Vorlage Tagungshefte Abstracts - Kongress Armut und Gesundheit
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Schirmherrschaft: B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsminister Daniel Bahr | Regierender Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit<br />
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln –<br />
Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Mittwoch <strong>und</strong> Donnerstag, 6. <strong>und</strong> 7. März 2013<br />
Technische Universität Berlin, Hauptgebäude<br />
Tagungsunterlagen<br />
Kurzfassungen der Beiträge<br />
Organisatorische Hinweise
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Schirmherrschaft<br />
B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsminister Daniel Bahr<br />
Regierender Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />
das zentrale Leitmotiv des <strong>Kongress</strong> „<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ hat an Brisanz nicht verloren: die soziale<br />
Lage übt weiterhin entscheidenden Einfluss auf die Chancen der Menschen aus, ein Leben in guter<br />
Ges<strong>und</strong>heit zu führen. Aktuell verschärft die wirtschaftliche Krise die soziale Ungleichheit auch<br />
innerhalb der Industrienationen. Dies zeigt sich etwa in der steigenden Jugendarbeitslosigkeit in<br />
Europa, aber auch darin, dass die niedrigste <strong>und</strong> die höchste Lebenserwartung zwischen den EU-<br />
Staaten um 16 Jahre auseinander klafft.<br />
In Deutschland hat die Einkommensungleichheit laut einer OECD-Studie seit den 1990er Jahren stetig<br />
zugenommen. So verdienten im Jahr 2008 die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher/innen<br />
in Deutschland etwa achtmal so viel wie die untersten zehn Prozent. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sind<br />
dabei am häufigsten von <strong>Armut</strong> bedroht – ausgerechnet die Unter-Dreijährigen tragen das höchste<br />
<strong>Armut</strong>srisiko. Solche mittlerweile oft dauerhaft prekären Lebenslagen wirken sich negativ auf die<br />
Ges<strong>und</strong>heit der Betroffenen aus. Nach wie vor gilt daher: <strong>Armut</strong> macht (häufig) krank <strong>und</strong> Krankheit<br />
macht (häufig) arm.<br />
Im Rahmen des 17. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit „Prävention wirkt!“ wurde deutlich, dass<br />
Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung das Potenzial haben, auf die öffentliche Ges<strong>und</strong>heit einzuwirken<br />
<strong>und</strong> die Voraussetzungen für ein langes Leben in guter Ges<strong>und</strong>heit für die gesamte Bevölkerung zu<br />
verbessern. Noch fehlen hier systematische Vermittlungskonzepte, verglichen etwa mit dem<br />
medizinischen Bereich. Angesichts der Vielzahl an beteiligten Akteuren können Strategien der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung allerdings weder allein „Top – Down“ – von Oben nach Unten, von der<br />
europäischen Ebene zur Kommune – verankert werden, noch kann ein Wissenstransfer in Form einer<br />
Einbahnstraße aus der Theorie in die Praxis funktionieren.<br />
Mit dem 18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit möchten wir daher das Spannungsfeld zwischen Wissen<br />
<strong>und</strong> Handeln beleuchten <strong>und</strong> auf diese Weise Brücken bauen, damit erfolgsversprechende Ansätze<br />
künftig verstärkt umgesetzt werden. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt der Diskussion: Was sind<br />
Konzepte, die den Sprung in die Praxis nachhaltig geschafft haben? Welche Akteure <strong>und</strong> Formate<br />
eignen sich besonders für einen gelingenden Transfer? Wie können wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
praxisnah aufbereitet werden, <strong>und</strong> wie können zukünftig bewährte Ansätze breit in die Fläche<br />
getragen werden?<br />
Mit seiner einzigartigen Teilnehmerstruktur aus Wissenschaft, Praxis <strong>und</strong> Politik, aus Professionellen,<br />
Forscher/innen <strong>und</strong> Basisaktivist/innen bietet der <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit den geeigneten<br />
Rahmen für eine solche Diskussion: Hier diskutiert die Abgeordnete mit dem Ehrenamtlichen, der<br />
Professor mit der Krankenkassenvertreterin <strong>und</strong> die Praktikerin mit dem Studenten.<br />
Wir freuen uns auf eine anregende <strong>und</strong> spannende Diskussion mit Ihnen <strong>und</strong> laden Sie herzlich ein<br />
zum 18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit im März 2013 in Berlin!<br />
<strong>Kongress</strong>büro:<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg<br />
Friedrichstraße 231<br />
10969 Berlin<br />
Telefon: (030) 44 31 90 - 73<br />
Telefax: (030) 44 31 90 - 63<br />
kongress@ges<strong>und</strong>heitbb.de
Kurzfassung der Beiträge<br />
Der <strong>Kongress</strong> wird gemeinsam veranstaltet von<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg<br />
Zentrum Technik <strong>und</strong> Gesellschaft (ZTG) Berlin<br />
Technische Universität Berlin<br />
Der <strong>Kongress</strong> ist eine Gemeinschaftsinitiative folgender Partner:<br />
AOK-B<strong>und</strong>esverband<br />
<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in Deutschland e.V.<br />
Ärztekammer Berlin<br />
AWO B<strong>und</strong>esverband<br />
Barmer GEK<br />
Berlin School of Public Health<br />
BKK B<strong>und</strong>esverband<br />
B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (BZgA)<br />
DAK Deutsche Angestellten Krankenkasse<br />
Deutscher Caritasverband e.V.<br />
Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie e.V. (DGMS)<br />
Deutscher Olympischer Sportb<strong>und</strong><br />
Diakonie Deutschland – Evangelischer B<strong>und</strong>esverband Evangelisches Werk für Diakonie <strong>und</strong><br />
Entwicklung e.V.<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Gesellschaft (G+G)<br />
Hans-Böckler-Stiftung<br />
KKH Kaufmännische Krankenkasse<br />
IKK Brandenburg <strong>und</strong> Berlin<br />
IKK classic<br />
medico international e.V.<br />
Ministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz des Landes Brandenburg<br />
(MUGV)<br />
Nationales Zentrum Frühe Hilfen<br />
Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin e.V.<br />
Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin<br />
Techniker Krankenkasse<br />
Volkssolidarität B<strong>und</strong>esverband e.V.<br />
Volkssolidarität Landesverband Berlin e.V<br />
Wir danken für die fre<strong>und</strong>liche Unterstützung!<br />
2
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Wir danken den Koordinator/innen des <strong>Kongress</strong>es:<br />
Thomas Altgeld, Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. | Marion<br />
Amler, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Jörg Backes, Nationales Zentrum Frühe Hilfen | Susanne Bauer,<br />
Salutologen, Ges<strong>und</strong>heitsförderer aus Coburg e.V., Hochschule Coburg | Prof. Dr. Ullrich Bauer, Universität<br />
Duisburg-Essen | Katja Becker, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Prof. Dr. Uwe Bittlingmayer, Pädagogische<br />
Hochschule Freiburg | Dr. Andreas Böhm, Ministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz des Landes<br />
Brandenburg | Christa Böhme, Deutsches Institut für Urbanistik | Verena Bohn, Technische Universität Berlin |<br />
Prof. Dr. Gabriele Bolte, Universität Bremen | Dr. Gudrun Borchardt, Techniker Krankenkasse, Landesvertretung<br />
Berlin <strong>und</strong> Brandenburg | Dr. Hans-Joachim Boschek, Ges<strong>und</strong>heitsamt Ennepe-Ruhr, Schwelm | Stefan Bräunling,<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Christiane Bunge, Umweltb<strong>und</strong>esamt | Jeffrey Butler, Bezirksamt Mitte von<br />
Berlin | Manfred Dickersbach, Landeszentrum Ges<strong>und</strong>heit NRW, Bielefeld | Dr. Hans-Liudger Dienel, Zentrum<br />
Technik <strong>und</strong> Gesellschaft, Technische Universität Berlin | Prof. Dr. Marie-Luise Dierks, Medizinische Hochschule<br />
Hannover | Dr. Anja Dieterich, Diakonie Deutschland, Berlin | Dr. Nico Dragano, Universität Düsseldorf | Heike<br />
Drees, Paritätischer Landesverband Berlin | Prof. Dr. Antje Ducki, Beuth Hochschule für Technik, Berlin | Prof. Dr.<br />
Thomas Elkeles, Hochschule Neubrandenburg | Marisa Elle, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Katrin Falk,<br />
Sozialwissenschaftlerin, Berlin | Prof. Dr. Toni Faltermaier, Universität Flensburg | Anne Formella, Ges<strong>und</strong>heit<br />
Berlin-Brandenburg | Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff, Zentrum für Kinder <strong>und</strong> Jugendforschung, Evangelische<br />
Hochschule Freiburg | Prof. Dr. Raim<strong>und</strong> Geene, Hochschule Magdeburg-Stendal | Prof. Dr. Eberhard Göpel,<br />
Ges<strong>und</strong>heitsakademie | Dr. Dr. Burkhard Gusy, Freie Universität Berlin | Prof. Dr. Daphne Hahn, Hochschule<br />
Fulda | Ulrike von Haldenwang, Hebamme/Familienhebamme, Deutscher Hebammenverband | Karin Hautmann,<br />
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend <strong>und</strong> Wissenschaft Berlin | Prof. Josefine Heusinger, Institut für<br />
gerontologische Forschung e.V., Berlin | Dr. Ellis Huber, Berufsverband Deutscher Präventologen e.V., Hannover |<br />
Monika Hünert, B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung | Maren Janella, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg |<br />
Carolin Kammin, Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin, pad e.V. | Christoph Karlheim, Universität<br />
Bielefeld | Holger Kilian, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Thomas Kliche, Hochschule Magdeburg-Stendal | Rita<br />
König, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Prof. Dr. Frauke Koppelin, Hochschule Oldenburg | Dr. Joseph Kuhn,<br />
Bayerisches Landesamt für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim | Andrea Kuhn, Gesellschaft<br />
für Versicherungswissenschaft <strong>und</strong> -gestaltung e.V., Köln | Anna Kühne, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf<br />
| Prof. Dr. Susanne Kümpers, Hochschule Fulda | Janina Lahn, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Dr. Thomas<br />
Lampert, Robert Koch-Institut | Lena Lau, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Dr. Uwe Lenhardt, B<strong>und</strong>esanstalt für<br />
Arbeitsschutz <strong>und</strong> Arbeitsmedizin | Niels Löchel, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Rüdiger-Felix Lorenz, Zentrum<br />
für Ges<strong>und</strong>heitsförderung/Psychologische Praxis, Hannover | Helene Luig-Arlt, B<strong>und</strong>esverband Deutscher West-<br />
Ost-Gesellschaften e.V. | Daniela Manke, Netzwerk AlternsfoRschung , Heidelberg | Elke Mattern, Hochschule für<br />
Ges<strong>und</strong>heit, Bochum | Dr. Rüdiger Meierjürgen, Barmer GEK, Wuppertal | Prof. Dr. Gerhard Meinlschmidt,<br />
Senatsverwaltung für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales | Isabel Merchan, Familienplanungszentrum Balance Berlin e.V. |<br />
Andrea Möllmann, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Ingrid Papies-Winkler, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg |<br />
Mechthild Paul, Nationales Zentrum Frühe Hilfen | Stefan Pospiech, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Dr. Christa<br />
Preissing, Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (BeKi) | Bettina Prothmann, SkF Sozialdienst katholischer<br />
Frauen Gesamtverein e.V. | Marianne P<strong>und</strong>t, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Dr. Nadja Rakowitz, Verein<br />
Demokratischer Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte VDÄÄ, Maintal | Andreas Renner, BAG Selbsthilfe e.V. | Ilona Renner,<br />
Nationales Zentrum Frühe Hilfen | Prof. Dr. Matthias Richter, Universität Halle-Wittenberg | Alexandra Sann,<br />
Nationales Zentrum Frühe Hilfen im Deutschen Jugendinstitut (DJI), München | Dr. Petra Schmidt-Wiborg, BAG<br />
Selbsthilfe e.V. | Annett Schmok, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Karin Schreiner-Kürten, GKV-Spitzenverband |<br />
Aline Schubanz, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Kirsten Schubert, medico international, Frankfurt am Main |<br />
Benita C. Schulz, projecta Köln | Sabine Schweele, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg | Dr. Tomas Steffens,<br />
Diakonie Deutschland, Berlin | Waldemar Süß, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf | Prof. Dr. Gerhard<br />
Trabert, <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in Deutschland e.V., Mainz | Prof. Dr. Anja Voss, Alice Salomon Hochschule Berlin<br />
| Stefan Weigand, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg | Prof. Dr. Andreas Wittrahm, Caritasverband für das Bistum<br />
Aachen e.V. | Prof. Dr. Michael T. Wright, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin<br />
Wir danken allen Referent/innen, Diskutant/innen, Moderator/innen <strong>und</strong> allen Helfer/innen, die das<br />
<strong>Kongress</strong>-Team <strong>und</strong> die Geschäftsstelle von Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Bandenburg tatkräftig unterstützt<br />
haben.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Inhalt<br />
Kurzfassung der Beiträge<br />
Eröffnung ...................................................................................................................... 7<br />
Abschluss ...................................................................................................................... 8<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong>… ........................................................................................................... 9<br />
Frühe Hilfen ................................................................................................................ 9<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche.............................................................................................. 18<br />
Ältere Menschen ....................................................................................................... 25<br />
Migrant/innen ........................................................................................................... 33<br />
Arbeitslose ............................................................................................................... 37<br />
Frauen/Männer ......................................................................................................... 39<br />
Wohnungslose .......................................................................................................... 42<br />
Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung ............................................................................. 44<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik ..................................................................................................... 44<br />
Globalisierung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit ................................................................................... 50<br />
Health Inequalities ....................................................................................................... 51<br />
Qualitäten der Ges<strong>und</strong>heitsförderung ............................................................................. 52<br />
Im Gespräch… ............................................................................................................. 55<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Setting ................................................................................... 56<br />
Kita/Schule ............................................................................................................... 56<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung.............................................................................. 64<br />
Stadtteil/Kommune ................................................................................................... 71<br />
Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung: Daten für Taten ............................................................... 76<br />
Weitere Handlungsfelder der Ges<strong>und</strong>heitsförderung ........................................................ 81<br />
Patienten/Bildung ...................................................................................................... 81<br />
HIV/AIDS ................................................................................................................. 84<br />
Sucht ....................................................................................................................... 86<br />
Salutogenese ............................................................................................................ 87<br />
Studium <strong>und</strong> Beruf ....................................................................................................... 89<br />
Moderierte Posterpräsentation ....................................................................................... 91<br />
Organisatorische Hinweise ............................................................................................ 98<br />
4
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Foren <strong>und</strong> Workshops im Überblick<br />
Mittwoch, 06.03.2013<br />
Nr. 11.30 – 13.00 Uhr S. Nr. 14.15 – 15.45 Uhr S.<br />
1 Frühe Hilfen – Auftaktveranstaltung 9 2 Frühe Hilfen – Zusammenarbeit I 9<br />
10 Kinder <strong>und</strong> Jugendliche – Sexualität 18 3 Frühe Hilfen – Kompetenzprofile 11<br />
15 Ältere Menschen – Politisches Engagement 25 17<br />
Ältere Menschen – Pflege,<br />
Behinderung, Teilhabe<br />
26<br />
16 Ältere Menschen – Ländlicher Raum 25 23<br />
Migrant/innen – Versorgung am<br />
Rande<br />
33<br />
22 Migrant/innen – Nicht-versichert 33 28<br />
Frauen/Männer – Daten, Theorie,<br />
Praxis<br />
39<br />
31 Wohnungslose – Teilhabe 42 33<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik – Challenging<br />
Inequities<br />
44<br />
32 Ges<strong>und</strong>heitspolitik – Wissenstransfer 44 34 Ges<strong>und</strong>heitspolitik – Spannungsfeld 46<br />
38 Globalisierung – Unkosten des Weltmarkts 50 42 Health Inequalities – Theorie 51<br />
45 Qualitäten – Partizipativ I 52 46 Qualitäten – Partizipativ II 52<br />
53 Kita/Schule – Qualitätsentwicklung 56 51 „Im Gespräch…“ – Patientenrechte 55<br />
59<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung –<br />
Spezifische Ansätze I<br />
64 54 Kita/Schule – Ges<strong>und</strong>e Schule 58<br />
63 Stadtteil/Kommune – Transfer I 71 60<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung – 65<br />
Spezifische Ansätze II<br />
69 Daten für Taten – Hochschulen 76 64<br />
Stadtteil/Kommune – Ges<strong>und</strong>heit 71<br />
fördern<br />
73<br />
Patienten/Bildung – Beratung <strong>und</strong><br />
Beschwerden<br />
81 65 Stadtteil/Kommune – Transfer II 72<br />
77 HIV/AIDS – Testreihen 84 70<br />
Daten für Taten –<br />
Bevölkerungsentwicklung<br />
77<br />
81 Studium <strong>und</strong> Beruf – Perspektiven 89<br />
Nr. 16.15 – 17.45 Uhr S.<br />
4 Frühe Hilfen – Zusammenarbeit II 12<br />
5 Frühe Hilfen – Wissen in Praxis 13<br />
6 Frühe Hilfen – Evaluation 15<br />
11<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche –<br />
Sexueller Missbrauch<br />
19<br />
12<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche – Gewalt gegen<br />
Kinder<br />
19<br />
18 Ältere Menschen – Zuwanderer 27<br />
35 Ges<strong>und</strong>heitspolitik – Ges<strong>und</strong>heitsziele 46<br />
43 Health Inequalities – Empirie 51<br />
55 Kita/Schule – Ges<strong>und</strong>e Kita 59<br />
56 Kita/Schule – Ernährung 60<br />
61<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung –<br />
Psychische Ges<strong>und</strong>heit<br />
66<br />
66 Stadtteil/Kommune – Transfer III 72<br />
71 Daten für Taten – Kinderges<strong>und</strong>heit 78<br />
74 Patienten/Bildung – Ges<strong>und</strong>heitskompetenz 81<br />
82 Studium <strong>und</strong> Beruf – Praxistransfer 89
Kurzfassung der Beiträge<br />
Donnerstag, 07.03.2013<br />
Nr.<br />
9.30 – 11.00 Uhr S. Nr. 11.30 – 13.00 Uhr S.<br />
7 Frühe Hilfen – Zugänge 15 9 Frühe Hilfen – Abschluss 17<br />
8 Frühe Hilfen – B<strong>und</strong>esinitiative 16 20 Ältere Menschen – Partizipation 29<br />
13 Kinder <strong>und</strong> Jugendliche – Bewegung 21 21 Ältere Menschen – Ges<strong>und</strong>heitsziele 30<br />
14<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche –<br />
Migrant/innen –<br />
23 24<br />
Ressourcenorientierung<br />
Ges<strong>und</strong>heitsmentor/innen<br />
34<br />
19 Ältere Menschen – Familienpflege 29 25<br />
Migrant/innen – Interkulturelle<br />
Bewegungsförderung<br />
34<br />
26 Arbeitslose – Interventionsansätze 37 27 Arbeitslose – SGB II 38<br />
29<br />
Frauen/Männer – Reproduktive<br />
Ges<strong>und</strong>heit<br />
39 30 Frauen/Männer – Partnergewalt 41<br />
48 Qualitäten – Kurztraining 53 37<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik –<br />
Interventionsprogramme<br />
48<br />
57 Kita/Schule – Psychische Ges<strong>und</strong>heit 61 41 Globalisierung – Geistige Behinderung 50<br />
67 Stadtteil/Kommune – Transferkonzepte 73 50 Qualitäten – Public Health-Interventionen 53<br />
79 Sucht – Gender <strong>und</strong> Diversity 86 52 „Im Gespräch…“ – Mobilität 55<br />
80 Salutogenese – Integrative Ansätze 87 58 Kita/Schule – Erzieher/innenges<strong>und</strong>heit 62<br />
62<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung –<br />
Beginn einer Kontroverse<br />
68<br />
68 Stadtteil/Kommune – <strong>Armut</strong> 74<br />
72 Daten für Taten – <strong>Armut</strong>sbericht 79<br />
76 Patienten/Bildung – Selbsthilfe 82<br />
Hinweise<br />
Nr. Die Nummer der Einzelveranstaltung findet<br />
sich im Programmheft<br />
S. Die angegebene Seitenzahl bezieht sich auf dieses Heft<br />
6
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Kurzfassung der Beiträge<br />
Eröffnung<br />
Mittwoch, 6. März 2013<br />
9.30 Uhr - 11.00 Uhr Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln –<br />
Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Grußwort:<br />
„Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung“<br />
Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (BZgA), Köln<br />
Der 18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit thematisiert unter dem Titel „Brücken bauen zwischen<br />
Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung“ eine der zentralen Fragen der Prävention<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung: Wie kann die Verstetigung <strong>und</strong> Ausweitung bewährter Modelle guter<br />
Praxis gelingen? Wie können wissenschaftliche Erkenntnisse zeitnah aufbereitet <strong>und</strong> in die Praxis<br />
umgesetzt werden? Und wie kann im Umkehrschluss vorhandenes Praxiswissen fruchtbar in die<br />
wissenschaftliche Forschung einmünden?<br />
Der <strong>Kongress</strong> befasst sich in diesem Jahr mit den Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Voraussetzungen für<br />
einen erfolgreichen Praxistransfer. Dieses Thema ist der B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Aufklärung (BZgA) ein ganz besonderes Anliegen. Nicht immer muss das Rad neu erf<strong>und</strong>en werden.<br />
Vielmehr kommt es darauf an, nachgewiesene wirksame Ansätze zu verstetigen <strong>und</strong> in der Breite<br />
anzuwenden.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der vielfältigen Erkenntnisse in der Kooperation für nachhaltige Präventionsforschung<br />
(KNP), aber auch in der praktischen Umsetzung von Modell-Projekten <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweiten<br />
Programm-Ansätzen wie dem Kooperationsverb<strong>und</strong> „Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit“ können wir<br />
inzwischen konkrete Kriterien für erfolgreichen Praxistransfer benennen. In der Regel sind solche<br />
erfolgreichen Ansätze nicht unverändert von einer Region in die andere übertragbar. Sie müssen an<br />
die je unterschiedlichen Verhältnisse <strong>und</strong> Rahmenbedingungen angepasst werden.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Abschluss<br />
Donnerstag, 7. März 2013<br />
13.30 Uhr - 15.00 Uhr Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung: Herausforderungen<br />
der B<strong>und</strong>espolitik<br />
Podiumsdiskussion mit:<br />
Dr. Martina Bunge MdB, Fraktion Die Linke im Deutschen B<strong>und</strong>estag<br />
Maria Klein-Schmeink MdB, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen B<strong>und</strong>estag<br />
Prof. Dr. Karl Lauterbach MdB, SPD-Fraktion im Deutschen B<strong>und</strong>estag<br />
Lars Lindemann MdB, FDP-Fraktion im Deutschen B<strong>und</strong>estag<br />
Stefanie Vogelsang MdB, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen B<strong>und</strong>estag<br />
Moderation:<br />
Prof. Dr. Theda Borde, Alice Salomon Hochschule Berlin<br />
Hans-Bernhard Henkel-Hoving, G+G Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Gesellschaft, Berlin<br />
Schlusswort:<br />
Stefan Weigand, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg<br />
8
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong>…<br />
Frühe Hilfen<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong> aufwachsen von Anfang an<br />
Dr. Hildegard Kaluza, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur <strong>und</strong> Sport des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />
Vorbeugung ist der zentrale Handlungsansatz der Landesregierung NRW in der Sozial- <strong>und</strong><br />
Gesellschaftspolitik. Es geht dabei um eine frühe <strong>und</strong> frühzeitige Unterstützung von Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen <strong>und</strong> ihren Familien, um ein gelingendes Aufwachsen zu ermöglichen. Zugleich sollen<br />
Folgekosten durch vermeidbare spätere Interventionen reduziert werden. Im Mittelpunkt vielfältiger<br />
Landesaktivitäten zur Prävention steht das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen – Kommunen in<br />
NRW beugen vor“, ein Gemeinschaftsprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong> der Bertelsmann<br />
Stiftung, an dem 18 Kommunen aus NRW teilnehmen.<br />
Die Arbeit vor Ort systematischer zu vernetzen <strong>und</strong> Präventionsketten zu entwickeln, ist ebenso Inhalt<br />
des Vorhabens, wie die Zugänge zu vorhandenen Angeboten vor allem für jene zu verbessern, die<br />
einer besonderen Unterstützung bedürfen. Die Kommunen setzen zum einen vor Ort spezifische Ziele<br />
im Sinne des Projektlayouts um <strong>und</strong> wirken zum anderem kommunenübergreifend in zurzeit vier<br />
Themenclustern zusammen.<br />
Ein erster Zwischenbericht zeigt: Bei aller Unterschiedlichkeit in der Umsetzung – es bewegt sich viel<br />
in den Kommunen <strong>und</strong> der Anspruch des Projektes – vom Kind, vom Jugendlichen aus zu denken –<br />
erfordert nicht nur eine Veränderung von Strukturen <strong>und</strong> Methoden der Zusammenarbeit, sondern<br />
auch von Mentalitäten <strong>und</strong> Haltungen. Wie das gelingen kann <strong>und</strong> welche Trends erkennbar sind,<br />
möchte ich als Impulse in den <strong>Kongress</strong> einbringen.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Bereichs- <strong>und</strong> professionsübergreifende Zusammenarbeit in<br />
den Frühen Hilfen I<br />
„Das Soziale Frühwarnsystem ‚Babylotse‘ - vom Modellprojekt in die Regelversorgung“<br />
Franka Metzner, Dr. Silke Pawils, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf<br />
Um das Kindeswohl sicher zu stellen, müssen belastete Familien frühzeitig identifiziert <strong>und</strong> präventiv<br />
unterstützt werden.<br />
Das Modellprojekt „Babylotse“ wurde als Soziales Frühwarnsystem in Geburtskliniken entwickelt.<br />
Zielgruppe sind Familien mit hoher psychosozialer Belastung, die um den Zeitpunkt der Geburt eines<br />
Kindes durch ein Risikoscreening identifiziert werden. In dem Clearinggespräch, das in der<br />
Geburtsklinik durch Sozialpädagog/innen, den „Babylotsen“, durchgeführt wird, werden Risiko- <strong>und</strong><br />
Schutzfaktoren ermittelt <strong>und</strong> die Familien in Absprache mit den Eltern ins Hilfenetz übergeleitet. Die<br />
Implementierung in einer Hamburger Geburtsklinik wurde zwischen 2008 <strong>und</strong> 2010 auf der Basis von<br />
N=851 dokumentieren Fällen formativ evaluiert.<br />
Zur Erreichung von belasteten Familien bereits in der Schwangerschaft wird der „Babylotse“ auch in<br />
Frauenarztpraxen angeboten. Bis Ende 2013 wird geprüft, wie eine Adaptation des Projekts aus dem<br />
stationären Bereich an die ambulante Praxis gelingen kann.<br />
Seit 2012 sind „Babylotsen“ auch in Geburtskliniken in verschiedenen B<strong>und</strong>esländern Deutschlands<br />
etabliert. In Hamburg geht das ursprüngliche Modellprojekt 2013 in die Regelversorgung des Landes<br />
ein. Screening <strong>und</strong> Überleitung werden für belastete Familien durch sog. „Familienteams“ angeboten.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Zum Transfer in die Regelversorgung <strong>und</strong> die deutschlandweite Verbreitung werden<br />
Qualitätssicherungsmaßnahmen, die Gründung eines Dachverbandes Sozialer Frühwarnsysteme sowie<br />
begleitende Evaluationen beitragen.<br />
Netzwerk gegen Kinderarmut – Pro-Te-Kt – ein kommunales Erfolgsmodell<br />
Ulrich Brakemeier, Stadt Hilden; Dr. Ute Belz, Netzwerk gegen Kinderarmut – Pro-Te-Kt, Hilden<br />
In Hilden, einer dem Kreis Mettmann angehörigen Kommune zwischen Köln <strong>und</strong> Düsseldorf, gibt es<br />
eine hohe Anzahl guter, ausdifferenzierter Hilfs- <strong>und</strong> Beratungsangebote.<br />
Um mangelndes Wissen über die Angebote, Schwellenängste, doch zu hoch angelegte<br />
Zugangsbarrieren – Gründe die, wie die Praxis zeigt, verantwortlich dafür sind, dass die Angebote<br />
nicht immer alle Kinder <strong>und</strong> Familien erreichen, gar nicht erst entstehen zu lassen, arbeitet Hilden als<br />
Bildungsstadt übergreifend <strong>und</strong> vernetzend.<br />
Das Netzwerk hat – gegenüber einer Organisation – den Vorteil, Angebotsvielfalt <strong>und</strong> -variabilität<br />
miteinander verbinden zu können <strong>und</strong> Schwerpunktsetzungen zu ermöglichen.<br />
Durch ausdifferenzierte, aber dennoch kontextbezogene Schnittstellen kann der passende<br />
Lösungsansatz für das Problem gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ein passgenaues Angebot vermittelt werden.<br />
Der Betreuungsring Pro-Te-Kt als ein Modul der Bildungslandschaft Hilden ist ein Ring<br />
unterschiedlicher Angebote <strong>und</strong> Berater/innen, die miteinander in Beziehung stehen durch die<br />
jeweiligen Module von Pro-Te-Kt, denen sie sich thematisch zuordnen.<br />
Durch Mittler (ein Unter-Projekt des Betreuungsringes, welches im Zusammenhang ebenfalls<br />
vorgestellt wird) können bedürftige Familien mit dem passenden Angebot in Kontakt gebracht werden;<br />
dies wird vereinfacht, da die Institutionen des Netzwerkes in kooperativer Weise zusammen arbeiten<br />
<strong>und</strong> so eine Gesamtnutzung des Betreuungsringes optimal gewährleistet wird. Bei weiterem Bedarf<br />
wird eine Überleitung in ein entsprechendes Angebot sichergestellt; dies gelingt, weil sich jeder Träger<br />
nicht nur als alleiniges Angebot versteht, sondern einen engen Bezug zu den anderen Organisationen<br />
des Betreuungsringes herstellt.<br />
Das Hildener Netzwerk gegen Kinderarmut arbeitet innerhalb der vielfältigen<br />
Vernetzungsmöglichkeiten folgendermaßen:<br />
- Vernetzung innerhalb der Netzwerk-Steuerungsgruppe ressortübergreifend<br />
- Vernetzung mit den relevanten Trägern <strong>und</strong> Akteuren der Hildener Kinder-Jugend- <strong>und</strong><br />
<strong>Armut</strong>slandschaft<br />
- Vernetzung durch entsprechende Fachgremien <strong>und</strong> Arbeitskreise<br />
- Vernetzung innerhalb der Sozialräume<br />
- Vernetzung mit den Trägern der Angebote für Bildung, Sport, Kultur<br />
- Vernetzung mit den interkulturellen Berater/innen zum Thema Migration<br />
Die Vorstellung dieses Netzwerkes ist gleichzeitig Anknüpfungspunkt an die Vorstellung von Pro-Te-Kt<br />
beim 17. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in Berlin im letzten Jahr.<br />
„,Guter Start ins Leben - Frühe Hilfen im SkF‘ – vom Modellprojekt zu einem<br />
verbandlichen Rahmenkonzept“<br />
Dr. Claudia Buschhorn, Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e. V., Dortm<strong>und</strong><br />
Das Modellprojekt „Guter Start ins Leben“ des SkF wurde von Anfang 2008 bis Ende 2010 an drei<br />
Modellstandorten, Freiburg, Frankfurt <strong>und</strong> Neuss, durchgeführt. Wesentliches Ziel der formativen<br />
Evaluation des Projektes durch die WWU Münster war es einerseits, Indikatoren zu entwickeln, die<br />
aussagekräftige Beurteilungen darüber erlauben, als wie gut <strong>und</strong> hilfreich sich die Angebote der<br />
Modellprojektes für die (werdenden) Eltern <strong>und</strong> ihre Kinder zwischen 0 <strong>und</strong> 3 Jahren erwiesen haben.<br />
Darüber hinaus sollten die vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) definierten Qualitätskriterien<br />
an das Modellprojekt angelegt <strong>und</strong> das Projekt anhand dieser Dimensionen eingeordnet werden.<br />
Aufbau <strong>und</strong> Ziel der Evaluation:<br />
10
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Die Daten zu den Adressat/innen zur Erhebung der Wirkfaktoren „Fähigkeit der Eltern zur Versorgung<br />
von Säuglingen“, „elterliche Kompetenzüberzeugung“, „Kompetenz das soziale Umfeld zu gestalten“<br />
sowie „elterliche Erziehungseinstellung“ wurden zunächst zu zwei Messzeitpunkten in Form eines<br />
standardisierten Telefoninterviews erhoben. Die Inhalte der Angebote sowie sozioökonomische Daten<br />
über die Adressat/innen wurden, insbesondere in Form von für die Modellstandorte entwickelten<br />
Dokumentationssystemen, qualitativen (Expert/innen -)Interviews mit den Fachkräften vor Ort sowie<br />
durch standardisierte Beobachtungen mittels der Entwicklungstabelle von Beller <strong>und</strong> Beller (2008)<br />
einzelner Kinder erhoben. Darüber hinaus gab es standardisierte Netzwerkanalysen mit dem Ziel, das<br />
Eingeb<strong>und</strong>en sein der drei Modellstandorte in die Strukturen vor Ort bezüglich der<br />
Unterstützungsangebote für (werdende) Eltern darzustellen. Eine Zufriedenheitsbefragung der Eltern,<br />
die an Angeboten im Rahmen von „Guter Start ins Leben“ teilgenommen haben, zielte auf eine<br />
Ermittlung der subjektiven Zufriedenheit der Eltern mit dem jeweiligen besuchten Angebot sowie den<br />
Mitarbeiter/innen vor Ort.<br />
Untersuchungen zur Wirksamkeit der vielfältigen Angebote Früher Hilfen, verstanden als Bildungs-,<br />
Beratungs- <strong>und</strong> Unterstützungsangebote zur Förderung der elterlichen Beziehungs-, Erziehungs- <strong>und</strong><br />
Versorgungskompetenz von (werdenden) Eltern, gibt es derzeit kaum. Im Rahmen des Projektes<br />
wurde eine angebotsübergreifende, wirkungsorientierte Analyse von Frühen Hilfen vorgenommen.<br />
Anhand der telefonischen Befragung von Adressat/innen, die Frühe Hilfen besuchten, wurden Daten<br />
erhoben, die Aussagen darüber erlauben, inwiefern sich die Versorgungskompetenz sowie die<br />
elterliche Kompetenzüberzeugung verändern. Die Auswertungen zeigen positive Effekte der Angebote<br />
bei einer hohen subjektiven Zufriedenheit der Adressat/innen <strong>und</strong> liefern damit wichtige Impulse für<br />
die Diskussion um die Wirksamkeit Früher Hilfen.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Entwicklung von Kompetenzprofilen in der Arbeit der Frühen<br />
Hilfen am Beispiel der Familienhebammen<br />
„Interdisziplinäre Kernkompetenzen in Frühen Hilfen“<br />
Michael Hahn, Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH), Köln<br />
Die B<strong>und</strong>esinitiative Frühe Hilfen fördert den Einsatz <strong>und</strong> die Qualifizierung von Familienhebammen<br />
sowie von Familien-Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Kinderkrankenpfleger/innen. Unter dem Dach des NZFH wurde<br />
von Expert/innen ein Kompetenzprofil Familienhebammen entwickelt, welches Kompetenzen für die<br />
sek<strong>und</strong>ärpräventive Arbeit der Familienhebammen beschreibt. Unter anderem weist es aus, welches<br />
Wissen, welche Fertigkeiten, welche Sozialkompetenzen <strong>und</strong> welche Selbstkompetenzen die<br />
Familienhebamme für ihre Tätigkeit benötigt, die von besonderem Vertrauen der Familien in ihre<br />
Person <strong>und</strong> von der gegenüber der gr<strong>und</strong>ständigen Hebammenarbeit erweiterten Auftragssituation<br />
(z.B. Jugendamt) gekennzeichnet ist. Das Kompetenzprofil orientiert sich am Deutschen<br />
Qualifikationsrahmen (DQR). Die Kompetenzprofilerarbeitung für die Familien-Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />
Kinderkrankenpfleger/innen läuft. Interdisziplinäres Arbeiten ist Wesensmerkmal der Frühen Hilfen.<br />
Dem besonders verpflichtet sind die Netzwerkkoordinator/innen, für die ebenfalls ein Kompetenzprofil<br />
entwickelt wird.<br />
Michael Hahn berichtet aus den laufenden Arbeiten im Bereich Qualifizierung <strong>und</strong> Professionalisierung<br />
im NZFH. Dazu gehört auch ein interdisziplinäres Kompetenzprofil, das berufsgruppenübergreifend<br />
Kernkompetenzen für die Arbeit in den Frühen Hilfen beschreiben soll.<br />
„Was machen (Familien-)Hebammen anders? Interventionslogiken im Kinderschutz im<br />
interprofessionellen Vergleich“<br />
Prof. Dr. Doris Bühler-Niederberger, Lars Alberth, Steffen Eisentraut, Bergische Universität Wuppertal<br />
Als aktuelle Entwicklung in der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe werden in jüngster Zeit zunehmend präventive<br />
Ansätze (‚Frühe Hilfen‘) verfolgt, die durch a) niederschwellige, unverbindliche Beratungsangebote <strong>und</strong><br />
b) den Einsatz von nicht der Jugendhilfe zugehörigen Berufsgruppen wie Hebammen resp.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Familienhebammen charakterisiert sind. Im Gegensatz etwa zu Sozialpädagogischen Familienhilfen,<br />
die als Maßnahme des Jugendamts im Rahmen der ‚Hilfen zur Erziehung‘ seit Langem eine<br />
entscheidende Rolle spielen, werden mit der Profession der (Familien-)Hebamme andere<br />
Wissensbestände <strong>und</strong> Praktiken in das Feld des Kinderschutzes mit einbezogen. Für die Analyse von<br />
Handlungslogiken erscheint dabei interessant, welches (Experten-)Wissen für die Beurteilung einer<br />
möglichen Gefährdungssituation durch die Professionen herangezogen bzw. generiert wird: Neben<br />
dem Wissen um das Kind (z.B. Gewichtszunahme) spielen dabei auch Urteile über die Eltern (z.B.<br />
Lebensführung, Kooperationsbereitschaft) eine Rolle. Auf Basis von im DFG-Projekt „Sozialsystem,<br />
Kindeswohlgefährdung <strong>und</strong> Prozesse professioneller Interventionen“ (SKIPPI) rekonstruierten<br />
Kinderschutzverläufen sollen einerseits professionelle Besonderheiten von (Familien-)Hebammen<br />
aufgezeigt <strong>und</strong> andererseits strukturelle Probleme <strong>und</strong> Risiken benannt werden, die der Einbezug der<br />
Berufsgruppe in Aufgaben der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe mit sich bringt.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Bereichs- <strong>und</strong> professionsübergreifende Zusammenarbeit in<br />
den Frühen Hilfen II<br />
„Vernetzung vertragsärztlicher Qualitätszirkel mit Angeboten der Frühen Hilfen“<br />
Prof. Dr. Marcus Siebolds, Katholische Hochschule Nordrhein Westfalen, Köln; Brigitte Münzel, Sysco<br />
GmbH Köln<br />
Die meist in der Einzelpraxis arbeitenden Vertragsärzt/innen sind mit den, in der Versorgung<br />
belasteter Familien entstehenden, Problemen häufig allein. Qualitätszirkel können in dieser Situation<br />
eine interessante Plattform zur Verbesserung der Vernetzung von niedergelassenen Ärzt/innen,<br />
Jugendämtern <strong>und</strong> anderen Hilfeanbietern sein. Über die Kassenärztlichen Vereinigungen lässt sich<br />
zuverlässig, dauerhaft <strong>und</strong> flächendeckend Zugang zu den Vertragsärzt/innen organisieren. Vor<br />
diesem Hintergr<strong>und</strong> ist das vordringliche Ziel des hier konzeptionierten Projektes die Entwicklung eines<br />
Modells für Qualitätszirkel, das deren Moderator/innen als Multiplikator/innen für die Vernetzung im<br />
Rahmen der Angebote „Früher Hilfen“ nutzt <strong>und</strong> eine die jeweilige Versorgungsform<br />
(Jugendamt/Vertragsärzt/in) übergreifende Bearbeitung schwieriger Fälle ermöglicht.<br />
Daraus ergeben sich folgende Ziele:<br />
Sensibilisierung der Vertragsärzt/innen zum Thema Prävention von<br />
Entwicklungsbeeinträchtigungen bei Kindern aus belasteten Familien im Rahmen „Früher<br />
Hilfen“<br />
Die Entwicklung von Strukturen in der Kassenärztlichen Vereinigung zur Unterstützung der<br />
Vernetzung zwischen Vertragsärzt/innen, Jugendämtern <strong>und</strong> freien Anbietern von „Frühen<br />
Hilfen“<br />
Schulung von Qualitätszirkelmoderator/innen <strong>und</strong> von Fachkräften der Jugendhilfe in der<br />
Moderation von sog. Familienfallkonferenzen (kurz FFK). In diesen speziell strukturierten<br />
Fallbesprechungen können konkrete Fälle, in denen es um nicht gelingende oder<br />
risikobehaftete Kindesentwicklung in belasteten Familien geht, im multiprofessionellen Kreis<br />
systematisch analysiert <strong>und</strong> besprochen werden<br />
Evaluation der Prozesse <strong>und</strong> Effekte.<br />
„Ges<strong>und</strong>heitsförderung r<strong>und</strong> um die Geburt – Konzept Familienges<strong>und</strong>heitszentrum“<br />
Susanne Borkowski, KinderStärken e.V., Stendal<br />
Familienpolitische Maßnahmen haben einen hohen Stellenwert für eine ges<strong>und</strong>e, lebenswerte Region<br />
<strong>und</strong> die Ermunterung junger Männer <strong>und</strong> Frauen zur Familiengründung. Dabei ist es wichtig,<br />
Maßnahmen in das konkrete regionale Umfeld einzubinden <strong>und</strong> integrierte Konzepte zu initiieren, die<br />
Entlastung für Familien auf unterschiedlichen Ebenen anstreben. Die Konzeptionierung <strong>und</strong> der Aufbau<br />
eines Familienges<strong>und</strong>heitszentrums durch organisatorische <strong>und</strong> strukturelle Zusammenführung <strong>und</strong><br />
Weiterentwicklung von Ges<strong>und</strong>heitsangeboten r<strong>und</strong> um die Geburt <strong>und</strong> in der frühen Kindheit können<br />
dazu einen wichtigen Beitrag leisten.<br />
12
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Vom Wissen in die Praxis – Frühe Hilfen konkret<br />
„Gemeinsam für Familien: Frühe Hilfen Bonn – Das Netzwerk für Vater, Mutter, Kind“<br />
Dr. Maria Mensching, St. Marien-Hospital-Bonn; Anja Henkel, Netzwerkkoordinatorin<br />
In Bonn wurde im Dezember 2010 das gesamtstädtische Netzwerk „Frühe Hilfen Bonn – Das Netzwerk<br />
für Vater, Mutter, Kind“ gegründet. Es besteht aus über 40 Netzwerkpartnern aus den Bereichen<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe, Ges<strong>und</strong>heit, Beratung <strong>und</strong> Familienbildung. Die Netzwerkkoordination erfolgt<br />
über eine Kooperation von zwei freien Trägern: Caritasverband <strong>und</strong> Familienkreis; sie wird durch das<br />
Amt für Kinder, Jugend <strong>und</strong> Familie finanziert. Viermal jährlich finden Netzwerktreffen statt mit bis zu<br />
60 Teilnehmer/innen, sowohl Leitungs- als auch Fachkräfte der verschiedenen Institutionen. Themen<br />
sind: Kinderschutz, frühe Bindung, Schnittstellen, multiprofessionelle Zusammenarbeit, Datenschutz<br />
u.a.<br />
Neben dem persönlichen Kennenlernen <strong>und</strong> multiprofessionellen Austausch ist es ein wesentliches Ziel<br />
des Netzwerkes, im dialogischen Arbeitsprozess standardisierte Verfahren für den Bereich Frühe Hilfen<br />
zu erarbeiten. Erste Ergebnisse liegen bereits vor.<br />
Neben einer Kooperationsvereinbarung <strong>und</strong> den „Prämissen für die Zusammenarbeit“ wurde unter<br />
www.fruehehilfen-bonn.de ein digitaler Angebotskatalog für Eltern <strong>und</strong> Fachkräfte entwickelt, um mit<br />
einer Schlagwort- <strong>und</strong> Umkreissuche passgenaue Angebote herauszufiltern.<br />
Die Netzwerkarbeit funktioniert erfolgreich mit unterschiedlichen Bausteinen <strong>und</strong> Methoden.<br />
Exemplarisch wird die Arbeit einer Expertengruppe vorgestellt, die sich aus dem großen<br />
Teilnehmerkreis zum Thema „Frühe Bindung“ gebildet hat. Da Bindung zwischen Mutter/Vater <strong>und</strong><br />
Kind als wesentlicher Faktor in der Präventionsarbeit anzusehen ist, erarbeitet diese Gruppe<br />
entsprechende Arbeitsmaterialien für Fachleute, Ehrenamtliche <strong>und</strong> Eltern. Wesentliche Informationen<br />
zum Thema Bindung werden zusammengefasst (Begriffsdefinition, Handlungsanweisung,<br />
Risikofaktoren, Alarmsignale etc.) <strong>und</strong> Personen <strong>und</strong> Einrichtungen benannt, die in der Region beim<br />
Bindungsaufbau begleiten <strong>und</strong> unterstützen.<br />
„Verbreiterung bewährter Präventionsansätze zur Vermeidung <strong>und</strong> Reduzierung von<br />
Suchtmittelkonsum in Schwangerschaft <strong>und</strong> Stillzeit – Vorstellung der Ergebnisse der<br />
ersten Modellprojektphase, Sicherung der Ergebnisse <strong>und</strong> Übertragung auf andere<br />
Modellstandorte“<br />
Beate Laux, Anne Rossenbach, Sozialdienst katholischer Frauen e.V., Köln; Prof. Dr. Tanja Hoff,<br />
Deutsches Institut für Sucht- <strong>und</strong> Präventionsforschung (DISuP) der Katholischen Hochschule NRW,<br />
Köln<br />
Der Workshopbeitrag in Form eines Vortrages stellt das 2011 von SkF e.V. Köln, SKM Köln <strong>und</strong> DISuP<br />
durchgeführte <strong>und</strong> vom B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsministerium geförderte Modellprojekt zur Vermeidung <strong>und</strong><br />
Reduzierung von Substanzenkonsum in der Schwangerschaft <strong>und</strong> Stillzeit vor.<br />
Die Präsentation umfasst die Darstellung der Ziele, die mit dem gewählten Ansatz erreicht werden<br />
sollten, die eingesetzten Instrumente <strong>und</strong> die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der ersten<br />
Modellprojektphase. In einem zweiten Teil werden die inhaltliche Neujustierung der Projektkonzeption<br />
für Köln <strong>und</strong> das Konzept für die weitere Verbreitung des neuen Ansatzes in andere Institutionen <strong>und</strong><br />
Netzwerke an verschiedenen Standorten vorgestellt.<br />
Für beide Phasen gelten die im Folgenden kurz skizzierten Ziele:<br />
1. Schwangere mit (bedenklichem) Substanzenkonsum im Rahmen der<br />
Schwangerschaftsberatung für Suchtberatung <strong>und</strong> -hilfe zu erreichen<br />
2. Die nebeneinander existierenden, häufig nicht kooperierenden Systeme der<br />
Schwangerschaftsberatung/der Frühen Hilfen <strong>und</strong> der Suchthilfe miteinander zu vernetzen
Kurzfassung der Beiträge<br />
Erreicht wurden die Ziele durch:<br />
a. die Durchführung eines Kurzscreenings zum gegenwärtigen Substanzenkonsum, das in Form<br />
einer motivierenden Kurzintervention in den Beratungsprozess der<br />
Schwangerschaftsberatungsstelle organisch implementiert ist<br />
b. die enge Vernetzung mit dem System der Suchthilfe vor Ort zur Schaffung niedrigschwelliger<br />
Zugänge<br />
c. die Einbindung von Suchtberatungs- <strong>und</strong> Hilfekompetenzen in die Schwangerschaftsberatung<br />
d. die Konzeption zielgruppenspezifischer (Fokus: Schwangerschaft <strong>und</strong> junge Elternschaft <strong>und</strong><br />
nicht "Sucht") Einzel- <strong>und</strong> Gruppensettings<br />
Nach der ersten Modellprojektphase geht es im weiteren Projektverlauf nun darum, mit<br />
unterschiedlichen Kooperationspartnern (Land/Stadt/Ost/West) die Implementierung des in Köln<br />
entwickelten Ansatzes in die Schwangerschaftsberatung <strong>und</strong> die Frühen Hilfen an weiteren, sehr<br />
unterschiedlichen, Standorten zu erproben.<br />
Während der ersten Modellprojektphase wurde deutlich, dass insbesondere belastete Schwangere <strong>und</strong><br />
junge Mütter kurze Wege <strong>und</strong> einfache Zugänge brauchen, um Hilfen annehmen zu können. Deshalb<br />
wird der zweite Teil der Präsentation die kooperierenden Standorte mit den jeweils vor Ort<br />
vorhandenen Hilfesystemen kurz skizzieren <strong>und</strong> den Prozess der Implementierung des Screenings in<br />
die Schwangerschaftsberatung bzw. in die lokal bereits vorhandenen Angebote der Frühen Hilfen<br />
darstellen.<br />
Die Präsentation wird berücksichtigen, dass in den Schwangerschaftsberatungsstellen (vor allem in<br />
denen in katholischer Trägerschaft, die nicht mehr befugt sind, die zum Schwangerschaftsabbruch<br />
berechtigenden Beratungsscheine auszustellen) mehrheitlich sozial, psychisch <strong>und</strong> physisch hoch<br />
