. Electro-<br />

Industries entwickelt sich vor allem<br />

mit Nischenprodukte.<br />

Im Telekomsektor ist die Gruppe<br />

mit den Unternehmen ENTC und Sitel<br />

aktiv, die beide in Tlemcen, im Nordwesten<br />

Algeriens niedergelassen sind.<br />

ENTC produziert Telefongeräte und<br />

analoge Vermittlungstechnik. Sitel ist<br />

ein Joint Venture mit der führenden<br />

schwedischen Telekomfirma Ericsson,<br />

das seit 1988 besteht und 2004 das<br />

erste in Algerien hergestellte Mobiltelefon<br />

produziert hat. Sitel betreut zudem<br />

das volldigitale Festnetz des Landes<br />

mit seinen mehr als drei Millionen<br />

Anschlüssen.<br />

Die vier Unternehmenstöchter<br />

Al-Elec, REELEC, Armel und Infratele<br />

von Cabeleq erbringen Dienstleistungen<br />

in der Stromversorgung.<br />

Al-Elec baut Stromleitungen und<br />

Stromversorgungseinrichtungen und<br />

übernimmt die Elektrifizierung ländlicher<br />

Gebiete. REELEC kümmert<br />

sich um Installation und Wartung von<br />

Stromgeneratoren in der Industrie. Armel<br />

repariert elektrische Anlagen und<br />

entsorgt Industrieöle. Infratele verlegt<br />

Glasfaserkabel und baut die technische<br />

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FREITAG, 6. JULI<br />

ALGERIEN<br />

13<br />

Kraft der Partnerschaft<br />

haltsgerätehersteller INDELEC verwendet<br />

für alle Produkte die Kabel<br />

von Cabeleq.<br />

Trotz dieser Vereinbarungen<br />

und trotz seiner marktführenden<br />

Position in vielen Bereichen ist<br />

Cabeleq sehr daran interessiert,<br />

Partner aus dem Ausland zu gewinnen.<br />

Dabei hilft, dass die<br />

entsprechenden Verfahren vereinfacht<br />

wurden: Staatsunternehmen<br />

können mittlerweile ohne<br />

Ausschreibung Kontakt zu potenziellen<br />

Partnern aufnehmen und<br />

haben volle Verhandlungsfreiheit<br />

– erst ganz am Ende ist eine formelle<br />

Genehmigung erforderlich.<br />

„ENPEC ist Marktführer bei Autobatterien,<br />

aber wir können nicht<br />

den gesamten Markt versorgen.<br />

Jedes Jahr werden in Algerien 1,5<br />

Millionen Autos hergestellt und<br />

250 000 importiert, also gäbe es<br />

noch Marktanteile zu gewinnen.<br />

Um in der Lage zu sein, mit EN-<br />

PEC-Produkten 100 Prozent des<br />

Marktes zu bedienen, hat ENPEC<br />

damit begonnen, einen Partner zu<br />

suchen“, erklärt Boukaoula.<br />

Ziel von Electro Industrie ist ein<br />

Joint-Venture im Eigentumsverhältnis<br />

51 zu 49. „Wir wollen das<br />

Unternehmen vergrößern und mehr<br />

Hochleistungstransformatoren mit<br />

einer Leistung von bis zu 2000<br />

kVA anbieten. Dazu suchen wir<br />

einen Partner mit internationaler<br />

Reputation, der seine technischen<br />

Fähigkeiten einbringt. Uns geht es<br />

nicht um Geld, sondern um einen<br />

Wissenstransfer bei Technologie,<br />

Management und Schulung. Derzeit<br />

produzieren wir pro Jahr maximal<br />

zwei Hochleistungstransformatoren,<br />

der Rest wird importiert.<br />

Es gibt dafür Nachfrage von Unternehmen<br />

wie Sonelgaz“, erklärt<br />

Boukaoula. Auch Partner für die<br />

Produktion von starken Motoren<br />

werden gesucht.<br />

Ein derartiges Arrangement<br />

wäre für Cabeleq kein Neuland:<br />

Die Gruppe arbeitet seit vielen<br />

Jahren mit ausländischen Partnern<br />

und ist am Joint-Venture SITEL<br />

beteiligt, einer der ersten algerischen<br />

Partnerschaften außerhalb<br />

der Öl- und Gasbranche.<br />

Gegründet wurde SITEL 1990<br />

mit Unterstützung des Ministeriums<br />

für Postdienste und IuK als<br />

Finanz- und Technik-Joint-Venture<br />

für die Produktion und Installation<br />

neuer Vermittlungsstellen, die die<br />

staatliche Telefongesellschaft Algérie<br />

Télécom einsetzt. Der schwedische<br />

Partner Ericsson hält mit 35<br />

Prozent die größte Beteiligung, die<br />

algerische Seite ist durch Cabeleq<br />

(20 Prozent), ENTC (20 Prozent),<br />

Sonatite (15 Prozent) und die<br />

Banque Extérieure d‘Algérie (15<br />

Prozent) vertreten.<br />

Seit der Gründung hat SITEL<br />

mit der AXE10-Technologie von<br />

Ericsson 2,25 Million Telefonanschlüsse<br />

an rund 1200 Standorten<br />

installiert und arbeitet derzeit daran,<br />

weitere 800 Gebiete einzubinden.<br />

Dank dieser Arbeit gibt<br />

es heute in Algerien mehr als drei<br />

Millionen Festnetzanschlüsse.<br />

Um den Binnenmarkt zurückzuerobern,<br />

der aktuell von importierten<br />

Produkten dominiert wird,<br />

will die Gruppe moderner werden<br />

und neue Technologien wie Glasfaser<br />

einführen.<br />

Allerdings exportiert SITEL<br />

auch seinerseits Know-how und<br />

übernimmt für Ericsson die technische<br />

Beratung in Afrika, dem<br />

Nahen Osten und China. Auf diesem<br />

Bereich ist das Unternehmen<br />

in Algerien marktführend und<br />

hält nahezu eine Monopolstellung.<br />

SITEL-Chef Amin Baghli<br />

rät potenziellen Investoren deshalb,<br />

sich das Beispiel Ericsson<br />

genau anzusehen: „Wenn<br />

Sie sich wirklich engagieren,<br />

werden Sie in Algerien Erfolg<br />

haben. Denken Sie nicht nur ans<br />

Geschäft, sondern auch daran,<br />

Arbeitsplätzezu schaffen.<br />

Das war die Philosophie von<br />

Ericsson, und sie ist der Grund für<br />

den großen Erfolg von Ericsson“.<br />

Infrastruktur des Telekomsektors aus.<br />

Hohe Nachfrage nach IuK<br />

Algeriens junge und wachsende Bevölkerung<br />

hat einen steigenden Bedarf<br />

an IT-Dienstleistungen. 2010<br />

verfügten 12,5 Prozent der Algerier<br />

über einen Internetzugang, doch nur<br />

2,5 Prozent hatten einen Breitbandanschluss.<br />

Weil zudem immer mehr<br />

Regierungsdienste – wie Anträge zur<br />

Ausstellung eines Personalausweises<br />

oder einer Geburtsurkunde – auch<br />

online verfügbar sind, wird eine zuverlässige<br />

Telekominfrastruktur für<br />

die nachhaltige Entwicklung Algeriens<br />

immer wichtiger. Die Regierung<br />

will die Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

(IuK) überall<br />

im Land ausbauen, deshalb hat das<br />

Ministerium für Post und IuK die<br />

Initiative e-Algérie 2013 gestartet.<br />

Ziel der Initiative ist, die miteinander<br />

verbundenen Herausforderungen<br />

einer besseren Infrastruktur, Verfügbarkeit<br />

und Nutzung von IuK-Diensten<br />

