dräum | ausgabe 3 | 09/2015
dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer
dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer
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MISSTRAUEN<br />
Weit hinten hinterm Licht<br />
da sitzt der Mensch und feilt<br />
an Plänen für den Notfall,<br />
an Träumen für den Bestfall,<br />
an Waffen für den Ernstfall.<br />
Stillschweigend stählt er Ellen,<br />
Zieht Zungen über Riemen,<br />
Bohrt an seiner Nasenlänge Vorsprung,<br />
Trainiert versteckt und ohne Pause<br />
In den Kammern ohne Türen,<br />
Um beim ersten Wink des Schicksals<br />
Dir das Kreuz ins G'nack zu hauen<br />
Und dein Lieb' und auch dein Teuer<br />
Sich einfach als Geschenk zu nehmen.<br />
Der Lauf der Dinge zeigt nun mal:<br />
In den Hallen dieser Welt<br />
Spinnt Niedertracht die schönsten Kleider,<br />
Baut Hinterlist die höchsten Häuser,<br />
Backt Bosheit noch die größten Laiber.<br />
Und so prangt in Riesenlettern<br />
Auf der Stirn von jedem Mensch:<br />
GLAUBE MIR, ICH MISSTRAUE DIR,<br />
WIE DU AUCH MIR MISSTRAUEN SOLLTEST.
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
Im ungebremsten Rausch der Worte taumelt‘s<br />
RAUSCH<br />
durch das Unbekannte, bricht mit jedem Punkt ein<br />
RAUSCH<br />
neues Bild vom Schädel auf das Blatt und sucht im<br />
trüben Geistesnebel bisher ungeahnte Kreaturen.<br />
Grüne Tabletts<br />
unverwandelte Frosch seine Runden dreht, der blickt ungläubig<br />
in die ausgekotzte Menge, denkt, es ist Weihnach-<br />
Essen Tabletten<br />
Zum Vergessen<br />
ten, und verschlingt gierig die Geschenke, von außen sieht<br />
Dass Gläser ihre Herren<br />
ein Außenstehender das Schauspiel, beschließt, einen Film<br />
Tropfen immer Bier<br />
davon zu machen, holt die Kamera und das Team und castet<br />
Cola Wein und Saft<br />
schöne Frauen, die die Rolle der Bakterien zu spielen hätten,<br />
wäre da bloß nicht der anfangs so begeisterte Investor<br />
Dann die Teller<br />
Schwer und stinken<br />
abgesprungen, Sorry, die Zukunft steckt in Gummibändern,<br />
Lassen Knödel kullern<br />
die einen da für gute Zwecke, wo Sportler ihr Gesicht hinhalten<br />
und sagen, das kleine Ding symbolisiere das und das,<br />
Mittel zum Zweck<br />
Lastenträger<br />
ganz wichtige Themen immer, von Kinderkrebs und Erwachsenenkrebs<br />
bis hin zum Hunger dieser Welt, ja, da steckt<br />
Nie begehrt, nur beladen<br />
Protest im Spüler<br />
das Geld drin heutzutage, Dokus schaut doch keine Sau,<br />
Schnell erstickt<br />
außer welche über Schweine, die sind wieder voll in Mode,<br />
Staatsstreich<br />
die Leute wollen doch sehen, was ihre Schnitzel so durchmachen,<br />
ehe sie sie mit anfänglich schlechtem Gewissen<br />
Misslingt<br />
Tabletts bleiben eben bloß<br />
dann doch ihrem Hunger zum Opfer machen, schmecken<br />
Tabletts<br />
halt einfach, und Sachen kann man aus denen machen,<br />
glaubt man ja kaum, vom Schnäuzchen bis zum Schwänzelchen<br />
ist alles gut für irgendwas, die Kaiserteile fressen wir,<br />
An der Kreuzung steht ein Proll mit Manta und sagt<br />
sein Mantra, hinten sitzt der Yogi, macht Yoga, zeigt dem Yeti, die andern Teile schicken wir den Afrikanern, da sparen wir<br />
wie Jäten geht, der macht sich zum Affen, genauer: zum uns nicht nur die Entsorgungskosten, glaub es oder glaub es<br />
Menschenaffen, doch im Ausweis steht: Legende – das Grün nicht, wir machen sogar Gewinn damit – und ruinieren ganz<br />
prescht los und nimmt die Kurve wie ein alter Profi, der sitzt auf nebenbei, der europäischen Tradition entsprechend, lokale<br />
der Veranda und sieht dem Trio zu, Nostalgie zieht ein, nimmt Märkte und Gelegenheiten, sorgen also wieder mal dafür,<br />
das Zimmer im ersten Stock, stellt alle Fotos wie aufgefädelt dass die Schwarzen neger bleiben und sich niemals endlich<br />
hin, setzt sich in den Schaukelstuhl und strickt ein Joghurt, selbst erhalten könnten – so gewinnt jeder was, also wir, und<br />
die Bakterien spielen Ringel-Ringel-Reih, ein Fäkalit schummelt<br />
sich rein, da wird allen schlecht und es speit aus dem Be-<br />
fressen, also das zumindest, was man von Schweinefüßchen<br />
kurzfristig auch die anderen, hamm immerhin ordentlich zu<br />
cher, genau in einen andern rein, in dem eigentlich der noch und abgeschabten Wirbelsäuln so runterkriegt, aber wenigs-<br />
tens billig hamm’ses, da sin wir doch die reinsten Wohltäter<br />
mit reinstem Gewissen und feinstem Wohlstandsbauch, was<br />
will man mehr – aber jetzt mal was anderes, wie geht’s denn<br />
eigentlich der Uschi?, geht die noch mit dem Orthopäden?,<br />
macht die noch Gymnastik?, ich meine, ich hab die mal gesehen,<br />
in ihren engen Hosen und knappen Tops, was für ein<br />
Anblick, wenn die sich bückt, vergisst man ganz, dass man<br />
eigentlich Verpflichtungen hat, zum Beispiel in der Gewerkschaft,<br />
oder im Freibad, zweimal pro Woche Knirps-Schwimmen,<br />
da muss ich aufpassen, dass kein Kind absäuft, ist<br />
ja schlecht fürs Image, nicht jede PR ist gute PR, da muss<br />
man schon ein wenig unterscheiden; die Regierung führt<br />
Stricherllisten über die ertrunkenen Kinder in den Bädern,<br />
und je mehr da zusammen kommen, desto kleiner fällt die<br />
Förderung aus – jetzt haben’s mich eingestellt, meine Kosten<br />
amortisieren sich sozusagen wie von selbst, unser Schwimmbad,<br />
und das sage ich mit vollstem Stolz, bezieht seit Jahren<br />
die höchste Förderung des Landes, dafür streich ich mir halt<br />
dann gelegentlich ne Uhr ein, oder eine Luis Vitton – meine<br />
Frau soll ja auch was von haben, dass ich so viel arbeite, ja,<br />
schon viel, ich bin wie gerädert nach einem Tag Kinder aus<br />
dem Wasser schleppen, schwer sind die heutzutage, das<br />
glaubst du ja gar nicht, damals, in den guten alten Zeiten, da<br />
waren die Kinder so leicht, die sind am Wasser geschwommen,<br />
die konnte man übern Fußballplatz schleudern, wenn<br />
man wollen hätte, und dürr waren die, hätt’st locker fünfzig<br />
in einen Pater Noster bekommen, jaja, die guten alten Zeiten,<br />
heut gibt’s ja nicht nur keine dürren Kinder mehr, fett<br />
sind die alle, auch die Pater Noster hamm’se ausgerottet –<br />
zu gefährlich, lieber überall die immergleichen OTIS Kästen,<br />
aber man will sich ja nicht aufregen, uns geht’s ja eh gut, hab<br />
einen Fernseher, ein Auto UND ein Fahrrad, hab ne Frau und<br />
zwei Kinder, ja, auch fett, aber da kann ich nichts dafür, und<br />
einen Hobbyraum, in dem ich aus Bierdeckeln Idealbilder<br />
baue, ich kann mich nicht beschweren – Bar!, Bier!.<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH TEIL 7<br />
RAUSCH<br />
Am Strand liegt Unrat ohne Ende, rastlos taumelt<br />
der Gestrandete umher, bemerkt, die ganze Insel ist aus<br />
Unrat, Plastik, wo man hinsieht Plastik, bis zum Horizont<br />
der Augen wabert dieses Ding aus Plastik übers Meer, wieder<br />
schwimmen oder wandern?, die Antwort lag klar, das<br />
Schwimmen zehrt zu sehr, und so weit kann’s auch nicht sein;<br />
Woche um Woche strichen in die Welt, hie und da ein Kübel,<br />
in dem Regenwasser trinkbar war, da und dort ein Fisch, am<br />
Granulat verendet, sonst hauptsächlich Sonnenbrand und<br />
Einsamkeit; ein ganzer Kontinent durchquert sich nun mal<br />
nicht von selbst; dort, wo beim maßstabsgetreuen Verwandten<br />
die Hauptstadt liegt, steht doch tatsächlich ein Parlament,<br />
darin die Vertreter aller Meeresländer, verhandelnd über den<br />
Gegenschlag, die Vergeltung für die ewige Vergiftung: unser<br />
aller Welt, meine Freunde, unsre ganze Welt zu Grund gerichtet<br />
von diesen Affen, wäre es nur die schwarze Pest, die<br />
klebrige, die unser Firmament verschwärzt, ja, da würden wir<br />
schon irgendwie mit leben können, nicht wegen der Netze,<br />
die uns alle ins Verderben reißen, das ist Qual und Massenmord,<br />
jedoch in Anbetracht der Weite unserer Welt verkraftbar;<br />
aber das, werte Mitnauten, dieser Kontinent des Plastiks,<br />
ist zu viel, wir töten allesamt, nicht, weil es uns noch retten<br />
würde, sondern einfach deshalb, weil wir eh schon alle des<br />
Todes sind – dann sollen sie zumindest mit uns gehen, wir<br />
... – da bricht der Redner ab, starrt zum Eingang, blickt erbost<br />
und schreit: ein Mensch, ein Hurenkind von Mensch!, greift<br />
ihn, bringt ihn mir, heut gibt’s feinstes Grillfleisch!<br />
Das Gottesweib am einen End, der Göttermann am anderen,<br />
dazwischen stilles Schweigen und das laute Missverständnis;<br />
er betrunken, sie frustriert, zeigen gegenseitig auf die Mängel,<br />
kennen keine Eintracht, hinterrucks schleicht die Schlange,<br />
lispelt Abgründigkeiten, macht sich die Feinde zum Freund<br />
und die Freunde zu Feind’, am Ende trifft man sich in der<br />
Mitte, widerwillig, macht einen Kompromiss, dass man sich<br />
einigt, die Menschheit zu erhalten, wenn’s denn sein muss.
Man stelle sich<br />
bloss vor, die<br />
Dinge<br />
würden<br />
so schnell nass,<br />
wie sie wieder<br />
trocken<br />
werden.<br />
Man stelle sich<br />
Dinge würden<br />
wie sie wieder<br />
bloss vor, die<br />
so schnell trocken,<br />
nass werden.
Aufrechte Menschen schleppen geknickte Menschen aus Trümmern eingestürzter Firmengebäude,<br />
der Vorstand nimmt die Gelder und entschädigt sich selbst für all den Stress in letzter Zeit.<br />
Man beginnt mit den Summen andernorts ein „völlig neues“ Leben, investiert ein paar Hunderter<br />
in frisch gestrichene Fabrikshallen, organisiert gebrauchte Geräte von aufgelösten und insolventen<br />
Konkurrenten, schreibt die freien Stellen in die Obdachlosen-Blätter und spielt das ganze Spiel von vorn.<br />
F<br />
PH<br />
RMEN<br />
LOSOPHIE<br />
Verträge auf Zeit und Geringfügigkeit hat man noch aus vergangenen Zeiten, die unbezahlten<br />
Überstunden sind wie eh und je ganz klar und ungeschrieben in den Vertrag mit eingewoben – mit einer<br />
Unterschrift hier und den Initialen dort übergibt man sich ins Firmeninventar, gehört ab sofort der Arbeit<br />
und sollte dafür lieber auch ganz saftig dankbar sein. Wer hinterfragt, fliegt raus – wer besser<br />
buckelt als die Andern, bekommt bald 'nen Schritt nach oben, auf Probe versteht sich, die ersten drei Monate,<br />
dann wird man überprüfen, ob die Erfüllung der neuen Pflichten auch ein wenig mehr Gehalt verdient.<br />
Da ist man plötzlich vorn dabei und schaut den einstmals „guten Freunden“ auf die grauslig braunen Würschtlfinger,<br />
man wird gemieden, wo's nur geht, und aus Gesprächen sukzessive ausgeschlossen. Es wird ja<br />
meistens eh nur harmlos rumgelästert, aber eben nun mal über die, zu denen man jetzt schließlich zählt. Also<br />
stellt man sich zwei Etagen höher und tut, als wüsst' man, worum es geht. Hauptsächlich versteht man Wörter wie<br />
Feierabend und Wochenende, aber Karibik und Co. hat man noch nicht gelernt. Das kommt schon noch, nimmt<br />
man sich vor – und träumt davon, eines Tages auch nur noch gelegentlich aus der Sonne ins Büro zu müssen.<br />
Weg vom stinkenden Gesindel, hin zur glänzenden Elite, die – den Medien zufolge – nur durch großes<br />
Glück und unvorhersehbaren Zufall gerade nicht in der Firma anzutreffen war, als wieder einmal alles<br />
ineinander brach, als das Gefängnis mit schickem Logo als tonnenschwerer Staub Zehntausende<br />
begrub. Voll Anteilnahme nimmt man dann erneut das Geld aus den kaum zerdellten Stahltresoren, schichtet<br />
es – völlig betroffen und zerknirscht – zur Versicherung im Kofferraum und kauft sich einfach andernorts<br />
ein andres Haus und füllt es wieder neu mit andrem Inventar – schließlich muss das Geld ja arbeiten.
