Download - Wundheilung - Claudia Dickinson Physiotherapie
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| | | praxis<br />
<strong>Wundheilung</strong><br />
<strong>Wundheilung</strong>sphasen<br />
und ihre Bedeutung<br />
für die physiotherapeutische Behandlung<br />
von <strong>Claudia</strong> Ploke<br />
Zusammenfassung: In der physiotherapeutischen Praxis sind wir vielfach damit beschäftigt, Patienten mit Verletzungen<br />
am Bewegungsapparat zu behandeln. Nicht sehr einheitlich sind die Vorgaben, wie lange eine verletzte Struktur entlastet werden<br />
sollte und ab wann welche Belastungen sinnvoll oder erlaubt sind. So wird häufi g diskutiert, ob ein Patient mit Bandscheibenverletzung<br />
Rotationsbewegungen machen sollte oder wann nach einem Bänderriss das Gelenk wieder bewegt und belastet<br />
werden darf. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Prozesse zu kennen, die nach einer Verletzung im Gewebe ablaufen,<br />
um die Therapie effektiv gestalten zu können. Arbeitet man mit seinen Behandlungsreizen in Abhängigkeit zu den Phasen<br />
der <strong>Wundheilung</strong>, in denen sich der Patient befi ndet, kann man sicher sein, dass die Belastungsreize adäquat sind und<br />
es bedarf keiner weiteren Vorgaben.<br />
Einleitung<br />
Die Erfahrung zeigt, dass von vielen Operateuren oder konservativ behandelnden<br />
Ärzten immer noch lange Entlastungs- und Immobilisationszeiten vorgegeben<br />
werden, um den Reparaturprozess nicht zu „gefährden“. Neueste Untersuchungen<br />
zeigen jedoch, dass ein entscheidender Faktor, ob das verletzte Gewebe<br />
„regeneriert“ (das Originalgewebe aufgebaut) wird oder lediglich „repariert“<br />
(Nar bengewebe er setzt) wird, von der Anzahl der physiologischen Reize<br />
während der <strong>Wundheilung</strong> abhängt. Je mehr physiologische Reize während<br />
der <strong>Wundheilung</strong> auf das heilende Ge webe einwirken, desto weniger<br />
Nar bengewebe wird gebildet und die Funktion der Struktur kann wieder<br />
her gestellt werden. Man spricht in diesem Fall von Regeneration,<br />
nicht von Reparatur. Dies ist eine wichtige Tatsache, da sie die Her angehensweise<br />
des Physiotherapeuten an eine verletzte Struktur grundlegend<br />
ver ändert: Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob Aktivität schaden könnte, da eine<br />
Immobilisation auf jeden Fall mehr Schaden anrichtet!<br />
Um nun physiologische Regenerationsreize setzen zu können, müssen die einzelnen<br />
Phasen der <strong>Wundheilung</strong> beachtet werden. Die <strong>Wundheilung</strong> der meisten<br />
Ge webe (außer dem Knorpel) durchläuft drei Stadien:<br />
• die Entzündungsphase,<br />
• die Proliferationsphase,<br />
23<br />
• die Remodellierungsphase.<br />
<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |
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Abb. 1:<br />
Tape-Verband für das OSG<br />
Phase der Entzündung<br />
Die Entzündungsphase dauert vom 0. bis 5. Tag. Sie kann zusätzlich in<br />
eine vaskuläre Phase und eine zelluläre Phase unterteilt werden. In der vaskulären<br />
Phase (0. – 2. Tag) fi ndet vor allem die Gerinnung statt, das Gefäßsystem wird<br />
repariert. Zusätzlich kommt es zur Invasion von Leukozyten und Makrophagen ins<br />
Verletzungsgebiet.<br />
Die Blutgerinnung wird durch neuro logische Refl exe und lokale mus kuläre<br />
Spasmen ausgelöst. Die neurologischen Refl exe werden durch Im pulse verursacht,<br />
die aus den traumatisierten Gefäßen oder dem um - liegenden Gewebe<br />
stammen. Der vaskuläre Spasmus sorgt innerhalb weniger Sekunden für die<br />
Kontraktion der Blutgefäße. Je größer die Ver letzung, desto stärker der Grad des<br />
Spasmus. Dies erklärt auch die „Steifi gkeit“ im getroffenen Gewebe. Nur bei glatten<br />
und scharfen Ver letzungen (operativer Schnitt) reagiert dieser Mechanismus<br />
nicht adäquat.<br />
Durch diese Mechanismen wird der Annahme, dass eine Applikation von<br />
Eis in der akuten Phase die Blutung und das Häma tom minimieren kann, wi dersprochen.<br />
Diese Va so konstriktion fi ndet innerhalb weniger Sekunden statt, bevor<br />
man Eis überhaupt applizieren kann. Außerdem gilt es noch zu diskutieren, ob<br />
die Kälte überhaupt in das betroffene Ge biet weiter geleitet wird. Die aktivierten<br />
