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173. Ausgabe, 24.01.2015

Titelthema: Sorgsam sein!

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2<br />

F R E I B U R G<br />

UND DIE WELT<br />

Samstag, 24. Januar 2015<br />

Gewinner auch ohne Dividende<br />

Kapitalerhöhung bei der Regionalwert AG. Anleger gesucht für eine stabile, soziale Wertschöpfungskette der<br />

ökologischen Ernährung in der Region. Von Barbara Breitsprecher<br />

Den Bankern galt<br />

er als Sozialromantiker,<br />

als unverbesserlicher<br />

Weltverbesserer,<br />

dabei wollte der<br />

Kaiserstühler Christian<br />

Hiß eigentlich nur eines:<br />

eine komplette Ernährungs-<br />

und Wertschöpfungskette<br />

schaffen, die<br />

sozial verträglich, ökologisch<br />

und regional ist, von<br />

der Landwirtschaft über<br />

Verarbeitungsbetriebe bis in<br />

die Bioläden oder zu den Zulieferern.<br />

Seit 2006 beweist er nun<br />

mit der Regionalwert AG und den<br />

Partnerunternehmen, dass dies tatsächlich<br />

stabil und erfolgreich möglich<br />

ist.<br />

520 Kleinanleger haben sich<br />

seitdem an der „sozialromantischen“<br />

Idee beteiligt. 2,24 Millionen Euro<br />

haben sie in die AG mit eingebracht.<br />

Der Jahresumsatz der 18 beteiligten<br />

Unternehmen beträgt 100 000 Euro.<br />

Und die Erfolgstory geht weiter. Der<br />

Regionalwert AG wurde eine Kapitalerhöhung<br />

genehmigt, die Zeichnungsfrist<br />

für neue Anleger läuft<br />

noch bis 31. Januar 2015, jede Aktie<br />

kostet 500 Euro plus fünf Prozent<br />

Agio.<br />

Aber vorsicht! Wer knallhart auf<br />

Dividenden spekuliert oder in einer<br />

solchen Aktie schon seine Altersvorsorge<br />

wittert, ist auf dem Holzweg.<br />

Bislang hat noch keiner der<br />

Anleger Geld ausgeschüttet bekommen.<br />

Dennoch fühlen sich alle als<br />

Gewinner. Denn sie haben es möglich<br />

gemacht, dass es in verschiedenen<br />

Gemeinden wieder Bioläden<br />

mit regionalem Gemüse gibt. Ihnen<br />

ist es zu verdanken, dass Existenzgründern<br />

die Chance gegeben wird,<br />

einen Biohof oder einen Zuliefererdienst<br />

beispielsweise für die Essensversorgung<br />

von Kindergärten zu<br />

gründen. Und auch der eine oder<br />

andere alte Bauer, der seine Hofnachfolge<br />

innerhalb der eigenen Familie<br />

nicht regeln konnte, hat sich<br />

Regional, ökologisch, sozial: Christian<br />

Hiß (rechts) ist Gründer und<br />

Vorstand der Regionalwert AG, zu<br />

deren Partnerunternehmen Bioläden,<br />

Landwirte, Zulieferer und<br />

verarbeitende Betriebe gehören.<br />

froh gezeigt, dass die Regionalwert<br />

AG bei der Suche nach einem<br />

Nachfolger behilflich war und den<br />

dann auch noch gleich mit ins Boot<br />

genommen und finanziell unterstützt<br />

hat.<br />

„In der Regel bekommen Existenzgründer<br />

im Bereich ökologische<br />

Ernährungswirtschaft<br />

nur schwer einen<br />

Kredit bei<br />

Banken“, weiß<br />

Regionalwert<br />

AG-Gründer<br />

und Vorstand<br />

Christian Hiß<br />

nur zu gut. Umgekehrt<br />

ist es aber<br />

eben auch so, dass ein<br />

solcher Existenzgründer in<br />

dieser Sparte drei bis fünf<br />

Jahre lang braucht, bis er überhaupt<br />

mal erste Gewinne macht.<br />

Die Regionalwert AG bietet einen<br />

eigenen Existenzgründercoach, der<br />

die Jungunternehmer berät und<br />

begleitet. Vielleicht hat auch das<br />

dazu beigetragen, dass es bislang<br />

noch nie einen Fall von Insolvenz<br />

oder Pleite bei einem der beteiligten<br />

Partnerunternehmen gab.<br />

Ein solches Partnerunternehmen<br />

ist auch die Zwergenküche GmbH<br />

in Endingen. Sie versorgt Kindergärten<br />

am Kaiserstuhl mit gesundem,<br />

regionalen und ökologisch<br />

produziertem Essen, das den Kleinen<br />

auch noch gut schmecken soll.<br />

Ein anderer Partner ist der<br />

Breitenweger Hof in Eichstetten.<br />

Das junge Paar Katharina und Philipp<br />

Goetjes, das den Milchviehstall<br />