Recht linkisch lugt der Lügner aus dem Haus und schaut gebannt, ob der<br />
Nachbar mit der Axt schon wartet. Alles sauber, Luft ist frei, dann können wir<br />
wohl leichten Herzens hin zum Hehler schleichen und die heiß geliebte Marie<br />
einholen – so ein Dödel, glaubt der echt, ich bräuchte all den Kram, den Zucker<br />
und die Eier und das Mehl und den Griller und die Bohrmaschine und die<br />
Laserwaffe und den Hut, der spricht, und die gold'nen Barren und das Lavaschloss<br />
und den Fahrradständer, dabei plan ich nur, genügend Geld zu horten,<br />
um mir endlich Liechtenstein zu leisten. So ein Trottel, glaubt der echt, ich sei<br />
ein Zauberkünstler Schrägstrich Kindergartenkomödiant und bräuchte all den<br />
Scheiß zum Kinder-Verlustieren – am Ende nimmt sich jeder andre einen Teil von<br />
seinem Zeug und ich krieg all die Kohlen, wohn dann allein in meinem Land,<br />
aus dem ich alle andern via Bann verweis, und hohnlach’ von meinen Mauern<br />
auf den Tor, der jetzt noch eine Türe weiter wohnt. Dem seine Augen will ich<br />
sehn, wenn der bemerkt, dass ich ein Land und er keinen Griller mehr besitzt –<br />
gutgläubiger Müller!, ha!, in die falsche Welt geboren, sag ich da, wer anderen<br />
vertraut, der wird bald selbst verladen, erste Lektion von meinem Pa, der stets<br />
darauf bedacht war, gut behaart und noch besser bedacht zu sein – denn ohne<br />
Haar und ohne Dach ist man ja doch nicht mehr als bloß ein Stück von nacktem<br />
Fleisch, dargeboten an all die Bestien ringsum, die vor rund hunderttausend<br />
Jahren lernten, aus Funken Feuer zu gewinnen und darauf nackte Stücke Fleisch<br />
zu braten. Der Rost!, meine Herren, der Rost!, den hätt ich fast vergessen!, ohne<br />
den hätt wohl der Hehler blöd geschaut, die Kohlen wieder eingesteckt und mich<br />
fortgeschickt mit Lokalverbot, ein Griller ohne Rost, das gleicht ja fast einer bodenlosen<br />
Beleidigung! Nix wie auf der Hacke umgedreht und – FUCK, die AXT!
DIANA<br />
Lass uns schnell vorspulen zu einem anderen Tag im Leben<br />
des Alvin I. – er stand gerade an einem Tresen in den Anden,<br />
bestellte ein Cerveza und ging im Geiste noch einmal die<br />
gesamte Ausrüstung durch. Diana hatte Alvin mehrfach auf<br />
die Dringlichkeit der Vollständigkeit hingewiesen, denn jeder<br />
Mangel an Ausrüstung würde im Ernstfall Leben kosten. Zwei<br />
Wochen raubte ihm diese verfluchte Mahnung jetzt schon<br />
den Schlaf, aber morgen um diese Zeit würde der ganze Spuk<br />
vorüber sein. Er zerdrückte die Limette am Flaschenhals, fuhr<br />
einmal im Kreis und schob sie dann abwesend in die Flasche.<br />
Während das halbe Bier auf ex in die Kehle lief, ging er noch<br />
einmal die Ausrüstung durch. Dann stellte er die halbvolle<br />
Flasche auf den Tresen, bedeutete dem Barkeeper gleich ein<br />
zweites, und ging erneut die Ausrüstung durch. Habe ich alles,<br />
fragte er den Barkeeper, der nichts anderes zu antworten<br />
wusste als ¿Que?, winkte ihm dann aber ab und begann das<br />
nächste Bier. Habe ich alles, fragte er sich, und ging erneut<br />
die Ausrüstung durch. Jeder Mangel könnte Leben kosten,<br />
wiederholte Diana, jeder Mangel könnte Leben kosten,<br />
wiederholte Diana, jeder Mangel könnte Leben kosten,<br />
wiederholte Diana, die inzwischen ganz nah hinter Alvin<br />
stand. Jeder Mangel könnte Leben kosten, wiederholte Alvin,<br />
und ging erneut die Ausrüstung durch. Er bestellte noch ein<br />
Cerveza, por favor, und ging die Ausrüstung durch. Morgen<br />
um diese Zeit ist der ganze Spuk schon wieder vorbei, dachte<br />
er sich, jeder Mangel könnte Leben kosten, wiederholte Diana,<br />
die sich neben Alvin an die Bar gesetzt und begonnen hatte,<br />
ihn anzustarren. Jeder Mangel, jeder Mangel, jeder Mangel<br />
könnte Leben kosten, hast du gehört, jeder Mangel könnte<br />
Leben kosten, sagte Alvin zum Barkeeper – ¿Que?, blökte der<br />
und stellte noch ein Cerveza hin. Jeder Mangel könnte Leben<br />
kosten, wiederholte Diana, Ich weiß, fuhr Alvin sie an, ich weiß,<br />
dass jeder verfickte Mangel Leben kostet, aber morgen um<br />
diese Zeit ist der ganze Spuk schon wieder vorbei! Oder? Sie<br />
blieb stumm, starrte ihm unverwandt durch die Augen, jeder<br />
Mangel könnte Leben kosten, flüsterte sie, ohne die Lippen<br />
zu bewegen, ohne die Augen von ihm zu wenden, ohne zu<br />
blinzeln, ohne zu atmen. ¡Un cerveza, por favor!, schrie Alvin<br />
quer durch die Bar, beim nächsten Blick war Dianas Gesicht<br />
aufgeschunden, Kiefer gespalten, Zähne zersplittert, Zunge<br />
zerfleddert, Knochen zersprengt, aber die Augen, die Augen<br />
waren noch da, und sie klebten gnadenlos auf Alvin. Jeder<br />
Mangel, hörst du?, jeder Mangel könnte Leben kosten. Ohne<br />
Ausrüstung begann Alvin den Aufstieg.
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
Nichts zu schaffen, sie mit Tiefgang und Finesse ans Licht der<br />
RAUSCH<br />
Welt zu heben, verleben sich am Versuch und scheitern nur<br />
allzu oft, weil eben jener Weg, den man sich sucht und macht,<br />
RAUSCH<br />
im Dickicht endet ohne Ausweg, man wohnt bescheiden, isst<br />
selten, gönnt sich keinen Luxus, und verkommt verachtet von<br />
RAUSCH<br />
der Welt, während andermann sich in Safran suhlt, güld’ne<br />
RAUSCH<br />
Manschetten an maßgemachten Hemden trägt und das Trophäenweib<br />
noch ohne Rückhalt hintergeht; das Wasser ins<br />
Gesicht, du Schuft, Stück Scheiße tauf’ ich dich.<br />
In anderen Untiefen unseres Universum strandet<br />
ein Schiff voll Schwimmflügerl am Strand des Nichtschwimmerbeckens;<br />
aufgebracht und panisch plustern sich die Plas-<br />
Draußen springt ein Springball mit zwei Eutern auf dem Kopf<br />
um Aufmerksamkeit von den Lektoren, akademische Würdigung<br />
wäre wünschenswert, aber da findet sich keiner, der eine pfeifend, bis ihnen die Luft ausgeht; das ist die Gegend der<br />
tik-Passagiere auf, laufen rund und toll herum, schreien schrill<br />
Sekunde fände, sich mit dem Springball zu beschäftigen; ist spitzen Nadeljungen, vom Festland verstoßen, trollen sie sich<br />
zu banal, zu normal, zu unphänomenal, hat keine Ausbildung hier herum, fressen Scherben mit Schoko, Champignons mit<br />
und keinen tieferen Sinn, am Ende seines Lebens war all das scharfen Kanten, spielen Volleyball auf Messers Schneide,<br />
Springen umsonst, Zeitverschwendung, schien es, doch hundert<br />
Jahre später, als alle Leut das Springen lang verlernt, da nerell als ziemlich scharf; denkbar üble Gegend für Sensibel-<br />
produzieren spitzfindige Bemerkungen und zeigen sich ge-<br />
kommt der tote Hüpfer legendenhaft zurück, war Inhalt mancher<br />
Lesung, Mittelpunkt von Analysen, Biographen stritten<br />
Vielfach verfluchte Einfältigkeit, ich kenne deinen<br />
chen wie uns.<br />
sich um’s Recht, des Springballs Leben aufzuschreiben, und Wert; bist zuckersüße Labung für fehlende Begabung, bist<br />
so der Menschheit zum großen Sprung zu helfen. Händereibend,<br />
gierig, ungeduldig steht der Schirmständer in der sicht und Vernunft Verstecken spielen, spendest du gedan-<br />
heilspendende Ration für gedanklich Verhungernde; wo Ein-<br />
Ecke, schimpft in sich über das schöne Wetter, nichts zu tun, kenlose Leichtigkeit, zeigst deinem Herrn den sichern Weg,<br />
Langeweile, feucht werden wär's mal wieder. Auf der Sitzbank den einfachen, umzäunt von Schranken der leichten Narretei;<br />
zeigt der Photograph die neuesten Errungenschaften, Bilder oh du Nation der Unbedarften, du Festungsmauer gegen anstrengendes<br />
Gedankengut: wie gerne wäre ich manchertags<br />
von Kätzchen, er wird demnächst wieder ein Buch rausbringen,<br />
mit Bildern von Kätzchen, drittes Exemplar inzwischen, dein Gast, hätte mein warmes Bett in deinen Kammern, die<br />
haben ihm ein Haus mit Pool und eine Frau gebracht, dankbares<br />
Thema, diese schmusetollen Tatzenmonster; der andere doch ist das Schloss erst einmal aufgebrochen, der Weg aus<br />
hermetisch gegen allen Kummer und alle Angst versiegelt,<br />
blickt starr und fassungslos, mit Kätzchenfotos zum Millionär, deiner Obhut eingeschlagen, verbannst du gnadenlos und<br />
ein Photograph, der sich fragen sollte, was denn seine Leistung<br />
sei, da hat er junge Kätzchen, von Natur aus mit all dem nis an, laben uns an des Zweifels Busen und klauben die Bee-<br />
ohne Chance auf Widerkehr, von da an gehören wir der Wild-<br />
ausgestattet, was die Menschen lieben, und da kommt der ren vom Strauch der Verunsicherung; Glauben fällt hier draußen<br />
schwer, wo die heilige Schrift nicht gilt, wo der kosmische<br />
Tropf mit Objektiv, setzt zwanzig in den Raum und drückt die<br />
Serienaufnahme, um dann aus dreitausend Bildern ein neues<br />
Buch zu machen – Nutznießer der Niedlichkeit, mehr bist aber du bleibst ignorant und ohne Herz für die verlorenen<br />
Zufall sinnstiftend ist; lass mich ein, poltert’s an deinen Toren,<br />
du nicht; da rackern andre sich ab, suchen Ideen aus dem Kinder. Kinder, Kinder, jetzt mal ein bisschen leiser, Mittagsschlaf<br />
heißt Mittagsschlaf, weil ihr schlafen, nicht tollen sollt!,<br />
Justin, hör auf zu quatschen, Lisa-Marie, leg die Puppe weg,<br />
Jacqui, mach bitte das Buch zu, das Buch zu, das Buch zu. Im<br />
Einrichtungshaus liegt eine Leiche auf der mittelweichen Matratze,<br />
zeigt sich unzugänglich für die Beschwichtigungen des<br />
Personals, bitte nicht hier zu schlafen, dies sei schließlich nur<br />
zum Probeliegen konzipiert, da auch das Rütteln und die Ohrfeige<br />
wenig Wirkung zeigten, drohten die drei Angestellten<br />
und die beiden Lehrlinge mit Polizei; da das gesellschaftliche<br />
Reglement nach dem Besuch von Gevatter Tod aber eher<br />
nebensächlich wird, schreckt der Tote auch vor der Staatsgewalt<br />
nicht zurück; sollen sie doch kommen, mit ihren Kapperl<br />
