dräum | ausgabe 1 | 03/2015
dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer
dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer
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dem <strong>dräum</strong><br />
im <strong>dräum</strong> spielt wirkliches ein spielchen macht man regeln aus<br />
dem nichts und nichtigt fixe größen baut mit bildern schöne<br />
zähne zeigt man talwärts richtung gipfel gibt man wörtern neue<br />
schatten leiht man lichtern dunkles leuchten gibt man gedanken<br />
aus zum denken liefert phantasten einen freien ast zum sitzen<br />
und zum schauen und zum schnitzen und zum bauen und zum<br />
nisten und zum hauen und im <strong>dräum</strong> da warten viele leere<br />
stellen auf die da drüssig sind vom füllen ihrer federn und vom<br />
rupfen vieler fehler und bestellen spröder felder und im <strong>dräum</strong><br />
da stürzen bilder von den häusern in die augen die da blitzen<br />
in den fragenhaften fratzen fahler freier die da leben unterm<br />
joch der vielen musenhurenuhrenstopper dieser welt die keine<br />
pause kennt und rennt und rennt und räder schlägt bis keine<br />
pause mehr da nichts mehr von belang entstehen lässt und<br />
gegen ende bloß die einsicht in das müde hirnschmalz presst<br />
dass tausend gabelungen früher man sich niederlassen hätte<br />
sollen am rand des weges um im rhythmus des verschnaufens<br />
einen farbenfrohen <strong>dräum</strong> im aug sich angeschaut zu haben.
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
Im ungebremsten Rausch der Worte taumelt‘s<br />
RAUSCH<br />
durch das Unbekannte, bricht mit jedem Punkt ein<br />
RAUSCH<br />
neues Bild vom Schädel auf das Blatt und sucht im<br />
trüben Geistesnebel bisher ungeahnte Kreaturen.<br />
Die Zuckerstangen drehen sich. Häuser stürzen ein. Ein so soll das Manuskript an der Toilettenwand erscheinen;<br />
Hahn sitzt auf dem Kichengiebel, scheißt Mercedes. So währenddessen blickt das schwarze Schaf ins Unendliche,<br />
kommen also die Sterne an den Nachthimmel, denkt der erkennt seine Erbsünde, wünschte sich, glauben zu können.<br />
Astrophysiker. Am anderen Ende der Bar sitzt eine Jungfrau,<br />
blutet. Der Wirt stellt dem Tischler den Scheck aus; Wright bestätigen; hätten die nicht an ihre Potenz geglaubt,<br />
Ohne Glauben wird das nichts, das würden auch die Brüder<br />
alles glänzt in neuem Marmor, was der Tischler hier eigentlich<br />
macht, ist allen ein Rätsel. Im Glenfiddich schwimmen oben gegangen.<br />
wäre das mit dem Höhenflug wohl schwerlich so steif nach<br />
die Musen, masturbieren, zeugen Kinder und schütten sie<br />
über die Gäste. Allesamt grinsen sie wie olle Dämlacks,<br />
Alle Mütter sehen Euter<br />
essen Dachs mit Lachs und spülen nach mit saftig Cognac.<br />
von grandioser Pracht<br />
Im Pissoir geht die Spüle, spült Frust hinunter, speit Verachtung<br />
in die Gesichter der Speienden. Heute Nacht wird<br />
der schneidige Chaffeur gebracht<br />
die hat<br />
es geschehen, ein Bruch im hölzernen Gefüge der Zeit,<br />
mit schöner weißer Milch im Schaft<br />
mehr Clowns kommen, an der Wand klebt Schimmel und<br />
starren die acht Augen<br />
amüsiert sich. Mitten im Bullseye steckt Hans mit seinem<br />
gen Boden hin,<br />
Schwanz, macht Punkte bis zum Sieg. So könnte man sich<br />
wackeln und freuen sich<br />
zur Ruhe setzen. Alles in allem hat doch alles ganz gut funktioniert,<br />
zwar sind alle völlig alle, aber mit Allohol passt das<br />
da spritzt es weiß<br />
da wird gezogen<br />
schon. Nächtens türmt der Siegfried aus der Ehe, nen Vorwand<br />
vorgeschoben, schon geht wieder was; Single, ja sicher<br />
vom Scheunendach<br />
ein Traktor stürzt<br />
bin ich Single, und du? bist überhaupt schon volljährig? Im<br />
macht platt was vorher<br />
Ansatz ja, also im Haaransatz, oder im Penisansatz, oder doch<br />
noch nicht platt war<br />
im Schnapsansatz? Mit der Fernbedienung wird mal wieder<br />
umgeschalten. Bücher tröpfeln aus dem Regal, erschlagen Im Ende sind wir alle gleich. Die Plautze hängt, das Fett<br />
den Wütenden unter Generationen von stummem Wissen. riecht fettig, am Sack vibriert das Schamhaar, zieht sich einen<br />
Ordentlich CDs hinterher, so viele in die Hose passen, ohne Pulli an. Polster Polster alles Polster hier im Bette, darunter<br />
dass man zu gut bestückt aussieht; das würde dem Hausdetektiv<br />
die Schamesröte ins G’sichterl treiben. Eichen, wo anderer schleimt herum. Mit Kronleuchtern bepackt fährt<br />
Dielen. Knarren geht von dort nach da, einer schleicht, ein<br />
man hinschaut Eichen; außer dort, wo Buchen stehen, dort Sonja am Rad, ohne Sattel, den kann man sich nicht leisten,<br />
steht Hubert und schreibt ein SMS. Literarisch hochwertig, zieht sich eine Tüte nach der andern rein, denkt an Goethe,<br />
denkt an Hannibal, macht sich horny, twerkt ein wenig gegen<br />
Wand, hält sich stramm in der B-Note. Endlich mal ein<br />
anständiger Koch, von stinkigem Gewölk zwar umrungen,<br />
aber durch feine Kinnhaken kann der sich schon helfen.<br />
