02.04.2015 Aufrufe

Download - Wundheilung - Claudia Dickinson Physiotherapie

Download - Wundheilung - Claudia Dickinson Physiotherapie

Download - Wundheilung - Claudia Dickinson Physiotherapie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

| | | praxis<br />

<strong>Wundheilung</strong><br />

<strong>Wundheilung</strong>sphasen<br />

und ihre Bedeutung<br />

für die physiotherapeutische Behandlung<br />

von <strong>Claudia</strong> Ploke<br />

Zusammenfassung: In der physiotherapeutischen Praxis sind wir vielfach damit beschäftigt, Patienten mit Verletzungen<br />

am Bewegungsapparat zu behandeln. Nicht sehr einheitlich sind die Vorgaben, wie lange eine verletzte Struktur entlastet werden<br />

sollte und ab wann welche Belastungen sinnvoll oder erlaubt sind. So wird häufi g diskutiert, ob ein Patient mit Bandscheibenverletzung<br />

Rotationsbewegungen machen sollte oder wann nach einem Bänderriss das Gelenk wieder bewegt und belastet<br />

werden darf. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Prozesse zu kennen, die nach einer Verletzung im Gewebe ablaufen,<br />

um die Therapie effektiv gestalten zu können. Arbeitet man mit seinen Behandlungsreizen in Abhängigkeit zu den Phasen<br />

der <strong>Wundheilung</strong>, in denen sich der Patient befi ndet, kann man sicher sein, dass die Belastungsreize adäquat sind und<br />

es bedarf keiner weiteren Vorgaben.<br />

Einleitung<br />

Die Erfahrung zeigt, dass von vielen Operateuren oder konservativ behandelnden<br />

Ärzten immer noch lange Entlastungs- und Immobilisationszeiten vorgegeben<br />

werden, um den Reparaturprozess nicht zu „gefährden“. Neueste Untersuchungen<br />

zeigen jedoch, dass ein entscheidender Faktor, ob das verletzte Gewebe<br />

„regeneriert“ (das Originalgewebe aufgebaut) wird oder lediglich „repariert“<br />

(Nar bengewebe er setzt) wird, von der Anzahl der physiologischen Reize<br />

während der <strong>Wundheilung</strong> abhängt. Je mehr physiologische Reize während<br />

der <strong>Wundheilung</strong> auf das heilende Ge webe einwirken, desto weniger<br />

Nar bengewebe wird gebildet und die Funktion der Struktur kann wieder<br />

her gestellt werden. Man spricht in diesem Fall von Regeneration,<br />

nicht von Reparatur. Dies ist eine wichtige Tatsache, da sie die Her angehensweise<br />

des Physiotherapeuten an eine verletzte Struktur grundlegend<br />

ver ändert: Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob Aktivität schaden könnte, da eine<br />

Immobilisation auf jeden Fall mehr Schaden anrichtet!<br />

Um nun physiologische Regenerationsreize setzen zu können, müssen die einzelnen<br />

Phasen der <strong>Wundheilung</strong> beachtet werden. Die <strong>Wundheilung</strong> der meisten<br />

Ge webe (außer dem Knorpel) durchläuft drei Stadien:<br />

• die Entzündungsphase,<br />

• die Proliferationsphase,<br />

23<br />

• die Remodellierungsphase.<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |


| | | praxis<br />

Abb. 1:<br />

Tape-Verband für das OSG<br />

Phase der Entzündung<br />

Die Entzündungsphase dauert vom 0. bis 5. Tag. Sie kann zusätzlich in<br />

eine vaskuläre Phase und eine zelluläre Phase unterteilt werden. In der vaskulären<br />

Phase (0. – 2. Tag) fi ndet vor allem die Gerinnung statt, das Gefäßsystem wird<br />

repariert. Zusätzlich kommt es zur Invasion von Leukozyten und Makrophagen ins<br />

Verletzungsgebiet.<br />

Die Blutgerinnung wird durch neuro logische Refl exe und lokale mus kuläre<br />

Spasmen ausgelöst. Die neurologischen Refl exe werden durch Im pulse verursacht,<br />

die aus den traumatisierten Gefäßen oder dem um - liegenden Gewebe<br />

stammen. Der vaskuläre Spasmus sorgt innerhalb weniger Sekunden für die<br />

Kontraktion der Blutgefäße. Je größer die Ver letzung, desto stärker der Grad des<br />