anzugehen. Auch dieses Vorhaben<br />

lässt die Nachfrage bei den<br />

Unternehmen des Sektors, zu denen<br />

Cabeleq gehört, weiter steigen.<br />

Reichweite erhöhen<br />

Die nationale Initiative zur Elektrifizierung<br />

der ländlichen Regionen füllt<br />

ebenfalls die Auftragsbücher von<br />

Cabeleq. In Algerien gibt es bereits<br />

mehr als 220 000 Kilometer Stromleitungen,<br />

die gut 98 Prozent der Bevölkerung<br />

erreichen. In den kommenden<br />

Jahren soll das Netz noch einmal<br />

um fünf Prozent vergrößert werden,<br />

damit auch isolierte Landgemeinden<br />

und Öl- und Gasentwicklungsprojekte<br />

in der weitläufigen Sahara versorgt<br />

werden können.<br />

Und nicht zuletzt der geplante<br />

Ausbau der erneuerbaren Energiequellen<br />

wird die Nachfrage nach<br />

Produkten von Cabeleq stützen.<br />

Laut Energieminister Youcef Yousfi<br />

besteht „das größte Potenzial für<br />

Algerien bei der Nutzung der Solarenergie“.<br />

Nach einem Bericht<br />

der Internationalen Energieagentur<br />

(IEA) könnten Länder wie Algerien<br />

eines Tages Solarenergie nach Europa<br />

exportieren, da ihre Stromnetze<br />

bald an das europäische Netzwerk<br />

angeschlossen werden sollen. Innerhalb<br />

der nächsten zwei Jahrzehnte,<br />

heißt es in dem Bericht, könnte Solarenergie<br />

so viel Strom liefern wie<br />

72 Kohlekraftwerke – genug für<br />

die Versorgung von 100 Millionen<br />

Menschen oder die Bevölkerung<br />

von Algerien, Marokko, Tunesien<br />

und Libyen zusammengerechnet.<br />

Chancen durch<br />

Elektrifizierung<br />

Mit dem Nationalen Plan von<br />

1976 setzte sich Algerien erstmals<br />

zum Ziel, das gesamte Land ans<br />

Stromnetz zu bringen. Eine wichtige<br />

Rolle dabei spielen staatliche<br />

Unternehmen wie Sonelgaz. Die<br />

Umsetzung des riesigen Infrastrukturprogramms<br />

hält bis heute<br />

an, doch die größten Löcher im<br />

Stromnetz sind bereits beseitigt.<br />

Von 1962, dem Jahr der Unabhängigkeit,<br />

bis 2001 stieg der Anteil<br />

der erschlossenen Gebiete von 33<br />

Prozent auf 96 Prozent (schwach<br />

besiedelte Gebiete nicht eingerechnet).<br />

Zwischen 2001 und<br />

2010 wurden weitere 100 000<br />

Kilometer Nieder- und Mittelspannungsleitungen<br />

gezogen<br />

und 3,5 Millionen Stromzähler<br />

installiert. Die benötigten Kabel<br />

wurden vom Staatsunternehmen<br />

Cabeleq bezogen. Auch in Zukunft<br />

wird die Nachfrage nach<br />

seinen Produkten hoch bleiben:<br />

Neue Industriegebiete, die Erschließung<br />

ländlicher Regionen,<br />

Telekommunikation und Elektrifizierungsprogramme<br />

für Schienenwege<br />

und Straßen garantieren<br />

über mindestens weitere 15 Jahre<br />

einen dynamischen Markt.<br />

Nationaler Entwicklungsplan<br />

2010 bis 2014<br />

Während des zehnjährigen Bürgerkriegs<br />

in den 90er-Jahren kamen<br />

die Infrastrukturmaßnahmen<br />

fast vollständig zum Erliegen.<br />

Jetzt, da das Land stabilisiert ist,<br />

will die Regierung die verlorene<br />

Zeit aufholen. In ihrem Nationalen<br />

Entwicklungsplan für 2010<br />

bis 2014 sieht sie eine umfangreiche<br />

Verbesserung der Lebensumstände<br />

vor. Im ganzen Land<br />

werden Häuser, Straßen und Wasserspeicher<br />

gebaut.<br />

„Diese öffentlichen Programme<br />

stimulieren die Inlandsnachfrage<br />

und helfen zugleich, die Erwartung<br />

gewisser Standards bei<br />

Wohnraum, Gesundheit, Transportwesen<br />

und Bildung zu erfüllen,<br />

an denen es vor dem Entwicklungsplan<br />

noch mangelte“,<br />

sagt Algeriens Finanzminister<br />

Karim Djoudi.<br />

Für jedes dieser Programme<br />

werden Kabel und andere Produkte<br />

benötigt, die von der Cabeleq-Tochter<br />

Electro-Industries<br />

mit anerkannt hoher Qualität produziert<br />

werden. Zudem verspricht<br />

allein die fortlaufende Elektrifizierung<br />

des Landes für weitere 15<br />

bis 20 Jahre gute Geschäfte.<br />

Auf der Suche nach starken<br />

Partnern<br />

Eines der Ziele Algeriens ist, die<br />

eigene Stromproduktion in den<br />

nächsten Jahren zu verdoppeln<br />

und die Importe entsprechend zu<br />

verringern. Dafür soll Electro-<br />

Industries eine steigende Anzahl<br />

von Transformatoren bereitstellen.<br />

Bei Transformatoren kleiner<br />

und mittlerer Größe ist das Unternehmen<br />

mit fast 60 Prozent<br />

Marktanteil führend, doch sein<br />

Angebot an Hochleistungstransformatoren<br />

ist noch kaum entwickelt.<br />

Deren Herstellung ist ein<br />

komplexer und langwieriger<br />

Prozess, sodass Electro-Industries<br />

davon bislang nur Wenige<br />

baut. Angesichts der wachsenden<br />

Nachfrage, die vor allem vom<br />

Partner Sonelgaz kommt, soll<br />

sich das künftig ändern.<br />

Am besten lässt sich dieses<br />

Ziel durch eine Partnerschaft mit<br />

einem ausländischen Hersteller<br />

erreichen. Electro-Industries<br />

strebt eine langfristige Geschäftsbeziehung<br />

an, bietet eigene Expertise<br />

auf vielen Segmenten des<br />

Marktes und erwartet von seinem<br />

Partner im Gegenzug Unterstützung<br />

bei technischen und Managementfragen.<br />

Exporte in Sicht<br />

Electro-Industries beschränkt<br />

sich mit seinen Ambitionen nicht<br />

allein auf den algerischen Markt.<br />

Das Unternehmen hat in der<br />

ganzen Region bereits zahlreiche<br />

Geschäftschancen ausgemacht<br />

und will diese jetzt mit Unterstützung<br />

eines Partners angehen.<br />

„Wir haben eine Klasse von Unternehmen<br />

entwickelt, die in meinen<br />

Augen sowohl inländische<br />

Nachfrage bedienen als auch auf<br />

internationalen Märkten mithalten<br />

können“, sagt Finanzminister<br />

Djoudi. „Außerdem haben wir<br />

unser öffentliches Beschaffungsprogramm<br />

dazu genutzt, die wirtschaftliche<br />

Modernisierung zu<br />

fördern und zugleich die Steuerlast<br />

zu reduzieren.“<br />

Wir wollen ins Geschäft mit Solarakkus einsteigen.<br />

ENPEC hat bereits den Anfang gemacht …<br />

Aziza Boukaoula, CABELEQ-Chefin<br />

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14 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Innovation, Technologie<br />

und Wissenstransfer<br />

Bessere Ausbildung und die Weitergabe von Wissen und Technologie durch erfahrene Partner im Ausland<br />