Das Rad dreht noch nach während die Kugel fällt. Eine Zahl,<br />
eine zufällige, oder gibt’s den nicht? Mercedes fallen vom<br />
Himmel, irgendwas war da mit einer Kirche, ach ein Kreuz<br />
mit der Kirche; Gott sei Dank; da kommt er; Motorsägen wo<br />
andere die Ärmchen haben; das VHS löscht sich von selbst.<br />
Ein Kater sitzt im Biergarten, sein Name: Holger; der würgt<br />
und würgt und würgt und hört erst auf bis der Vertrag unterschrieben<br />
ist, das ist halt so seine Masche, aber die Provision,<br />
die ist das schon wert, das bisschen Hals-Gymnastik und<br />
Fratzen-Schneiden, warum auch nicht, gibt ja kein Gesetz<br />
dagegen. Manche werfen ihm unlauteren Wettbewerb vor,<br />
der Tischler weist aber alle Vorwürfe von sich, nur weil er mit<br />
Marmor statt wie alle anderen mit Holz Zeug baut, verschafft<br />
er sich doch lange keinen unfair’n Vorteil, da sind doch die<br />
anderen schuld. Und Scheck ist Scheck. Im Glennfiddich<br />
schwimmen die Musen, zeigen sich produktiv, machen aus<br />
Dämlacks ordentliche Männer. Im Hinterzimmer gehen die<br />
Wände an die Decke, ist doch ein Fall für die Gewerkschaft,<br />
wir streiken morgen, wenn sich nicht bald was ändert, sollen<br />
die schauen, was die machen, wenn denen die Himmel auf<br />
die Schädel trümmern. Am Ende sind wir alle gleich, vielleicht<br />
auch nicht, wozu dann alle anders wären, das müsste<br />
man sich doch mal fragen. Am Ende sind wir alle Mercedes.<br />
Manche Opel. Hie und da ein Renault kann auch nicht schaden.<br />
Im Fußball schwimmen Fische dreien, machen sich<br />
künstlich zu den Haien, die in ihrer Freizeit Fische fressen, als<br />
einer übrig blieb, weinte der, weil er im Hochmut all seine<br />
Freunde verschlungte. Machen wir einen Zeitsprung – nach<br />
vorne – zum Beginn des Universums, zum berauschten Tanz<br />
der Elemente, in Ekstase lernen sie sich kennen, raufen sich<br />
zu Paaren, und vereinigen sich ohne Scham vor Zeit und<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH TEIL 1<br />
RAUSCH<br />
Dunkelheit; ihr Akt bringt Licht, ihr Licht bringt Leben, Gedanken<br />
und Missgunst in die eisig kalte Weite; eines Tages<br />
trübt sich die Tanzeslust, Trägheit verschlingt die Euphorie,<br />
Totenstarre überzieht das Licht und gibt das All dem Nichts<br />
preis, in das es ohne Reu und Fluch zurückkehrt, kriegsmüde,<br />
ausgehungert, bar jeder Gegenwehr – das Nach-Hause-Kommen<br />
nach der durchtanzten Nacht, träumend vom<br />
kommenden Tag, wenn der Urknall wieder zu Neuem weckt;<br />
so kommen also die Sterne an den Nachthimmel, dachte der<br />
Wirt, während im Pissoir die Spülung ging. An der Türklinke<br />
hängt ein Schlips, der übliche Kode für Geschlechtsverkehr<br />
unter Studenten der leiblichen Lüste; heute Nacht wird<br />
auch mein Schlips entjungfert, so die Hoffnung des fetten<br />
Franz, seine Pickel sprachen ihm freudig zu, tuschelten in<br />
Aufregung, ob es wirklich zu ihrer Lebzeit noch geschehen<br />
würde, ob tatsächlich sie zur glücklichen Generation zählen<br />
sollten; einhellig feuerten sie den fetten Wirt ihrer Parasiterie<br />
an, folgten gespannt der Hand mit dem kleinen runden<br />
E, das unter Jubeln und Kreischen in Franzens Mund<br />
verschwand; dumpfes Dröhnen drang durch die dicke Tür,<br />
einmal aufgestoßen, entließ sie den brüllenden Partylärm,<br />
das bassbeladene Gomorrha, die rauschenden Lichtfetzen,<br />
die „Whoo“’s der Whoo-Girls, deren Vaginas das erklärte Ziel<br />
von Franz und seiner Pickel waren; DJ Plämmerbacke machte<br />
sich zum Gockel, plusterte sich ob seiner ordinären Remixes,<br />
als wären es Da Vinci’s und Monets, was folgte glich eh’r<br />
dem Nitsch, vom lauten Krach an die Wand gespritzte Gäste;<br />
STIRB, WESTEN! war vorher noch kurz gebrüllt, dann war die<br />
Party abgehakt, erledigt, Franz und seine Pickel ausgedrückt<br />
für immer.So kommt es manchmal anders, als man denkt;<br />
manche sterben als Jungfrau, so wie der Bub von Müller,<br />
gestern noch Segelflieger, heute Gartenstempen, andere<br />
sterben an der Gonorö vom vielen Sexln; wieder andere machen<br />
zufällig den Hops hinüber, teils während einem Hops<br />
übern Zaun oder ein Auto oder die Gefängniswand.
GARSTIG GRINST<br />
DER VOLLE MOND<br />
VOM HIMMEL, WOHL WISSEND,<br />
WAS HINTER‘M HORIZONT<br />
G E S C H I E H T .
FAHNENSUCHT<br />
Halbmastene Fahnen auf der einen,<br />
Freudig geschwungene auf der anderen Seite –<br />
Dazwischen gemahl‘ne Körper<br />
Wie frisch zerpresster Wein.<br />
Trauer weht durch reihenweis‘ Revers,<br />
Von Terror spricht man, von zero Toleranz.<br />
Mit schön polierten Worten<br />
Wird Rachsucht eingepflanzt.<br />
Man verspricht etwas den Toten<br />
Und strafft die Fahnen neu.
S C H A T T E N<br />
K spazierte gerade außerhalb der Stadt und dachte<br />
an Kafka, als knapp vor ihm ein Mann auf den<br />
Asphalt klatschte. K starrte dermaßen gespannt<br />
ins aufgeplatzte Antlitz des Zermatschten,<br />
dass er nur ganz am Rande wahrnahm, wie<br />
die Schatten begannen, um ihn zu wachsen.