Spasmus. Dies erklärt auch die „Steifi gkeit“ im getroffenen Gewebe. Nur bei glatten<br />

und scharfen Ver letzungen (operativer Schnitt) reagiert dieser Mechanismus<br />

nicht adäquat.<br />

Durch diese Mechanismen wird der Annahme, dass eine Applikation von<br />

Eis in der akuten Phase die Blutung und das Häma tom minimieren kann, wi dersprochen.<br />

Diese Va so konstriktion fi ndet innerhalb weniger Sekunden statt, bevor<br />

man Eis überhaupt applizieren kann. Außerdem gilt es noch zu diskutieren, ob<br />

die Kälte überhaupt in das betroffene Ge biet weiter geleitet wird. Die aktivierten<br />

Makrophagen setzen den Reiz für die Fibroblasten sich zu teilen und neue Zellen<br />

zu bilden. Bereits jetzt wird mit der Kol lagensynthese begonnen. Dabei wird eine<br />

Vorstufe des gut organisierten und funktionsfähigen Netzwerk des Kollagen Typ I<br />

gebildet, nämlich das Kollagen Typ III. Dieses Gewe be soll<br />

die Wunde schnellstmöglich mit Bindegewebe schließen<br />

und wird in einer späteren Phase der Wund heilung durch<br />

Typ I Gewebe ersetzt. Dies ge schieht hauptsächlich in der<br />

zellulären Phase.<br />

24<br />

Für die Be handlung ist wichtig, dass in dieser<br />

Pha se die Be lastbarkeit des Materials kontinuierlich absinkt.<br />

Kaputtes Material wird abgebaut, nur „vorläufi ges“<br />

Gewebe wird synthetisiert. So sollte eine mechanische<br />

Belastung auf das betroffene Gebiet während der Entzündungsphase<br />

vermieden werden. Dies geschieht, wenn die<br />

Schmerzanga ben des Patienten als Bewegungsgrenzen<br />

respektiert wer den.<br />

Dennoch sollte das Wundgebiet im schmerzfreien Bereich<br />

möglichst häufi g bewegt werden, da die Aktivierung<br />

der Mechanorezeptoren sich schmerzlindernd auswirkt<br />

und eine gute Durchblutung günstig für die <strong>Wundheilung</strong><br />

ist (Siehe auch: Beeinfl ussende Faktoren).<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |


praxis | | |<br />

Praktisches Beispiel<br />

Die meisten Patienten gehen nach einer frischen Verletzung<br />

zum Arzt, nicht zum Physiotherapeut. Daher wird diese Phase<br />

häufi g in der Praxis nicht behandelt. Anders bei Therapeuten,<br />

die mit Sportlern arbeiten und evtl. bei der Verletzung direkt vor<br />

Ort sind. Ein häufi ges Ereignis dürfte die Ruptur des Außenbandes<br />

des Oberen Sprunggelenkes sein.<br />

Solche Verletzungen direkt nach dem Unfall zu untersuchen,<br />

ist sehr sinnvoll. Am „Spielfeldrand“ kann ohne zusätzliche Traumatisierung<br />

z.B. die Aufklappbarkeit des Gelenkes getestet oder<br />

der Talus reponiert werden. Zu vermeiden ist allerdings, diese<br />

Untersuchung erst nach dem Einsetzen der <strong>Wundheilung</strong> – also<br />

nach den ersten vier Stunden – durch zu führen. Manche Freizeitsportler<br />

verletzen sich Sonntags und gehen dann erst am kommenden Tag zum<br />

Arzt, wenn noch keine Besserung eingetreten ist. Wird jetzt eine Untersuchung vorgenommen,<br />

unter anderem eine „gehaltene Aufnahme“, fi ndet eine er neute Traumatisierung<br />

statt, da das neu gebildete Wundgewe be zerstört wird. Die Entzündung<br />

wird verstärkt, die Entzündungsphase verlängert.<br />

Abb. 2:<br />

Kollagenstruktur<br />

nach <strong>Wundheilung</strong><br />

mit und ohne Immobilisation<br />

Das oberste Ziel in dieser Pha se ist jedoch „Ruhe“. Das bedeutet, dass das<br />

Sprunggelenk in seiner Funktionsstellung (0°-Stellung!) – und nicht in seiner aktuellen<br />