Partnerschaften mit Unternehmen<br />

aus dem Ausland sind in der Geschäfts-<br />

welt Algeriens höchst gefragt.<br />

Kein Wunder. Ein idealer<br />

Joint-Venture- Partner kann nicht nur<br />

zusätzliche Er- fahrung einbringen<br />

und dabei helfen, Betriebe vor Ort<br />

zu modernisieren, sondern auch bei<br />

Management und Marketing wertvolle<br />

Unterstützung leisten. Letztlich<br />

geht es bei diesen Verbindungen<br />

mit dem Ausland vor allem um eins:<br />

Personalentwicklung. Regierung wie<br />

Privatwirtschaft sind sich einig, dass<br />

Algerien gut ausgebildete heimische<br />

Arbeitskräfte braucht, die das Land<br />

auf einen Weg bringen, den künftige<br />

Generationen weitergehen können.<br />

Ebensolche Einigkeit herrscht darüber,<br />

dass Ausbildung und Schulung<br />

auf der richtigen Ebene koordiniert<br />

und gesteuert werden müssen. Das gilt<br />

für den Staat ebenso wie für den Privatsektor.<br />

In der Vergangenheit musste<br />

die Regierung oft zusehen, wie Angestellte<br />

im öffentlichen Dienst nach<br />

ihrer Ausbildung ins Ausland oder zu<br />

einem Privatunternehmen wechselten,<br />

sodass nur die ungelernten Kräfte<br />

blieben. Diese Erfahrung möchte das<br />

Land aus verständlichen Gründen<br />

nicht wiederholen.<br />

Für Ahmed Tibaoui, den Chef<br />

der World Trade Centers Association<br />

in Algerien, ist klar, wie sich<br />

das Geschäftsklima verbessern<br />

und die Abwanderung von hellen<br />

Köpfen vermeiden lässt: „Bildung,<br />

Bildung, Bildung. Wir müssen das<br />

Gleiche tun wie China, nämlich mit<br />

Steuererleichterungen und anderen<br />

Anreizen international anerkannte<br />

Business Schools nach Algerien<br />

holen. Eine umfassende Bildungsreform<br />

ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen<br />

Zukunft“.<br />

Insgesamt verfügt das Land durchaus<br />

über einen jungen, dynamischen<br />

und qualifizierten Pool an Arbeitskräften.<br />

Zwar gibt es noch Schulungsbedarf,<br />

doch beispielsweise<br />

beim staatlichen Elektrohersteller<br />

INDELEC genießen die Fähigkeiten<br />

der lokalen Arbeitskräfte einen guten<br />

Ruf. Unternehmenschef Ahmed Fettouhi<br />

bezeichnet Personalentwicklung<br />

als zentral für seine Ambitionen<br />

in Bezug auf Modernisierung und<br />

Expansion. Kurz gesagt: Die grundlegenden<br />

Humanressourcen sind in<br />

Algerien bereits vorhanden.<br />

„Von einer Partnerschaft erwarten<br />

wir einen globalen Wissenstransfer,<br />

der alle Aspekte umfasst – Produktion<br />

ebenso wie Management und<br />

Marketing. Das verbindende Element<br />

bei all diesen Faktoren, und<br />

das ist in meinen Augen am wichtigsten,<br />

ist der menschliche Aspekt,<br />

die Ausbildung des Personals“, sagt<br />

Fettouhi.<br />

INDELEC sucht, wie viele andere<br />

algerische Unternehmen auch, nach<br />

Partnern mit ausgeprägten Branchenkenntnissen,<br />

in die sie sich einbringen<br />

wollen – nicht nur in Bezug<br />

auf die Ressourcen, sondern auch in<br />

Bezug auf Möglichkeiten in der Produktentwicklung.<br />

Von einem Partner erhofft sich IN-<br />

DELEC Unterstützung bei der Produktentwicklung<br />

und beim Aufbau<br />

neuer Zentren für Forschung und<br />

Entwicklung (F&E). Dabei ist das<br />

Unternehmen sowohl an Innovationen<br />

interessiert, weil es auf dem<br />

algerischen Markt Bedarf an neuen<br />

„Man muss sagen, dass algerische Verbraucher<br />

dazu neigen, Güter zu kaufen, die vom<br />

öffentlichen Sektor hergestellt wurden. Das gibt<br />

ihnen Sicherheit.“<br />

Ahmed Fettouhi, INDELEC-Chef<br />

Produkten gibt, als auch an einer<br />

Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

auf dem lokalen Markt, der<br />

immerhin drei Millionen Menschen<br />

umfasst.<br />

Während andere algerische Unternehmen<br />

die Exporte steigern<br />

wollen, liegt der Fokus von INDE-<br />

LEC auf dem Heimatmarkt. Auch<br />

die geplanten F&E-Zentren sollen<br />

hauptsächlich zur Entwicklung von<br />

Lösungen und Produkten speziell für<br />

den lokalen Markt beitragen, indem<br />

sie Traditionen des Landes berücksichtigen.<br />

„Wenn ich ein profitables F&E-<br />

Zentrum aufbaue, werden dort mit<br />

Sicherheit Produkte entstehen, die<br />

nichts mit den Bedürfnissen in Europa<br />

zu tun haben. Denn ich ziele<br />

auf ein Marktsegment ab, das sich<br />

deutlich von Europa unterscheidet.<br />

Algerische Kunden haben andere<br />

Gewohnheiten und Traditionen“,<br />

sagt Fettouhi.<br />

So entsteht in Algerien derzeit ein<br />

Markt für kleinere Kühlschränke, die<br />

sich in Büros oder im Freien benutzen<br />

lassen. Die INDELEC-Tochter<br />

ENIEM, führender Kühlschrankhersteller<br />

im Land, ist bislang nicht<br />

in der Lage, solche Kleingeräte zu<br />

produzieren. Mit Hilfe eines Partners<br />

könnten INDELEC und ENIEM<br />

auch die Nachfrage in dieser wachsenden<br />

Marktnische bedienen.<br />

INDELEC will für jeden seiner<br />

Kernbereiche einen passenden<br />

Partner finden. Dadurch soll um<br />

das Mutterunternehmen herum eine<br />

Gruppe von kleineren Ablegern entstehen,<br />

die neue Märkte und neue<br />

Kunden ansprechen und so Umsatz<br />

und Gewinn steigern.<br />

Reda Hamiani, Leiter des Unternehmerverbands<br />

Forum des Chefs<br />

d‘Entreprises, erklärt die Lage so:<br />

„Der nötige Geschäftssinn ist vorhanden,<br />

genau wie in der gesamten<br />

Mittelmeer-Region. Das Problem ist,<br />

dass unser Bildungssystem nicht gut<br />

auf die Bedürfnisse der Wirtschaft<br />

abgestimmt ist: In Algerien gibt es<br />

kaum ein mittleres Management und<br />

auch keine Ausbildung dafür, keine<br />

Business Schools oder Universitäten,<br />

an denen Management, Marketing<br />

Ahmed Fettouhi, INDELEC-Chef<br />

oder einfache Geschäftsprinzipien<br />

gelehrt werden. Wir haben keine Abstufung<br />

unterschiedlicher Abschlüsse.<br />

Die Leute haben entweder keine<br />

Qualifikation, oder sie sind überqualifiziert,<br />

wie Ärzte, Ingenieure oder<br />

Wissenschaftler. Unsere Studenten<br />

müssen lernen, was ein Markt ist,<br />

wie man Preise kalkuliert, wie Export<br />

funktioniert und so weiter.“<br />

„Die Lücke in unserem Bildungssystem<br />

erklärt zugleich, warum<br />

wir so wenige kleine und mittlere<br />

Unternehmen (KMU) haben:<br />

nur 75 pro 100 000 Einwohner, in<br />

Marokko sind es 350 pro 100 000<br />

Einwohner. Wir haben heute 600<br />

000 KMU, 95 Prozent davon Handwerker,<br />

aber es sollten mindestens<br />

1,5 Millionen sein. Wir müssen unserer<br />

Jugend dringend beibringen,<br />

wie man die Initiative ergreift, etwas<br />

riskiert, investiert und ein Unternehmen<br />

aufbaut.“<br />

Die Konsumgewohnheiten in Algerien<br />

verändern sich. Die Nachfrage<br />

nach neuen Produkten und<br />

modernen Entwicklungen wie 3D-<br />

Brillen steigt. „Die Leute hier sind<br />

geradezu besessen von allem, was<br />

neu ist. Wenn es neu ist, wollen sie<br />

es kaufen“, sagt Fettouhi.<br />

Auf der Suche nach<br />

Win-win-Situationen<br />

Unternehmen wie INDELEC wollen auf dem Heimatmarkt führend bleiben – mithilfe von internationalen Partnerschaften.<br />