EIN<br />
GEBIRG‘<br />
VON<br />
AUGEN<br />
BLICKEN<br />
SCH<br />
WEMMT<br />
MICH<br />
I<br />
N<br />
D I E<br />
N A C H T
ANALSCHABER<br />
Mimämu – uiuiuiuiui! Alter, schau, am Firmament, da Begrüße Sie, Müller mein Name, eben hier aufgeschlagen,<br />
brennt’s! Ein gleißender Feuerball stürzt kometenhaft auf können die Herren ein gutes Restaurant empfehlen?<br />
uns, direkt auf uns daher! Oh Jesus Christ, bist du’s zu Der eine Bauer, gemeinhin als einfacher Franz bekannt, starb<br />
unserem Gericht? Direkt auf uns! Oh Jesus, wie ich den bei dem Anblick ohne Umschweife den raschen Tod des stillen<br />
Herzens. Der andere, Maier, seufzte ein Goodbye, mein<br />
Schiss im Hosenbein verspür! Lass uns dies eine Mal noch,<br />
ich versprech’s, dass ich ab jetzt in Ewigkeit – KABUMMM! Farmersfreund, und nahm den Weltraummenschen in<br />
Gigantisch kracht’s und ängstlich ducken sich die beiden Empfang. Er führte ihn zu sich nach Hause, zeigte ihn der<br />
Farmer hintern Schutzwall, fliehen Feuer, Funken und den Gattin und stellte ihm die Kinder vor. Zu Abend gab es<br />
Staub des Einschlags und lugen schreckensbleich aus der Gulasch mit selbstgebackenem Brot. Geld hat er ja, der Maier,<br />
feigen Deckung. Gut eine Minute, ehe man durchs sanfter bemerkte der Müller, und leckte mit den Augen über das<br />
werdende Glimmen was erkennen konnt’, erst Konturen, hochglanzpolierte Benefit-Feuerwerk der durchdesignten<br />
dann Details, die den zwei getauften Parteigängern ganz gehörig<br />
die Schamesröte ins Gesichterl steigen ließen: ein lem Bauernhof-Idyll vermengt waren. So kann man schon<br />
Luxus-Lounge, in der modernste Trends gekonnt mit rustika-<br />
kompakter Mann, gut halb so hoch wie sonst’ge Herren, leben, dachte Müller, und bat Maier um ein zweites Glas<br />
stand auf dem metallenen Plateau eines umgedrehten des köstlichen Weins – aus eigenem Anbau, bemerkte der<br />
Kegels, dessen spitzer Unterbau bis zum Anschlag in den Gutsherr, und erfreute sich am Lob des Gastes. Nun, was<br />
Kuhmist eingedrungen war. Ein Kraftfeld bildete halbkugelrund<br />
eine Art Fahrgastzelle, in der nicht etwa ausgefeiltes bringen, und Müller ließ sich vom süßlich-roten Saft zum<br />
verschlägt Sie in unsere Gegend?, wollte Maier in Erfahrung<br />
Instrument oder dergleichen prangte, sondern bloß mittig angeregten Dinner-Tratsch bewegen. Ach, Sie wissen doch:<br />
ein stählerner Pfahl aus der Plattform ragte, der von dort erst die Pausen machen angenehmes Reisen. Und auf meiner<br />
Route ist Ihr blaues Domizil die einzig atembare Möglich-<br />
schnurstracks in den Unterleib des Herren führte. Seine<br />
Hose war – scheinbar zu eben diesem Zwecke – mit einem keit, die Reiseschmerzen abzukühlen. Der Dildo-Pfitschi-Pfeil<br />
kleinen Türchen ausgestattet, das den Blick auf zwei nackte ist nämlich äußerst anspruchsvoll, ein doppelter Ionensprung<br />
Backen offenbarte. Allein das hätte in dem oberösterreichischen<br />
Kuhdorf schon für wochenlangen Tratsch gesorgt, man nun mal inne halten, abschwellen lassen, Salben<br />
wird selbst für vielgeprüfte Ärsche zur Tortur. Irgendwo muss<br />
doch da erhob sich der Neuankömmling noch dazu ganz schmieren, ehe man zum Ziel gelangt – Und wo genau soll’s<br />
ungeniert aus der Versteifung und von seinem Fahrersitz, der hingeh’n, wenn man fragen darf? – Sie dürfen selbstverständlich.<br />
Zum schönsten Ort des Universums, weit unten im<br />
in Form und Farbe und Funktion haargenau dem glich, was<br />
man in der Erotikbranche als gemeinen Anal-Stöpsel oder Süden der Galaxie – Zum schönsten Ort des Universums? –<br />
Arschlochpenetrator zu bezeichnen pflegte. Nach dem Richten<br />
seiner Reisehose und gut geübtem Dehnen sprang der doch gar kein Vergleich zu diesem Loch hier! Absteige wäre<br />
Genau – Wie? Schöner als das hier alles? – Ich bitte Sie, ist<br />
kleine Mann mit Schwung von seinem Raumschiff und noch ein Kompliment, Sie müssen wissen, wir kennen euch<br />
reichte den zwei Farmern seine kleine Hand zum Gruße. und euer Wesen, bei uns seid ihr überdimensionierte Un-<br />
kreaturen, ihr dient für schreckliche Geschichten, sollt Kindern<br />
Angst einjagen und Moral durch schlechtes Beispiel schulen,<br />
seid Monster von unvorstellbarer Grausamkeit und müsst auf<br />
jeden Fall gemieden werden. Uns seid ihr Abschaum allerletzter<br />
Güte und, ach, hätten Sie noch ein Gläschen? – Ja, aber<br />
klar doch, riss es den Maier aus der Sprachlosigkeit – Danke.<br />
Na jedenfalls attestierte mir jeder geistige Verwesung, als ich<br />
von meiner Reiseroute sprach. Zur Lagune der Zwietracht will<br />
er fliegen, zur blauen Hölle, wo sich die Toren des Terrors<br />
tummeln und ihren Russisches-Roulette-Revolver mit der<br />
Kugel laden, auf der sie selber leben! Jeder hat mir abgeraten,<br />
mich jeder für verrückt erklärt, denn, Sie müssen wissen,<br />
hier zu landen gilt bei uns als Selbstmord, auch als gesellschaftlicher.<br />
Aber das spielt keine Rolle, denn am besten Ort<br />
des Universums seid ihr weniger als Mückendreck, kaum eine<br />
Erwähnung wert, kicherte der Außerirdische, während er<br />
geistesabwesend in seinen Gedanken kramte. – Noch ein<br />
Glas?, schob der Maier ein – Oh, nein Danke, Sie müssen<br />
wissen, zu viel Säure reizt den Anus. Und ganz ehrlich, meine<br />
Reise fordert nun doch ordentlich Tribut. Meine Äuglein<br />
machen klar, dass ich schlafen sollt’; ich sage also Dank für<br />
das exquisite Essen und den überraschend untödlichen<br />
Plausch, bei Gelegenheit werde ich ein gutes Wort für euch<br />
und eure Spezies einlegen, jetzt bleibt mir nur die Frage<br />
übrig: Wo darf ich denn mein Nachtquartier beziehen?<br />
Der Farmer und seine ermüdet wirkende Frau atmeten<br />
ungläubig auf den Fremden und schickten die Kinder zu Bett.<br />
Was macht uns denn so schrecklich? – Oh, ähm, ach, wissen<br />
Sie, nichts wirklich Wichtiges. Vergessen Sie’s – Neineineinein<br />
... da brauchen Sie nicht ausweichen. Meine Frau und ich, wir<br />
haben es viel mit Kritik zu tun, das verkraften wir schon! –<br />
Aber, es ist wirklich nichts Schwerwiegendes, nur ein paar<br />
kleine Macken hie und da. Und ich muss auch sagen, dass ich<br />