Ruhestellung – gelagert werden sollte (Schiene). Dies ist wichtig, damit die verletzten<br />

Strukturen nicht in einer falschen Position heilen. Zur besseren Sauerstoffversorgung<br />

– die für die <strong>Wundheilung</strong> sehr wichtig ist – sollte die Lagerung nach 4<br />

– 6 h für Bewegungen im schmerzfreien Bereich unterbrochen werden. Nach 48 h<br />

sollte der Fuß mit einem Tape (Abb.1) im schmerzfreien Bereich funktionell belastet<br />

werden (Stützenversorgung). Wichtig in dieser Phase ist auch die Aufklärung<br />

des Patienten! Er muss lernen die Sprache des Körpers – den Schmerz – zu<br />

respektieren. Gefährlich ist es, Schmerzen medikamentös unterdrücken zu wollen.<br />

Erstens behindern Medikamente die <strong>Wundheilung</strong> und Verlängern so die Entzündungsphase,<br />

außerdem wird die Extremität unter Medikamenten unter Umständen<br />

mehr belastet, als es die Stabilität des gebildeten Gewebes hergibt. Neue Traumen<br />

entstehen, die Entzündung vergrößert sich. Dies gilt auch für andere Verletzungen,<br />

wie z.B. an der Bandscheibe.<br />

Unproblematische Schmerzlinderung geschieht durch Kompressionsverbände,<br />

TENS-Strom und Oszillatio nen, welche die Mechanorezeptoren an sprechen.<br />

Eis kann in milder Form auch zur Schmerzlinderung angewendet werden, z.B.<br />

durch Eiswasser, das für kurze Zeit (max. 40 sec) mit dem Schwamm aufgetragen<br />

wird. Problematisch ist eine Unterkühlung, die über die Minderdurchblutung ebenfalls<br />

die <strong>Wundheilung</strong> behindert.<br />

25<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |


| | | praxis<br />

Abb. 3: Kollagenbelastungeskurve<br />

Phase der Proliferation<br />

Die Proliferationsphase dauert vom 5. bis 21. Tag. Die Zahl der Entzündungszellen<br />

wird nun langsam abgebaut. Nach 14 Tagen fi ndet man nur noch Fibroblasten<br />

im neu gebildeten Gewebe, was das Ende der eigentlichen Entzündung anzeigt.<br />

Dies ist natürlich nicht der Fall, wenn sich der Patient nicht geschont hat und<br />

dadurch das Gewebe ständig neu geschädigt wurde. Dann kann es sein, dass sich<br />

der Prozess immer noch in einer akuten Situation und damit in der Entzündungsphase<br />

befi ndet. Die ist erkennbar, wenn Bewegungen noch stark eingeschränkt<br />

und schmerzhaft sind.<br />

Häufi g besteht dieser Zustand auch, weil dauerhaft Eis angewendet wurde.<br />

Einerseits behindert die Vasokonstriktion, die durch das Eis verursacht wird, die<br />

<strong>Wundheilung</strong>. Auf der anderen Seite wird durch das Eis die Aktivität der Schmerzrezeptoren<br />

herabgesetzt. Diese will vom Körper aber erhöht wer den, um rechtzeitig<br />

vor zu großen Belastungen zu warnen. Sind diese „Schutzmechanismen“ ausgeschaltet,<br />

kann die erneute Schädigung die Entzündungsphase verlängern.<br />

Darüber hinaus haben Forscher der Freien Universität Brüssel belegt, dass längere<br />

Eisanwendungen häufi g Ödeme verursachen, die durch die Schädigung der<br />

Wand der Lymphgefäße entstehen (Leduc 1979, Lievens 1984, Meeuwsen 1986).<br />

Da das Lymphgefäßsystem für die <strong>Wundheilung</strong> von großer Bedeutung ist, sollte<br />

man eine Schädigung vermeiden und eine Eisanwendung sehr genau dosieren.<br />

26<br />

Das Hauptmerkmal der Proliferationsphase ist die Synthese von neuem Kollagengewebe.<br />