Hochwertige Produkte haben in<br />

Algerien eine lange Tradition.<br />

Viele Einheimische kaufen lieber<br />

„Made in Algeria“ als Importe,<br />

weil sie die Herstellung im eigenen<br />

Land als Garant für Qualität,<br />

Haltbarkeit und Authentizität verstehen.<br />

Und auch im Ausland sind<br />

algerische Produkte gefragt.<br />

Nach Angaben der nationalen Investitionsagentur<br />

ANDI (Agence<br />

Nationale de Développement de<br />

l’Investissement) hat sich Algeriens<br />

Exportvolumen zwischen 2001<br />

und 2010 von 19,1 Mrd. Dollar auf<br />

gut 57 Mrd. Dollar erhöht. Allerdings<br />

überTrifft die Binnennachfrage<br />

das inländische Angebot bei<br />

Weitem, sodass die Importe im<br />

selben Zeitraum von 9,9 Mrd. auf<br />

rund 40,5 Mrd. Dollar noch stärker<br />

anstiegen.<br />

Europäische Staaten wie Frankreich,<br />

Italien und Spanien exportieren<br />

traditionell sehr viel nach<br />

Algerien, neuerdings drängen<br />

aber auch chinesische und türkische<br />

Anbieter dorthin. So kamen<br />

2010 von den 460 Mio. Dollar<br />

an importierten IT-Produkten<br />

schon 54 Prozent aus China.<br />

Mit diesem Hintergrund ist es<br />

nicht überraschend, dass algerische<br />

Unternehmen zunehmend nach<br />

Joint Ventures suchen. Sehr gefragt<br />

sind etwa Partner aus den USA, die<br />

Fabriken modernisieren oder Lizenzen<br />

vergeben können. Andersherum<br />

glauben US-Unternehmen<br />

trotz der internationalen Finanzkrise<br />

daran, dass Algeriens Exportmarkt<br />

weiter wächst. Da auch die<br />

Inlandsnachfrage zunimmt, werden<br />

immer häufiger Partnerschaften<br />

mit lokalen Unternehmengeplant.<br />

Schon heute werden viele internationale<br />

Markenprodukte<br />

und Dienstleistungen in Algerien<br />

produziert, fertiggestellt oder erbracht.<br />

„Zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung<br />

[1962] exportierte Algerien<br />

alles Mögliche, von Maschinen<br />

bis hin zu Wein – allein<br />

acht Millionen Hektoliter Wein<br />

nach Frankreich“, sagt Mohamed<br />

Benmeradi, Algeriens Minister<br />

für Industrie, kleine und mittlere<br />

Unternehmen und Investitionsförderung,<br />

„Heute aber haben wir<br />

keine industrielle Basis mehr und<br />

müssen viele Konsumgüter importieren.“<br />

Partner mit Qualität<br />

Trotzdem gibt es in Algerien<br />

noch Industrieunternehmen, die<br />

hochwertige Konsumgüter produzieren,<br />

zum Beispiel INDELEC.<br />

Das Unternehmen setzt alles daran,<br />

seine führende Stellung im<br />

Land zu bewahren. Über strategische<br />

Partnerschaften mit ausländischen<br />

Unternehmen will der<br />

Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit<br />

weiter verbessern.<br />

Das staatseigene Unternehmen<br />

produziert und verkauft Elektrogeräte.<br />

Gegründet wurde es 1970<br />

in einer Partnerschaft mit General<br />

Electric (GE) aus den USA. GE<br />

wollte seine Produktion in Übersee<br />

ausbauen, und zu dieser Zeit<br />

galt Algerien als das am besten<br />

geeignete Land für solche Pläne.<br />

In den Folgejahren jedoch wurde<br />

klar, dass das Umsatzvolumen<br />

nicht ausreichte, um eine vollständige<br />

Produktionsinfrastruktur<br />

zu unterhalten. Mehrere Standorte<br />

wurden deshalb mit der Zeit<br />

geschlossen.<br />

Heute hat INDELEC eine<br />

Reihe von erfolgreichen Tochtergesellschaften<br />

im Bereich<br />

elektronischer und elektrischer<br />

Hausgeräte. Viele davon sind<br />

Marktführer. ENIEM stellt Haushaltsgeräte<br />

wie Kühlschränke<br />

und Waschmaschinen her, ENIE<br />

ist auf Unterhaltungselektronik<br />

wie Fernseher, Stereoanlagen<br />

und Heimkinosysteme spezialisiert.<br />

Weitere Töchter sind EIMS<br />

(Hygiene-Produkte), FILOP<br />

(Lampen), Alphatron (PCs) und<br />

ENASK (Aufzüge). Die beiden<br />

bekanntesten Marken ENIEM und<br />

ENIE erwirtschaften den Großteil<br />

des Konzernumsatzes. Die Gruppe<br />

verfügt über eine starke Bilanz<br />

und ist für eine Expansion gut<br />

aufgestellt.<br />

Anreize für ausländische Partner<br />

Viele ambitionierte Unternehmen<br />

aus Algerien verfolgen dieselbe<br />

Strategie: die eigenen Stärken<br />

nutzen und zugleich strategische<br />

Partnerschaften mit internationalen<br />

Anbietern abschließen. IN-<br />

DELEC zum Beispiel kann dabei<br />

auf mehrere Vorteile setzen: Das<br />

Unternehmen hat gut entwickelte<br />

Produktionskapazitäten mit allen<br />

nötigen Anlagen, verteilt über<br />

das ganze Land. Manche davon<br />

müssten ergänzt und modernisiert<br />

werden, doch sie sind einsatzbereit.<br />

Zudem verfügt INDELEC über<br />

ein starkes landesweites Vertriebsnetz<br />

und einen leistungsfähigen<br />

Kundendienst. Um von<br />

Marktkenntnis, Bekanntheit und<br />

Glaubwürdigkeit der beiden<br />

Töchter zu profitieren, hat das<br />

Management der Gruppe Funktionen<br />

wie Verkauf und Vertrieb bei<br />

ihnen gebündelt. Dadurch können<br />

sie Ausstellungsflächen und Vertriebsteams<br />

gemeinsam nutzen,<br />

sodass eine einheitliche Marke<br />

mit hoher Anziehungskraft auf<br />

die Kunden entstanden ist.<br />

Hinzu kommt: Für Algerien<br />

bietet sich die Gelegenheit, starke<br />

Verbindungen zu seinen Nachbarländern<br />

aufzubauen, die zwar<br />

Arbeitskräfte haben, aber nicht<br />

alle ansonsten nötigen Ressourcen.<br />

Gute Handelsbeziehungen zu<br />

diesen Ländern könnten Algerien<br />

und den restlichen Maghreb als<br />

weltweit bedeutende Wirtschaftsregion<br />

etablieren. Der Austausch<br />

ist bereits im Gang, etwa zwischen<br />

Tunesien und Algerien, und<br />

dürfte sich noch intensivieren.<br />

Made in Algeria: Qualitätssiegel<br />

und Schlüssel zum Binnenmarkt<br />

Algerier sind daran gewöhnt, robuste<br />

und langlebige Güter zu<br />

kaufen – im Gegensatz zum Wegwerftrend<br />

in vielen europäischen<br />

und asiatischen Ländern.<br />

„Man muss sagen, dass algerische<br />

Verbraucher dazu neigen,<br />

Güter zu kaufen, die vom öffentlichen<br />

Sektor hergestellt wurden.<br />

Das gibt ihnen Sicherheit.<br />

Sie glauben immer, dass staatliche<br />

Unternehmen nicht tricksen.<br />

Langlebigkeit ist hierzulande ein<br />

sehr wichtiger Faktor“, erklärt<br />

INDELEC-Chef Ahmed Fettouhi.<br />

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FREITAG, 6. JULI<br />

ALGERIEN<br />

15<br />

Aufbau der industriellen Grundlage durch<br />

Den Einsatz von Nachunternehmen<br />

Fertigung im Auftrag anderer Unternehmen ist ein wichtiges Element der Wachstumsstrategie von ENIEM. Letztlich könnte diese Strategie dem<br />

gesamten Land dabei hel- fen, die Ausgaben für Importe zu verringern und wieder eine eigene industrielle Basis zu entwickeln<br />