vorhin etwas gar ausufernd war, so schlimm ist es dann doch<br />
nicht, glauben Sie mir. Der Farmer stand auf, nahm die<br />
schwere Kelle und fragte erneut: Was stört euch an uns? –<br />
Sehen Sie? Genau das meine ich! Gewalt als allgemeingültige<br />
Währung! Stört euch was: Prügel. Wollt ihr was: Folter.<br />
Seht ihr was: nehmt ihr’s euch. Nur bei der Wahrheit, da geht<br />
das nicht. Das funktioniert nicht mit Gewalt. Und das macht<br />
euch so wütend, dass ihr euch die ganze Zeit die Schädel<br />
einhaut. Mehr noch: Ihr tötet Familien, ihr tötet Tiere, ihr tötet<br />
ökologische Systeme, die Jahrmilliarden brauchten, um in<br />
dieses hurenverdammte Gleichgewicht zu geraten. Ihr seht<br />
die Perfektion nicht, ihr seht nur euer Wollen. Darum seid ihr<br />
bei uns Monster! Deshalb werdet ihr anderwo wie Ungeziefer<br />
ausgerottet. Ihr seid Planetenfresser! Ich meine, nichts gegen<br />
Sie persönlich, Sie sind ja eh ein Netter, und Ihr Gulasch erst!<br />
Übrigens, was war das eigentlich? Schwein? Huhn? Rind? –<br />
Kalb. – Sehen Sie! Schon wieder. Gründe Gründe Gründe,<br />
und Sie fragen, warum euch keiner leiden kann. Aber lassen<br />
wir das für heute bitte. Ich bin müde. Wo darf ich nächtigen?<br />
Der Farmer stand immer noch mit gezückter Kelle starr über<br />
seinem Gulaschteller, merklich angespannt: Der beste Ort<br />
des Universums, sagst du? – Jaja, absolut – Hilf mir ein bisschen,<br />
was darf man sich darunter vorstellen? – Naja, kennen<br />
Sie Gier, Gewalt und Lügen? – Natürlich. – Dort kennt das<br />
keiner. Smog, Müll, Elfenbein? Promi-Magazine, Supersportwagen,<br />
Nerzkragen, klingelt da was? – Sicher. – Für all das gibt<br />
es dort nicht einmal die geistigen Konzepte. Dort hält sich<br />
niemand für Gott, weil kein Gott vonnöten ist. Keine Religion,<br />
kein Krieg, keine Gewalt. Kein Geiz, kein Reichtum, kein Mangel.<br />
Wie gesagt: der beste Ort des Universums. – Kann ich<br />
mit? Die Frau hob schweigend ihr altes Gesicht und blickte<br />
dem Farmer auf die Lippen. Warum nur du?, wollte sie fragen.<br />
Was wird aus mir?, wollte sie fragen. Für die Dauer eines perfekten<br />
Toasts bewegte sich im Raum nichts außer der Brustkörbe<br />
und der Augenlider. Mit? – Ja, mit. Ich will auch zur<br />
besten aller Welten. Nimm mich mit dorthin! – Mein werter<br />
Herr, bei allem Respekt, Sie haben mein Gefährt gesehen –<br />
Ja, wie könnte ich es je wieder vergessen – Nichts für ungut,<br />
aber das da draußen ist nicht gerade ein Reisebus. Das ist ein<br />
Einsitzer, Himmel noch mal, gemacht für genau einen Anus.<br />
Wenn Sie mir erklären wollen, wie ich Sie mitnehmen soll, ich<br />
würde es probieren. – Oh ja, sagte der Farmer, und zog dem<br />
Zwerg die Kelle durchs Gesicht. Erklären ist ein hervorragendes<br />
Wort. Erklären wirst du mir dein Gefährt. Ganz langsam<br />
und ausführlich, grinste er, als er den Winzling am Knöchel<br />
hob. Ich kenne da auch den perfekten Ort dafür, verfliest,<br />
schallisoliert, abgelegen. Der optimale Seminarraum also für<br />
die Einführungsvorlesung „Grundlagen der Raumfahrt“ mit<br />
Ao. Univ.-Prof. DDr. Mag. Analschaber BSc.
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
Ungereimtheiten, nein, kein Wort glich mehr dem, was<br />
RAUSCH<br />
er von Sprache erinnern konnte, kein Zeichen, kein Beistrich,<br />
kein Punkt, auch kein Strichpunkt oder bloß ein<br />
RAUSCH<br />
Strich – wie lange war ich weg? so die Frage, die Antwort:<br />
Wie es kommt, so kommt es eben, führte der Gärtner weiter<br />
kam ein Huhn die Straße entlang,<br />
aus, im Schweiße seines Angesichts plackte der Azubi mächtig<br />
ran; ein Loch ein Loch ein Loch! stand auf der Agenda,<br />
darin ein Mensch,<br />
warf ein Ei,<br />
möglichst tief, so tief, dass man den Gaumen sehen kann,<br />
darin ein anderer,<br />
so die Wörte des verschwitzten Truckers, der ein Loch auf Bestellung<br />
als Ausdruck höchsten Wohlstands ansah; schließ-<br />
jetzt ist Frühling,<br />
dahinter das Nichts,<br />
lich plackt man das ganze Leben, um eines Tages andere<br />
gestern war Renaissance,<br />
placken zu lassen, und so folgte er erregt den verschwitzten<br />
morgen ist die Implosion der Sonne,<br />
Bewegungen des jungen Möchtegerns, mit seiner Schaufel<br />
oder kommt das doch erst nächste Woche?<br />
und seinem hängenden Latz, der Chef aber, ja, der war ihm<br />
ein Dorn im Auge, stand nur da und quatschte, als wäre er fragte sich der Eremit, einhellig sagten alle seine Hirnzellen,<br />
also die, die die Zeit überlebt hatten, hier kommt die<br />
Confuzius oder so’n oller Nietzsche, kann die allesamt nich<br />
leiden, wissen ja nich, was Arbeit heißt, hocken ja nur rum Eisenbahn, die uns gen Mordor bringt, Alles Einsteigen!<br />
und schreiben Blödsinn uff die Zettel, geben sie anderen Alles Einsteigen! Zuspätkommende bestraft das Leben mit<br />
Blödeln, die’s noch drucken, als wär’s die große Sensation; noch mehr Leben; Entgleisung, was für ein lustiges Wort,<br />
soll’n mir mal alle unterkommen, kriegen wat uff die Kopp, wer denn? der Zug oder die Olle? die Achterbahn oder<br />
dass ihnen det Denken schon noch vergeht; ein Projektil der Alki? Im Endeffekt trifft man sich schließlich sowieso<br />
fliegt ohne Gewissen, trifft, spaltet, macht tot, einer wird auf irgendeinem Barhocker, bespricht Belanglosigkeiten<br />
abgeführt, ohne Gewissen, wird getroffen, wird gespaltet, mit Bekannten, grübelt Gedanken übers Grünzeug, macht<br />
wird tot gemacht; viel Sinn gibt es hier nicht, die Worte des Hocke und erholt sich, ja, sagte der Wirt, pissen müsst ihr<br />
Richters hallten lang in den entsetzten Gesichtern der Geschworenen<br />
und der Zuschauer und der Gerichtsdiener, ein ein Pferd in ne Bar, macht kein langes Gesicht, sondern<br />
heute draußen, die Pissoirs hauen nicht mehr hin; kommt<br />
altes Blatt Papier, vor Urzeiten vom jungen Anwalt Schultze kuckt irgendwie zerknautscht, Crash-Test-Dummy war ich,<br />
im Frust zerknüllt, liegt, von tausenden Putzkolonnen übersehen,<br />
im hintersten Eck der Holzvertäfelung und freut key!, doppelt?, mach vierzehnfach. In der Kirche sitzen<br />
gestern, heute hamm’se mir gekündigt, harte Welt, Whis-<br />