und ihren Hundterl und ihren Wafferl, und mir meine Rechte<br />
vorlesen, mit Schweigen werde ich sie strafen; so eingestellt,<br />
zeigte sich die Leiche natürlich auch im Angesicht der Rechtewahrer<br />
uneinsichtig, ließ sich bei seinem Schläfchen nicht aus<br />
der Ruhe bringen; gut, sie lassen uns keine Wahl: Abführen,<br />
Kollegen!; am Präsidium nahm man seine Stellungnahme<br />
auf, der beauftragte Beamte war froh, dass der Herr sich nicht<br />
übermäßig gesprächig zeigte, Maschinenschreiben lag ihm<br />
nicht, also schnalzte er Kürzel und Stempel auf das recht leere<br />
Formular und wies ihm eine Zelle hinten zu, dort solle er sich<br />
mal ordentlich ausschlafen; der Vermutung folgend, dass der<br />
Gefangene nicht gut zu Fuß und vielleicht im Querschnitt<br />
eher gelähmt sei, setzte man ihn in den Rollstuhl und fuhr<br />
ihn zu der Anhörung, Mayr hieß der Untersuchungsrichter,<br />
kurz überlegte die Leiche, ob sie nach der Schreibweise fragen<br />
sollte, falls man im Nachhinein eine Beschwerde formulieren<br />
müsse, aber dann war es ihr doch zu egal; sich schuldig<br />
gemacht der Erregung öffentlichen Ärgernisses; geschlafen,<br />
wo zwar Matratzen, aber Schlafen nicht erlaubt; Zeugen über<br />
Zeugen, fast alle, die in den 20 Minuten durch die Bettenabteilung<br />
geschlendert, waren als Zeugen vorgeladen; am Ende<br />
der anderthalbstündigen Verhandlung verlas der Richter sein<br />
Urteil: Todesstrafe, denn an solch rüpelhaften Regelbrechern<br />
muss ein Exempel statuiert werden; da können Sie dann viel<br />
schlafen, das tun sie ja so gern, formulierte Hochwürden noch<br />
sarkastisch Richtung Angeklagtem; führt ihn ab, ich bin seiner<br />
arroganten Weise müde.<br />
Tausendköpfig steht die Hydra<br />
Reif gemästet für die Falle<br />
Komm her, tritt vor, du Biest,<br />
Riesenklinge schwingt herab<br />
haut links nach rechts<br />
die tausend Köpfe ab<br />
Und was da nachwächst<br />
Haut sie um<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH TEIL 8<br />
RAUSCH<br />
Liegt da mit doppelt tausend Köpfen,<br />
windet sich und quengelt<br />
ewiglich der Schwerkraft angebunden.<br />
So besiegt man,<br />
was scheinbar<br />
nicht besiegt<br />
werden kann.<br />
Berge von Sperrmüll prasseln hernieder, begraben den<br />
Umweltminister mit Schmerzen unter sich, verzeihen Sie<br />
bitte, das war nicht meine Absicht, schon gut, winkte der<br />
untersetzte Mittvierziger ab, ich habs ja kommen sehen,<br />
all die Fabrikanten sperrigen Mülls geben ja einen Scheißdreck<br />
drauf, wo ihr Unrat landet, kenn ich aus meinem<br />
Wohnhaus, setzte er fort, während er sich in die Freiheit<br />
kämpfte, da schmeißen’s alles achtlos irgendwohin, in der<br />
klaren Absicht, dass sich schon einer finden wird, endlich<br />
frei, stellte sich der Minister vor den Müll, und zahlen darf’s<br />
dann wieder ich, weil das geht ja auf die Betriebskosten,<br />
und so plauderten sie noch eine Weile gleich mit gleich,<br />
sprachen über die Verwandtschaft, ja Cousin Wohnlandschaft<br />
hat Hexenschuss, über die Gesundheit, meine Staublunge<br />
wird immer schlimmer, und auch über’s Wetter, hätt<br />
ich g’wusst, dass’ heute Sperrmüll hagelt ..., schließlich verständigte<br />
man sich, in Kontakt zu bleiben, verabschiedete<br />
sich und ging von hinnen; der Minister, kaum ums Eck,<br />
schon am Telefon: genau, Rathaus Ecke Florianigasse, bitte<br />
gleich entsorgen, aber schnell und schmerzlos.
Proletensau du scheiß proletensau du g’schissene proletensau schaust eini in dei hüsn frisst dei bier<br />
und b’stöst no a wiaschtl du wiaschtl! Oida i was ned wos rapid sei soi und lila is ma a voi wuascht und<br />
bitte putz di du grindige proletensau i hoit des ois ned aus wos du in gonzn dog dazöhst du grindige<br />
proletensau bitte geh ummi zum haashaus und schmeiß di owi du grauslige proletensau. An tschik<br />
kon i da kan gebm weil i kan mea hob und übahaupt scho ned für di du deppate proletensau und jetzt<br />
schleich di bitte und los mi mit deim asylantenhoss und deim kopfdiachischeiß und deina hocknstadn<br />
wei da de g’schissenen auslända de hockn fladan i mahn i wüad a kan eistön der nur am blech hängt<br />
und de gonze zeit am lautest'n schreit und am rechtest'n hod. Ma, du g’schissene proletensau nimm<br />
hea amoi a biachi stott am bia und du wiast segn dass dei lebm doch bis heit im groß'n und gonz'n<br />
fürn oasch g'wesn is du scheiß proletensau du g’schissene oide vaschissene proletensau du duast ma<br />
weh im aug und im kopf und im bauch und im oasch wei wenn i so was siag wie di donn wü i speibm<br />
und schrein und scheißn auf amoi du grindige proletensau mit deina grindign oidn, oida, genau so<br />
hocknstad wie du und fost no schiacha mit de schiachn zähnt und schiachn finganögi bist du deppat<br />
und de wompm von de hüsn und de hoa de göbm hoa na oida bist du deppat des is a schiache<br />
proletensau wie du du schiache proletensau i hoit eich ned aus mit eichere glitzerndn luis vuitton<br />
leiwal aus lignano und da slowakei wei dafüa sands donn guad de jugos und kanakn und de tüakn so<br />
long’s am im all-you-can-eat-scheiß die marken billig noch haun beim drähundat-euro-all-inclusivecluburlaub-scheiß<br />
in am club mit kalaschnikov-security mitten im kriegsgebiet wo ma si sche in<br />
gonzn dog de cockdäls von da poolba chek’n ko wei nua zua is ualuab a echta ualaub und donn in<br />
da fettn gscheid zum fettn büffet und de fliagn isst ma glei mid wei so sands hoid de kamötreiba<br />
de grindign. Ge, du g’schissene proletensau, host brav wos zum dazöhn daham am wiaschtlstond<br />
dass’d bombm gheat und gscheide flaktüam gsegn host beim transfer vom airport und in da wüst’n<br />
sands glegn de vareckt'n viecha und vareck’tn kinda und vareckt’n miatta – übahaupt ka kultur die<br />
islamisten do drübm – jo dahoam is’ hoit imma no am schenstn bei da hüsn und de wiaschtl und<br />
im stadion und überhaupt. Wenn do ned de gonzn kanakn de hockn fladan und de Oabatslose<br />
daschleichn und de Weiba budan wüadn, de wos si flüchtling nenan und donn in adidas und mit<br />
smartphone umadum renan und so doan ois hädn’s nix de gfrasta, bettln do um asyl und wia hom<br />
söwa nix, ge, du grindige proletensau, mit jeda hüsn wiad dei g’schrei no lauda und dei hoss no<br />
gressa und dei zuan no eaga und wenn die budl donn zua speat und du ka göd mea host wei de<br />
gonzn asylanten jo ois stöhn und füa de echtn östarreicha nix mea ürbiglossen rennst umadum<br />
duach de stod und suachst in eastbestn kanak und haustn nieda, du g’schissene proletensau, du<br />
möchtegern-buaschnschofta ohne pflichtshui-obschluss oda onstond, du mittelpunkt deines braun<br />
getünchten universums, gehst hoam, schlofst dein rausch aus, legst dei hond auf eis und pudast<br />
donn dei oide während’s söwa no in rausch ausschloft. Du g’schissene proletensau, du duast ma<br />
load, wei im endeffekt und groß’n und gonz’n is des ois jo wiakli ned dei schuid.<br />
grindige<br />
proletensau
sonsten war ihm jede Bewegung des Schwertes zu gefähr-<br />
Er zog die Klinge ganz heraus und ließ ihren Lichtschein<br />
lich. Du sollst es eines Tages bekommen, denn in dir erken-<br />
genüsslich über sein Gesicht schlendern. Schönheit, dach-<br />
ne ich die Werte, die einen Schwertwächter ausmachen, du<br />
te er, Gottheit, dachte er, Ewigkeit, dachte er, meins, dachte<br />
wirst diese wichtige Tradition fortführen, wie ich sie damals<br />
er – und grinste. Die dezent verzierte Schwertscheide klick-<br />
von meinem Urgroßonkel übertragen bekam. Nicht jeder,<br />
te leise, als Finn sie auf den Beistelltisch legte. Sein Blick<br />
musst du wissen, ist in der Lage, sein Leben diesem Schwert<br />
blieb währenddessen fest am Schwert: Schönheit. Gottheit.<br />
zu opfern, aber du bist reinen Geistes, das spüre ich. Dan-<br />
Ewigkeit. Meins. Gespannt und ein wenig erregt fasste er<br />
ke, Großvater, du hast dich geirrt und ich dich getäuscht.<br />
den umflochtenen Griff mit beiden Händen, hob mit weit<br />
Transweltenschwert, hast du schon mal gehört, wie cool<br />
aufgerissenen Augen und zusammengepressten Lippen<br />
sich das anhört? Wie sollte, ja, wie sollte jemand daneben<br />
das Schwert ganz langsam und feierlich bis zur Decke – und<br />
stehen und es nicht ausprobieren wollen? Es nicht testen<br />
ließ es nach kurzer Ehrfurchtspause durch die staubige Luft<br />
wollen? Es nicht besitzen wollen? Sag bloß, du hast es nie-<br />
des alten Arbeitszimmers schneiden. Ohne Rucken oder Wi-<br />
mals eingesetzt!? Niemals – niemals hätte ich es gewagt.<br />
derwillen durchfuhr es den Nachmittag und blieb gut zwan-<br />
Die Überlieferungen sprechen von Katastrophen biblischen<br />
zig Zentimeter über dem Boden stehen. Jetzt erst merkte<br />
Ausmaßes, die auf die Rechnung des Schwertes gehen sol-<br />
Finn, dass seine Augenlider im Reflex nach unten geklappt<br />
len, es muss verhindert werden, dass es je wieder in falsche<br />
waren, dass er sie schließen hatte müssen, weil er doch<br />
Hände gerät. Zu diesem Zweck wurde ein Eid geschworen,<br />
Angst hatte, weil er zu nervös war, das Wunder, den Mo-<br />
der seit über fünfhundert Jahren von Schwertwächter zu<br />
ment zwischen den Dimensionen tatsächlich zu sehen. Und<br />
Schwertwächter erneuert und nun auch von dir geschworen<br />
nun die Enttäuschung: Nichts war passiert.<br />
wurde. Du bist ein ehrenwertes Mitglied einer langen Linie<br />
Bereit, all das als bloß eine weitere Weihnachts-<br />
tapferer Männer. Ehrenwert, ja, genau, dass ich nicht lache.<br />
mann-Enttäuschung abzutun, ließ er seine angespannten<br />
Aber in einem Sinn ist deine Wahl zum Schwertwächter tat-<br />
Schultern sinken und öffnete die Augen. Ein totes Eich-<br />
sächlich eine große Ehre für mich: seinem eigenen Groß-<br />
hörnchen lag, sauber in der Mitte zerteilt, mitten auf dem<br />