ENIEM ist eines der Juwelen der<br />

INDELEC-Gruppe. Das Unternehmen<br />

mit Sitz in Tizi-Ouzou in der<br />

Nähe der Küste ist spezialisiert<br />

auf „weiße Ware“, also Haushaltsgeräte<br />

wie Kühlschränke, Herde<br />

oder Waschmaschinen, und hat<br />

zwei Tochtergesellschaften: EIMS<br />

produziert Metallprodukte für den<br />

Sanitär-Bereich, wie Badewannen<br />

oder Duschköpfe, und FILAMP<br />

stellt Lampen her. Wirtschaftlich ist<br />

ENIEM mit 5 Mrd. Dinar (etwa 51<br />

Millionen Euro) Jahresumsatz und<br />

2000 Beschäftigten gut in Form.<br />

Dabei profitiert das Unternehmen<br />

von seinem hervorragenden<br />

Ruf für solide und langlebige<br />

Qualitätsprodukte. Die Marke ist<br />

führend bei Haushaltsgeräten und<br />

besonders bekannt für ihre Kühlschränke.<br />

Im internationalen Wettbewerb<br />

könnten diese Qualitätsprädikate<br />

aber eher zum Hindernis<br />

werden, denn hochwertige Güter<br />

sind teurer zu produzieren und auf<br />

den hochgradig umkämpften Märkten<br />

von heute schwieriger mit<br />

Gewinn zu verkaufen. Tatsächlich<br />

betrachten viele Algerier, anders<br />

als Europäer, die Anschaffung<br />

eines Kühlschranks als langfristige<br />

Investition.<br />

Trotzdem entsteht mit der Weiterentwicklung<br />

des algerischen<br />

Markts Bedarf an neuen Produkten,<br />

neuen Designs und neuen<br />

Produktlinien. Um diese Wachstumschancen<br />

nicht zu verpassen,<br />

muss ENIEM starke Verbindungen<br />

zu Partnern aufbauen. Von DO-<br />

MELEC wurde diese Strategie bereits<br />

erfolgreich umgesetzt.<br />

Dieses Unternehmen produziert<br />

seit einigen Jahren zusammen mit<br />

Microsoft und Intel PCs. Die Kooperation<br />

umfasst geschäftliche wie<br />

technische Aspekte. Unter anderem<br />

profitiert DOMELEC vom Wissen<br />

der US-Partner über Einkauf, Produkttests<br />

und Marketing.<br />

Noch wichtiger aber ist für<br />

ENIEM die Optimierung der vorhandenen<br />

Produktionsstätten. Es<br />

ergibt keinen Sinn, für eine neue<br />

Produktlinie eigens eine neue Fabrik<br />

zu bauen, wenn die bestehenden<br />

Anlagen noch in gutem Zustand<br />

und nicht voll ausgelastet sind.<br />

ENIEM verfügt über eine starke<br />

Produktionsbasis und exzellentes<br />

Know-how bei der Fertigung von<br />

Ersatzteilen, bei Fließbandfertigung<br />

und Ähnlichem. Und das Potenzial<br />

ist groß. Die Tochter EIMS<br />

zum Beispiel verkauft derzeit nur<br />

20 000 bis 30 000 Badewannen und<br />

erwirtschaftet damit 257 Mio. Dinar<br />

(2,6 Mio. Euro) Umsatz. Das<br />

ist wenig, vor allem, wenn man<br />

bedenkt, dass die Regierung plant,<br />

zwei Millionen neue Wohnhäuser<br />

zu bauen. Das birgt ein enormes<br />

Expansionspotenzial. Zugleich<br />

könnten Chancen für den Export<br />

entstehen. ENIEM spricht bereits<br />

mit potenziellen Partnern aus<br />

Deutschland und Asien.<br />

Laut INDELEC-Chef Ahmed<br />

Fettouhi will die Unternehmensgruppe<br />

verstärkt dafür sorgen, dass<br />

sämtliche Produktionsanlagen immer<br />

voll ausgelastet sind. Auch<br />

Möglichkeiten zur Auftragsfertigung<br />

sollen dafür genutzt werden.<br />

Aufträge als Nachunternehmer<br />

anzunehmen, ist ein wesentliches<br />

Element der Wachstumsstrategie<br />

von ENIEM. Davon profitiert<br />

nicht nur das Unternehmen, sondern<br />

letztlich das ganze Land,<br />

denn so können die Importe verringert<br />

und wieder eine industrielle<br />

Basis im Inland geschaffen<br />

werden. Derzeit werden viele<br />

Teile importiert, die auch vor Ort<br />

produziert werden könnten.<br />

Um das sogenannte Subcontracting<br />

auszubauen, müssen algerische<br />

Unternehmen – öffentliche<br />

wie private – global denken und<br />

politische Aspekte ebenso beachten<br />

wie ökonomische. Der Entwicklungsplan<br />

der Regierung sieht<br />

vor, dass jeder Sektor das Subunternehmertum<br />

mit entsprechenden<br />

Investitionen fördert. Entscheidend<br />

dabei ist, Doppelinvestitionen zu<br />

vermeiden und so die Synergieeffekte<br />

zwischen den einzelnen Unternehmen<br />

zu maximieren.<br />

Der Plan erfordert zwar Koordination<br />