sich ob der großen Neuigkeit; kein Sinn, kicherte es, kein aufgereiht vierzehn Nachtwächter, ein jeder wegen Mordes<br />
Sinn, endlich hamms’ es auch mal begriffen. Im Neuwald sündig, suchen Erlösung in den Armen des armen Jesu<br />
am Eck kommt Bertold nach Jahren des Eremitentums zurück<br />
ans Licht, blickt sich um, ungläubig, schockiert, blickt Pfaffen, sind auch bereit, ein wenig Geld zu hinterlassen,<br />
Christ, hoffen auf Ablass durch die segnenden Worte des<br />
in die Zeitung, versteht kein Wort – nicht aus inhaltlichen um die Zeit im Fegefeuer aus dem Lebenslauf zu kaufen;<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH TEIL 2<br />
RAUSCH<br />
im Weihwasserbecken badet währenddessen Moses und<br />
übt sein Wasser-Teilen, als es nichts wird, schlägt er wild<br />
frustriert und bitter heulend auf das flache Wasser, sieht<br />
unten Perlen glitzern und denkt, da trifft mich ja doch noch<br />
das Glück der Geizigen; so geht er perlentauchen, grüßt<br />
kartenspielende Kalamare per Griff an die Hutkrempe, lässt<br />
ein paar Blasen nach oben und konzentriert sich, da waren<br />
sie doch irgendwo, gleich neben der Bibliothek und dem<br />
Würstelstand und dem Fussballplatz und dem Vergnügungspark<br />
und dem Wellness-Spa und dem versunkenen<br />
Piratenschiff und dem Hooters und dem Porno-Set und der<br />
kleinen alten Dame, die geduldig den längsten Schal der<br />
Welt strickt, während ihre hundert Katzen toll um das Knäuel<br />
springen. Ach, dachte sich der Kuhbauer, geh scheißen<br />
Kuh, macht den ganzen Tag nur Mäh und erwartet, dass ich<br />
ihr gut zuklopfe, so soll’s kommen, das hat mir die Hexe am<br />
AMS nicht erklärt, auch im Kurs nichts zu diesem Thema,<br />
auf der Uni schon gar nicht, und Google kennt da auch keine<br />
Antwort. Eigentlich selten, man gibt was ein, und nichts<br />
kommt raus. Vielleicht ist die Tastatur kaputt – mal umgedreht,<br />
mal dort-, mal dahin gewendet – keinerlei Indiz für<br />
nicht intakte Kabel oder perforierte Platinen, vielleicht ein<br />
Schädling, ein Virus, ein Parasit, vielleicht eine Zankerei zwischen<br />
zweier Bits, die sich auf Anhieb hassen lernten. Ja,<br />
das kommt gelegentlich vor. Dass die vom Pannendienst<br />
noch nicht da sind. Normalerweise sind die Fixer, sagte der<br />
Kommissar vom Drogendezernat mit Blick auf die Leiche<br />
im Rohbau – wenn die hier tot rumliegen, sind das normalerweise<br />
Fixer – aber wer weiß, entgegnete sein Assi,<br />
vielleicht ist es ja doch ein Mord, oder ein Mord-Selbstmord,<br />
bei dem der andere dann im entscheidenden Moment<br />
noch seine Meinung geändert hat – gut, möglich,<br />
Schneider, Doppel-Null, aber wozu dann die Eidechse?<br />
Blut am Grashalm. Staub im Aug. Furunkel am Gaumen.<br />
Krampfader im Arsch. Hie und da, ja, hie und da. Mit einem<br />
Male kam der Sturm, blies von links und rechts und<br />
eigentlich von allen Seiten, unüblich für Wind, weht der<br />
nicht normalerweise nur aus einer Richtung? ich meine,<br />
ist doch Wind, der kann doch nicht aus allen Richtungen<br />
daherblasen. Blasen, immer schön blasen sagte die Schulkrankenschwester,<br />
sonst frisst dich die Vergangenheit, und<br />
die Zukunft spuckt dich aus wie einen halbverdauten Kaugummi,<br />
die Schramme wird schon wieder, bist ja ein Indianer,<br />
stimmt, und was machen Sie hier eigentlich mitten in<br />
der Prärie? mitten in meinem Wikwam? mitten in meinem<br />
Jahrhundert? sie gehören doch woanders hin mit ihrem<br />
weißen Kittel und ihrer ollen Brille und ihren falschen Zähnen<br />
und ihrem Mundgeruch nach Desinfektionsspiritus,<br />
gibt es nicht irgendeinen Teppich, unter den Sie sich legen<br />
können? vielleicht auf irgendeinem Schiff, das am Ozean<br />
unterzugehen plant? ich meine, meine Meinigen und ich,<br />
wir mögen solche wie Sie sichtlich selten, Sie gehören nicht<br />
hier her, machen Sie sich vom Acker, da soll schließlich Gras<br />
drüber wachsen, damit wir gepflegt ne Runde Golf prügeln<br />
können, gönnt sich ja eh nichts, und Golf-Platz gibt’s sonst<br />
nirgends, nur ne Spielhalle, und da sitzen die ganzen Blinden<br />
und lauschen den einarmigen Banditen, die sich die<br />
Köpfe einhauen, während sie drei von einer Sorte suchen,<br />
wenn der Hund nicht mehr wau macht, können wir gerne<br />
mal über ne Versicherung quatschen, aber derzeit kein<br />
Bedarf, also hauen Sie ab, gehen Sie mir aus der Sonne,<br />
machen Sie ne Fliege, spielen Sie Kugel und verrollen Sie<br />
sich, ich ruf Ihnen `n Taxi; Ja, zum Wikwam, neben Müllers,<br />
vor Maiers und hinter den Rosenbergs, genau, das<br />
schwarze kleine, mit dem Rauch oben drauf, Viertelstunde,<br />
Gott, was tu ich die ganze Zeit noch, kann doch nicht<br />
angehen, dass Sie ihren Arsch nicht in die Gänge kriegen,<br />
ich nicht der einzige Indianer? na warten Sie, das erzähl<br />
ich den Cowboys, dann bin ich bald der einzige, werden<br />
Sie schon sehen. Der Rest des Tages blieb unspektakulär.
Die Wand bricht unter geworfenen Tellern,<br />
Unter Trümmern lügt die Hoffnung.<br />
Blutstränen spannen feine Netze in die Zukunft,<br />
Verstecken den sonnenverwöhnten Blick hinter sturmböigem Trübsal,<br />
Machen das Grün zu Grau und das Blau zu Grau und das Herz zu Grau.<br />
Lange Wanderungen durch obdachlose Welten bekräftigen das<br />
Unterkühlte Einerlei, in entmutigender Vielfalt warten Möglichkeiten darauf,<br />
Sich zur ausweglosen Einbahn zu verjüngen.<br />
Im Dämmerschein der letzten Lichter sitzt man gefangen zwischen Abgründen,<br />
Im augenweißen Spiegel naht bereits das Schwarz auf ausgepeitschten Pferden.<br />
Der Drift ins Hoffnungslose nimmt beängstigende Fahrt auf,<br />
Der letzte Schritt kann jeder sein<br />
>>>>> Driften<br />
Dunkelbraune Suppe brodelt, verschluckt<br />
Das Lachen und die Freundschaft und den festen Stand, schmeckt giftig wie Arsen<br />
Und lässt die Müdigkeit dann doch nicht schlafen – paradoxe Quälerei.<br />
Gut eingemengte Mittelchen machen‘s vermeintlich süßer, doch süßes ist das schlimmste Gift;<br />
Man blutet durch die Flicken weiter, die Glieder werden taub und<br />
Lustlos, die Leichenblässe prügelt ins Gesicht.<br />
Aussätziger, am Rande von allem, das Fallen lädt dich ein.<br />
– Wirst du sein Gast?