Makrophagen setzen den Reiz für die Fibroblasten sich zu teilen und neue Zellen<br />
zu bilden. Bereits jetzt wird mit der Kol lagensynthese begonnen. Dabei wird eine<br />
Vorstufe des gut organisierten und funktionsfähigen Netzwerk des Kollagen Typ I<br />
gebildet, nämlich das Kollagen Typ III. Dieses Gewe be soll<br />
die Wunde schnellstmöglich mit Bindegewebe schließen<br />
und wird in einer späteren Phase der Wund heilung durch<br />
Typ I Gewebe ersetzt. Dies ge schieht hauptsächlich in der<br />
zellulären Phase.<br />
24<br />
Für die Be handlung ist wichtig, dass in dieser<br />
Pha se die Be lastbarkeit des Materials kontinuierlich absinkt.<br />
Kaputtes Material wird abgebaut, nur „vorläufi ges“<br />
Gewebe wird synthetisiert. So sollte eine mechanische<br />
Belastung auf das betroffene Gebiet während der Entzündungsphase<br />
vermieden werden. Dies geschieht, wenn die<br />
Schmerzanga ben des Patienten als Bewegungsgrenzen<br />
respektiert wer den.<br />
Dennoch sollte das Wundgebiet im schmerzfreien Bereich<br />
möglichst häufi g bewegt werden, da die Aktivierung<br />
der Mechanorezeptoren sich schmerzlindernd auswirkt<br />
und eine gute Durchblutung günstig für die <strong>Wundheilung</strong><br />
ist (Siehe auch: Beeinfl ussende Faktoren).<br />
<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |
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Praktisches Beispiel<br />
Die meisten Patienten gehen nach einer frischen Verletzung<br />
zum Arzt, nicht zum Physiotherapeut. Daher wird diese Phase<br />
häufi g in der Praxis nicht behandelt. Anders bei Therapeuten,<br />
die mit Sportlern arbeiten und evtl. bei der Verletzung direkt vor<br />
Ort sind. Ein häufi ges Ereignis dürfte die Ruptur des Außenbandes<br />
des Oberen Sprunggelenkes sein.<br />
Solche Verletzungen direkt nach dem Unfall zu untersuchen,<br />
ist sehr sinnvoll. Am „Spielfeldrand“ kann ohne zusätzliche Traumatisierung<br />
z.B. die Aufklappbarkeit des Gelenkes getestet oder<br />
der Talus reponiert werden. Zu vermeiden ist allerdings, diese<br />
Untersuchung erst nach dem Einsetzen der <strong>Wundheilung</strong> – also<br />
nach den ersten vier Stunden – durch zu führen. Manche Freizeitsportler<br />
verletzen sich Sonntags und gehen dann erst am kommenden Tag zum<br />
Arzt, wenn noch keine Besserung eingetreten ist. Wird jetzt eine Untersuchung vorgenommen,<br />
unter anderem eine „gehaltene Aufnahme“, fi ndet eine er neute Traumatisierung<br />
statt, da das neu gebildete Wundgewe be zerstört wird. Die Entzündung<br />
wird verstärkt, die Entzündungsphase verlängert.<br />
Abb. 2:<br />
Kollagenstruktur<br />
nach <strong>Wundheilung</strong><br />
mit und ohne Immobilisation<br />
Das oberste Ziel in dieser Pha se ist jedoch „Ruhe“. Das bedeutet, dass das<br />
Sprunggelenk in seiner Funktionsstellung (0°-Stellung!) – und nicht in seiner aktuellen<br />
Ruhestellung – gelagert werden sollte (Schiene). Dies ist wichtig, damit die verletzten<br />
Strukturen nicht in einer falschen Position heilen. Zur besseren Sauerstoffversorgung<br />
– die für die <strong>Wundheilung</strong> sehr wichtig ist – sollte die Lagerung nach 4<br />
– 6 h für Bewegungen im schmerzfreien Bereich unterbrochen werden. Nach 48 h<br />
sollte der Fuß mit einem Tape (Abb.1) im schmerzfreien Bereich funktionell belastet<br />
werden (Stützenversorgung). Wichtig in dieser Phase ist auch die Aufklärung<br />
des Patienten! Er muss lernen die Sprache des Körpers – den Schmerz – zu<br />
respektieren. Gefährlich ist es, Schmerzen medikamentös unterdrücken zu wollen.<br />
Erstens behindern Medikamente die <strong>Wundheilung</strong> und Verlängern so die Entzündungsphase,<br />
außerdem wird die Extremität unter Medikamenten unter Umständen<br />
mehr belastet, als es die Stabilität des gebildeten Gewebes hergibt. Neue Traumen<br />
entstehen, die Entzündung vergrößert sich. Dies gilt auch für andere Verletzungen,<br />
wie z.B. an der Bandscheibe.<br />
Unproblematische Schmerzlinderung geschieht durch Kompressionsverbände,<br />
TENS-Strom und Oszillatio nen, welche die Mechanorezeptoren an sprechen.<br />
Eis kann in milder Form auch zur Schmerzlinderung angewendet werden, z.B.<br />
durch Eiswasser, das für kurze Zeit (max. 40 sec) mit dem Schwamm aufgetragen<br />
wird. Problematisch ist eine Unterkühlung, die über die Minderdurchblutung ebenfalls<br />