und Steuerung, doch<br />

ein effizientes Subunternehmernetz<br />

könnte Algeriens Importausgaben<br />

drastisch reduzieren.<br />

Natürlich haben wir unser Programm für die<br />

öffentliche Beschaffung dafür genutzt, eine<br />

wirtschaftliche Modernisierung zu<br />

fördern und die Steuerlast zu verringern.<br />

Karim Djoudi, Finanzminister<br />

Durch Subcontracting-Initiativen<br />

von Töchtern wie ENIEM, ENIE<br />

(Fernsehgeräte des Premiumsegments)<br />

oder SONARIC hat INDE-<br />

LEC bereits ansehnliche Einsparungen<br />

von 120 Mio. Dinar erzielt.<br />

Ziel ist der Aufbau einer Industrie,<br />

die Qualitätsprodukte zu niedrigen<br />

Kosten herstellt – so wie es in der<br />

Türkei oder in Tunesien bereits der<br />

Fall ist. Für Algerien sprechen dabei<br />

niedrige und steuerfreie Löhne,<br />

geringe Energiekosten und die<br />

Nähe zu Europa.<br />

„Natürlich haben wir unser<br />

Programm für die öffentliche<br />

Beschaffung dafür genutzt, eine<br />

wirtschaftliche Modernisierung<br />

zu fördern und die Steuerlast zu<br />

verringern. Durch diesen Prozess<br />

haben wir meiner Meinung nach<br />

eine Klasse von Unternehmen geschaffen,<br />

die sowohl die Binnennachfrage<br />

befriedigen als auch auf<br />

internationalen Märkten mithalten<br />

können“, sagt Algeriens Finanzminister<br />

Karim Djoudi.<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage


16 ALGERIEN<br />

FREITAG, 6. JULI<br />

Auf seinem Weg von einem sozialistisch<br />

geprägten System zu einer neuaufgestellten,<br />

produktiven und diversifizierten<br />

Volkswirtschaft hat Algerien<br />

riesige Fortschritte gemacht. Durch die<br />

Liberalisierung seiner Märkte bietet das<br />

Land Zugang zu 37 Millionen potenziellen<br />

Kunden und unzählige Gelegenheiten<br />

für ausländische Investoren, wie<br />

Finanzminister Karim Djoudi erklärt:<br />

„Weil die Inlandsnachfrage sehr groß<br />

ist, haben die verfügbaren Einkommen<br />

zugenommen, was wiederum zu einem<br />

starken Anstieg der Konsumausgaben<br />

geführt hat“.<br />

Angelockt von Steuervorteilen und<br />

niedrigen Arbeitskosten haben sich<br />

Unternehmen wie die Pharmakonzerne<br />

GSK und AstraZeneca in Algerien angesiedelt.<br />

Andere aus den Bereichen<br />

Banken, Dienstleistungen, Medizintechnik,<br />

Luftfahrt, Entsalzung und<br />

Technologie sind gefolgt. General Electric<br />

unterzeichnete mit dem algerischen<br />

Unternehmen Sonelgaz kürzlich einen<br />

1. Mrd. Dollar schweren Vertrag über<br />

den Bau eines Kraftwerks in El-Tarf.<br />

Im Automobilsektor arbeiten<br />

Mercedes und Deutz in Partnerschaft<br />

mit Equipag und SNVI. Mercedes will<br />

bald sogar eigene Fahrzeuge in algerischen<br />

Fabriken produzieren. „Die ersten<br />

Mercedes-Lastwagen werden 2013<br />

vom Band rollen. Sie werden nach internationalen<br />

Standards produziert, was für<br />

uns sehr wichtig ist. Die deutschen Partner<br />

interessieren sich für unseren KMU-<br />

Sektor, der das Projekt unterstützen<br />

wird. Somit passen alle Puzzlestücke<br />

zusammen“, sagt Algeriens Industrieminister<br />

Mohamed Benmeradi.<br />

Seit 2007 setzt Algerien statt auf<br />

direkte Privatisierungen auf Partnerschaften,<br />

und die internationalen Partner<br />

müssen technisches und Managementwissen<br />

teilen. Für Amin Baghli,<br />

Chef des Telekomriesen SITEL, ist<br />

es genau diese Kombination aus algerischen<br />

Unternehmenswerten und<br />

fremdem Know-how, die aus der Partnerschaft<br />

mit dem schwedischen Hersteller<br />

Ericsson einen Erfolg werden<br />

ließ: „SITEL wurde gegründet, um<br />

das nationale Telefonnetz aufzubauen.<br />

Folglich bietet eine Partnerschaft dem<br />

ausländischen Unternehmen die Gelegenheit,<br />

an der Digitalisierung des<br />

Netzes zu arbeiten, und lässt zugleich<br />

Die Gunst der<br />

Stunde nutzen<br />

Algerien hat mittlerweile alle Voraussetzungen versammelt, sich zu einer bedeutenden<br />

Wirtschaftsmacht zu entwickeln. Unternehmen aus dem Ausland werden ermutigt, denen zu<br />

folgen , die sich bereits für eine Investition in Algerien entschieden haben<br />