STRACCIATELLA<br />
Sein Weg zum Suizid begann an einem Pissoir. Die Blase man ihn ärgern, man auch gerne manchmal Konnie oder<br />
wollte – vom kühlen Blond genötigt – schnellstmöglich Radl rufen konnte.<br />
in das Hinterzimmer, und Konrad hatte dem wie immer<br />
nichts entgegenzusetzen. Doch diesmal war es anders, Wie immer auch, ein Arzt kam rein und blätterte im Krankenblatt,<br />
sah dann zum Bett des Kranken und verkündete<br />
diesmal machte das Rufen der Natur keine allzu natürliche<br />
Figur. Die Farbe war es, die irritierte: zwar durchaus die frohe Kunde: Nichts. Alles bestens. Man empfehle<br />
gelblich und gesund, aber halt eher so außen rum, dort, ein wenig Urlaub, mehr Bewegung, generell etwas mehr<br />
wo der Urin nicht dunkelschwarz gepunktet war. „Stracciatella“<br />
fiel ihm ein, während sein Schock dem Horror cken‘s am Tag eine kleine Handvoll Globuli – dann haben<br />
Gesundheit im Beamtenalltag, und für die Nerven schlu-<br />
noch das Bettchen machte.<br />
Sie binnen ein paar Tagen alles wieder voll im Griff.<br />
Als die Punkte – in der Schüssel angelangt – dann auch Aber, mein Urin! Eine genaue Untersuchung hat keine<br />
noch Laufen lernten, auf acht Beinchen über die Fliesen Auffälligkeiten gezeigt, wie gesagt, alles bestens, Farbe<br />
um ihr Leben hetzten, da war‘s um Konrad schnell geschehen.<br />
Und draußen, im Gastraum, da läuteten bei ligkeiten welcher Art auch immer.<br />
normal, Konsistenz normal, Geruch neutral, keine Auffäl-<br />
allen schleunigst alle Glocken vom panischen Geschrei,<br />
das aber – als der erste in den Kloraum sprang – schon Konrad verbarg den tiefen Schock, der im lymbischen System<br />
Quartier bezog; jetzt bloß nichts anmerken lassen,<br />
wieder stumm am Boden lag, den Schwanz noch in der<br />
Hand, die letzten Tröpfchen still der Schnürlsamthose sonst lernst du heute noch Steinhof von innen kennen.<br />
anvertrauend.<br />
Man schüttelt sich die Hand, bedankt sich lieb, schiebt<br />
alles auf den Stress und auf das Wetter, schlüpft links in<br />
Im Spitalsbett sitzend, betrachtete der Konrad still die die Jeans, dann rechts, macht alles wie vor langer Zeit<br />
Hand, in der er seinen Probenbecher hielt. Darinnen tummelte<br />
sich eine kleine Spinnenstadt, mit Bürgermeister, sich durch die Nacht nach Haus.<br />
gelernt, meldet sich am Empfang gesund und schleicht<br />
Straßenstrich und Fabriksgebäuden. Dunkelgraue Autobusse<br />
mit 8 Augen bogen um Kurven, die im Kreis verliefen.<br />
Wie öd das sein muss, dachte Konrad, den, wollte man sich was einbildet, dass man was sieht, wo gar nix<br />
Der Stress ist aber auch ein Hund, kann schon sein, dass<br />
ist;<br />
vielleicht ist man ja zu schnell vom Hocker in den Stand,<br />
sodass der Kreislauf a bissl später nachgekommen ist. Das<br />
kennt man ja, wenn man sich im Fachgeschäft etwas im<br />
untersten Regal anschaut und konzentriert die Produktdetails<br />
studiert, dann schnell zur Kasse will und sich im<br />
atemlosen Taumel ans nächstbeste klammern muss. So<br />
hat Konrad ja schließlich auch seine Frau, Gott hab sie selig,<br />
damals kennen gelernt, als er aus Versehen nach Ihrer<br />
schlanken Schulter griff, um nicht ins Schwarz zu kippen.<br />
(Aus den Latschen hat‘s ihn dann ja doch gehauen, wie er<br />
durchs rosa Flimmern der Frieda ins Gesicht geschaut und<br />
an der drohenden Ohnmacht vorbei ihr „Geht es ihnen<br />
gut?“ vernommen hat). So in etwa muss es diesmal auch<br />
gewesen sein. Und die Rotweinflasche widersprach so gut<br />
wie gar nicht.<br />
Das Problem daran, wenn man Probleme dieser Art mit Alkohol<br />
behandeln will, ist in der Regel, dass man, je mehr<br />
man trinkt, desto wahrscheinlicher eben wieder dem Problem<br />
begegnet. Und was sag ich: bei jedem weiteren Toilettgang<br />
gebar der Konrad tausend neue schwarze Punkte. Da<br />
half auch kein flaches Klatschen auf die Stirn oder intensives<br />
Studium der Scheuermilch-Ingredienzen – früher oder<br />
später krabbelte es überall im sanitären Weiß von schwarzen<br />
Viechern auf acht Beinchen.<br />
Nachdem es auch am Folgetag nicht anders war – statt wie<br />
sonst im Stehen, probierte es Konrad dieses Mal im Sitzen,<br />
weil er sich dachte, dass es dadurch vielleicht anders wäre,<br />
mit dem Resultat, dass er schleunigst unter die Dusche<br />
springen musste, weil sie, anstatt auf den Fliesen, dann auf<br />
seinem Rücken rannten – nahm Konrad sich vor, sich mit<br />
den kleinen Gfrastern zu arrangieren, sich mit der neuen Situation<br />
abzufinden und fortan keine Hirngespinste mehr zu<br />
fürchten. Das ging auch solange gut, wie die Tierchen nicht<br />
den gleichen Plan gefasst hatten. Mit einem Tage nämlich<br />
hörten sie auf, den großen Mann mit Schwanz in der Hand<br />
zu flüchten. Mit einem Tage hatten sie sich ihre Ängste abgewöhnt<br />
– und Konnie offenbar als Herrchen akzeptiert.<br />
Von da an war er keinen Augenblick mehr solo in seinem<br />
Leben. Wohin er auch ging, was er auch tat, wen er auch<br />
traf und mit wem er auch reden mochte – im Gefolge hatte<br />
er jetzt stets millionenfach Begleitung wie ein schier grenzenloses<br />
Rudel treuer Hunde. Konrad googelte „Psychotherapie<br />
Wien“ und ließ sich vom Psychosozialen Dienst zwei<br />
Adressen geben.<br />
Als sich der Kalender endlich entschlossen hatte, das richtige<br />