Ich habe keine Ahnung, was dem Universum damals in<br />
mit dem möglichen Erbe zu beschäftigen. Die Schulterpols-<br />
vater von klein auf vorzumachen, ein völlig anderer zu sein,<br />
Fischrgätparkett und blutete aus den offenen Organen.<br />
den Sinn gekommen sein mag, aber als dieses Schwert<br />
ter stöhnten billig, als Finn die Arme zu dem übermächti-<br />
einen Plan zu fassen, der nur einem Zweck dient und ein Le-<br />
Eichhörnchen war dabei aber eher ein Hilfsausdruck, es war<br />
vor knapp sechshundert Jahren aus dem Feuer gehoben<br />
gen Schwert hob, nach einer kurzen Zusatzversicherung,<br />
ben voller Aufopferung, Geduld und Täuschung fordert, ja,<br />
kein Eichhörnchen, denn Eichhörnchen haben keine Hun-<br />
wurde, befand sich irgendwo zwischen seinen tausendfach<br />
dass er wirklich alleine war, hob er das Schwert von den bei-<br />
das war wohl die größte Errungenschaft in meinem Leben.<br />
dertschaft rasiermesserscharfer Revolverzähne im Maul.<br />
gefalteten Stahlschichten ein Hintertürchen durch die Di-<br />
den Wandhalterungen. Ein Katana, ein japanisches Lang-<br />
Transweltenschwert, weißt du eigentlich, wie geil? Nach-<br />
Auch purpurne Facettenaugen sind eher unüblich für die<br />
mensionen. Wir nennen es Transweltenschwert oder – für<br />
schwert, laut Großvater so alt, dass es noch Martin Luther<br />
dem ich dieses Wort zum ersten Mal gehört hatte, gab es<br />
regional ansässigen Artgenossen – und die Flüssigkeit, die<br />
meinen Geschmack ein wenig zu banal – All-Schneider, weil<br />
hätte kennen können, entstanden im Japan der streitenden<br />
kein anderes Ziel mehr in meinem Herzen, als dem Schwert<br />
langsam aus der Galle drang und die Versiegelung des<br />
man niemals weiß, wo die Klinge ankommt, wenn man sie<br />
Reiche, inmitten also von 130 Jahren grausigem Blutver-<br />
so nah wie möglich zu kommen. Heute bin ich der Erbe des<br />
Parkettbodens dampfen und brodeln ließ, zählte nicht zu<br />
schwingt. Genau deshalb darfst du es auch nicht von der<br />
gießen konkurrierender Herrscherfamilien. Trotzdem sah es<br />
Transweltenschwertes, der Zögling und Schüler des leider<br />
den Dingen, die Finn im Biologieunterricht lernen hatte<br />
Wand nehmen, es muss in Ruhe bleiben, schlimmstenfalls<br />
aus wie gestern angefertigt, ein vereinnahmendes Wesen,<br />
vor Kurzem verstorbenen Rudolph III. Ich hoffe, du musst<br />
müssen. Kurzum: noch nie hatte er von einem solchen<br />
zerbricht das All ins Chaos. Ja, dachte Finn, während er auf<br />
mit einem unhörbaren Brummen ausgestattet, das sich in<br />
von deinem jetzigen Platz das alles hier nicht mehr mit an-<br />
Eichhörnchen gehört, geschweige denn eines gesehen.<br />
das Schwert oberhalb des Kaminsimses starrte. Ja, alles gut<br />
ein Singen verwandelte, wenn man es aus seiner Scheide<br />
sehen, das wäre vermutlich die größte Hölle für dich. Finn<br />
Und jetzt soll er, oh welch Zufall, in einem verschlossenen<br />
und schön, aber du bist tot und ich habe keine Angst. Finn<br />
zog. Im Widerschein des Tageslichts blitzen Momente der<br />
ging zur anderen Seite des Salons und schloss sachte die Tür,<br />
Arbeitszimmer zufällig in dem Moment eines erwischen,<br />
blickte verstohlen durch den Raum, alle waren bei der Trau-<br />
Ewigkeit durch, hatte Großvater immer wieder geschwärmt<br />
der Lärm der Festgesellschaft – ähm, Trauergemeinschaft –<br />
wenn er zum ersten Mal sein Schwert probiert? Trans-wel-<br />
erfeier mit Kaffee und Kuchen, noch keiner wagte, sich offen<br />
– er hatte es seinem Enkel bloß ein einziges Mal gezeigt, an-<br />
sollte ihn in diesem denkwürdigen Moment nicht stören.<br />
ten-schwert, flüsterte Finn silbenweise in die Stille. Er fühlte
sich, als hätte er gerade erst in diesem Moment verstanden,<br />
Hinweis würde die Zahl der Menschen wachsen, die sich<br />
verkleidung wie von einer schweren moralischen Last. Gut,<br />
Er fand es irgendwie angebracht, Aufwärmübungen<br />
was man unter diesem Namen zu verstehen hätte. Ohne<br />
dieser Macht bedienen möchten, je mehr man schreibt,<br />
dann wollen wir: lasset Projekt Scheide (hihi) beginnen,<br />
zu machen, weshalb er mehrmals die Schultern hoch<br />
Zögern oder Ehrfurchtspause zog Finn das Schwert erneut<br />
desto mehr Feinde schafft man sich. Und die mündliche<br />
dachte Finn wie schon damals mit elfeinhalb Jahren, und<br />
zog und fallen ließ, auf den Ballen tänzelte und drei<br />
durch den Raum und tappte einen Schritt zurück, als ein gi-<br />
Überlieferung – den edlen Geist meiner Vorfahren respekt-<br />
sammelte alle Behutsamkeit auf, die er hatte, um in der<br />
Mal im Kreis joggte – dann atmete er stoßweise aus und<br />
gantisches, kreisrundes Bündel elektronischer Schaltkreise<br />
voll tadelnd – stinkt teilweise von Aberglauben und legen-<br />
Geschwindigkeit einer abrauchenden Zigarre die Klinge<br />
ließ seinen Nacken knacken. Gut, sagte Finn. Er holte den<br />
und Kabel und Platinen aus dem Nichts erschien, dessen<br />
denhaften Abziehbildern, allerdings besagen die neueren<br />
zurück in ihr mit Samt staffiertes Zuhause zu verfrachten.<br />
Rucksack, aus dem das Brummen des Schwertes fast zu hö-<br />
oberes Drittel unter Funken schräg vom Korpus glitt, als das<br />
Erzählungen, dass der Weg des Schwertes oft sehr scharf<br />
Bis er damit fertig war, hatte er gefühlt den ganzen Schweiß<br />
rem war, und stellte sich in den Dunstkreis eines Oberlichts,<br />
blitzende Bündel auf den Boden knallte. Dann verloschen<br />
an der Wissenschaftsgeschichtsschreibung entlang verlief,<br />
vom Rest seines Lebens ausgeschwitzt – und sich zwischen-<br />
in dessen Lichtstrahl die Schwebeteilchen blitzten und<br />
die Lichter und es wurde wieder still im Raum. Erst jetzt wur-<br />
vor allem an der theoretischen Physik. Ich persönlich kenne<br />
zeitlich öfter mal einer Ohnmacht nahe gewähnt. Der Weg<br />
tanzten. Der Gesang des Schwertes würde Finn für immer<br />
de Finn bewusst, welchen Krach er gemacht haben muss<br />
mich zwar leider viel zu wenig damit aus, aber ich habe von<br />
weg von der Trauergemeinde war leicht. Man musste nur<br />
in den Ohren kitzeln, so viel wusste er schon jetzt, wo er es<br />
und dass er aufhören müsse, ehe die Verwandtschaft nach<br />
Quarks gehört und von Strings und von Parallelwelten, all<br />
unter bittersten Tränen und tiefster Verzweiflung aufmerk-<br />
erst zum dritten Mal in seinem Leben nackt sah. Ich liebe<br />
dem Rechten sehen käme. Er beschloss, das Schwert weg<br />
diese Gedanken liefen scharf im Umkreis der Schwertwäch-<br />
samkeitsstark und mit großer Reichweite klar machen, dass<br />
dich, ging es ihm durch den Kopf, Schönheit, dachte er,<br />
zu packen und sich einen abgeschiedeneren Ort zu suchen;<br />
ter und offenbar nahm es der eine oder andere mit dem Ge-<br />
man "das alles nicht aushielte" und "möglichst schnell hier<br />
Gottheit, dachte er, Ewigkeit, dachte er, meins, dachte er<br />
als er sich nach der Scheide umdrehen wollte, zerteilte die<br />
heimhalten nicht so genau. Es geht auch die Legende, dass<br />
raus müsse". Der schwarze Sportrucksack war sowieso stän-<br />
– und grinste wieder. Er schloss die Augen, richtete seinen<br />
Klinge aus Versehen das All und holte aus einer fremden<br />
es irgendwo in Zürich eine alte Handschrift aus Belgien ge-<br />
diger Begleiter, den bemerkte also niemand.<br />
Körper in Hochachtung auf und schob die Hacken zusam-<br />
Welt ein tiefschwarzes Flügelwesen von 20 Zentimetern<br />
ben soll, das ist bis dato allerdings unbestätigt. Fest steht,<br />
Einen ganzen Nachmittag in einem Cafe brauch-<br />
men. Er hob die Klinge ganz langsam, Rückseite voran, zur<br />
Länge, das – nur halb zerteilt – am Schwert hing und zisch-<br />
dass das Schwert für die Welt nur im Dunklen existiert – und<br />
te Finn, um sich die weitere Vorgehensweise zu überlegen.<br />
Nase – und roch daran. Die Ewigkeit, flüsterte sein Groß-<br />
te und flatterte und einem ganz offen und ohne Rückhalt<br />
das sollte nach Möglichkeit auch so bleiben. Betrachte ab<br />
Im südwestlichen Vorort gab es eine leer stehende Lager-<br />
vater durch die Aufregung, dann ließ Finn es geschehen.<br />
die Feindschaft entgegenwarf. Finn ließ die Klinge fallen,<br />
heute dein Vertrauen als wichtigstes Eigentum – gibst du<br />
halle, die Firma hatte mal nachhaltige, erdölfreie und fair<br />
Diesmal versuchte er, die Augen während des Zaubers<br />
stolperte in Panik und setzte sich im Wegdrehen auf den<br />
es achtlos her, stehst du bald nackt vor Gewehren. Du Tropf,<br />
bezahlte Mehrfachsteckdosen hergestellt, die waren aber<br />
offen zu lassen, doch es schien wie beim Niesen zu sein,<br />
Arsch, seine Sneaker machten Spuren in die Wachsschicht<br />
dachte Finn. Du dummer, dummer Tropf, dachte Finn, wäh-<br />
ein wenig teurer als die billigeren Stecker und so ging man<br />
man schafft es einfach nicht. Als er die Augen voller Wiss-<br />
des Bodens, als er sich verzweifelt rückwärts weg strampeln<br />
rend er sich aufrichtete und das Chaos ermaß. Ein riesiger<br />
in die nachhaltige Insolvenz. Heute erinnern nur schmier-<br />
begierde nach einem Hundertstel wieder aufriss, lag ein<br />
wollte. Zum Glück bekam dem Wesen (das auf eine eigen-<br />
Ballen Elektronik, ein Pseudoeichhörnchen und ein bissiges<br />
ölschwarze Ränder an ehemalige Maschinen, von den De-<br />
nacktes, in vier Teile zerlegtes Paar Menschen in der Luft<br />
artige Weise Licht zu verschlingen schien) die Erdenluft<br />
Stück Nacht, Bravo, du Idiot, und nun? Er ging zur Haupttür<br />
cken hängen die Kabelhäfen für die einzelnen Workspaces,<br />
und klatschte von Schmerz und Überraschung kreischend<br />
nicht sonderlich. Es verendete, erstickte am Sauerstoff, ehe<br />
des Arbeitszimmers und spähte kurz nach draußen, dann<br />