einheimischen Unternehmen Spielraum<br />

zur Beteiligung.“<br />

Das deutsche Unternehmen Knauf<br />

Algerien, ein Hersteller von Gipskartonplatten<br />

und Isoliermaterial für die<br />

Bauindustrie, ist heute Afrikas größter<br />

Exporteur dieser Produkte. Seit seinen<br />

Anfängen in Algerien im Jahr 2006<br />

hat es die Zahl seiner Beschäftigten<br />

dort auf 320 verdoppelt. Dank neuer<br />

Technologien und des Wissenstransfers<br />

beschäftigt die Gipsindustrie des<br />

Landes inzwischen indirekt mehr als<br />

3000 Menschen.<br />

„In Zusammenarbeit mit dem Ministerium<br />

für Berufsausbildung vergeben<br />

wir Praktika, insofern ist dies eine<br />

Partnerschaft zwischen Knauf Algerien<br />

und einer öffentlichen Institution. Es<br />

gibt sechs Pilotprojekte für Schulungszentren<br />

im Land, in denen die Verwendung<br />

von Gips nach internationalen<br />

Standards gelehrt wird. Der Staat hat<br />

dieses Gewerbe anerkannt, sodass junge<br />

Unternehmensgründer jetzt in angegliederten<br />

Bereichen Unternehmen<br />

aufbauen können, beispielsweise in der<br />

Inneneinrichtung oder der Dekoration“,<br />

sagt Brahim Abdelatif, Geschäftsführer<br />

von Knauf Algerien, „wir haben bereits<br />

2000 junge Menschen geschult.“<br />

Lafarge, einer der größten Zementhersteller<br />

der Welt, hat wiederum davon<br />

profitiert, dass er an drei aufeinanderfolgenden<br />

Infrastrukturprogrammen beteiligt<br />

war. Industrieminister Benmeradi<br />

beschreibt die steuerlichen und rechtlichen<br />

Anreize, die Investitionen des<br />

Privatsektors – ob inländisch oder ausländisch<br />

– fördern: „Die Regierung hat<br />

für Investitionen in den Provinzen des<br />

südlichen Hochplateaus einen attraktiven<br />

Rahmen geschaffen. Man kann gemeinsam<br />

mit Anderen Land erwerben,<br />

manchmal sogar kostenlos. Man erhält<br />

bis zu zehn Jahre Steuer- befreiung.<br />

Man kann investieren, ohne selbst einen<br />

einzigen Cent auszugeben! Wenn Sie<br />

Maschinen importieren müs- sen, zahlen<br />

Sie keinen Zoll und keine Umsatzsteuer<br />

dafür. Sie zahlen auch keine Steuern auf<br />

Ihre Unternehmensgewinne.“<br />

„Es gibt inzwischen Privatunternehmen,<br />

die mehr Erfolg haben als staatliche“,<br />

erklärt Benmeradi weiter. „Im<br />

Bereich Lebensmittel hat die Benamor-<br />

Gruppe als eine der ersten in die eigene<br />

Produktion investiert, während ähnliche<br />

Unternehmen noch von Importen<br />

abhängig waren. Benamor finanziert<br />

Programme und hat ein Netz von Produzenten<br />

aufgebaut. Das Unternehmen<br />

übernimmt die Ernte, die Sortierung<br />

und die Klassifizierung des Tomatenkonzentrats.<br />

Es ist ein echtes Vorbild“,<br />

resümiert der Minister.<br />

IFRI, ein Pionier auf dem Getränkemarkt,<br />

ist eine Familien-Erfolgsgeschichte,<br />

die auch für die Entwicklung<br />

Algeriens steht. Das ISO-zertifizierte<br />

Unternehmen hat mehr als 50 Prozent<br />

Marktanteil und ist in 14 Ländern tätig.<br />

„Als wir 2005 unsere erste Anlage<br />

für die Abfüllung von Mineralwasser<br />

auf- gebaut haben, konnten wir ein<br />

Gesetz von 1993 zur Förderung von<br />

Investitionen in Anspruch nehmen“,<br />

sagt IFRI-Chef Ibrahim Kassi. „Der<br />

Fonds zur Förderung der Exporte hat<br />

uns bei den Kosten für den Transport<br />

unserer Waren geholfen und auch bei<br />

den Kosten für die Teilnahme an Messen<br />

und Ausstellungen im Ausland.“<br />

IFRI wird diesen September auf der<br />

International Food Industry Fair in<br />

Miami vertreten sein.<br />

„Der Jahrestag unserer Unabhängigkeit<br />

ist ein historisches Datum“, so Kassi<br />

weiter. „Er steht für ein halbes Jahrhundert<br />

sozialer und wirtschaftlicher<br />

Fortschritte. Für die jungen Menschen<br />

bedeuten die Feierlichkeiten vor allem<br />

der Beginn einer neuen Ära – einer Ära,<br />

in der unser Land zu den Schwellenmärkten<br />

zählt.“<br />

Eine neue Art des Bauens<br />

Als Knauf 2006 eine Niederlassung<br />

in Algerien eröffnete, kam mit einem<br />

der weltweit führenden Hersteller von<br />

ultraleichten Bauprodukten und systemen<br />

eine völlig neue Art des Bauens<br />

ins Land. „Den Beruf des Putzers hatte<br />

es zuvor in Algerien nicht gegeben.<br />

Zwar gab es Klempner, Zimmermänner,<br />

Maler und viele andere Gewerke,<br />

aber weder Putzer noch Trockenbauer“,<br />

sagt Brahim Abdelatif, Geschäftsführer<br />

von Knauf Algerien, dessen<br />

Unternehmen zur multinationalen<br />

Knauf Gruppe mit Sitz in Deutschland<br />

gehört.<br />