belastete Frauen <strong>und</strong> Paare beraten werden. Deren Bedarfslagen tragen die inzwischen entwickelten<br />
Instrumente Rechnung. Mit einer Verbreiterung des Ansatzes in die Frühen Hilfen hinein werden die<br />
bestehenden Angebote nachhaltig für besonders belastete Gruppen weiterentwickelt <strong>und</strong> für andere<br />
gesellschaftliche <strong>und</strong> soziale Schichten geöffnet.<br />
„Brandenburger Netzwerke Ges<strong>und</strong>e Kinder – Beispiel Havelland: Profis im Ehrenamt“<br />
Dorit Zahn, Havelland Kliniken GmbH; Andrea Thiele, Havelländisches Netzwerk Ges<strong>und</strong>e Kinder<br />
Die Brandenburger Netzwerke Ges<strong>und</strong>e Kinder koordinieren auf freiwilliger Basis ein Angebot zur<br />
Begleitung von Familien für eine förderliche körperliche <strong>und</strong> geistige Entwicklung ihrer Kinder. Das<br />
Angebot beginnt in der Schwangerschaft <strong>und</strong> gilt gr<strong>und</strong>sätzlich bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.<br />
Ziel ist es, alle Familien einzubeziehen, deren Kinder im Einzugsgebiet eines Netzwerks Ges<strong>und</strong>e<br />
Kinder geboren werden. Das Konzept verfolgt einen ges<strong>und</strong>heitsfördernden Ansatz. Netzwerke<br />
Ges<strong>und</strong>e Kinder stärken die Erziehungskompetenzen der Eltern <strong>und</strong> stabilisieren frühkindliche<br />
Beziehungen.<br />
Das Netzwerk Ges<strong>und</strong>e Kinde ist nicht zielgruppendefiniert, kein Begründer neuer Therapie- <strong>und</strong><br />
Beratungsstellen <strong>und</strong> kein Frühwarnsystem im Sinne des Kinderschutzes. Netzwerke Ges<strong>und</strong>e Kinder<br />
greifen vorhandene präventive <strong>und</strong> familienunterstützende Angebote auf, nutzen sie in einem<br />
ressortübergreifenden regionalen Fachnetzwerk <strong>und</strong> entwickeln sie weiter.<br />
Ehrenamtlich tätige Familien-Paten/-Lotsen werden gut ausgebildet, während ihrer Tätigkeit fachlich<br />
begleitet <strong>und</strong> bieten einen qualifizierten Ansprechpartner für die Familie. Im Landkreis Havelland<br />
werden für die aufsuchende Betreuung im ersten Lebensjahr Hebammen als Familienlotsen<br />
eingesetzt. Durch die Möglichkeit im Ehrenamt <strong>und</strong> durch bürgerschaftliches Engagement für Kinder<br />
<strong>und</strong> Familien wird eine “Kultur des Füreinander“ entwickelt <strong>und</strong> gefördert.<br />
14
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Wissen, was wirkt… – Ansätze für Qualitätsentwicklung <strong>und</strong><br />
Evaluation der Frühen Hilfen<br />
„Qualitätsentwicklung in Modellprojekten zur Suchtprävention in Schwangerschaft <strong>und</strong><br />
Stillzeit extern unterstützen – Ansätze <strong>und</strong> erste Erfahrungen“<br />
Ina Schaefer, Prof. Dr. Petra Kolip, Universität Bielefeld, Fakultät für Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften<br />
Das B<strong>und</strong>esministerium für Ges<strong>und</strong>heit fördert gegenwärtig drei Modellprojekte, die sich mit<br />
unterschiedlichen Ansätzen der Prävention von Tabak- <strong>und</strong> Alkoholkonsum in Schwangerschaft <strong>und</strong><br />
Stillzeit widmen. Im Fokus des Fördervorhabens steht die Übertragung der Interventionsansätze, die<br />
sich im Rahmen einer ersten Förderphase bewährt haben, auf andere Regionen. Die Universität<br />
Bielefeld wurde mit der Evaluation <strong>und</strong> wissenschaftlichen Begleitung dieser Projekte beauftragt.<br />
Neben der Auswertung der Erfahrungen aus der ersten Förderphase (Identifizierung der Zielgruppe,<br />
Qualifizierung von Fachkräften außerhalb der Suchthilfe, Zugänge <strong>und</strong> methodische Ansätze), sollen<br />
besonders die Hindernisse <strong>und</strong> förderlichen Faktoren für den Transfer, d.h. die Übertragung in andere<br />
Kontexte <strong>und</strong> strukturelle Bedingungen evaluiert werden. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die<br />
Beratung <strong>und</strong> Unterstützung der Qualitätsentwicklung der Modellprojekte. Diese externe<br />
Unterstützung der Planungs-, Struktur- <strong>und</strong> Prozessqualität steht im Mittelpunkt des Beitrages.<br />
Ausgehend von einer Analyse der Förderanträge, die die Planungsqualität auf Antragsebene abbildet,<br />
werden die Projekte insbesondere im Hinblick auf die Formulierung konkreter Zielsetzungen, die<br />
Verfolgung des Arbeitsprozesses <strong>und</strong> in der Ergebnisevaluation unterstützt. Für die Festlegung der<br />
Ziele <strong>und</strong> der Zielerreichungen wird das Instrument "Goal Attainment Scaling" (Zielerreichungsskalen)<br />
eingesetzt, das im Rahmen von Workshops gemeinsam mit der Projektleitung, den Mitarbeiter/innen<br />
sowie zentralen Kooperationspartnern angewendet wurde. Weiterhin werden gemeinsam mit den<br />
Projekten projektspezifische Dokumentationsbögen entwickelt, die ergänzend zur internen<br />
Falldokumentationen eingesetzt werden <strong>und</strong> regelmäßig Rückmeldung zum Verlauf des<br />
Transferprozesses geben. Neben der späteren Überprüfung der Zielerreichungen der formulierten<br />
Zielerreichungsskalen werden die Projekte außerdem in der Ergebnisevaluation beraten.<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Familien r<strong>und</strong> um die Geburt tatsächlich erreichen – Zugänge<br />
gestalten<br />
„‚Einfach mal eine Stelle, wo man alle Informationen bekommt…‘: Ergebnisse der<br />
Befragungen von Eltern in belastenden Lebenslagen in der Phase r<strong>und</strong> um die Geburt“<br />
Danielle Dobberstein, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg<br />
Im Rahmen von „Ges<strong>und</strong> aufwachsen in Marzahn-Hellersdorf – Modellvorhaben Präventionskette“<br />
wurden Frauen aus dem Bezirk befragt, die sich in der Lebensphase r<strong>und</strong> um die Geburt befanden.<br />
Welche Herausforderungen hält dieser Zeitraum für sie bereit <strong>und</strong> wie gehen sie damit um? Welche<br />
Angebote <strong>und</strong> Unterstützungsmöglichkeiten nutzen sie in ihrem Umfeld? Welche Netzwerke spielen für<br />
sie eine Rolle? Für die Akquise wurden Partner/innen im Bezirk, beispielsweise aus Kinder-, Jugend<strong>und</strong><br />
Familienzentren oder aus dem Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst gewonnen. Auch auf der<br />
Straße wurden leitfragengestützte Interviews mit Frauen durchgeführt, die nicht an Einrichtungen <strong>und</strong><br />
Unterstützungsangebote angeb<strong>und</strong>en waren.<br />
Bei der Befragung standen nicht die repräsentativen Ergebnisse im Vordergr<strong>und</strong>, sondern vor allem<br />
die subjektiven Sichtweisen der Eltern. Aus den Antworten konnte ein vertiefter Einblick in die<br />
Lebensrealitäten von Familien gewonnen werden. Ebenfalls ergaben sich Hinweise auf<br />
Veränderungsmöglichkeiten hinsichtlich der Informations- <strong>und</strong> Angebotsstruktur auf lokaler <strong>und</strong><br />
bezirklicher Ebene.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Zugang zum Netzwerk der Frühen Hilfen durch Hebammen <strong>und</strong> Familienhebammen“<br />
Elke Mattern, Hochschule für Ges<strong>und</strong>heit, Bochum<br />
Hebammen sind Fachfrauen r<strong>und</strong> um Schwangerschaft, Geburt <strong>und</strong> die Zeit danach. Sie arbeiten auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage des Hebammen-Gesetzes, der Berufsordnungen der Länder <strong>und</strong> den<br />
Mutterschaftsrichtlinien. Hebammen sind im Bereich der Frühen Hilfen überwiegend freiberuflich tätig<br />
<strong>und</strong> rechnen Regelleistungen direkt mit der Krankenkasse ab. Dabei arbeiten sie eigenständig<br />
innerhalb eines durch den Gemeinsamen B<strong>und</strong>esausschuss vorgegebenen Leistungskatalogs <strong>und</strong><br />
werden von den Frauen direkt beauftragt. Familienhebammen sind Hebammen mit einer<br />
Zusatzausbildung. Sie sind regional unterschiedlich beim Jugendamt, Ges<strong>und</strong>heitsamt,<br />
Wohlfahrtverbänden oder einer Kommune angestellt oder arbeiten auf Honorarbasis freiberuflich. Ihre<br />
Tätigkeit beginnt in der Schwangerschaft <strong>und</strong> geht bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes.<br />
Dabei arbeiten Familienhebammen mit dem Fachwissen der Hebamme überwiegend auch praktisch<br />
unterstützend mit den (werdenden) Eltern als Case-Managerin oder als Coach. Sie sind von den<br />
Frauen/Eltern gewünscht aber nicht ausschließlich von ihnen beauftragt. Familienhebammen können<br />
Treffen mit niederschwelligem Zugang organisieren, Hausbesuche machen oder die Frauen zu<br />
Terminen bei Mitarbeiter/innen des Ges<strong>und</strong>heits- oder Sozialsystems begleiten. Hebammen <strong>und</strong><br />
Familienhebammen haben per se den Zugang zu den Familien r<strong>und</strong> um die Geburt. Für eine<br />
individuelle Unterstützung der Familien sind sie auf ein Netzwerk <strong>und</strong> funktionierende Überleitungen<br />
angewiesen.<br />
Do 9.30 Uhr<br />
B<strong>und</strong>esinitiative Frühe Hilfen – Probezeit für den regelhaften<br />
Ausbau<br />
Jörg Backes, Mechthild Paul, Alexandra Sann, Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) im Deutschen<br />
Jugendinstitut (DJI), München; Ilona Friedrich, Fachbereich Jugend, Familie, Senioren <strong>und</strong> Soziales,<br />
Werra-Meißner-Kreis; Vertreter/in der Landeskoordinierungsstelle im „Zentrum Frühe Hilfen für<br />
Familien“ im Ministerium für Arbeit <strong>und</strong> Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg<br />
Durch die „B<strong>und</strong>esinitiative Frühe Hilfen“ (§ 3 Abs. 4 KKG) soll der Aus- <strong>und</strong> Aufbau <strong>und</strong> die<br />
Weiterentwicklung der kommunalen Netzwerke Frühe Hilfen sowie der Einsatz von Familienhebammen<br />
<strong>und</strong> vergleichbaren Ges<strong>und</strong>heitsberufen gefördert werden. Darüber hinaus können auch<br />
ehrenamtliche Strukturen in den Frühen Hilfen Gegenstand der Förderung sein. Hierzu hat der B<strong>und</strong><br />
im vergangenen Jahr 30 Millionen Euro, in diesem Jahr 45 Millionen Euro <strong>und</strong> für die Jahre 2014 <strong>und</strong><br />
2015 jeweils 51 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Ausgestaltung der B<strong>und</strong>esinitiative ist in<br />
einer Verwaltungsvereinbarung zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern geregelt. Der B<strong>und</strong> hat dem Nationalen<br />
Zentrum Frühen Hilfen (NZFH) die Koordinierung auf B<strong>und</strong>esebene übertragen. Ebenso haben alle<br />
Länder entsprechende Koordinierungsstellen eingerichtet.<br />
Die B<strong>und</strong>esinitiative Frühe Hilfen soll bis Ende 2015 die Voraussetzungen für einen bedarfsgerechten<br />
kommunalen Ausbau der Frühen Hilfen schaffen. Dieser Prozess wird von der Koordinierungsstelle des<br />
B<strong>und</strong>es wissenschaftlich begleitet. Ziel ist es, die Ergebnisse in einen Bericht an den Deutschen<br />
B<strong>und</strong>estag mit Empfehlungen für die Ausgestaltung eines vom B<strong>und</strong> eingerichteten Fonds zur<br />
dauerhaften Finanzierung der Netzwerke Frühe Hilfen <strong>und</strong> der psychosozialen Unterstützung für<br />
Familien einfließen zu lassen.<br />
Der Workshop beschäftigt sich mit der Umsetzung der B<strong>und</strong>esinitiative auf den unterschiedlichen<br />
Ebenen: B<strong>und</strong>, Länder <strong>und</strong> Kommunen. Unter anderem werden die zentralen Fragestellungen zum<br />
b<strong>und</strong>esweiten Monitoring des Strukturausbaus erörtert. Beispielhaft wird die<br />
Landeskoordinierungsstelle Sachsen-Anhalt präsentieren, wie der Auf- <strong>und</strong> Ausbau der Frühen Hilfen<br />
auf Landesebene konzeptioniert <strong>und</strong> umgesetzt wird. Der Werra-Meißner-Kreis wird darstellen, welche<br />
kommunalen Anstrengungen bereits unternommen wurden, um Frühe Hilfen regelhaft auszubauen,<br />
<strong>und</strong> welche weiteren Entwicklungsschritte nun anstehen.<br />
16
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Regelhafter Ausbau Früher Hilfen aus Sicht einer Kommune“<br />
Ilona Friedrich, Fachbereich Jugend, Familie, Senioren <strong>und</strong> Soziales des Werra-Meißner-Kreises,<br />
Fachbereichsleitung<br />
2006 wurde unter dem Motto „Familie stark machen!“ das Lokale Bündnis für Familie im Werra-<br />
Meißner-Kreis gegründet <strong>und</strong> somit der Gr<strong>und</strong>stein für die Vernetzung <strong>und</strong> den Ausbau der Frühen<br />
Hilfen gelegt. In diesem Kontext etablierte sich die Arbeitsgruppe „Frühe Hilfen“, die das<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen mit der Jugendhilfe vernetzt. Zunächst wurden verlässliche Strukturen für eine<br />
systematische Zusammenarbeit entwickelt, eine gemeinsame Wissensbasis geschaffen <strong>und</strong> das<br />
interdisziplinäre Fallverstehen gefördert. Im Laufe der Jahre ist eine Gesamtkonzeption entstanden<br />
<strong>und</strong> neue Angebote für Familien wurden entwickelt. Damit wurde die Infrastruktur für Familien<br />
nachhaltig verbessert.<br />
Im Fachbereich Jugend, Familie, Senioren <strong>und</strong> Soziales wurde 2008 eine Koordinationsstelle<br />
eingerichtet. Seit Beginn der gemeinsamen Arbeit konnten u.a. ein Willkommenspaket für alle<br />
Neugeborenen <strong>und</strong> ihre Eltern entwickelt <strong>und</strong> eingeführt werden, eine Broschüre „Frühe Hilfen für<br />
Familien im Werra-Meißner-Kreis“ mit der Vorstellung aller Angebote im Bereich Früher Hilfen im<br />
Werra-Meißner-Kreis herausgegeben werden <strong>und</strong> Projekte wie „wellcome“ sowie die Sprechst<strong>und</strong>e für<br />
Schreibabys umgesetzt werden. Seit 2008 sind Familienhebammen im Landkreis tätig. Hiermit konnten<br />
bisher über 120 Familien unterstützt, beraten <strong>und</strong> begleitet werden. Darüber hinaus nimmt der Werra-<br />
Meißner-Kreis seit 2010 am Projekt „Keiner fällt durchs Netz“ des Instituts für Familientherapie der<br />
Universitätsklinik Heidelberg teil.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
„Brücken bauen“ – mit der B<strong>und</strong>esinitiative Frühe Hilfen vom<br />
Wissen in die Praxis<br />
Monika Herrmann, Bezirksstadträtin für Familie, Ges<strong>und</strong>heit, Kultur <strong>und</strong> Bildung in Berlin-<br />
Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg leben im Berliner Vergleich besonders viele Familien mit<br />
geringem Einkommen. Der Bezirk hat innerhalb Berlins den ungünstigsten Sozialindex. Trotz der<br />
schwierigen Finanzlage legt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg seit mehreren Jahren neben dem<br />
notwendigen reaktiven Kinderschutz großen Wert auf die Prävention, insbesondere im Bereich Frühe<br />
Hilfen.<br />
So beteiligt sich z.B. das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg bereits seit mehreren Jahren im Bereich<br />
der Frühen Hilfen an dem Pilotprojekt Familienhebammen der Stiftung „Eine Chance für Kinder“. Hier<br />
konnten Erfahrungen sowohl im Bereich der Chancen <strong>und</strong> Grenzen des Familienhebammeneinsatzes,<br />
als auch bei der Kooperation unterschiedlicher Fachkräfte gesammelt werden.<br />
Auf dem Weg der praktischen Umsetzung der B<strong>und</strong>esinitiative Frühe Hilfen gilt es noch einige<br />
Hindernisse <strong>und</strong> Unwägbarkeiten zu beseitigen. Angefangen bei der noch sehr geringen Anzahl an<br />
bereits ausgebildeten Familienhebammen über die Kriterien zur Auswahl der betreuten Familien bis zu<br />
den notwendigen interdisziplinären Brücken zwischen dem Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> dem Jugendhilfebereich,<br />
die noch dringend (aus-)gebaut werden müssen.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Handlungsbedarfe in der Sexualaufklärung von Jugendlichen<br />
<strong>und</strong> jungen Erwachsenen<br />
„Wünsche <strong>und</strong> Bedarfe von Jugendlichen in Bezug auf außerschulische<br />
sexualpädagogische Angebote. Ergebnisse eines pro familia-Praxis-Forschungsprojektes<br />
zur Entwicklung qualitativer Indikatoren für jugendfre<strong>und</strong>liche Angebote in den<br />
Bereichen der sexuellen <strong>und</strong> reproduktiven Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Rechte“<br />
Sigrid Weiser, pro familia B<strong>und</strong>esverband, Frankfurt am Main<br />
Um herauszufinden, was Jugendliche sich von außerschulischen sexualpädagogischen Angeboten zur<br />
sexuellen <strong>und</strong> reproduktiven Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Rechten wünschen <strong>und</strong> was erfüllt sein muss, damit<br />
solche Angebote für sie passend sind, dass sie verfügbar, akzeptabel, erreichbar <strong>und</strong> partizipativ sind,<br />
hat pro familia 2011 eine wissenschaftlich begleitete Befragung von Jugendlichen durchgeführt.<br />
In der qualitativen Studie wurden 38 Jugendliche aus zwei deutschen Städten befragt. Die soziale<br />
Benachteiligung der Jugendlichen war ein zentrales Auswahlkriterium für das Sample. Damit schloss<br />
man an die Ergebnisse der pro familia Studie zu Schwangerschaften <strong>und</strong> Schwangerschaftsabbruch<br />
bei Minderjährigen an. Sie hatte ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, minderjährig schwanger zu<br />
werden, mit dem Grad der sozialen Benachteiligung steigt.<br />
In dem Endbericht zur Befragung werden 21 Wünsche <strong>und</strong> Bedarfe der befragten Jugendlichen<br />
formuliert, aus denen qualitative Indikatoren entwickelt wurden, an denen sich die Gestaltung<br />
jugendfre<strong>und</strong>licher Angebote ausrichten sollte.<br />
Das Forschungsprojekt ist Teil des internationalen Projektes SAFE II (Sexual Awareness for Europe),<br />
das 2009-2012 von der International Planned Parenthood Federation Europaregion (IPPF EN) mit<br />
Unterstützung der WHO Europa <strong>und</strong> der Europäischen Kommission durchgeführt wurde.<br />
„Jugendsexualität <strong>und</strong> Behinderung – Ergebnisse aus Sachsen“<br />
Sabine Wienholz, Universität Leipzig<br />
Mit der vorliegenden Studie wurde die Jugendsexualitätsstudie der B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Aufklärung erstmalig mit Daten von Jugendlichen mit Körper- <strong>und</strong> Sinnesbehinderungen ergänzt, was<br />
einen Vergleich des Sexual- <strong>und</strong> Verhütungsverhaltens ermöglicht. Zwischen 10/2010 <strong>und</strong> 05/2011<br />
wurden 169 Jungen <strong>und</strong> Mädchen mit Körper- <strong>und</strong> Sinnesbehinderungen in Förderschulen im Alter von<br />
12 bis 18 Jahren befragt. Ein an die Zielgruppe angepasster Fragebogen in leichter Sprache diente als<br />
Erhebungsinstrument. Behinderte Jugendliche werden deutlich seltener als ihre nichtbehinderten<br />
Altersgenossen mit sexualpädagogischen Inhalten in der Schule konfrontiert. Biologisch orientierte<br />
Themen dominieren die schulische Sexualaufklärung. Etwa jeder Vierte der 14- bis 18-jährigen<br />
Jugendlichen mit Behinderung (23 Prozent) verfügt über Erfahrung mit Geschlechtsverkehr, darunter<br />
deutlich mehr Jungen (28 Prozent) als Mädchen (15 Prozent). Bei den nichtbehinderten Jugendlichen<br />
sind 36 Prozent der Jungen <strong>und</strong> 43 Prozent der Mädchen sexuell erfahren. Beim 1. Sex haben mehr<br />
Jugendliche mit Behinderung verhütet als Jugendliche ohne Behinderung. Im weiteren Verlauf jedoch<br />
zeigen nichtbehinderte Jugendliche ein konsequenteres Verhütungsverhalten. Die Erkenntnisse<br />
implizieren die Notwendigkeit einer praxisorientierten <strong>und</strong> behindertenspezifischen Sexualaufklärung<br />
im Förderschulbereich, die frühzeitig begonnen <strong>und</strong> kontinuierlich vermittelt wird. Eine<br />
zielgruppengerechte Aufbereitung der sexualpädagogischen Materialien erscheint dabei unumgänglich,<br />
um einen Beitrag zur Umsetzung der UN-Konventionen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen<br />
sowie zur Prävention ungewollter Schwangerschaften im Jugendalter zu leisten.<br />
18
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
B<strong>und</strong>esweite Initiative zur Prävention des sexuellen Missbrauchs<br />
„B<strong>und</strong>esweite Initiative zur Prävention des sexuellen Missbrauchs“<br />
Oliver Franz, B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (BZgA)<br />
Die B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (BZgA) setzt im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums<br />
für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend (BMFSFJ) seit Ende 2012 bis Ende 2014 eine b<strong>und</strong>esweite<br />
Initiative zur Prävention des sexuellen Missbrauchs von Kindern um. Die Initiative stellt eine<br />
Maßnahme des Aktionsplans 2011 der B<strong>und</strong>esregierung zum Schutz von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen vor<br />
sexueller Gewalt <strong>und</strong> Ausbeutung dar. Sie richtet sich vor allem direkt an Kinder von 8 bis 12 Jahren<br />
<strong>und</strong> begleitend an Eltern, Lehrer/innen <strong>und</strong> Fachkräfte. Eines der zentralen Elemente ist ein<br />
interaktives Theaterstück als erlebbare Veranstaltung, die in den Unterrichtskontext einbezogen <strong>und</strong><br />
mit extra Materialien <strong>und</strong> begleitenden Workshops fachlich vor- wie nachbereitet wird. In Kooperation<br />
mit den B<strong>und</strong>esländern wird es landesweite Aufführungen geben. Dabei geht es darum, Kinder zur<br />
Thematik Missbrauch aufzuklären, sie zu stärken <strong>und</strong> über ihre Rechte zu informieren. Weitere Ziele<br />
des Vorhabens sind die Bekanntmachung von Beratungs- <strong>und</strong> Anlaufstellen <strong>und</strong> die Unterstützung des<br />
Hilfesystems u.a. durch die Vernetzung der Akteure auf lokaler Ebene sowie die Bereitstellung von<br />
Fortbildungsangeboten für pädagogische Fachkräfte <strong>und</strong> die Entwicklung von Präventionsstrategien<br />
auf institutioneller Ebene. Auf diesem Wege trägt die b<strong>und</strong>esweite Initiative gleichzeitig zu einer<br />
Sensibilisierung der Gesellschaft <strong>und</strong> Versachlichung der Gesamtthematik bei.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Präventionsleitfäden zur Früherkennung von Gewalt gegen Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche – Unterstützung nur für die ärztliche Praxis?<br />
„Die Leitfäden der B<strong>und</strong>esländer zur Früherkennung von Gewalt gegen Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche – ein systematischer Vergleich“<br />
Sascha Scheibel, Hochschule Magdeburg-Stendal; Alexandra Lang, Dr. Gabriele Ellsäßer, Landesamt<br />
für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz, Zossen<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Um bei Gewalt gegen Kinder <strong>und</strong> Jugendliche frühzeitig eingreifen zu können, wurden in<br />
enger Zusammenarbeit der Landesverbände der Kinder- <strong>und</strong> Jugendärzt/innen <strong>und</strong> der Techniker<br />
Krankenkasse Leitfäden zur Früherkennung von Gewalt für die kinderärztliche Praxis auf Länderebene<br />
entwickelt. Inzwischen sind überarbeitete Auflagen entstanden, die angesichts eines veränderten<br />
Problembewusstseins verstärkt berufsübergreifende Ansätze beinhalten.<br />
Zielsetzung: Strukturierter Vergleich der Leitfäden, um Standards <strong>und</strong> Beispiele guter Praxis zu<br />
identifizieren<br />
Methode: Leitfäden von 15 B<strong>und</strong>esländern werden anhand von Inhalt, Struktur <strong>und</strong> Nutzerkreis<br />
verglichen <strong>und</strong> in einem zweiten Schritt der Nutzen für die jeweiligen Akteure der Frühen Hilfen<br />
bewertet<br />
Ergebnisse: In fast allen Leitfäden wurden zunächst die verschiedenen Formen von Gewalt definiert<br />
<strong>und</strong> in einem anschließenden Kernteil das diagnostische Vorgehen <strong>und</strong> das Fallmanagement<br />
dargestellt. Große Unterschiede konnten bezogen auf die Adressat/innen <strong>und</strong> den Praxisbezug<br />
festgestellt werden. Die Beispiele guter Praxis unter den Leitfäden zeichnen sich durch eine hohe<br />
Anschaulichkeit (Nutzen von exemplarischen Fällen) <strong>und</strong> einen kooperationsorientierten Ansatz aus.<br />
Schlussfolgerung: Die Systematisierung <strong>und</strong> Optimierung von Leitfäden eröffnet neue Potenziale für<br />
ein frühes <strong>und</strong> professionelles Erkennen von Gewalt.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Der Brandenburger Leitfaden zur Früherkennung von Gewalt bei Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen“<br />
Dr. Gabriele Ellsäßer, Alexandra Lang, Abteilung Ges<strong>und</strong>heit im Landesamt für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Verbraucherschutz (LUGV)<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Seit zehn Jahren unterstützt der Leitfaden zur Früherkennung von Gewalt bei Kindern<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen das Erkennen von Gewalt, das Fallmanagement <strong>und</strong> insbesondere auch die<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Akteuren im Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> der Jugendhilfe.<br />
Die Weiterentwicklung des Leitfadens ist eines der Ziele der Arbeitsgruppe Unfall- <strong>und</strong><br />
Gewaltprävention im Bündnis Ges<strong>und</strong> Aufwachsen des Landes Brandenburg. Herausgeber ist der<br />
Berufsverband der Kinder- <strong>und</strong> Jugendärzt/innen im Land Brandenburg. Der Leitfaden wird in<br />
Zusammenarbeit von Mitgliedern der Arbeitsgruppe (Kinder-<strong>und</strong> Jugendärzt/innen aus Klinik, Praxis,<br />
ÖGD, Ministerien, Landesges<strong>und</strong>heitsamt, Hebammenverband, Frauenhäuser, Fachstelle Kinderschutz<br />
im Land Brandenburg – Start gGmbH) erstellt. Bereits von Anfang an fördert die Techniker<br />
Krankenkasse den Leitfaden <strong>und</strong> die diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Ziel des Beitrages ist es, sowohl die inhaltlichen Schwerpunkte des Leitfadens vorzustellen als auch die<br />
Beweggründe für maßgebliche Veränderungen im Laufe der Zeit deutlich zu machen (derzeit 4.<br />
Auflage).<br />
Zielgruppe <strong>und</strong> Inhalte: Die Früherkennung von körperlicher, seelischer <strong>und</strong> sexueller Gewalt gegen<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sowie von Vernachlässigung, verb<strong>und</strong>en mit einem systematischen<br />
Fallmanagement des kinderärztlichen Versorgungssystems in Klinik <strong>und</strong> Praxis, war von Anfang an<br />
Schwerpunkt des Leitfadens. Die ursprüngliche Zielgruppe der Kinderärzt/innen wurde im Jahr 2007<br />
unter Einbeziehung der Hebammen, dem Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst sowie dem<br />
zahnärztlichen Dienst im Ges<strong>und</strong>heitsamt (2012) <strong>und</strong> der Jugendhilfe selbst auf Akteure im Bereich<br />
der Frühen Hilfen erweitert. Ziel ist einerseits, die Ressourcen dieser Akteure im Rahmen des<br />
Kinderschutzes vorzustellen <strong>und</strong> somit die Zusammenarbeit zu fördern <strong>und</strong> andererseits auch, die<br />
Kooperation mit der Jugendhilfe zu verbessern. Daher werden bei der systematisierten Darstellung<br />
des Fallmanagements dieser Akteure die Schnittstellen zu den anderen Berufsgruppen – explizit zur<br />
Jugendhilfe – herausgearbeitet. Mit dem neuen B<strong>und</strong>eskinderschutzgesetz (BKiSchG), dem Gesetz zur<br />
Kooperation <strong>und</strong> Information im Kinderschutz, wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die<br />
Kooperationen zwischen Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> Jugendhilfe aktualisiert. Darüber hinaus erfolgte eine<br />
weitere Schwerpunktsetzung auf die präventiven <strong>und</strong> familienunterstützenden Hilfesysteme im Land<br />
Brandenburg (Netzwerke Ges<strong>und</strong>e Kinder, die Schwangerenberatungsstellen <strong>und</strong> Frauenhäuser). Auf<br />
ein Adressverzeichnis der Akteure wird inzwischen verzichtet <strong>und</strong> stattdessen über Links auf<br />
Internetadressen in den textlichen Ausführungen zu den Hilfsangeboten verwiesen.<br />
Nutzen für die Praxis: Die Evaluation des ersten Leitfadens im Jahr 2003 konnte zeigen, dass dieser<br />
der kinderärztlichen Praxis nützliche Informationen zum Vorgehen bei Kinderschutzfällen der<br />
kinderärztlichen Praxis zur Verfügung stellt (Ellsäßer & Carteuser 2006). Mit der inhaltlichen<br />
Einbeziehung der fachlichen Expertise von Hebammen, Kinderkliniken, ÖGD <strong>und</strong> der Jugendhilfe<br />
diente der Leitfaden als eine wichtige Gr<strong>und</strong>lage für die sich im Land Brandenburg gründenden<br />
Arbeitsgemeinschaften für den Kinderschutz. Die 2. Auflage im Jahr 2007 von 5000 Exemplaren war<br />
sehr schnell vergriffen <strong>und</strong> führte im Jahr 2009 zu einer erneuten Auflage mit 4000 Exemplaren.<br />
„Gewalt, Vernachlässigung oder Unfall? – Schnittstellen <strong>und</strong> Grauzonen“<br />
Martina Abel, B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e.V.<br />
Im Bereich der Ges<strong>und</strong>heitsdienste <strong>und</strong> der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe gibt es positive Entwicklungen,<br />
wie die Frühen Hilfen oder der Ausbau der Kindertagespflege, die für die Weiterentwicklung der<br />
Verletzungsprävention bei Kindern genutzt werden können. Es werden neue Angebote für junge<br />
Familien geschaffen, bei denen sich die Umsetzenden mit unfall- <strong>und</strong> gewaltbedingten Verletzungen<br />
auskennen müssen. Die Themen „beabsichtigte <strong>und</strong> unbeabsichtigte Verletzungen“ sind im<br />
internationalen Bereich weit weniger getrennt als dies in Deutschland der Fall ist. Seit kurzem rücken<br />
sie aber auch hierzulande zusammen <strong>und</strong> es werden gemeinsame Risikofaktoren für Unfälle <strong>und</strong><br />
Gewalt wie auch umfassende Interventionen thematisiert.<br />
20
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Faktoren, die die Gefährdung für ein Kind steigern, verletzt zu werden – sowohl durch Unfälle wie<br />
auch durch Gewalt –, sind wissenschaftlich nachgewiesen. So erhöhen eine gestörte Eltern-Kind-<br />
Bindung, geringe Erziehungskompetenz, Überforderung, Suchtprobleme <strong>und</strong> psychische Erkrankungen<br />
der Eltern das Risiko, dass ein Kind in der Familie verletzt wird. Zudem zeigt sich, dass es neben<br />
gemeinsamen Risikofaktoren fließende Übergänge zwischen unzureichender elterlicher Aufsicht,<br />
billigendem Inkaufnehmen von gefährlichen Situationen <strong>und</strong> gezielter Aggression gibt.<br />
Das Wissen um Unfall- <strong>und</strong> Gewaltmechanismen ist für die Prävention elementar. Besonders<br />
zielführend ist ein integriertes Herangehen bei der Entwicklung von Bedingungen für ein ges<strong>und</strong>es,<br />
sicheres <strong>und</strong> gewaltfreies Aufwachsen.<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Zugänge zu Bewegung <strong>und</strong> Sport!<br />
„Bewegungsförderung – wichtigster Baustein in der Unfallprävention“<br />
Annette Kuhlig, Unfallkasse Berlin<br />
Bewegungsarmut <strong>und</strong> Überbehütung haben vielfältige Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern.<br />
Ein Aspekt ist dabei die unzureichend ausgeprägte Bewegungskoordination, die bei der<br />
Unfallprävention eine entscheidende Rolle spielt. Die meisten Unfälle in Kitas <strong>und</strong> Schulen ereignen<br />
sich beim Spielen <strong>und</strong> Sport treiben. Hier gelingt es den Kindern häufig nicht, rechtzeitig zu reagieren,<br />
auszuweichen oder geschickt zu fallen. Die Folgen sind so meist schwerwiegender als auf Gr<strong>und</strong> des<br />
Unfallhergangs gedacht. Viele Kinder haben heute darüber hinaus wenige Möglichkeiten, sich selbst zu<br />
testen <strong>und</strong> von Fehlern zu lernen. Sie werden frühzeitig gehindert, ihre Grenzen zu erfahren <strong>und</strong> so<br />
Selbstsicherheit <strong>und</strong> Risikobewusstsein aufzubauen. Dabei können gerade durch vielfältige<br />
Bewegungserfahrungen auch viele soziale Kompetenzen entwickelt werden.<br />
Kitas <strong>und</strong> Schulen tragen hier eine große Verantwortung. Durch breite Bewegungsangebote in<br />
unterschiedlichen Zusammenhängen kann man nicht nur dem Bewegungsbedürfnis der Kinder gerecht<br />
werden, sondern das sich daraus ergebene große Entwicklungspotential für die körperliche, geistige<br />
<strong>und</strong> soziale Entwicklung nutzen. In der Unfallprävention geht es also in erster Linie darum,<br />
Hemmnisse für mehr Bewegung abzubauen. Die Barrieren dafür bestehen nicht so sehr in technischen<br />
Mängeln – hier hat Deutschland einen sehr guten Stand – sondern in den Köpfen der Erwachsenen.<br />
„Das Rezept für Bewegung“<br />
Anna Koch, Deutscher Olympischer Sportb<strong>und</strong> (DOSB), Frankfurt am Main<br />
Der ges<strong>und</strong>heitsorientierte Sport in den Vereinen blickt in den vergangenen Jahren auf eine<br />
quantitativ wie qualitativ positive Entwicklung zurück. So wurde mit dem Qualitätssiegel SPORT PRO<br />
GESUNDHEIT ein Instrument der Qualitätssicherung für ges<strong>und</strong>heitsorientierte Sportangebote<br />
entwickelt, das Menschen ansprechen soll, die sich lange bzw. bisher noch nie bewegt haben. Um die<br />
Zielgruppe der Nichtbeweger/innen noch differenzierter anzusprechen, wollen wir Ärzt/innen stärker<br />
einbinden, da sie einen direkten Zugang zur relevanten Zielgruppe haben, eine Beratung zu Bewegung<br />
durchführen <strong>und</strong> auf geeignete Angebote in den Vereinen verweisen können.<br />
Hierfür wurde 2011 ein b<strong>und</strong>esweit einheitliches Rezept für Bewegung gemeinsam vom Deutschen<br />
Olympischen Sportb<strong>und</strong> (DOSB), B<strong>und</strong>esärztekammer (BÄK) <strong>und</strong> der Deutschen Gesellschaft für<br />
Sportmedizin <strong>und</strong> Prävention (DGSP) entwickelt. Mit dem Rezept für Bewegung kann die Ärztin/der<br />
Arzt die Empfehlung („Mehr Bewegung ist gut für Ihre Ges<strong>und</strong>heit“) mit einem konkreten Angebot<br />
unterlegen. Sie können auf dem von uns vorbereiteten Rezeptformular ein SPORT PRO GESUNDHEIT<br />
Angebot mit einem ausgewiesenen Schwerpunkt, wie z.B. Herz-Kreislauf oder Muskel-Skelett-System,<br />
empfehlen <strong>und</strong> weitere notwendige Hinweise an die Übungsleitung einfügen.<br />
Wichtiger Hinweis: Das Rezept für Bewegung erlässt keine Kurs- oder Vereinsgebühren.<br />
Ges<strong>und</strong>heitsorientierte Sportangebote, die mit dem Siegel SPORT PRO GESUNDHEIT ausgezeichnet
Kurzfassung der Beiträge<br />
sind, können von den Krankenkassen bezuschusst werden. Die Ausstellung des Rezeptes ist eine<br />
freiwillige Leistung der Ärztin/des Arztes <strong>und</strong> nicht zur Abrechnung vorgesehen. Es ist keine Leistung<br />
des deutschen Ges<strong>und</strong>heitswesens <strong>und</strong> mit herkömmlichen Rezepten nicht vergleichbar. Es besteht<br />
keine Verbindlichkeit für Ärztin/Arzt, Patientin/Patient <strong>und</strong> Krankenkasse. Zurzeit wird das Rezept für<br />
Bewegung in zehn B<strong>und</strong>esländern umgesetzt: Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen,<br />
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland Pfalz, Schleswig Holstein <strong>und</strong> Thüringen. Mit dem<br />
Rezept für Bewegung werden vorwiegend die über 19.000 SPORT PRO GESUNDHEIT-Angebote<br />
empfohlen.<br />
Der DOSB hat ein Materialpaket für die Landessportbünde entwickelt, das zurzeit aus einem<br />
Rezeptformular, einem Plakat, den Nutzungsbedingungen, einer Ausfüllhilfe für Landessportbünde <strong>und</strong><br />
Ärzt/innen sowie einer technische Gestaltungsanleitung besteht. Die kontinuierliche Weiterentwicklung<br />
des Materialpakets zum Rezept für Bewegung sowie weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der<br />
Zusammenarbeit zwischen dem organisierten Sport <strong>und</strong> der Ärzteschaft erarbeitet eine Arbeitsgruppe<br />
bestehend aus Vertreter/innen des organisierten Sports <strong>und</strong> der Ärzteschaft.<br />
„Bewegung fördern in Kitas – Beispiel Bewegungskindergärten in NRW“<br />
Angela Buchwald-Röser, Landessportb<strong>und</strong> Nordrhein-Westfalen, Duisburg<br />
Die B<strong>und</strong>esvereinigung Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung e.V. hebt hervor, dass<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung für Kinder ein selbstverständlicher Teil des Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungsauftrages<br />
werden muss. Zuständigkeiten <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten zwischen B<strong>und</strong>, Ländern, Kommunen <strong>und</strong><br />
privaten Trägern müssen sichtbarer werden <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlich fördernde Konzepte wirkungsvoll <strong>und</strong><br />
auf Nachhaltigkeit angelegt werden. Landessportb<strong>und</strong> (LSB) <strong>und</strong> Sportjugend NRW haben das Thema<br />
„Ges<strong>und</strong>es Aufwachsen von Kindern in ihren Lebensorten“ im Rahmen ihrer Programme „NRW bewegt<br />
seine KINDER!“ sowie „GESUND bleiben in NRW!“ verankert, u. a. als nachhaltigen Beitrag zur<br />
Vermeidung sozialbedingter Ungleichheit von Bildungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitschancen. Dafür kooperiert der<br />
LSB NRW mit Landesregierung, gesetzlichen Krankenkassen sowie Wirtschaftspartnern in NRW.<br />
Das Projekt „Anerkannter Bewegungskindergarten mit dem Pluspunkt Ernährung“ zeigt einen<br />
lohnenswerten Ansatz auf. Hierzu wurde das Handlungsprogramm „Anerkannter<br />
Bewegungskindergarten“ zur Zusammenarbeit von Sportvereinen <strong>und</strong> Kitas weiterentwickelt. Die<br />
erprobten Konzepte zur ganzheitlichen Bewegungsförderung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong> Essen <strong>und</strong> Trinken in Kitas<br />
sind zusammengeführt worden <strong>und</strong> verfolgen gemeinsam die Hauptzielsetzungen: Übergewicht <strong>und</strong><br />
Adipositas entgegen zu wirken, sozial benachteiligte Kinder/Familien zu unterstützen <strong>und</strong> Kinder mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> verstärkt zu fördern. Ergebnisse zeigen u. a., dass sich bei 90 Prozent der<br />
beteiligten Kitas der Alltag ges<strong>und</strong>heitsfördernder verändert hat.<br />
„Der Einfluss der Familie auf ges<strong>und</strong>heitsbezogenes Sporttreiben“<br />
Dr. Christina Niermann, Universität Konstanz<br />
Das Ges<strong>und</strong>heitsverhalten eines Menschen ist zunächst etwas Individuelles <strong>und</strong> wird u.a. von<br />
persönlichen Kognitionen, Motiven <strong>und</strong> Affekten determiniert. Menschliches Verhalten bzw. individuelle<br />
Verhaltensdeterminanten entwickeln sich jedoch nicht in einem Vakuum: der Mensch als zeitlebens<br />
soziales Wesen wird von seinem sozialen Umfeld geprägt. Einer der wichtigsten sozialen<br />
Einflussfaktoren ist das familiäre Umfeld. Der Familienalltag beinhaltet z.B. geteilte Werthaltungen,<br />
gemeinsame Interpretationsmuster sowie Verhaltensgewohnheiten <strong>und</strong> vermag somit nachhaltig<br />
individuelle Verhaltensdeterminanten zu formen sowie direkt das Ges<strong>und</strong>heitsverhalten des Einzelnen<br />
zu beeinflussen.<br />
Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit Einflüssen der Familie auf das Aktivitätsverhalten, untersucht<br />
wird z.B. der Einfluss von sozialer Unterstützung. Familiäre Einflüsse sind jedoch komplex <strong>und</strong> es<br />
mangelt an theoretischen Modellen, die diese Einflüsse erklären. Familiäre Beziehungen <strong>und</strong><br />
Interaktionen sind wechselseitig aufeinander bezogen, die Familie dürfte damit das<br />
ges<strong>und</strong>heitsbezogene Sporttreiben aller Mitglieder prägen, wobei nicht nur unidirektionale sondern<br />
22
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
vielmehr reziproke Wirkrichtungen anzunehmen sind. Familie ist mehr als die Summe von<br />
Einzelpersonen – dieser Ansatz wird in einem neuen Konstrukt, dem ges<strong>und</strong>heitsbezogenen<br />
Familienklima, aufgegriffen. Insgesamt bedarf es zukünftig einer stärker systemischen Betrachtung<br />
von familiären Einflüssen sowie entsprechender empirischer Studien.<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Kinder stark machen – Ressourcenorientierung in den<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Kindheitswissenschaften<br />
Prof Dr. Raim<strong>und</strong> Geene, Prof. Dr. Beatrice Hungerland, Prof. Dr. Michael Kl<strong>und</strong>t, Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal; Claudia Höppner, Johanna Kloss, Susanne Borkowski, KinderStärken e.V.,<br />
Stendal; Dr. Frank Lehmann, B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (BZgA), Köln; Prof. Dr.<br />
Anne Wihstutz, Evangelische Hochschule Berlin; Prof. Dr. Detlef Pech, Humboldt Universität zu Berlin;<br />
Friedericke Hähnel, Kreisjugendring Spree-Neiße e.V., Forst (Lausitz); Dr. Antje Richter-Kornweitz,<br />
Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V., Hannover;<br />
Romy Schulze, Universität zu Köln; Dr. Theodor Petzold, Verlag für ges<strong>und</strong>e Entwicklung, Bad<br />
Gandersheim; Dr. Christa Preissing, Internationale Akademie (INA) für innovative Pädagogik,<br />
Psychologie <strong>und</strong> Ökonomie, Berlin<br />
In den Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften wurde mit der Ottawa-Charta zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung 1986 ein<br />
Paradigmenwechsel eingeleitet: von einer Fixierung auf Krankheit (Pathogenese) hin zur Betrachtung<br />
von Ges<strong>und</strong>heit (Salutogenese), von der Defizit- zur Ressourcenorientierung. Auch in verschiedenen<br />
fachlichen Disziplinen der Kindheitswissenschaften vollziehen sich analoge Prozesse. Diese verlaufen<br />
ebenso wie in vielen ges<strong>und</strong>heitsrelevanten Handlungsfeldern durchaus nicht frei von Spannungen.<br />
Ohne einen Sozialisationsprozess in Frage stellen zu wollen, grenzt sich die neue Soziologie der<br />
Kindheit von Sozialisationstheorien ab, die Kinder vorrangig als werdende/zukünftige Mitglieder der<br />
Gesellschaft betrachten. Kinder werden stattdessen aus einer subjektorientierten Perspektive in ihrer<br />
Gegenwärtigkeit als vollwertige gesellschaftliche Gruppe <strong>und</strong> als Akteure ihres Lebens gesehen, ohne<br />
dabei die gesellschaftlich gesetzten Grenzen, in denen Kinder sich bewegen, aus den Augen zu<br />
verlieren.<br />
Die Allgemeine Pädagogik bewegt sich in einem Spannungsfeld von „Bildung als Investition in als<br />
Humankapital verstandene Kinder“ <strong>und</strong> der „Schaffung von Bedingungen, die Kindern beste<br />
Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung“ bieten. Während lange Zeit die Qualifikation <strong>und</strong> somit<br />
die Verwertbarkeit von Bildungsprozessen im Zentrum pädagogischen Handelns stand, fragen neuere<br />
subjektorientierte Ansätze nach dem Gewinn für die Person des oder der Lernenden. Im schulischen<br />
Bereich sind mit Partizipation, der Stärkung von Gemeinschaftsaktionen sowie einer Öffnung in den<br />
Sozialraum inklusive einer Vernetzung mit anderen Institutionen ressourcenorientierte Ansätze<br />
vorhanden, die aber bislang nicht konsequent umgesetzt werden.<br />
Neuere Ansätze der Kinderarmutsforschung nehmen Kinder als eigenständige Subjekte wahr, als von<br />
<strong>Armut</strong> Betroffene <strong>und</strong> <strong>Armut</strong> Bewältigende, anstatt sie lediglich als Angehörige armer Haushalte <strong>und</strong><br />
als Auslöser von familiären <strong>Armut</strong>slagen zu betrachten. Zunehmend rekurriert die<br />
Kinderarmutsforschung auf ressourcen- <strong>und</strong> potenzialorientierte Konzepte, insbesondere auf<br />
Salutogenese, Resilienzförderung sowie den Capability Approach. Möglichkeiten der <strong>Armut</strong>sprävention<br />
werden aber weiterhin auch in gesellschaftspolitischer Verantwortung verortet; Staat <strong>und</strong> Gesellschaft<br />
können nicht aus der Pflicht entlassen werden, gerechte(re) Lebensbedingungen für alle Kinder zu<br />
schaffen.<br />
„Ressourcen- <strong>und</strong> Resilienzperspektive vs. Repolitisierung der Kinderarmutsforschung?“<br />
Prof. Dr. Michael Kl<strong>und</strong>t, Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Manche mögen mutmaßen, dass Ressourcenorientierung <strong>und</strong> Resilienzansatz in der<br />
Kinderarmutsforschung zu sehr gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen aus dem Auge zu
Kurzfassung der Beiträge<br />
verlieren drohen zugunsten einer Individualisierung sozialer Probleme. Dem kann durch eine<br />
Repolitisierung der Kinderarmutsforschung abgeholfen werden. Sie geht davon aus, dass auch das<br />
politische, wissenschaftliche <strong>und</strong> publizistische Reden über Arme (Kinder <strong>und</strong> Familien) einen Teil der<br />
gesellschaftspolitischen Polarisierungs-Problematik ausmacht <strong>und</strong> auf Ressourcen <strong>und</strong> Resilienz wirkt.<br />
Außerdem besteht – entgegen der Individualisierungsprämisse – gerade ein wichtiger Resilienzfaktor<br />
darin, sich den eigenen Hilfebedarf einzugestehen, Hilfe zu holen <strong>und</strong>/oder Hilfe von anderen<br />
annehmen zu können. Genau entgegen der weit verbreiteten Ellenbogen-Ideologie sogenannter<br />
Eigenverantwortung bestehen das Ressourcen- <strong>und</strong> das Resilienzkonzept gerade nicht darin, das<br />
individuelle Ertragen unerträglicher Zustände zu propagieren. Vielmehr geht es darum, subjektive<br />
Stärken zu ermitteln sowie individuelle <strong>und</strong> kollektive Bewältigungspraxen zu analysieren, die zur<br />
Veränderung widriger Handlungsbedingungen beitragen können.<br />
24
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Ältere Menschen<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong> im Alter durch politisches Engagement?<br />
Aktivist/innen diskutieren mit Publikum <strong>und</strong> Wissenschaft<br />
„Zum Zusammenhang von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> politischer Aktivität“<br />
Prof. Dr. Josefine Heusinger, HS Magdeburg/Institut für Gerontologische Forschung Berlin<br />
Macht politische Aktivität im Alter ges<strong>und</strong>? Das viel beschworene „aktive Altern“ soll zu Zufriedenheit<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit im Alter beitragen. Gemeinhin wird dabei jedoch nicht an politisches Engagement<br />
gedacht, sondern an Sport <strong>und</strong> Bewegung. Dabei gilt als wissenschaftlich belegt, dass die Chancen auf<br />
eine gute Ges<strong>und</strong>heit bzw. erfolgreiche Bewältigung von Krankheit sich mit der Stärke des<br />
Selbstbewusstseins, der Kontrollüberzeugungen <strong>und</strong> Selbstwirksamkeit erhöhen (Tesch-Römer &<br />
Wurm 2009). Antonowsky (1997) führte hierfür den Begriff des Kohärenzgefühls ein. Menschen, die<br />
sich selbst als einflussreich auf ihre Lebensgestaltung wahrnehmen, unterliegen demzufolge einem<br />
geringeren Krankheits- <strong>und</strong> Sterberisiko als Menschen mit weniger ausgeprägter Selbstwirksamkeit.<br />
Dabei bestehen enge Zusammenhänge zur sozioökonomischen Lage: Wiederholte Erfahrungen von<br />
minimalen Handlungsspielräumen oder Ohnmacht, wie sie sozial Benachteiligte häufiger machen<br />
müssen, führen vermehrt zu schwächeren Kontrollüberzeugungen (Bosma 2008). Vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> dieser Erkenntnisse zum Zusammenhang von Selbstwirksamkeit, sozialer Vernetzung <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit werden einleitend zur Podiumsdiskussion Überlegungen zu einem möglichen<br />
Zusammenhang von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> politischer Aktivität vorgestellt.<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong> älter werden in ländlichen Lebensräumen<br />
„Umsetzung eines Empowerment-Projektes zum Thema ges<strong>und</strong>e Ernährung bei Senioren<br />
– Genießer Oberpfalz“<br />
Jana Rüter, Susanne Brandstetter, Janina Curbach, Megan McCool, Julika Loss, Institut für<br />
Epidemiologie <strong>und</strong> Präventivmedizin, Regensburg<br />
Viele Menschen verfügen über Gr<strong>und</strong>wissen zu ges<strong>und</strong>er Ernährung, setzen es aber nicht in<br />
alltagsrelevantes Verhalten um. Das Projekt „GEniESseR Oberpfalz“, gefördert durch das BMBF,<br />
untersucht, ob der sog. Empowerment-Ansatz das Ernährungsverhalten von Senior/innen in ländlichen<br />
Gemeinden verbessern kann. Empowerment ist ein Prozess, in dem Individuen in Gruppen ermächtigt<br />
werden, durch individuelles <strong>und</strong> kollektives Handeln ihr Verhalten <strong>und</strong> ihr Lebensumfeld zu verändern.<br />
Der Empowerment-Ansatz ist in der Ges<strong>und</strong>heitsförderung bewährt, zum Thema Ernährung aber<br />
bislang noch nicht zur Anwendung gekommen. Im Beitrag soll vorgestellt werden, wie sich<br />
Empowerment im Zusammenhang mit Ernährung umsetzen lässt.<br />