die im riesigen Raum verteilt gewesen waren. Ein paar Jah-<br />
zu Boden. Menschen war dabei wieder nur ein Hilfsbegriff,<br />
es seinen Körper zum Angriff los reißen hatte können. Umso<br />
schloss er sie doppelt ab und holte aus dem angehängten<br />
re hatte sich ein Wachdienst um die Sicherheit hier geküm-<br />
die Farbe und die Größe wirkten menschlich, die Gliedma-<br />
mehr Luft saugte Finn. Er fraß sie geradezu, um den fahlen<br />
Toilettenraum das Zweitequipment der Putzfrau. Mit dicken<br />
mert, aber seit ein neuer Bauträger den Grund gekauft hat-<br />
ßen waren aber um vieles drahtiger, die Gesichter länglich<br />
Geschmack von Todesangst aus dem Mund zu bekommen.<br />
gelben Kunststoffhandschuhen und einer Schutzbrille be-<br />
te, war alles vorerst einmal dem Verfall preisgegeben und<br />
verzerrt, keine Ohren am Kopf und auch keine Augen, dafür<br />
Kaum war dieser abgeklungen, kam der von Dummheit<br />
waffnet, machte er sich ans Entsorgen der Kadaver – was<br />
die verkümmerten Tore standen jedem offen. Als Finn eine<br />
am Rücken faustdicke Hautblasen wie Kondenswassertrop-<br />
daher. Du dummer Junge, klang die Stimme des Großva-<br />
er mit dem halben Zentner Elektroschrott machen würde,<br />
rostige Türe an der Rückseite des Firmengebäudes nach au-<br />
fen, in denen Flüssigkeit waberte. Die zwei hatten gerade<br />
ters durch Finns Kopf, du eingebildeter, dummer, dummer<br />
diese Überlegung verschob er auf später. Er rollte die Ku-<br />
ßen riss, schlug ihm eine Suppe aus Schweißfüßen, Scheiße<br />
Sex, ging es Finn angeekelt durch den Kopf, während er ins<br />
Junge. Hätte jemand noch nie den Klang der Enttäuschung<br />
gel vorerst in das dunkelste Eck des Zimmers, stellte zwei<br />
und Verwesung entgegen, letztere stammte hoffentlich von<br />
fleischfarbene Zentrum der wachsenden Blutlache blickte.<br />
gehört, nun würde er ihn kennen. Wie zum Teufel kann das<br />
Kartons davor und hängte eine Decke darüber – das sollte<br />
verdorbenen Nahrungsmitteln oder gestorbenen Tieren. In<br />
Die zwei hatten gerade Sex, wiederholte er laut, dann riss<br />
sein? Transweltenschwert, verdammte Scheiße, wie kann<br />
momentan mal reichen. Nachdem er mit dem aggressivs-<br />
den entlegeneren Winkeln fanden sich kleinere Lager, mit<br />
er die Linke zum Mund und unterdrückte ein Würgen. Als<br />
das sein? Ich habe keine Ahnung, mein Junge. Die Schwert-<br />
ten Reiniger aus dem Kübel die schlimmsten Flecken besei-<br />
Matratze, Flaschen und Spritzen, allerorten klebte Mäuse-,<br />
er einen Schritt näher ging, um seine Neugier zu befriedi-<br />
wächter tradieren ihr Wissen über das Schwert von Genera-<br />
tigt (und mit ein wenig Lauge das ätzende Loch beruhigt)<br />
Tauben- und Menschenkacke. Perfekt, dachte Finn in der<br />
gen, schimmerten die Hautblasen im Licht, darin bewegte<br />
tion zu Generation, die Verschriftlichung der Geheimnisse<br />
hatte, schob er den Teppich über den Ort des Verbrechens<br />
größten aller Hallen, stellte vorsichtig den Rucksack ne-<br />
sich doch was, kleine Wesen, die wie in einer Art Fruchtblase<br />
ist zwar nicht direkt verboten, aber mit jedem schriftlichen<br />
(gegen die Menschheit) und befreite sich von seiner Putz-<br />
ben sich und wand sich aus der schwarzen Sommerjacke.<br />
trieben und zu gedeihen schienen. Gelegentlich zuckten die
kleinen Leiber, vermutlich, weil kein Nachschub mehr über<br />
nannte, innerhalb der Arena landen und ihm keinen Scha-<br />
ten Gegenangriff umzudrehen, spiegelte die Handgriffe<br />
war wiederum eine Tür, die wieder in einen Gang führte, an<br />
die Nabelschnüre kam, dachte Finn, und beugte seinen Ober-<br />
den antun könnte. Finn zeichnete innerlich Grundrisse,<br />
und versuchte nun, sich gegenseitig zu ersticken, sich die<br />
dessen Ende schließlich lockte ein Punkt von fahlem Licht.<br />
körper noch weiter über die Sauerei. Zwei der Blasen waren<br />
kalkulierte grobe Kosten, erwog die logistischen Aufwände<br />
Augen auszudrücken, sich durch schmerzhaftes Ohrenzie-<br />
Ein Raum mit zerbrochenem Glasdach, ringsum Blätter und<br />
im Akt kaputt gegangen. Eines der Wesen lag zerschnitten in<br />
und ging seine innere Personenkartei für mögliches Perso-<br />
hen aus dem Konzept zu bringen, schlug mit Knien und<br />
Dosen und Flecken und Fliegen. Der Obdachlose schlug,<br />
der Eingeweide-Suppe und leistete seinen Beitrag. Zwei ka-<br />
nal durch – währenddessen verendeten die Embrione, die<br />
Ellbogen in die Richtung, in der man den Feind vermutete,<br />
sofort nachdem die beiden in den Raum gestürmt gekom-<br />
putte Blasen, dachte Finn, ein kaputtes Tier, dachte Finn, doch<br />
Hautblasen wurden trübe.<br />
und knirschte ununterbrochen mit den adrenalingedopten<br />
men waren, einen Haken nach rechts und nahm eine enge<br />
noch ehe er zu dem naheliegenden Schluss gelangte, sprin-<br />
Nachdem er das Schwert wieder unter aller<br />
Zähnen. Finn gelang es, den gegenseitigen Griff aufzubre-<br />
Kurve um einen abgebrochenen Betonpfeiler, sprang über<br />
tete das kaum 8 Zentimeter messende, noch ganz weich wir-<br />
Sorgfalt verstaut hatte (er verstand nun, dass die Klinge,<br />
chen und sich von dem Mann, dessen Name er vermutlich<br />
einen umgedrehten Schreibtisch und nahm eine Bürolam-<br />
kende Wesen auf Finn zu – eine Erinnerung überschwemmte<br />
wenn man sie rückwärts bewegte, kaum die Gefahr<br />
niemals kennen würde, weg zu stoßen, damit Luft zwischen<br />
pe, die zwischen den Scherben und Trümmern lag. Noch<br />
ihn, da hatte es einen Film über einen Dinosaurier-Vergnü-<br />
kleiner Missgeschicke barg), packte er seinen Rucksack<br />
sie kam. Dann riss er seinen Rucksack von den Schultern<br />
ehe Finn es richtig begriff, hatte ihm der Schurke die Lampe<br />
gungspark gegeben, in dem dann alles schief ging und die<br />
in Richtung Heimwerkermarkt. Heute erst mal ein<br />
und zog das Schwert samt Scheide heraus, begann, damit<br />
hinters Ohr geknallt und ihn damit auf die Knie gezwun-<br />
Echsen die Menschen fraßen. Da war ein Tierchen dabei, das<br />
paar Kanister, eine Axt und eine Spitzhacke – zur<br />
wie mit einem Schlagstock nach dem stinkenden Punkt in<br />
gen. Er kippte nach vorne, griff die Schwerthülle<br />
Finn mehr Angst als der größte Tyrannosaurus Rex gemacht<br />
Sicherheit –, später würde man sich dann auch noch eine<br />
hatte – die kleine Echse, die auf zwei Beinen sprinten konnte<br />
Motorsäge zulegen, heute<br />
und als Drohung seinen Kragen aufstellte. Als<br />
Angriff spuck-<br />
mit<br />
beiden<br />
Händen (Schutzreflex), ging auf alle Viere und<br />
der Dunkelheit zu<br />
musste sich kurz sammeln. Mittlerweile realisierte der<br />
te es dem fetten Verräter schwarze<br />
würde allerdings das Notwendigste reichen. Sprich:<br />
schlagen, und brachte den anderen dazu, den Rückzug<br />
Angreifer (etwas zeitverzögert, man wird schließlich älter)<br />
Säure oder Galle oder sonst was Giftiges entgegen, woran<br />
auch gleich ein wenig Schutzkleidung, eine säureresistente<br />
anzutreten. Es war wieder Bewegung in die Konfrontation<br />
das Gelingen seiner Taktik und überlegte kurz, wie er ei-<br />
der natürlich sofort verreckte. Jepp, genau so kam das kleine<br />
Schürze und ein Plexiglas-Gesichtsschutz, Arbeitshand- und<br />
geraten, und Finn hatte dank des Zuwachses an Schlagkraft<br />
gentlich weiter verfahren wollte. Das reichte Finn, um auch<br />
Dingens auf Finn zugesprintet, der, trotz anfänglicher Per-<br />
Stahlkappenschuhe, Hochleistungsreiniger und Mop, dann<br />
und Reichweite die Oberhand erlangt. So trieb er mit sei-<br />
selbst die nächsten Schritte zu überlegen. Als der Angreifer<br />
plexheit, ausnahmsweise völlig richtig reagierte: Er zertrat<br />
noch schnell zur Tanke und Sprit auffüllen – Notiz an mich<br />
nem Stock den Angreifer vor sich her, beinahe, wie es ein<br />
zum Angriff startete, spannte Finn seinen Körper an und<br />
das kleine Vieh noch in der Blutsuppe zu Matsch. Thema<br />
selbst: Feuerzeug nicht vergessen. Und vielleicht ein paar<br />
Schlachthausangestellter mit einem Rind tun würde, wenn<br />
katapultierte sich nach rechts hinten weg, ehe der andere<br />
erledigt.<br />
Grillanzünder, falls man das Feuer werfen muss, man kann<br />
er es zur Schlachtung treiben müsste, und genoss diese<br />
zum Schlag kommen konnte. In einem umgekehrten Pur-<br />
Finn wusste nun, dass er viel zu schlecht vorberei-<br />
ja nie wissen. Finn musste leicht schmunzeln. Noch nie hat-<br />
Machtposition so richtig. Ein wenig fühlte er sich auch an<br />
zelbaum kam Finn wieder auf die Füße, sprang dem Ge-<br />
tet gewesen war. Die einzige Waffe, die er hatte, war das<br />
te diese Redensart so zugetroffen wie in seiner derzeitigen<br />
die Kinderspielereien von damals erinnert, wo man sich wie<br />
genüber mit aller Kraft entgegen, rammte ihm mit beiden<br />
Schwert, auf das er bei Gott lieber nicht setzen wollte, wenn<br />
Lage. Während das Lächeln gerade zu voller Blüte gelangte,<br />
wild durch den Garten jagte und einander auf die Schulter<br />
Händen die Breitseite der Schwertscheide ins Gesicht und<br />
es darum ging, sein Leben zu beschützen. Er bräuchte eine<br />
realisierte er plötzlich, dass er in einen Kampf geraten war.<br />
tapste, um DU BIST'S zu rufen und dann wieder in spaßiger<br />
brach ihm so das rechte Jochbein. Ohne lange weiter zu<br />
andere, zuverlässigere Waffe, außerdem Reinigungsequip-<br />
Ein fürchterlich stinkender, verkommener, dreckiger und<br />
Gruppenhysterie in die andere Richtung davon zu stürmen<br />
überlegen nutzte Finn die Energie seiner Bewegung, stell-<br />
ment und Feuer – ja, viel Feuer, schließlich wird man eini-<br />
grobschlachtiger Mensch (diesmal nur im kulturellen Sinne<br />