Im Rahmen eines Partnerschaftsvertrags<br />

mit dem Ministerium für<br />

Aus- und Fortbildung hat Knauf ein<br />

hochmodernes Schulungszentrum<br />

eröffnet. Sechs<br />

weitere fördert das Unternehmen<br />

mit finanzieller<br />

Unterstützung. Zusammen<br />

haben diese Einrichtungen<br />

bislang mehr als 3000<br />

Facharbeiter ausgebildet,<br />

die heute als Putzer und<br />

Trockenbaufachkräfte arbeiten.<br />

„Wir müssen schnell<br />

bauen in diesem Land.<br />

Trockenbaumethoden<br />

sind daher genau, was wir<br />

brauchen. Der Trockenausbau<br />

geht schnell, ist aber zugleich<br />

sehr leistungsstark. Er ist günstiger als<br />

traditionelle Methoden, technisch sehr<br />

fortschrittlich, ermöglicht Brand- und<br />

Schallschutz und sorgt für hochwertige<br />

Lösungen“, erklärt Abdelatif den<br />

Erfolg der neuen Baumethode. „Knauf<br />

ist eine bekannte Marke und ein Garant<br />

für hochwertige Bauprodukte.”<br />

„Wir bilden in unseren Zentren junge<br />

Menschen als Trockenbauer oder<br />

Putzer aus, sodass wir künftig bei<br />

Großprojekten nicht mehr auf ausländische<br />

Fachleute angewiesen sind“,<br />

sagt Abdelatif.<br />

Die beiden Brüder Knauf haben ihr<br />

Unternehmen 1932 in Perl an der Mosel,<br />

im Saarland, gegründet. Seitdem<br />

hat sich das Familienunternehmen zu<br />

einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe<br />

entwickelt, die an mehr als<br />

150 Standorten in 40 Ländern 23 000<br />

Mitarbeiter beschäftigt. Die Niederlassung<br />

in Algerien verfügt derzeit über<br />

200 Mitarbeiter und hat über Drittunternehmen<br />

weitere 120 Fachkräfte im<br />

Einsatz.<br />

„Indem wir über große Verträge mit<br />

Architekten und Bauunternehmen für<br />

Nachfrage sorgen, tragen wir erheblich<br />

zur Entstehung von kleinen Unternehmen<br />

bei, die unsere Produkte<br />

vertreiben und verbauen. Wir glauben,<br />

dass durch die Abschlussarbeiten an<br />

Gebäuden potenziell 30 000 Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden könnten“<br />

sagt Abdelatif.<br />

Ursprünglich war Knauf ein reiner<br />

„Schon jetzt werden<br />

durch Knauf Trockenbau-<br />

und moderne Gebäudesysteme<br />

entwickelt,<br />

die Algerien zum<br />

Vorreiter für Systeme<br />

zum Trockenbau in<br />

ganz Afrika machen.“<br />

Brahim Abdelatif,<br />

Geschäftsführer von<br />

Knauf Algerien<br />

Hersteller von konventionellem Gips,<br />

doch mittlerweile hat sich der Konzern<br />

auf die Produktion von Baumaterialien<br />

für den Trockenausbau spezialisiert<br />

und stellt Gipsplatten, Mineralfaserplatten<br />

für die akustische Dämmung<br />

sowie Trockenmörtel für den Inneneinsatz<br />

und zementhaltigen Putz für<br />

den Außeneinsatz her.<br />

Der Konzern bietet maßgeschneiderte<br />

Gesamtlösungen für einen flexiblen<br />

und schnellen Innenausbau an,<br />

zu denen auch seine bekannten Gipsplattensysteme<br />

gehören. Die Putz- und<br />

Bodenbelagsprodukte von Knauf lassen<br />

bei der Innenraumgestaltung viel<br />

Freiraum. Zudem bietet Knauf wetterfeste<br />

Außenputze an.<br />

Die leistungsstarken<br />

Wärmedämmstoffe auf<br />

Wollbasis sind recycelbar<br />

und können sowohl im<br />

Neubau als auch bei Sanierungen<br />

verbaut werden,<br />

vom Keller bis zum Dach.<br />

Aufgrund der einfachen<br />

Handhabung, hohen Qualität<br />

und Vielseitigkeit vertreibt<br />

Knauf seine Produkte<br />

nicht nur an Fachunternehmen<br />

im Baugewerbe, sondern<br />

über Baumärkte auch<br />

an Heimwerker, die ihre<br />

Häuser selbst renovieren<br />

oder ausbauen.<br />

„Wenn es um Materialien für die<br />

energiesparende oder akustische Dämmung<br />

geht, oder um einen hohen Lebensstandard,<br />

um die Integration von<br />

Licht und Klimatisierung, wird man<br />

einige dieser Techniken in Algerien<br />

nicht finden. Die Menschen kennen<br />

die Möglichkeiten, nutzen sie aber<br />

nicht“, sagt Abdelatif.<br />

„Wir helfen ihnen, damit zurechtzukommen.<br />

Es ist ein langer Prozess und<br />

wir gehen davon aus, dass die gesamte<br />

Gipsindustrie im Land an der Entwicklung<br />

dieser Techniken teilnehmen<br />

wird. Schon jetzt werden durch Knauf<br />

Trockenbau- und moderne Gebäudesysteme<br />

entwickelt, die Algerien zum<br />

Vorreiter für Systeme zum Trockenbau<br />

in ganz Afrika machen.“<br />

Diese Beilage zur Financial Times Deutschland wurde von der Globus Vision hergestellt, die allein verantwortlich ist für die Inhalte der Beilage

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