Datum anzuzeigen, betrat Konrad zum ersten Mal das<br />
sporadische Büro des Seelendoktors und nahm Platz. Gut,<br />
dass der nicht viele Möbel hat, dachte Konrad, sonst müssten<br />
wir unser Gespräch wohl draußen führen. Man muss<br />
erklären, dass dem Konrad mittlerweile eine hüfthohe und<br />
einige Meter lange Welle schwarzer Punkte folgte. Und<br />
hielt er abrupt an, so wie jetzt, wo er sich in den geschmeidigen<br />
Ohrensessel warf, der für Patienten bereit gestellt<br />
war, schwappte die schwarze Masse in ihrer Trägheit dem<br />
Konrad ins Gesicht.<br />
Er wolle zwar keine voreilige Diagnose stellen, aber er<br />
habe mit derlei Tierchen vorher schon Kontakt gehabt,<br />
meinte der Herr Doktor. Gedanken und Gefühle seien diese<br />
schwarzen Punkte, meist Schuldgefühle und Zukunftssorgen,<br />
Zweifel, Ängste, Unsicherheiten, die man immer<br />
wieder hinunterschluckt und zu vergessen sucht. Das rächt<br />
sich halt, ergänzte der Arzt, und schrieb ein schnelles Rezept.<br />
Das sollte helfen, damit sie kurzfristig besser mit der<br />
Situation zurecht kommen, auf lange Frist werden wir uns<br />
jedoch ausführlich mit den Inhalten Ihrer Kameraden auseinandersetzen<br />
müssen – uns jeden einzeln unter die Lupe<br />
hieven, jeden einzeln sezieren und katalogisieren, um die<br />
Fauna Ihres Unbewussten künftig besser zu verstehen.<br />
Man nickte eifrig und bedankte sich auch bei diesem Spezialisten,<br />
ging nach Hause und schenkte sich ein Gläschen<br />
ein. Gesprächstherapie, ließ es sich der Konrad auf der<br />
Zunge zergehen. Als er wieder pissen ging, ertrank er in<br />
Stracciatella.
DAS FRESSEN NIMMT KEIN ENDE<br />
OHNE SCHRECKEN SCHLINGEN SCHLUNDE<br />
REISSEN ZÄHNEWEISE FLEISCH<br />
AUS WEISSEN WUNDEN STELLEN<br />
STEHLEN STÄLLEWEISE WUNDER<br />
WIRKEN RECHTENS IM VERWIRKEN<br />
WIRKLICH GUTER<br />
MASSEN WINKEN BLIND DEN GROSSEN<br />
VERBRECHEN ALLERORTEN UND<br />
WEHENDE FAHNEN FILTERN BLUT<br />
VON MONSTREN ZUM VERZEHR<br />
GEDACHT ALS ZOLL FÜR FALSCHES<br />
RECHT UND ORDNUNG WIEGEN<br />
SCHWERE LÜGNER WIE AUF WOLKENWEISE<br />
RUSS AM HORIZONT<br />
DA SCHEINT DIE SONNE<br />
LÄNGST VERDUNKELT<br />
UND BESCHÄMT BEKREUZIGT<br />
SICH DER TAG DANACH<br />
DER DEKADENLANG<br />
GESTUNDET WORDEN WAR.<br />
VERSCHLINGEN<br />
UND<br />
VERGESSEN
ND UND UND UND UND UND UND UN<br />
UND UND UND UND UND UND UND<br />
ND UND UND UND UND UND UND UN<br />
UND UND UND UND UND UND UND<br />
ND UND UND UND UND UND UND UN<br />
UND UND UND UND UND<br />
D UND UND UND UND UND<br />
UND UND UND UND UND<br />
Und plötzlich geht alles ganz schnell<br />
Und rasend überschlagen sich Namen<br />
Und Farben und Bilder vom Leben<br />
Blenden uns bisher Blinde<br />
Und zeigen im Kleinsten die größten Gefühle<br />
Und alles explodiert in die Zukunft<br />
Und plötzlich ist alles vorbei.<br />
ND UND UND UND UND UND UND UN<br />
UND UND UND UND UND UND UND<br />
ND UND UND UND UND UND UND UN
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
Hochkomplexem Geschwafel<br />
RAUSCH<br />
Gestern<br />
RAUSCH<br />
Vielfach Neunhundert<br />
Konvex und Konkav<br />
Tom du bist Ekel<br />
Gelegentlich kam eine Schaufensterpuppe an einem<br />
Peter bist brav<br />
Schaufenster vorbei, dachte an die Tage der Sklaverei, machte<br />
böse Mine zum guten Spiel und fragte sich, warum sie<br />
Bekleidet am Meer<br />
Mit Zungen und Leinen<br />
trotz Freiheit gelegentlich in nostalgischen Sehnsüchten<br />
Schielt die Nacht daher.<br />
versinkt, hat schließlich einige Gliedmaßen und Löcher im Alles eins. Vielfach Neunhundert. Alles keins. Die Seele rudert.<br />
Hier kommt das jüngste Gericht, schlägt den Gläubigen<br />
Kopf gekostet, ehe meine Vorfahr’n meine Freiheit ausverhandelt<br />
hatten, da sollt‘ ich mich doch freuen – ja, wenn ins ... in die Fresse – wo ist nun euer Himmel, wo euer Lohn?<br />
da das gottverdammte Paradox des freien Willens nicht Nichts als Enttäuschung macht sich breit unter den Freunden<br />
der Sitte; hier gibt es nichts zu sehen, Augen nutzlos,<br />
wäre – zu viele Möglichkeiten machen kirre im Kopf, im<br />
Schlimmstfall fesseln sie bis zur Untätigkeit, bis man sich Ohren taub, die Zunge rein zur Deko, machen wir uns mal<br />
aus lauter Hilflosigkeit im Kampf um die Entscheidung in bloß nichts vor, hier ist das Nichts zu Hause, und ohne anzuklopfen<br />
sind wir eingestürmt, auf Gutdünken, auf Hollad-<br />
Phötushaltung unters Bett legt und wartet, bis alles vorüber<br />
ist. Schon schlimm, schon schlimm, schon schlimm diese ri-Oh, der Wächter kommt, leuchtet in unsre blinden Gesichter,<br />
fragt unsere tauben Ohren, was wir hier zu suchen hätten,<br />
Freiheiten, aber Gefangensein ist ja auch nicht das Wahre,<br />
ist ja auch oasch, macht auch keinen Sinn, aber ein bisschen wir machen einen Knicks, wissen nicht, was sonst, und biegen<br />
die Kurve, verstauben uns nach dahin, wo wir glauben,<br />
leichter ist das schon irgendwie, darf man ja eigentlich gar<br />
nicht sagen und muss man schon differenziert betrachten, unfassbar zu sein, stoßen uns den Kopf mit unsren blinden<br />
kommt auch auf den Halter an, wie der dich da behandelt – Augen, an Dingen, die wir nie verstehen werden, brechen<br />
am Ende waren sich die Philosophen einig, dass von hohlen uns Nasen, Wangen, Zähne an der mathematischen Unbekannten.<br />
Vielfach ist es ein Segen, neunhundert zu kennen,<br />