In einer Pilotgemeinde wurde eine Seniorengruppe mit 8-12 Teilnehmerinnen initiiert, die sich seit<br />
April 2012 wöchentlich trifft. Ziel ist, dass die Seniorinnen bedürfnisgerechte Projekte selbst<br />
entwickeln <strong>und</strong> langfristig umsetzen. In der Anlaufphase wurden Einzelinterviews mit den<br />
Teilnehmerinnen (n=7) geführt <strong>und</strong> qualitativ mittels Inhaltsanalyse ausgewertet.<br />
Als Gründe für ihre Teilnahme nannten die Teilnehmerinnen ein ausgeprägtes Interesse an ges<strong>und</strong>er<br />
Ernährung <strong>und</strong> den Wunsch, ihr Wissen zu erweitern <strong>und</strong> auszutauschen. Dementsprechend<br />
erwarteten sie einen typischen Ernährungskurs <strong>und</strong> reagierten zunächst kritisch darauf, dass sie selbst<br />
aktiv werden sollten. Die wichtigsten Ernährungsthemen für die Teilnehmerinnen sind<br />
verhältnisbezogen: Verbraucherschutz <strong>und</strong> regionales Lebensmittelangebot. Diese Themen finden sich<br />
immer wieder in den vorgeschlagenen Projektideen (z.B. öffentlicher Schrebergarten). Ein weiteres<br />
Anliegen ist der Umgang mit der sich verändernden Lebenssituation im Alter. Die konkreten<br />
Vorschläge beziehen sich allerdings auf Projekte, von denen nicht die Seniorinnen selbst, sondern<br />
andere Zielgruppen profitieren würden (z.B. Kochen für Kinder).<br />
Die ersten Ergebnisse zeigen, dass Seniorinnen besonders an verhältnisbezogenen Ernährungsthemen<br />
ein großes Interesse haben. Dies ist umso bemerkenswerter, da die meisten Teilnehmerinnen eine<br />
klassische Schulung zum Ernährungsverhalten erwartet hatten. Ihre Projektideen bieten interessante<br />
Ansatzpunkte für die Umsetzung gemeindenaher Ges<strong>und</strong>heitsförderung.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Lebensqualität <strong>und</strong> Erinnerung in dörflichen Gemeinschaften“<br />
Prof. Dr. Thomas Elkeles, Jens A. Forkel, Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Pflege, Management<br />
Mit dem Vorhaben Lebensqualität <strong>und</strong> Erinnerung in dörflichen Gemeinschaften (LETHE) will der<br />
Fachbereich Ges<strong>und</strong>heit, Pflege, Management der Hochschule Neubrandenburg ein innovatives Modell<br />
des Approaches älterer <strong>und</strong> alter Menschen in kleinen <strong>und</strong> kleinsten Gemeinden entwickeln <strong>und</strong> mit<br />
Partnern aus der Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> der Kulturwirtschaft entwickeln <strong>und</strong> erproben. Im<br />
Mittelpunkt steht dabei die Verbindung von kulturellen, regionalpolitischen <strong>und</strong> Akteuren der<br />
Ges<strong>und</strong>heitswirtschaft im Moment der Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte <strong>und</strong> der Etablierung<br />
bzw. Belebung von Gemeindezentren <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Gate-Keeper-Funktion für<br />
Maßnahmen der Ges<strong>und</strong>heitsförderung. Damit erhoffen sich die Antragsteller, einen wichtigen Beitrag<br />
sowohl zu einem zentralen Problem der Daseinsfürsorge in ländlichen Regionen (Erreichbarkeit) <strong>und</strong><br />
zur Klärung der ges<strong>und</strong>heitswissenschaftlichen Fragestellung der Selbstwirksamkeit in sozialen<br />
Netzwerken leisten zu können.<br />
Im Anschluss an bisherige Forschungsergebnisse des Antragstellers zur ges<strong>und</strong>heitlichen Situation in<br />
ländlichen Regionen, die eine zunehmende territoriale Ungleichheit vermuten ließen (Elkeles et al.<br />
2010), sollen mit der Modellbildung eines soziokulturellen Zuganges die bestehenden Maßnahmen der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung optimiert <strong>und</strong> Potentiale für eine verbesserte Lebensqualität in den<br />
ausgewählten Orten ausgeschöpft werden.<br />
In der alternden Struktur der Dörfer, sind mit der Erforschung dieser sozialer Gegebenheiten<br />
Anwendbarkeiten <strong>und</strong> Entwicklungsstrategien in der Ges<strong>und</strong>heitsförderung möglich, die über die<br />
unmittelbare Prävention riskanter Lebensweisen <strong>und</strong> Umweltbedingungen hinausgehen, da in<br />
ländlichen Gemeinschaften die Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln auch in der Voraussetzung zu<br />
gemeinsamen Reden liegt – die eben in der Vergangenheit geschaffen oder verloren wurde. Die<br />
Initiierung von Engagement liegt damit vielleicht nicht in ‚Zukunftswerkstätten‘ sondern in<br />
‚Geschichtswerkstätten‘.<br />
„Das Bündnis Ges<strong>und</strong> Älter werden im Land Brandenburg – Auf dem Weg zu<br />
Ges<strong>und</strong>heitszielen im Flächenland“<br />
Holger Kilian, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg (Fachstelle Ges<strong>und</strong>heitsziele im Land Brandenburg)<br />
In einem Flächenland wie Brandenburg mit seinen ländlichen Lebensräumen haben besonders ältere<br />
Menschen mit den Herausforderungen einer schwachen Infrastruktur, z.B. in den Bereichen Mobilität,<br />
ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung <strong>und</strong> Kultur zu kämpfen. Diese Aspekte wirken sich auf unterschiedliche<br />
Lebensbereiche wie Ges<strong>und</strong>heit, Mobilität, Teilhabe, Selbstorganisation oder Engagement aus. Aber<br />
auch kommunale Akteure sehen sich zunehmend diesen Herausforderungen gegenüber <strong>und</strong><br />
müssen/wollen handeln.<br />
Die Landesregierung hat das Thema frühzeitig erkannt. Neben der Formulierung Seniorenpolitischer<br />
Leitlinien <strong>und</strong> einem entsprechenden Maßnahmenpaket wurde im März 2012 das Bündnis Ges<strong>und</strong><br />
Älter werden im Land Brandenburg gegründet. Das als Landesges<strong>und</strong>heitszieleprozess konzipierte<br />
Bündnis schließt Akteure unterschiedlicher Handlungsfelder <strong>und</strong> Ressorts zusammen, um sich<br />
gemeinsam für ein ges<strong>und</strong>es <strong>und</strong> aktives Älterwerden stark zu machen.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Pflegebedürftigkeit, Behinderung <strong>und</strong> Teilhabeansprüche in<br />
der sozialpolitischen Diskussion<br />
„Betreuung statt Teilhabe? – Das Verhältnis von Leistungen in der Pflegeversicherung zu<br />
denen der Teilhabe“<br />
Prof. Dr. Thomas Klie, AGP Alter. Gesellschaft. Partizipation. Institut für angewandte Sozialforschung,<br />
Freiburg<br />
26
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Lassen sich Leistungen der Pflege mit der sozialen Teilhabe trennscharf gegeneinander abgrenzen?<br />
Welche Rolle <strong>und</strong> Funktionen kommen den neuen Betreuungsleistungen im SGB XI in diesem<br />
Zusammenhang zu? Führt der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff zu einer Erklärung oder zu einer<br />
Perpetuierung von Abgrenzungs- <strong>und</strong> Schnittstellenproblemen? Diesen Fragen wird in dem Beitrag<br />
nachgegangen <strong>und</strong> eine Perspektive entwickelt, die einen neuen Gr<strong>und</strong>gedanken, dem der<br />
Differenzierung von care <strong>und</strong> cure folgt, vorgestellt. Nur eine Strukturreform von Teilhabe <strong>und</strong> Pflege<br />
wird in der Lage sein, die Abgrenzungs-, aber auch die Versorgungsprobleme zu lösen. Die<br />
Differenzierung in cure <strong>und</strong> care bietet hierfür einen analytisch <strong>und</strong> strategisch belastbaren Ansatz.<br />
„Die Pflegeversicherung <strong>und</strong> die Reform des Teilhaberechts“<br />
Dr. Harry Fuchs, Rehawissenschaftler, Düsseldorf<br />
Pflegebedürftige sind auch behinderte Menschen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
(BRK), des SGB IX <strong>und</strong> der ICF. Für sie können sowohl Leistungen zur Teilhabe wie zur Pflege<br />
notwendig sein. Das Sozialrecht geht nicht von einer ganzheitlichen Sicht des pflegebedürftigen,<br />
behinderten Menschen aus, sondern bindet die Leistungen einerseits an einen nach der Art des<br />
Bedarfs verpflichteten Leistungsträger, andererseits an die Ausführung in einer spezifischen<br />
Einrichtung (Pflege-/Behinderteneinrichtung).<br />
Die BRK enthält Pflichten, die künftig die Gestaltung des deutschen Sozialrechts für pflegebedürftige<br />
<strong>und</strong> behinderte Menschen prägen müssen, u.a.:<br />
aus den Gr<strong>und</strong>sätzen nach Art 3 BRK u.a. die Achtung der individuellen Autonomie,<br />
einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, die volle <strong>und</strong> wirksame Teilhabe<br />
an der Gesellschaft <strong>und</strong> Einbeziehung in die Gesellschaft<br />
das Verbot jedweder Diskriminierung wegen einer Behinderung (Art. 5)<br />
das Verbot erniedrigender Behandlung (Art. 15)<br />
die Freiheit von Gewalt, Ausbeutung <strong>und</strong> Missbrauch (Art 16)<br />
das Recht auf uneingeschränkte Wahl des Aufenthaltsortes (Art.19)<br />
den Anspruch auf persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit (Art. 20),<br />
die Achtung der Privatsphäre (Art. 22) <strong>und</strong> der Wohnung (Art. 23)<br />
die Sicherung einer unentgeltlichen oder erschwinglichen Ges<strong>und</strong>heitsversorgung sowie der<br />
Prävention bei älteren Menschen.<br />
Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erstreckt sich deshalb nicht nur auf eine Reform<br />
des Teilhaberechts, sie erfordert auch eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Dabei müssen<br />
die Reformdiskussionen der Pflegeversicherung, der Eingliederungshilfe <strong>und</strong> des SGB IX im Kontext<br />
geführt werden, um die systematischen Schwächen des gegliederten Systems zu beseitigen <strong>und</strong><br />
pflegebedürftigen Menschen eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unabhängig vom<br />
Aufenthaltsort, der Zuständigkeit eines Trägers oder der Art der Versorgung zu sichern.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Hergekommen <strong>und</strong> geblieben: Ges<strong>und</strong>heit, Ehrenamt, Pflege<br />
– Zukunftsperspektiven älterer Zuwanderer<br />
„Empowerment bei älteren Zuwanderern am Beispiel des Neuköllner Projektes ‚Potentiale<br />
sichtbar machen!‘“<br />
Ulrika Zabel, Julia Pankratyeva, Kompetenz-Zentrum Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe, Berlin<br />
Das Pilotprojekt „Potentiale sichtbar machen“ hat zum Ziel, die Partizipation russischsprachiger, älterer<br />
Zuwander/innen in den kommunalen Ehrenamtsstrukturen zu befördern <strong>und</strong> zu befähigen, ihre<br />
Lebenserfahrungen <strong>und</strong> Ideen selbst einzubringen <strong>und</strong> umzusetzen.<br />
Das Projekt ist ein Pilotprojekt in einem bisher wenig bearbeiteten Bereich, dem ehrenamtlichen<br />
Engagement von älteren Zuwanderer/innen. Im Fokus des Projektes stehen die Sozialkommissionen,<br />
eine Berliner Besonderheit. Das Ziel der Arbeit in den Sozialkommissionen ist, Vereinsamung <strong>und</strong><br />
Isolation bereits im Vorfeld durch Kontakte zu mindern <strong>und</strong> die Nachbarschaft als einen auch im Alter<br />
aktivierenden Lebensmittelpunkt erfahrbar zu machen. Diese Zielsetzung entspricht den Vorstellungen
Kurzfassung der Beiträge<br />
nachbarschaftlichen Zusammenlebens älterer Zuwander/innen, jedoch wurde auf die vorhandenen<br />
Potentiale nicht zurückgegriffen. Durch den bestehenden Kontakt des KompetenzZentrums<br />
Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe zum Interkulturellen Treffpunkt des Gemeinschaftshauses<br />
Gropiusstadt Berlin-Neukölln konnten schnell interessierte ältere Zuwander/innen gewonnen werden.<br />
Langjährige aktive Mitglieder der Sozialkommissionen wurden von der Kommune angesprochen, um<br />
ihre Erfahrungen mit der Arbeit einzubringen.<br />
Das selbstverständliche Verständnis der einheimischen Mitarbeiter/innen, dass nur die älteren<br />
Zuwander/innen lernen müssen, stellte alle Beteiligten auf die Probe. Eine wichtige Lernkomponente<br />
dabei war, die gegenseitige Anerkennung von Erfahrungen.<br />
„Die Amtssprache ist immer noch Deutsch – Wie offen <strong>und</strong> umfassend beraten die<br />
Pflegestützpunkte in Berlin <strong>und</strong> Brandenburg?“<br />
Prof. Dr. Ingrid Kollak, Stefan Schmidt, Alice Salomon Hochschule Berlin<br />
Sprachliche Barrieren werden oft als zentrales Hemmnis für eine „Öffnung sozialer Dienste“ gesehen.<br />
Diese Problemdefinition ist verkürzt, wie wir durch eine Studie herausgef<strong>und</strong>en haben. In dieser<br />
haben wir nach multikulturellen Beratungsangeboten von Berliner <strong>und</strong> Brandenburger<br />
Pflegestützpunkten gefragt. Alle 45 zurzeit in Berlin <strong>und</strong> Brandenburg existierenden Pflegestützpunkte<br />
wurden erreicht.<br />
Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass der Bedarf an multikulturellen Angeboten falsch<br />
eingeschätzt wird. Die befragten Pflegeberater/innen bek<strong>und</strong>eten eine ganz unterschiedliche Einsicht<br />
für dieses Thema <strong>und</strong> die damit einhergehenden Aufgaben. Das Repertoire der Antworten reichte von<br />
offen aggressiv <strong>und</strong> abweisend bis hin zu zugewandt <strong>und</strong> hilfreich. Wir haben die Ergebnisse typisiert<br />
nach Antworten die (1) völliges Unverständnis <strong>und</strong> Ablehnung ausdrücken, (2) bei denen<br />
Unverständnis/Gleichgültigkeit existiert <strong>und</strong> ein Verweis auf andere Angebote gemacht wird, (3) es ein<br />
allgemeines Verständnis gibt sowie (4) ein Verständnis existiert, das mit einem konkreten<br />
Lösungsvorschlag einhergeht.<br />
Die Ergebnisse der Befragung machen deutlich, dass Änderungen einerseits auf der Systemebene <strong>und</strong><br />
andererseits auf der individuellen Ebene stattfinden müssen, damit Pflegestützpunkte ihren<br />
Beratungsauftrag umfassend wahrnehmen können.<br />
„SAĞLIK. Sozialraumorientierte Ges<strong>und</strong>heitsförderung älterer Frauen <strong>und</strong> Männer mit<br />
türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong> in Hamburg“<br />
Johanna Buchcik, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg<br />
Das Projekt „Sağlik“ (gefördert vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung im Rahmen der<br />
Förderlinie "Soziale Innovationen für Lebensqualität im Alter" (SILQUA-FH)) entwickelt <strong>und</strong><br />
implementiert ges<strong>und</strong>heitsförderliche Angebote mit den Schwerpunkten der ges<strong>und</strong>en Ernährung,<br />
Bewegung <strong>und</strong> sozialen Teilhabe für die Zielgruppe der über 60jährigen Frauen <strong>und</strong> Männer mit<br />
türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong>, die in ausgewählten Stadtteilen Hamburgs (Billstedt, Wilhelmsburg,<br />
Altona-Nord <strong>und</strong> Altona-Altstadt) leben.<br />
Die ersten beiden Interventionen, die im Zeitraum September bis Dezember 2012 stattfanden,<br />
richteten sich an den Bedarfen <strong>und</strong> Ressourcen der Zielgruppe <strong>und</strong> wurden partizipativ <strong>und</strong><br />
muttersprachlich entwickelt bzw. durchgeführt. Die Angebote wurden in kooperierende Einrichtungen<br />
<strong>und</strong> bestehende Gruppen eingeb<strong>und</strong>en. Diese Zusammenarbeit ermöglichte einen niedrigschwelligen<br />
Zugang zur Zielgruppe in einem ihnen bekannten <strong>und</strong> wohnortnahem Setting <strong>und</strong> gewährleistet die<br />
Verstetigung <strong>und</strong> somit die Nachhaltigkeit der Angebote. Die Interventionen stellen eine Kombination<br />
aus Informationsvermittlung, Austausch in Form von Gesprächsgruppen <strong>und</strong> praktischer Umsetzung<br />
dar. Die gleichermaßen gute Erreichbarkeit von älteren Frauen <strong>und</strong> Männern soll durch<br />
genderspezifisch ausgerichtete Bedarfe <strong>und</strong> durch getrennte Angebote in unterschiedlichen<br />
Einrichtungen gewährleistet werden.<br />
28
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Der Einsatz der Familienpflege als Präventionsinstrument zur<br />
Verhinderung von Kompetenzverlust <strong>und</strong> sozialer Exklusion<br />
im höheren/hohen Alter<br />
„Lebensqualität im hohen Alter. Bedingungen <strong>und</strong> Interventionsnotwendigkeiten.“<br />
Prof. Dr. Andreas Wittrahm, Caritasverband für das Bistum Aachen<br />
Im hohen Lebensalter steigt die körperliche <strong>und</strong> psychische Vulnerabilität <strong>und</strong> in der Folge kommt es<br />
oft zum Verlust der notwendigen Alltagskompetenz, um ein Leben in der eigenen Häuslichkeit aufrecht<br />
zu erhalten. Viele Menschen möchten jedoch so lange wie möglich im ursprünglichen Zuhause bleiben<br />
<strong>und</strong> ihren Alltag selbstbestimmt gestalten. Denn nur so können sie in ihrem gewohnten Umfeld am<br />
sozialen Leben teilhaben (besonders im ländlichen Raum), emotionale Stabilität aufrechterhalten <strong>und</strong><br />
nicht zuletzt ihre häufig geringen finanziellen Spielräume bewahren. Dies erfordert nicht nur<br />
Umgestaltungen in der häuslichen Ökologie, sondern auch ggf. die Veränderung von Strategien <strong>und</strong><br />
Prozessen der Haushaltsführung. Es geht darum, sich das Leben bei motorischen, sensorischen <strong>und</strong><br />
ggf. auch kognitiven Einschränkungen so leicht handhabbar wie möglich zu machen. Entsprechende<br />
Trainingsprogramme liegen (teils aus anderen Lebenslagen) vor <strong>und</strong> sind anhand von Kriterien wie<br />
Handhabbarkeit, Aufwand, Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Relevanz zu beschreiben. Das Pflegeneuordnungsgesetz<br />
im SGB XI bietet Chancen, solchen Unterstützungsmaßnahmen gerade auch für Menschen mit<br />
niedrigem Einkommen zu realisieren.<br />
„Kompetenzerhaltung im hohen Alter“<br />
Prof. Dr. Wolf D. Oswald, Forschungsgruppe Prävention & Demenz, Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Vor unserer Gesellschaft liegen gewaltige demographische Veränderungen. Bisherige<br />
Versorgungssysteme sind deshalb in Zukunft kaum noch realisierbar. Im Mittelpunkt der Forschung<br />
hat deshalb „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu stehen. Im Jahre 1880 kamen auf einen über 75-Jährigen 79<br />
Jüngere, d.h. mögliche Pflegekräfte. Im Jahr 2001 beträgt diese Relation nur noch 12,4, um bis zum<br />
Jahr 2050 auf 3,9 Jüngere abzusinken. Dies stellt unser derzeitiges Versorgungssystem älterer<br />
Menschen allein aus personellen Gründen extrem in Frage. Parallel dazu nimmt die Anzahl dementiell<br />
erkrankter Personen deutlich zu. Neuere Forschungsergebnisse vermuten sogar, dass jeder an<br />
Alzheimer erkranken wird, wenn er nur alt genug wird. Demenz, meistens in der Form von Alzheimer,<br />
bedeutet aber immer Verlust an Selbständigkeit, Alltagskompetenz <strong>und</strong> Pflegebedürftigkeit r<strong>und</strong> um<br />
die Uhr. Deshalb muss alles getan werden, um Alzheimer zu vermeiden bzw. hinaus zu zögern. Die<br />
heutzutage wissenschaftlich gesicherten Präventionsmöglichkeiten werden eingehend dargestellt <strong>und</strong><br />
durch praktische Beispiele aus den Bereichen Ernährung, Gedächtnis <strong>und</strong> Bewegung veranschaulicht.<br />
Siehe auch: www.wdoswald.de<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Partizipation: Brücke zwischen professionellem System <strong>und</strong><br />
Nutzerinnen <strong>und</strong> Nutzern<br />
„Pflegerische Versorgungsgestaltung: Für den Patienten oder mit dem Patienten?“<br />
Melanie Messer, Institut für Pflegewissenschaften (IPW), Bielefeld<br />
Die Förderung der Selbstbestimmung des Patient/inen ist ein bedeutendes Ziel pflegerischen<br />
Handelns. Mitbestimmung in einem gemeinsamen Prozess der Planung <strong>und</strong> Durchführung der Pflege<br />
kann hierfür eine wichtige Voraussetzung darstellen. Dabei stehen Pflegende vor der besonderen<br />
Herausforderung, auch chronisch Erkrankte <strong>und</strong> ältere, pflegebedürftige Menschen aktiv an der<br />
Gestaltung ihrer Versorgung teilhaben zu lassen <strong>und</strong> auf ihr individuelles Partizipationsbedürfnis<br />
einzugehen. Zwar existieren im internationalen Kontext hierfür bereits erste Konzepte, eine<br />
Übertragung <strong>und</strong> Prüfung in die Pflege in Deutschland steht allerdings noch aus. Wie also werden<br />
Patient/innen in der häufig komplexen pflegerischen Versorgungspraxis derzeit eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wo
Kurzfassung der Beiträge<br />
stößt die Mitbestimmung des Patient/innen in Deutschland aus Sicht pflegerischer Akteure an ihre<br />
Grenzen? Der Beitrag erörtert bestehende Konzepte <strong>und</strong> Chancen <strong>und</strong> diskutiert Herausforderungen<br />
für die praktische Umsetzung einer gleichberechtigten, gemeinsamen Versorgungsgestaltung.<br />
„Partizipation in Versorgungsorganisationen: Neue Leitbilder von Heimen“<br />
Dr. Kerstin Hämel, Institut für Pflegewissenschaften (IPW), Bielefeld<br />
Seit Jahrzehnten wird die Institutionalisierung alter, hilfe- <strong>und</strong> pflegebedürftiger Menschen kritisiert.<br />
Heime wurden vielfach als totale Institutionen charakterisiert, deren Versorgungsgestaltung in<br />
hierarchisch eingespielten Betriebsabläufen ausgerichtet ist, <strong>und</strong> bei der vor allem soziale <strong>und</strong><br />
kulturelle Bedürfnisse der Bewohner/innen zu wenig Beachtung finden. Neben kritischen Stimmen in<br />
der Zivilgesellschaft, Heime aufgr<strong>und</strong> ihrer Unzulänglichkeiten abzuschaffen, mehren sich auch<br />
Praxisansätze, durch Partizipation des Umfelds Heime in den Sozialraum zu öffnen <strong>und</strong> darüber nicht<br />
nur die Grenzen zwischen den Welten „innen“ <strong>und</strong> „außen“ durchlässiger zu machen, sondern auch<br />
gezielt Angebote im Heim zu erweitern. Angesprochen ist hier eine Organisationsprägung durch<br />
Partizipation <strong>und</strong> Außenbeziehungen, die Förderung des Bürger-Engagements für ein Heim <strong>und</strong> seine<br />
Bewohner/innen. Der Beitrag berichtet von verschiedenen Partizipationsansätzen, die im Rahmen<br />
einer Studie zur Öffnung von Heimen zu beobachten waren. Es wird zu diskutieren sein, inwieweit<br />
heutige Rahmenbedingungen der stationären Langzeitpflege positive Ansätze zu ersticken drohen <strong>und</strong><br />
in welchen Strukturen eine Öffnung von Heimen in kooperativ-partizipativen Strukturen gestärkt<br />
werden könnte.<br />
„Neue Formen der Mitbestimmung <strong>und</strong> Teilhabe in <strong>und</strong> über die Neuen Medien: Am<br />
Beispiel der ges<strong>und</strong>heitlichen Selbsthilfe in Deutschland“<br />
Hermann Steffen, Klinik für Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld<br />
(EvKB); Christoph Karlheim, Universität Bielefeld<br />
In den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Teilbereichen ist zu beobachten, dass Bürgerbeteiligung<br />
<strong>und</strong> Einflussnahme auf politische Prozesse über die Neuen Medien – allem voran das Internet – eine<br />
immer größer werdende Rolle spielen. Es erstaunt, dass dieser Aspekt gerade im Feld der<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Selbsthilfe bislang kaum zu finden ist, denn gerade hier gilt Partizipation als ein<br />
Gr<strong>und</strong>pfeiler ihres Selbstverständnisses. Im Mittelpunkt des Vortrages werden zwei Szenarien stehen,<br />
die die potentielle Entwicklung virtueller Selbsthilfe beschreiben <strong>und</strong> diese mit dem aktuellen<br />
politischen Geschehen kontrastieren. Zum einen kann die Idee der Teilhabe durch die Chancen Neuer<br />
Medien befördert werden, was einer ‚Expansion‘ der bisherigen Performanz virtueller Selbsthilfe gleich<br />
kommen würde. Zum anderen ist eine ‚Kompression‘ möglich, die sich in einer Abgrenzung virtueller<br />
Selbsthilfe gegenüber partizipativen Bestrebungen zeigen könnte.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Nationales Ges<strong>und</strong>heitsziel „Ges<strong>und</strong> älter werden“ – Gute<br />
Beispiele<br />
„Einführung: Nationales Ges<strong>und</strong>heitsziel „Ges<strong>und</strong> älter werden“ - Gute Beispiele“<br />
Rudolf Herweck, ges<strong>und</strong>heitsziele.de, Köln; B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft der Senioren- Organisationen<br />
e.V. (BAGSO), Berlin; Andrea Kuhn, ges<strong>und</strong>heitsziele.de, Köln<br />
Ges<strong>und</strong>heitsziele sind ein ergänzendes Steuerungsinstrument der Ges<strong>und</strong>heitspolitik. Mit ihnen soll<br />
das Ges<strong>und</strong>heitswesen stärker auf konkrete Ziele ausgerichtet <strong>und</strong> so zur Verbesserung der<br />
Ges<strong>und</strong>heit der Bevölkerung beigetragen werden. Plattform für den nationalen<br />
Ges<strong>und</strong>heitszieleprozess ist der Kooperationsverb<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsziele.de. Gemeinsam mit den<br />
relevanten Akteuren im deutschen Ges<strong>und</strong>heitswesen entwickelt ges<strong>und</strong>heitsziele.de seit inzwischen<br />
30
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
mehr als elf Jahren im Konsens Ges<strong>und</strong>heitsziele, empfiehlt Maßnahmen zur Zielerreichung <strong>und</strong> stößt<br />
Selbstverpflichtungen der verantwortlichen Akteure an.<br />
Der Kooperationsverb<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsziele.de hat Anfang 2012 das Ges<strong>und</strong>heitsziel „Ges<strong>und</strong> älter<br />
werden“ verabschiedet (www.ges<strong>und</strong>heitsziele.de). Das Ges<strong>und</strong>heitsziel beschreibt, wie im Sinne von<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Prävention die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können (<strong>und</strong><br />
sollen), dass älter werdende Menschen ihre Ges<strong>und</strong>heit erhalten oder verbessern können. Mit<br />
insgesamt 13 themenspezifischen Zielformulierungen <strong>und</strong> dazugehörigen Empfehlungen für<br />
Maßnahmen in drei Handlungsfeldern richtet sich das Ges<strong>und</strong>heitsziel an die Akteure <strong>und</strong> Umsetzer in<br />
<strong>und</strong> außerhalb unseres Ges<strong>und</strong>heitswesens.<br />
Nunmehr geht es darum, möglichst viele Akteure zur Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen zu<br />
gewinnen. Im Rahmen des geplanten Fachforums soll an drei Beispielen gezeigt werden, wie dies<br />
geschehen kann.<br />
„Ges<strong>und</strong> älter werden unter Migrationsbedingungen: Besondere Herausforderungen für<br />
die Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung“<br />
Dr. Elke Olbermann, Institut für Gerontologie an der Technischen Universität Dortm<strong>und</strong><br />
Ältere Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gehören zu den Bevölkerungsgruppen, die einerseits von<br />
besonderen ges<strong>und</strong>heitlichen Belastungen <strong>und</strong> Risiken betroffen sind <strong>und</strong> andererseits von<br />
präventiven <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsfördernden Angeboten kaum erreicht werden. Auch gibt es kaum<br />
Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen bezogen auf diese in Zukunft stark<br />
wachsende Bevölkerungsgruppe.<br />
Ziel des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes „Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Primärprävention bei<br />
älteren Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>“ war es, weiterführende Erkenntnisse zur Erschließung<br />
neuer Zugangswege <strong>und</strong> zur Entwicklung effektiver Maßnahmen der Primärprävention sowie zum Auf<strong>und</strong><br />
Ausbau von partizipativen ges<strong>und</strong>heitsfördernden Strukturen zu gewinnen.<br />
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass es keine Pauschallösung geben kann, um den Zugang <strong>und</strong><br />
die Effektivität von präventiven <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsfördernden Maßnahmen für ältere Migrant/innen zu<br />
verbessern. Vielmehr sind differenzierte <strong>und</strong> zugleich ganzheitliche Ansätze erforderlich, die zum einen<br />
der Heterogenität <strong>und</strong> zum anderen den häufig multiplen Risikokonstellationen dieser Zielgruppe<br />
Rechnung tragen.<br />
„Älter werden <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit – Ein Ges<strong>und</strong>heitsziel des Landkreises Emsland als<br />
Zukunftsregion Ges<strong>und</strong>heit“<br />
Dr. Birgit Stoßberg, Fachbereich Ges<strong>und</strong>heit, Landkreis Emsland<br />
Das Modellprojekt „Zukunftsregionen Ges<strong>und</strong>heit“ wurde im Herbst 2010 initiiert vom<br />
Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Integration, der AOK<br />
Niedersachsen <strong>und</strong> der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen.<br />
Die Regionen Emsland, Heidekreis <strong>und</strong> Wolfenbüttel sind als Zukunftsregionen benannt worden. Ziele<br />
des Projekts sind in diesen ländlichen Regionen u. a. die dauerhafte Sicherstellung der medizinischen<br />
Versorgung, Stärkung der Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung sowie Verbesserung der Versorgung<br />
von chronisch erkrankten <strong>und</strong> pflegedürftigen Menschen. In regionalen Ges<strong>und</strong>heitskonferenzen sind<br />
mit weiteren Kooperationspartnern <strong>und</strong> Akteuren Ges<strong>und</strong>heitsziele für den Landkreis Emsland<br />
festgelegt worden, <strong>und</strong> es werden Projekte in sektorenübergreifender Zusammenarbeit erarbeitet <strong>und</strong><br />
durchgeführt.<br />
Beispiele:<br />
Das Ges<strong>und</strong>heitsziel „Älter werden <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ wird u.a. umgesetzt durch die Einrichtung des<br />
Demenz-Servicezentrum im Fachbereich Ges<strong>und</strong>heit. Dieses versteht sich als zentrale
Kurzfassung der Beiträge<br />
Koordinierungsstelle für die Transparenz, Beratung, Vernetzung <strong>und</strong> Entwicklung von Angeboten für<br />
dementiell erkrankte Menschen <strong>und</strong> ihre Angehörigen.<br />
Das Projekt des Ärztenetzes „Genial e.G“ Heimarztversorgung durch eine angestellte Ärztin bzw.<br />
einen angestellten Arzt soll zur Verbesserung der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung <strong>und</strong> der Lebensqualität<br />
der Bewohner/innen in Pflegeeinrichtungen führen.<br />
32
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Migrant/innen<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Chronisch unterversorgt – Migrant/innen ohne<br />
Krankenversicherung im Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />
„Chronisch unterversorgt – Migrant/innen ohne Krankenversicherung im<br />
Ges<strong>und</strong>heitssystem“<br />
Anna Kühne, Universitätsklinik Hamburg – Eppendorf; Dr. Susann Huschke, Freie Universität Berlin;<br />
Dr. Jessica Groß, Büro für medizinische Flüchtlingshilfe Berlin<br />
Illegalisierte Migrant/innen <strong>und</strong> Migrant/innen ohne Krankenversicherung sind in unterschiedlicher<br />
Intensität von gesellschaftlicher Teilhabe <strong>und</strong> der Umsetzung ihrer Gr<strong>und</strong>rechte ausgegrenzt.<br />
Medizinische Versorgung wird vor allem von nicht-staatlichen, überwiegend spendenfinanzierten<br />
Organisationen geleistet <strong>und</strong> bleibt damit zwangsläufig unzureichend in Umfang <strong>und</strong> Erreichbarkeit.<br />
Vereinzelte kommunale Ansätze haben weitere Parallelsysteme geschaffen, die überwiegend den<br />
Bedürfnissen der Migrant/innen <strong>und</strong> den aktuellen Forschungsergebnissen keine Rechnung tragen <strong>und</strong><br />
die ehrenamtlichen Strukturen kaum entlasten. Umfassende medizinische Versorgung, orientiert an<br />
den Bedürfnissen <strong>und</strong> Erkrankungen der Migrant/innen, wird seit langem von den Medibüros<br />
gefordert, die gegenwärtige chronische Unterversorgung ist nicht länger hinnehmbar.<br />
Mit zwei Beiträgen aus der Forschung <strong>und</strong> der Darstellung der aktuellen Situation in der Versorgung<br />
sowie politischer Kampagnen der Medibüros Berlin möchten wir eine Diskussion um sinnvolle<br />
medizinische Versorgung von illegalisierten bzw. nicht-versicherten Migrant/innen <strong>und</strong> mögliche<br />
Umsetzung von Forschungserkenntnissen in die Praxis anregen.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Medizinische Versorgung am Rande der Gesellschaft – Migrant/innen<br />
<strong>und</strong> sozial Benachteiligte in Deutschland <strong>und</strong> Europa<br />
„Medizinische Versorgung für benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Europa“<br />
Marion Chenevas, Ärzte der Welt, München; Nathalie Simonnot, Médecins du Monde, Paris<br />
Der Zugang zum Ges<strong>und</strong>heitssystem ist für manche Migrant/innen aufgr<strong>und</strong> gesetzlicher <strong>und</strong><br />
administrativer Hürden in Europa erschwert. Migrant/innen ohne Papiere oder EU-Bürger/innen, die<br />
sich in einer prekären sozialen Lage in anderen europäischen Ländern aufhalten, können in der Praxis<br />
oft nur Notfallversorgung in Anspruch nehmen, bei chronischen Krankheiten scheint eine adäquate<br />
medizinische Versorgung nahezu unmöglich. Unstabile Wohnverhältnisse, schlechte<br />
Arbeitsbedingungen, <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Isolierung beeinträchtigen ihre Ges<strong>und</strong>heit erheblich. Die humanitäre<br />
Organisation "Ärzte der Welt/Médecins du Monde" engagiert sich seit über 25 Jahren für diese<br />
Bevölkerungsgruppen. Mit ca. 180 Projekten in neun Ländern der EU wird diesen Menschen der<br />
Zugang zu medizinischer Versorgung <strong>und</strong> Prävention durch aufsuchende <strong>und</strong> niederschwellige Hilfe<br />
ermöglicht.<br />
Hilfsorganisationen können allerdings den Bedarf nur bruchstückhaft decken. Daher zielt die Arbeit<br />
von „Ärzte der Welt“ auch auf eine Verbesserung der Erkenntnisse <strong>und</strong> des Bewusstseins über die<br />
schwierige Situation der Betroffenen, um positive, gesetzliche <strong>und</strong> praxisbezogene Änderungen zu<br />
erreichen. In den Projekten werden daher Daten systematisch erhoben <strong>und</strong> mithilfe eines<br />
Epidemiologen ausgewertet. Dabei werden folgende Fragen untersucht:<br />
Was sind die Hauptbarrieren der Betroffenen beim Zugang zu medizinischer Versorgung?<br />
Welche sozialen Determinanten beeinflussen die Ges<strong>und</strong>heit dieser Bevölkerungsgruppe, die<br />
zahlreichen Formen der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt sind?<br />
Welche Lösungsansätze gibt es?
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Versorgung von Schwangeren ohne Krankenversicherung<br />
in Berlin“<br />
Heike Müller, Dr. Sonja Sterzer, Zentrum für sexuelle Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familienplanung Charlottenburg-<br />
Wilmersdorf, Berlin<br />
In Berlin leben viele Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen keine Krankenversicherung haben. In<br />
einer Schwangerschaft wird die Notwendigkeit von medizinischer Versorgung besonders dringlich, da<br />
es neben der Mutter immer auch um die Ges<strong>und</strong>heit des ungeborenen Kindes geht. Neben kirchlichen<br />
<strong>und</strong> freien Trägern wird diese Aufgabe in Berlin auch vom öffentlichen Ges<strong>und</strong>heitsdienst durch die<br />
Zentren für sexuelle Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familienplanung wahrgenommen.<br />
Durch frühzeitiges Erkennen von Risiken <strong>und</strong> besserer Planbarkeit der Geburt kann letztlich eine<br />
Verringerung von Morbidität <strong>und</strong> auch Kosten angenommen werden. Durch die enge Zusammenarbeit<br />
von Frauenärztinnen <strong>und</strong> Sozialarbeiterinnen im Zentrum kann in vielen Fällen bis zum Zeitpunkt der<br />
Geburt eine Kostenübernahme erreicht werden <strong>und</strong> eine verbesserte soziale Absicherung nach der<br />
Geburt möglich werden. Auf der anderen Seite bestehen natürlich oft erhebliche Hürden.<br />
Insbesondere für Migrantinnen aus den „neuen EU-Ländern“ ist der Zugang zu sozialen<br />
Sicherungssystemen sehr erschwert.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong> sind wir stark! Sağlıklı daha güçlüyüz! Migrant/innen als<br />
Ges<strong>und</strong>heitsmentor/innen: Qualifizierung, Erfahrungen,<br />
Stolpersteine, Erfolge <strong>und</strong> Übertragbarkeit in drei Berliner Bezirken<br />
Sükran Demirkan, Türkisch-Deutsches Zentrum, Berlin; Hatice Genc, Gemeindedolmetschdienst Berlin;<br />
Detlef Kuhn, Zentrum für angewandte Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften (ZAGG),<br />
Berlin; Tobias Prey, Bezirksamt Mitte, Berlin; Stephanie Wetzel, Ernährungswissenschaftliche<br />
Dienstleistungen, Berlin<br />
Von 2006 – 2010 wurde im Rahmen des B<strong>und</strong>esmodellprogramms INFORM – Kinderleicht – gefördert<br />
vom B<strong>und</strong>esministeriums für Ernährung, Landwirtschaft <strong>und</strong> Verbraucherschutz – das Projekt „Ges<strong>und</strong><br />
sind wir stark! – Sağlıklı daha güçlüyüz!“ in Friedrichshain-Kreuzberg entwickelt <strong>und</strong> durchgeführt. Ca.<br />
50 Multiplikator/innen, teilweise mit türkischem <strong>und</strong> arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong>, wurden<br />
qualifiziert in den Bereichen Ernährung, Bewegung <strong>und</strong> systemische Beratung. Hierzu wurden ein<br />
Curriculum <strong>und</strong> Schulungsmaterialien entwickelt. Die Multiplikator/innen wurden in Familienzentren,<br />
bei Schwangerenberatungen, im Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst, in Kitas, Stadtteilzentren u.a.<br />
eingesetzt. Nach Ablauf der Modellphase wurde das Projekt auf die Berliner Bezirke Spandau <strong>und</strong> Mitte<br />
übertragen.<br />
In der Podiumsdiskussion sollen Erfahrungen, Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Übertragbarkeit <strong>und</strong><br />
Nachhaltigkeit eines Modellprojekts vorgestellt <strong>und</strong> Perspektiven diskutiert werden.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Setting Ges<strong>und</strong>e Kommune – Interkulturelle Bewegungsförderung mit<br />
Kindern <strong>und</strong> Familien<br />
„Ges<strong>und</strong>er Bezirk – Friedrichshain-Kreuzberg in Bewegung“<br />
Ingrid Papies-Winkler, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen <strong>und</strong> der KIGGS-Studie, wonach<br />
insbesondere Kinder mit türkischem <strong>und</strong> arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong> eine hohe Rate von<br />
Übergewicht <strong>und</strong> motorischen Einschränkungen aufweisen, wurde in Kooperation mit dem Zentrum für<br />
angewandte Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften (ZAGG) <strong>und</strong> der Techniker<br />
Krankenkasse ein kommunales Konzept zur Bewegungsförderung mit Kindern <strong>und</strong> Familien entwickelt.<br />
Hierbei wurde an den Erfahrungen <strong>und</strong> Ergebnissen von vorangegangenen INFORM-Projekten im<br />
Bezirk angeknüpft, in denen Ges<strong>und</strong>heitsmultiplikator/innen qualifiziert <strong>und</strong> Bewegungsangebote<br />
34
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
entwickelt wurden. Zugang <strong>und</strong> Erreichbarkeit der Zielgruppen, Erfahrungen mit<br />
Partizipationsprozessen, Perspektiven für Nachhaltigkeit sowie die Verbindung mit anderen<br />
Förderprogrammen z. B. zur sozialen Stadtentwicklung sollen vorgestellt <strong>und</strong> diskutiert werden.<br />
„Stärkung der Körperwahrnehmung <strong>und</strong> Essverhalten bei Frauen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>“<br />
Saffana Salman, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg<br />
Die bedeutsamen Veränderungen in den Lebensgewohnheiten der Menschen haben insbesondere auf<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsebene gravierende Folgen. Durch den Nahrungsmittelüberfluss sowie durch den<br />
hohen Grad körperlicher Inaktivität kommt es zu ungünstigen Auswirkungen auf verschiedene<br />
Stoffwechselparameter, dies begünstigt die Entstehung von Übergewicht <strong>und</strong> Adipositas.<br />
In Deutschland leiden Menschen mit beidseitigem Migrationshintergr<strong>und</strong> häufiger an Adipositas als<br />
Menschen ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> oder einseitigem Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
Das Angebot: Bekämpfung der Adipositas durch Selbststeuerungstraining bei Frauen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> besteht aus drei Säulen:<br />
1. Bewegungsangebote: Allgemeines Fitness-Training, Tanz, Schwimmen, Fahrradfahrern, laufen<br />
usw. Ziel: mehrere Sportangebote auszuprobieren. Die Gruppen sollen ihren eigenen Sport<br />
organisieren <strong>und</strong> durchführen, insbesondere Tanzen, Schwimmen <strong>und</strong> Laufen<br />
2. Ernährungsberatung: Das allgemeine Wissen <strong>und</strong> die Fähigkeit, das eigene Essverhalten<br />
wahrzunehmen <strong>und</strong> durch die Analyse des eigenen Ernährungstagebuchs neue <strong>und</strong><br />
realistische Schritte zu einem ausgewogenen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Ernährungsstil, der an das eigene<br />
Essverhalten angepasst ist, zu entwickeln.<br />
3. Selbststeuerungstraining: Selbststeuerung ist die Fähigkeit, Ziele zu setzen <strong>und</strong> diese Ziele<br />
gegen innere <strong>und</strong> äußere Widerstände umzusetzen. Durch strukturierte Coaching-Sitzungen<br />
werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen die Ziele formuliert <strong>und</strong> diese Ziele werden mit<br />
kleineren Schritten verfolgt, um neue ges<strong>und</strong>e Gewohnheiten zu entwickeln.<br />
„‚mittendrin‘ – Ges<strong>und</strong>heitsnetzwerk für Kinder“<br />
Monika Kringe, Verein zur Förderung bewegungs- <strong>und</strong> sportorientierter Jugendsozialarbeit e.V.,<br />
Marburg<br />
Die Stadt Marburg als Jugendhilfe- <strong>und</strong> Schulträger, Universität <strong>und</strong> Fachhochschule, die Vereine der<br />
Gemeinwesenarbeit in den sozialen Brennpunkten, Einrichtungen aus den Bereichen Ges<strong>und</strong>heit sowie<br />
Wohnungswirtschaft, Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifizierungsprojekte <strong>und</strong> der bsj e.V. haben sich zu<br />
einem Netzwerk zusammengeschlossen, um ges<strong>und</strong>heitsfördernde Strukturen <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>heitsbegünstigende Lebensstile in jenen Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf in<br />
Marburg zu unterstützen, in denen überproportional viele Kinder in sozial benachteiligten Lebenslagen<br />
wohnen. Das Netzwerk umfasst 22 Einrichtungen. Weitere 29 Institutionen <strong>und</strong> Ämter werden<br />
projektbezogen eingeb<strong>und</strong>en. Ein zentrales Ziel des Netzwerks ist es, zusammen mit Kindern neue<br />
Bewegungsstrukturen in ihren Stadtteilen aufzubauen <strong>und</strong> zu erschließen. Die Maßnahmen zur<br />
Bewegungsförderung werden in Kooperation mit den Gemeinwesenvereinen, Kindertagesstätten <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schulen in den Stadtteilen erarbeitet <strong>und</strong> durchgeführt. Gemeinsam werden<br />
Bewegungskonzepte modellhaft entwickelt <strong>und</strong> erprobt, welche die Selbstbildungspotentiale, die<br />
selbsttätige Aneignung <strong>und</strong> angemessene Formen einer spielerischen Erk<strong>und</strong>ung im Prozess der<br />
Selbst- <strong>und</strong> Weltkonstruktion in den Mittelpunkt stellen. Besonders hervorzuheben ist die hohe<br />
Beteiligung von Kindern <strong>und</strong> Eltern, auf denen das Netzwerk fußt. Alle Veränderungen, die im<br />
Wohnumfeld im Rahmen des Netzwerks vorgenommen werden, gründen auf Erkenntnissen der<br />
gemeinsam mit Kindern durchgeführten Sozialraumerk<strong>und</strong>ungen. Spiel- <strong>und</strong> Bewegungsplätze werden<br />
stets gemeinsam mit Kindern geplant <strong>und</strong> gebaut.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Kommentierung der vorgestellten Projekte zur interkulturellen Bewegungsförderung“<br />
Dr. Anke Hanssen-Doose, Max Rubner-Institut, B<strong>und</strong>esforschungsinstitut für Ernährung <strong>und</strong><br />
Lebensmittel<br />
Zunächst werden die im Rahmen des Workshops vorgestellten Projekte auf Metaebene kommentiert<br />
u.a. in Bezug auf den konzeptionellen Ansatz des Projektes, den Kontext, die gewählten Methoden<br />
<strong>und</strong> die verwandten Inhalte der Bewegungsförderung. Inhaltlich sind bei der Bewegungsförderung in<br />
der Kommune – abhängig vom spezifischen Projektziel <strong>und</strong> der anvisierten Altersgruppe – sowohl<br />
offene Bewegungsformen wie Spiele, abenteuer- <strong>und</strong> erlebnispädagogische Ansätze denkbar wie auch<br />
Angebote mit Sportartbezug (Turnen, Tanzen, Klettern, Basketball, Fußball, etc.). Um Menschen mit<br />
unterschiedlicher sozialer <strong>und</strong> kultureller Herkunft zusammenzubringen, sollte die Freude an der<br />
Bewegung im Vordergr<strong>und</strong> stehen, das Erleben der eigenen Stärke <strong>und</strong> das Schaffen eines<br />
Gemeinschaftserlebnisses. Um die hemmenden <strong>und</strong> fördernden Faktoren von Projekten zur<br />
Bewegungsförderung im Setting Kommune mit der Zielgruppe benachteiligter Familien deutlich zu<br />
machen, wird die Frage gestellt, wie man es schaffen könnte, ein imaginäres Projekt zur<br />
interkulturellen Bewegungsförderung im Setting Kommune misslingen zu lassen.<br />
36
Arbeitslose<br />
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Interventionsansätze zur Förderung der Ges<strong>und</strong>heit von<br />
Langzeitarbeitslosen<br />
„Psychische Erkrankungen bei älteren Langzeitarbeitslosen – ein Interventionskonzept“<br />
Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Juliane Tiefensee, Universität Leipzig, Klinik für Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie<br />
Beinahe jeder zweite Erwerbslose in Sachsen ist länger als ein Jahr ohne Beschäftigung <strong>und</strong> gilt damit<br />
als langzeitarbeitslos. Der Anteil an psychisch Erkrankten liegt bei Erwerbslosen bei 34 Prozent, bei<br />
Langzeitarbeitslosen sogar bei 50 Prozent. In letzterer Gruppe leiden beispielsweise 18 Prozent der<br />
Männer <strong>und</strong> 24 Prozent der Frauen unter einer behandlungsbedürftigen Depression. Da psychische<br />
Erkrankungen oft die Ursache der Langzeitarbeitslosigkeit <strong>und</strong> ein gravierendes Vermittlungshemmnis<br />
in den Arbeitsmarkt darstellen, profitieren Langzeitarbeitslose mit psychischen Erkrankungen kaum<br />
von der verbesserten Arbeitsmarktsituation. Hier liegen große Verbesserungsmöglichkeiten, da für<br />
Depressionen <strong>und</strong> andere psychische Erkrankungen wirksame Behandlungen zur Verfügung stehen,<br />
diese jedoch nur von einer Minderheit genutzt werden. Zu den zahlreichen Gründen für die<br />
diagnostischen <strong>und</strong> therapeutischen Defizite in diesem Bereich zählen auch Wartezeiten <strong>und</strong> andere<br />
Hürden beim Zugang zu psychopharmakologischer <strong>und</strong>/oder psychotherapeutischer Behandlung. Das<br />
Psychosoziale Coaching, ein innovativer niederschwelliger Ansatz zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung bei älteren<br />
Langzeitarbeitslosen, setzt an diesen Problematiken an. Im Kooperationsprojekt zwischen Jobcenter<br />
Leipzig <strong>und</strong> Universität Leipzig werden psychische Störungen identifiziert <strong>und</strong> die Betroffenen bei<br />
Bedarf im Sinne einer Lotsenfunktion ins örtliche Versorgungssystem integriert. Zusätzlich dienen<br />
verschiedene Gruppenprogramme dem präventiven Ansatz. Im ersten Projektjahr wurden 291<br />
Personen im Psychosozialen Coaching betreut, 70,4 Prozent davon litten unter einer psychischen<br />
Störung. 87,8 Prozent der erkrankten Teilnehmer/innen erhielten keine bzw. eine suboptimale<br />
Behandlung <strong>und</strong> wurden bei Wunsch in externe Behandlungen <strong>und</strong> Hilfsangebote vermittelt. Eine<br />
Übernahme des erfolgreichen Ansatzes "Psychosoziales Coaching" in andere Regionen scheint sinnvoll.<br />
„Angebote zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Rahmen der Thüringer Initiative zur Integration<br />
<strong>und</strong> <strong>Armut</strong>sbekämpfung – Nachhaltigkeit (TIZIAN)“<br />
Uta Maercker, Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung Thüringen e.V. - AGETHUR, Weimar<br />
Im Jahr 2011 wurde das Thema „Arbeitsmarktintegrative Ges<strong>und</strong>heitsförderung“ in die Schwerpunkte<br />
der Arbeit der Koordinierungsstelle Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit (ehemals Regionaler Knoten)<br />
Thüringen aufgenommen. Ziel ist es, Angebote der Ges<strong>und</strong>heitsförderung nachhaltig in Maßnahmen<br />
der Arbeitsmarktförderung zu integrieren. Anknüpfungspunkt in diesem Kontext ist das TIZIAN-<br />
Programm in Thüringen. TIZIAN (Thüringer Initiative zur Integration <strong>und</strong> <strong>Armut</strong>sbekämpfung –<br />
Nachhaltigkeit) ist eine Initiative des Thüringer Sozialministeriums zur Prävention von Kinderarmut<br />