bewirtschaftet, stellt eine große<br />

Vielfalt an Käse her. Während der<br />

Obstbauer Joel Siegel in Norsingen<br />

aus einem konventionellem Obstbaubetrieb<br />

eine ökologische Anlage<br />

geschaffen hat und seitdem Erdbeeren,<br />

Himbeeren, Stachelbeeren,<br />

Überzeugte Öko-Bauern: Joel Siegel<br />

(oben) in Norsingen einen<br />

Obsthof. Für die Umstellung auf<br />

ökologischen Umbau bekam er<br />

ebenso Unterstützung wie Philipp<br />

Goetjes (rechts) aus Eichstetten.<br />

Aprikosen, Pfirsiche und Äpfel – allesamt<br />

Bio – anpflanzt, erntet und<br />

erfolgreich verkauft.<br />

Christian Hiß, der gelernte Gärtner<br />

und Betriebswirt, der auf einem<br />

der ersten Biobauernhöfe aufgewachsen<br />

ist, hat inzwischen auch<br />

ein Buch über die Regionalwert AG<br />

geschrieben und die Idee, die dahinter<br />

steckt. „Das Buch war notwendig“,<br />

sagt er, „für die Aktionäre, die<br />

Betriebe und die Regionen“. Von<br />

letzteren gibt es inzwischen schon<br />

etliche weit entfernt vom Kaiserstuhl,<br />

die sich von der Idee der Regionalökonomie<br />

haben anstecken<br />

lassen. In Bayern und Hamburg<br />

gibt es eigenständige<br />

Regionalwert AGs,<br />

die Lizenz haben sie<br />

bei Christian Hiß<br />

erworben, von der<br />

eigens gegründeten<br />

Regionalwert<br />

Dienstleistungsberatung<br />

AG werden sie<br />

betreut.<br />

Christian Hiß wurde 2011<br />

von der Financial Times Deutschland<br />

und der Unternehmensberatung<br />

Boston Consulting Group zum „Social<br />

Entrepreneur“ ernannt, als sozialer<br />

verantwortungsvoller Unternehmer.<br />

Dafür wurde er von Angela<br />

Merkel sogar ins Kanzleramt eingeladen.<br />

„Es besteht ein reges Interesse an<br />

dem Konzept“, so Christian Hiß, auch<br />

Regionen im Rheinland, Österreich<br />

und sogar Spanien haben daran Interesse<br />

gezeigt. Die Idee, die hinter<br />

der Regionalwert AG steckt ist einfach<br />

zu bestechend: Mittels Kapitalwirtschaft<br />

soll systematisch die Verbindung<br />

zwischen Stadt und Land,<br />

Produzenten und Konsumenten,<br />

Bauern und Nichtbauern<br />

hergestellt werden. Es ist<br />

auch ein entschlossenere<br />

Akt gegen die Anonymisierung<br />

des täglichen<br />

Wettbewerbs: Die Menschen,<br />

die für die Bereitstellung<br />

der Lebensmittel<br />

arbeiten und das<br />

Lebensumfeld kultivieren,<br />

sollen wieder stärker<br />

in den Vordergrund treten.<br />

Es soll ein Angebot sein für<br />

diejenigen, die aktiv werden<br />

und Verantwortung übernehmen<br />

wollen für ihre Region<br />

und für ihr tägliches Essen, sei es<br />

als Unternehmer oder als Aktionär.<br />

Normalerweise, wenn eine Aktiengesellschaft<br />

eine Kapitalerhöhung<br />

ankündigt, kommen die<br />

Warner und sorgen sich vor einer<br />

finanziellen Schieflage.<br />

Christian Hiß bleibt da ganz<br />

gelassen. „Wir sind ja so gut<br />

wie 100 Prozent aus Eigenkapital<br />

finanziert. Da besteht<br />

kein Risiko.“ Da sich weitere<br />

Betriebe und Existenzgründer<br />

als Partnerunternehmen beworben<br />

haben, braucht die AG aber nun<br />

neues Geld – daher die Kapitalerhöhung<br />

und die Möglichkeit für weitere<br />

Kleinanleger mitzumachen. 2234<br />

neue Aktien im Gesamtwert von<br />

1 117 000 Euro werden seit Oktober<br />

ausgegeben. Christian Hiß ist mit<br />

dem Interesse, das bislang an den<br />

Aktien gezeigt wurde, zufrieden,<br />

noch sind aber Anteile zu haben.<br />

Sozialromantiker ist Christian<br />

Hiß nicht. Er hat die Regeln des Kapitalismus<br />

akzeptiert und gestaltet<br />

die Wirtschaftskreisläufe aktiv mit.<br />

Nur eben grundlegend anders und<br />

mit realistischem Idealismus.<br />

■ Regionalwert AG, Geyer-zu-<br />

Lauf-Str. 5, 79312 Emmendingen,<br />

www.regionalwert-ag.de<br />

(Der Verkauf der Aktien endet<br />

am 31. Januar 2015)

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