Leuten recht wenig zu erwarten sei, und man Nonsense auch<br />
als solchen abtun kann, wenn die grade wieder mal aus der stressig aber, so viel Zeit hat doch keiner. Mit Pauken und<br />
Heute und der Österreich und der NEWS ins echte Leben Trompeten verprügeln Pauker Tom und Peter, zeigen ihnen<br />
aufschauen und die Pappm aufreißen, dass die Ohren grade die Geometrie des Schmerzes, so fühlt konvex, so konkav<br />
nicht aus den Angeln fliegen. Mit Pauken und Trompeten sich an, macht euch mal nichts vor, alles ist eins und nichts<br />
Pauken Tom und Peter ist aus Zungen und Leinen. Heut noch stürzt die Hochburg,<br />
Geometrie brennende Leichen stürzen brennend in Teiche, sinken runter<br />
Neunzehn Ecken zu den Perlen, vorbei an der toten alten Frau, deren Versuch<br />
Eine Grade missglückt ward. Ein Apfel ist aufgespießt auf einer langen<br />
Längen- und auch Breiten- Lanze, spitz, geschärft und blutrot lockt er mit zuckersüßem<br />
Hunderte Seiten mit Nektar, Göttern gleich, Göttern zum Schlürfen, inmitten von<br />
Luft und Kohlenmonoxid blickt er unschuldig, genau wissend<br />
jedoch, dass er gesuchter Straftäter in Huxtebude ist, dass die<br />
Gestapo und die UNO und die CIA nach ihm fahnden, und die<br />
Interpol und die Kripo und eigentlich alle, denen von Rechts<br />
wegen die Staatsgewalt in die vertrauenswürdigen Hände gelegt<br />
worden war; jaja, die gemeingefährlichen Äpfel sind mit<br />
die gewieftesten, wäre da nicht die Birne, die dem Apfel unter<br />
der Hand viel Geld geliehen hatte, und sich nun mächtig<br />
für den Zahlungsverzug rächt – bis zum Kernhaus drang das<br />
Wurfgeschoss, ein Spitznasenkrokodil aus Tschibuti, selbst ein<br />
gelernter Spengler, aber was soll man bei der Lage am Arbeitsmarkt?<br />
Am frühen Morgen ist das alles wieder vergessen und<br />
nie geschehen, denn aufgewacht – ja, aufgewacht! – sind die<br />
Nashörner vom Tigris, strecken sich gähnend in der Morgenluft<br />
und kneifen die Augen zu dem Blinken am Horizont – ein<br />
silberner Jeep, sechs Stockwerke lang und mit Rädern, so viel<br />
kann man als Nashorn gar nicht zählen – da sitzt doch einer<br />
drin, ein Präsident mit Platzwunde am Kopf, der Lebenssaft<br />
tröpfelt ehrgeizig über die Nase, er blickt sich laufend nervös<br />
gegen die Fahrtrichtung um, ob die Verfolger noch da sind<br />
– und ja, da reiten sie noch, hoch oben auf ihren dicken Wälzern,<br />
die Zungen draußen wie kleine Kinder, freuen sich ob<br />
des Versteckspiels mit tödlichem Ausgang – zweihundertfünfzig<br />
Jahre später kann der Präsident den Nashörnern immer<br />
noch nicht genug für ihre Unterstützung danken; einst war er<br />
Staatsoberhaupt, seit dem Zwischenfall ist er dankbarer Diener<br />
unter König Urban III., er ist ein gütiger König, gütiger als<br />
sein Vater, der dem Volk noch das Korn aus dem Mund stahl,<br />
um es in seinem großen Rucksack für schlechte Zeiten zu bewahren<br />
– ja, dieser war netter, auch adretter, ein Schwarm bei<br />
den Weibchen und nicht unterzukriegen – so einem macht<br />
man gerne die Verbeugung, auch wenn eigentlich in Schweden<br />
die Schwester auf ein Lebenszeichen warten würde. Ein<br />
Brief traf ein, kein Stempel drauf, bloß ein Datum, komisch,<br />
so schnell war die Post noch nie – aber so dicke Schenkel wie<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAU4CH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH TEIL 3<br />
RAUSCH<br />
der neue Briefträger hatte auch noch keiner vor ihm – was<br />
drin steht, fragt ihr Mann, nichts besonderes, antwortete sie,<br />
ist ein Sonderangebot von einem Süßwarentandler in der<br />
Mongolei, hat Zuckerstangen im Angebot, wachsen wie wild<br />
da unten, jetzt ist Abverkauf, alles soll raus, schließlich muss<br />
irgendwo das neue Olympia-Stadion hin; von dem hat man<br />
schon in der Zeitung gelesen – 40 Milliarden in europäischer<br />
Währung soll es kosten, wobei man jetzt schon weiß, dass<br />
die Hälfte in korrupten Schmierhänden landen wird; bei der<br />
Eröffnung dann großes Feuerwerk, eine geheuchelte Rede<br />
von Menschenrechten und internationalen Beziehungen, ein<br />
paar Medaillen, dann Krieg – genug gute PR für 14 Tage, jetzt<br />
kann man sich wieder ein wenig gegen die Regeln aufspielen,<br />
kann einem sowieso niemand was, sollen sie doch alle in ihre<br />
Löcher kriechen und hoffen, dass sie meine Wut nicht trifft.<br />
Gleiten, wo der Wind hinbläst<br />
Treiben, wo die Strömung fließt<br />
Fahren, wo die Gleise liegen<br />
Gehen, wo der Weg entsteht<br />
Sehen, wo der Schatten wächst<br />
Hören, wo die Stille herrscht<br />
Bluten, wo die Kugeln fliegen<br />
Sterben, wo die Kriege enden<br />
Beten, wo der Glaube fehlt<br />
Knien, wo die Füße fehlen<br />
Essen, wo der Hunger herrscht<br />
Lesen, wo die Worte schweigen<br />
Lieben, wo der Hass regiert<br />
Fühlen, wo die Haut erblasst<br />
Schmecken, wo der Kiefer sperrt<br />
Atmen, wo die Luft weg bleibt<br />
Ruhen, wo das Fallen ist<br />
Brechen, wo der Riss entsteht<br />
Machen, wo nichts zu machen ist.
<strong>dräum</strong> – ein periodikum<br />
Medieninhaber, Verleger, Herausgeber und Redaktion: Andreas Leonhard Hilzensauer<br />
Ausgabe 1 | Erscheinungsdatum: März <strong>2015</strong> | 1. Auflage | Auflagenhöhe: 10 Stück | Erscheinungsart: quartalsweise<br />
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