entwickelt vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass Kinderarmut häufig aus Langzeitarbeitslosigkeit der Eltern<br />
heraus entsteht. In den Regionen verankerte Träger sollen ausgewählte Hilfebedürftige bei<br />
persönlichen Problemlagen beraten <strong>und</strong> betreuen, ihnen Wege zur Qualifizierung <strong>und</strong> Verbesserung<br />
der Beschäftigungsfähigkeit aufzeigen <strong>und</strong> entsprechende Angebote erschließen. Die TIZIAN-<br />
Integrationscoaches werden qualifiziert, Inhalte aus der Ges<strong>und</strong>heitsförderung in die Arbeit mit den<br />
Langzeitarbeitslosen zu integrieren. Hierfür nehmen sie an einer Trainerausbildung zum Programm<br />
AktivA teil, welches an der Technischen Universität Dresden entwickelt wurde. Bis 2013 sollen<br />
flächendeckend alle Thüringer TIZIAN-Projekte zum Programm AktivA geschult werden. Darüber<br />
können sie an weiteren Fortbildungsangeboten der Koordinierungsstelle Ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Chancengleichheit zum Themenbereich „<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ teilnehmen. Ab 2013 erhalten die<br />
Integrationscoaches Gelegenheit, in Regionalgruppen ihre Erfahrungen bei der Umsetzung von<br />
ges<strong>und</strong>heitsfördernden Angeboten mit Langzeitarbeitslosen, speziell auch bezogen auf das Programm<br />
AktivA, zu reflektieren. In den bereits durchgeführten AktivA-Trainerschulungen wurde diesbezüglich<br />
Bedarf geäußert, um die Inhalte nachhaltig in die individuellen Träger- <strong>und</strong> Projektstrukturen<br />
integrieren zu können. Im Beitrag werden die einzelnen Module zur Integration des Themas
Kurzfassung der Beiträge<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung in das TIZIAN-Programm in Thüringen vorgestellt <strong>und</strong> über erste Ergebnisse in<br />
der Umsetzung berichtet.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong>heit unter den Bedingungen des SGB II<br />
„Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> psychische Ges<strong>und</strong>heit: Wissenschaftliche <strong>und</strong> praktische<br />
Implikationen der Theorie biographischer Identitätsmodi“<br />
Dr. Benedikt Rogge, Bremen International Graduate School of Social Sciences<br />
Die empirische Ges<strong>und</strong>heitsforschung hat zwar nachgewiesen, dass Arbeitslose psychisch erheblich<br />
stärker belastet sind als Erwerbstätige; jedoch findet sich innerhalb der Gruppe der Arbeitslosen eine<br />
große Heterogenität. Wie ist diese zu erklären? – Beruhend auf einer qualitativen Interviewstudie, in<br />
der 25 kurzzeitarbeitslose Personen vor <strong>und</strong> nach dem Übergang in den Rechtskreis des SBG-II<br />
("Hartz-IV") bzw. Wiederbeschäftigung sowie zehn Langzeitarbeitslose befragt wurden sowie unter<br />
Hinzuziehung der in der psychosozialen Beratungspraxis gesammelten Erfahrungen des Autors wird<br />
die "Theorie biographischer Identitätsmodi" entwickelt. Die fünf "biographischen Identitätsmodi", die<br />
sie enthält – Umstellung, Befreiung, Kampf, Verfall <strong>und</strong> Transformation – beschreiben unterschiedliche<br />
typische Formen des Deutens <strong>und</strong> Handelns von Arbeitslosen, die mit differenziellen psychischen<br />
Symptomatiken bzw. auch dem Fehlen von Belastungen <strong>und</strong> anhaltender Ges<strong>und</strong>heit einhergehen. Die<br />
Modi weisen spezifische individuelle Merkmale <strong>und</strong> zugleich soziale Charakteristika auf, v.a. nach<br />
Bildungsstand, Schichtzugehörigkeit, (Kontinuität der) Erwerbsbiographie, Lebensform <strong>und</strong><br />
Geschlecht. Zudem sind Reaktionen <strong>und</strong> Normen der Bezugspersonen von Arbeitslosen zentral für<br />
ihren psychischen Prozess. Schließlich lassen sich bei anhaltender Arbeitslosigkeit verschiedene<br />
typische Verläufe sukzessiver Identitätsmodi identifizieren, insbesondere beim Übergang in "Hartz-IV".<br />
Im Vortrag werden die praktischen Implikationen der Theorie biographischer Identitätsmodi<br />
ausgewiesen. So soll die Entwicklung einer differenziellen, salutogenetisch orientierten, psychosozialen<br />
Beratung von Arbeitslosen vorangetrieben <strong>und</strong> zum "Brückenbau" zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> der<br />
angewandten Praxis der Ges<strong>und</strong>heitsförderung beigetragen werden.<br />
„Minipreneure – ein innovativer Ansatz zur Förderung der biopsychosozialökologischen<br />
Ges<strong>und</strong>heit bei Langzeitarbeitslosen“<br />
Dr. Sascha Göttling, Minipreneure Zentrum gGmbH, Saarbrücken<br />
„Ein Minipreneur ist ein Mensch, der sein Leben selbst in die Hand nimmt, sich selbst zum Projekt<br />
macht, der sehr klein anfängt, dem ein bisschen nicht zu wenig ist <strong>und</strong> der dann mit Hilfe anderer<br />
eine Perspektive für einen neuen Job bekommt“ (P. Hartz). Langzeitarbeitslose Menschen über 25<br />
Jahren können die Ausbildung zur/zum Minipreneur/in im Rahmen einer Maßnahme zur beruflichen<br />
Eingliederung nach §45 SGB III in sechs Monaten durchlaufen.<br />
Die Teilnehmer/innen trainieren, sich wechselseitig zu helfen <strong>und</strong> voneinander zu lernen. Ziel ist u.a.<br />
die Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartungen. Im "Ges<strong>und</strong>heitscoaching" werden individuelle<br />
Ges<strong>und</strong>heitsziele definiert <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsförderliche Verhaltensweisen erprobt<br />
(Verhaltensprävention). In der "Talentdiagnostik" wird ein standardisierter Talenttest (H. Schuler)<br />
durch biographische Verfahren (H.G. Petzold) ergänzt <strong>und</strong> ein Talentprofil erstellt. Im "Polylog" mit<br />
Berater/innen <strong>und</strong> Entscheider/innen werden dann die Weichen für die Zukunft gestellt. Im<br />
"Beschäftigungsradar" wird mit Hilfe von Mikromarketinginstrumenten eine Marktanalyse durchgeführt<br />
<strong>und</strong> eine individuelle Marketingstrategie umgesetzt.<br />
Jede/r Teilnehmer/in erhält eine Perspektive! Minipreneur/innen werden im Anschluss nicht alleine<br />
gelassen, sondern können die Zusammenarbeit fortsetzen (Verhältnisprävention). Als Mitglieder einer<br />
Non-Profit-Organisation bieten sie eine Auswahl aus über 130 zukunftsträchtigen Dienstleistungen für<br />
private Haushalte <strong>und</strong> Kleinunternehmen an.<br />
38
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Frauen/Männer<br />
Mi 14.15 Uhr Ges<strong>und</strong>heitsförderung bei/mit Männern: Daten – Theorien –<br />
Praxisansätze<br />
„Ausgewählte Erkenntnisse zur Ges<strong>und</strong>heit von Männern: Fragen der epidemiologischen<br />
Forschung an Theorie <strong>und</strong> Praxis“<br />
Dr. Anne Starker, Robert Koch-Institut<br />
Geschlecht gilt als zentrale Kategorie, welche Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit, ges<strong>und</strong>heitsrelevantes<br />
Verhalten sowie die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen beeinflusst. Die<br />
geschlechtsspezifischen Besonderheiten von Männern stehen im Mittelpunkt eines umfassenden<br />
Berichts zur Männerges<strong>und</strong>heit, der derzeit am Robert Koch-Institut erarbeitet wird. Ergebnisse des<br />
Berichtes zeigen für viele Aspekte von Ges<strong>und</strong>heit, Krankheit <strong>und</strong> Prävention geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede. Hervorzuheben sind aber auch deutliche Unterschiede innerhalb der Gruppe der<br />
Männer, vor allem zwischen verschiedenen Alters-, Bildungs- <strong>und</strong> Einkommensgruppen. Zur Erklärung<br />
der gef<strong>und</strong>enen Unterschiede wurden im Bericht neben biologischen auch Erklärungsansätze aus den<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften herangezogen, die psychische, soziale <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Einflüsse berücksichtigen.<br />
Nicht alle ausgewählten Aspekte von Ges<strong>und</strong>heit, Krankheit <strong>und</strong> Prävention bei Männern konnten im<br />
Bericht umfassend dargestellt bzw. erklärt werden. Gründe hierfür sind u.a. eine unzureichende<br />
geschlechtsspezifische Datenlage für einige Fragestellungen oder fehlende Erkenntnisse zur Erklärung<br />
männerspezifischer Erkrankungs- <strong>und</strong> Verhaltensmuster. Bei der Arbeit am Bericht wurde<br />
Forschungsbedarf für verschiedene Themen der Geschlechterges<strong>und</strong>heitsforschung deutlich. Auf dem<br />
<strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit werden anhand ausgewählter Ergebnisse des Berichtes<br />
Forschungsfragen formuliert <strong>und</strong> mit Expert/innen aus Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis diskutiert.<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Reproduktive Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familienplanung<br />
„Pille als Mittel zur sexuellen Befreiung? Ein historischer Rückblick“<br />
Dr. Gisela Notz, Arbeitskreis Frauenges<strong>und</strong>heit e.V., Berlin<br />
„Pille?? Unnötig! Langnese Eis anstatt“, das stand auf einem Plakat, das 1968 beim Katholikentag in<br />
Essen aufgehängt worden war. Es war die Zeit, als Frauen begannen, sich gegen die ihnen<br />
zugedachten Rollen zu wehren, nicht nur beim Katholikentag. Sie holten den Protest auf die Straße<br />
<strong>und</strong> forderten: „ersatzlose Streichung des § 218 <strong>und</strong> umfassende sexuelle Aufklärung für alle <strong>und</strong><br />
freien Zugang zu Verhütungsmitteln!“<br />
Das Wissen um Verhütungsmittel war in den 1950er <strong>und</strong> 60er Jahren in der B<strong>und</strong>esrepublik auf Gr<strong>und</strong><br />
von Tabus begrenzt <strong>und</strong> sie waren schwer zu bekommen, Werbung dafür war teilweise verboten. Ab<br />
1961 war die Anti-Baby-Pille auf Rezept auf den Markt gekommen, wodurch die Verhütung von<br />
ungewollten Schwangerschaften (zunächst für verheiratete Frauen) wesentlich erleichtert, jedoch<br />
samt der ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen, die damals allerdings kaum problematisiert wurden, maßgeblich<br />
den Frauen überantwortet wurden. Die Pille wurde – <strong>und</strong> ist es noch – zum Verhütungsmittel Nr. 1.<br />
Zunächst war die Pille eine „Hormonbombe“, heute gibt es eine Vielzahl verschiedener Pillen <strong>und</strong><br />
Wissen um andere Verhütungsmittel. Von der katholischen Kirche <strong>und</strong> von den Evangelikalen wird<br />
jede ‚künstliche Empfängnisverhütung’ weiterhin als widernatürlich <strong>und</strong> verwerflich angesehen.<br />
Empfängnisverhütung wurde nie emotionslos diskutiert. Sie gehört neben Abtreibung zu den<br />
Themenbereichen, die geeignet sind, Macht über Frauen auszuüben.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Migration <strong>und</strong> Familienplanung“<br />
Dr. Neslisah Yilmaz-Terzioglu, Frauenärztinnen Gemeinschaftspraxis Ksciuk & Terzioglu<br />
18 Prozent der weiblichen Bevölkerung in Deutschland haben einen Migrationshintergr<strong>und</strong>. Mehr als<br />
zwei Fünftel dieser Frauen sind zwischen 20 <strong>und</strong> 44 Jahre alt <strong>und</strong> somit in einem Alter, in dem<br />
Familienplanung <strong>und</strong> Familienbildungsprozesse aktuell sind. Diese Frauen stehen oft vor einer<br />
doppelten Herausforderung: Integration in eine fremde Umgebung <strong>und</strong> zugleich die Erziehung ihrer<br />
Kinder. Dabei spielt die Schulbildung eine entscheidende Rolle. Je niedriger der Bildungsstand, desto<br />
früher heiraten Frauen <strong>und</strong> umso mehr Kinder werden geboren. Als Verhütungsmittel wird am<br />
häufigsten die Pille genommen. Schwangerschaftsabbrüche kommen bei Migrantinnen häufiger als bei<br />
deutschen Frauen vor. Unabhängig vom Herkunftsland brechen mehr Frauen mit niedriger<br />
Schulbildung eine Schwangerschaft ab als Frauen mit höheren Bildungsqualifikationen.<br />
Der Informationsbedarf ist ebenfalls umso größer, je geringer die Schulbildung. Türkische Frauen<br />
bevorzugen vor allem Ärzt/innen, um sich zu informieren. Sprachprobleme <strong>und</strong> unzureichende<br />
Kultursensibilität stellen die wesentlichen Barrieren für die Inanspruchnahme von Informations- <strong>und</strong><br />
Beratungsangeboten dar. Bevorzugt werden Angebote zu familienplanungsbezogenen Themen in der<br />
Muttersprache <strong>und</strong> von beratenden Personen, die mit ihrer Herkunftskultur <strong>und</strong> -religion vertraut sind.<br />
„Pille als Lifestyle-Droge“<br />
Dr. Laura Méritt, Kommunikationswissenschaftlerin, Sexologin, Berlin<br />
Die Einführung der Pille hatte durchaus befreiende Wirkung für die Frauen <strong>und</strong> weitreichende<br />
Auswirkungen auf die Sexualmoral. Gleichzeitig aber gaben die Frauen die Kontrolle über ihren Körper<br />
an eine pharmakologische Instanz ab, die sie dann durch ihr Leben begleitet. Heute wird die Pille von<br />
vielen Frauen nicht mehr zur Verhütung eingenommen, sondern ist ein Initationsritual. Mit der Pille<br />
wird das Mädchen zur Frau. Außerdem verhindert die Pille Pickel <strong>und</strong> Gemütsschwankungen. Viele<br />
Frauen kennen ihren Zyklus <strong>und</strong> ihren Körper nicht (mehr), sondern nur den der Pille. Zwischen<br />
physischer <strong>und</strong> psychischer Verfassung sehen sie keinen Zusammenhang außer einen zu<br />
bekämpfenden. Die Entfremdung vom eigenen Körper wird durch den erkauften "Lifestyle" überdeckt.<br />
Über 50 verschiedene Pillensorten werden mit Frauennamen wie Diane, Ysabel in hübsch designten<br />
Verpackungen beworben. Existiert für junge Frauen keine Alternative zum stolz wahrgenommenen<br />
"Pillen-Alarm"? Wie kann die Medikamentenabhängigkeit von Frauen gemindert werden?<br />
„,Pille danach‘ – theoretisch gut – praktisch schwierig!"<br />
Dr. Christiane Tennhardt, Gynäkologin, Familienplanungszentrum – BALANCE, Berlin<br />
In dem Vortrag werde ich auf medizinische Aspekte der PiDaNa ® , auf die Argumente der<br />
Gegner/innen <strong>und</strong> Befürworter/innen der Rezeptfreiheit <strong>und</strong> die Bedeutung für die sexuelle<br />
Selbstbestimmung der Frauen eingehen.<br />
In den frühen 80er Jahren liegen die Anfänge der postkoitalen hormonellen Empfängnisverhütung.<br />
Über das sogenannte „Yuzpe-Regime“ (Östrogen-Progesteronhaltige Tabletten) hat sich zur<br />
Jahrtausendwende die progesteronhaltige Notfall-Verhütung mit Levonorgestrel durchgesetzt <strong>und</strong><br />
wurde 2009 durch Ulipristalacetat mit einem weiteren Medikament ergänzt.<br />
Eingehüllt in Vorurteile <strong>und</strong> Unkenrufe, die den Anfängen der Anti-Baby-Pille in den 60er Jahren in<br />
nichts nachstehen, ist die Levonorgestrelhaltige Pille (in Deutschland „PiDaNa“ ® ) mittlerweile in den<br />
meisten europäischen Staaten rezeptfrei zu erhalten (mit Ausnahme von Polen, Italien, Malta <strong>und</strong><br />
Deutschland). Selbst Irland <strong>und</strong> die USA haben sich dazu durchgerungen (siehe auch:<br />
www.profamilia.de/fileadmin/profamilia/Pille_danach_rezeptfrei_UEbersicht_weltweit_11.2011.pdf).<br />
Bei der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation steht die „Pille danach“ auf der Liste der ´Essential Medicines´<br />
<strong>und</strong> die rezeptfreie Vergabe in allen Ländern wird empfohlen. In Deutschland wehren sich der<br />
„Berufsverband der Frauenärzte e.V.“ <strong>und</strong> die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie <strong>und</strong><br />
Geburtshilfe“ vehement gegen die Abschaffung der Rezeptpflicht.<br />
40
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Wichtig ist bei der „Pille danach“, dass sie schnell nach ungeschütztem Verkehr eingenommen wird.<br />
Innerhalb der ersten 24 St<strong>und</strong>en hat sie eine Effektivität von ca. 95 Prozent, danach nimmt die<br />
Möglichkeit eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern, drastisch ab.<br />
Wissenschaftlich bewiesen ist, dass die „Pille danach“ den Eisprung verhindert oder nach hinten<br />
verschiebt. Das heißt bei Frauen, die die „Pille danach“ am Tag des Eisprungs oder danach<br />
einnehmen, wirkt sie nicht mehr. Sie kann also die Einnistung einer schon befruchteten Eizelle nicht<br />
verhindern. Bei schon bestehenden Schwangerschaften ergaben die Studien nach Einnahme der „Pille<br />
danach“ keine Zunahme von Fehlgeburten, Fehlbildungen, auch Unterschiede bei Geburtsgewicht oder<br />
Geschlechterverteilung wurden nicht beobachtet.<br />
Nebenwirkungen sind selten <strong>und</strong> beziehen sich bei „sehr häufigen Nebenwirkungen (= mehr als 1 von<br />
10)“ auf Veränderungen des Blutungsverhaltens in dem Monat der Einnahme. Bei „häufigen (=1-10<br />
von 100)“ Nebenwirkungen auf Kopfschmerzen, Schwindel, Nervosität, Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen. All<br />
diese Beschwerden sind kurzfristig <strong>und</strong> reversibel.<br />
International gibt es ausreichend Studienmaterial, dass sich das Sexualverhalten, Bedürfnis nach<br />
dauerhafter Verhütung, Krebshäufigkeit usw. unter der Existenz <strong>und</strong> der Rezeptfreiheit der „Pille<br />
danach“ nicht verändert hat. Leider gibt es aber auch noch keine Beweise, dass die Zahl der<br />
Schwangerschaftsabbrüche zurückgegangen ist. Entscheidungen, die den Bereich Verhütung,<br />
Schwangerschaft bzw. Schwangerschaftsabbruch betreffen, werden häufig nicht nur auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage medizinischer Erkenntnisse, sondern auch anhand weltanschaulicher Auffassungen<br />
getroffen. Nur so kann man es sich erklären, dass die Rezeptpflicht für die „Pille danach“ in der BRD<br />
immer noch besteht.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Unterstützungsbedarf bei Partnergewalt: Widrigkeiten <strong>und</strong><br />
Chancen im Rahmen der derzeitigen Versorgungsangebote<br />
„Forschungsprojekt: WAGE – Wege aus der Beziehungsgewalt“<br />
Frauke Doherr, Prof. Dr. Daphne Hahn, Lolita Herzig, Volker Amontow, Hochschule Fulda<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Partnergewalt gegen Frauen hat gravierende Auswirkungen auf Ges<strong>und</strong>heit, soziale<br />
Teilhabe <strong>und</strong> Produktivität betroffener Frauen <strong>und</strong> ihrer Kinder. In der BRD lebt jede siebte Frau in<br />
einer Gewaltbeziehung <strong>und</strong> ist damit Ges<strong>und</strong>heitsrisiken ausgesetzt (Schröttle & Müller, 2004). Nur 14<br />
Prozent dieser Frauen nehmen Unterstützungsangebote in Anspruch (Brzank et al. 2011). Das Projekt<br />
WAGE befasst sich mit der Frage, warum vorhandene Unterstützungsangebote nicht oder kaum in<br />
Anspruch genommen werden, welchen Unterstützungsbedarf gewaltbetroffene Frauen haben <strong>und</strong><br />
welche Unterstützungsangebote hilfreich wären.<br />
Methodik: Leitfadeninterviews mit betroffenen Frauen, die sich erfolgreich getrennt haben, Tätern, die<br />
es geschafft haben, ihr Gewalthandeln zu beenden, Expertinnen der Frauenberatung, Experten der<br />
Täterberatung.<br />
Erste Ergebnisse: Verschiedene Beratungsstellen sind den Betroffenen zwar oft bekannt, aber nicht<br />
die zusätzliche Ausrichtung auf Unterstützung bei häuslicher Gewalt. Die Kontaktaufnahme zu<br />
einzelnen Vertretern des Unterstützungssystems hat oft nicht zu effektiver Hilfe geführt. Erste Gründe<br />
werden in zu stark spezialisierter Beratung, aber auch in der stressbedingten Verminderung der<br />
Fähigkeit zu aktiver, zielgerichteter Handlung der Opfer vermutet. Proaktive Ansätze würden am<br />
ehesten in einem kurzen Zeitfenster direkt nach einer erneuten Gewalteskalation greifen. Viele Frauen<br />
hätten sich direkte Ansprechpartner als Begleitung durch den gesamten Trennungsprozess mit all den<br />
individuellen Problemstellungen gewünscht.<br />
Erste Schlussfolgerungen: Niedrigschwellige <strong>und</strong> bereichsübergreifende Unterstützung, die direkt nach<br />
Gewalteskalationen einsetzt, scheint dazu beitragen zu können, den Verbleib in gewaltbetroffenen<br />
Partnerschaften abzukürzen. Außerdem könnte Aufklärung <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit zu Partnergewalt<br />
Frauen darin bestärken, früher nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Wohnungslose<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Beispiele für Teilhabe <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung für<br />
besonders ausgegrenzte Menschen in unserer Gesellschaft<br />
„Alt <strong>und</strong> im Knast – Chancen auf Teilhabe <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit drinnen <strong>und</strong> draußen“<br />
Dr. Kerstin Kammerer, Johannes Spohr, Institut für Gerontologische Forschung e.V., Berlin<br />
Der Anteil älterer Menschen nimmt überall zu, auch in den Justizvollzugsanstalten. Die Haftsituation<br />
<strong>und</strong> die Haftentlassung sind für ältere Menschen mit besonderen psychosozialen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Risiken verb<strong>und</strong>en. Hinsichtlich der Gestaltung des Anstaltalltags <strong>und</strong> der Entlassungsvorbereitung<br />
fehlt es weithin an Konzepten <strong>und</strong> Angeboten. Gleichzeitig gibt es kaum systematisch ausgewertete<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> Erkenntnisse über spezifische Bedürfnisse älterer Inhaftierter. Wissenschaftler/innen<br />
vom Institut für Gerontologische Forschung e.V. untersuchen im Pilotprojekt „AIBA – Ältere<br />
Inhaftierte: Besondere Bedarfe – besondere Angebote“ die Situation Inhaftierter über 55,<br />
insbesondere im Hinblick auf die Entlassung. Mittels qualitativer Interviews mit alten Inhaftierten,<br />
Haftentlassenen sowie Expert/innen u.a. aus Organisationen Inhaftierter, Sozialdienst,<br />
Straffälligenhilfe <strong>und</strong> Bediensteten werden Erfahrungen ausgewertet, um Problemlagen zu<br />
identifizieren <strong>und</strong> Empfehlungen zu entwickeln.<br />
Förderung durch das B<strong>und</strong>esministerium der Justiz (BMJ), Laufzeit: August 2012 - Dezember 2012<br />
„Eine ‚Praxis ohne Grenzen‘ ist eine Praxis ohne Kasse“<br />
Dr. Uwe Denker, Praxis ohne Grenzen e.V., Bad Segeberg<br />
Wir fragen uns nach zweieinhalb Jahren Tätigkeit: “Ist unser Projekt, initiiert für die Region Bad<br />
Segeberg, ein Modell für andere Regionen?“ Im Januar 2010 hat Dr.med. Uwe Denker, Familienarzt<br />
i.R. das Pilotprojekt gegründet. Es ist ein Erfolgsmodell für die Region Bad Segeberg geworden <strong>und</strong><br />
ein neuer Weg in der Versorgung mittelloser Kranker auf dem flachen Land. Diese Modellpraxis ist<br />
inzwischen international bekannt, Rückmeldungen, Anfragen <strong>und</strong> Patient/innen kommen aus der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> aus vielen Ländern.<br />
Die „Praxis ohne Grenzen – Region Bad Segeberg“ ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Er<br />
hat 60 fördernde <strong>und</strong> 70 aktive Mitglieder. Von den aktiven Mitgliedern sind 30 Ärzt/innen, unterstützt<br />
von Arzthelferinnen, Krankenschwestern, Apotheker/innen <strong>und</strong> Berater/innen. Alle sind kostenlos,<br />
ehrenamtlich tätig.<br />
Fünf Fachärzt/innen wechseln sich in den Sprechst<strong>und</strong>en ab, unterstützt von jeweils zwei<br />
Arzthelferinnen. Einmal in der Woche wird eine Nachmittagssprechst<strong>und</strong>e in einem von der Diakonie<br />
angemieteten Behandlungsraum abgehalten. Es werden zwischen fünf bis zehn nicht oder nicht<br />
ausreichend Versicherte oder nicht versicherbare Patient/innen beraten, untersucht <strong>und</strong> behandelt.<br />
Das Klientel setzt sich zusammen aus ehemals privat Versicherten oder freiwillig bei einer gesetzlichen<br />
Krankenkasse Versicherten, die ihre Prämien nicht bezahlen konnten <strong>und</strong> von den Kassen von der<br />
normalen Versorgung ausgeschlossen wurden <strong>und</strong> aus Überschuldeten, die Gebühren <strong>und</strong><br />
Zuzahlungen nicht leisten können <strong>und</strong> aus „Papierlosen“, den sogenannten „Schattenmenschen“. Es<br />
werden Patient/innen vom Ungeborenen bis zum Greis versorgt.<br />
Wir helfen in christlich-diakonischem Sinn, auch anonym <strong>und</strong> ohne Diskriminierung <strong>und</strong> wollen<br />
bewirken, dass aus „arm <strong>und</strong> krank“ keine ausweglose, lebensbedrohliche Situation wird.<br />
Erschwert wird unsere Tätigkeit durch festgefahrene Strukturen im deutschen Ges<strong>und</strong>heitswesen. Weil<br />
nach unserer Meinung zunehmender Bedarf an ehrenamtlicher, kostenloser Versorgung besteht <strong>und</strong><br />
eine <strong>Armut</strong>swelle anrollt, empfehlen wir die b<strong>und</strong>esweite Gründung weiterer „Praxen ohne Grenzen“!<br />
42
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Konzept einer medizinischen Ambulanz für Menschen in prekären<br />
Lebensverhältnissen:‚Poliklinik für sozial benachteiligte Patientinnen/Patienten‘“<br />
Prof. Dr. Gerhard Trabert, Verein <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in Deutschland e.V.<br />
Die über 15-jährigen Erfahrungen des Mainzer Modells der medizinischen Versorgung wohnungsloser<br />
Menschen zeigen, das zunehmend auch Menschen die nicht wohnungslos aber von <strong>Armut</strong> betroffen<br />
sind, in die Sprechst<strong>und</strong>en u.a. des Arztmobils kommen. Der zusätzliche hohe Versorgungsbedarf<br />
wird immer stärker sichtbar. All diese Entwicklungen im Ges<strong>und</strong>heitssektor machen neue<br />
Versorgungsstrukturen für sozial benachteiligte Menschen notwendig.<br />
Ein Schritt soll der Aufbau <strong>und</strong> das Angebot einer Art Poliklinik für sozial benachteiligte Menschen sein.<br />
Es soll in dieser ambulanten medizinischen Versorgungseinrichtung ein sowohl medizinisch<br />
interdisziplinäres, als auch multidisziplinäres Angebot konzipiert <strong>und</strong> umgesetzt werden. Dies<br />
bedeutet, dass es Sprechst<strong>und</strong>en/Ges<strong>und</strong>heitsberatungsangebote von verschiedenen medizinischen<br />
Fachdisziplinen, als auch nicht-medizinischen Fachgruppen, im Sinne eines biopsychosozialen<br />
Behandlungskonzeptes, geben wird. Innerhalb des medizinischen Bereichs sind u.a.<br />
allgemeinärztliche, kinderärztliche, dermatologische, chirurgische, gynäkologische, psychiatrische<br />
Beratungssprechst<strong>und</strong>en vorgesehen. Darüber hinaus finden sozialarbeiterische, psychologische <strong>und</strong><br />
logopädische Sprechst<strong>und</strong>en statt. Die Besetzung der Sprechst<strong>und</strong>en wird einerseits durch<br />
festangestellte Mitarbeiter/innen gewährleistet, andererseits, <strong>und</strong> dies wird der größte personelle<br />
Anteil sein, werden die Sprechst<strong>und</strong>en durch ehrenamtliche, pensionierte, mit hoher Fachkompetenz<br />
ausgestattete Ärzt/innen, Psycholog/innen <strong>und</strong> Sozialarbeiter/innen sein.<br />
Es soll mit dieser „Poliklinik für Arme“ keine Alternativversorgungsstruktur etabliert werden, sondern<br />
eine dringend notwendige komplementäre Versorgungseinrichtung für die Menschen geschaffen<br />
werden, die immer häufiger durch die Aushöhlung unseres Ges<strong>und</strong>heitsversorgungsnetzes nicht mehr<br />
menschenwürdig, kompetent <strong>und</strong> umfassend sozialmedizinisch betreut werden.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
„Wissenstransfer als Steuerungsillusion?“<br />
„Bürgerorientierte Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung: am Bürger vorbei“<br />
Dr. Andreas Böhm, Ministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz des Landes<br />
Brandenburg, Potsdam<br />
Nach dem Selbstverständnis von Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung (GBE) sollen Erkenntnisse über<br />
Häufigkeit <strong>und</strong> Entwicklung von Krankheiten, über Ressourcen <strong>und</strong> andere wichtige Sachverhalte, die<br />
für eine rationale Steuerung im Ges<strong>und</strong>heitswesen gebraucht werden können, an Politik, Verwaltung<br />
<strong>und</strong> Öffentlichkeit geliefert werden. Inwieweit die GBE für Politik <strong>und</strong> Verwaltung eine wichtige<br />
Gr<strong>und</strong>lage für Entscheidungen liefert, wurde von Anfang an (enttäuscht) diskutiert. Aber was kommt<br />
eigentlich in der Öffentlichkeit bzw. bei den interessierten Bürger/innen an? Welchen Beitrag leistet<br />
die GBE für eine Health Literacy?<br />
In den Medien werden gern Zahlen zu ges<strong>und</strong>heitlichen Sachverhalten im Sinne eines „Immer-mehr –<br />
immer schlimmer“ präsentiert („jeder Vierte ein Burnout-Fall“, „immer mehr fettsüchtige Einschüler<br />
…“). Ausgehend von dieser Beobachtung werden Überlegungen zu einer bürgernahen GBE vorgestellt.<br />
„Wie `landet´ Ges<strong>und</strong>heitswissen im Betrieb (nicht)?“<br />
Prof. Dr. Heinrich Geißler, BFG Beratung <strong>und</strong> Forschung, Bregenz, Österreich<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer mehr als 20-jährigen Beratungs-Erfahrung im Bereich der Betrieblichen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung (BGF) im deutschsprachigen Raum wird die Förderung/die Verhinderung des<br />
Transfers von Ges<strong>und</strong>heitswissen durch interne (Führungskräfte, Mitarbeiter/innen, BR/PR,<br />
Präventivdienste [Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik] ...) <strong>und</strong> externe Player (Berater/innen für<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung/Arbeitswissenschaft, Berufsgenossenschaft, Gewerbeaufsicht,<br />
Kassen ...) diskutiert.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Challenging Inequities in Health and Health Care (CHeC)<br />
„Analyse der regionalen Ungleichheiten in ambulant-sensitiven Krankenhausfällen“<br />
Dr. Christoph Naumann, Prof. Dr. Leonie S<strong>und</strong>macher, Technische Universität Berlin<br />
Ambulant-sensitive Krankenhausfälle (ASK) oder auch potentiell vermeidbare Krankenhausaufenthalte<br />
werden diejenigen Hospitalisierungen genannt, welche durch effektive Behandlung im ambulanten<br />
Sektor hätten verhindert werden können. Diese Studie beschreibt erste Zusammenhänge zwischen<br />
altersstandardisierten, nach Fällen gewichteten <strong>und</strong> geschlechtergetrennten ASK (SMR) für ca. 30<br />
ambulant-sensitive Krankheiten, der Gesamtmorbidität, regionaler Deprivation sowie der<br />
Vertragsarztdichte auf Ebene von 412 deutschen Kreisen <strong>und</strong> kreisfreien Städten. Das Ziel unserer<br />
Studie ist es, zu erkennen wie gut der ambulante Sektor auf Kreisebene funktioniert, unabhängig von<br />
den vorhandenen regionalen Ungleichheiten in Morbidität für die jeweilige ASK Indikation.<br />
Die Studie basiert auf der Krankenhausstatistik der Statistischen Landesämter zwischen 2006 <strong>und</strong><br />
2009. Da es noch keinen deutschen ASK Katalog gibt, beruhen die gewählten ASK größtenteils auf<br />
den Vorschlägen von Purdy et al 2009 für die britische NHS. Die SMR für die einzelnen ASK<br />
Indikationen sowie für Krankheitsgruppen werden hinsichtlich ihrer Verteilung auf Kreisebene<br />
analysiert <strong>und</strong> mit Gesamtmorbidität, Deprivations-Daten <strong>und</strong> den Vertragsärztedichten verglichen.<br />
44
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Die Auswertung ergibt deutliche regionale Unterschiede der ASK auch nach Berücksichtigung der<br />
lokalen Deprivation.<br />
„Veränderungen der sozial bedingten ges<strong>und</strong>heitlichen Ungleichheit – eine Betrachtung<br />
der letzten 10 Jahre“<br />
Martin Siegel, Verena Bohn, Prof. Dr. Leonie S<strong>und</strong>macher, Technische Universität Berlin<br />
Sozioökonomische Benachteiligung geht häufig mit einem schlechteren Ges<strong>und</strong>heitszustand einher. Es<br />
ist anzunehmen, dass die sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Veränderungen der letzten Jahre – Sozial-,<br />
Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsreformen, der demographische Wandel sowie die seit 2008 anhaltende<br />
Finanzkrise – Auswirkungen auf das Ausmaß <strong>und</strong> die Zusammensetzung dieser Ungleichheit hatten.<br />
Aufgr<strong>und</strong> jährlicher Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) von 1994 bis 2011 wird der<br />
Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Position <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit anhand des<br />
Konzentrationsindexes dargestellt. Er misst die Abweichung der einkommensbedingten Verteilung von<br />
einer Gleichverteilung. Durch die Zerlegung des Indexes kann die anteilige Bedeutung der erklärenden<br />
Variablen für die gemessene Ungleichheit aufgezeigt werden.<br />
Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Zunahme der ges<strong>und</strong>heitlichen Benachteiligung<br />
einkommensschwacher Schichten seit 1994. Sowohl die Ungleichheit in den einzelnen Jahren, als auch<br />
die Zunahme über die Zeit hängen insbesondere mit Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> der Einkommenssituation der<br />
Befragten zusammen. Eine mögliche Interpretation der Ergebnisse ist, dass sich die gesellschaftlichen<br />
<strong>und</strong> ökonomischen Entwicklungen auf die psychosoziale Situation benachteiligter Gruppen ausgewirkt<br />
haben. Die wachsende finanzielle Benachteiligung von Arbeitslosen, prekär bzw. unregelmäßig<br />
Beschäftigten <strong>und</strong> Personen mit geringerer Bildung scheint jedoch nicht ausschlaggebend für diese<br />
Entwicklung zu sein.<br />
„Regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme präventiver Leistungen in Deutschland”<br />
Verena Bohn, Martin Siegel, Prof. Dr. Leonie S<strong>und</strong>macher, Technische Universität Berlin<br />
Früh erkannte Krebserkrankungen gelten als besser heilbar <strong>und</strong> in ihrer Behandlung weniger<br />
kostenintensiv als Erkrankungen, die erst im späten Stadium diagnostiziert werden.<br />
Früherkennungsuntersuchungen wurden daher in Deutschland bereits Anfang der 70er Jahre in den<br />
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Das Angebot präventiver Leistungen<br />
kann jedoch das Ausmaß ges<strong>und</strong>heitlicher Ungleichheit vergrößern, wenn soziale Benachteiligung mit<br />
einer niedrigeren Inanspruchnahme einhergeht. Diese Studie analysiert anhand von<br />
Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen B<strong>und</strong>esvereinigung (KBV) die Bedeutung struktureller<br />
Benachteiligung von Wohnregionen für sozial bedingte Ungleichheiten in der Inanspruchnahme<br />
präventiver Leistungen in Deutschland.<br />
Die Ergebnisse weisen auf deutliche regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme präventiver<br />
Leistungen hin. Für Koloskopien zeigen sich bspw. höhere Inanspruchnahmeraten im Norden<br />
Deutschlands im Vergleich zu süddeutschen Kreisen. Die zytologische Untersuchung (Pap-Test) wird<br />
hingegen häufiger in Ostdeutschland durchgeführt. Darüber hinaus zeigt sich, dass der Anteil an<br />
Personen mit hohem Einkommen bzw. hoher Bildung mit einer höheren Inanspruchnahme von<br />
Früherkennungsuntersuchungen assoziiert ist. Ges<strong>und</strong>heitspolitische Maßnahmen, die eine Steigerung<br />
der Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen verfolgen, sollten diese Unterschiede<br />
berücksichtigen.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Wer darf was wissen <strong>und</strong> wer darf wie handeln?<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Spannungsfeld von individueller<br />
Freiheit <strong>und</strong> staatlicher Aufgabe<br />
„Ärztliches Handeln zwischen individueller Freiheit, medizinischem Ethos <strong>und</strong><br />
gesellschaftlicher Verantwortung“<br />
Dr. Bernhard Winter, Verein demokratischer Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit sind einerseits etwas sehr individuelles: Krankheit erleidet das Individuum,<br />
<strong>und</strong> es liegt in der individuellen Freiheit des Einzelnen, wie er oder sie mit dem eigenen Körper<br />
umgeht. Andererseits sind Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit zum einen massiv abhängig von Arbeits- <strong>und</strong><br />
Lebensbedingungen, die das einzelne Individuum wenig oder gar nicht beeinflussen kann, sondern die<br />
nur gesellschaftlich geändert werden können.<br />
Ärztliches Handeln bezieht sich zunächst immer auf den individuellen, besonderen Patienten bzw. die<br />
Patientin. Zugleich muss ein/e Ärzt/in Krankheit immer auch bezogen auf andere <strong>und</strong> die Gesellschaft<br />
sehen. Fragen nach dem Umgang einer Gesellschaft z.B. mit ansteckenden Krankheiten, nach<br />
Eingriffsrechten von Staat <strong>und</strong> Gesellschaft ins Leben des oder der Einzelnen, nach<br />
Informationspflichten <strong>und</strong> Grenzen des Vertrauensverhältnisses <strong>und</strong> der Schweigepflicht stellen sich in<br />
der Praxis immer wieder. Wem ist das ärztliche Handeln verpflichtet <strong>und</strong> wo liegen die Grenzen der<br />
individuellen Freiheit? Wo kann, darf oder soll sich der Staat einmischen <strong>und</strong> wo nicht? Welche Rolle<br />
spielt dabei der Arzt oder die Ärztin?<br />
Auf diese Fragen können keine einfachen Antworten gegeben werden, sondern sie müssen immer<br />
wieder neu diskutiert, ihre Kriterien überprüft <strong>und</strong> reflektiert werden.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong>heitsziele in den B<strong>und</strong>esländern – Verschiedene Wege<br />
zur Stärkung von Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
„Ges<strong>und</strong> aufwachsen – Erfahrungen <strong>und</strong> Herausforderungen im sächsischen<br />
Ges<strong>und</strong>heitszieleprozess“<br />
Dr. Reinhild Benterbusch, Sächsisches Staatsministerium für Soziales <strong>und</strong> Verbraucherschutz; Silke<br />
Meyer, Sächsische Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung e.V., Dresden<br />
Mit Hilfe des Ges<strong>und</strong>heitsziels „Ges<strong>und</strong> aufwachsen“ die ges<strong>und</strong>heitliche Situation von Kindern in<br />
Sachsen zu verbessern, war <strong>und</strong> ist seit 2004 erklärtes Ziel der Sächsischen Staatsregierung. Politisch<br />
verortet ist das Ges<strong>und</strong>heitsziel im Sächsischen Staatsministerium für Soziales <strong>und</strong> Verbraucherschutz;<br />
die primäre Umsetzung erfolgt durch die gleichnamige Koordinierungsstelle an der Sächsischen<br />
Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung e.V. Auf Basis einer ganzheitlichen Betrachtungsweise<br />
sowie aufbauend auf dem Sächsischen Kita-Bildungsplan sensibilisiert, motiviert <strong>und</strong> fördert „Ges<strong>und</strong><br />
aufwachsen“ frühzeitig die Integration primärpräventiver Ansätze in den Kita-Alltag. Da eine<br />
ges<strong>und</strong>heitsfördernde Kita auch ges<strong>und</strong>heitsbewusste Erzieher/innen braucht, bildete die<br />
Erzieher/innen-Ges<strong>und</strong>heit von Beginn an ein explizites Handlungsfeld. Die weiteren Handlungsfelder<br />
lauten: Ernährung, Bewegung, M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit, Sprachförderung, Impfschutz <strong>und</strong><br />
Lebenskompetenzförderung. Letzteres hat sich als zentrales Querschnittsthema <strong>und</strong> -aufgabe<br />
herausgestellt.<br />
Der Vortrag informiert über Strukturen, Arbeitsweisen sowie konkrete Projekte des Ges<strong>und</strong>heitsziels,<br />
reflektiert gute Erfahrungen <strong>und</strong> diskutiert besondere Herausforderungen.<br />
46
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Verknüpfung der Landesges<strong>und</strong>heitsberichterstattung mit Ges<strong>und</strong>heitszieleprozessen in<br />
NRW“<br />
Dr. Brigitte Borrmann, Landeszentrum Ges<strong>und</strong>heit Nordrhein-Westfalen, Bielefeld<br />
In Nordrhein-Westfalen werden durch das Landeszentrum Ges<strong>und</strong>heit ca. 350 Ges<strong>und</strong>heitsindikatoren<br />
aus allen Themenfeldern des Länder-Indikatorensatzes fortlaufend aktualisiert <strong>und</strong><br />
anwenderfre<strong>und</strong>lich aufbereitet. 79 Indikatoren liegen auch auf Kreisebene vor. Damit steht den<br />
Akteur/innen auf Landes- <strong>und</strong> auf kommunaler Ebene eine breite Palette an nutzbaren Indikatoren für<br />
die Evaluation von Ges<strong>und</strong>heitszielen zur Verfügung. Jährlich durchgeführte repräsentative<br />
Ges<strong>und</strong>heitssurveys liefern ergänzende Indikatoren aus der Nutzerperspektive. Datenreports zu den<br />
Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchungen dokumentieren den Ges<strong>und</strong>heitszustand der<br />
Einschulungskinder in NRW. Verschiedene Möglichkeiten der Verknüpfung dieser GBE-Daten mit<br />
Ges<strong>und</strong>heitszieleprozessen auf kommunaler <strong>und</strong> auf Landesebene werden anhand von Beispielen<br />
aufgezeigt.<br />
„Ges<strong>und</strong>heitsziele mal anders – als Auftrag an eine Landesregierung“<br />
Tania-Aletta Schmidt, Bernd Kubaszewski, Dr. Gabriele Windus, Niedersächsisches Ministerium für<br />
Soziales, Frauen, Familie, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Integration (MS)<br />
In Niedersachsen wurde der Ges<strong>und</strong>heitsziele-Prozess im Jahr 2001 als gemeinsame Aktion<br />
verschiedener Akteure eingeleitet (Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heit Niedersachsen e.V.,<br />
Niedersächsisches Landesges<strong>und</strong>heitsamt, zuständiges Sozialministerium) <strong>und</strong> anhand von drei<br />
konkreten Zielen für das Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter vollzogen. Die Teilnehmenden der 2.<br />
Ges<strong>und</strong>heitsziele-Konferenz 2003 betonten bereits die Bedeutung einer intersektoralen<br />
Zusammenarbeit für die erfolgreiche Umsetzung.<br />
Wenngleich – wie andernorts – Ges<strong>und</strong>heitsförderung dem Fachministerium zugeordnet ist, finden in<br />
praktisch allen anderen Ressorts ebenfalls Maßnahmen <strong>und</strong> Aktivitäten statt, die ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Bezüge aufweisen. 2008 forderte der Niedersächsische Landtag, Ziele der Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge<br />
ressortübergreifend zu definieren, nach dem Subsidiaritätsprinzip zu koordinieren <strong>und</strong> eine<br />
Erfolgskontrolle zu entwickeln.<br />
Anfang 2012 hat die Niedersächsische Landesregierung beschlossen, unter Federführung des MS ein<br />
„zukunftsorientiertes Landeskonzept Ges<strong>und</strong>heitsförderung“ erarbeiten zu lassen <strong>und</strong> dazu einen<br />
interministeriellen Arbeitskreis (IMAK, befristet bis 31.12.2013) einberufen.<br />
Im Rahmen des Fachforums werden erste Erfahrungen <strong>und</strong> Ergebnisse des Entwicklungs- <strong>und</strong><br />
Abstimmungsprozesses präsentiert <strong>und</strong> zur Diskussion gestellt.<br />
„Ges<strong>und</strong>heitsziele in Brandenburg – das Land als Mediator“<br />
Bettina Baumgardt, Ministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz (MUGV) Brandenburg,<br />
Abteilung Ges<strong>und</strong>heit<br />
Politische Gestaltung wird oftmals zuerst mit Gesetzgebung <strong>und</strong> finanziellen Förderungen assoziiert.<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik auf Länderebene kann aber auch durch vom Land initiierte <strong>und</strong> moderierte<br />
Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesse betrieben werden. In der Bearbeitung mehrerer Problemfelder hat sich<br />
Brandenburg für Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesse entschieden, weil die Herausforderungen absehbar eben<br />
nicht durch Gesetzgebung <strong>und</strong> Geld zu meistern sind. Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesse sind nach unseren<br />
Erfahrungen angezeigt, wenn (1) mehrere Akteure bereits Verantwortung tragen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
durchführen, (2) die Zielfestlegung <strong>und</strong> Bearbeitung nicht von einem einzelnen Akteur geleistet<br />
werden kann, (3) Elemente der Partizipation nicht nur Zierrat sein sollen, sondern zur wirksamen<br />
Problemanalyse <strong>und</strong> -lösung notwendig sind.<br />
Im Beitrag werden Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Arbeitsweisen der ges<strong>und</strong>heitspolitischen Strategie<br />
Ges<strong>und</strong>heitsziele in Brandenburg vorgestellt.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Soziallagenbezogene Interventionsprogramme – halten sie, was sie<br />
versprechen?<br />
„Einfluss von sozialer Lage auf Ernährung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit – Zusammenhänge <strong>und</strong><br />
Auswirkungen“<br />
Lisa Stahl, Universität Bielefeld<br />
Studien zum Zusammenhang von sozialer Lage <strong>und</strong> Ernährung von Kindern zeigen, dass Kinder aus<br />
sozial benachteiligten Familien vergleichsweise weniger Obst <strong>und</strong> Gemüse verzehren als<br />
Bessergestellte, wohingegen der Verzehr von fetthaltigen Speisen <strong>und</strong> Süßigkeiten höher liegt. Ein<br />
derartiges Essverhalten in der sensiblen Phase des Säuglings- <strong>und</strong> Kindesalters kann langfristige<br />
Folgen für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wachstum haben. Die Auswirkungen zeigen sich u.a. in der hohen<br />
Prävalenz von Übergewicht <strong>und</strong> deren Folgeerkrankungen, wie Diabetes Mellitus Typ 2 <strong>und</strong><br />
kardiovaskulären Erkrankungen.<br />
Das Essverhalten des Menschen unterliegt einer starken soziokulturellen Prägung, die mit der Geburt<br />
beginnt. Was gegessen wird, hängt maßgeblich von familiären Gewohnheiten der<br />
Lebensmittelauswahl <strong>und</strong> -zubereitung, dem verfügbaren Angebot an Nahrungsmitteln sowie der<br />
Kultur <strong>und</strong> dem Wissen um eine ges<strong>und</strong>e Ernährung ab. Hinsichtlich des Wissens um die<br />
ges<strong>und</strong>heitliche Bedeutung des Essens sowie der Auswahl <strong>und</strong> Zubereitung von Speisen hat in den<br />
letzten Jahren ein erheblicher Kompetenzverlust stattgef<strong>und</strong>en. Dieser trägt neben begrenzten<br />
finanziellen Ressourcen zu einer häufig suboptimalen Ernährungsweise bei. Präventionsprojekte zur<br />
Kinderernährung sollten die unterschiedlichen Merkmale der Zielgruppe einbeziehen, wobei oben<br />
Genannte nur einen Ausschnitt darstellen. Diversity-Management bietet einen geeigneten Ansatz, bei<br />
dem die verschiedenen Bedarfe <strong>und</strong> Bedürfnisse des Individuums berücksichtigt werden.<br />
„Doing Diversity with Food. Was heißt das für die Ernährungsprävention?“<br />
Prof. Dr. Lotte Rose, Fachhochschule Frankfurt am Main<br />
Ernährungssoziologische Studien weisen darauf hin, dass die menschliche Ernährung weniger durch<br />
persönlichen Geschmack als vielmehr durch Gruppenzugehörigkeiten bestimmt ist. Wie Menschen<br />
kochen <strong>und</strong> was <strong>und</strong> wie sie essen, dies alles sind Praxen der alltäglichen Produktion <strong>und</strong><br />
Reproduktion sozialer Distinktionen <strong>und</strong> Ausdruck sozialer Identitäten. Je nach Geschlecht, Alter,<br />
Schicht, Region, Religion, Ethnie pflegen Individuen unterschiedliche Ernährungsweisen. Gleichwohl<br />
erheben ernährungsbezogene Ges<strong>und</strong>heitsprogramme ein spezifisches Ernährungskonzept zur<br />
universellen Leitfigur für alle. Es werden Empfehlungen für ges<strong>und</strong>es Essen ausgegeben, die für die<br />
gesamte Bevölkerung in gleicher Weise gelten <strong>und</strong> an denen sich alle in gleicher Weise auszurichten<br />
haben. Die Ernährungsempfehlungen erweisen sich damit als bevölkerungspolitisches<br />
Standardisierungsprogramm, in denen (kulinarische) Diversität getilgt wird. Dies macht sie<br />
zwangsläufig zu einem Raum sozialer Kämpfe, in denen nicht konforme Ernährungsstile von den<br />
betroffenen Individuen gegenüber den stattfindenden Bemächtigungsvorgängen verteidigt werden.<br />
Der Beitrag rekonstruiert zum einen die Phänomene <strong>und</strong> Bedeutungen sozialer Diversität beim Essen<br />
<strong>und</strong> entwickelt vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kritische Überlegungen zur Konzipierung von<br />
diversitätsanerkennenden ges<strong>und</strong>heitserzieherischen Ernährungsprogrammen.<br />
„IN FORM – Nachhaltig fit <strong>und</strong> schlank für den Standort Deutschland?“<br />
Friedrich Schorb, Institut für Public Health <strong>und</strong> Pflegeforschung, Universität Bremen<br />
Das Wissen um Adipositas ist umstritten: unklar bleibt beispielsweise, ab welchem Gewicht eine<br />
erhöhte Mortalität <strong>und</strong> Morbidität vorliegt, <strong>und</strong> ob überhaupt ein kausaler Zusammenhang zwischen<br />
einem erhöhten Körpergewicht <strong>und</strong> den vermuteten Folgekrankheiten besteht. Auch die Möglichkeiten<br />
der Behandlung von Adipositas gelten als wenig Erfolg versprechend.<br />
48
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Dementsprechend richten sich alle Anstrengungen im Nationalen Aktionsplans IN FORM, der 2008 von<br />
der damaligen B<strong>und</strong>esregierung aufgelegt wurde, auf die Prävention von Adipositas. Handeln soll<br />