– nur war es halt diesmal weder Kinderspiel noch lustig,<br />
te sein rechtes Bein nach vorne und drehte seinen Körper<br />
ges so gut wie möglich vernichten müssen. Am besten wäre<br />
ein Behelfsausdruck) war aus einem dunklen Eck gesprun-<br />
sondern von echter Hysterie und echter Panik und die Tap-<br />
um die eigene Achse. Noch während der Drehung zog er<br />
auch ein Zaun, kreisrund wie eine Arena, am Rand eine Art<br />
gen und versuchte wie im Wahnsinn, Finn an die Gurgel<br />
ser waren schmerzhaft und von latenter Mordabsicht durch-<br />
das Schwert und füllte den Raum mit glänzendem Gesang.<br />
überhängendes Podest, so wie ein Sprungbrett, nur fest,<br />
zu gehen. Es entwickelte sich eine Rauferei quer durch<br />
setzt. Naja, man wird nun mal erwachsen, dachte Finn, und<br />
Kraftvoll, gezielt, gekonnt und in höchstem Maße konzen-<br />
von dem aus man das Schwert genau so schwingen kön-<br />
die dunklen Gänge, man knallte von Wand zu Wand und<br />
hetzte den Mann weiter. Es ging durch eine zerbrochene<br />
triert, trieb Finn die Klinge durch die Raumluft. Endlich,<br />
nen würde, dass das Gepäck, wie es Finn innerlich schon<br />
versuchte, den Angriff des anderen durch einen geschick-<br />
Tür, die wiederum in einen Gang mündete, an dessen Ende<br />
auf dem höchsten Gipfel der körperlichen Anspannung
und bei einem schmerzhaft hohen<br />
nen. Währenddessen wuselten die Augen des Insekts wie<br />
niemals anstreben würde) war Finns Lösungsansatz denk-<br />
nieren, ging es Finn durch den Kopf. Als er den Raum in die<br />
Pegel von Adrenalin, stauchte sich<br />
tausend Kaulquappen in einer Frühstücksschüssel. Fas-<br />
bar plumb: Er griff nach dem erstbesten Betonbrocken und<br />
gleiche Richtung verließ, tat er das diesmal nicht als Jäger,<br />
Finns Zeitwahrnehmung. Der Verband der<br />
sungs- und regungslos beobachtete Finn, wie der Körper<br />
versuchte, ihn wie einen Keil zwischen Käfer und Schwert<br />
sondern als Gejagter. Hinter ihm ein ungleich unheimli-<br />
Tausendstel schien gebrochen. Er sah den Funken-<br />
des Obdachlosen erst verstummte, dann kopfabwärts Zen-<br />
zu treiben, immer wieder schlug er dorthin, wo sich die<br />
cherer Gegner, so schnell und gelenkig, wie es die Anzahl<br />
flug an der äußersten Kante der schärfsten Schneide dieser<br />
timeter um Zentimeter verschwand. Übrig blieb ein roter<br />
Klinge mit dem Panzer verkeilt hatte, und verließ sich<br />
seiner starken Beinchen vermuten ließ. Finn versuchte, sich<br />
Welt, aller Welten, sah das Bild der Realität zu atomarer Un-<br />
Nebel, der den Boden kaum verfärbte. Als der Kehlkopf<br />
darauf, dass das Schwert so unzerstörbar war, wie es die<br />
von dem Geräusch, das der Käfer beim Laufen produzierte,<br />
schärfe zerbröseln, sah die Atome in ihren Kernen erzittern<br />
gerade verschwand, riss sich Finn aus seiner Schockstarre<br />
Überlieferung behauptete. Endlich gelang es, das Schwert<br />
nicht in den Wahnsinn treiben zu lassen, und konzentrierte<br />
und ein schwarzes Licht sich öffnen, wie eine verschorfte<br />
und richtete seine Aufmerksamkeit und seine Sorgen auf<br />
löste sich – und zwei bis drei Schläge später kippte es aus<br />
sich darauf, seine Schritte in die richtigen Richtungen und<br />
Wunde, die wieder aufbricht, wenn man die Spannung der<br />
die feststeckende Klinge. Wenn er sie nicht raus bekäme,<br />
der geschlagenen Rille zu Boden. Der Obdachlose war<br />
über herumliegenden Unrat zu steuern. Jetzt zu stolpern<br />
Haut zu weit erhöht. Er sah die Ewigkeit in Schleife laufen,<br />
dann wäre jede Bewegung des Käfers ein potentielles<br />
mittlerweile bloß noch Knöchel und Füße, man sollte sich<br />
hieße, sich selbst zum Fraß vorzuwerfen. Grob und größ-<br />
sah alles und nichts zugleich und fühlte sich von oberster<br />
Weltenende, so schnell würde sich Finn sein gerade ge-<br />
also beeilen, dachte Finn, und bemerkte gar nicht, dass die<br />
tenteils intuitiv wusste Finn noch, wo er in den Komplex<br />
Würde und minderstem Wert. Kurz zerstoben alle Realitä-<br />
fundenes Hobby nicht nehmen lassen, vorher erwählte er<br />
Klinge im Fallen die Unendlichkeit geöffnet hatte. Nur im<br />
hereingeraten war, dort würde er nach draußen stürmen<br />
ten zu einem groben Brei, ehe alles – wie ein Ball an einer<br />
lieber das gleiche Schicksal wie dieser verschwindende<br />
Augenwinkel seines Hirnes realisierte er die Anwesenheit<br />
und die rostigen Tore blockieren, damit der Käfer sicher<br />
Gummischnur – wieder zur Normalität zurückzuschnellen<br />
Fleischkloß am Boden da. Wie der Junge, der in der Legen-<br />
von einer – nun, er wusste nicht, wie er es nennen sollte<br />
verwahrt hier auf ihn warten würde, wenn er bewaffnet und<br />
begann.<br />
de das Schwert aus dem Stein gezogen hatte, das niemand<br />
– von einer Anwesenheit. Das Schwert hatte etwas in diese<br />
gefährlich wieder käme. In der Zwischenzeit könnte sich<br />
Am Ende seiner Bewegung staunte Finn nicht<br />
sonst aus dem Stein hatte ziehen können, so würde auch<br />
Welt geholt, das vom menschlichen Verstand nicht ganz<br />
das Tierchen sogar als nützlich erweisen und das Gebäude<br />
schlecht, die Klinge stak fest in einem gigantischen Chi-<br />
er in wenigen Augenblicken das Schwert aus diesem Vieh<br />
begriffen werden konnte. Man sah nichts davon, hörte es<br />
von all dem anderen potentiellen Ungeziefer befreien. Ge-<br />
nin-Panzer. Genauer: Im Rücken eines tausend- und aber-<br />
gezogen haben. Soweit die halbkindliche Zeichentrick-<br />
nicht und roch auch nichts, bloß in einem uralten Teil der<br />
nau!, da ist die große Halle, da liegen die Körper der bei-<br />
tausendbeinigen Käfertiers, dessen dunkelrot glänzender<br />
vorstellung in Finns Kopf. In Wirklichkeit stellte er seinen<br />
Wahrnehmung beschlich einen das Gefühl, eine Art Knicks<br />
den Liebhaber, jetzt bloß noch durch den Gang Richtung<br />
Panzer von scheinbar rituellen Zeichnungen übersät war,<br />
linken Fuß auf den vibrierenden Chinin-Panzer (Chinin<br />
im Raum-Zeit-Gefüge zu erkennen. Eine Sekunde später<br />
Westen, zwei Mal abbiegen und BOOM! – SCHEISSE!<br />
an einem seiner zwölf oder dreizehn pfeilspitzen Hörnern<br />
wieder Behelfsausdruck – wer weiß schon, was das für ein<br />
war auch das verstrichen. Eigenartig.<br />
Hier müsste es doch sein! Wo sind die Tore, Ihr Wichser!<br />
waren verschiedenfarbige Stofffetzen angebracht, schein-<br />
Scheiß gewesen sein mag), zog mit all seiner adoleszenten<br />
Der Käfer war fertig. Er hatte das letzte bisschen in<br />
Viel Zeit blieb nicht, nun musste man improvisieren. Finn<br />
bar zur Markierung irgendeiner Eigenart oder Zugehörig-<br />
Kraft an dem Transweltenschwert und musste feststellen,<br />
sich aufgenommen und schnupperte nun wie ein Hund,<br />
entschied sich kurzerhand für links, brach durch die verrot-<br />
keit oder dergleichen. Während Finn noch staunte und sich<br />
dass er leider zu den Idioten zählte, die das Schwert nicht<br />
der fragte, ob das schon alles gewesen sei. Im Raum gab<br />
tende Sperrholztür auf einen weiteren Gang und stürmte<br />
Gedanken zu machen begann, wie er die Klinge wieder<br />
aus dem Stein ziehen konnten. Willkommen in der Rat-<br />
es aber bloß noch eine essbare Sache, und die hob gerade<br />
diesen hinab und die Treppe, die an dessen Ende lag, hi-<br />
aus dem Tier herausbekommen würde, stand der Angreifer<br />
losigkeit, die wie ein fräsender Käfer langsam aber sicher<br />
die Schwertscheide vom Boden, warf sich zum Transwelten-<br />
nauf. Von hier gingen wieder Türen weg, mehrere kleine<br />
bass erstaunt und in Schock erstarrt vor dem gigantischen<br />
alle Hoffnung schluckte. Nein, der kreativste war Finn nicht,<br />
schwert und schob langsam die Hülle über die Klinge, um<br />
und eine große, neben der ein Schild mit OBERE GALERIE<br />
Käfer, der einen Sekundenbruchteil vor ihm in der Luft<br />
das Zeugnis hatte ihm auch schon sein Großvater ausge-<br />
es dann aufzuheben und sich schleunigst aus dem Staub<br />
hing, ZUTRITT NUR FÜR PERSONAL lautete die Warnung<br />
hing. Als die Universen sich wieder beruhigt hatten, stürzte<br />
stellt, aber handwerklich sei er geschickt, das bestätigte<br />
zu machen. Diesem Vieh hatte er momentan nichts ent-<br />
an das dahergelaufene Fußvolk, das sich widerrechtlicher-<br />
das Tier auf den Obdachlosen und schlug ihn zu Boden.<br />
damals auch der Handwerkslehrer, als er sich das kleine<br />
gegen zu setzen – und wenn er jetzt nicht fliehen würde,<br />
weise dazu berechtigt fühlte, die OBERE GALERIE trotzdem<br />
Durch den Raum hallte das Brechen des Brustkorbes, der<br />
Holzschwert besah, das innerhalb der letzten zwei Wo-<br />
dann wäre einer der nächsten wohl gleichzeitig sein letzter<br />
zu betreten, und so machte es dann schließlich auch Finn.<br />
unter den geschätzt dreihundert Kilo alle Hoffnung fahren<br />
chen geschnitten, geschnitzt und geschliffen worden war.<br />
Atemzug. Mal sehen, was dieses Tier zu einer verdammten<br />
Er schlug die Tür hinter sich zu und stemmte den Rücken<br />
ließ. Dementsprechend erstickt klang das Schreien und<br />
Irgendwann könnte ihn sein funktionelles Verständnis der<br />
Spitzhacke und einem Molotov-Cocktail sagen wird, wenn<br />
dagegen, dann bemaß er die Lage neu: er fand sich allein<br />
Flehen des armen Idioten, als sich die Fresswerkzeuge<br />
Welt sogar zu einem Ingenieursstudium qualifizieren, aber<br />
ich wieder komme, ging es Finn durch den Kopf, nichts wie<br />
und verlassen auf einer Metallkonstruktion, die in rund<br />
des Käfers in sein eingefallenes Gesicht zu fräsen began-<br />
da er ein solches noch nicht hatte (und vermutlich auch<br />
raus hier, ging es Finn durch den Kopf, schnell aufmagazi-<br />
sechs Metern Höhe an den Wänden der Werkhalle verlief.