Die Fasern sind zu nächst sehr dünn und liegen eng aneinander.<br />

Wichtig ist, dass das Gewebe während dieser Phase der <strong>Wundheilung</strong> seine normalen<br />

physiologischen Belastungsreize erhält, damit sich die Fasern von Anfang<br />

an richtig organisieren. Werden keine Reize gesetzt, ist die Organisation schlecht<br />

und die nachfolgende Umbauphase deutlich länger (Abb. 2).<br />

Die Produktion von Grundsubstanz ist in dieser Zeit immer noch sehr gering.<br />

Das bedeutet, dass das Gewebe wenig elastisch und nur gering belastbar ist. Das<br />

ist auch der Grund, warum häufi g die ärztlichen Entlastungsvorgaben auch noch<br />

für diese Phase bestehen. Wird hier aber weiterhin ent lastet und nicht bewegt, können<br />

sich die neu gebildeten Fasern nicht korrekt ausrichten und die anschließende<br />

Umbauphase dauert wesentlich länger. Außerdem ist dies eine Zeit, in der z.B. ein<br />

Bandscheibenpatient durch die fort geschrittene <strong>Wundheilung</strong> weniger Schmerzen<br />

hat. Werden nun keinerlei physiologische Belastungsreize auf seine rupturierte<br />

Bandscheibe gesetzt, ist das neu gebildete Gewebe wesentlich schlechter und<br />

eine erneute Verletzung mit sehr viel weniger Gewalteinwirkung wahrscheinlicher.<br />

Viele Patienten setzen sich nach wenigen Wochen wieder üblichen Alltagssituationen<br />

aus, ohne sich bewusst zu sein, dass mit dem Nachlassen der Schmerzen<br />

noch nicht die alte Belastbarkeit wieder hergestellt ist, was nur durch ein gezieltes<br />

Training im sog. „Matrixbereich“ (siehe Abbildung 3: Zone A) möglich ist.<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |


praxis | | |<br />

Praktisches Beispiel<br />

Für eine Bandscheibe ist der physiologische Belastungsreiz Druck<br />

und Zug im Wechsel. Bewegungsreize fi nden in sämtliche Richtungen<br />

statt. Die Stabilisation der Rotation ist aber eine Entscheidende, was<br />

man am Verlauf der Fasern einer gesunden Bandscheibe gut erkennen<br />

kann. Nun sollte in der Proliferationsphase kein „Stress“ auf das neu<br />

gebildete Gewebe gegeben werden, das bedeutet in der Praxis, dass in<br />

dieser Zeit stabilisierend gearbeitet wird, nicht aber mobilisierend. Die<br />

Wirbelsäule wird also „belastet“ (Abb. 4) und muss stabilisieren, wird<br />

aber nicht aus ihrer physiologischen Lordose bewegt. Wichtig ist, dass<br />

die zu stabilisierenden Reize für alle Bewegungsrichtungen gegeben<br />

werden (Abb. 5, 6, 7). Wird eine Richtung – z.B. wie häufi g geschehen<br />

die Rotation – vermieden, richten sich die Fasern in dieser Richtung<br />

nicht oder nur ungenügend aus und eine Verletzung ist vorprogrammiert.<br />

So ist es in der Rehabilitation häufi g, dass die Rotation nicht trainiert<br />

wird und der Patient mit der Aufl age entlassen wird „sich nicht zu drehen<br />

und schon gar nicht ruckartig“. Kommt der Patient dann mit einer<br />

erneuten Traumatisierung zurück, bekommt er den Vorwurf, sich nicht<br />

an die Vorgaben gehalten zu haben. Aufgabe des Therapeuten wäre<br />

es allerdings gewesen, durch adäquate Trainingsreize die Strukturen<br />

so vorzubreiten, dass sie sämtliche Bewegungsrichtungen stabilisieren<br />

können (C. Ploke (2001)).<br />

Abb. 4:<br />

Kniebeuge zur axialen Belastung der BS<br />

Phase der<br />

Remodellierung<br />

Die Remodellierungsphase wird ab dem 21. Tag angegeben. Schwierig<br />

ist zu sagen, wie lange sie andauert, da sie durch viele Faktoren<br />

beeinfl usst wird. Der normale Turnover von Kollagen Typ I liegt bei 300<br />

– 500 Tagen. Bis zum ca. 120 Tag werden die meisten der vorläufi g<br />

gebildeten Fasern vom Kollagen Typ III in den des Typ I umgebaut. Bis<br />

zum 150. Tag sind 85% des ursprünglich angelegten Kollagens Typ III<br />

umgebaut. Die dicken und dichten Bündel des Kollagen Typ I sind für die<br />

defi nitive Struktur des neu gebildeten Gewebes verantwortlich. Außerdem<br />

beginnen die Fibroblasten zunehmend Grundsubstanz zu synthetisieren.<br />

Die Belastbarkeit und Elastizität des Gewebes wird dadurch<br />

deut lich erhöht. In der Behandlung kann nun die Belastung auf das Gewebe<br />

deutlich gesteigert werden. Die Reize sollten nun im kollagenen<br />

Belastungsbereich liegen (siehe Abb. 3: Zone B).<br />

Entscheidend für diese Phase ist, wie die ersten Phasen der <strong>Wundheilung</strong><br />

abgelaufen sind. Wurde genügend neues Kollagen gebildet,<br />

27<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |


| | | praxis<br />

Abb. 5: Stabilisation der Extension<br />

Abb. 6 (Mitte): Stabilisation der Rotation<br />

das nun umgewandelt werden kann oder wurde die Synthese durch Minderdurchblutung<br />

u.U. behindert? Wurden adäquate Belastungsreize auf<br />

die Struktur gegeben oder wurde sie für eine längere Zeit immobilisiert?<br />

Veränderungen und Bewegungseinschränkungen, die durch die Immobilisierung<br />

entstanden sind, können nun nur noch geringfügig therapeutisch<br />

beeinfl usst werden.<br />

Trotz allem sollte man sich immer bewusst sein, dass der Prozess der<br />

<strong>Wundheilung</strong> kontinuierlich abläuft und keine genaue Abgrenzung in Phasen<br />

möglich ist (vgl. Abb. 8). Diese Einteilung erleichtert die Umsetzung<br />

des theoretischen Wissens in die Praxis. Das Verhalten des Patienten und<br />

die angewendeten Maßnahmen entscheiden über den endgültigen Verlauf<br />

der Behandlung.<br />

Bewusst machen sollte sich der Therapeut, dass passiven Maßnahmen<br />

kein Schwerpunkt in der Rehabilitation eingeräumt werden sollte, da sie<br />

kaum zu einer funktionellen und qualitativen Anpassung des betroffenen<br />

Gewebes und der Strukturen beitragen. Sie führen im Gegenteil zu einer<br />

„negativen Adaptation“ (van Wingerden), wodurch die Gefahr chronischer<br />

Probleme größer wird.<br />

Beeinflussende Faktoren<br />

der <strong>Wundheilung</strong><br />

Die <strong>Wundheilung</strong> kann durch ver schieden Faktoren gefördert oder<br />

behindert werden. Sie können in lokale Faktoren und Systemfaktoren<br />

eingeteilt werden. Der wichtigste lokale Faktor ist die Blutversorgung. Sie<br />

ist abhängig von der anatomischen Lokalisation der Verletzung. So sind<br />

zum Beispiel Sehen, wie die Achillessehne oder die Sehnen im Bereich der<br />

Schulter schlechter durchblutet und dadurch bei der <strong>Wundheilung</strong> benachteiligt.<br />

Hier sollte in der Therapie sehr viel Wert auf „durchblutungsfördernde<br />

Maßnahmen“ gelegt werden.<br />

28<br />

Die positivste Wirkung für die Durch blutung – noch vor den passiven<br />

physikalischen Maßnahmen – hat die frühzeitige aktive Bewegung. Diese<br />

birgt allerdings auch die Gefahr der zu hohen mechanischen Belastung.<br />

Deshalb sollten Maßnahmen getroffen werden, um die verletzte Struktur<br />

vor zu hohen Belastungen zu schützen. Häufi g geschieht dies durch Verwendung<br />

von Schienen oder Tapes. So kann eine kontrollierte Mobilisierung<br />

erfolgen und gleichzeitig das Narbengewebe geschützt werden.<br />

Das Immunsystem kann allerdings nur einen <strong>Wundheilung</strong>sprozess<br />

positiv durchführen, wenn seine Ressourcen nicht anderweitig gebunden<br />

Abb. 7: Stabilisation der Lateralflexion<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |


praxis | | |<br />

Abb. 8:<br />

Phasen der <strong>Wundheilung</strong><br />

sind. Der der Prozess wird durch Immunkrankheiten<br />

wie AIDS oder auch durch Allergien behindert, da<br />

er nicht Priorität hat. Krankheiten, welche die lokale<br />

Durchblutung behindern (Diabetes oder Sudeckdystrophie),<br />

wirken sich natürlich auch negativ auf die<br />

<strong>Wundheilung</strong> aus.<br />

Die häufi gste Komplikation der <strong>Wundheilung</strong> jedoch<br />

stellt die Infektion dar. Diese droht besonders<br />

bei operativen Eingriffen. Sie kann eine chronische<br />

Ent zündung hervorrufen, welche die normale <strong>Wundheilung</strong><br />

verzögert. Es wird häufi g im Übermaß nicht<br />

29<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |


| | | praxis<br />

funktionelles Gewebe gebildet, wodurch große Narben entstehen. Dies ist z.B.<br />

bei operativen Bandscheibenbehandlungen unangenehm, da das Narbengewebe<br />

ähnliche Symptome wie vor dem Eingriff verursachen kann.<br />

Ein bedeutsamer systemischer Faktor für die <strong>Wundheilung</strong> ist das natürliche<br />

Alter. Dies ist häufi g Ursache für eine verschlechterte <strong>Wundheilung</strong> und auf den<br />

Ernährungszustand des Patienten zurück zu führen. Im Alter nimmt die Absorption<br />

der verschiedenen Nahrungsbestandteile ab, was zur Fehlernährung führt. Diese<br />

ist inzwischen in zunehmenden Maßen auch bei Teen agern und Studenten zu<br />

beobachten. Die Zugfestigkeit der Ligamente nimmt im Alter (maßgeblich nach<br />

dem 60. Lebensjahr) zwar zu, dafür werden die Kollagenfasern brüchiger, was ihre<br />

funktionellen Eigenschaften einschränkt. Wie bereits erwähnt ist aber auch in jüngeren<br />

Lebensjahren der Ernährungszustand von entscheidender Bedeutung für die<br />

<strong>Wundheilung</strong>. So existieren bestimmbare Elemente, von denen der beeinfl ussende<br />

Effekt auf die <strong>Wundheilung</strong> bekannt sind:<br />

• Vitamin C<br />

• Zink<br />

• Proteine<br />

• Essentielle Fettsäuren<br />

• Anti-Oxidantien<br />

Selbstverständlich ist davon aus zu gehen, dass jede Substanz unserer Ernährung<br />

in irgendeiner Beziehung zu diesem komplizierten Prozess steht. Das Wissen<br />

darüber ist noch begrenzt.<br />

Sicher ist jedoch, dass der Mangel an einer bestimmten Substanz in Zusammenhang<br />

mit einer Krankheit nicht zwangsläufi g die Supplementierung nach sich<br />

ziehen muss. Die Wechselbeziehung zwischen den Substanzen ist so komplex,<br />

dass sich eine Nahrungsergänzung positiv wie negativ auswirken kann. Denkbar<br />

ist, dass eine Mangelerscheinung nicht die Ursache, sondern die Folge einer<br />

Erkrankung ist und somit eine Schutzreaktion des Körpers darstellt. Dies wird ja<br />

derzeit im Falle des „Eisenmangels“ bei Schwangeren diskutiert. Vielleicht ist die<br />

Absenkung des Eisengehaltes im Blut eine natürliche Vorbereitung auf den Blutverlust<br />

bei der Geburt, um Keimen weniger Transportmöglichkeiten durch die Blutbahn<br />

zu bieten?<br />

30<br />

Autorin<br />

<strong>Claudia</strong> Ploke<br />

Sportphysiotherapeutin I.A.S.<br />

Dozentin der VPT-Akademie Fellbach<br />

Tel. 0711 / 95 19 10 23,<br />

E-Mail: claudia@claudiaploke.de<br />

Literatur<br />

„Bindegewebe in der Rehabilitation“, B.A.M. van Wingerden, Scripo Verlag<br />

Liech tenstein, 1998<br />

„Angewandte Physiologie“, Frans van den Berg, Thieme Verlag Stuttgart, 1999<br />

„Atlas der Anatomie des Menschen“, Frank Netter, Ciba-Geigy, Basel, 1994<br />

„Aktive Rehabilitation der WS“, <strong>Claudia</strong> Ploke, <strong>Physiotherapie</strong> med 3/2001<br />

<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!