dabei vor allem die Zivilgesellschaft, bestehende Projekte sollen durch IN FORM lediglich evaluiert <strong>und</strong><br />
koordiniert werden. Das erklärte Ziel des Nationalen Aktionsplans ist, die Bevölkerung für den Standort<br />
Deutschland fit zu machen, wie in der Präambel unmissverständlich ausgedrückt wird. Darin heißt es:<br />
"Für jede Bürgerin <strong>und</strong> jeden Bürger ist es in Deutschland gr<strong>und</strong>sätzlich möglich, ges<strong>und</strong> zu leben,<br />
sich insbesondere eigenverantwortlich ges<strong>und</strong> zu ernähren <strong>und</strong> ausreichend zu bewegen. (...). Denn<br />
die Ges<strong>und</strong>heit ist nicht nur ein individueller Wert, sondern eine Voraussetzung für Wohlbefinden,<br />
Lebensqualität <strong>und</strong> Leistung, ein Wirtschafts- <strong>und</strong> Standortfaktor, die Voraussetzung für die Stabilität<br />
des Generationenvertrags, <strong>und</strong> sie leisten einen Beitrag zur Teilhabe an der Gesellschaft <strong>und</strong> zur<br />
sozialen Gerechtigkeit."<br />
Problematisch daran ist, dass IN FORM die Verantwortung für individuelle Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Erfolg<br />
sowie für das Fortbestehen des Sozialstaats <strong>und</strong> des Generationenvertrags auf das Verhalten – <strong>und</strong><br />
letztlich den Bauchumfang – seiner Bürger/innen zurückführt.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Globalisierung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Zur Notbremse greifen – Diagnosen <strong>und</strong> Therapien<br />
weltmarktbedingter Krankheiten<br />
medico international, Frankfurt am Main<br />
Der Anschluss seines Landes an den Weltmarkt bringe weder Entwicklung noch Wachstum, sondern<br />
nur Zerstörung. Mit diesen bitteren Worten bringt ein Sprecher des medico-Partners in Sierra Leone<br />
die Folgen des Diamantenabbaus auf den Punkt. In dem westafrikanischen Land geht es um die<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen des Diamantenabbaus, in vielen Ländern des Südens um den Hungertod<br />
infolge der Spekulation auf Nahrungsmittel, in anderen Ländern um den „brain drain“, die Folgen der<br />
Abwerbung von Ges<strong>und</strong>heitspersonal nach Europa. In Brasilien wiederum geht es um<br />
ges<strong>und</strong>heitsschädlichen „Silberregen“ aus einem deutschen Stahlwerk, in Pakistan um H<strong>und</strong>erte von<br />
Toten in einer Textilfabrik, die für einen deutschen Billig-Discounter Jeans produzierte.<br />
Die medico-Debatten gehen der Frage nach, was diese <strong>und</strong> viele andere Fälle miteinander verbindet.<br />
Gesucht werden Antworten auf die Frage, wie man die vielfältigen Widerstände gegen einen<br />
Weltmarkt zusammenbringen kann, der H<strong>und</strong>erttausende krank macht. Und was das alles auch mit<br />
den Arbeits- <strong>und</strong> Lebensbedingungen in unserem Land <strong>und</strong> der Krise in Europa zu tun hat.<br />
Do 11.30 Uhr Für die Rechte von Menschen mit geistigen Behinderungen –<br />
Aufbau eines deutschrussischen Netzwerkes<br />
„Menschenrechte schützen alle!“<br />
Dr. Claudia Mahler, Deutsches Institut für Menschenrechte<br />
Der Menschenrechtsschutz umfasst alle Bewohner/innen eines Landes. Der Menschenrechtsschutz<br />
geht vielfach auf ihre besonderen Bedürfnisse <strong>und</strong> Lebenslagen ein. Bereits in der Allgemeinen<br />
Erklärung der Menschenrechte (AEMR) aus dem Jahre 1948 wird eine Vielzahl an Menschenrechten<br />
definiert. Verbindlich festgeschrieben wurde diese im Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale<br />
<strong>und</strong> kulturelle Rechte (Sozialpakt, IESCR) <strong>und</strong> im Internationalen Pakt für bürgerliche <strong>und</strong> politische<br />
Rechte (Zivilpakt, ICCPR). Im Laufe der Zeit wurden Verträge entwickelt die sich den<br />
Gefährdungslagen einzelner Gruppen angenommen haben <strong>und</strong> ein Instrument sind, um gegen<br />
spezifische Diskriminierungen vorzugehen. So wurde beispielsweise ein Übereinkommen zur<br />
Beseitigung von rassistischer Diskriminierung beschlossen (International Convention on Racial<br />
Discrimination (ICERD)) <strong>und</strong> auch eine Konvention zum Schutz der Rechte der Frauen (Convention on<br />
the Eliminiation of Discrimination against Women (CEDAW)). Die UN-Behindertenrechtskonvention<br />
(BRK) als einer der jüngeren menschenrechtlichen Verträge beinhaltet Regelungen, die auf Menschen<br />
mit Behinderung zugeschnitten wurden. Hieran sieht man auch, dass die Menschenrechte immer<br />
wieder an die Lebenswelten angepasst werden mussten. Viele Fragen, die sich im Zusammenhang mit<br />
Gefährdungsrisiken von Menschen mit Behinderung stellen, können mit Hilfe der BRK beantwortet<br />
werden. Daher ist es sinnvoll, die BRK zu nutzen, beispielsweise für Personen, die sich in Pflege<br />
befinden.<br />
50
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Health Inequalities<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Konstruktivistische <strong>und</strong> dekonstruktivistische Perspektiven<br />
<strong>und</strong> ihre Relevanz für ein komplexes Verständnis<br />
ges<strong>und</strong>heitlicher Ungleichheiten<br />
“Potenziale poststrukturalistischer Theorien für Public Health”<br />
Dr. Regina Brunnett, Hamburg<br />
Im angloamerikanischen Diskurs längst etabliert, setzt die Rezeption von poststrukturalistischen<br />
Theorien <strong>und</strong> Ansätzen von Public Health in Deutschland aufgr<strong>und</strong> sozio-historischer Besonderheiten<br />
erst allmählich ein. Im Beitrag wird es darum gehen, ausgehend von Entwicklungslinien der<br />
poststrukuralistischen anglo-amerikanischen Public Health-Forschung das reflexive Potenzial<br />
poststrukturalistischer Public Health-Forschung <strong>und</strong> die Möglichkeiten der Einbettung von Public<br />
Health-Wissen <strong>und</strong> -Praktiken in sozial-, kultur- <strong>und</strong> medienwissenschaftliche Betrachtungsweisen<br />
auszuloten. Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> damit verknüpfte Praktiken gewinnen dadurch an Lebendigkeit, Vielfalt,<br />
Komplexität – <strong>und</strong> an Veränderbarkeit.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Empirie: Welche Daten für wessen Taten? Die Bedeutung<br />
empirischer Ergebnisse für die Erforschung ges<strong>und</strong>heitlicher<br />
Ungleichheiten<br />
“Die Perspektive der universitären Forschung”<br />
Prof. Dr. Nico Dragano, Universität Düsseldorf<br />
Mittlerweile ist eine gravierende soziale Ungleichheit von Krankheiten <strong>und</strong> Todesfällen auch in<br />
Deutschland gut dokumentiert. Internationale Forschergruppen haben zudem viel zum Verständnis der<br />
Ursachen beigetragen. Ist damit der Job der universitären (Gr<strong>und</strong>lagen-)Forschung getan <strong>und</strong><br />
brauchte es überhaupt noch weitere Daten?<br />
In diesem Beitrag werden aus dem Blickwinkel der universitären Forschung verschiedene Antworten<br />
auf diese Frage zur Diskussion gestellt. Sie orientieren sich an zwei Thesen: A) Trotz der insgesamt<br />
großen Zahl an Forschungsprojekten, sind methodisch hochwertige, interdisziplinäre Ansätze, die auch<br />
die biomedizinischen Aspekte des Phänomens beleuchten, in der Unterzahl. Viele Ergebnisse stammen<br />
zudem aus Studien, die nicht originär für Fragen der Sozialepidemiologie geplant wurden. B) Die<br />
Interventionsforschung zur Reduktion von sozialer Ungleichheit bleibt häufig methodisch hinter den<br />
Anforderungen an ein solch komplexen Interventionsgegenstand zurück.<br />
Falls diese Thesen zuträfen, wäre es auch in Zukunft ein Gewinn, die spezifischen Möglichkeiten der<br />
Universitäten zu nutzen, um sowohl Gr<strong>und</strong>lagenforschung als auch auf praktische Evidenz<br />
ausgerichtete Anwendungsforschung durchzuführen. Nicht zuletzt sind Universitäten auch der Ort, an<br />
dem wichtige Professionen – <strong>und</strong> hier insbesondere Mediziner/innen – für ges<strong>und</strong>heitliche Ungleichheit<br />
<strong>und</strong> ihre Ursachen sensibilisiert werden können.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Qualitäten der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Partizipative Ges<strong>und</strong>heitsforschung – Neues aus dem<br />
Netzwerk für Partizipative Ges<strong>und</strong>heitsforschung <strong>und</strong> der<br />
International Collaboration for Particpatory Health Research<br />
I: „Beispiele aus den Forschungen des Netzwerks“<br />
„Von der evidenzbasierten Intervention zur nachhaltigen Umsetzung in der Praxis:<br />
Ansätze für einen Perspektivenwechsel am Beispiel eines Projekts zur<br />
Bewegungsförderung in der Demenzprävention“<br />
Andrea Wolff, Anna Streber, Martina Niedermeier, Karim Abu-Omar, Alfred Rütten, Friedrich-<br />
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />
In den letzten Jahren ist Bewegung als eine mögliche Form der Prävention demenzieller Erkrankungen<br />
verstärkt diskutiert worden. Hierbei wurden Evidenzen für die protektive Wirkung von Bewegung über<br />
eine Reihe von Studien erbracht (z.B. Heyn et al., 2004; Van de Winckel et al., 2004; Teri et al., 2008;<br />
Lautenschlager et al. 2008). Des Weiteren zeigen Meta-Analysen, dass bei leichten kognitiven<br />
Einschränkungen durch ein körperliches Trainingsprogramm positive Effekte auf die kognitive<br />
Leistungsfähigkeit erzielt werden. B<strong>und</strong>esweit gibt es keine flächendeckende Umsetzung eines solchen<br />
Programms in der Primärprävention. Das Pilotprojekt GESTALT soll im Rahmen der Disseminations<strong>und</strong><br />
Implementierungsforschung Erkenntnisse liefern, wie mit typischen Risikofaktoren belastete<br />
Ältere für ein Bewegungsprogramm erreicht werden können. Hierfür wurde in Erlangen, gemeinsam<br />
mit verschiedenen Präventionsanbietern, in kooperativen Planungsgruppen die Umsetzung eines<br />
evidenz-basierten multimodalen Bewegungsprogramms (GESTALT) zur Prävention demenzieller<br />
Erkrankungen sowie ein unterstützendes Bewegungscoaching geplant, implementiert <strong>und</strong> evaluiert.<br />
Derzeit wird das Programm in die Nachhaltigkeit überführt. Dabei stellt zum einen die<br />
Zielgruppenerreichung, zum anderen die Institutionalisierung in den kommunalen Strukturen eine<br />
Herausforderung dar.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Partizipative Ges<strong>und</strong>heitsforschung – Neues aus dem<br />
Netzwerk für Partizipative Ges<strong>und</strong>heitsforschung <strong>und</strong> der<br />
International Collaboration for Particpatory Health Research<br />
II: „Diskussionsforum“<br />
Prof. Dr. Michael T. Wright, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin; Dr. Beate Grossmann,<br />
Felix Lüken, B<strong>und</strong>esvereinigung Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung e. V. (BVPG), Bonn<br />
Partizipative Ges<strong>und</strong>heitsforschung bedeutet eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen<br />
Wissenschaft, Praxiseinrichtungen <strong>und</strong> engagierten Bürger/innen, um gemeinsam neue Erkenntnisse<br />
zur Verbesserung der Ges<strong>und</strong>heit der Bevölkerung zu gewinnen. Dieser Ansatz findet zunehmend<br />
Anwendung in der Entwicklung innovativer Strategien zur Minderung der Effekte sozialer Ungleichheit<br />
auf den Ges<strong>und</strong>heitszustand sozial benachteiligter Menschen. Anhand von Beispielen aus Deutschland<br />
<strong>und</strong> anderen Ländern werden über aktuelle Entwicklungen in der Partizipativen Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />
berichtet. Ergebnisse aus der Arbeit des deutschen Netzwerks für Partizipative Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />
<strong>und</strong> der International Collaboration on Participatory Health Research werden vorgestellt.<br />
52
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Innovationen planvoll angehen, Hürden beseitigen! Ein<br />
evidenzgestütztes Kurztraining<br />
„Innovationen planvoll angehen, Hürden beseitigen! Ein evidenzgestütztes Kurztraining“<br />
Dr. Thomas Kliche, Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Der Workshop behandelt Möglichkeiten, die Einführung von Innovationen in Prävention <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung zu optimieren. Dabei geht es um Versorgungsangebote, Interventionen,<br />
Programme oder Strukturverbesserungen in <strong>und</strong> zwischen Organisationen (nicht um politische<br />
Reformen). Die Gr<strong>und</strong>lage bildet eine Aufarbeitung des internationalen Forschungsstands (Review of<br />
Reviews). Wichtige Förderfaktoren, Dilemmata <strong>und</strong> Lösungsstrategien solcher Innovationen werden<br />
erläutert, u.a. das Dilemma zwischen Dosierung <strong>und</strong> Daueranstrengung sowie das zwischen lokaler<br />
Anpassung <strong>und</strong> Wirksamkeit. Anhand eines Schemas zur Verbreitung, Einführung <strong>und</strong> Verstetigung<br />
<strong>und</strong> ergänzender Unterlagen wichtiger Teilschritte können die Teilnehmer/innen Innovationen als<br />
Sozialtechnologie konzipieren. Ein weiterer Nutzen besteht darin, die Faktoren als Planungsgr<strong>und</strong>lage<br />
für nachhaltige Verwertungspläne von Forschungs- <strong>und</strong> Projektanträgen heranzuziehen. Viele<br />
Innovationen werden unter den schwer überschaubaren Bedingungen der Praxisfelder auch künftig<br />
zäh oder gar nicht in Gang kommen, aber die beeinflussbaren Faktoren sollten im Einzelfall<br />
sachgerecht gestaltet werden, um Ressourcen, Arbeitszeit <strong>und</strong> Motivation der Fachkräfte <strong>und</strong><br />
Zielgruppen für Erfolg versprechende Anstrengungen zu bündeln.<br />
Kliche, T. & Touil, E. (2011): Förderfaktoren <strong>und</strong> Hürden für Innovationen – das Beispiel Prävention<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung. Eine Zusammenfassung des Forschungsstandes. Report Psychologie, 36<br />
(12), S. 466-476<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Soziale Ungleichheiten durch Public-Health-Interventionen<br />
„Einführung in die Thematik“<br />
Prof. Dr. Oliver Razum, Universität Bielefeld<br />
Public-Health-Interventionen können soziale Ungleichheiten verstärken (IGIs = intervention-generated<br />
inequalities). Aktuell wird diskutiert, welche Interventionstypen hiervon besonders betroffen sind. In<br />
dem Fachforum sollen zuerst die zwei Interventionsfelder Tabakkontrollpolitik/Nichtraucherschutz <strong>und</strong><br />
kommunaler Umweltschutz in ihrer Bedeutung für ges<strong>und</strong>heitliche Ungleichheit diskutiert werden. Im<br />
Anschluss daran sollen methodische Ansätze zur Evaluation komplexer Public-Health-Interventionen<br />
im Hinblick auf Ungleichheitsfragen vorgestellt werden.<br />
„Tabakkontroll-/Nichtraucherschutzpolitik <strong>und</strong> soziale Ungleichheit bei Aktiv- <strong>und</strong><br />
Passivrauchen“<br />
Prof. Dr. Gabriele Bolte, Universität Bremen<br />
Soziale Unterschiede im Aktivrauchen <strong>und</strong> in der Exposition gegenüber Tabakrauch sind weit<br />
verbreitet <strong>und</strong> wurden bereits umfassend beschrieben. Einige Studien befassten sich inzwischen mit<br />
dem Effekt einzelner Tabakkontrollmaßnahmen wie z.B. der Preiserhöhung bei Tabakwaren auf soziale<br />
Ungleichheiten beim Aktivrauchen. Ein neuer Aspekt ist die Auswirkung von Nichtraucherschutzmaßnahmen<br />
wie Rauchverboten in öffentlichen Räumen auf die Exposition von Kindern gegenüber<br />
Tabakrauch in Privatwohnungen. In dem Beitrag werden die aktuellen Daten insbesondere in Bezug<br />
auf soziale Ungleichheiten in der Tabakrauchexposition vorgestellt. Der Beitrag ist Teil des Fachforums<br />
"Soziale Ungleichheiten durch Public-Health-Interventionen", in dem es um die Auslösung bzw.<br />
Verstärkung von sozialen Ungleichheiten durch Interventionen geht (sog. IGIs / interventiongenerated<br />
inequalities) <strong>und</strong> um methodische Ansätze zur Evaluation komplexer Public-Health-<br />
Interventionen im Hinblick auf Ungleichheitsfragen.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Kommunaler Umweltschutz <strong>und</strong> soziale Ungleichheit. Über die soziale Dimension von<br />
Luftreinhalte- <strong>und</strong> Lärmaktionsplänen“<br />
Dr. Heike Köckler, TU Dortm<strong>und</strong>, Fakultät Raumplanung<br />
Eines der Ziele des kommunalen Umweltschutzes ist der Schutz der menschlichen Ges<strong>und</strong>heit.<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung ist daher auch ein zentrales Anliegen der Luftreinhalte- <strong>und</strong><br />
Lärmaktionsplanung. Der gesetzliche Auftrag sieht hierbei keinerlei Berücksichtigung sozialer<br />
Ungleichheit der exponierten Bevölkerung vor. Bislang wird die soziale Dimension dieser Instrumente<br />
kaum <strong>und</strong> wenn dann hinsichtlich möglicher ökonomischer Effekte für einkommensschwache<br />
Haushalte diskutiert. Sozialdifferenzierte Analysen zu Ges<strong>und</strong>heitseffekten gibt es bislang nicht. In<br />
diesem Beitrag werden Optionen <strong>und</strong> Grenzen eines neuen sozialdifferenzierten Blicks auf<br />
ges<strong>und</strong>heitliche Effekte von Interventionen im kommunalen Umweltschutz am Beispiel von<br />
Luftreinhalte- <strong>und</strong> Lärmaktionsplänen diskutiert.<br />
„Ungleichheiten durch Interventionen – Welche Methoden sind zur Abschätzung<br />
einsetzbar?“<br />
Prof. Dr. Hajo Zeeb, Institut für Epidemiologie <strong>und</strong> Präventionsforschung (BIPS), Bremen<br />
Aus Sicht der Evidenzbasierten Public Health beschäftigt sich der Beitrag mit der Frage, welche<br />
Methoden eingesetzt werden können, um Effekte von Interventionen auf soziale Ungleichheit zu<br />
untersuchen. Zur Verfügung steht gr<strong>und</strong>sätzlich eine Reihe von Studiendesigns. Zu beachten ist, dass<br />
Effekte auf soziale Ungleichheit zumeist nicht die Hauptfragestellung von Evaluationen sind <strong>und</strong> daher<br />
expliziert in entsprechende Untersuchungsansätze aufgenommen werden müssen.<br />
54
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Im Gespräch…“<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Patient/innen stärken – Was ist der rechte Weg? Im<br />
Gespräch mit …<br />
„Weiterer Handlungsbedarf bei Patientenrechten“<br />
Ursula Helms, NAKOS – Nationale Kontakt- <strong>und</strong> Informationsstelle zur Anregung <strong>und</strong> Unterstützung<br />
von Selbsthilfegruppen, Berlin<br />
Vor mehr als 125 Jahren hat der damalige Gesetzgeber mit der gesetzlichen Unfallversicherung eine<br />
bis heute tragende Lösung bei Arbeitsunfällen gef<strong>und</strong>en: eine Kausalität von Ursache <strong>und</strong> Schaden<br />
wird auf der Gr<strong>und</strong>lage der „Theorie der wesentlichen Bedingung“ geprüft, Beiträge zur<br />
Unfallversicherung befreien Unternehmer/innen von ihrer zivilrechtlichen Haftung. Ziel ist der Erhalt<br />
des Betriebsfriedens. Hintergr<strong>und</strong> ist die Erkenntnis, dass eine Schadensersatzforderung gegen<br />
Unternehmen aussichtslos bleibt, wenn Arbeitnehmer/innen dem Arbeitgeber ein Verschulden<br />
individuell nachweisen müssen. In einer vergleichbaren Situation befinden sich Patient/innen, wenn<br />
ein Schaden entstanden ist. Übertragen auf die Interaktionsebene Arzt – Patient könnten mit Hilfe der<br />
„Theorie der wesentlichen Bedingung“ Behandlungsrisiken, -komplikationen oder -fehler über eine<br />
dritte, unparteiliche Instanz abgefedert werden <strong>und</strong> dabei das Vertrauen zwischen den Beteiligten<br />
erhalten bleiben.<br />
Im medizinischen Behandlungsgeschehen sind Vertrauen <strong>und</strong> Kommunikation wichtige<br />
Voraussetzungen für eine gelingende Therapie. Im ländlichen Raum stehen Standorte ärztlicher<br />
Versorgung aber oft nur vereinzelt <strong>und</strong> ohne Wahlmöglichkeit zur Verfügung, weshalb Betroffene auch<br />
im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers nicht aktiv werden. Sie sind auf ihre ärztliche<br />
Versorgung angewiesen <strong>und</strong> scheuen deshalb eine Auseinandersetzung. Das vorliegende<br />
Patientenrechtegesetz bietet für diese Problematik keinerlei Lösung an.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Mobilität als Voraussetzung für Teilhabe in<br />
strukturschwachen Regionen. Im Gespräch mit…<br />
Almuth Hartwig-Tiedt, Staatssekretärin im Ministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
des Landes Brandenburg<br />
Mobilität hat viele Bedeutungen, auch aus ges<strong>und</strong>heitlicher Perspektive. Hier im Gespräch steht im<br />
Vordergr<strong>und</strong>, dass die Bürger/innen Angebote der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung aufsuchen können.<br />
Auch der umgekehrte Weg hat seine Berechtigung: Die ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung kommt zu<br />
Patient/innen. Traditionell war der Hausarzt der Arzt, der auch Krankenbesuche machte.<br />
So richtig es ist, Mobilität <strong>und</strong> Teilhabe zusammen zu denken, so richtig ist es auch, Mobilität <strong>und</strong><br />
(eigene) Bewegung zu betrachten. Im „Bündnis Ges<strong>und</strong> Älter werden im Land Brandenburg“ gibt es<br />
eine Arbeitsgruppe zu Bewegung <strong>und</strong> Alter. Mobilität im Sinne von eigener Bewegung ist in diesem<br />
Zusammenhang Mittel <strong>und</strong> Zweck zugleich.<br />
Da die Voraussetzungen zur Mobilität individuell <strong>und</strong> in den Gemeinschaften unterschiedlich sind, liegt<br />
es nahe, viele Zugänge zur Mobilität zu betrachten <strong>und</strong> nach Bedarf zu fördern. Im Land Brandenburg<br />
gibt es eine Reihe von Modellen, mit denen Mobilität gefördert wird. Dazu wird berichtet.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Setting<br />
Kita <strong>und</strong> Schule<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Qualitätsentwicklung partizipativ gestalten!<br />
„Nachhaltigkeitsfaktoren in der Ges<strong>und</strong>heitsförderung am Beispiel der Verstetigung<br />
schulbasierter Interventionen“<br />
Lydia Bodner, Institut für Medizinmanagement <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften, Universität Bayreuth<br />
Die Herausforderung besteht oftmals darin, erfolgreiche Konzepte der Ges<strong>und</strong>heitsförderung in der<br />
Praxis zu verstetigen. Das Projekt „BEO’S – Bewegung <strong>und</strong> Ernährung an Oberfrankens Schulen“ hat<br />
das Ziel, Strukturen <strong>und</strong> Prozesse in Schulen nachhaltig ges<strong>und</strong>heitsförderlich zu gestalten. Nach<br />
Beendigung der durch die Universität Bayreuth betreuten Projektphase (12/2010) arbeiten 24 Schulen<br />
der Region Oberfranken selbstständig an Aspekten der Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Schulentwicklung<br />
im Sinne eines systemischen, ressourcenorientierten Ansatzes weiter. Ein Jahr später (02/2012) wurde<br />
im Rahmen eines World Cafés untersucht, welche fördernden Faktoren die Nachhaltigkeit des<br />
Konzeptes unterstützen bzw. welche Barrieren dabei bestehen. Hierbei diskutierten Lehrkräfte <strong>und</strong><br />
Schulleitung (n=13) in Caféhaus-Atmosphäre <strong>und</strong> tauschten Erfahrungen aus. Diese Form der<br />
konstruktiven Gruppendiskussion ermöglicht, kollektives Wissen transparent zu machen <strong>und</strong> zugleich<br />
die Beteiligten am Entwicklungsprozess zu partizipieren, indem deren Mitwirkung ermöglicht <strong>und</strong> ihnen<br />
neue Handlungsperspektiven aufgezeigt werden. Die Methode selbst kann damit zur Nachhaltigkeit<br />
ges<strong>und</strong>heitsfördernder Projekte beitragen.<br />
Die Nachhaltigkeit schulischer Ges<strong>und</strong>heitsförderungsmaßnahmen wurde bisher vernachlässigt. Mit<br />
der Kenntnis von fördernden <strong>und</strong> hemmenden Faktoren können neue Strategien entwickelt werden,<br />
um Ges<strong>und</strong>heitsförderung in der Praxis nachhaltig zu etablieren. Das World Café erwies sich hierbei<br />
als geeignete Erhebungsmethode.<br />
„Ges<strong>und</strong>heitszirkel zur nachhaltigen Organisationsentwicklung in Kindertagesstätten (Gi-<br />
Kitas)“<br />
Bianca Schmidt, Hochschule Coburg<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Daten zur ges<strong>und</strong>heitlichen Entwicklung von Kindern sowie Studien über<br />
Belastungen <strong>und</strong> Beschwerden des pädagogischen Personals in Kindertagesstätten strebt das Projekt<br />
„Gi-Kitas“ ein evaluiertes Organisationsentwicklungsprogramm zur Unterstützung einer<br />
ges<strong>und</strong>heitsförderlichen Gestaltung der „Lebens- <strong>und</strong> Arbeitswelt Kita“ an.<br />
Das Forschungsprojekt ist eine dreijährige Studie der Hochschule Coburg in Kooperation mit dem<br />
Landkreis Coburg, fünf kreisangehörigen Städten <strong>und</strong> Gemeinden sowie acht Kitas der Region.<br />
In der Interventionsphase wurde in jeder Kita eine Steuerungsgruppe eingerichtet. In jeweils sieben<br />
Ges<strong>und</strong>heitszirkeln wurde direkt vor Ort daran gearbeitet, die Ges<strong>und</strong>heitsförderungsangebote für die<br />
Kinder <strong>und</strong> die Arbeitsbedingungen für das pädagogische Personal in der Kita zu optimieren. Zudem<br />
wurden die Bedingungen im Kindergartenumfeld betrachtet <strong>und</strong> die Ergebnisse in R<strong>und</strong>en Tischen in<br />
den Städten <strong>und</strong> Gemeinden eingebracht <strong>und</strong> darüber hinaus diskutiert.<br />
Das Projekt setzte bereits von Anfang an auf die Partizipation aller am Kita-Alltag Beteiligten, um<br />
bereits ab hier die Brücke zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis zu bauen. Deswegen wurden in der<br />
Entwicklungsphase in Fokusgruppendiskussionen mit Vertreter/innen des pädagogischen Personals<br />
sowie Eltern aus allen acht Kitas die Inhalte <strong>und</strong> Methoden für die im Rahmen der Intervention<br />
durchzuführenden Ges<strong>und</strong>heitszirkel identifiziert. Weiterhin wurde eine Qualifizierung von<br />
Erzieher/innen zu Ges<strong>und</strong>heitsbeauftragten durchgeführt.<br />
56
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Partizipative Qualitätsentwicklung am Beispiel der Kitatransfertag“<br />
Sabine Scheifhacken, Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg<br />
Kindertagesstätten nehmen im Leben von kleinen Kindern eine ganz wesentliche Rolle ein. Ein<br />
mehrjähriger Kitabesuch wirkt sich v.a. bei Kindern in schwieriger sozialer Lage positiv auf deren<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungschancen aus. Unerlässlich sind in diesem Zusammenhang die enge<br />
Zusammenarbeit zwischen Eltern <strong>und</strong> Erzieher/innen. Viele Kitas verfügen bereits über gute Ansätze,<br />
wenn es um den Zugang zu Eltern in schwieriger sozialer Lage <strong>und</strong> den Aufbau von<br />
Erziehungspartnerschaften geht. In einer Befragung, die im Rahmen des Modellvorhabens „Ges<strong>und</strong><br />
aufwachsen in Marzahn-Hellersdorf – Modellvorhaben Präventionskette“ durchgeführt wurde, äußerten<br />
die Kitas des Bezirks einen großen Bedarf nach gegenseitigem Austausch zu diesem Thema <strong>und</strong><br />
weiterer Unterstützung, um die Erreichbarkeit von Eltern in schwieriger sozialer Lage zu verbessern.<br />
Um diesem Bedarf gerecht zu werden, hat Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg zusammen mit der<br />
Fachsteuerung des Bezirks für die Tagesbetreuung von Kindern sogenannte Kitatransfertage etabliert.<br />
Dort werden u.a. Fragen nach geeigneten Zugängen zu Familien in schwieriger sozialer Lage, guten<br />
Ansätzen der Elternarbeit <strong>und</strong> der Förderung von Elternkompetenz aufgegriffen <strong>und</strong> bearbeitet. Eine<br />
Kita stellt ihre Arbeit dabei exemplarisch vor <strong>und</strong> interessierte Einrichtungen können sich im Anschluss<br />
innerhalb einer Hospitation ein Bild von der Umsetzung machen. Auf diese Weise können gute Ansätze<br />
sichtbar gemacht <strong>und</strong> verbreitet werden. Ein darauf aufbauender moderierter Erfahrungsaustausch<br />
dient dem Ziel der Entwicklung gemeinsamer Qualitätserfordernisse.<br />
„Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit für alle Kinder – Ein Resümee der Schulung<br />
pädagogischer Fachkräfte“<br />
Iris Grimm, Zentrum für Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung am Bayerischen Landesamt für<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit, Koordinierungsstelle Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit<br />
Die Koordinierungsstelle Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit hat in Zusammenarbeit mit<br />
Vertreter/innen der Freien Wohlfahrtspflege, pädagogischen Fachkräften <strong>und</strong><br />
Sozialwissenschaftler/innen im Rahmen der Fachgespräche "Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit"<br />
Fortbildungsmaterial für <strong>und</strong> mit pädagogische(n) Fachkräfte(n) entwickelt <strong>und</strong> in Form einer<br />
Handreichung an alle Kitas in Bayern verteilt.<br />
Themen des Fortbildungskonzeptes sind "Motivation", "Vorurteile", "Eltern als Partner" <strong>und</strong><br />
"Vernetzung". Zielsetzung ist die Stärkung pädagogischer Fachkräfte in ihrem Engagement für<br />
ges<strong>und</strong>heitsorientierte Prävention für Kinder aus sozial prekären Situationen. Fachtagungen mit<br />
insgesamt r<strong>und</strong> 300 Teilnehmenden in allen Regionen Bayerns erläutern die praxisnahe Umsetzung<br />
<strong>und</strong> ermöglichen intensiven Erfahrungsaustausch <strong>und</strong> Auseinandersetzung mit den Inhalten.<br />
Ein Resümee macht die Vorbildfunktion als wichtige Voraussetzung für die Motivation pädagogischer<br />
Fachkräfte ebenso deutlich, wie das Bewusstsein, dass Kind im Mittelpunkt als Vermittler zu sehen.<br />
Ausschlaggebend ist das Schaffen interner <strong>und</strong> externer Voraussetzungen <strong>und</strong> Verhältnisse in der Kita.<br />
Anerkennung <strong>und</strong> Wertschätzung des Berufsbildes pädagogischer Fachkräfte von Politik <strong>und</strong><br />
Gesellschaft dienen dem Abbau von Vorurteilen. Wichtig für pädagogische Fachkräfte, Eltern <strong>und</strong><br />
deren Kinder ist es, sich gegenseitig anzunehmen <strong>und</strong> das Gespräch zu suchen.<br />
Offenheit <strong>und</strong> Transparenz in der Einrichtung ermöglichen die Partizipation der „Eltern als Partner“.<br />
Ein starkes internes <strong>und</strong> externes Netzwerk mit „kindbezogenen“ r<strong>und</strong>en Tischen macht die<br />
gemeinsame Verantwortung für die Kita als Familienstützpunkt deutlich.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Landesprogramme der guten ges<strong>und</strong>en Schule – Eine<br />
Strategie zum Abbau ungleicher Bildungs- <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitschancen?<br />
Dr. Rüdiger Meierjürgen, BARMER GEK, Wuppertal<br />
In den vergangenen zehn Jahren hat das Konzept der guten ges<strong>und</strong>en Schule maßgeblich die<br />
Entwicklung der schulischen Ges<strong>und</strong>heitsförderung in Deutschland mit geprägt. Das Konzept bildet die<br />
Gr<strong>und</strong>lage von Landesprogrammen, die von verschiedenen Akteuren aus Bildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
getragen werden. In dem Fachforum werden Ziele, Aufgaben <strong>und</strong> Strukturmerkmale der<br />
Landesprogramme sowie deren Potenziale präsentiert <strong>und</strong> diskutiert. Dabei soll insbesondere der<br />
Frage nachgegangen werden, ob Landesprogramme eine geeignete Strategie zum Abbau ungleicher<br />
Bildungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitschancen darstellen.<br />
„Das Landesprogramm für die gute ges<strong>und</strong>e Schule Berlin“<br />
Dirk Medrow, Landeskoordinator des Landesprogramms Gute ges<strong>und</strong>e Schule für Berlin<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung mit Schulentwicklung ist ab dem Schuljahr 2012/13 für alle Berliner Schulen<br />
zugänglich. Damit hat das Berliner Landesprogramm einen wichtigen Meilenstein erreicht: In jedem<br />
Berliner Bezirk gibt es Landesprogrammschulen <strong>und</strong> eine Koordination der Guten ges<strong>und</strong>en Schule.<br />
Insgesamt konnten bis heute in Berlin um die 150 Schulen zur Teilnahme am Landesprogramm<br />
überzeugt werden. Die Größe der teilnehmenden Schulen in den einzelnen Bezirken variiert zwischen<br />
zehn <strong>und</strong> 20 Schulen. Dazu kommen alle Berliner Schulen, die Ges<strong>und</strong>heit als Motor für ihre<br />
schulischen Beteiligten stärken wollen.<br />
Der Beitrag stellt sowohl den schrittweisen Ausbau des Landesprogramms im Land Berlin seit 2006 als<br />
auch Strategien <strong>und</strong> Konzeptionen zur zukünftigen nachhaltigen Implementierung des Programms vor.<br />
„Die gute ges<strong>und</strong>e Schule – das Landesprogramm „Bildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ (BuG)“<br />
Dr. Gerwin-L. Reinink, Ministerium für Schule <strong>und</strong> Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen,<br />
Winfried Köhler, Landeskoordinator<br />
Das Landesprogramm „Bildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ (BuG) ist das gemeinsame Programm des<br />
Ministeriums für Schule <strong>und</strong> Weiterbildung, der AOK (AOK NORDWEST <strong>und</strong> AOK Rheinland/Hamburg),<br />
der BARMER GEK, des BKK-Landesverbandes NORDWEST <strong>und</strong> der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen<br />
zur Förderung der integrierten Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Qualitätsentwicklung in Schulen.<br />
Die Programmschulen setzen die Leitidee der „guten ges<strong>und</strong>en Schule“ unter Beachtung der Trias aus<br />
Qualitätsentwicklung, Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung um. Eine zeitgemäße <strong>und</strong> auf<br />
Nachhaltigkeit ausgerichtete Schulentwicklung berücksichtigt die Wechselwirkungen von Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Bildung <strong>und</strong> schafft Bedingungen in den Handlungsfeldern Kultur, Klima, Führung, Strukturen <strong>und</strong><br />
Prozesse, die die Effizienz ebenso wie die Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit der Beteiligten fördern.<br />
Das Landesprogramm wird permanent wissenschaftlich begleitet <strong>und</strong> evaluiert. Die Ergebnisse weisen<br />
die Wirksamkeit nach.<br />
Aktuell stehen den r<strong>und</strong> 250 BuG-Schulen zur Unterstützung ihrer Schulentwicklungsprozesse<br />
Finanzmittel der Träger <strong>und</strong> BuG-Koordinatorinnen <strong>und</strong> -Koordinatoren für eine verlässliche Begleitung<br />
<strong>und</strong> Vor-Ort-Beratung zur Verfügung.<br />
Das BuG-Qualitätstableau <strong>und</strong> die Analyse der Screening-Ergebnisse bieten den Schulen Orientierung<br />
für ihre weitere Entwicklung. Außerdem wird jährlich ein Schwerpunktthema (z. B. psycho-soziale<br />
Ges<strong>und</strong>heit von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, Ges<strong>und</strong>heit der Lehrkräfte oder Vielfalt <strong>und</strong> Inklusion)<br />
vorgegeben.<br />
58
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Perspektiven der Landesprogramme zur guten ges<strong>und</strong>en Schule“<br />
Rüdiger Bockhorst, Vorstandsvorsitzender des Vereins Anschub.de/Bertelsmann Stiftung, Gütersloh<br />
In Deutschland hängt, wie in kaum in einem anderen Land, der Bildungserfolg der Kinder in der<br />
Schule in hohem Maße von der sozialen Herkunft der Eltern ab. Dass Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong><br />
Prävention einen Beitrag leisten können, um diese soziale Chancenungerechtigkeit im Setting Schule<br />
zu kompensieren, ist eigentlich unwahrscheinlich – oder? Ein Blick in die Evaluationsergebnisse der<br />
Schulen, die das Konzept der guten ges<strong>und</strong>en Schule konsequent umsetzen, sagt jedoch etwas<br />
anderes. Schulen sind dazu in der Lage, ihre Bildungsqualität <strong>und</strong> damit den Bildungserfolg ihrer<br />
Schüler zu verbessern, wenn sie ihre Schulentwicklung mit den Ansätzen der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
<strong>und</strong> Prävention betreiben. Entscheidend ist, dass sie dauerhaft verlässliche, qualitativ gesicherte<br />
Unterstützungen durch Kooperationspartner erhalten. Dies ist eines der zentralen Ziele der<br />
Landesprogramme in den vergangenen Jahren gewesen.<br />
Das Bildungssystem <strong>und</strong> die Schulen unterliegen jedoch einem rasanten Wandel. Die<br />
Ganztagsschulentwicklung <strong>und</strong> die Umsetzung von Inklusion sind zwei Megatrends, die mit Blick auf<br />
die Frage der Chancengerechtigkeit einen enormen Einfluss auf die Schulen haben, sie verändern,<br />
aber auch belastet haben. Sind die Landesprogramme richtig aufgestellt, um die ihnen<br />
angeschlossenen Schulen richtig zu unterstützen um weiterhin einen Beitrag zum Abbau ungleicher<br />
Bildungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitschancen leisten zu können? Diesen Fragen soll in Analyse der<br />
vorangegangenen Beiträge nachgegangen werden.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Systematische Organisations- <strong>und</strong> Qualitätsentwicklung am<br />
Beispiel des „Berliner Landesprogramms Kitas bewegen – für<br />
die gute ges<strong>und</strong>e Kita (LggK)“<br />
„Erfolgreiche Bildungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung durch systemische Organisations- <strong>und</strong><br />
Qualitätsentwicklung der Berliner Kindertageseinrichtungen“<br />
Annette Hautumm-Grünberg, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend <strong>und</strong> Wissenschaft; Steffi<br />
Markhoff, Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (BeKi); Bezirkskoordinator/innen des Berliner<br />
Landesprogramms LggK<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Bildung stellen eine Brücke für bestmögliche Zukunftschancen dar. Gr<strong>und</strong>legende<br />
Dispositionen für Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungsverhalten werden in der Kindheit gelegt.<br />
Kindertageseinrichtungen besitzen mit der bestehenden sehr hohen Betreuungsquote eine große<br />
Chance, positiv auf dieses zu wirken. Bildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit bedingen sich einander <strong>und</strong> schaffen die<br />
Voraussetzung für ein selbstbestimmtes <strong>und</strong> erfolgreiches Leben.<br />
Das „Berliner Landesprogramm Kitas bewegen – für die gute ges<strong>und</strong>e Kita“ setzt sich mit allen<br />
beteiligten Partnern <strong>und</strong> Akteuren für Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungsqualität in Kindertageseinrichtungen<br />
ein. Wie im Rahmen der Teilnahme am Landesprogramm ein systemischer Organisationsentwicklungsprozess<br />
in den aktuell 58 Kindertageseinrichtungen aus vier Berliner Bezirken initiiert <strong>und</strong><br />
implementiert wird <strong>und</strong> wie sich das Landesprogramm in die verbindliche Qualitätsentwicklung des<br />
Berliner Elementarbereichs einfügt, zeigt dieses Fachforum auf. Zudem werden die Akteure den<br />
Gewinn des Programms auch in Bezug auf Evaluationsergebnisse aus der Modellphase des Programms<br />
seit dem Jahr 2007 darstellen.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Ernährung <strong>und</strong> Verpflegung in der Kita<br />
„‚An die Töpfe, fertig, los!‘ – Planung <strong>und</strong> Umsetzung eines einrichtungsübergreifenden,<br />
nachhaltigen Verpflegungskonzeptes für Kindertageseinrichtungen unter besonderer<br />
Berücksichtigung von ges<strong>und</strong>heitsfördernden Aspekten“<br />
Jana Marnitz, Gudrun Schiering, Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe e.V., Bielefeld<br />
Ges<strong>und</strong>e Ernährung von Anfang an: Studienergebnisse belegen, dass das Erlernen einer ges<strong>und</strong>en<br />
Ernährungsweise im frühen Kindesalter sich in der weiteren Entwicklung günstig auswirkt.<br />
Aus gestiegenen Kinderbetreuungszeiten in Kindertagesstätten ergibt sich für die einzelnen<br />
Einrichtungen, dass viele Kinder während des ganzen Tages zu verpflegen sind. Gerade Kinder aus<br />
Familien mit niedrigem sozialem Status profitieren von einem ges<strong>und</strong>en Verpflegungsangebot in der<br />
Kita. Mit dem Projekt „Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ausreichende Ernährung für Kinder in AWO Kitas“ wird seit 2010<br />
ein Konzept zur ges<strong>und</strong>en Ernährung umgesetzt. Es wird gezeigt, wie ein Ernährungskonzept zur<br />
ges<strong>und</strong>en Ernährung einrichtungsübergreifend für über 100 Einrichtungen zukunftsfähig umgesetzt<br />
werden kann. Die Basis bildeten dabei strukturelle Veränderungen, die in Abstimmung mit Leitungen<br />
von Kindertagesstätten durch ein Projektteam geplant <strong>und</strong> umgesetzt wurden. So wurde in jeder<br />
dritten Kita das Verpflegungssystem geändert <strong>und</strong> in 60 Prozent der Kitas wird mittlerweile selbst<br />
gekocht. So konnten gut 60 neue Stellen im Bereich Hauswirtschaft geschaffen werden.<br />
In dem Beitrag werden Projektinhalte skizziert <strong>und</strong> Veränderungen dargestellt. Die Veränderungen in<br />
den Kitas wurden quantitativ <strong>und</strong> qualitativ evaluiert. Nach zwei Projektjahren liegen erste Ergebnisse<br />
vor, die im Rahmen des Workshops vorgestellt werden. Die Eltern sind zu 90 Prozent mit dem neuen<br />
Verpflegungsangebot sehr zufrieden bis zufrieden.<br />
„Essen <strong>und</strong> Trinken in der guten ges<strong>und</strong>en Kita“<br />
Sandra Tobehn, Vernetzungsstelle Kita- <strong>und</strong> Schulverpflegung, Berlin<br />
B<strong>und</strong>esweit nehmen immer mehr Eltern ganztägige Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder in<br />
Anspruch. Damit steigt die Bedeutung der Verpflegung in der Kita in Bezug auf eine gute Qualität des<br />
Angebots <strong>und</strong> auch hinsichtlich der Einbindung der Mahlzeiten als Teil der frühkindlichen Bildung.<br />
Kitas haben die Chance <strong>und</strong> die Verantwortung, unabhängig von der sozialen Herkunft der Kinder,<br />
einen positiven Einfluss auf die Versorgung <strong>und</strong> die Ausprägung des Geschmacks <strong>und</strong> des<br />
Ernährungsverhaltens der Kinder zu nehmen <strong>und</strong> damit eine wichtige Gr<strong>und</strong>lage für ihre Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> einen Ausgleich heterogener Ausgangslagen zu schaffen. Der Qualitätsstandard für die<br />
Verpflegung in Kindertageseinrichtungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. bietet gute<br />
Orientierung für Träger <strong>und</strong> Kitas bei der Gestaltung <strong>und</strong> Verbesserung ihres Angebots.<br />
Im Rahmen von „Kitas bewegen – für die gute ges<strong>und</strong>e Kita“ in der Modellregion Berlin-Mitte, haben<br />
die Kooperationspartner AOK Nordost, Bertelsmann Stiftung <strong>und</strong> Vernetzungsstelle Schulverpflegung<br />
Berlin das Projekt „Essen <strong>und</strong> Trinken in der guten ges<strong>und</strong>en Kita“ durchgeführt <strong>und</strong> dabei zusammen<br />
mit drei Kitas aufgezeigt, wie Kita-Akteure gemeinsam ein ges<strong>und</strong>heitsförderliches<br />
Verpflegungsangebot auf Basis des DGE-Standards als Teil ihres Bildungsangebots gestalten können.<br />
Neben dem Qualitätsstandard war das Berliner Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen sowie<br />
die Vereinbarung über die Qualitätsentwicklung in Berliner Kindertagesstätten der Referenzrahmen.<br />
Entscheidend für eine erfolgreiche, nachhaltige Verbesserung des Verpflegungsangebots als erstem<br />
Handlungsfeld war die Fokussierung auf zwei weitere Handlungsfelder – der Ernährungsbildung <strong>und</strong><br />
der Kommunikation <strong>und</strong> ein strukturiertes Vorgehen anhand des Organisationsentwicklungskreislaufs.<br />
Zudem konnten im Projektverlauf Handlungsempfehlungen für Kitas <strong>und</strong> Kita-Träger abgeleitet<br />
werden.<br />
Die Vernetzungsstelle Kita- <strong>und</strong> Schulverpflegung Berlin steht allen Kita-Akteuren als Ansprechpartner<br />
r<strong>und</strong> um die Kita-Verpflegung zur Verfügung.<br />
60
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Förderung der Resilienz <strong>und</strong> psychischen Ges<strong>und</strong>heit<br />
„Kriterien <strong>und</strong> Erfolgsfaktoren der Implementierung eines Konzepts zur seelischen<br />
Ges<strong>und</strong>heit in Kitas in Quartieren mit besonderen Problemlagen“<br />
Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff, Maike Rönnau-Böse, Zentrum für Kinder- <strong>und</strong> Jugendforschung an<br />
der Evangelische Hochschule Freiburg<br />
In dem Workshop sollen zum einen die Methoden <strong>und</strong> Ergebnisse eines Programms zur Förderung der<br />
seelischen Ges<strong>und</strong>heit in Kitas in Quartieren mit besonderen Problemlagen vorgestellt werden, zum<br />
anderen sollen die herausgefilterten Erfolgskriterien zur nachhaltigen Implementierung <strong>und</strong> Transfer in<br />
die Praxis mit den Teilnehmedenn des Workshops diskutiert werden.<br />
In dem Projekt wurden Erkenntnisse der Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen übertragen<br />
auf Kitas, die in Quartieren liegen, in denen ein hoher Anteil von Familien mit sozialen<br />
Benachteiligungen lebt. In sechs Kindertageseinrichtungen aus drei verschiedenen B<strong>und</strong>esländern<br />
wurde ein Mehrebenenansatz implementiert: Weiterbildung <strong>und</strong> Supervision der Fachkräfte, Kurse für<br />
Kinder, Beratung <strong>und</strong> Kurse für Eltern sowie Vernetzung im Sozialraum. Es wurden neue<br />
niedrigschwellige Strukturen geschaffen, die die Inanspruchnahme von präventiven Leistungen<br />
erleichtern sowie eine Verbindung zwischen Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungsförderung realisieren. Dadurch<br />
sollte ein Beitrag zur Verhinderung von Exklusion sowie zur Verbesserung gleicher Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />
Bildungschancen geleistet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass es gr<strong>und</strong>sätzlich möglich ist, mit einem<br />
multimodalen Vorgehen im Setting-Ansatz die seelische Ges<strong>und</strong>heit der Zielgruppen Kinder <strong>und</strong> Eltern<br />
zu verbessern. Dabei müssen jedoch die Methoden sehr spezifisch adaptiert werden, die<br />
pädagogischen Fachkräfte müssen gezielt qualifiziert <strong>und</strong> im Implementierungsprozess begleitet<br />
werden, damit nachhaltige Entwicklungen gesichert werden.<br />
„Vom Projekt zum Programm: Wie nachhaltige <strong>und</strong> qualitätsgesicherte Prävention im<br />
Setting Kita gelingen kann. Das Programm Papilio zur Förderung sozial-emotionaler<br />
Kompetenz“<br />
Heidrun Mayer, Papilio e.V., Augsburg<br />
Aktuelle Studien belegen, dass Sucht, Gewalt <strong>und</strong> psychosoziale Störungen heutzutage immer noch<br />
große Probleme im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter darstellen. Sucht <strong>und</strong> Gewalt im Jugendalter sind auf<br />
Risiken <strong>und</strong> Verhaltensauffälligkeiten in der frühen Kindheit zurückzuführen (Webster-Stratton &<br />
Taylor, 2001). Gr<strong>und</strong>legendes soziales Verhalten lernt der Mensch im Kindergartenalter. Das<br />
universelle Präventionsprogramm Papilio stärkt die sozial-emotionalen Kompetenzen von<br />
Kindergartenkindern,reduziert nachgewiesenermaßen erste Verhaltensprobleme <strong>und</strong> beugt Sucht <strong>und</strong><br />
Gewalt im Jugendalter vor. Das Programm setzt auf drei Ebenen an: Erzieher/innen, Kinder <strong>und</strong><br />
Eltern, wobei die Erzieher/innen die zentrale Rolle bei der Umsetzung des Programms einnehmen.<br />
Vorrangiges Ziel ist eine nachhaltige <strong>und</strong> kontinuierliche Umsetzung der Maßnahmen in der gesamten<br />
Kita, d.h. alle Kinder werden erreicht, ohne Stigmatisierung. Ein umfassendes Qualitätsmanagement<br />
gewährleistet eine hohe Qualität bei der Umsetzung der Maßnahmen sowie des gesamten Programms.<br />
Das Programm wurde 2002 in einer dreijährigen Projektphase wissenschaftlich evaluiert. Nachdem<br />
Papilio dem Projekt-Status entwachsen ist, wird es vom Sozialunternehmen Papilio e.V. in ganz<br />
Deutschland verbreitet. Die Implementierung in Deutschland wird durch Vernetzung <strong>und</strong><br />
Multiplikatorenschulung gewährleistet.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Erzieher/innenges<strong>und</strong>heit<br />
„Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlbefinden von Erzieherinnen <strong>und</strong> Erziehern am Arbeitsplatz Kita:<br />
Bedingungen, Belastungen, Ressourcen“<br />
Elvira Mauz, Maria Schumann, Prof. Dr. Susanne Viernickel, Prof. Dr. Anja Voss, Alice Salomon<br />
Hochschule Berlin<br />
In dem Beitrag werden die Ergebnisse des Forschungsprojektes „STEGE – Strukturqualität <strong>und</strong><br />
ErzieherInnenges<strong>und</strong>heit“ vorgestellt, welches erstmalig empirisch Zusammenhänge zwischen<br />