In jedem Drittel des Raumes ging ein an Drahtseilen<br />
hängender Steg zur gegenüberliegenden Längsseite<br />
der Halle, der hinterste hing in der Hälfte zerbrochen da,<br />
den einen Teil hatte sich die Schwerkraft geholt und zu<br />
einem metallenen Chaos auf den Estrich geschmettert.<br />
Finn bekam einen schweren Metallriegel an der Tür zu<br />
fassen, er schob ihn unbeholfen und wild zitternd durch<br />
die Öse auf der anderen Hälfte, kaum eingefädelt, bogen<br />
sich die Metalltore unter wütendem Krachen nach<br />
innen und verhalfen Finn zu einem lustigen Hops von<br />
der Tür weg. Was nun?, lautete die Frage. Die richtige<br />
Antwort brachte weitere Lebenszeit, die falsche einen<br />
unangenehmen Tod. Das zweite Krachen der Türe<br />
nahm Finn als Startschuss für den einzigen Gedanken,<br />
den er fassen konnte: zu dem abgebrochenen<br />
Steg laufen, dort könnte man das Tier vielleicht in<br />
eine Falle und in den Abgrund locken. Nur den Köder,<br />
den musste man selbst geben. Als Finn die<br />
Halle halb durchquert hatte, gab die Tür plötzlich<br />
nach und der mit pastellfarbenen Zeichnungen<br />
überzogene Chinin-Panzer schob sich auf seinen<br />
tausend und abertausend Füßen herüber auf die<br />
Eisenkonstruktion, dann nahm es Fährte auf und<br />
jagte seine Hauptspeise. Immer wieder rutschten<br />
ein paar seiner dünnen Beinchen durch<br />
das metallene Fußbodengitter des Steges, das<br />
verschaffte Finn ein bisschen Extrazeit, um sich<br />
in seiner luftigen Sackgasse den weiteren Plan<br />
zu überlegen. Ein Blick nach unten offenbarte<br />
den Tod, ein Blick nach hinten offenbarte den<br />
Tod, ein Blick nach vorne offenbarte einen fehlenden<br />
Ausweg – bloß der Blick nach oben gab<br />
noch Hoffnung: ein Verteilerkabel hing gut anderthalb<br />
Meter hinter und einen halben Meter<br />
oberhalb des Stegendes von der Decke, ein beherzter<br />
Sprung sollte es möglich machen, sich<br />
daran fest zu halten und dem Monstrum zu entkommen.<br />
Diese Gedanken führte Finn zu einem<br />
Zeitpunkt zu Ende, als all das schon vollendet<br />
war: er hing an dem Verteilerkabel und baumelte<br />
gut sechseinhalb Meter oberhalb des Hallenbodens,<br />
dort wiederum zuckte der Käfer, dessen<br />
Panzer im spitzen Metall-Wirrwarr stellenweise<br />
aufgeplatzt und von kotzgrünem Gallert umgeben<br />
war. Einige der Beinchen versuchten noch,<br />
die finale Kapitulation hinaus zu zögern, aber<br />
im Großen und Ganzen starb das Tier da unten<br />
gerade. Die Erleichterung in Finn kannte kaum<br />
Grenzen, er begann, sich hin und her zu schwingen,<br />
und als er genug Schwungkraft erzeugt zu<br />
haben glaubte, ließ er los und landete auf dem<br />
noch vorhandenen Steg. Da dieser jedoch schon<br />
unter großem Stöhnen protestierte, machte sich<br />
Finn schnell davon, ohne die Kaulquappen zu<br />
bemerken, die aus den Augen des sterbenden<br />
Käfers in alle Himmelsrichtungen flüchteten.<br />
Diejenigen, die es nicht lassen konnten,<br />
flüsterte der Großvater durchs Unbewusste von<br />
Finn, diejenigen, die das Transweltenschwert<br />
besitzen, benutzen, missbrauchen mussten, erzählte<br />
der Großvater, sollen laut Überlieferung einer<br />
Sucht verfallen sein, sollen am Schwert zergangen<br />
sein. In Finns Ich übertönte unterdessen der rasende<br />
Herzschlag die tieferliegende Warnung. Finn<br />
verstand das alles nicht und schob es weg. Solche<br />
Gedanken halfen ihm jetzt nicht, er müsse zu allererst<br />
hier raus, damit er sich endlich sein Equipment<br />
besorgen könnte – so etwas wie eben sollte nämlich<br />
nicht noch einmal passieren. Nicht ohne die<br />
angemessene Ausrüstung.
Im Grundrauschen der Ohren fahren Züge in Richtungen,<br />
die man nicht versteht. Gelänge es, einem davon nachzuspüren und<br />
aufzuspringen, dann fände man Gegenden, die bisher unter blinden<br />
Flecken. Eine harte Landung später, in dunklen Gefilden, zwingt man<br />
seine Lider auf – und Licht von prometheischem Gehalt durchflutet<br />
die Düsternis, wo Verstecken ansonsten tägliches Geschäft, wo alles in<br />
die Schatten flieht und verschleppt, was nicht gefunden werden soll.<br />
Zum Dichten<br />
Willkommen ist man nicht, das merkt man rasch am Frost, der<br />
ins Gesicht schlägt ohne Gnade. Hält man aber stand, dann öffnet sich<br />
bald der Boden hin zum Unterirdischen, das in tausend Gängen in die<br />
wirre Tiefe führt. Durch Schlamm und Gallert duckt man sich, kriecht und<br />
rutscht, bis Fliehen nicht mehr möglich scheint, dann, mit Glück, Mut,<br />
Geschick und unter Todesangst, findet man sie, die Anderen, die mit bohrenden<br />
Blicken zu töten versuchen, die mit hässlichen Bildern und Fratzen<br />
nach dem Störenfried feuern, versuchen, ihn zu blenden und zu scheuchen,<br />
die Gift und Galle spucken, um den Müden endlich zu ersäufen.<br />
Doch sind sie erst selber müde vom Wimmeln und Fluchen und<br />
Fuchteln, dann wird man früher oder später Freund und sitzt beisammen<br />
bei Tee und bei Gebäck, spricht in fremden Sprachen über Dinge, die<br />
bisher niemand hören durft', die vergraben lagen in Schichten dieser Welt,<br />
die zu finden eine Sache der Dichter ist – und schon immer war. Zurück<br />
kehrt man völlig ausgemergelt, müde und erschöpft. Aber glücklich, weil<br />
um ein paar Seiten reicher.
Fürsten<br />
Fest<br />
Giftgelbe Schwälle schwüler Hitze stechen ins Herzen<br />
des gefeierten Fürsten, in seinem Bett aus Spatzenzungen<br />
wälzt er sich aus Langeweile und sucht den<br />
leichten Weg, sich frei zu machen von den Vorwürfen,<br />
die ringsum niederregnen – man sät Unterschriften<br />
unter Dokumente und verfolgt genüsslich ihre<br />
Ernte, wie in Gärten hängen da die Schimpfer und<br />
die Wahrheitssager und die Revoluzzer, zwischen<br />
den baumelnden Helden schreitet man hindurch<br />
und streicht sanft mit Fingerspitzen über tote Leiber,<br />
kichert kindlich ob der Flatulenzen, die vergeblich<br />
und zu spät zum kollektiven Rückzug blasen, einigt<br />
sich dann mit der Dienerschaft auf Herz zum Brunch<br />
und bestellt die besten Schlächter im ganzen Reich.<br />
Das ganze Fürstentum soll kommen zu dem Feste<br />
auf dem Hofe, man schwappt das Blut in die<br />
Blutrinnen und verstaut die Stricke in den Strickschatullen,<br />
gibt weiße Laken über dunkle Flecken und<br />
postiert sich an die Feststiege zum Empfang. ––– Da<br />
strömen sie ein, die Grinsekatzen und die Taktnicker<br />
und knicksen sich in Ehrfurcht, man säuselt Worte der<br />
Verehrung in die vorgeschriebenen Richtungen<br />
und atmet – vom Zoll erleichtert – auf. Ab hier beginnt<br />
der leichte Teil: Schaufeln und Schlucken und<br />
Schnattern steht auf dem Vorprogramm, im Hauptteil<br />
folgt ein Stück des größten Dichters dieser Zeit. Wie<br />
bereits am Hof der zuvor gefeierten Herren, fehlen<br />
dem hochgeadelten Schwafler auch diesmal keine<br />
hrfurchtvollen Worte, eigens für heut' ein wenig<br />
umgeschrieben und mit dem aktuellen Namen ausstaffiert.<br />
––– In Saus und Braus taumeln die sich selbst<br />
Entehrten unten ohne durch die Nacht, pimpern,<br />
pudern, penetrieren alles, was sich bückt – schniefen<br />
und schlucken und schlecken was so kommt,<br />
lallen im Gleichschritt Lobpreisungen und winken<br />
zur nächsten Phiole Schnaps. Absoluter Höhepunkt<br />
des legendären Fests sind Fontänen giftgelber<br />
Galle, die – einem römischen Brunnen gleich – aus<br />
Mündern in andre Münder sprudeln, bis alle überquellen<br />
und im Palast das Trinken ins Ertrinken<br />
mündet. Dann blickt der Fürst im Morgengrauen auf<br />
tausend Flöße kalter Leiber, die im Sumpf des zu<br />
bunten Treibens – Gesicht nach unten – reglos auf<br />
der gelben Speibe treiben.
Sie realisierte, dass nicht mehr viel Zeit blieb. Nur noch eine<br />
vor ihr, dann würde sie dran kommen. Einmal wollte sie es<br />
noch genießen, ehe der Arzt Hand anlegen würde, einmal<br />
noch. Nonchalant und so, als wäre es keine Absicht, hob sie<br />
den Finger unter die Nase und schob mit übertriebenem<br />
Ehrgeiz nach rechts, im Schädel sang das Aneinanderreiben<br />
der Bruchstellen und frisches Blut schwemmte ein genüssliches<br />
Lächeln auf ihre Lippen. Nachdem der Höhepunkt der<br />
Schmerzen abgeklungen war, nahm sie das Taschentuch<br />
von ihrer angewiderten Sitznachbarin, die zum Glück schon<br />
als Nächste aufgerufen wurde.<br />
Die Tür zum Behandlungszimmer ließ keine zehn Minuten<br />
mehr auf sich warten. In drei Anläufen wurde ihr Name verlesen<br />
– schon wieder eine neue Sprechstundenhilfe –, dann<br />
durfte sie zum Doktor. Was denn diesmal wieder sei, fragte<br />
er und lauschte den rhetorischen Antworten auf seine rhetorischen<br />
Fragen. Dann begab er sich ans Geraderichten der<br />
gebrochenen Nase. Wie viel wiegen Sie diesmal?, fragte er<br />
beiläufig, während er sich auf den Zustand der Nasenscheidewand<br />
konzentrierte. Noch zwei Kilo weniger, dann muss<br />
ich Sie zwangseinweisen, das wissen Sie. Natürlich, hörte sie<br />
sich automatisiert antworten – in der Gewissheit, dass der<br />
Herr Doktor bei ihr längst aufgegeben hatte, denn gewogen<br />
war sie schon lange nicht mehr worden. Während sie so tat,<br />
als täte das Geraderichten weh, plante sie hinter der Fassade<br />
den nächsten Ausflug.<br />
Heinz, der Grafiker, hatte schon vergangene Woche mit<br />
der Arbeit am neuen Teppich begonnen. Er hatte vor Ort<br />
die Bodenkacheln abfotografiert und perspektivisch so<br />
verzerrt, dass man von oben trotz Ausbuchtung gerade Fugenlinien<br />
sieht. Den Menschen, der sich unter<br />
dem Teppich am Fuße der Marmortreppe und<br />
im Schatten der umliegenden Prunkbauten<br />
verbarg, den erkannte man<br />
kaum noch. Perfekt, dachte<br />
sie, als sie die Treppe für ihr<br />
geheimes Hobby<br />
entdeckt hatte:<br />
Hunderte Pauschalurlauber und Sightseeingsüchtige<br />
strömen täglich über diese Treppe herab, und alle Blicke<br />
werden auf den Sehenswürdigkeiten kleben, niemand wird<br />
skeptisch innehalten, sondern mit vollem Gewicht und ohne<br />
Rückhalt auf den Teppich steigen.<br />
Eigentlich lustig, dachte sie, während sie dem Arzt beim Tippen<br />
zusah. Von all den Menschen, die schon auf sie getreten<br />
waren, hatte sie fast keiner zur Rede gestellt. Nicht die junge<br />
Frau, deren Stöckel ihr Aug zerstochen hatte, auch nicht<br />
der Fettkloß mit bayrischem Fußgeruch, der für ihr massiv<br />
zerschundenes Lächeln verantwortlich war – und erst recht<br />
nicht der hektische Fatzke, der heute Früh telefonierend auf<br />
ihre Nase gesprungen war. Die meisten stolpern, halten kurz<br />
inne und verstummen einen Moment, gehen dann aber<br />
recht schnell wieder weiter und tun, als wäre nichts gewesen.<br />
Gott sei Dank, dachte sie sich immer wieder, denn der<br />
Gedanke, irgendjemandem erklären zu müssen, warum<br />
sie das alles machte, sich rechtfertigen zu müssen, weshalb<br />
sie da läge unter einem getarnten Teppich am Fuße einer<br />
Treppe, welchen Reiz es für sie hätte, nicht zu wissen, wann<br />
der nächste Tritt käme und wohin, welcher Teil ihres Körpers<br />
in der folgenden Sekunde unter Schmerzen jammern und<br />
frohlocken würde, das alles in Worte fassen zu müssen ließ<br />
ihr einen kalten Schauder über den Rücken laufen.<br />
Das eine Mal, wo einer einen Anfall bekommen und sie wutentbrannt<br />
zur Rede gestellt hatte, sie mit erhobenen Fäusten<br />
gefragt hatte, ob sie es auf seine Versicherung abgesehen<br />
hätte, ob sie so eine wäre, die mit irgendeinem kranken<br />
Scheiß hinter dem Geld der rechtschaffenen Leut' her wäre,<br />
dem hatte sie in Panik ihren Teppich überlassen und war<br />
davon gesprungen. Heute bereut sie diese verpasste Gelegenheit,<br />
denn provoziert man nur genug, dann treten die<br />
Leute auch noch freiwillig auf einen ein.<br />
Für heute reichte sie dem Arzt die Hand zum Abschied, nicht<br />
wissend, dass zwar er sie, aber nicht sie ihn schon morgen<br />
wiedersehen würde.