Merkmalen der Strukturqualität, der Wahrnehmung von Belastungen <strong>und</strong> Ressourcen sowie positiven<br />
<strong>und</strong> negativen Beanspruchungsfolgen am Arbeitsplatz Kindertageseinrichtung untersucht. Es wurde<br />
von Oktober 2010 bis Dezember 2012 an der Alice Salomon Hochschule in Berlin im Auftrag der<br />
Unfallkasse Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong> der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)<br />
durchgeführt. Die Untersuchung kombiniert einen quantitativen Forschungsstrang, in dem 2.744<br />
pädagogische Fach- <strong>und</strong> Leitungskräfte aus 809 Einrichtungen in einer für die Kita-Trägerstruktur<br />
Nordrhein-Westfalens repräsentativen Stichprobe schriftlich befragt wurden, <strong>und</strong> einen qualitativen<br />
Forschungsstrang aus 14 problemzentrierten Interviews mit Erzieher/innen.<br />
Die Studie belegt den belasteten Ges<strong>und</strong>heitszustand der Berufsgruppe <strong>und</strong> zeigt auf, dass sich das<br />
Risiko für psychische <strong>und</strong> körperliche ges<strong>und</strong>heitliche Beeinträchtigungen mit schlechteren<br />
strukturellen Rahmenbedingungen erhöht. Dieser Zusammenhang kann für die subjektive Ges<strong>und</strong>heit,<br />
für Burnout <strong>und</strong> psychische Beschwerden/Störungen, für Muskel-Skelett-Erkrankungen <strong>und</strong> andere<br />
chronische Erkrankungen nachgewiesen werden.<br />
Als Risikofaktoren für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit von pädagogischen Fach- <strong>und</strong><br />
Leitungskräften am Arbeitsplatz Kita erweisen sich ebenfalls unzureichende strukturelle<br />
Rahmenbedingungen, wie eine schlechte finanzielle <strong>und</strong> räumliche Ausstattung, schlechte<br />
ergonomische Arbeitsbedingungen, chronischer Zeitdruck, ständig steigende Arbeitsanforderungen,<br />
Belastung durch Lärm, zu geringe Bezahlung, geringe Aufstiegsmöglichkeiten, geringe<br />
gesellschaftliche Reputation <strong>und</strong> körperlich anstrengende Arbeit. Als Schutzfaktoren am Arbeitsplatz<br />
kristallisieren sich u.a. ein gutes Teamklima, ein hoher Handlungsspielraum, viel Bewegung auf der<br />
Arbeit sowie ein hohes Ausmaß an beruflicher Gratifikation wie Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit <strong>und</strong><br />
Anerkennung heraus. Hinzu kommen persönliche Risiko- <strong>und</strong> Schutzfaktoren der Fach- <strong>und</strong><br />
Leitungskräfte wie deren arbeitsbezogene Verhaltens- <strong>und</strong> Erlebensmuster, das Ausmaß von privater<br />
Belastung, sozialer Unterstützung, Sport in der Freizeit, Zigarettenkonsum sowie ein ges<strong>und</strong>es<br />
Körpergewicht.<br />
Der Nachweis der hohen Bedeutung von strukturellen Rahmenbedingungen für die Ges<strong>und</strong>heit von<br />
pädagogischen Fachkräften in dem Arbeitsumfeld Kindertageseinrichtung verdeutlicht die<br />
Notwendigkeit des Ausbaus <strong>und</strong> der Evaluation von Maßnahmen betrieblicher Ges<strong>und</strong>heitsförderung,<br />
worauf ein erster Ausblick erfolgen wird. Dabei müssen strukturelle Rahmenbedingungen wie z.B. die<br />
Fachkraft-Kind-Relation, regelmäßige Supervision, die f<strong>und</strong>ierte Ausbildung der Fachkräfte oder die<br />
finanzielle <strong>und</strong> räumliche Ausstattung der Einrichtungen neben den eher individuellen Maßnahmen wie<br />
z.B. Rückenschule oder Zeitmanagement stärker in den Vordergr<strong>und</strong> gestellt werden, um einer<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Benachteiligung von Erzieher/innnen in der Frühpädagogik entgegen zu wirken.<br />
„Das K!GG-Konzept als settingspezifisches Qualitätsinstrument im<br />
Ges<strong>und</strong>heitsmanagement in Kindertageseinrichtungen“<br />
Susanne M. Nagel-Prinz, Prof. Dr. Peter Paulus, Leuphana Universität Lüneburg<br />
Studien belegen die ges<strong>und</strong>heitlichen Belastungen der Fachkräfte in Kitas sowie der Kinder,<br />
insbesondere solcher aus sozial benachteiligten Milieus. Ebenso weisen Studien auf den<br />
Zusammenhang zwischen Arbeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit sowie Bildung, Entwicklung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit hin. Mit<br />
der Ottawa-Charta (WHO 1986) haben Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung (PGF) allgemein sowie<br />
auch in verschiedenen Settings eine wachsende Bedeutung erfahren. Deutlich wird jedoch, dass in<br />
den Settings Kita <strong>und</strong> Schule mögliche Maßnahmen der PGF nur begrenzt verwirklicht werden (Paulus<br />
& Witteriede 2008; Kliche 2008; Nagel-Prinz 2010). Als Hintergr<strong>und</strong> für diese Grenzen können die<br />
62
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
parallelen Qualitätsentwicklungen <strong>und</strong> Neudefinitionen der pädagogischen Settings als<br />
Bildungseinrichtungen angenommen werden. Die PGF tritt vielfach mit Konzepten an Kitas <strong>und</strong><br />
Schulen heran, die Parallelstrukturen schaffen <strong>und</strong> nicht kompatibel sind mit der Steuerungslogik von<br />
Kita <strong>und</strong> Schule. Die spezifischen Settingmerkmale einer Organisation sind jedoch für die Optimierung<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsangebote von erheblicher Bedeutung. In dem Vortrag wird der Qualitätsrahmen K!GG:<br />
Bildung, Erziehung, Betreuung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit vorgestellt, der als „integriertes Konzept“ eine<br />
systematische Integration von Ges<strong>und</strong>heit in den Qualitätsentwicklungsprozess der Kita ermöglicht<br />
sowie dabei sowohl die Ges<strong>und</strong>heit der Mitarbeiter/innen als der Kinder in den Blick nimmt.<br />
„Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung von Beschäftigten im Sozial- <strong>und</strong> Erziehungsdienst im<br />
Landkreis Nordsachsen“<br />
Marleen Thinschmidt, Institut <strong>und</strong> Poliklinik für Arbeits- <strong>und</strong> Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der<br />
TU Dresden; Brit Gruhne, Sozialplanung, Landkreis Nordsachsen<br />
Die Änderungen zum Tarifvertrag für Beschäftigte im Sozial- <strong>und</strong> Erziehungsdienst des öffentlichen<br />
Dienstes (TVöD) im Juli 2009 sahen Neuregelungen im betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsschutz/der<br />
betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung vor. Während dabei v.a. Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen<br />
im Fokus ges<strong>und</strong>heitsbezogener Maßnahmen sowie der arbeitswissenschaftlichen Aufmerksamkeit<br />
stehen, werden die Beschäftigten im Sozial- <strong>und</strong> Erziehungsdienstes, die nicht in einer klassischen Kita<br />
tätig sind, eher selten betrachtet, obwohl sie teilweise unter noch stärker herausfordernderen<br />
Bedingungen arbeiten.<br />
Der Landkreis Nordsachsen nimmt im Zuge der Umsetzung des Ges<strong>und</strong>heitstarifvertrags seine tätigen<br />
Erzieher/innen <strong>und</strong> Sozialpädagog/innen in der kommunalen Betreuung, v.a. im Bereich der<br />
erzieherischen Hilfen, seit Sommer 2011 in den Blick. Mit Hilfe einer Mitarbeiterbefragung (MB) wurde<br />
dazu die berufliche <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Situation der Beschäftigten erfasst <strong>und</strong> ausgewertet. Derzeit<br />
werden individuum- (Stressberg) <strong>und</strong> teambezogene Maßnahmen (Ges<strong>und</strong>heitszirkel [GZ],<br />
Supervision) durchgeführt. Auf struktureller Ebene (Landkreis) werden subjektive Belastungsangaben<br />
(MB, GZ) sowie Gefährdungsbeurteilungen ausgewertet. Auf dieser Basis sollen die betrieblichen<br />
Ursachen arbeitsbedingter Beschwerden identifiziert <strong>und</strong> Vorschläge zu deren Veränderung bzw.<br />
Optimierung zu Erhalt <strong>und</strong> Förderung von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit abgeleitet <strong>und</strong><br />
hinsichtlich ihrer Auswirkungen bewertet werden.<br />
„Mit Freude bis zur Rente arbeiten. Ideen für die alternsgerechte Beschäftigung von<br />
Erzieher/innen“<br />
Dr. Attiya Khan, Sächsische Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung e.V.<br />
In dem Beitrag werden erste Ergebnisse eines Projektes zur alterns- <strong>und</strong> altersgerechten<br />
Arbeitsgestaltung in Kindertageseinrichtungen vorgestellt, das von der sächsischen Staatsregierung<br />
gefördert wird. In dem Projekt „Demografiesensible Ges<strong>und</strong>heitsförderung als Trägerkonzept“<br />
erarbeiten Träger <strong>und</strong> Beschäftigte gemeinsam, wie pädagogische Fachkräfte möglichst lange <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong> in ihrem Beruf tätig sein können.<br />
Die teilnehmenden Kindertagesstätten der Diakonie befinden sich in einer ländlichen Region, die<br />
besonders stark von den Auswirkungen des demografischen Wandels betroffen ist. Dies zeigt sich<br />
auch in den Kindertageseinrichtungen, die tendenziell klein sind <strong>und</strong> deren Personal einen höheren<br />
Altersdurchschnitt aufweist. Das hat zur Folge, dass die Gestaltungsmöglichkeiten in den Kitas bzw.<br />
beim Träger <strong>und</strong> die personellen Ressourcen eingeschränkt sind.<br />
In dem Vortrag geht es um die Herausforderungen <strong>und</strong> Chancen, die Ges<strong>und</strong>heit von Beschäftigten<br />
aus sehr kleinen Organisationen zu fördern <strong>und</strong> die kirchlichen Träger der Kindertagesseinrichtungen<br />
für diese Aufgaben zu sensibilisieren <strong>und</strong> einzubeziehen. Dabei stellt sich die Frage, welche<br />
Maßnahmen der alters- <strong>und</strong> alternsgerechten Arbeitsgestaltung aus Sicht der Beschäftigten <strong>und</strong> ihrer<br />
Arbeitgeber realisierbar <strong>und</strong> nützlich sind. In der Präsentation wird seitens der Projektdurchführenden<br />
auch reflektiert, wie die Intervention im ländlichen Raum effizient <strong>und</strong> effektiv gestaltet werden kann.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung passend machen:<br />
Beispiele für spezifische Zielgruppenangebote<br />
„Ges<strong>und</strong>heitsförderung für psychisch erkrankte Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter –<br />
Interventionsstudie in einer Werkstatt für behinderte Menschen“<br />
Kathrin Latocha, Bergische Universität Wuppertal<br />
Im vorliegenden Beitrag wird ein Gruppentraining für chronisch psychisch erkrankte Beschäftigte<br />
vorgestellt, welches das Ziel verfolgt, individuelle Ressourcen, die Ges<strong>und</strong>heitskompetenz sowie die<br />
Selbstwirksamkeitserwartung zu steigern. Je mehr personale Ressourcen zur Verfügung stehen, umso<br />
geringer ist das Entstehen bzw. Wiederkehren psychischer Erkrankungen. Die vorliegende<br />
Interventionsstudie untersucht in einer Werkstatt für behinderte Menschen, inwieweit psychische<br />
Beanspruchung gesenkt <strong>und</strong> die Bewältigungsfähigkeit psychisch erkrankter Mitarbeiter/innen im<br />
Arbeitskontext gefördert werden können. Im Rahmen dieser Studie wurde ein Gruppentraining für<br />
chronisch psychisch erkrankte Beschäftigte entwickelt <strong>und</strong> mittels Prä-Postest-Design für die<br />
Interventions- sowie die Kontrollgruppe (N = 74) evaluiert. Dieser verhaltenspräventive Ansatz hat die<br />
Erarbeitung von arbeitsbezogenen Bewältigungsmöglichkeiten, die Entwicklung der<br />
Selbstmanagementfähigkeit <strong>und</strong> der Selbstwirksamkeit sowie die Steigerung der funktionalen<br />
Beanspruchung <strong>und</strong> des subjektiven Wohlbefindens zum Ziel. In den Gruppensitzungen geht es gezielt<br />
darum, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, den Umgang mit Konflikten sowie Strategien<br />
hinsichtlich psychischer <strong>und</strong> körperlicher Ges<strong>und</strong>heit zu verbessern. Langfristig soll das<br />
Gruppentraining in andere Bereiche für psychisch erkrankte Personen übertragen werden, um<br />
präventiv stark belastete Beschäftigte zu unterstützen <strong>und</strong> deren Strategien sowie Kompetenzen zu<br />
(re-)aktivieren. Im Rahmen einer ganzheitlichen betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung werden<br />
zusätzlich, anhand des Gruppentrainings, Maßnahmen zur Verhältnisprävention abgeleitet, um die<br />
erreichten positiven Ergebnisse zu verstetigen. Der Vortrag wird wesentliche Eckpunkte des<br />
Gruppentrainings sowie Evaluationsergebnisse vorstellen.<br />
„Erholung als Ressource – eine Frage des sozialen Status“<br />
Dr. Kai Seiler, Felizitas Alaze, Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang von sozialem Status <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Im geplanten<br />
Beitrag wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich die soziale Lage auch auf Aspekte zur Erholung<br />
auswirkt. Die Fähigkeit, sich in der Freizeit von den Anforderungen <strong>und</strong> Belastungen der Arbeit zu<br />
erholen, wird zunehmend durch die Veränderungen in der modernen Arbeitswelt beeinträchtigt.<br />
Empirische Basis stellt hierfür die im Herbst 2011 vom Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen durchgeführte Repräsentativbefragung zum Zusammenhang von Arbeit <strong>und</strong><br />
Erholung dar (N = 2002).<br />
Die Daten verdeutlichen, dass Personen mit einer niedrigen beruflichen Bildung, einer<br />
dementsprechenden beruflichen Stellung <strong>und</strong> mit einem für sie nicht zufriedenstellenden Einkommen<br />
Erholung seltener als Anregung <strong>und</strong> stattdessen häufiger als Vernachlässigung von Pflichten <strong>und</strong> als<br />
Luxus empfinden. Zudem weisen sie schlechtere Werte der Erholungskompetenz auf als Personen mit<br />
einem besseren sozialen Status. Je schlechter die soziale Lage, desto weniger Erholungsstrategien<br />
werden genannt <strong>und</strong> desto seltener wird auch von guter Schlafqualität <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit berichtet.<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass sozial Benachteiligte einen besonderen Bedarf haben, hinsichtlich ihrer<br />
Erholungskompetenzen gefördert zu werden. In Verbindung mit den häufig ungünstigen <strong>und</strong> nicht<br />
erholungsförderlichen Arbeitsbedingungen, in denen sozial Benachteiligte beschäftigt sind, kommt<br />
somit die Ressource Erholung oft zu kurz.<br />
64
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Ein-Personen-Unternehmen als neue Zielgruppe der Betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
– Vorstellung des Wiener Ges<strong>und</strong>heitsförderungsprojektes ‘GAVA‘“<br />
Katharina Ebner, Jürgen Unfried, Alexandra Ertelthalner-Weilhartner, ÖSB Consulting GmbH, Wien,<br />
Österreich; Dr. Gerhard Lukawetz, Kommunikations- <strong>und</strong> Marktforschung, Wien<br />
Der Anteil der Selbständigen in Österreich ist in den letzten Jahren auf 482.600 gestiegen (vgl.<br />
Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung). Gut die Hälfte (54,6 Prozent) davon arbeiten als<br />
Ein-Personen-Unternehmen (EPU), in Wien sind es aktuell 55.000. Wie andere Erwerbstätige sind sie<br />
berufs- <strong>und</strong> branchentypischen Belastungen ausgesetzt, jedoch müssen sie darüber hinaus auch noch<br />
die spezifischen Arbeitsanforderungen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsrisiken der solo-unternehmerischen Tätigkeit<br />
meistern: Arbeit von zu Hause, fehlende Abgrenzung von Berufs- <strong>und</strong> Privatleben, fehlende soziale<br />
Kontakte <strong>und</strong> finanzielle Unsicherheiten. Aus "unfreiwilliger" Selbständigkeit, die häufig aus der<br />
Arbeitslosigkeit entsteht, kann prekäre Beschäftigung resultieren. Da in Österreich bis dato kaum<br />
strukturelle Unterstützungsmechanismen zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung von EPU bestehen, sollen sie im<br />
Rahmen des Wiener Ges<strong>und</strong>heitsförderungsprojektes „GAVA – Ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> arbeitsfähig von Anfang<br />
an“ als neue Zielgruppe der arbeitsplatzbezogenen Ges<strong>und</strong>heitsförderung (BGF) in den<br />
wissenschaftlichen Fokus rücken. Mittels qualitativer Interviews, Fokusgruppendiskussionen <strong>und</strong> einer<br />
internetgestützten Befragung wird eine IST-Analyse zur ges<strong>und</strong>heitlichen Situation von Solo-<br />
Selbständigen durchgeführt. Parallel dazu werden praktische Angebote zur Förderung der Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Arbeitsfähigkeit von EPU entwickelt <strong>und</strong> erprobt. Insbesondere für ges<strong>und</strong>heitlich benachteiligte<br />
EPU sollen empirische Daten gewonnen <strong>und</strong> bedarfsorientierte Strategien entwickelt werden. Bisher<br />
haben knapp 700 Personen an den GAVA Ges<strong>und</strong>heitsaktivitäten <strong>und</strong> der Online-Befragung<br />
teilgenommen. Präsentiert werden erste Ergebnisse zur ges<strong>und</strong>heitlichen Situation von EPU sowie<br />
erprobte Strategien zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung dieser Zielgruppe.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung passend machen:<br />
Beispiele für branchen- <strong>und</strong> berufsspezifische Ansätze<br />
„Mit Ges<strong>und</strong>heitskompetenz gegen psychosoziale Belastungen –<br />
Interventionsmöglichkeiten im Gastgewerbe aus dem Projekt INDIGHO“<br />
Kerstin Guhlemann, Dr. Olaf Katenkamp, Arno Georg, Sozialforschungsstelle, Technische Universität<br />
Dortm<strong>und</strong><br />
Psychische Erkrankungen verursachen einen Großteil der Fehlzeiten sowie Frühverrentungen der<br />
Beschäftigten <strong>und</strong> damit hohe volkswirtschaftliche Kosten. Dass ihre Häufigkeit seit Jahren steigt, ist<br />
längst im wissenschaftlichen, politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Diskurs angekommen. Die Prävention<br />
arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen erweist sich jedoch als schwierig. Zwar existieren bereits<br />
zahlreiche Gefährdungsbeurteilungen, die psychosoziale Belastungsfaktoren integrieren, doch werden<br />
diese in den Betrieben oft nicht angewendet, da sie zu viel Vorwissen erfordern <strong>und</strong> die meisten<br />
Instrumente nicht problemlos auf betriebs- <strong>und</strong> branchenbedingte Gegebenheiten übertragbar sind.<br />
Besonders kritisch ist die Verbindung hoher psychischer Anforderungen mit den Herausforderungen<br />
des demografischen Wandels: Hier sind oft massive Probleme bei der Rekrutierung <strong>und</strong><br />
anschließenden betrieblichen Bindung von Fachkräften <strong>und</strong> Auszubildenden die Folge. In Konsequenz<br />
sind dringend branchenspezifische Ansätze gefordert, um den Verbleib der Beschäftigten in ihrem<br />
Beruf zu erhöhen. Eine Branche mit stark ausgeprägten Gefährdungsfaktoren ist das Gastgewerbe –<br />
hier haben in Folge bereits über 50 Prozent aller Betriebe Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu<br />
finden. Im BMBF-Projekt INDIGHO werden Interventionsmöglichkeiten erarbeitet <strong>und</strong> praktisch<br />
erprobt, die u.a. das Ziel verfolgen, die Ges<strong>und</strong>heitskompetenz von Auszubildenden durch<br />
Lernortkooperationen <strong>und</strong> den Einsatz von Web-2.0-Plattformen zu stärken.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Betriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement im Handwerk – Vorstellung von<br />
Umsetzungsstrategien aus dem Projekt HanD/I“<br />
Daniela Kunze, Dr. Martina Brandt, Beuth Hochschule für Technik Berlin<br />
Durch Veränderungen der Altersstruktur der Belegschaft <strong>und</strong> der K<strong>und</strong>schaft gewinnen innovative<br />
Marktanpassungen <strong>und</strong> gleichzeitig die Förderung des betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagements<br />
besonders in kleinen Handwerksunternehmen stärker an Bedeutung. Kostenintensive<br />
Beratungsangebote <strong>und</strong> zeit- oder ressourcenaufwendige FuE können sich die oft als Familienbetrieb<br />
geführten Unternehmen nicht leisten.<br />
Die Beuth Hochschule für Technik setzt gemeinsam mit der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland<br />
<strong>und</strong> dem Institut für Ges<strong>und</strong>heitsconsulting der AOK Niedersachen das BMBF geförderte<br />
Forschungsprojekt „Der demografische Wandel im Handwerk: Innovationen durch ges<strong>und</strong>e<br />
Unternehmensstrukturen“ um. Das Projekt hat sich die Aufgabe gestellt, die Innovationsfähigkeit der<br />
beteiligten Handwerksunternehmer unterschiedlicher Gewerke (KFZ, Elektro, Metall, Bäcker, Tischler)<br />
<strong>und</strong> deren Beschäftigte zu stärken, indem sie befähigt werden, ges<strong>und</strong>heitsbezogene Ressourcen zu<br />
verbessern sowie einen positiven Umgang mit dem demografischen Wandel zu finden.<br />
Die wissenschaftlichen Ziele des Vorhabens bestehen in der konzeptionellen Aufarbeitung der<br />
Beziehungen von Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Innovation <strong>und</strong> in der Ermittlung gewerkspezifischer<br />
Innovationspotenziale des demografischen Wandels. Erste Ergebnisse basierend auf den<br />
Querschnittsdaten einer umfangreichen explorativen Interviewstudie von ca. 80<br />
Handwerksunternehmen werden im Vortrag vorgestellt.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung zur Stärkung psychischer<br />
Ges<strong>und</strong>heit<br />
„Präventionsbericht der GKV: Aktivitäten der Krankenkassen zur Stärkung psychischer<br />
Ges<strong>und</strong>heit im Betrieb“<br />
Caroline Jung, Dr. Harald Strippel, Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes B<strong>und</strong> der<br />
Krankenkassen e.V., Essen<br />
Die Krankenkassen haben ihre Aktivitäten zur Förderung der psychischen Ges<strong>und</strong>heit in Betrieben in<br />
den letzten Jahren ausgebaut. Stressmanagement findet sich mittlerweile in der Hälfte aller<br />
Interventionen <strong>und</strong> mehr als ein Drittel der Maßnahmen befasst sich mit ges<strong>und</strong>heitsgerechter<br />
Mitarbeiterführung. Erfolgreich wurden ältere Arbeitnehmer/innen angesprochen, die verstärkt an<br />
Maßnahmen zur Bewältigung psychischer Belastungen teilnahmen. Dieser positive Trend spiegelt sich<br />
auch in der Erreichung der GKV-Präventionsziele wider. Seit Einführung der Präventionsziele für die<br />
betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Jahr 2008 wird das Oberziel der arbeitsweltbezogenen<br />
Prävention intensiv verfolgt <strong>und</strong> die Zielerreichung liegt in den drei Teilzielen weit über den<br />
Erwartungen. Präventionsmaßnahmen, die sich mit ges<strong>und</strong>heitsgerechter Mitarbeiterführung befassen,<br />
wurden in diesem Zeitraum um über 50 Prozent weiter ausgebaut. Die Maßnahmen zum<br />
Stressmanagement konnten verdoppelt werden <strong>und</strong> die Präventionsmaßnahmen, die eine Reduktion<br />
psychischer Belastungen verfolgen, haben einen Zuwachs von über 150 Prozent zu verzeichnen. Die<br />
Verfolgung des zweiten Oberziels, der arbeitsweltbezogenen Ges<strong>und</strong>heitsförderung, wurde durch die<br />
Etablierung vielfältiger Maßnahmen in den Betrieben zur besseren Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf<br />
maßgeblich unterstützt. Hier wurden die Angebote seit dem Jahr 2007 fast verdreifacht.<br />
66
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„ReSuDi – ein Multiplikatorenkonzept für Migranten in un- <strong>und</strong> angelernten Tätigkeiten<br />
<strong>und</strong> für un- <strong>und</strong> angelernte Belegschaften mit einem hohen Migrantenanteil“<br />
Dr. Christine Busch, Universität Hamburg; Frigga Maßholder, AOK Nordwest, Schwelm; Dr. Julia<br />
Clasen, Julia Vowinkel, Eva Winkler, Universität Hamburg<br />
Zur Förderung von Ges<strong>und</strong>heitschancen von un- <strong>und</strong> angelernten Belegschaften, die zunehmend in<br />
Deutschland einen hohen Migrantenanteil aufweisen, wurde ein vom BMBF finanziertes Ressourcen<strong>und</strong><br />
Stressmanagementkonzept für diese Zielgruppe entwickelt <strong>und</strong> evaluiert. Als Zugangsweg zur<br />
Zielgruppe wurde ein Multiplikatorenansatz mit über- <strong>und</strong> innerbetrieblichen Multiplikator/innen<br />
gewählt.<br />
Überbetrieblich sind es Präventionsanbieter, die als Multiplikator/innen den Zugang zu interessierten<br />
Betrieben mit un- <strong>und</strong> angelernten Belegschaften ermöglichen. Innerbetrieblich werden auf<br />
verschiedenen Organisationsebenen Multiplikator/innen geschult, um ineinandergreifende <strong>und</strong><br />
nachhaltige Zugangswege zur Zielgruppe zu gestalten. Auf der Ebene der Beschäftigten werden<br />
freiwillige, gewählte Personen mit verschiedenem kulturellen Hintergr<strong>und</strong> zu Peer-Mentoren<br />
hinsichtlich Ressourcen- <strong>und</strong> Stressmanagement ausgebildet.<br />
Die Vorgesetzten der Un- <strong>und</strong> Angelernten sind die zweite innerbetriebliche Multiplikatorengruppe.<br />
Führungskräfte haben besonderen Einfluss auf die Ges<strong>und</strong>heit der Beschäftigten. Die Führungskräfte<br />
werden insbesondere hinsichtlich der Gestaltung von Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Entwicklungschancen geschult.<br />
Die dritte innerbetriebliche Multiplikatorengruppe besteht aus den betrieblichen Akteuren für<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung. Sie unterstützen die Peer-Mentoren-Struktur <strong>und</strong> die Führungskräfte.<br />
Die Evaluationsergebnisse zeigen die Wirksamkeit, aber auch "lessons learned" bei der Umsetzung<br />
eines solchen Konzepts auf.<br />
„psyGA: Psychische Ges<strong>und</strong>heit in der Arbeitswelt fördern“<br />
Michaela Mißler, Team Ges<strong>und</strong>heit Gesellschaft für Ges<strong>und</strong>heitsmanagement mbH, Essen<br />
Unsere Arbeitswelt ist komplexer geworden: Die Schlagzahl im Job nimmt zu, Prozesse verdichten<br />
sich. Moderne Kommunikationsmittel geben zwar neue Freiheiten, erschweren aber im wahrsten Sinne<br />
des Wortes auch das Abschalten. Neben Belastungen aus dem privaten Umfeld sehen Expert/innen<br />
hierin Folgen für unsere Ges<strong>und</strong>heit. Gleichzeitig steigt die Zahl psychischer Probleme <strong>und</strong><br />
Erkrankungen mit beträchtlichen Auswirkungen für die Betroffenen <strong>und</strong> ihre Familien, ebenso wie für<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Volkswirtschaft. Denn als Folge nehmen auch Fehlzeiten am Arbeitsplatz <strong>und</strong><br />
Frühverrentungen durch psychische Erkrankungen deutlich zu. Doch übermäßigem Stress am<br />
Arbeitsplatz <strong>und</strong> psychischen Belastungen kann in der betrieblichen Praxis wirksam begegnet werden.<br />
Unterstützung bietet das vom B<strong>und</strong>esministerium für Arbeit <strong>und</strong> Soziales im Rahmen der Initiative<br />
Neue Qualität der Arbeit geförderte Projekt "Psychische Ges<strong>und</strong>heit in der Arbeitswelt" (psyGA).<br />
PsyGA bündelt das vorhandene Wissen zum Thema, bereitet es für verschiedene Bereiche der<br />
Arbeitswelt auf <strong>und</strong> verbreitet es mit Hilfe erfahrener <strong>und</strong> auf verschiedene betriebliche Settings<br />
spezialisierte Kooperationspartner. Unter Leitung des BKK B<strong>und</strong>esverbandes wurden bisher, neben<br />
dem Infoportal www.psyga.info, eine Reihe von praxisorientierten Instrumenten <strong>und</strong> Medien für<br />
Unternehmen, Verantwortliche <strong>und</strong> Akteure in diesem Feld entwickelt:<br />
Selbsteinschätzungsinstrumente, Handlungshilfen für Führungskräfte <strong>und</strong> Beschäftigte, Hörbuch,<br />
Praxisordner.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitspolitik versus betriebliche<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung – Am Beginn einer Kontroverse?<br />
„Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitspolitik – Überlegungen zur Analyse der Praxis betrieblicher<br />
Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung als Gegenstand von Politik“<br />
Dr. David Beck, B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeitsschutz <strong>und</strong> Arbeitsmedizin, Berlin; Prof. Dr. Gudrun Faller,<br />
Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Die Praxis betrieblicher Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung sieht häufig anders aus als das, was<br />
entsprechende Konzepte vor dem Hintergr<strong>und</strong> sachlogischer Argumente oder gar evidenzbasierten<br />
Wissens vorgeben.<br />
Die praktische Umsetzung von betrieblicher Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung, so die These<br />
dieses Beitrags, ist geprägt von unterschiedlichen Interessen <strong>und</strong> Handlungsmöglichkeiten der<br />
beteiligten Akteure, die im Verlauf des Prozesses versuchen, ihre Ziele zu verfolgen.<br />
Für ein adäquates Verständnis der Praxis der betrieblichen Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
bedarf es daher einer stärkeren Berücksichtigung der Bedingungen <strong>und</strong> Prozesse betrieblicher<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik. Aufgabe der Forschung von betrieblicher Ges<strong>und</strong>heitspolitik wäre es, diese<br />
politischen Prozesse <strong>und</strong> deren Ergebnisse zu beschreiben <strong>und</strong> zu verstehen. Im Rahmen des als<br />
Inputreferat konzipierten Beitrags werden Überlegungen dazu angestellt, was unter betrieblicher<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik zu verstehen ist, unter welchen leitenden Fragestellungen sie beschrieben <strong>und</strong><br />
analysiert werden sollte <strong>und</strong> welcher Zusatznutzen daraus für die Forschung <strong>und</strong> Praxis der<br />
betrieblichen Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung erwartet werden kann.<br />
„Mit heiler Haut davonkommen? Betrieblicher Ges<strong>und</strong>heitsschutz in der Leiharbeit“<br />
Dr. Karina Becker, Universität Trier<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz ist ein moralisch starkes, betriebspolitisch jedoch oft nur schwer<br />
durchsetzbares Thema: Zwar würde kaum jemand bestreiten, dass die Ges<strong>und</strong>erhaltung von<br />
Beschäftigten wichtig ist <strong>und</strong> in entscheidendem Maße durch den Arbeitskontext bestimmt wird. Wenn<br />
dies jedoch auch heißt, dass man dafür Maßnahmen entwickeln <strong>und</strong> betrieblich verankern muss, wird<br />
dieses Thema häufig anderen untergeordnet. Diese Hürde, die engagierter Ges<strong>und</strong>heitsschutz in<br />
vielen Betrieben überwinden muss, liegt noch mal höher, wenn es um all die Beschäftigten geht, die<br />
nicht zur Stammbelegschaft zählen. Die betriebliche Praxis zeigt, dass insbesondere unter den prekär<br />
Beschäftigten die Bereitschaft hoch ist, schlechtere Arbeitsbedingungen als Übergangslösung zu<br />
akzeptieren, um so die Chancen für eine Übernahme zu erhöhen. Hinzu kommt, dass anders als die<br />
Stammbeschäftigten, die im besten Fall durch machtvolle Betriebsräte <strong>und</strong> ihre gesetzlich<br />
abgesicherten Mitbestimmungsfelder geschützt werden, für die Leiharbeiter/innen durch die<br />
Deregulierung des Arbeitsschutzes <strong>und</strong> der Arbeitnehmerüberlassung wichtige „Haltepunkte“ verloren<br />
gegangen sind. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht fällt auf, dass die Zunahme von Fehlbelastungen in<br />
der Leiharbeit auch auf das Fehlen von Ressourcen zurückzuführen ist. Leiharbeit kann demnach als<br />
eine an Kontrollmöglichkeiten defizitär ausgestattete Beschäftigungsform angesehen werden, in der<br />
sich berufliche Gratifikationskrisen manifestieren. Dies hat zur Folge, dass Faktoren die unter nichtprekären<br />
Arbeitsbedingungen der Ressourcenseite zugeordnet werden (z.B. Einkommen oder<br />
Weiterbildungschancen) zu Fehlbelastungen mutieren können <strong>und</strong> sich damit als das zentrale Problem<br />
für die Ges<strong>und</strong>heitssituation der Leiharbeit erweisen.<br />
68
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – Fortschritt für die betriebliche<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik?“<br />
Dr. Holger Wellmann, Systemische Beratung, Forschung <strong>und</strong> Mediation für ges<strong>und</strong>e Arbeit, Berlin<br />
Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung – Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />
(UVMG) vom 30. Oktober 2008 sollte die Gesetzliche Unfallversicherung in<br />
Deutschland reformiert werden. Als offizielle politische Ziele galten die Anpassung der Organisation<br />
der Unfallversicherung an veränderte Bedingungen in der gewerblichen Wirtschaft, eine verbesserte<br />
Verteilung der Altlasten <strong>und</strong> die Modernisierung der Verwaltungsstrukturen. Inhaltliche Aspekte der<br />
betrieblichen Prävention spielten eine untergeordnete Rolle <strong>und</strong> wurden lediglich im Rahmen der mit<br />
dem UVMG ebenfalls verabschiedeten Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie diskutiert. In<br />
einem von der Bertelsmann Stiftung <strong>und</strong> der Hans-Böckler-Stiftung initiierten Projekt wurden parallel<br />
zu diesem politischen Vorhaben die Präventionspotentiale der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV)<br />
hinsichtlich ihrer Weiterentwicklung untersucht.<br />
Auf Basis von Dokumentenanalysen, Experteninterviews <strong>und</strong> Fallstudien wurde ein Mehrebenenansatz<br />
verfolgt:<br />
Auf der Makro-Ebene (B<strong>und</strong>es-/Landesregierung, Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger,<br />
Sozialpartner) wurden Reformkonzepte analysiert sowie deren fachliche <strong>und</strong> politische Bewertung<br />
durch die Akteure im Hinblick auf betriebliche Prävention erhoben.<br />
Auf der Meso-Ebene wurden zwei Berufsgenossenschaften dahingehend untersucht, welche Strategien<br />
sie im Hinblick auf Bedarfsermittlung <strong>und</strong> Interventionsgestaltung für Betriebe entwickelt bzw.<br />
umgesetzt haben <strong>und</strong> wie sie die Regelungen des UVMG bewerten.<br />
Auf der Mikro-Ebene wurden sieben Unternehmen ausgewählt, die von den Berufsgenossenschaften<br />
konzipierte Präventionsprodukte <strong>und</strong> -maßnahmen mit deren Unterstützung implementiert haben. Für<br />
die Fallstudien wurden insbesondere solche Betriebe ausgewählt, die sich die Senkung psychosozial<br />
vermittelter Ges<strong>und</strong>heitsgefahren zum Ziel gesetzt haben.<br />
Die Ergebnisse beziehen sich auf folgende Kategorien:<br />
Wie werden der politische UVMG-Reformprozess <strong>und</strong> die Reformergebnisse im Licht der<br />
Empfehlungen der Expertenkommission „Die Zukunft einer zeitgemäßen betrieblichen<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik“ bewertet?<br />
Welche Vorstellung gibt es hinsichtlich des Präventionsverständnisses bzw. ihrer Bedeutung<br />
<strong>und</strong> Ausrichtung? Hieran wird wesentlich die Normierung des Bedarfs <strong>und</strong> die Form des<br />
institutionellen Handelns ausgerichtet werden.<br />
Welche Einschätzungen gibt es bezüglich der Struktur-, Prozess- <strong>und</strong> Ergebnisqualität der<br />
Präventionsaktivitäten?<br />
Welche Akteure <strong>und</strong> Kooperationen spielen für die GUV eine bedeutsame Rolle?<br />
Welche Herausforderungen stellen sich mit Blick auf die Qualifikation <strong>und</strong> Qualifizierung des<br />
Personals bei der GUV?<br />
Welche Formen von Anreizen sind für eine Intensivierung <strong>und</strong> Verbesserung der betrieblichen<br />
Prävention <strong>und</strong> des Arbeitsschutzes vielversprechend?<br />
Konzeptionell-inhaltliche Fragen der Prävention oder die Weiterentwicklung des Präventionsauftrags<br />
der GUV waren keine Auslöser des UVMG-Reformprozesses. Dies gilt auch für das Entstehen der GDA.<br />
Damit wurde eine Chance auf eine umfassende Reform der GUV, die eine effektive <strong>und</strong> effiziente<br />
betriebliche Ges<strong>und</strong>heitspolitik zum Ziel hat, nicht genutzt. Im Sinne dieses Ziels hätten die<br />
Zuständigkeit <strong>und</strong> die Anreize für die Verhütung aller arbeitsbedingten ges<strong>und</strong>heitlichen Gefahren<br />
geklärt <strong>und</strong> die diesbezügliche Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger, des staatlichen<br />
Arbeitsschutzes <strong>und</strong> der betrieblichen Arbeitsschutzakteure einer Prüfung unterzogen werden müssen.<br />
Erforderlich wäre weiterhin eine Neubestimmung von branchenspezifischer zu branchenunspezifischer<br />
Prävention sowie des Verhältnisses von Aufsicht <strong>und</strong> Beratung gewesen.<br />
In der Erstauflage der GDA(-Ziele) sind zwar Ansätze einer neuen betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitspolitik zu<br />
erkennen, der Zielfindungsprozess hätte jedoch diskursiver <strong>und</strong> die Ziele hätten ambitionierter<br />
ausfallen können. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> muss deshalb unter ges<strong>und</strong>heitswissenschaftlichem <strong>und</strong><br />
sozialpolitischem Blickwinkel von einer vertagten Reform gesprochen werden.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„Bertelsmann-Böckler-Expertenkommission Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitspolitik:<br />
Vorgeschichte, Verlauf <strong>und</strong> Folgen“<br />
Dr. Wolfgang Hien, Forschungsbüro für Arbeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Biographie, Berlin<br />
Schon in den 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahren war der klassische Arbeitsschutz in eine Krise geraten. Durch<br />
eine Humanisierung des Arbeitslebens sollte dem arbeitsbedingten Ges<strong>und</strong>heitsverschleiß<br />
entgegengewirkt werden. Inspiriert durch die italienische Arbeitermedizin entstanden Ideen eines<br />
betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitskampfes <strong>und</strong> – in sozialpartnerschaftlich regulierter Form – einer<br />
betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung (BGF), die auf eine Aktivierung der Betroffenen abzielte. Große<br />
Beachtung fanden die Kämpfe der Bremer Vulkan-Belegschaft gegen das Asbest in den 1970ern <strong>und</strong><br />
die Auseinandersetzungen der IG Metall Baden-Württemberg um Kühlschmierstoffe <strong>und</strong> Lösemittel in<br />
den 1980er Jahren, die unter dem Motto „Tatort Betrieb“ bekannt wurden. Dass ökonomische<br />
Interessen der Ges<strong>und</strong>heit der Arbeitenden entgegenstanden, war zu dieser Zeit eine allgemein<br />
akzeptierte <strong>und</strong> auch für jeden nachvollziehbare Erkenntnis. In den 1980er <strong>und</strong> 1990er Jahren schuf<br />
die europäische <strong>und</strong> deutsche Reformbürokratie den rechtlichen Rahmen für eine Kompromisslinie, die<br />
sie betrieblich umzusetzen hoffte. Ökonomie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit sollten von nun an konvergierende<br />
Interessen sein.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> entwickelte sich eine vom Arbeitsschutz teilweise entkoppelte BGF-Bewegung<br />
mit ihrem theoretischen Zentrum der „Bielefelder Schule“. Mit dem Slogan „ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter –<br />
ges<strong>und</strong>e Unternehmen – ges<strong>und</strong>e Wirtschaft“ wurde 2002 eine von der Bertelsmann- <strong>und</strong> Hans-<br />
Böckler-Stiftung gemeinsam getragene Expertenkommission „Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitspolitik“ initiiert.<br />
Ein Teil der darin versammelten Expert/innen sprach sich explizit gegen staatliche Eingriffe <strong>und</strong> auch<br />
explizit gegen eine staatliche Kontrolle des Arbeitsschutzes aus <strong>und</strong> hypostasierte die<br />
„Eigenverantwortung“ zu einem neuen, übergreifenden Konzept. Ein anderer Teil insistierte auf<br />
Humanisierung der Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> sozialstaatliche Regulation. Der DGB-Vertreter beklagte<br />
die nach wie vor ges<strong>und</strong>heitsschädlichen Arbeitsbedingungen in der Mehrzahl der Betriebe <strong>und</strong> wies<br />
auf die Gefahr hin, mit einer Konzeption der Eigenverantwortung den Betroffenen auch noch die<br />
Schuld an arbeitsbedingten Erkrankungen in die Schuhe zu schieben. Die B<strong>und</strong>esvereinigung<br />
Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) war zwar Mitglied der Kommission, sie enthielt sich aber<br />
weitgehend einer inhaltlichen Stellungnahme. Den Abschlussbericht trug sie in wesentlichen Teilen<br />
nicht mit.<br />
Welche Wirkung hatte der 2004 vorgelegte Bericht der Expertenkommission? In Vorgeschichte <strong>und</strong><br />
Verlauf war die spätere Bedeutungslosigkeit gleichsam präjudiziert. In den beteiligten Verbänden<br />
verbreitete sich der Bericht nur zögerlich, um dann endgültig in der Versenkung zu verschwinden. Die<br />
finanzierenden Stiftungen blieben auf Tausenden von Exemplaren sitzen. Eingang fand der Bericht<br />
lediglich in der Hochschullandschaft. In der betrieblichen Sphäre wurde der Bericht kaum zur Kenntnis<br />
genommen. In der Bilanz ist festzustellen: Angesichts weiterhin hoher, vor allem psychischer,<br />
Arbeitsbelastungen bleibt der Konflikt zwischen Ökonomie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit ungelöst <strong>und</strong> muss beim<br />
genauen Hinsehen in manchen Bereichen als eher verschärft denn entschärft eingeschätzt werden. Als<br />
konf<strong>und</strong>ierendes Moment kommt eine – die real existierende BGF/BGM als Transmissionsriemen<br />
nutzende – Kolonisierung der Sprache mit realitätsverzerrenden Begrifflichkeiten hinzu. Bestimmte<br />
Unternehmen scheinen eine Art kulturelle Hegemonie anzustreben. Es sei die Hypothese gewagt, dass<br />
sich die problematischen Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsverhältnisse mittel- <strong>und</strong> langfristig nur auf der Basis<br />
einer von den Arbeitenden selbst getragenen Bewegung aufbrechen <strong>und</strong> verändern lassen.<br />
70
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Stadtteil/Kommune<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Forum der AGGSE: Transfer von Interventionsansätzen der<br />
gemeindeorientierten Ges<strong>und</strong>heitsförderung in kommunale<br />
Praxis <strong>und</strong> Politik – Soziale Stadt<br />
„Mehr als gewohnt. Ges<strong>und</strong>heitsförderung in der Stadtentwicklung – ein Beispiel für<br />
Wissenstransfer in der anwendungsbezogenen Forschung“<br />
Dr. Bettina Reimann, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin<br />
<strong>Armut</strong> birgt ein erhebliches Ges<strong>und</strong>heitsrisiko. Soziale, ökonomische <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Formen der<br />
Benachteiligung konzentrieren sich auch räumlich in problembehafteten Stadtteilen. Es stellt sich<br />
daher die Aufgabe, Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Stadt(teil-)entwicklung stärker als bislang miteinander<br />
zu verknüpfen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsfördernde Stadtteilentwicklung stärker als bislang üblich zu einem<br />
Thema in den Kommunen zu machen. Dass dies (nicht nur) im Zusammenhang mit der Umsetzung<br />
einer sozialen Stadtentwicklung bzw. des Programms Soziale Stadt besonders gut gelingen kann, soll<br />
am Beispiel der Ergebnisse des Forschungsprojektes „Mehr als gewohnt. Stadtteile machen sich stark<br />
für Ges<strong>und</strong>heitsförderung“ dargestellt werden. Im Beitrag soll die Umsetzung als ein Lernprozess<br />
dargestellt werden, an dem Vertreter/innen aus den Kommunen, der Politik, den Krankenkassen <strong>und</strong><br />
Akteure aus dem Ges<strong>und</strong>heitsbereich beteiligt sind. Da diese Akteursgruppen unterschiedliche<br />
Erfahrungshintergründe, aber auch verschiedene Interessen <strong>und</strong> Zielsetzungen haben, soll aufgezeigt<br />
werden, wie wichtig der Prozess des Wissenstransfers (zwischen verschiedenen Praxispartnern sowie<br />
zwischen Forschung <strong>und</strong> Praxis) ist <strong>und</strong> welche Rolle hierbei die anwendungsbezogene<br />
Begleitforschung einnehmen kann.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong>heit fördern in der Kommune<br />
„Vom Brücken schlagen <strong>und</strong> vernetzen: Wie geht’s gemeinsam zu einem ges<strong>und</strong>en<br />
Stadtteil?“<br />
Dr. Petra Wihofszky, Universität Flensburg<br />
Ges<strong>und</strong>heit zu fördern, ist bei Akteuren unterschiedlicher Bereiche angekommen. Aktivitäten werden<br />
zahlreich initiiert. Dabei kann der Überblick in der Vielfalt verloren gehen. In Flensburg wird mit dem<br />
Ansatz des Projektes NeustadtGes<strong>und</strong> ein datenbasierter <strong>und</strong> partizipativer Weg zu einem ges<strong>und</strong>en<br />
Stadtteil eingeschlagen. Erstens wird die Vernetzung der Akteure gestärkt. Zweitens werden<br />
Bewohner/innen zu Ges<strong>und</strong>heitsmittler/innen qualifiziert, um Brücken zwischen Alltag <strong>und</strong><br />
professionellen Angeboten zu schlagen. NeustadtGes<strong>und</strong> ist mit einem Projektbüro im Stadtteil<br />
präsent. Kontakte mit Akteuren wurden geknüpft, ges<strong>und</strong>heitsbezogene Sek<strong>und</strong>ärdaten ausgewertet<br />
<strong>und</strong> Bewohner/innen zu ihrer Ges<strong>und</strong>heit, ihren sozialen Beziehungen <strong>und</strong> ihrem Alltag befragt. Die<br />
Idee der ges<strong>und</strong>heitsfördernden Gesamtstrategie wurde eingeführt <strong>und</strong> diskutiert. Unter der<br />
Fragestellung „Wie geht’s?“ oder wie können wir uns gemeinsam für die Ges<strong>und</strong>heit im Stadtteil<br />
einsetzen, fand in Kooperation mit der Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung Schleswig-<br />
Holstein eine Fachtagung statt. Mit der Methode des Soziogramms wurde die Qualität der Vernetzung<br />
sichtbar <strong>und</strong> erlebbar gemacht <strong>und</strong> Möglichkeiten innovativer Brückenschläge gesammelt.<br />
NeustadtGes<strong>und</strong> ist ein Kooperationsprojekt der Stadt Flensburg, der Universität Flensburg <strong>und</strong> der<br />
Krankenkassen AOK Nordwest, BARMER GEK, DAK <strong>und</strong> TK. Das Projekt wird vom B<strong>und</strong>-Länder-<br />
Programm Soziale Stadt gefördert.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Forum der AGGSE: Transfer von Interventionsansätzen der<br />
gemeindeorientierten Ges<strong>und</strong>heitsförderung in kommunale<br />
Praxis <strong>und</strong> Politik – Ges<strong>und</strong>e Stadt<br />
„Lenzges<strong>und</strong> – Vom Leuchtturmprojekt in die Perspektivlosigkeit?“<br />
Waldemar Süß, Universitätsklinikum Eppendorf der Universität Hamburg<br />
Mehr als 10 Jahre quartiersbezogene Ges<strong>und</strong>heitsförderung in der Lenzsiedlung (ein nach Kriterien der<br />
sozialen Stadteilentwicklung benachteiligtes Quartier in Hamburg – Eimsbüttel) sind mit dem Begriff<br />
„Lenzges<strong>und</strong>“ verb<strong>und</strong>en. Mindestens ebenso lange war der Bereich der sozialen Stadtteilentwicklung<br />
mit eigenen Programmen in der Lenzsiedlung engagiert. Im Sommer 2012 wurde das<br />
Präventionsprogramm „Lenzges<strong>und</strong>“ durch das Ges<strong>und</strong>heitsamt Eimsbüttel beendet. Auch das<br />
Programm der sozialen Stadtteilentwicklung lief im Sommer 2012 aus. Einst war die Lenzsiedlung<br />
Vorzeige- <strong>und</strong> Leuchtturmprojekt für die Integration von quartiersbezogener Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
<strong>und</strong> sozialer Stadtteilentwicklung sowie für die bezirkliche Entwicklungsplanung schlechthin<br />
(„Ges<strong>und</strong>es Eimsbüttel“).<br />
Was ist passiert? In diesem Beitrag sollen die verschiedenen Faktoren <strong>und</strong> Bedingungen erläutert<br />
werden, die zu diesem Ergebnis der Programmbeendigung geführt haben. Dabei sind sowohl zufällige<br />
Ereignisse als auch politische Entscheidungen maßgeblich von Bedeutung für die Entwicklung.<br />
Welche Perspektiven gibt es? Diskutiert werden sollen Möglichkeiten <strong>und</strong> Ansätze von Perspektiven für<br />
die Lenzsiedlung, die aufzeigen, was förderliche <strong>und</strong> hemmende Faktoren für die dauerhafte<br />
Implementation sozialraumorientierter Ges<strong>und</strong>heitsförderung für benachteiligte Menschen <strong>und</strong> ihre<br />
Quartiere sind. Denn die meisten Probleme jenseits der baulich-räumlichen Ebene bleiben auch nach<br />
der Beendigung der Programme bestehen <strong>und</strong> erfordern eigentlich eine kontinuierliche professionelle<br />
Begleitung.<br />
„TK-Angebot ‚Ges<strong>und</strong>e Kommune‘ – Transferaspekte aus der Evaluation“<br />
Nadine Müller, Hochschule Fulda; Maike Schmidt, Techniker Krankenkasse; Dr. Claus Weth, Ges<strong>und</strong>e<br />
Städte Sekretariat Münster<br />
Um Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Setting Kommune zu fördern, arbeitet die Techniker Krankenkasse (TK)<br />
mit dem Ges<strong>und</strong>e Städte Netzwerk (GSN) zusammen <strong>und</strong> unterstützte innerhalb ihres<br />
Förderprogramms „Ges<strong>und</strong>e Kommune“ zwischen 2008 <strong>und</strong> 2012 b<strong>und</strong>esweit 13 Projekte von<br />
Mitgliedstädten <strong>und</strong> Kommunen des GSN. Diese in Art <strong>und</strong> Umfang äußerst unterschiedlichen Projekte<br />
wurden nach Abschluss der Förderung einer qualitativen Untersuchung unterzogen. Ziel der<br />
Untersuchung war es, zu prüfen, wie sich die kommunalen Projekte entwickelt <strong>und</strong> welche<br />
Abweichungen von der ursprünglichen Planung sich im Laufe der Umsetzung ergeben haben. Ferner<br />
sollten förderliche <strong>und</strong> hemmende Faktoren im Projektprozess identifiziert <strong>und</strong> die Projekte auf<br />
Nachhaltigkeit überprüft werden. Für die qualitative Untersuchung wurden leitfadengestützte<br />
Experten-Interviews mit den Projektkoordinator/innen im jeweiligen Projektsetting durchgeführt <strong>und</strong><br />
mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Aus den Ergebnissen heraus wurden<br />
zehn Handlungsempfehlungen für die Planung <strong>und</strong> Durchführung von Projekten zur kommunalen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung abgeleitet.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Forum der AGGSE: Transfer von Interventionsansätzen der<br />
gemeindeorientierten Ges<strong>und</strong>heitsförderung in kommunale<br />
Praxis <strong>und</strong> Politik – Umweltgerechtigkeit im städtischen<br />
Raum<br />
„Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum – anwendungsbezogene Forschung zur<br />
Etablierung von Umweltgerechtigkeit in Kommunen“<br />
72
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Christa Böhme, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin; Susanne Metz, Stadt Mannheim, Abteilung<br />
Stadtentwicklung<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des sich räumlich niederschlagenden Zusammenhangs zwischen sozialer Lage,<br />
Umweltqualität <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit gewinnt Umweltgerechtigkeit im Sinne von Vermeidung <strong>und</strong> Abbau<br />
der räumlichen Konzentration ges<strong>und</strong>heitsrelevanter Umweltbelastungen sowie der Gewährleistung<br />
eines sozial-räumlich gerechten Zugangs zu Umweltressourcen im städtischen Raum international <strong>und</strong><br />
national zunehmend an Bedeutung. Strategien <strong>und</strong> Maßnahmen zur Umsetzung von<br />
Umweltgerechtigkeit in der kommunalen (Planungs-)Praxis fehlen in Deutschland jedoch noch<br />
weitgehend. Ein vom Umweltb<strong>und</strong>esamt gefördertes <strong>und</strong> vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu)<br />
im Zeitraum 2012 bis 2014 durchgeführtes Forschungsvorhaben soll daher Gr<strong>und</strong>lagen liefern, um im<br />
kommunalen Handeln den Ansatz von Umweltgerechtigkeit zu etablieren. Im Vortrag werden das<br />
Forschungsdesign sowie erste Zwischenergebnisse vorgestellt <strong>und</strong> aus Sicht der Stadt Mannheim, die<br />
in das Forschungsvorhaben als Fallstudie einbezogen ist, kommentiert.<br />
Do 9.30 Uhr Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung praktikabel machen –<br />
Ansätze zum Wissenschaft-Praxis-Transfer aus der<br />
Perspektive einer Landeseinrichtung (LZG.NRW)<br />
„Das Transfer-Konzept des LZG.NRW – ein Überblick“<br />
Wolfgang Werse, Landeszentrum Ges<strong>und</strong>heit Nordrhein-Westfalen, Bielefeld<br />
Das Landeszentrum Ges<strong>und</strong>heit NRW als nachgeordnete Einrichtung des Ges<strong>und</strong>heitsministeriums<br />
NRW unterstützt als fachliche Leitstelle die Landesregierung <strong>und</strong> die Kommunen in ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Fragen. Transfer- <strong>und</strong> Dialog-Aufgaben haben dabei eine zentrale Bedeutung. Dabei geht es zum<br />
einen um den Wissens- <strong>und</strong> Informationstransfer <strong>und</strong> die Verbindung von Theorie <strong>und</strong> Praxis<br />
(Themen, Konzepte, Umsetzungsstrategien) <strong>und</strong> zum anderen um die Verbindung von Landes- <strong>und</strong><br />
kommunaler Ebene. Hier sind Strategien <strong>und</strong> Programme der Landesebene für kommunale Belange<br />
<strong>und</strong> Bedarfe zu adaptieren sowie kommunale Entwicklungen zu verallgemeinern <strong>und</strong> landesweit zu<br />
verbreiten. Instrumente für die Umsetzung unter Berücksichtigung des Dreierschritts aus Know-how-<br />
Sammlung – Vernetzung – Transfer <strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong>satz „Breitenwirkung vor Tiefenwirkung“ sind u.a.:<br />
Projektdatenbanken mit Beispielen guter Praxis sowie Internetangebote für Nutzergruppen im<br />
Land: thematisch (Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Alter, Migration <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit), zielgruppenspezifisch<br />
(ÖGD NRW) <strong>und</strong> methodisch (Qualitätsinitiative <strong>und</strong> Planungshilfen) systematisiert<br />
Aufbau <strong>und</strong> Management landesweiter Strukturen <strong>und</strong> Vernetzungen (Koordinierungsstelle<br />
Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit NRW, Zentrum für Bewegungsförderung)<br />
Mitwirkung in Planungs- <strong>und</strong> Konzeptionsgremien auch zur Vertretung kommunaler Interessen<br />
<strong>und</strong> Bedarfe <strong>und</strong> zur Förderung des Dialogs (Fachbeiräte, Landesprogramme)<br />
Konzeptionen, methodische Hilfen <strong>und</strong> Maßnahmen.<br />
„Das Thema ‚Ges<strong>und</strong>heitsförderung bei Arbeitslosen‘ am LZG – Produkte <strong>und</strong><br />
Dienstleistungen“<br />
Manfred Dickersbach, Landeszentrum Ges<strong>und</strong>heit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW), Bielefeld<br />
Am Beispiel von „Ges<strong>und</strong>heitsförderung bei Arbeitslosen“ werden die Erschließung eines Themas <strong>und</strong><br />
die Entwicklung einer Produktpalette am LZG veranschaulicht. Dabei kommt dem Dreischritt „Know-<br />
How-Sammlung – Vernetzung – Transfer“ <strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong>satz „Breitenwirkung vor Tiefenwirkung“<br />
besondere Bedeutung zu. Die vorgestellte Produktpalette umfasst Fachpublikationen,<br />
Regionalkonferenzen, Fachgespräche, Leitfäden <strong>und</strong> diverse Dienstleistungen im Projektkontext wie<br />
Beratung, Moderation <strong>und</strong> Unterstützung bei der Evaluation.<br />
Besondere Aufmerksamkeit wird der „Adaption“ gewidmet, der Nutzung <strong>und</strong> Rezeption der LZG-<br />
Produkte <strong>und</strong> -Dienstleistungen durch die kommunalen Partner. Die Entwicklung steht hier allerdings
Kurzfassung der Beiträge<br />
noch am Anfang; Überlegungen für eine systematische Erfassung der Adaption <strong>und</strong> Berücksichtigung<br />
bei der Weiterentwicklung von Produkten werden vorgestellt.<br />
„Leitfäden, Konferenzen, Moderationen – die Produkte des LZG.NRW in der kommunalen<br />
Nutzung“<br />
Ralf Menrad, Ges<strong>und</strong>heitsamt Duisburg; Richard Matzke, Ges<strong>und</strong>heitsamt Hagen<br />
Die regelmäßigen Impulse des Landeszentrums Ges<strong>und</strong>heit NRW (LZG NRW) <strong>und</strong> Koordinierungsstelle<br />
Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit NRW in die kommunale Ebene führen mitunter dazu, dass vor Ort<br />
Themen in den Focus kommen, die ansonsten eher unberücksichtigt blieben. So wurde 2010/2011 –<br />
ausgelöst durch die Regionalkonferenzen „Ges<strong>und</strong>heitsförderung bei Arbeitslosen“ <strong>und</strong> einem<br />
Impulsreferat auf einer Kommunalen Ges<strong>und</strong>heitskonferenz – der Zusammenhang von Arbeitslosigkeit<br />
<strong>und</strong> erhöhtem Krankheitsrisiko in Duisburg <strong>und</strong> Hagen in den Mittelpunkt gerückt <strong>und</strong> es wurde in<br />
beiden Städten ein Praxisprojekt zum Schnittstellenmanagement der Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />
Arbeitsförderung aufgelegt.<br />
Für die kommunale Praxis ist es nach der Impulssetzung von großer Bedeutung, dass die<br />
Landesebene weitere Unterstützungsangebote entwickelt <strong>und</strong> bereithält. Neben Leitfäden <strong>und</strong><br />
überregionalen Konferenzen geschieht dies auch in Form von Begleitung bei der Konzeptentwicklung<br />
<strong>und</strong> aktiver Teilnahme in der Durchführung. Durch diese Verzahnung der Landes- mit der Lokalebene<br />
erfährt das LZG NRW „hautnah“, was die Unterstützungsangebote vor Ort nutzen, was gebraucht<br />
werden kann, was fehlt <strong>und</strong> wie stark die Support-Elemente auf die lokalen Rahmenbedingungen<br />
zugeschnitten werden sollten. Am Beispiel der beiden Praxisprojekte werden die Produkte <strong>und</strong><br />
Dienstleistungen des LZG einer kritischen Würdigung unterzogen.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> <strong>Armut</strong>: Ein Thema für Kommunen<br />
Veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin <strong>und</strong> Prävention (DGSMP)<br />
„Moderne Sozialplanung – Brücke zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln?“<br />
Dr. Alfred Reichwein, Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), Köln<br />
Der Zusammenhang von <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit ist theoretisch wie empirisch wiederholt belegt<br />
worden. Er ist aber, um in der konkreten Arbeit vor Ort in einer Kommune handlungsleitend werden<br />
zu können, mit praktikablen Methoden planerisch aufzunehmen, zu beobachten <strong>und</strong> konzeptionell in<br />
Zielen <strong>und</strong> Handlungsprogrammen umzusetzen. Dabei begegnet immer geringerer finanzieller<br />
Handlungsspielraum einer immer deutlicheren Notwendigkeit, schnelle <strong>und</strong> wirksame, aber auch<br />
präventiv orientierte Angebote vorhalten zu können. Parallel verändert sich die sozio-ökonomische<br />
Struktur unserer Gemeinden, Kreise <strong>und</strong> Städte, verglichen mit früheren Zeiten, sehr schnell. Es<br />
braucht einen neuen Planungsansatz, um mit dieser Situation umgehen zu können. Eine<br />
Autorengruppe aus Praktiker/innen <strong>und</strong> Managementberater/innen hat ein geschlossenes System zur<br />
Weiterentwicklung der Sozialplanung entwickelt. Moderne Sozialplanung ist Steuerungsunterstützung.<br />
Sie analysiert die soziale Lage <strong>und</strong> Entwicklung im Sozialraum, in der Kommune <strong>und</strong> in ihrem<br />
Umfeld.<br />
Sie formuliert unter Beteiligung der Betroffenen <strong>und</strong> der „Stakeholder“ Vorschläge für Ziele<br />
<strong>und</strong> Kennzahlen kommunaler Sozialpolitik.<br />
Sie entwickelt innovative Produkte <strong>und</strong> Prozesse mit Blick auf deren Wirkung <strong>und</strong> den<br />
Ressourceneinsatz.<br />
Sie unterstützt die Verwaltungsführung, andere Fachressorts <strong>und</strong> die Politik im Sinne einer<br />
integrativen Planung unter dem Dach von Stadt-/Kreisentwicklungsplanung.<br />
Sie ist Gr<strong>und</strong>lage einer ziel- <strong>und</strong> wirkungsorientierten Sozialpolitik.<br />
74
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Sozialplanung muss mindestens so gut sein wie modernes Public Management. Sie hat sich am<br />
Qualitätsmanagement zu orientieren <strong>und</strong> an moderner guter Führung. Sie bedient sich der<br />
Möglichkeiten der modernen IT. Damit beschreibt das Handbuch einen state of the art, den es<br />
gemeinsam weiter zu entwickeln gilt.<br />
„<strong>Armut</strong>sbericht für den Ennepe-Ruhr-Kreis – ein Praxisbeispiel“<br />
Katrin Johanna Kügler, Kreisverwaltung Ennepe-Ruhr, Fachbereich Soziales & Ges<strong>und</strong>heit<br />
Als Gr<strong>und</strong>lage für die Diskussion um <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in der Bevölkerung ist zunächst eine klare<br />
<strong>Armut</strong>sdefinition notwendig. Der im Beitrag vorgestellte Kommunale <strong>Armut</strong>sbericht definiert alle<br />
Bürger/innen als arm, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind. Dies gilt insbesondere<br />
für minderjährige Kinder. Konkret bedeutet dies für den Ennepe-Ruhr-Kreis (ERK) eine <strong>Armut</strong>squote<br />
von 8,4 Prozent (NRW 10,3 Prozent), bei Kindern sogar von 15,4 Prozent. Das bedeutet, dass jedes<br />
sechste Kind im ERK unter 15 Jahren in <strong>Armut</strong> lebt. Der Bericht stellt Ursachen von <strong>Armut</strong> anhand von<br />
Schulabschlüssen <strong>und</strong> Zuwanderungshintergr<strong>und</strong> dar, aber auch Folgen daraus werden aufgezeigt.<br />
Die vorgestellten Ergebnisse sind auf die insgesamt neun Städte des ERK bezogen, was bislang in der<br />
kommunalen Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung nicht möglich war. Unter der Berücksichtigung,<br />
dass im ERK der Verlust an sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstellen mit -8,9 Prozent deutlich<br />
höher ist als in NRW mit -4,3 Prozent, müssen die Kommunen als Träger der Daseinsfürsorge konkret<br />
tätig werden. Mit <strong>Vorlage</strong> des Berichtes wird die Kreisverwaltung mit den zugehörigen Gemeinden<br />
Konsequenzen aus den vorliegenden Zahlen ziehen. Eine bereits umgesetzte Konsequenz aus dem<br />
Bericht ist eine engere Zusammenarbeit der Jugendhilfe, die in den Städten verortet ist, mit dem<br />
örtlichen Sozialhilfeträger bei der Kreisverwaltung. Insgesamt sollen möglichst frühe Hilfen in den<br />
Familien dafür sorgen, dass sich <strong>Armut</strong> nicht weiter vererbt.<br />
„Evidenzbasierte Ansätze zur kommunalen <strong>Armut</strong>sprävention“<br />
Dr. Hans Joachim Boschek, Kreisverwaltung Ennepe-Ruhr, Fachbereich Soziales & Ges<strong>und</strong>heit<br />
Ungefähr 15 Prozent aller Menschen in Deutschland sind arm oder armutsgefährdet. Die Reduzierung<br />
von <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> ihren ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Folgen ist daher eine zentrale gesellschaftliche<br />
Aufgabe. Zur Identifikation wirksamer Strategien der kommunalen <strong>Armut</strong>sbekämpfung wurde eine<br />
systematische Literaturrecherche in 50 sozialwissenschaftlichen Datenbanken (wesentliche Suchworte:<br />
<strong>Armut</strong>, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Prävention) durchgeführt. Die Dokumente wurden auf methodische <strong>und</strong><br />
inhaltliche Qualität geprüft <strong>und</strong> ausgewertet.<br />
Nur wenige Studien entsprechen den Standards der Evidenzbasierung. Als wirksame Vorgehensweise<br />
erscheint die systematische Organisation von kommunalen Netzwerken für Frühe Hilfen. Wichtig ist<br />
die Einbeziehung von Jugend- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitshilfe sowie von vorschulischer Bildung <strong>und</strong> Schulen.<br />
Eine wesentliche Rolle muss die Stärkung persönlicher Potenziale der Eltern <strong>und</strong> der sozialen<br />
Basiskompetenzen der Kinder spielen. Hier hat die Sprachförderung eine besondere Bedeutung.<br />
Für die Kommunen ist nicht nur die Finanzierung dieser Programme eine große Aufgabe. Eine<br />
entscheidende Bedeutung hat die Steuerung über die Entwicklung von Zielen, die Organisation der<br />
Rahmenbedingungen <strong>und</strong> die Feststellung von Wirkungen über eine kommunale<br />
Sozialberichterstattung.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung: Daten für Taten<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong>heit an Hochschulen<br />
„Depressives Syndrom bei Studierenden“<br />
Franziska Wörfel, Dr. Dr. Burkhard Gusy, Dr. Katrin Lohmann, Freie Universität Berlin<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Studierende stellen einen bedeutsamen Anteil der Bevölkerung dar, dennoch existieren<br />
b<strong>und</strong>esweit bislang kaum Daten zur Verbreitung vom depressiven Syndrom innerhalb dieser Gruppe.<br />
Internationale Studien zeigen jedoch sehr hohe Prävalenzen bei Studierenden. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e<br />
haben wir Studierende zu diesem Thema befragt.<br />
Methode: 2.575 Studierende wurden 2012 im Rahmen einer Online-Erhebung zu ihrer subjektiven<br />
Ges<strong>und</strong>heit, zu ihren Studienbedingungen <strong>und</strong> ihrem Ges<strong>und</strong>heitsverhalten befragt. Im Mittel waren<br />
die Teilnehmer/innen 24.55 Jahre alt, mehrheitlich weiblich (68.10 Prozent) <strong>und</strong> überwiegend<br />
deutsche Staatsbürger (93.8 Prozent). Ein Drittel der Teilnehmer/innen (32.5Prozent) befand sich<br />
während des Befragungszeitraums im ersten Studienjahr, 26.4 Prozent im zweiten, ab dem dritten<br />
Studienjahr nahm die Anzahl der Teilnehmer/innen stark ab.<br />
Ergebnisse: 31.8 Prozent der Studierenden leiden an einem depressiven Syndrom, dabei werden<br />
besonders häufig die Symptome Schlafschwierigkeit <strong>und</strong> Energielosigkeit angegeben. Als signifikante<br />
Prädiktoren für die Vorhersage eines depressiven Syndroms erweisen sich: mangelnde Zeitspielräume,<br />
unzureichende soziale Unterstützung durch Studierende, fehlendes Qualifikationspotenzial des<br />
Studiums, hohe Anforderungen in diesem, fehlende Balance zwischen Studium <strong>und</strong> Privatleben sowie<br />
fehlende Mitarbeit in Lehrveranstaltungen.<br />
Schlussfolgerungen: Die Prävalenzen des depressiven Syndroms bei Studierenden sind im Vergleich zu<br />
b<strong>und</strong>esweit repräsentativen Ges<strong>und</strong>heitsdaten der gleichen Altersgruppe deutlich höher. Eine<br />
ges<strong>und</strong>heitsgerechte Gestaltung der Studienbedingungen, im Besonderen der Zeitspielräume im<br />
Rahmen des Studiums, könnte das Risiko für ein depressives Syndrom verringern.<br />
„Potenziale für eine umfassende Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung an Hochschulen das<br />
Beispiel der Pädagogischen Hochschule Heidelberg“<br />
Dr. Ulla Simshäuser, Pädagogische Hochschule Heidelberg<br />
Die umfassende empirische Bestandsaufnahme zur ges<strong>und</strong>heitsrelevanten Lage von Beschäftigten <strong>und</strong><br />
Studierenden wird oft mit dem Hinweis auf fehlende Ressourcen vertagt. Weil zudem die<br />
organisationalen Rahmenbedingungen des Arbeitsalltags an Hochschulen kaum beleuchtet werden,<br />
bleiben viele Maßnahmen des Betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagements (BGM) klassisch<br />
verhaltenspräventiv. Um eine umfassende Bestandsaufnahme <strong>und</strong> Organisationsanalyse trotz<br />
fehlender Ressourcen zu realisieren, hat der Steuerkreis BGM der Pädagogischen Hochschule<br />
Heidelberg hochschulübergreifende Kooperationen entwickelt <strong>und</strong> das Vorhaben erfolgreich<br />
umgesetzt.<br />
Durch die Synergie mit einer zweisemestrigen Lehrforschung an der Universität Heidelberg wurden<br />
eine soziologische Organisationsanalyse, eine repräsentative standardisierte Befragung sowie<br />
ausgewählte Leitfaden gestützte Interviews zu ges<strong>und</strong>heitsrelevanten Belastungen <strong>und</strong> Ressourcen<br />
von Beschäftigten in Verwaltung <strong>und</strong> Lehre möglich. Durch die Kooperation mit der Freien Universität<br />
Berlin <strong>und</strong> der Techniker Krankenkasse wurde eine repräsentative online-Befragung der Studierenden<br />
im Rahmen des University Health Reports erreicht. Damit sind alle Statusgruppen von der<br />
Bestandsaufnahme erfasst. Die Ergebnisse sind Ausgangspunkt eines<br />
Organisationsentwicklungsprozesses der Hochschule in 2013.<br />
Der Beitrag stellt das Vorgehen an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg vor <strong>und</strong> diskutiert<br />
folgende Schlussfolgerungen:<br />
- Eine umfassende Bestandsaufnahme ist im Rahmen des BGM nicht nur nötig, sondern auch<br />
möglich. Durch innovative Lehr-Lernarrangements können Instrumente entwickelt werden, die<br />
76
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
für Wiederholungsbefragungen nutzbar sind. So kann das Thema auch in der Lehre verankert<br />
werden.<br />
- Die <strong>Vorlage</strong> eines umfassenden Ges<strong>und</strong>heitsberichts stärkt die interne Akzeptanz des BGM<br />
Prozesses, weil er forschungsbasiert ist <strong>und</strong> dem Selbstverständnis der Hochschulakteure<br />
entspricht.<br />
- Die Auseinandersetzung mit den empirischen Daten unterstützt einen organisationalen<br />
Lernprozess, der eine settingorientierte Praxis von Ges<strong>und</strong>heitsförderung voran bringt.<br />
- Die Vorgehensweise eröffnet Möglichkeiten der wechselseitigen Kooperation von Hochschulen<br />
beim Aufbau des BGM. Sie verweist auch für öffentliche Verwaltungen auf Chancen, stärker<br />
mit Hochschulen <strong>und</strong> Studiengängen beim Aufbau des BGM zusammen zu arbeiten <strong>und</strong> deren<br />
Potenziale zu nutzen.<br />
„Ges<strong>und</strong> studieren – Ansätze des betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagements an der<br />
Hochschule Coburg für die Zielgruppe Studierende“<br />
Stefanie Thees, Hochschule Coburg<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Die ges<strong>und</strong>heitliche Situation von Studierenden ist ein bislang eher wenig berührtes Feld<br />
der Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften. Daher besteht der dringende Bedarf, das Ges<strong>und</strong>heitsverhalten dieser<br />
Zielgruppe abzubilden <strong>und</strong> Schlussfolgerungen für Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Setting Hochschule zu<br />
ziehen. Im Jahr 2010 traf die Hochschule Coburg die Entscheidung, ein betriebliches<br />
Ges<strong>und</strong>heitsmanagement zu implementieren, welches auch die Belange der Studierenden<br />
berücksichtigt. In Anlehnung an den Public Health Action Cycle ist ein ganzheitlicher<br />
Projektmanagementansatz gewählt worden.<br />
Ziel: Die in einer quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Befragung erhobenen Ergebnisse bilden die<br />
Ausgangslage für die Ableitung zielgerichteter Maßnahmen, die für die Studierenden in den<br />
Hochschulalltag integriert werden können.<br />
Ergebnisse: Die Analysen zeigen u.a. einen Mangel an wirksamen Strategien zur Stressbewältigung<br />
auf. Daher sind verschiedene Maßnahmen für die Studierenden realisiert worden, u.a. im Bewegungs-,<br />
Ernährungs- <strong>und</strong> Entspannungsbereich. Ferner finden auch verhältnispräventive Aspekte im Sinne von<br />
ges<strong>und</strong>en Studienbedingungen Berücksichtigung.<br />
Maßnahmen für die Zielgruppe der Studierenden erfahren weiterhin kontinuierlich Umsetzung, da<br />
diese im 2012 gebildeten Referat Ges<strong>und</strong>e Hochschule strukturell verankert sind.<br />
Schlussfolgerung: Studierende können ebenso wie Beschäftigte als Zielgruppe eines betrieblichen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsmanagements an Hochschulen verstanden werden. Die Notwendigkeit,<br />
ges<strong>und</strong>heitsförderliche Maßnahmen für Student/innen strukturiert <strong>und</strong> nachhaltig in die<br />
Hochschullandschaft zu integrieren, wird deutlich.<br />
Mi 14.15 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Lage der älteren Berliner<br />
Bevölkerung im Zusammenhang mit der<br />
Bevölkerungsentwicklung: Ableitung von Ges<strong>und</strong>heitszielen<br />
„Einkommensarmut im Alter – Tendenzen der sozialstrukturell differenzierten <strong>und</strong><br />
sozialräumlich segregierten Rückkehr der Altersarmut in Berlin“<br />
Dr. Sylke Sallmon, Senatsverwaltung für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales Berlin<br />
Die Identifizierung sozialstruktureller <strong>und</strong> sozialräumlicher Schwerpunkte einkommensarmer<br />
Lebenslagen älterer Menschen ist erforderlich, um vorhandenen beziehungsweise drohenden sozialen<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungslagen nicht nur auf b<strong>und</strong>esgesetzlicher Ebene begegnen zu können,<br />
sondern in Ländern <strong>und</strong> Kommunen auf der Ebene verschiedenster Akteure zielgruppenspezifisch <strong>und</strong><br />
räumlich differenziert mit den Auswirkungen einkommensarmer Lebenslagen vorausschauend<br />
umgehen zu können. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wurde u.a. auf der Basis landesinterner Daten<br />
analysiert, ob, in welchem Ausmaß <strong>und</strong> in welcher soziodemografischen <strong>und</strong> (sozial-) räumlichen<br />
Struktur Einkommensarmut in der älteren Bevölkerung im Land Berlin zu konstatieren ist <strong>und</strong> sich<br />
entwickelt.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Einkommensarme Lebenslagen in der älteren Bevölkerung zeigen zwar im Vergleich zur Bevölkerung<br />
insgesamt nach wie vor ein geringeres Ausmaß, nehmen allerdings seit Jahren signifikant zu. Dabei<br />
fallen beträchtliche Unterschiede nach Alter, Geschlecht <strong>und</strong> Staatsangehörigkeit sowie in<br />
sozialräumlicher Differenzierung auf. Gleichzeitig stellt sich das Land Berlin als dynamischer<br />
Brennpunkt zur Beobachtung sozialer Problemlagen dar, die sich hier zum Teil schneller oder stärker<br />
als im Durchschnitt der anderen B<strong>und</strong>esländer zeigen.<br />
„Ges<strong>und</strong>heitsziel ‚Ges<strong>und</strong> älter werden in Berlin‘ – ges<strong>und</strong>heitliche Potentiale <strong>und</strong> Defizite<br />
älterer Menschen“<br />
Dr. Sabine Hermann, Senatsverwaltung für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales Berlin<br />
Im Rahmen des seit dem Jahr 2009 laufenden Diskussionsprozesses um Ges<strong>und</strong>heitsziele im<br />
Themenfeld „Ges<strong>und</strong> älter werden“ verständigte sich die Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz im Juni 2011<br />
auf Ziele zur sozialraumorientierten Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> sozialen Teilhabe, zur<br />
Bewegungsförderung sowie zur Teilhabe psychisch kranker, älterer Menschen <strong>und</strong> ihrer Angehörigen.<br />
Die Zielgruppe beginnt altersmäßig – entsprechend einer Empfehlung der WHO – bereits bei den 50-<br />
Jährigen, denn Potentiale <strong>und</strong> Defizite in diesem Alter sind Ausgangspunkt für Ansätze der Prävention<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Sinne eines ges<strong>und</strong>en Alterns. In Berlin leben derzeit 3,5 Mio.<br />
Menschen, 38 Prozent (1,3 Mio.) von ihnen sind 50 Jahre <strong>und</strong> älter. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl<br />
der Menschen ab 50 Jahre voraussichtlich um 222.000 auf 1,49 Mio. Personen steigen, damit werden<br />
dann etwa 43 Prozent der Bevölkerung älter als 50 Jahre sein. Statistisch haben derzeit in Berlin 50-<br />
jährige Frauen im Durchschnitt noch r<strong>und</strong> 33 Jahre an Lebenserwartung vor sich, gleichaltrige Männer<br />
29 Jahre. Die Ergebnisse der Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung dokumentieren, wie viel Lebensqualität<br />
dieses umfangreiche zeitliche Potential birgt bzw. welche Einschränkungen wie chronische<br />
Erkrankungen oder Pflegebedürftigkeit vorliegen.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Daten für Taten in der Kinderges<strong>und</strong>heit – Beitrag der<br />
kommunalen Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung<br />
„Vom Wissen zum Handeln – Ein Kooperationsprojekt zur Stärkung der kommunalen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung in Sachsen-Anhalt“<br />
Madeleine Dirlam, Carolin Lampe, Prof. Dr. Thomas Hartmann, Hochschule Magdeburg-Stendal; Dr.<br />
Goetz Wahl, Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt<br />
Im Rahmen ges<strong>und</strong>heitswissenschaftlicher Studiengänge in Deutschland haben Projekte mit dem<br />
Öffentlichen Ges<strong>und</strong>heitsdienst Seltenheitswert. Die fehlenden Schnittstellen sind wohlmöglich darin<br />
begründet, dass die Themen Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung vorrangig von den<br />
Landesvereinigungen für Ges<strong>und</strong>heit vertreten werden. In Sachsen-Anhalt besteht hingegen schon<br />
seit längerer Zeit eine Kooperation zwischen dem Fachbereich Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong><br />
-management der Hochschule Magdeburg-Stendal (HS) <strong>und</strong> dem Landesamt für Verbraucherschutz<br />
Sachsen-Anhalt (LAV), welches mit der Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung für das Land Sachsen-Anhalt<br />
betraut ist. In einem neuen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsprojekt „Daten für Taten“, des<br />
Bachelorstudiengangs Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> -management an der Hochschule Magdeburg-<br />
Stendal sollten Wege <strong>und</strong> Methoden erprobt werden, wie durch die Kooperation HS-LAV die<br />
kommunale Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung an den Ges<strong>und</strong>heitsämtern Sachsen-Anhalts gestärkt<br />
werden kann. Nach zwei Semestern Projektstudium entschieden sich drei Studentinnen der<br />
Hochschule, ihr f<strong>und</strong>iertes Fachwissen im Rahmen des Praxissemesters in jeweils drei<br />
Ges<strong>und</strong>heitsämtern des Landes Sachsen-Anhalt anzuwenden. Im Rahmen des Workshops werden<br />
zwei Studentinnen ihre Beiträge zur Stärkung der kommunalen Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung<br />
vorstellen. Eine Bachelorstudentin absolvierte ihr Praxissemester im Ges<strong>und</strong>heitsamt des Landkreises<br />
Harz <strong>und</strong> wertete die Schuleingangsuntersuchung von 2008 bis 2011 aus. Die mehrdimensionale<br />
Analyse ermöglicht es zukünftig im Landkreis Harz, Ressourcen zielgenau einzusetzen <strong>und</strong> somit die<br />
Kommunen mit Handlungsbedarf intensiver zu fördern. Die zweite Bachelorstudentin absolvierte ihr<br />
78
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Praxissemester im Ges<strong>und</strong>heitsamt im Landkreis Börde. Sie wertete die Daten der einzelnen<br />
Sachgebiete aus <strong>und</strong> entwickelte auf deren Gr<strong>und</strong>lage ein Präventionskonzept für das<br />
Ges<strong>und</strong>heitsamt. Die Studentin begleitete eine Suchtbefragung mit 1.083 Kindern <strong>und</strong> führte<br />
anschließend Datenanalysen durch.<br />
Die aktuell anschließenden Handlungsschritte der jeweiligen Projekte sehen es vor, die Ergebnisse in<br />
den entsprechenden Gremien vorzustellen <strong>und</strong> mit kommunalen Ges<strong>und</strong>heitsakteuren<br />
Präventionsprojekte zu entwickeln, welche auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.<br />
„Die Kita als Ort der Ges<strong>und</strong>heitsförderung – Ergebnisse aus dem Bezirk Berlin-Mitte “<br />
Jeffrey Butler, Bezirksamt Mitte von Berlin<br />
In diesem Beitrag werden eingangs anhand der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung (ESU) die<br />
Determinanten eines längeren Kitabesuchs präsentiert. Anschließend geht es anhand der ESU-<br />
Ergebnisse sowie der Statistik des Zahnärztlichen Dienstes um die ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />
Auswirkungen eines längeren Kitabesuchs – gerade auch für Kinder aus sozial benachteiligten<br />
Familien.<br />
Es ließ sich beim längeren Einrichtungsbesuch insgesamt ein starker sozialer Gradient feststellen –<br />
während ca. 10 Prozent der Kinder aus der oberen sozialen Schicht die Kita weniger als zwei Jahre<br />
besucht haben, waren es bei den Kindern aus der unteren sozialen Schicht ungefähr dreimal so viele.<br />
Ebenfalls besuchten die Schulanfänger/innen deutscher Herkunft die Kita deutlich länger, als Kinder<br />
aus anderen Herkunftsgruppen. Zwischen 2005 <strong>und</strong> 2010 hat sich jedoch in Mitte der Anteil der Kinder<br />
aus sozial schwachen Familien, die länger als zwei Jahre in der Kita waren, um einiges vergrößert.<br />
Wenn Kinder aus sozial schwachen Familien länger in der Kita waren, korreliert dies u.a. mit besseren<br />
Deutschkenntnissen bei nichtdeutschen Schulanfänger/innen, besserer Zahnges<strong>und</strong>heit sowie mit<br />
weniger Kindern, die Auffälligkeiten bei der Körperkoordination <strong>und</strong> Feinmotorik (SEN-S) aufwiesen.<br />
In einer Befragung der bezirklichen Kitas wurde festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen in den Kitas<br />
innerhalb des Bezirks sehr unterschiedlich sind. Während in einem Viertel der bezirklichen Kitas<br />
weniger als 20 Prozent der Kinder überwiegend eine andere Sprache als Deutsch zu Hause sprachen,<br />
waren es in einem weiteren Viertel der Kitas über 80 Prozent. In einem Großteil der Kitas gibt es einen<br />
deutlichen Informationsbedarf im Hinblick auf Angebote der Ges<strong>und</strong>heitsförderung. Ein bislang<br />
unterbelichteter Bereich ist die Ges<strong>und</strong>heit der Erzieher/innen. Probleme in Bezug auf die Ges<strong>und</strong>heit<br />
der Erzieher/innen wurden z.T. noch häufiger als "großes Problem" eingestuft als Probleme, welche<br />
die Ges<strong>und</strong>heit der Kinder betreffen.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Was folgt aus dem 4. <strong>Armut</strong>s- <strong>und</strong> Reichtumsbericht der<br />
B<strong>und</strong>esregierung?<br />
„Die Zeit ist reif! Entwurf für eine integrierte <strong>Armut</strong>s- <strong>und</strong> Sozialberichterstattung in<br />
Berlin“<br />
Prof. Dr. Susanne Gerull, Alice Salomon Hochschule Berlin, Landesarmutskonferenz Berlin; Wiebke<br />
Rockhoff, Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V., Landesarmutskonferenz<br />
Berlin<br />
Die Landesarmutskonferenz (lak) Berlin wurde Ende 2009 gegründet. Anlass war das Europäische Jahr<br />
gegen <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> soziale Ausgrenzung 2010. Seitdem ist eins der wichtigsten Anliegen der lak die<br />
Installierung einer integrierten <strong>Armut</strong>s- <strong>und</strong> Sozialberichterstattung in Berlin. Viele Daten existieren<br />
bereits; so müssen allein laut EU-Vereinbarung 18 <strong>Armut</strong>sindikatoren erhoben werden, mit dem<br />
„Sozialstrukturatlas“ werden regelmäßig Daten zur sozialstrukturellen Entwicklung in Berlin vorgelegt,<br />
es werden Ges<strong>und</strong>heitsberichte <strong>und</strong> Wohnungsmarktanalysen erstellt <strong>und</strong> Daten für den<br />
„Mikrozensus“ erhoben. Die vorhandenen Daten werden jedoch nicht zusammengeführt, da in den<br />
Berliner Senatsverwaltungen das Ressortdenken noch nicht überw<strong>und</strong>en ist. Zusammenhänge der<br />
vielfältigen <strong>Armut</strong>slagen können so nicht analysiert <strong>und</strong> gezielte Gegenstrategien für ein Berlin ohne
Kurzfassung der Beiträge<br />
<strong>Armut</strong> nicht entwickelt werden. Wichtige Daten wie zum Ausmaß der Wohnungslosigkeit fehlen<br />
gänzlich. Aufgr<strong>und</strong> der bisherigen Untätigkeit der politisch Verantwortlichen ist die lak Berlin daher in<br />
Vorleistung gegangen <strong>und</strong> hat ein Gerüst für einen <strong>Armut</strong>s- <strong>und</strong> Sozialbericht entwickelt, das im<br />
Rahmen des <strong>Kongress</strong>es "<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit" 2013 der interessierten Fachöffentlichkeit vorgestellt<br />
werden soll. Im Anschluss an den <strong>Kongress</strong> soll der Entwurf dann offiziell den Fraktionen des<br />
Abgeordnetenhauses, dem Sozialausschuss <strong>und</strong> weiteren Verantwortlichen in Berlin vorgelegt werden.<br />
80
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Weitere Handlungsfelder der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Patienten/Bildung<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Beratung <strong>und</strong> Beschwerden – Wie schaffen wir Zugang für<br />
Psychiatrie-Erfahrene <strong>und</strong> ihre Angehörigen?<br />
„Praxiserfahrung einer professionell arbeitenden Beschwerdestelle“<br />
Petra Rossmanith, BIP – Beschwerde- <strong>und</strong> Informationsstelle Psychiatrie in Berlin<br />
Innerhalb des ersten Jahres der Beschwerdebearbeitung sind ca. 470 Beschwerden aus allen<br />
Bereichen der psychiatrischen Versorgung – ambulant, stationär, sozialpsychiatrisch <strong>und</strong> darüber<br />
hinaus – bei der Beschwerde- <strong>und</strong> Informationsstelle Psychiatrie in Berlin (BIP) eingegangen.<br />
Inhaltlich sind die Beschwerden breit gestreut: thematisiert werden respektlose Umgangsformen des<br />
Personals <strong>und</strong> unzulässige Reglementierungen wie beispielsweise Taschengeldentzug bis hin zu<br />
Verstößen gegen Persönlichkeitsrechte wie den Datenschutz <strong>und</strong> gewaltförmige oder sexuelle<br />
Übergriffe. Umfang, Intensität <strong>und</strong> Vielfalt der Beschwerden zeigen die Notwendigkeit einer solchen,<br />
über die lokale Ebene hinaus für das gesamte Land Berlin zuständigen, Stelle an.<br />
Da häufig Beschwerdewege nicht bekannt sind, ist es in der Arbeit der BIP vor allem wichtig,<br />
Transparenz über diese Wege herzustellen. Oft genügt eine einzelne Beratung nicht, <strong>und</strong> die<br />
Beschwerdeführer/innen müssen vielfach im Prozess der Beschwerde auch mittel- bis langfristig vom<br />
BIP-Team unterstützt werden. Manchmal bedarf es auch gezielter Mediationsgespräche oder<br />
langwieriger Interventionen, bis eine Lösung gef<strong>und</strong>en ist. Positiv auf die Beschwerdebearbeitung<br />
wirkt sich aus, möglichst persönlich erreichbar zu sein, einfache Kontaktstrukturen vorzuhalten <strong>und</strong><br />
zeitnah reagieren zu können.<br />
Manche der Einrichtungen, gegen die sich Beschwerden richten, reagieren zwar zunächst misstrauisch<br />
oder benötigen Zeit für eine interne Abklärung, generell jedoch wird die BIP von den meisten<br />
Akteuren der Versorgung als Beschwerdeinstanz akzeptiert. Es zeigt sich, dass Beschwerden in hohem<br />
Maß mit einem positiven Ergebnis für die Beschwerdeführenden abgeschlossen werden können. Als<br />
besonders wichtig für diese positiven Resultate hat sich erwiesen, dass die BIP einem Träger<br />
zugehörig ist, der selber keine Angebote in der psychiatrischen Versorgung vorhält, wodurch die<br />
Unabhängigkeit gewährleistet ist.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Ges<strong>und</strong>heitskompetenz – Anforderungen an<br />
Patienteninformationen in Zeiten des Wettbewerbs<br />
„Wie gut sind Informationsmaterialien zur Koloskopie als Methode zur<br />
Krebsfrüherkennung?“<br />
Dr. Maren Dreier, Birgit Borutta, Prof. Dr. Ulla Walter, Medizinische Hochschule Hannover<br />
Die informierte Entscheidungsfindung der Bürger/innen für oder gegen die Koloskopie zur<br />
Krebsfrüherkennung kann neben der individuellen ärztlichen Beratung auch durch qualitativ<br />
hochwertige evidenzbasierte Informationsmaterialien gefördert werden. Es wurde untersucht,<br />
inwieweit 41 identifizierte Flyer <strong>und</strong> Broschüren ausgewogen, unverzerrt <strong>und</strong> verständlich sowie<br />
entsprechend dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand über Nutzen <strong>und</strong> Risiken der Koloskopie<br />
zur Früherkennung von Darmkrebs informieren.<br />
Ein möglicher Nutzen wurde häufiger (80 Prozent aller Materialien) als mögliche Risiken (50 Prozent)<br />
angesprochen. Eine Quantifizierung von Nutzen <strong>und</strong> Risiken erfolgte deutlich seltener, wobei<br />
insbesondere die Darstellungsweise des Nutzens zu einer Überschätzung des tatsächlichen Nutzens<br />
führen konnte. Mehrheitlich wurde zur Teilnahme aufgerufen. Diese Einflussnahme zu Gunsten der<br />
Teilnahme wurde teilweise mit Angst einflößenden oder bagatellisierenden Formulierungen verstärkt.<br />
Außerdem wurden in den meisten Materialien nicht korrekte <strong>und</strong> missverständliche Angaben
Kurzfassung der Beiträge<br />
identifiziert. Insgesamt besteht ein deutlicher Optimierungsbedarf hinsichtlich der ausgewogenen <strong>und</strong><br />
quantifizierten Darstellung von Risiken <strong>und</strong> Nutzen, der Korrektheit der Inhalte basierend auf der<br />
aktuellen Evidenz, der neutralen <strong>und</strong> unverzerrten Darstellung ohne Teilnahmeappell sowie der<br />
Angabe der Entscheidungsmöglichkeit für oder gegen die Teilnahme konstatiert werden.<br />
„Verständlichkeit von Informationen zur Darmkrebsfrüherkennung aus der Sicht der<br />
Patienten mit unterschiedlichem Bildungshintergr<strong>und</strong>“<br />
Dr. Gabriele Seidel, Inga Kreusel, Prof. Dr. Marie-Luise Dierks, Patientenuniversität, Medizinische<br />
Hochschule Hannover<br />
Die Verständlichkeit von Ges<strong>und</strong>heitsinformationen ist Voraussetzung für die informierte Entscheidung<br />
der Nutzer/innen zur Teilnahme an Krebsfrüherkennungsmaßnahmen. Die Wirkung, Glaubwürdigkeit,<br />
Verständlichkeit, Struktur <strong>und</strong> das Design existierender Informationsmaterialien unterschiedlicher<br />
Anbieter wurde aus Sicht bildungsferner <strong>und</strong> bildungsnaher Personen bewertet. Getestet wurden<br />
Broschüren <strong>und</strong> Flyer, die über die Screening-Koloskopie informieren. Acht Materialien wurden in zehn<br />
Gruppendiskussionen mit je fünf bis acht bildungsnahen <strong>und</strong> bildungsfernen Teilnehmer/innn getestet.<br />
Die Diskussionen wurden transkribiert. Die Auswertung erfolgte durch eine zusammenfassende<br />
qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring. 46 bildungsnahe <strong>und</strong> 15 bildungsferne Personen, 55-70 Jahre<br />
alt, durchschnittlich 61 Jahre alt, 54 Prozent waren Frauen, testeten die Materialien. Auf Basis der<br />
Transkripte wurden 3.152 Nennungen kodiert. Die häufigsten Nennungen betreffen die Bereiche<br />
Wirkung der Informationen, Inhalt, Design <strong>und</strong> Struktur der Texte. Insbesondere die bildungsfernen<br />
Tester/innen machen Anmerkungen zu den Wirkungen der Texte (z.B. Verunsicherung, Angst,<br />
Beruhigung) <strong>und</strong> sind wenig geübt im kritischen Lesen. Die Darstellung von Nutzen <strong>und</strong> Risiken in<br />
Wahrscheinlichkeiten, aber auch in absoluten Zahlen führt häufig zur Verwirrung. Beide Gruppen<br />
äußern den Wunsch, dass eine Information zur Krebsfrüherkennung eine eindeutige Empfehlung<br />
enthalten sollte.<br />
Do 11.30 Uhr<br />
Betroffenheit, Ges<strong>und</strong>heitskompetenz, Ges<strong>und</strong>heitsselbsthilfe<br />
„Der Beitrag der Ges<strong>und</strong>heitsselbsthilfe zur Entwicklung von Patientenschulungen bei<br />
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen“<br />
Christine Witte, Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e.V.<br />
Morbus Crohn <strong>und</strong> Colitis ulcerosa sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), die mit<br />
geschwürigen Entzündungen im Verdauungstrakt einhergehen. Die Symptome reichen von Magen-<br />
Darm-Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Krämpfen, Durchfall <strong>und</strong> Gewichtsverlust, über<br />
Begleiterkrankungen <strong>und</strong> Krankheitserscheinungen außerhalb des Darms, wie Beschwerden an Leber,<br />
Gelenken, Knochen, Haut <strong>und</strong> Augen, bis hin zu psychischen Beschwerden.<br />
Die DCCV e.V. ist die Patienten-Selbsthilfeorganisation für die r<strong>und</strong> 320.000 CED-Betroffenen in<br />
Deutschland. Zwei ihrer zentralen Aufgaben sieht die DCCV in der Information <strong>und</strong> Beratung. Sie<br />
bietet ein breites Angebot an Veranstaltungen, Schriften sowie telefonische <strong>und</strong> persönliche<br />
Beratungs- <strong>und</strong> Austauschmöglichkeiten.<br />
Gemeinsam mit einem universitären Partner hat die DCCV eine CED-Patientenschulung entwickelt, die<br />
den Bedarf der CED-Betroffenen nach Vermittlung von medizinischem Krankheitswissen auf der einen<br />
<strong>und</strong> nach Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung auf der anderen Seite erfüllt. Diese<br />
Kooperation zwischen Selbsthilfe <strong>und</strong> universitärer Forschung ermöglicht es, Erfahrungswissen aus der<br />
CED-Selbsthilfe mit medizinischer, methodenwissenschaftlicher Expertise in das Projekt „CED-<br />
Patientenschulung“ einzubringen. Derzeit wird die Wirksamkeit der Patientenschulung, z.B. hinsichtlich<br />
der Verringerung krankheitsbezogener Ängste <strong>und</strong> der Erhöhung der Bewältigungskompetenzen, im<br />
Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie untersucht.<br />
82
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Patientenerfahrung - Patientenberatung“<br />
Andreas Bethke, Deutscher Blinden- <strong>und</strong> Sehbehindertenverband e.V.<br />
Das Erfahrungswissen von Patient/innen mit chronischen Erkrankungen ist in der Selbsthilfe<br />
zusammengetragen <strong>und</strong> für neue Patient/innen verfügbar. Eine Stärke der Selbsthilfe ist darüber<br />
hinaus der Erfahrungsschatz, der gemeinsam in die Ges<strong>und</strong>heitspolitik eingebracht werden kann.<br />
Die Patient/innen mit chronischen <strong>und</strong> ihr Leben gr<strong>und</strong>legend verändernden Erkrankungen sind nach<br />
der Diagnose angewiesen auf Information, Beratung, Hilfe <strong>und</strong> Orientierung. Die Patienten-Selbsthilfe<br />
ist das zusammengetragene <strong>und</strong> optimierte Erfahrungswissen all der Patient/innen, die die<br />
Erkrankungen schon länger haben <strong>und</strong> gelernt haben, mit ihr zu leben.<br />
Die Selbsthilfe stellt dieses Wissen den Patient/innen zur Verfügung. Sie kann dies aber auch den<br />
anderen Akteuren im Ges<strong>und</strong>heitswesen wie Ärzt/innen, Krankenkassen, Pharmafirmen <strong>und</strong> der<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik zu Verfügung stellen <strong>und</strong> im Interesse der Patient/innen gezielt <strong>und</strong> engagiert<br />
einbringen <strong>und</strong> vertreten.<br />
In gut aufgestellten Patientenorganisationen können die Erfahrungen aufgearbeitet <strong>und</strong> fruchtbar<br />
gemacht werden. Sie helfen, dass Patient/innen sprachfähig werden, ihre Einschränkung durch die<br />
Erkrankung überwinden <strong>und</strong> vom Opfer einer Erkrankung zum einzeln <strong>und</strong> kollektiv handelnden<br />
Subjekt werden.<br />
„Der Beitrag der Ges<strong>und</strong>heitsselbsthilfe zur evidenzbasierten Ges<strong>und</strong>heitsförderung –<br />
Kommentar“<br />
Prof. Dr. Johann Behrens, Institut für Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Pflegewissenschaften der Martin-Luther-<br />
Universität Halle-Wittenberg<br />
Für die Klärung des Konzepts Evidenzbasierung wurde die Selbsthilfebewegung im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
entscheidend aus zwei Gründen. Sie beförderte erstens die selbstverständliche Einsicht, dass der<br />
Aufbau interner Evidenz in der Begegnung zwischen jeweils einzigartigen Nutzer/innen einerseits <strong>und</strong><br />
Therapeuten/Fachpflegenden andererseits es erst ermöglicht, relevante wissenschaftliche<br />
Wirksamkeits-Berichte bei Dritten zu suchen, zu erkennen, zu bewerten <strong>und</strong> zu nutzen. Sie beförderte<br />
zweitens die Einsicht, dass man, wenn es um Inklusion geht, Selbständigkeit <strong>und</strong> Selbstbestimmung<br />
nicht verwechseln sollte. Das Ziel („outcome“) von Pflege <strong>und</strong> Therapie ist im SGB IX nicht<br />
„Selbständigkeit“, sondern „Selbstbestimmung <strong>und</strong> Teilhabe“. Selbständigkeit ist dafür nur eines unter<br />
mehreren Mitteln. Gerade wenn Selbständigkeit nicht mehr zu erreichen ist, sind Selbstbestimmung<br />
<strong>und</strong> Teilhabe besonders dringlich zu unterstützen – gegen alle fürsorgliche Bevorm<strong>und</strong>ung.<br />
Im Lichte dieser beiden Einsichten erscheinen die Relevanzen der vorgetragenen Beispiele besonders<br />
klar.<br />
„Moderation zu: Betroffenheit, Ges<strong>und</strong>heitskompetenz, Ges<strong>und</strong>heitsselbsthilfe“<br />
Andreas Renner, Dr. Petra Schmidt-Wiborg, B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe e.V.<br />
Die wissenschaftliche Diskussion um die Bedeutung von Ges<strong>und</strong>heitskompetenz wird zumeist als<br />
Thema der Ges<strong>und</strong>heit von Individuen betrachtet. Die Bedeutung der Ges<strong>und</strong>heitsselbsthilfe für die<br />
Entwicklung von Ges<strong>und</strong>heitskompetenz als Element von Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung sowie<br />
als Element der Gewinnung <strong>und</strong> Prüfung wissenschaftlichen Wissens wird bisher gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
unterschätzt. Mit dem Fachforum werden wir diese Thematik von verschiedenen Seiten aufgreifen.<br />
Es wird eine konzeptionelle Gr<strong>und</strong>lage formuliert. Selbsthilfeorganisationen werden anhand praktischer<br />
Aktivitäten die konkrete Verbindung von Betroffenheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz vorstellen. Es wird<br />
eine wissenschaftlich-kritische Kommentierung vorgenommen.<br />
Diese Herangehensweise ermöglicht es Kontextbedingungen der Diskussionen um<br />
ges<strong>und</strong>heitsbezogene Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung aufzugreifen <strong>und</strong> neue Impulse dafür zu<br />
geben, wie weitere Diskussionen erfolgversprechend ausformuliert werden können.