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
begann er, was, wenn du dich getäuscht hast?, wie meinen?,<br />
RAUSCH<br />
na, wenn deine Enklave der Vernunft nur vermeintlich unerreichbar<br />
für den Wahnsinn ist?, wenn er längst hier angekom-<br />
RAUSCH<br />
men ist?, vielleicht in Form eines kleinen, weinenden Jungen,<br />
der die Angst vorschützt, um vom Sturm der Mahren abzu-<br />
RAUSCH<br />
lenken, hast du dir das schon einmal durch den Kopf gehen<br />
RAUSCH<br />
lassen? Es klopft an der Tür, man geht hin und macht auf, Tante<br />
Emma, Hallo!, hast du was vergessen?, in der Tat, mein Junge,<br />
ich glaub, mein Werkzeug liegt noch bei dir im Bad, welches<br />
Werkzeug?, na, Werkzeug halt, ich müsste schnell rauf und es<br />
An der Grenze zum Wahnsinn sitzt ein kleiner Junge voller holen; Oookay, ich kann’s ja holen, wie sieht’s denn aus?; Nein<br />
Tränen, ein Totengräber kommt vorbei, fragt, was los sei, Angst nein, ist schon in Ordnung, ich lauf schnell rauf und hol es mir;<br />
habe er, merkte der Kleine an, so fürchterliche Angst vor den Ach Tante, ist doch viel zu umständlich, Schuhe aufschnüren,<br />
Kreaturen da drüben, Angst musst du nicht vor den Kreaturen ausziehen, nach oben, wieder runter, Schuhe wieder an, ich<br />
haben, Angst musst du vor dem Abgrund haben, vor der Kluft, hol’s dir, warte hier, wie sieht’s denn aus?; ach was, anstrengend,<br />
Schuhe sind schon aus, siehst du?, und so alt bin ich<br />
in die hineinzufallen bloß zu leicht ist, komm, geh mit mir, dort<br />
vorne habe ich mein Haus gebaut, direkt an der Grenze, von auch nicht, dass ich die paar Treppen nicht noch schaff – so lief<br />
dort hast du einen guten Ausblick auf das dunkle Tal und die sie, doppelt Stufen nehmend, in den ersten Stock in Richtung<br />
andere Seite, ich wohne schon seit langem hier und noch hat Bad, ihr nach der Neffe stark verwundert, ständig fragend, was<br />
sich keines dieser Wesen hierher verirrt; so trocknete der Junge für Werkzeug denn; die Badezimmertür war zu, verschlossen,<br />
seinen Tränenfluss und folgte schweigend dem dürren Männlein;<br />
dort angekommen, ließen sie sich auf der Küchenbank fen kam; und da ward die Antwort schnell gefunden, welches<br />
erst der Schlosser konnt’ sie öffnen, da kein Pieps aufs Klop-<br />
bei Kakao und einem Bierchen nieder, der Totengräber zeigte Werkzeug Emma meinte: klein Joseph lag da, die Nadel noch<br />
aus dem Fenster auf die brockenhaften Wanderer, die dunklen im Arm. HullaHupp-Reifen drehen ihre Runden im verlass’nen<br />
Stelzenläufer am Horizont, das sind die sieben Süchtigen des Supermarkt; wo keiner da ist, ist man frei; am Sonntag, wenn<br />
Verführers, merkte er an, außerdem zeigte er ihm die Feuerameisen,<br />
wie sie loderten im Zwielicht, die doppelten Gesich-<br />
Lebensmittel feiern Erntedank; an der Kassa sitzt der Schnell-<br />
kein Schlüssel sperrt, da hat das Spielzeug Kirtag und die<br />
ter, die sich gegenseitig aßen, die aus dampfendem Teer geformten<br />
Kinderschaukeln, die Sandgrube der Glassplitter, das Kopfsalat wird flügge und die Zwiebeln ziehen sich aus bis auf<br />
kochtopf und pfeift im Takt der herumeilenden Nudeln, der<br />
Schloss des grauenvollen Lachens, das bis hier rüber hallte, die nackte Haut. Jetzt neu und noch besser als je zuvor – kaufen<br />
Sie in wenig kleinen Raten die Lösung all Ihrer Probleme;<br />
und so ließen sie die Augen durch die Wildnis schweifen, bis<br />
der Junge sich zurück zum Tisch wandte und den Totengräber mit dem besten aller je verkauften Produkte werden Sie nicht<br />
ansah – warum wohnst du hier?, der Aussicht wegen; hast du nur glücklicher, nein, auch ihr soziales Ansehen steigt ins Unermessliche<br />
– wer sich das entgehen lässt, hat echt nicht alle<br />
keine Angst?, anfangs, als ich auf meinen Reisen hierher gelangte,<br />
ja, da hatte ich fürchterliche Angst, Sterbensangst, aber Schüsseln im Geschirrspüler – nutzen Sie dieses einmalige<br />
die Faszination aß schnell die Furcht, und so baute ich mein Angebot und Sie erhalten beim Kauf des ersten auch ein zweites<br />
noch dazu, vollkommen kostenlos!, und weil es das beste<br />
Haus hier hin – schließlich kam die Einsicht schnell, dass die<br />
da drüben bleiben, die haben kein Interesse, ihr Reich zu verlassen;<br />
nickend blickte der Kleine in seinen Kakao, und was, aller Angebote präsentieren dürfen, gibt es – exklusiv für<br />
Produkt der Welt ist und wir Ihnen hier und heute das beste<br />
Sie<br />
und nur heute – zum geschenkten zweiten besten Produkt<br />
aller Zeiten ein drittes bestes Produkt aller Zeiten gratis dazu!,<br />
Sie erhalten also nicht nur ein bestes Produkt aller Zeiten, sondern<br />
Sie erhalten zwei beste Produkte aller Zeiten zum ersten<br />
besten Produkt aller Zeiten geschenkt dazu, vollkommen gratis<br />
und kostenlos!, alles, was Sie dafür tun müssen, ist Ihr Telefon<br />
in die Hand nehmen, sich damit den Schädel einschlagen<br />
und uns ein Video von der Aktion schicken – und wenn Sie<br />
die ganze Zeit im Video so manisch grinsen wie Mary, kriegen<br />
Sie zu den zwei geschenkten besten Produkten aller Zeiten<br />
das ultimative Bonus-Extra-Spezial-Exklusiv-Geschenk dazu:<br />
dann erhalten Sie zu ihren drei besten Produkten aller Zeiten<br />
ein weiteres bestes Produkt aller Zeiten noch gratis dazu!, wer<br />
diese Chance nicht sofort ergreift, muss ein Riesen-Hornochse<br />
sein, was meinst du Mary? Genau John, genau hier hat mich<br />
der Bastard gestern mit seiner Nudel überrascht, einfach den<br />
Mantel aufgemacht, und mir sein Dralli entgegengehalten,<br />
ekelhaft, was kann man dagegen bloß machen?, ich habe<br />
Albträume von seinem stupiden Grinsen, immer wieder presst<br />
er durch die zusammengekniffenen Zähne: mal ziehen?, mal<br />
ziehen?, mal ziehen? – hier, nimm den Pfefferspray, wenn so<br />
was noch einmal passiert, voll drauf halten, das brennt denen<br />
ein, wem sie ihre Nudel zu zeigen haben, abscheuliche Pasta-Köche!<br />
Neuerdings sperrt Müller immer doppelt zu, bei<br />
allen Nachbar ist schon eingebrochen worden, jetzt ist er ein<br />
klein wenig paranoid, lieber doppelt zusperren, bevor auch<br />
mir einer auf den Esstisch kackt. Ein Flugzeug verschwand<br />
ohne Spur vom Himmel, niemand hat es seither wieder gesehen,<br />
nicht die Flugaufsichtsbehörde, nicht die Airline und auch<br />
nicht der Flughafen, den es eigentlich ansteuern hätte sollen<br />
– 239 Menschen irgendwo über dem Atlantik verschollen und<br />
jetzt allerorten Rätselraten – tatsächlich war es ja so, dass das<br />
Flugzeug, vom Fliegen müde, nach reiflich Überlegungen beschlossen<br />
hatte, von nun an Erdmännchen zu sein und unter<br />
der Erde zu leben; und so tauchte die Schnauze unter großem<br />
Gekreisch und Stoßgebet in ein Feld und verschwand elegant<br />
wie ein Regenwurm im dunklen Erdreich – lange wird es dort<br />
aber nicht mehr bleiben, denn einerseits geht der Proviant<br />
zu Ende, 239 Menschen halten nicht allzu lange bei dieser<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
RAUSCH TEIL 9<br />
RAUSCH<br />
Körpergröße, und zweitens kommen dem Flugzeug langsam<br />
Zweifel, ob es untertage doch so kuschlig ist – und plötzlich<br />
ist die Boeing doch tatsächlich wieder am Radar – zu blöd<br />
nur, dass das Fliegen nicht wie Fahrradfahren ist, da stürzt das<br />
Ding trotz aller Übung in ein Haus und stirbt; blöde Terroristen,<br />
sagen wieder alle Leut, erst klauen sie ein Flugzeug, melden<br />
sich monatelange nicht, und dann jagen sie uns wieder so ein<br />
Haus in’d Luft – da muss man wirklich mal was dagegen unternehmen,<br />
gegen die Schufte.<br />
Im Nebel liegt ein See, darauf ein Schiff mit einem<br />
Segel, darunter ein schlangenhaftes Wesen, das Mythen<br />
prägt; im Boot der Angler, an der Angel ein Köder: Eingeweide<br />
vom jungen Kalb, mit Safran noch verfeinert, gilt doch das<br />
Ungetüm als großer Gaumen feiner Küche; das lange Warten<br />
bis zum Biss verkürzet man sich am besten durch ein Selbstgespräch,<br />
da geht es um die Inflation, die audiophilen Genüsse<br />
des aktuellsten Denon, das richtige Führen und Pflegen eines<br />
Kalenders, über das schnelle Querlesen und das ausführliche<br />
Genusslesen, die gestrigen Zickereien bei der Wahl zur Aprikosen-Königin<br />
und die eigentümlichen, neidvollen Blicke von<br />
denen, die durch die Finger schauten, da wurde von batteriebetriebenen<br />
Spitzern gesprochen, von der Waschleistung<br />
günstiger und teurer Spülmaschinentabs, vom langsamen<br />
Aussterben der Schuster und vom kommenden Revival, denn<br />
Wegwerfschuhe werden den Menschen immer mehr zuwider,<br />
die Wichtigkeit der lateinischen Sprache für die Welt, das Umstrukturieren<br />
der Garage, den Hagelschaden bei den Kolterfingers,<br />
den rätselhaften Verbleib der kleinen Anneliese, die kombinierten<br />
CO 2<br />
-Emissionen des neuen BMW im Vergleich zum<br />
neuen Mercedes und so weiter und so fort; als das Thema<br />
auf die hautfreundlichste Methode zur Haarentfernung kam,<br />
konnte das Untier sich nicht länger zurückhalten, es streckte<br />
seinen Schädel aus dem Wasser und schrie dem Angler<br />
ins Gesicht, dass das doch niemand aushielte, da bekomme<br />
man doch Migräne von dem ganzen Geschwafel, wenn er<br />
weiter so viel Scheiße reden würde, dann solle er ihm gleich<br />
das Messer in den Kopf rammen, denn länger hielte man das<br />
nicht mehr aus – also, alter Angler, pack dein Zeug und hau ab<br />
von meinem Dach, oder du bist einen Kopf kürzer!
Voll Panik stolpert man durchs Spiegelkabinett<br />
der Unzulänglichkeiten, versucht zu fliehen<br />
vor der Fratze, die tausend- und abertausendfach<br />
nach einem fragt. In Schwällen quillt das<br />
Blut aus aufgeplatzten Nasen, ausgeschlagene<br />
Zähne erinnern grob daran, wo man schon war.<br />
Im Lauf der Zeit läuft man gekonnter, drosselt’s<br />
Tempo und hält die Arme hoch zum Schutz,<br />
man zeigt sich weniger erschrocken von dem<br />
Wrack, das aus den Spiegeln grinst, im Bestfall<br />
schließt man eines Tages Freundschaft, paktiert<br />
ab dann mit diesem Wesen – und vergisst ganz<br />
plötzlich, dass man einen Ausgang sucht.
<strong>dräum</strong> – ein periodikum<br />
Medieninhaber, Verleger, Herausgeber und Redaktion: Andreas Leonhard Hilzensauer<br />
Ausgabe 3 | Erscheinungsdatum: September <strong>2015</strong> | 1. Auflage<br />
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