Kurzfassung der Beiträge<br />
HIV/AIDS<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Zwischenfazit zur Berliner Test-Kampagne: HIV-, Syphilis<strong>und</strong><br />
Hepatitis C-Schnelltests mit lebensweltbezogener<br />
Risikoberatung <strong>und</strong> Diagnostik in Kontakt- <strong>und</strong><br />
Beratungsstellen der Aids- <strong>und</strong> Drogenhilfe<br />
„HIV- <strong>und</strong> Hepatitis C-Tests mit qualifizierter Risiko- <strong>und</strong> Präventionsberatung in<br />
niedrigschwelligen Settings der Drogenhilfe“<br />
Astrid Leicht, Fixpunkt e. V., Berlin<br />
Der Berliner Träger Fixpunkt e. V. hat sich auf Menschen, die Drogen injizieren oder sniefen, <strong>und</strong> auf<br />
Hepatitis C-Tests spezialisiert. Mit einer Prävalenz von drei bis fünf Prozent spielt HIV unter<br />
injizierenden Drogengebraucher/innen eine bedeutsame Rolle. Um ein Vielfaches höher ist die<br />
Verbreitung der viralen Hepatitis C. Mehr als 50 Prozent der Berliner/innen, die aktuell Drogen<br />
spritzen, haben Antikörper gegen Hepatitis C-Viren <strong>und</strong> sind überwiegend auch infektiös. Eine HCV-<br />
Infektion findet häufig in den ersten zwei Jahren des injizierenden Konsums statt, verläuft oft<br />
unbemerkt <strong>und</strong> wird meist chronisch. HCV ist in kleinsten Mengen Blut <strong>und</strong> auf Oberfläche lange<br />
überlebensfähig <strong>und</strong> wird nicht nur bei der gemeinsamen Verwendung von Spritzen <strong>und</strong> Kanülen,<br />
sondern auch über Hände <strong>und</strong> andere blutkontaminierte Gegenstände beim Spritzen oder beim<br />
Sniefen von Drogen, übertragen. Viele Menschen sind sich des hohen Risikos beim gemeinsamen<br />
Drogenkonsum nicht bewusst. Erfreulich ist, dass anders als bei HIV eine akute HCV-Infektion von<br />
alleine ausheilen kann <strong>und</strong> dass neue Medikamente vielen chronisch HCV-Infizierten eine Heilung<br />
ermöglichen.<br />
In der Testberatung werden individuelle Risiken <strong>und</strong> Schutzstrategien besprochen. Mit einem<br />
Schnelltest werden Antikörper gesucht. Ein Labortest gibt Aufschluss darüber, ob eine Infektion<br />
ausgeheilt ist. Damit der Zugang zum Test möglichst niedrigschwellig ist, werden Sprechst<strong>und</strong>en in<br />
zwei Drogenhilfe-Kontaktstellen <strong>und</strong> mobil bzw. an wechselnden Standorten angeboten.<br />
„Der HIV- <strong>und</strong> Syphilis-Test im niedrigschwelligen Setting eines schwulen Informations<strong>und</strong><br />
Beratungszentrums unter dem besonderen Aspekt der Beratung zum Safer-Sex-<br />
Management“<br />
Marcus Behrens, Mann-O-Meter e.V., Berlin<br />
Seit 2007 gibt es im Mann-O-Meter, Berlins schwulem Informations- <strong>und</strong> Beratungszentrum, für<br />
schwule <strong>und</strong> bisexuelle Männer die Möglichkeit, sich auf HIV testen zu lassen. Seit 2008 wird auch die<br />
Möglichkeit eines Syphilis-Schnelltests angeboten.<br />
Vor dem eigentlichen Test werden die Nutzer des Angebots gebeten, einen Fragebogen auszufüllen,<br />
der ihren Wissenstand zur Thematik erfasst, aber auch durch offene Fragen zum Nachdenken anregen<br />
soll. Die Antworten auf die Fragen dienen als Gr<strong>und</strong>lage für ein Beratungsgespräch vor dem Test, das<br />
in unserem Zentrum durch Psycholog/innen bzw. Therapeut/innen geführt wird. Es zeigt sich, dass der<br />
überwiegende Teil der von uns getesteten Männer sehr gut über die Möglichkeiten, wie man sich mit<br />
HIV infizieren kann, informiert ist. Trotzdem fällt es schwer, dieses im Sex-Alltag immer umzusetzen,<br />
auch wenn der Wunsch vorhanden ist. In dem von uns bereit gestellten Setting geht es somit auch<br />
weniger um die reine Informationsvermittlung, sondern um die Frage, wie die in aller Regel schon<br />
vorhandenen Informationen im Alltag umgesetzt werden, um ein gelingendes Safer-Sex-Management<br />
betreiben zu können. In aller Kürze sollen in diesem Beitrag die Schwerpunkte der Beratungen<br />
vorgestellt werden, die zeigen, welchen Unterstützungsbedarf schwule <strong>und</strong> bisexuelle Männer für ihr<br />
Safer-Sex-Management heute brauchen.<br />
84
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
„Der HIV-Test in der Berliner Aids-Hilfe <strong>und</strong> Pluspunkt/Schwulenberatung Berlin im<br />
niedrigschwelligen Setting für unterschiedliche Zielgruppen“<br />
Ute Hiller, Jens Ahrens, Berliner Aids-Hilfe; Stephan Jäkel Pluspunkt/Schwulenberatung Berlin<br />
Zu Beginn der gemeinsamen Berliner Kampagne im Herbst 2011 blickte die Berliner Aids-Hilfe auf<br />
mehrere Jahre Testerfahrung zurück, während Pluspunkt/Schwulenberatung Berlin das Beratungs<strong>und</strong><br />
Testangebot neu installierte. Beide Einrichtungen waren neben der Hauptzielgruppe schwuler,<br />
bisexueller Männer <strong>und</strong> anderen Männern, die Sex mit Männern haben, auch offen für andere<br />
Zielgruppen, die das Angebot in Anspruch nehmen wollten. Dabei handelte es sich vorrangig um<br />
heterosexuelle Frauen <strong>und</strong> Männer, die es vorziehen, bei einem freien Träger ein anonymes<br />
Beratungs- <strong>und</strong> Testangebot in Anspruch zu nehmen als auch um Menschen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>. Beleuchtet werden sollen die Erfahrungen mit den gemischten Nutzer/innen,<br />
weiter reichende Kooperation mit dem Zentrum für sexuelle Ges<strong>und</strong>heit als Testanbieter des Landes<br />
Berlin unter Berücksichtigung von Zielgruppenfokussierung. Thematisiert werden auch die<br />
Herausforderungen zur besseren Erreichbarkeit benachteiligter Gruppen z.B. aufgr<strong>und</strong> des<br />
sozioökonomischen <strong>und</strong> kulturellen Status‘.<br />
„Zwischenergebnisse einer Evaluation der Berliner Testkampagne“<br />
Jochen Drewes, AB Public Health, Freie Universität Berlin<br />
Dieser Beitrag dokumentiert die vorläufigen Ergebnisse der begleitenden Evaluation der Berliner<br />
Testkampagne zum Stand Ende November 2012. Im Rahmen dieser Evaluation werden Daten<br />
ausgewertet, die für jede/n Teilnehmer/in erhoben werden. Dazu liegen Befragungsdaten vor, die von<br />
den Teilnehmer/innen selbst erfasst werden, sowie Daten zu den durchgeführten Testverfahren <strong>und</strong><br />
Testergebnissen, die von den Projektmitarbeiter/innen dokumentiert werden.<br />
Für die mehr als 2.000 Teilnehmer/innen seit Beginn der Testkampagne werden soziodemographische<br />
Charakteristika (u.a. Geschlecht, sexuelle Orientierung, Schulbildung, Migrationshintergr<strong>und</strong>),<br />
Testgründe <strong>und</strong> bisheriges Testverhalten, sowie die durchgeführten Testverfahren <strong>und</strong> die Ergebnisse<br />
dieser Tests berichtet.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Sucht<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Suchtprävention <strong>und</strong> Beratung gender- <strong>und</strong> diversitygerecht<br />
gestalten – Empfehlungen zum Handeln<br />
„Suchtprävention <strong>und</strong> Beratung gender- <strong>und</strong> diversitygerecht gestalten – Empfehlungen<br />
zum Handeln“<br />
Christina Schadt, Carolin Kammin, Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin<br />
Die Entwicklung von Gender- <strong>und</strong> Diversity-Kompetenz ist in fast allen Bereichen des täglichen Lebens<br />
<strong>und</strong> der Expertise ein sehr komplexer Lernprozess, der erst vor relativ kurzer Zeit in unserem Land<br />
begonnen hat. Gender- <strong>und</strong> diversitygerecht zu arbeiten, ist eine Notwendigkeit, um entsprechende<br />
Angebote in Prävention <strong>und</strong> Beratung wirksam <strong>und</strong> zielführend zu gestalten. Obwohl die<br />
Berücksichtigung von Diversity schnell als Selbstverständlichkeit gilt, finden aktuelle Standards <strong>und</strong><br />
Forschungskenntnisse selten Eingang in die Praxis.<br />
Wie kann gender- <strong>und</strong> diversitygerechte Suchtprävention <strong>und</strong> Beratung als Querschnittsaufgabe<br />
integriert <strong>und</strong> als Prinzip genutzt werden, um Angebote bedarfsgerecht <strong>und</strong> effektiv zu gestalten? In<br />
diesem Workshop werden neben theoretischem Hintergr<strong>und</strong>wissen konkrete Tipps für den beruflichen<br />
Alltag gegeben <strong>und</strong> gemeinsam mit den Teilnehmer/innen Ideen für die verschiedenen Arbeitsfelder<br />
entwickelt – unter dem Ziel, aufzuzeigen, warum die Berücksichtigung von Gender <strong>und</strong> Diversity<br />
einem dringend notwendigen Bedarf begegnet, mehr Zufriedenheit bei der Umsetzung der Angebote<br />
erzeugt <strong>und</strong> die Qualität der Angebote fördert.<br />
„‚(…) in unserem Kopf sind Drogen der Tod‘ – Expertensichten auf das Hilfesuchverhalten<br />
junger russischsprachiger Migrant/innen mit Alkohol- oder Drogenproblemen“<br />
Dr. G<strong>und</strong>ula Röhnsch, Prof. Dr. Uwe Flick, Alice Salomon Hochschule Berlin<br />
Abhängigkeitserkrankungen gehören weltweit zu den chronisch-psychischen Krankheiten mit der<br />
höchsten Inzidenz <strong>und</strong> sind auch unter Migrant/innen in Deutschland weit verbreitet. Speziell junge<br />
russischsprachige Migrant/innen weisen oft riskante Muster des Alkohol- oder Drogenkonsums mit<br />
schweren ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen auf. Dies deutet auf einen hohen Versorgungsbedarf hin. Aus<br />
verschiedenen Gründen nimmt die Zielgruppe suchtspezifische Hilfen aber eher selten in Anspruch. So<br />
haben die jungen Menschen beispielsweise aufgr<strong>und</strong> von Scham- <strong>und</strong> Schuldgefühlen meist ein<br />
geringes Bewusstsein für die eigenen Alkohol- oder Drogenprobleme. Außerdem bestehen gegenüber<br />
den üblichen non-direktiven Therapiemethoden starke Vorbehalte. Ausgehend von ersten Ergebnissen<br />
eines BMBF-Projekts im Bereich Versorgungsforschung wird im Vortrag das Hilfesuchverhalten von<br />
jungen russischsprachigen Migrant/innen näher analysiert. Dazu wird vor allem auf die Erfahrungen<br />
von Mitarbeiter/innen aus unterschiedlichen sozialen Settings (Ges<strong>und</strong>heit, Jugend/Soziales, Migration,<br />
Schule/Ausbildung, Justiz) Bezug genommen, die mit der Zielgruppe tagtäglich zu tun haben. Parallel<br />
zu Experteninterviews mit diesen Mitarbeiter/innen führen wir Interviews mit den jungen<br />
Migrant/innen selbst durch. In diesem Beitrag sollen daher auch erste Tendenzen aufgezeigt werden,<br />
inwieweit sich die Sichtweisen unterscheiden, die (potentielle) Nutzer/innen <strong>und</strong><br />
Leistungsanbieter/innen auf suchtbezogene Inanspruchnahme haben. Solche Unterschiede gelten als<br />
Ursache für mangelnde Compliance der Betroffenen <strong>und</strong> somit für einen suboptimalen Gebrauch –<br />
öffentlicher – Ressourcen.<br />
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Salutogenese<br />
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Do 9.30 Uhr<br />
Salutogenese als integrativer Ansatz – Die Salutogenese als<br />
Brücke zwischen Leiderfahrung <strong>und</strong> Handlungsbefähigung<br />
„Die Salutogenese als Brücke zwischen Leiderfahrung <strong>und</strong> Handlungsbefähigung –<br />
Salutogenese – Entwicklungspotenzial für Ges<strong>und</strong>heit“<br />
Rüdiger-Felix Lorenz, Zentrum für Ges<strong>und</strong>heitsförderung, Hannover<br />
Der Mensch richtet sein Verhalten in den traditionellen Denk- <strong>und</strong> Vorgehensweisen der Medizin seit<br />
mehr als 200 Jahren noch immer am Konzept der Risikofaktoren aus. Über die klinisch-biologischen<br />
Erkenntnisse zu den Risikofaktoren wie die Schädlichkeit von Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht<br />
<strong>und</strong> Bewegungsmangel, die als Kausalfaktoren für Krankheiten gelten, sind selbst Laien inzwischen<br />
mit prof<strong>und</strong>en Kenntnissen ausgestattet.<br />
Neben den Erkenntnissen über die Folgen von Risikofaktoren, die inzwischen als Allgemeingut gelten<br />
können, bleibt die Frage nach den eigentlichen Ursachen von Krankheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit weitgehend<br />
unbeantwortet <strong>und</strong> deshalb haben sich die am Risikofaktorenmodell ausgerichteten<br />
Präventionskonzepte als kaum wirksam erwiesen. Die damit pathologisch f<strong>und</strong>ierten<br />
Orientierungsmodelle bedürfen in ihrer bedingten Reichweite ergänzender Ansätze, wie sie im<br />
Salutogenesemodell von Antonovsky (1979, 1988) in der positiven Bewältigung von<br />
Lebensanforderungen abgebildet werden können.<br />
Das bio-psycho-sozial-ökologische Verständnis dieses Konstrukts fand zudem Eingang im Ansatz der<br />
Ottawa-Charta aus dem Jahre 1989 mit seiner mehrdimensionalen Interpretation gesellschaftlicher<br />
Bedarfsanforderung. In der Umsetzung beider Konzepte liegt der Schlüssel für eine bedarfsgerechte<br />
Handlungsbefähigung im Umgang mit Lebensherausforderungen wie sie vor allem sozial<br />
Benachteiligte in ihren prekären Lebenslagen <strong>und</strong> zuweilen desaströsen Lebenssituationen<br />
widerfahren. Sich in der Praxis der Armenhilfe in deren Not von anderen berühren zu lassen, festigt<br />
den Gr<strong>und</strong>stein für eine bedeutsame menschliche Qualität als ein wirksames Antidot gegen<br />
Verhärtung <strong>und</strong> Herzlosigkeit.<br />
„<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit ausländischer Studenten in Deutschland – Ergebnisse einer<br />
salutogenetischen Lebensweltanalyse“<br />
Richard Bettmann, Universität Duisburg-Essen<br />
Die Internationalisierung deutscher Hochschulen hat zur Folge, dass immer mehr Student/innen aus<br />
ihren Heimatländern nach Deutschland kommen, um hier ihr Studium zu absolvieren. Der Wechsel von<br />
der Heimatwelt in die Fremdwelt kann erhebliche Auswirkungen auf die Ges<strong>und</strong>heit dieser Menschen<br />
haben. Fraglich ist, wie diese Verlagerung der Lebenswelt aus der Binnenperspektive der Subjekte<br />
erfahren wird <strong>und</strong> welche Ressourcen sie allgemein benötigen, um ihr Studium <strong>und</strong> die Verortung<br />
erfolgreich bewältigen zu können.<br />
Im Zuge meiner Forschungsarbeit an einer deutschen Hochschule, in der ich mich mit dem Thema<br />
„Förderung der lokalen Interkultur“ auf organisatorischer <strong>und</strong> personaler Ebene befasse, konnte ich<br />
die von mir entwickelte <strong>und</strong> im letzten Jahr auf dem <strong>Kongress</strong> bereits vorgestellte Methode der<br />
‚Salutogenetischen Lebensweltanalyse‘ zum Einsatz bringen. Ich führte narrative Interviews mit<br />
ausländischen Studierenden, die ich unter lebensweltlich salutogenetischen Aspekten auswertete.<br />
Dabei stellte sich heraus, dass diese Studierenden eine Verortungskrise bewältigen müssen, indem sie<br />
in einem für sie fremden Handlungskontext eine neue Form der Handlungsfähigkeit aufbauen müssen.<br />
In einigen prägnanten Fällen ist die Verortung mit einer existenziellen Lebenskrise verb<strong>und</strong>en, die<br />
auch mit materiellen <strong>und</strong> mentalen ‚<strong>Armut</strong>serfahrungen‘ einhergeht.<br />
Anhand einer exemplarischen Interviewanalyse möchte ich vorstellen, wie <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
durch den Wechsel gesellschaftlicher Handlungsrahmen konstruiert werden <strong>und</strong> wie es die
Kurzfassung der Beiträge<br />
Studierenden unter erschwerten Lebensbedingungen dennoch schaffen, ein tragfähiges<br />
Kohärenzgefühl aufzubauen.<br />
„Das salutogenetische Paradigma – eine notwendige Neuorientierung für kommunale<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung“<br />
Dr. Joachim Hartlieb, Ges<strong>und</strong>-heit.de<br />
Jeder Mensch wird mit Basiskompetenzen ausgestattet geboren. Dazu zählen z.B. die Bereitschaft<br />
allzeit aktiv zu sein, die Fähigkeit zu kommunizieren, das Vertrauen zur Bezugsperson, der Drang zur<br />
Bewegung, die Lust neues zu entdecken oder auch das soziale Verhalten. Diese Basiskompetenzen<br />
unterliegen allerdings im Laufe des „Erwachsen werdens“ strukturellen Störungen. Durch diese<br />
Störungen können die Basiskompetenzen empfindlich beeinträchtigt werden, was wiederum das o.g.<br />
Verhältnis zwischen Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit verändern kann. Hinzu kommt, dass die Ges<strong>und</strong>heit<br />
nicht unsere dominante gesellschaftliche Perspektive darstellt. Als „Ges<strong>und</strong>heitsförderung“ getarnte<br />
Interventionen basieren häufig auf einem pathogenetisch ausgerichteten Paradigma mit<br />
entsprechenden Vermutungen über den Eintritt, das Wesen, den Ablauf <strong>und</strong> die Behandlung von<br />
Krankheit.<br />
Die Salutogenese akzeptiert Krankheit als Umstand des Lebens ebenso wie <strong>Armut</strong>, Arbeitslosigkeit,<br />
soziale Isolation oder eine irgendwie geartete Belastung, sowohl auf der individuellen als auf der<br />
kollektiven Ebene. Salutogenese bedeutet, diese Probleme zu haben <strong>und</strong> trotzdem die Fähigkeit zu<br />
besitzen, ein positives Lebenskonzept entwickeln zu können.<br />
Eine vom salutogenetischen Ansatz geprägte kommunale Ges<strong>und</strong>heitsförderung konzentriert sich mit<br />
ihren Interventionen vordergründig auf soziale Rahmenbedingungen, unter denen<br />
Ges<strong>und</strong>heitskompetenzen gelernt werden <strong>und</strong> notfalls auch gegen vielfältige Widerstände vertreten<br />
werden müssen. Funktionieren kann sie allerdings nur im Kontext mit anderen Fachbereichen,<br />
interdisziplinär <strong>und</strong> unter aktiver Beteiligung mehrerer kommunaler Politikbereiche.<br />
88
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Studium <strong>und</strong> Beruf<br />
Mi 11.30 Uhr<br />
Situation <strong>und</strong> Perspektiven von Public Health in Deutschland<br />
„Kommentar zum Positionspapier aus der Perspektive des Öffentlichen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsdienstes“<br />
Dr. Ute Teichert-Barthel, Landesamt für Soziales, Jugend <strong>und</strong> Versorgung, Koblenz<br />
Die Initiative der DGPH zu Situation <strong>und</strong> Perspektiven zu Public Health in Deutschland ist angesichts<br />
der aktuellen poltischen Diskussion zum Thema Prävention ausgesprochen wichtig. Aus Sicht des ÖGD<br />
kommt es vor allem darauf an, Public Health-Wissen in verschiedenen Bereichen <strong>und</strong> Institutionen in<br />
B<strong>und</strong>, Ländern <strong>und</strong> Gemeinden in unserem durch föderale Strukturen geprägten Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />
praxisnah zur Anwendung zu bringen. Insoweit trifft das Motto des diesjährigen <strong>Kongress</strong>es "Brücken<br />
bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung" auf die Kooperation<br />
zwischen Forschung <strong>und</strong> Lehre im Bereich Public Health einerseits <strong>und</strong> dem ÖGD andererseits in<br />
besonderer Weise zu.<br />
Dabei müssen sich auch Initiativen des RKI <strong>und</strong> der BZgA auf B<strong>und</strong>esebene mit den verschiedenen<br />
Landesbehörden <strong>und</strong> den Ges<strong>und</strong>heitsämtern vor Ort in einem föderalistisch geprägten<br />
Ges<strong>und</strong>heitssystem sinnvoll <strong>und</strong> arbeitsteilig ergänzen. Ebenso wie der Public Health-Ansatz verfolgt<br />
der ÖGD auf den verschiedenen Ebenen einen interdisziplinären Ansatz, der von einem breiten<br />
Aufgabenspektrum <strong>und</strong> einer Vielzahl dort tätiger Berufsgruppen <strong>und</strong> Fachrichtungen geprägt ist. Als<br />
dritte Säule im Ges<strong>und</strong>heitswesen hat der ÖGD neben dem ambulanten <strong>und</strong> dem stationären<br />
Versorgungsbereich eine wichtige – in der Öffentlichkeit <strong>und</strong> auch in der medizinischen Aus- <strong>und</strong><br />
Weiterbildung allerdings vielfach unterbelichtete – Funktion. Dies ist ein Manko, dem mit der<br />
Etablierung von Lehrstühlen für öffentliches Ges<strong>und</strong>heitswesen an Medizinischen Fakultäten<br />
entgegengewirkt werden könnte. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sind die Aufbaustudiengänge im Bereich<br />
"Public Health" eine unverzichtbare Ergänzung für ein erfolgreiches Wirken im Bereich des ÖGD. Für<br />
Public Health-Absolvent/innen bietet der ÖGD ein spannendes <strong>und</strong> abwechslungsreiches Berufsfeld –<br />
ein Abschluss als "Master of Public Health" wird von Arbeitgebern in B<strong>und</strong>, Ländern <strong>und</strong> Gemeinden<br />
besonders anerkannt <strong>und</strong> immer stärker als Schlüssel für eine Karriere <strong>und</strong> Voraussetzung für die<br />
Einnahme von Führungspositionen erwartet.<br />
Mi 16.15 Uhr<br />
Nachhaltiger Praxistransfer von Konzepten der Hochschule in<br />
die Praxis der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
„Beiträge des Ges<strong>und</strong>heitszentrums an der Hochschule Magdeburg-Stendal e.V. zur<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung in der Region“<br />
Dr. Kerstin Baumgarten, Simone Dolg, Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage der defizitären Ergebnisse einer im Rahmen des Projektstudiums durchgeführten<br />
Analyse der Angebotsstruktur von Ges<strong>und</strong>heitsbildungsangeboten in der Region Magdeburg wurde das<br />
„Ges<strong>und</strong>heitszentrum – Verein an der Hochschule Magdeburg-Stendal e.V.“ 1997 von Absolventinnen<br />
<strong>und</strong> Lehrenden des Studiengangs Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> -management gegründet. Im Rahmen<br />
des Vereins werden Kursangebote der Ges<strong>und</strong>heitsbildung unterbreitet sowie Maßnahmen der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung in verschiedenen Settings durchgeführt.<br />
Um den Transfer von Theorievorstellungen in die Praxis zu ermöglichen, erfolgt die kontinuierliche<br />
Einbindung interessierter Studierender in die Aktivitäten des Ges<strong>und</strong>heitszentrums im Rahmen des<br />
Projektstudiums.<br />
In diesem Zusammenhang können Studierende in folgenden Arbeitsfeldern mitwirken: Durchführung,<br />
Planung <strong>und</strong> Evaluation von Aktionen im Rahmen der betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung bzw. von<br />
Veranstaltungen im Themenfeld der Ges<strong>und</strong>heit für die Bevölkerung sowie Mitarbeit im Rahmen des<br />
Kurssystems des Vereins. Diese Theorie-Praxisverknüpfung ermöglicht es den Studierenden, eigene<br />
Fähigkeiten zu erproben, Kurskonzepte <strong>und</strong> Umsetzungsstrategien zu entwickeln sowie einen<br />
praktischen Einblick in die Tätigkeits- <strong>und</strong> Berufsfelder der Ges<strong>und</strong>heitsförderung zu erhalten.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Als Ergebnis dieses erfolgreichen Theorie-Praxis-Verb<strong>und</strong>es hat sich das Ges<strong>und</strong>heitszentrum seit<br />
seiner Gründung zu einem zentralen regionalen Akteur der Ges<strong>und</strong>heitsförderung in Sachsen-Anhalt<br />
entwickelt.<br />
„Forschungsprojekt: Work-Life-Balance für Pflegekräfte“<br />
Prof. Dr. Ilsabe Sachs, Nicole Thiede, Tina Hartmann, Hochschule Neubrandenburg<br />
An der Hochschule Neubrandenburg wurde im Rahmen des Masterstudiums am Fachbereich<br />
Ges<strong>und</strong>heit, Pflege, Management von September 2011 bis Januar 2013 das studentische<br />
Forschungsprojekt „Work-Life-Balance für Pflegekräfte“ durchgeführt. Es wurde ein Fragebogen<br />
entwickelt, der zeitgleich in drei Krankenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern zum Einsatz kam. Die<br />
Aufgabenstellung des Forschungsprojektes war es, herauszufinden ob es den Pflegekräften gelingt,<br />
Familie <strong>und</strong> Privatleben gut mit ihrem Berufsalltag zu vereinbaren. Das Ziel des Forschungsprojektes<br />
war vor allem, den Handlungsbedarf zu verdeutlichen sowie durch die Auswertung der Ergebnisse der<br />
schriftlichen Befragung möglichst viele Interventionsvorschläge zur Verbesserung der Work-Life-<br />
Balance für Pflegekräfte im Krankenhaus zu entwickeln.<br />
„CO.pfsalat- das Kochmagazin für junge Erwachsene“<br />
Carolin Bräutigam, Hochschule Coburg<br />
Ein zentraler Ansatz in der Ges<strong>und</strong>heitsförderung ist die Empowerment Strategie. Mit dem Projekt<br />
„CO.pfsalat – das Kochmagazin für junge Erwachsene“ wagte das Institut für angewandte<br />
Wissenschaften der Hochschule Coburg einen ersten Versuch, eine Ges<strong>und</strong>heitskampagne für die<br />
Zielgruppe junger Erwachsener zum Thema ges<strong>und</strong>e Ernährung in die Region zu implementieren.<br />
Ziel war es, mit der Kampagne Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene an der Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung<br />
eines Kochmagazins zum Thema „Brainfood“ aktiv zu beteiligen. Anhand unterschiedlicher „Mitmach-<br />
Aktionen“ war die Zielgruppe aufgefordert, das eigene Essverhalten zu reflektieren <strong>und</strong> selbstbestimmt<br />
zu handeln.<br />
Das Ergebnis des Projektes ist ein Kochmagazin mit Rezepten <strong>und</strong> Wissensbeiträgen von Studierenden<br />
der Hochschule sowie jungen Erwachsenen aus der Region Coburg.<br />
Mit der Veröffentlichung von 2500 Exemplaren konnte ein nachhaltiger Praxistransfer der Hochschule<br />
in die Praxis der Ges<strong>und</strong>heitsförderung realisiert werden. Unterstützt wurde das Projekt dabei von der<br />
Tageszeitung Neue Presse Coburg <strong>und</strong> dem Referat Ges<strong>und</strong>e Hochschule.<br />
90
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Moderierte Posterpräsentation<br />
Mi 13.00 Uhr<br />
Posterpräsentation<br />
„FAMOS – Familien Optimal Stärken – Evaluation einer flächendeckendenden<br />
Implementierung von evidenzbasierten Präventionsprogrammen für psychische<br />
Störungen bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen“<br />
Inga Frantz, Technische Universität Braunschweig<br />
15-20 Prozent der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen in Deutschland weisen psychische Auffälligkeiten auf, die<br />
meisten davon bleiben unbehandelt. Hieraus ergeben sich gesellschaftliche Folgeprobleme, wie z.B.<br />
hohe Kosten für die Behandlung von chronifizierten Störungen <strong>und</strong> Erziehungshilfemaßnahmen des<br />
Jugendamts. Durch die flächendeckende Einführung von evidenzbasierten Programmen zur Prävention<br />
von Verhaltensproblemen bei Kindern, soll in einer Modellstadt das Zusammenleben von Familien<br />
gestärkt werden.<br />
Seit 2010 wurden 211 Fachkräfte, die bereits vor Ort mit Familien arbeiten, in einem von drei<br />
Präventionsprogrammen fortgebildet. Nach einem Jahr haben mindestens 1.200 Familien an einem<br />
der Programme teilgenommen.<br />
Die teilnehmenden Eltern gaben nach dem Kurs weniger kindliche Verhaltensauffälligkeiten <strong>und</strong><br />
weniger dysfunktionales Erziehungsverhalten an, als vor dem Kurs (ES = .30 - .87). Zudem wiesen die<br />
teilnehmenden Familien zu Beginn der Maßnahme mehr kindliche Verhaltensauffälligkeiten <strong>und</strong><br />
ungünstiges elterliches Erziehungsverhalten auf, als die Gesamtbevölkerung. Sie waren zudem<br />
häufiger von sozialer Unterstützung abhängig (ALG II-Bezug, 20 Prozent vs. 4 Prozent) <strong>und</strong> wiesen ein<br />
geringeres Bildungsniveau auf, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung.<br />
Die eingeführten Präventionsprogramme waren demnach auch unter Praxisbedingungen effektiv in<br />
der Prävention von psychischen Störungen bei Kindern. Zudem konnten vermehrt die Familien erreicht<br />
werden, die solche präventiven Angebote sonst kaum in Anspruch nehmen.<br />
„Ernährung <strong>und</strong> Hauswirtschaft mit <strong>und</strong> für Familien in schwierigen Lebenslagen – eine<br />
systematische Hilfestellung für Multiplikatoren“<br />
Ann-Katrin Hillenbrand, Martina Ehrentreich, Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft <strong>und</strong> der<br />
ländlichen Räume Schwäbisch Gmünd; Andrej Hänel, Ministerium für Ländlichen Raum <strong>und</strong><br />
Verbraucherschutz Baden-Württemberg<br />
Durch die baden-württembergische Landesinitiative „Komm in Form“ wurden seit 2009 an den<br />
Landwirtschaftsbehörden Projekte gefördert, die sich an sozial Benachteiligte wenden. Anhand der<br />
Projektberichte <strong>und</strong> durch den Austausch mit Multiplikator/innen <strong>und</strong> Kooperationspartner/innen<br />
konnte die Projekterfahrung im Kompetenzbereich Ernährung <strong>und</strong> Hauswirtschaft in Baden-<br />
Württemberg strukturiert erfasst werden. Als Hilfestellung für Multiplikator/innen ist auf Gr<strong>und</strong> der<br />
Erfahrungen ein Bildungsset entstanden, das Möglichkeiten für Projekte mit sozial benachteiligten<br />
Erwachsenen <strong>und</strong> Familien mit eigenem Haushalt aufzeigt. Eine Anleitung zur Planung, Durchführung<br />
<strong>und</strong> Evaluation entsprechender Konzepte wird mit praktischen Erfahrungen untermauert. Darüber<br />
hinaus enthält das Bildungsset konkrete Bausteine wie einen Methoden- <strong>und</strong> Materialkoffer zur<br />
Ausgestaltung der Projekte. Die Schulung bereits qualifizierter Multiplikator/inneen in Baden-<br />
Württemberg ist ein weiterer Bestandteil des laufenden Programms.<br />
Mit dem Bildungsset ist eine Transferstrategie geschaffen worden, wie Erfahrungen einzelner Projekte<br />
strukturiert in die Fläche gebracht werden können <strong>und</strong> dabei Möglichkeiten der Partizipation bewahrt<br />
werden.
Kurzfassung der Beiträge<br />
„FamTIME – Ges<strong>und</strong>heitsressourcen von Familien mit dem Web 2.0 stärken“<br />
Elisabeth Hintz, Hochschule Fulda<br />
Digitale Medien gelten in der Präventionsforschung als Risikofaktoren, da sie körperliche Inaktivität<br />
unterstützen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsfördernde Kommunikationsstrukturen stören. Dem gegenüber soll durch<br />
FamTIME, einer digitalen Familienplattform, das Interesse von Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> ihren Eltern<br />
an der Nutzung neuer Informationstechnologien genutzt werden, um Ges<strong>und</strong>heitsrisiken zu<br />
reduzieren, Ges<strong>und</strong>heitsressourcen zu stärken <strong>und</strong> familiären Zusammenhalt zu entwickeln.<br />
FamTIME wurde mit dem AOK-Leonardo Förderpreis ausgezeichnet, dem Ges<strong>und</strong>heitspreis für digitale<br />
Prävention. Die Idee integriert drei Funktionalitäten: Die Planerfunktion zielt auf die Verringerung von<br />
Stress durch die Strukturierung des Familienalltags, gleichzeitig werden Zeitfenster der Familie<br />
deutlich, die für die Gestaltung gemeinsamer Aktivitäten sowie gemeinsamer Mahlzeiten mit<br />
Ges<strong>und</strong>heitswert genutzt werden können. Die Netzwerkfunktion von FamTIME dient dazu,<br />
Familienmitglieder, die in anderen Haushalten leben, miteinander zu vernetzen <strong>und</strong> die innerfamiliäre<br />
<strong>und</strong> außerfamiliäre Kommunikation zu unterstützen. Die Familienplattform bietet Raum für<br />
Austauschforen für Eltern <strong>und</strong> ältere Kinder der Familie <strong>und</strong> ermöglicht soziale Unterstützung bei der<br />
Bewältigung familiärer Herausforderungen. In der Projektlaufzeit von 2012 bis 2014 wird an der<br />
Hochschule Fulda in einem interdisziplinären Team ein Prototyp von FamTIME entwickelt.<br />
Die Entwicklung des Prototyps basiert auf einer Bedarfsanalyse. Darauf aufbauend erfolgt die<br />
modellbasierte Entwicklung von interaktiven Anwendungen, die sowohl ges<strong>und</strong>heitswissenschaftlichen<br />
Ansprüchen genügen als auch technisch realisierbar sind. Anschließend werden ges<strong>und</strong>heitsbezogene<br />
Schnittstellen identifiziert <strong>und</strong> selektiert, die später den Nutzer/innen von FamTIME zu Verfügung<br />
stehen sollen.<br />
„Warum Männer früher sterben: Zufriedenheit mit dem Lebensstandard als Prädiktor der<br />
Mortalität“<br />
Birgit Keller, Bertram Szagun, Hochschule Ravensburg-Weingarten<br />
EINLEITUNG: Zwischen sozialer Lage <strong>und</strong> Mortalität besteht ein höchst konsistenter <strong>und</strong> teils<br />
genderabhängiger Zusammenhang (Lampert et al., 2007). Dabei hat sich gezeigt, dass die<br />
statusbezogene Selbsteinschätzung häufig stärker mit Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit assoziiert ist als die<br />
klassischen Statusparameter Bildung, Einkommen <strong>und</strong> Berufsstatus. Eine mögliche Erklärung ist die<br />
über die HPA-Stress-Achse vermittelte Beziehung zwischen hierarchischem Rang <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
(Singh-Manoux et al., 2005, Sapolsky, 2004). Wenig ist bisher über die Geschlechtsabhängigkeit<br />
dieser Beziehung bekannt. Im Längsschnittdesign soll getrennt für Männer <strong>und</strong> Frauen der<br />
Zusammenhang zwischen statusbezogener Lebenszufriedenheit <strong>und</strong> Sterblichkeit untersucht werden.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der bei Männern stärkeren Statusabhängigkeit der Mortalität sowie höheren<br />
Konkurrenzbereitschaft wird eine stärkere Assoziation mit der männlichen Mortalität erwartet.<br />
METHODE: Auf Basis einer balancierten Teilstichprobe des Sozioökonomischen Panels (SOEP 2010)<br />
werden genderbezogene Cox-Regressionsmodelle unter Kontrolle von Lebensalter, Tabakkonsum,<br />
Familienstand, Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> der Häufigkeit von Arztbesuchen in den letzten drei<br />
Monaten berechnet. Als Indikatoren werden das Äquivalenzeinkommen (nach neuem OECD-Standard),<br />
der Bildungsstand (ISCED) sowie die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard (in dreifacher<br />
Kategorisierung) einbezogen. Die Teilstichprobe umfasst 13.353 Personen, die im Jahr 1998 befragt<br />
wurden <strong>und</strong> von denen in den darauffolgenden 12 Jahren insgesamt 1.229 Personen (M: 644 F: 585)<br />
verstarben.<br />
ERGEBNIS: Im geschlechterneutralen Gesamtmodell steigt mit zunehmendem Äquivalenzeinkommen<br />
die Überlebenswahrscheinlichkeit. Die Hinzunahme der Variablen zur Unzufriedenheit mit dem<br />
Lebensstandard erhöht die Modellgüte <strong>und</strong> verringert gleichzeitig den signifikanten Einfluss des<br />
Äquivalenzeinkommens. In der genderbezogenen Analyse wird dieser Effekt nur bei den Männern<br />
sichtbar. Die Unzufriedenheit mit dem Lebensstandard (HR 1,89/1,23 p=0,000) steht für Männer in<br />
hochsignifikantem Zusammenhang zur Mortalität. Im Modell der Frauen (HR 1,49/1,08 p=0,101) zeigt<br />
92
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
dieser subjektive Statusindikator keinen signifikanten Effekt. Ein höherer Bildungsstand ist<br />
hochsignifikant mit der Überlebensrate der Männer assoziiert.<br />
DISKUSSION: Unzufriedenheit mit dem Lebensstandard, Einkommen <strong>und</strong> Bildungsstand haben einen<br />
deutlich stärkeren Einfluss auf die Sterblichkeit von Männern als von Frauen. Aufgr<strong>und</strong> der höheren<br />
Konkurrenzbereitschaft von Männern entspricht dieses Ergebnis den Erwartungen. Die Zufriedenheit<br />
mit dem Lebensstandard ist bei Männern ein noch stärkerer Prädiktor für die Mortalität als das<br />
Äquivalenzeinkommen <strong>und</strong> der Bildungsstand. Die Ergebnisse sprechen für die hohe Relevanz der<br />
über psychosozialen Stress vermittelten Beziehung zwischen hierarchischem Rang <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
sowie für eine routinemäßige Einbeziehung subjektiver Statusindikatoren in epidemiologische<br />
Untersuchungen. Da die gezeigten genderabhängigen Effekte im gemeinsamen Modell mit Geschlecht<br />
als unabhängiger Variable nicht erkennbar sind, sollten bei ähnlichen Forschungsfragen möglichst<br />
separate Modelle für die Geschlechter berechnet werden.<br />
Anmerkung: Das der Auswertung zugr<strong>und</strong>eliegende Forschungsprojekt wird im Rahmen des<br />
b<strong>und</strong>esweiten „Epi goes Gender“-Programms gefördert.<br />
„GuStaF – Guter Start in die Familie – Fortbildungsprogramm <strong>und</strong> Angebot für<br />
begleitende Familienunterstützung <strong>und</strong> Vernetzung r<strong>und</strong> um die Geburt“<br />
Christiane Prüßmann, Klinik für Kinder- <strong>und</strong> Jugendmedizin UKSH Campus Lübeck<br />
Das neue B<strong>und</strong>eskinderschutzgesetz sieht vor, ein frühzeitiges, koordiniertes <strong>und</strong> multiprofessionelles<br />
Angebot zu schaffen. Ziel ist, die ges<strong>und</strong>e Entwicklung der Kinder von Anfang an zu fördern durch die<br />
Unterstützung für – werdende – Mütter <strong>und</strong> Väter. Im Projekt "Kinderschutz von Anfang an – Neue<br />
Wege gehen" am Universitätsklinikum Lübeck wurde von April 2010 bis März 2012 die<br />
Fortbildungsinitiative "GuStaF – Guter Start in die Familie – Fortbildungsprogramm für begleitende<br />
Familienunterstützung <strong>und</strong> Vernetzung r<strong>und</strong> um die Geburt" entwickelt. Fast alle Eltern sind r<strong>und</strong> um<br />
die Geburt gut erreichbar <strong>und</strong> besonders offen für Hilfsangebote. Dieser Zugang zu Familien soll für<br />
den Schutz <strong>und</strong> die Förderung der Entwicklung von Kindern genutzt werden. Dafür ist es notwendig<br />
die Angebote Früher Hilfen, wie in der Schwangerenberatung oder Familienhilfe verbreitet, auch im<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen bekannt <strong>und</strong> zugänglich zu machen. Das über den hohen Standard der<br />
medizinischen Versorgung hinausgehende Wissen, auch die dafür nötigen komplexen fachlichen <strong>und</strong><br />
persönlichen Fähigkeiten, sollen dem Klinikpersonal vermittelt werden. Es wurden unterschiedliche<br />
Bausteine konzipiert: die Mentorin für Klinische Frühe Hilfen, Informationen für Multiplikatoren <strong>und</strong><br />
"Soziale Aspekte Ärztlichen Handelns" als Seminar für Medizinstudent/innen. Die Anforderungen des<br />
Berufsalltags <strong>und</strong> der Personalplanung einer Klinik sind bei der praxisnahen Entwicklung von GuStaF<br />
berücksichtigt worden. Auf institutioneller Ebene gilt es, Präventionsmaßnahmen für die prä- <strong>und</strong><br />
postnatalen Entwicklungsbedingungen von Kindern zu professionalisieren. Auf personeller Ebene<br />
werden die Handlungsstrategien zur Stärkung elterlicher Kompetenzen <strong>und</strong> sozialer Unterstützung von<br />
Familien verbessert. GuStaF ist ein Beispiel für Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln zu<br />
Beginn eines plural gedachten Kontinuums früher Familienförderung <strong>und</strong> Schnittstellengestaltung<br />
verschiedener Hilfsangebote.<br />
„Belastungen <strong>und</strong> Well-Being freiberuflicher Hebammen“<br />
Nina Reitis, University of the West of Scotland, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg,<br />
Hebamme; Dr. Jean Rankin, University of the West of Scotland, Hebamme; Prof. Dr. Christine Färber,<br />
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg<br />
Forschungsansatz: Der Hebammenberuf ist der älteste <strong>und</strong> traditionellste (Frauen-)Beruf der Welt, der<br />
sich an einem präventiven, salutogenetischen Ansatz orientiert. Aktuell erfahren freiberufliche<br />
Hebammen steigende berufsspezifische Belastungen, welche das persönliche Well-Being bei fehlender<br />
oder mangelnder Bewältigungsstrategie (Coping) negativ beeinflussen können (Lazarus & Folkman<br />
1984). Ansatz der Promotion ist es, die freiberufliche Hebammentätigkeit mit all ihren Facetten zu
Kurzfassung der Beiträge<br />
beschreiben <strong>und</strong> die Perspektiven der Profession zu ermitteln. Methoden: Die Berufsgenossenschaft<br />
für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlfahrtspflege (BGW) hat eine zufällige Stichprobe (n=1.000) aller<br />
freiberuflichen Hebammen Deutschlands gezogen. Bestandteil des im Mai bis Juli 2012 versandten<br />
Fragebogens zur allgemeinen, psychischen <strong>und</strong> finanziellen Arbeitssituation freiberuflicher Hebammen<br />
in Deutschland waren u.a. offene Fragen zu Sorgen, Ängsten <strong>und</strong> Wünschen. Diese Antworten wurden<br />
qualitativ ausgewertet. Ergebnisse: Älterwerden oder eigene schwere Erkrankungen assoziieren<br />
freiberufliche Hebammen mit Zukunftsängsten <strong>und</strong> Altersarmut, da sie keine „finanziellen Polster“<br />
anlegen können. Der Zwang der gesetzlichen Rentenversicherung belastet sie zusätzlich, da der<br />
monatliche Beitrag sie finanziell belastet <strong>und</strong> als Altersvorsorge nicht ausreichen wird. Steigende<br />
Ausgaben bei einer unangemessenen Vergütung machen die freiberufliche Hebammenarbeit nicht<br />
rentabel. Derzeit sehen viele ihre freiberufliche Hebammentätigkeit als „schlechtbezahltes Hobby“,<br />
welches sich nur mit einem finanzstarken Lebenspartner finanzieren ließe. Eine Vielzahl freiberuflicher<br />
Hebammen äußert, dass sie sich berufliche Alternativen suchen möchten oder müssen, um sich den<br />
Lebensunterhalt „lukrativer <strong>und</strong> familienfre<strong>und</strong>licher“ zu verdienen. Hebamme scheint ein<br />
aussterbender Beruf zu sein, so sieht sich die Profession selbst. Diskussion: Die Arbeitssituation <strong>und</strong><br />
die -bedingungen freiberuflicher Hebammen waren bisher nicht Thema wissenschaftlicher Studien. Die<br />
Stimmung unter den Hebammen spiegelt Frustration wieder, welche das Well-Being negativ<br />
beeinflussen. Diese Untersuchung ist ein Ansatz zum tatsächlichen Empfinden der berechtigten Angst<br />
vor Altersarmut <strong>und</strong> den Einfluss auf das Well-Being von freiberuflichen Hebammen in Deutschland.<br />
Dies bedarf weiterer Forschung.<br />
„Die Implementierung eines erprobten Bedarfsassessments für Familien mit Demenz in<br />
die gemeindenahe Versorgung“<br />
Dr. Christine Riesner, Dr. Bernhard Holle, Ines Buscher, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative<br />
Erkrankungen e.V. (DZNE)<br />
Die Bedarfslage von Menschen mit Demenz <strong>und</strong> ihren pflegenden Angehörigen entwickelt sich<br />
vielschichtig <strong>und</strong> betrifft soziale wie pflegerische Bereiche. Insbesondere durch <strong>Armut</strong> bedrohte<br />
Familien benötigen zielgerichtete Unterstützung. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> steigender Erkrankungszahlen<br />
stellt die Erhöhung der Leistungsansprüche für Menschen mit Demenz durch das Pflege-<br />
Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) eine Erleichterung dar, um Versorgungsansprüche in der Häuslichkeit<br />
erfüllen zu können. Zur Versorgungsplanung bietet sich der Einsatz eines Bedarfs-Assessments an.<br />
Erfahrungen mit dem Bedarfs-Assessment CarenapD (Care Needs Assessment Pack for Dementia) aus<br />
einer zweijährigen Studie, welche in zwei Regionen in NRW in der interdisziplinären gemeindenahen<br />
Versorgung stattfand, zeigen, dass CarenapD gute Eigenschaften besitzt, um die Bedarfslage bei<br />
Demenz zu ermitteln <strong>und</strong> zu steuern. Die Wirksamkeit zeigt sich insbesondere in der Entlastung<br />
pflegender Angehöriger. Es zeigt sich auch, welche Maßnahmen für eine Steigerung der Wirksamkeit<br />
<strong>und</strong> eine flächendeckende Implementierung von CarenapD erforderlich sind. Hier sind ein<br />
gemeinsames Fallverstehens sowie die Abstimmung von professionsspezifischen Kompetenzen<br />
ausschlaggebend. Dies erfordert eine inhaltliche <strong>und</strong> strukturelle Zusammenarbeit zwischen den an<br />
der Versorgung von Menschen mit Demenz beteiligten Personen. Der Implementierungsprozess sollte<br />
auf der Mikro-, Meso- <strong>und</strong> Makroebene gestaltet werden.<br />
„Verstetigung des Modellprojekts „Früh übt sich. MINIFIT. Von klein auf ges<strong>und</strong>.“<br />
Katja Schleicher, mhplus Betriebskrankenkasse, Ludwigsburg<br />
Das kommunale Netzwerk „Früh übt sich. MINIFIT. Von klein auf ges<strong>und</strong>.“ verfolgt als generelles Ziel<br />
die Ges<strong>und</strong>heitsförderung von Kindern im Vorschulalter <strong>und</strong> zeigt eine gute Verknüpfung von<br />
verhaltens- <strong>und</strong> verhältnisorientierter Ges<strong>und</strong>heitsförderung.<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung wird dabei als Gemeinschaftsaufgabe für alle beteiligten Akteure verstanden:<br />
koordiniert werden die Aktionen durch die mhplus Krankenkasse; weitere Kooperationspartner sind<br />
u.a. die Stadt Ludwigsburg, das Landesinstitut für Schulsport, Schulkunst <strong>und</strong> Schulmusik Baden-<br />
Württemberg, das Landratsamt Ludwigsburg mit den Fachbereichen Ges<strong>und</strong>heitsschutz (Prävention<br />
94
18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung) <strong>und</strong> Landwirtschaft (Ernährungszentrum Mittlerer Neckar), der<br />
Stadtverband für Sport <strong>und</strong> die Verkehrspolizei Ludwigsburg. Die Stärkung der Ges<strong>und</strong>heit der Kinder<br />
wird durch verschiedene Angebote aus den Themenfeldern Bewegung, Ernährung, Zusammenarbeit<br />
mit Eltern, Verkehrserziehung sowie Fortbildungen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung für Erzieher/innen<br />
erreicht.<br />
Dadurch sollen die Motivation der Kindertageseinrichtungen <strong>und</strong> ihrer Träger für ein<br />
ges<strong>und</strong>heitsförderndes Engagement gestärkt werden. Die Fachkräfte in den Einrichtungen sollen<br />
befähigt sowie Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Strukturen angestoßen werden.<br />
Zudem legt das Netzwerk einen speziellen Fokus auf Kinder aus sozial <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />
benachteiligten sowie eingewanderten Familien.<br />
Das Projekt wurde vom Max-Rubner-Institut in Karlsruhe im Rahmen des Modellvorhabens „Besser<br />
essen. Mehr bewegen.“ evaluiert. Der durch die B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung<br />
initiierte Kooperationsverb<strong>und</strong> "Ges<strong>und</strong>heitliche Chancengleichheit" hat die folgenden Praxisbereiche<br />
als besonders nachahmenswert (Good Practice) identifiziert: Integriertes<br />
Handlungskonzept/Vernetzung, Qualitätsmanagement/Qualitätsentwicklung, Dokumentation <strong>und</strong><br />
Evaluation.<br />
„Hygiene in Gemeinschaftsunterkünften für Obdachlose <strong>und</strong> Asylanten“<br />
Marita Stawinoga, Kreisverwaltung Heinsberg, Ges<strong>und</strong>heitsamt<br />
Im Zeitraum von Mai bis August 2011 wurden die 24 Gemeinschaftsunterkünfte für Obdachlose <strong>und</strong><br />
Asylant/innen im Kreis Heinsberg auf der Gr<strong>und</strong>lage des IfSG §36 begangen. Erfasst <strong>und</strong> bewertet<br />
wurden Belegungsdichte, Sicherheit, allgemeiner baulicher Zustand, Trinkwasserleitungen,<br />
Müllentsorgung, Küche, Toiletten, Duschen, Waschbecken, Wohnräume, Gemeinschaftsräume,<br />
Verkehrswege, Personalräume, Keller <strong>und</strong> Außenbereiche mit Hilfe einer Checkliste. Die Begehung <strong>und</strong><br />
Bewertung erfolgte durch eine Ärztin des Ges<strong>und</strong>heitsamtes, so dass das Verfahren einer<br />
Standardisierung entspricht <strong>und</strong> eine Vergleichbarkeit der Einrichtungen resultierte.<br />
Dabei ergaben sich in der abschließenden Gesamtbewertung für drei Einrichtungen keine<br />
Beanstandungen. Siebenmal wurden geringe <strong>und</strong> viermal deutliche Mängel gef<strong>und</strong>en. Ein dringender<br />
Handlungsbedarf bestand in acht Einrichtungen. Die Städte <strong>und</strong> Gemeinden des Kreises als Träger der<br />
Gemeinschaftsunterkünfte erhielten neben dem Begehungsprotokoll das anonymisierte<br />
Gesamtergebnis <strong>und</strong> die Einzelbeurteilungen ihrer Einrichtungen. Das Ergebnis wurde ebenfalls auf<br />
der Ges<strong>und</strong>heitskonferenz vorgestellt.<br />
Ziel der Aktion war, den Zustand der Gemeinschaftseinrichtungen zu erfassen <strong>und</strong> zu vergleichen. Auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage der Ergebnisse wurden Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Verhältnisse<br />
erarbeitet. Die acht Einrichtungen mit dringendem Handlungsbedarf wurden nach einem Jahr<br />
nochmals begangen. Dabei fand sich in vier Einrichtungen eine Verbesserung der hygienischen<br />
Zustände, in je zwei Einrichtungen wurden die hygienischen Bedingungen unverändert bzw.<br />
verschlechtert bewertet.<br />
„Früherkennungsuntersuchungen für Kinder“<br />
Carolyn Stolberg, Universität Göttingen<br />
Ges<strong>und</strong>heitliche Ungleichheit beginnt bereits im frühen Kindesalter. Kinder aus Familien, deren Eltern<br />
über geringe Ressourcen verfügen, versterben früher <strong>und</strong> sind häufiger krank. Ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Chancengleichheit – so die Bilanz empirischer Studien – bleibt für diese Kinder ein eher<br />
wünschenswertes als erreichbares Gut. Dieses Problem ist auch in politischen Kreisen innerhalb<br />
Deutschlands bekannt. Kinder werden zunehmend als 'social investment' betrachtet mit dem Ziel, ein<br />
optimales Aufwachsen zu gewährleisten. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Stärkung elterlicher<br />
Ressourcen <strong>und</strong> die Förderung ges<strong>und</strong>heitlicher Chancengleichheit bereits in frühen Jahren ansetzen<br />
müssen. Ges<strong>und</strong>heitliche Nachteile sollen gar nicht erst entstehen.<br />
Staatlich regulierte Programme gelten als ein Mittel, um insbesondere die Ges<strong>und</strong>heitserhaltung von<br />
benachteiligten Kindern zu gewährleisten. Früherkennungsuntersuchungen für Kinder gehören zu
Kurzfassung der Beiträge<br />
jenen traditionellen Programmen, die nicht dem Netzwerk früher Hilfen angehören. Gegenwärtig ist es<br />
jedoch das einzige universelle Programm, das durch hohe staatliche Intervention gekennzeichnet ist:<br />
In fast allen B<strong>und</strong>esländern sind, bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes, bestimmte Untersuchungen<br />
verpflichtend. Zum einen soll dadurch die Teilnahme von Kindern aus armen Familien erhöht, zum<br />
anderen ges<strong>und</strong>es Aufwachsen gewährleistet werden. Fraglich ist allerdings, ob ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Chancengleichheit wirklich erreicht werden kann.<br />
„Die regionalspezifische Ermittlung von Stadtgebieten mit hohem Bedarf an Frühen Hilfen<br />
in München“<br />
Barbara Vogel, Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Geburtshilfe, Universität München<br />
In meiner Arbeit stelle ich eine regionalspezifische Ermittlung an Frühen Hilfen vor, die eine direkte<br />
praktische Anwendung in der Praxis findet. Die regionalspezifische Bedarfsbestimmung ist ein sehr<br />
aktuelles Thema <strong>und</strong> bietet eine gute Diskussionsgr<strong>und</strong>lage. Darüber hinaus wird theoretisch<br />
ermitteltes Wissen in die Praxis umgesetzt.<br />
„Einfluss von Sozialfaktoren auf die Ges<strong>und</strong>heit von Kindern in Sachsen-Anhalt“<br />
Dr. Goetz Wahl, Mildred Borrmann, Landesamt für Verbraucherschutz, Sachsen-Anhalt; Christel<br />
Bruchmann, Kinder- <strong>und</strong> Jugendärztlicher Dienst, Ges<strong>und</strong>heitsamt Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt;<br />
Silke Koerth-Bauer, Kinder- <strong>und</strong> Jugendärztlicher Dienst, Ges<strong>und</strong>heitsamt Jerichower Land, Sachsen-<br />
Anhalt; Nadina Altenbach-Schulze & Hanna Oppermann, Landesamt für Verbraucherschutz, Sachsen-<br />
Anhalt<br />
In Sachsen-Anhalt führen die Ges<strong>und</strong>heitsämter jährlich die Schuleingangsuntersuchungen (SEU) <strong>und</strong><br />
Untersuchungen in 3 <strong>und</strong> 6. Klassen durch. Das Landesamt für Verbraucherschutz wertet diese Daten<br />
für die Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung aus. Die vorliegenden Auswertungen beziehen sich auf die Jahre<br />
2008 – 2011 <strong>und</strong> auf Daten von etwa 46.000 Einschüler/innen, 32.000 Drittklässler/innen <strong>und</strong> 29.000<br />
Sechstklässler/innen. Ziel war es, den Einfluss von Geschlecht, Schulalter, Sozialstatus <strong>und</strong> Art der<br />
besuchten Schule auf die Ges<strong>und</strong>heit der Kinder zu untersuchen. Die Analyse zeigte, dass auch bei<br />
Kindern in Sachsen-Anhalt die große Mehrheit der untersuchten Ges<strong>und</strong>heitsindikatoren negativ mit<br />
dem Sozialstatus korreliert <strong>und</strong> in Sek<strong>und</strong>arschulen schlechter als in Gymnasien ist. Während<br />
einzuschulende Jungen etwa doppelt so häufig Entwicklungsstörungen aufweisen, sind Mädchen<br />
häufiger von Befindlichkeitsstörungen <strong>und</strong> Bluthochdruck betroffen. Fast alle Ges<strong>und</strong>heitsindikatoren<br />
zeigen eine zunehmende Verschlechterung von der SEU über die 3. zur 6. Klasse. Besonders<br />
auffallend war dies bei Befindlichkeitsstörungen, Dauermedikation <strong>und</strong> Adipositas. Die Ergebnisse<br />
sollten Anlass sein, noch intensiver an der Verbesserung der Rahmenbedingungen des Aufwachsens<br />
von Kindern in Sachsen-Anhalt zu arbeiten, vor allem, indem soziale Chancengleichheit angestrebt, die<br />
frühkindliche Entwicklung von Jungen gestärkt <strong>und</strong> eine übermäßige schulische Belastung von Kindern<br />
ferngehalten wird.<br />
„<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>Armut</strong>sgefährdung von Menschen mit Behinderung – Vorstellung der Studie<br />
‚Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten für Besucher von<br />
Werkstätten für behinderte Menschen(WfbM)‘“<br />
Sabine Wienholz, Universität Leipzig<br />
Ziel des Projektes war, Beschäftigungsmöglichkeiten in sozialversicherungspflichtigen<br />
Beschäftigungsverhältnissen für Menschen mit Behinderungen, die in WfbM arbeiten, zu ermitteln <strong>und</strong><br />
die Bedingungen für einen erfolgreichen Übergang aus der Werkstatt in ein derartiges<br />
Beschäftigungsverhältnis zu analysieren. Werkstätten erbringen engagiert komplexe Leistungen zur<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Förderung schwerbehinderter Menschen, wie Erlernen <strong>und</strong> Festigen von<br />
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18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Sozialkompetenzen, individuelle Förderung <strong>und</strong> differenzierte Betreuung. Die Entlohnung der<br />
Mitarbeiter/innen in Höhe von durchschnittlich 170,50 € im B<strong>und</strong>esgebiet führt zu einer Verfestigung<br />
der <strong>Armut</strong>sstruktur von Mitarbeiter/innen der WfbM. Aufgr<strong>und</strong> der geringen Entlohnung bestehen<br />
<strong>Armut</strong>srisiken in der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung vor allem in den Bereichen Zugang zur Versorgung,<br />
zu qualifiziertem medizinischen Personal, Erreichbarkeit der Versorgungseinrichtungen (Wegezeiten<br />
<strong>und</strong> Anreisemöglichkeiten zu Spezialisten), Ges<strong>und</strong>heitskosten (z.B. für Hilfsmittel, Zuzahlungen,<br />
Sondernahrungsmittel, Verhütungsmittel), Präventionskosten <strong>und</strong> Versicherungsleistungen.<br />
Im Ergebnis der Studie konnte folgendes bestätigt werden:<br />
Initiativen <strong>und</strong> Projekte blieben meist wenig nachhaltig nach deren Auslaufen. Wenig qualifizierte<br />
Tätigkeiten werden häufig ausgelagert oder durch Automatisierungsmaßnahmen überflüssig. Dazu<br />
kommt als kontraproduktiver Faktor, dass Unternehmen durch Vergabe von Aufträgen an WfbM oder<br />
die Bereitstellung von Außenarbeitsplätzen an Beschäftigte aus den Werkstätten der Schaffung von<br />
Pflichtarbeitsplätzen im Unternehmen oder der Zahlung der Ausgleichsabgabe entgehen können.
Kurzfassung der Beiträge<br />
Organisatorische Hinweise<br />
Fragen oder Probleme?<br />
Viele wichtige Informationen über die beiden <strong>Kongress</strong>tage finden Sie in Ihren Tagungsunterlagen.<br />
Am Anmelde- <strong>und</strong> Informationsstand im Erdgeschoss bei der Cafeteria erhalten Sie jederzeit Auskunft<br />
<strong>und</strong> Unterstützung zu Ihren Fragen <strong>und</strong> Anliegen.<br />
Unsere Mitarbeiter/innen bemühen sich sehr darum, Ihnen schnell <strong>und</strong> unkompliziert behilflich zu sein.<br />
Bitte haben Sie Verständnis, falls es dennoch zu Wartezeiten bei der Anmeldung oder an der<br />
Garderobe kommen sollte!<br />
Garderobe & Gepäckabgabe<br />
Die Garderoben sowie eine Möglichkeit zu Abgabe Ihres Gepäcks finden Sie beim Betreten des<br />
Haupteinganges neben dem Audimax <strong>und</strong> im 3. Obergeschoss. Garderoben sind ausgeschildert.<br />
Verpflegung<br />
Preisgünstige Angebote zur Verpflegung finden Sie am Imbissstand im Lichthof im 1. OG, im<br />
Erdgeschoss neben der Anmeldung <strong>und</strong> in der Cafeteria.<br />
Verkehrsanbindung<br />
Bitte beachten Sie, dass die folgenden Angaben ohne Gewähr sind, da sich kurzfristig<br />
Technikstörungen sowie Fahrplanänderungen ergeben können. Fahrplanauskunft <strong>und</strong> Informationen<br />
zur Barrierefreiheit erhalten sie unter www.bvg.de<br />
Das Tagungsgebäude ist barrierefrei. Fahrstühle, behindertengerechte WCs <strong>und</strong><br />
Behindertenparkplätze sind vorhanden. Direkt vor dem Gebäude <strong>und</strong> in der unmittelbaren Umgebung<br />
stehen Parkmöglichkeiten zur Verfügung.<br />
S-Bahn<br />
S5, S7, S75 Haltestelle Zoologischer Garten (Haltestelle ist barrierefrei zugänglich), anschließend 10<br />
Minuten Fußweg<br />
U-Bahn<br />
U2 Haltestelle Ernst-Reuter-Platz (Haltestelle ist nicht barrierefrei zugänglich)<br />
U2, U9 Haltestelle Zoologischer Garten (Haltestelle ist barrierefrei zugänglich), anschließend 10<br />
Minuten Fußweg<br />
Bus<br />
M45, 245 <strong>und</strong> X9 Haltestelle Ernst-Reuter-Platz (Haltestelle ist nicht barrierefrei zugänglich),<br />
anschließend ca. 10 Minuten Fußweg<br />
M45 <strong>und</strong> 245 Haltestelle Steinplatz<br />
Evaluation: Auswertung des <strong>Kongress</strong>es<br />
In Ihren Tagungsmappen finden Sie neben anderem Material einen Fragebogen. Wir möchten Sie<br />
bitten, diesen Bogen auszufüllen <strong>und</strong> in eine der bereitstehenden Boxen einzuwerfen oder an der<br />
Anmeldung abzugeben. Wir sind an Ihren Eindrücken <strong>und</strong> Vorschlägen sehr interessiert <strong>und</strong> möchten<br />
diesen Weg nutzen, weitere Veranstaltungen erfolgreich vorbereiten zu können.<br />
Dokumentation<br />
Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die Veranstaltungen des <strong>Kongress</strong>es zum Teil in Ton <strong>und</strong> Bild<br />
dokumentiert werden.<br />
Die Beiträge des 18. <strong>Kongress</strong>es <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit werden im Laufe des Jahres 2013 auf einer<br />
CD-ROM veröffentlicht. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle von Ges<strong>und</strong>heit<br />
Berlin-Brandenburg, Friedrichstraße 231, 10969 Berlin; Tel. (030) 44 31 90 60, Fax (030) 44 31 90 63;<br />
E-Mail: sekretariat@ges<strong>und</strong>heitbb.de.<br />
Die Dokumentation des 17. <strong>Kongress</strong>es <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit 2012 ist weiterhin für fünf Euro zzgl.<br />
Versandkosten über die genannte Adresse erhältlich.<br />
Namenschilder<br />
Die Namenschilder dienen während der <strong>Kongress</strong>tage als Eintrittskarte. Wir bitten Sie nach beiden<br />
<strong>Kongress</strong>tagen um die Rückgabe der Namenschilder.<br />
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18. <strong>Kongress</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
»Brücken bauen zwischen Wissen <strong>und</strong> Handeln – Strategien der Ges<strong>und</strong>heitsförderung«<br />
Ausklang am Abend<br />
Wir laden Sie herzlich ein, am Mittwochabend ab 17.45 Uhr den ersten <strong>Kongress</strong>tag bei Gesprächen<br />
<strong>und</strong> einem kleinen Imbiss ausklingen zu lassen. Wir treffen uns im Lichthof (1. Obergeschoss).<br />
Weitere Informationen finden Sie in der Mappe.<br />
Markt der Möglichkeiten<br />
Wie in den vergangenen Jahren stellen auf dem Markt der Möglichkeiten zahlreiche Organisationen<br />
<strong>und</strong> Initiativen ihre Arbeit vor. Der Markt der Möglichkeiten findet dieses Jahr im Erdgeschoss <strong>und</strong> im<br />
Lichthof statt. Der Markt im Erdgeschoss liegt vom Haupteingang aus links beim Eröffnungs- <strong>und</strong><br />
Abschlusshörsaal. Der Lichthof im ersten Obergeschoss ist über die Treppe im Foyer sowie die<br />
Fahrstühle erreichbar.<br />
Bankverbindung<br />
Für die Überweisung ausstehender Gebühren verwenden Sie bitte folgende Kontoverbindung:<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg e.V.<br />
Stichwort: <strong>Kongress</strong>gebühr A+G13 + Name des/der Teilnehmers/in<br />
Bank für Sozialwirtschaft<br />
BLZ: 100 205 00<br />
Konto-Nr.: 333 96 00<br />
Bei Überweisungen aus dem Ausland bitte zusätzlich angeben:<br />
BIC: BFSWDE33BER<br />
IBAN: DE31 1002 0500 0003 3396 00<br />
Organisation <strong>und</strong> Kontakt<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin-Brandenburg<br />
Arbeitsgemeinschaft für Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Friedrichstraße 231<br />
10969 Berlin<br />
Tel.: (030) 44 31 90 73<br />
Fax: (030) 44 31 90 63<br />
kongress@ges<strong>und</strong>heitbb.de<br />
www.armut-<strong>und</strong>-ges<strong>und</strong>heit.de