die <strong>Wundheilung</strong> behindert.<br />
25<br />
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Abb. 3: Kollagenbelastungeskurve<br />
Phase der Proliferation<br />
Die Proliferationsphase dauert vom 5. bis 21. Tag. Die Zahl der Entzündungszellen<br />
wird nun langsam abgebaut. Nach 14 Tagen fi ndet man nur noch Fibroblasten<br />
im neu gebildeten Gewebe, was das Ende der eigentlichen Entzündung anzeigt.<br />
Dies ist natürlich nicht der Fall, wenn sich der Patient nicht geschont hat und<br />
dadurch das Gewebe ständig neu geschädigt wurde. Dann kann es sein, dass sich<br />
der Prozess immer noch in einer akuten Situation und damit in der Entzündungsphase<br />
befi ndet. Die ist erkennbar, wenn Bewegungen noch stark eingeschränkt<br />
und schmerzhaft sind.<br />
Häufi g besteht dieser Zustand auch, weil dauerhaft Eis angewendet wurde.<br />
Einerseits behindert die Vasokonstriktion, die durch das Eis verursacht wird, die<br />
<strong>Wundheilung</strong>. Auf der anderen Seite wird durch das Eis die Aktivität der Schmerzrezeptoren<br />
herabgesetzt. Diese will vom Körper aber erhöht wer den, um rechtzeitig<br />
vor zu großen Belastungen zu warnen. Sind diese „Schutzmechanismen“ ausgeschaltet,<br />
kann die erneute Schädigung die Entzündungsphase verlängern.<br />
Darüber hinaus haben Forscher der Freien Universität Brüssel belegt, dass längere<br />
Eisanwendungen häufi g Ödeme verursachen, die durch die Schädigung der<br />
Wand der Lymphgefäße entstehen (Leduc 1979, Lievens 1984, Meeuwsen 1986).<br />
Da das Lymphgefäßsystem für die <strong>Wundheilung</strong> von großer Bedeutung ist, sollte<br />
man eine Schädigung vermeiden und eine Eisanwendung sehr genau dosieren.<br />
26<br />
Das Hauptmerkmal der Proliferationsphase ist die Synthese von neuem Kollagengewebe.<br />
Die Fasern sind zu nächst sehr dünn und liegen eng aneinander.<br />
Wichtig ist, dass das Gewebe während dieser Phase der <strong>Wundheilung</strong> seine normalen<br />
physiologischen Belastungsreize erhält, damit sich die Fasern von Anfang<br />
an richtig organisieren. Werden keine Reize gesetzt, ist die Organisation schlecht<br />
und die nachfolgende Umbauphase deutlich länger (Abb. 2).<br />
Die Produktion von Grundsubstanz ist in dieser Zeit immer noch sehr gering.<br />
Das bedeutet, dass das Gewebe wenig elastisch und nur gering belastbar ist. Das<br />
ist auch der Grund, warum häufi g die ärztlichen Entlastungsvorgaben auch noch<br />
für diese Phase bestehen. Wird hier aber weiterhin ent lastet und nicht bewegt, können<br />
sich die neu gebildeten Fasern nicht korrekt ausrichten und die anschließende<br />
Umbauphase dauert wesentlich länger. Außerdem ist dies eine Zeit, in der z.B. ein<br />
Bandscheibenpatient durch die fort geschrittene <strong>Wundheilung</strong> weniger Schmerzen<br />
hat. Werden nun keinerlei physiologische Belastungsreize auf seine rupturierte<br />
Bandscheibe gesetzt, ist das neu gebildete Gewebe wesentlich schlechter und<br />
eine erneute Verletzung mit sehr viel weniger Gewalteinwirkung wahrscheinlicher.<br />
Viele Patienten setzen sich nach wenigen Wochen wieder üblichen Alltagssituationen<br />
aus, ohne sich bewusst zu sein, dass mit dem Nachlassen der Schmerzen<br />
noch nicht die alte Belastbarkeit wieder hergestellt ist, was nur durch ein gezieltes<br />
Training im sog. „Matrixbereich“ (siehe Abbildung 3: Zone A) möglich ist.<br />
<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |
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Praktisches Beispiel<br />
Für eine Bandscheibe ist der physiologische Belastungsreiz Druck<br />
und Zug im Wechsel. Bewegungsreize fi nden in sämtliche Richtungen<br />
statt. Die Stabilisation der Rotation ist aber eine Entscheidende, was<br />
man am Verlauf der Fasern einer gesunden Bandscheibe gut erkennen<br />
kann. Nun sollte in der Proliferationsphase kein „Stress“ auf das neu<br />
gebildete Gewebe gegeben werden, das bedeutet in der Praxis, dass in<br />
dieser Zeit stabilisierend gearbeitet wird, nicht aber mobilisierend. Die<br />
Wirbelsäule wird also „belastet“ (Abb. 4) und muss stabilisieren, wird<br />
aber nicht aus ihrer physiologischen Lordose bewegt. Wichtig ist, dass<br />
die zu stabilisierenden Reize für alle Bewegungsrichtungen gegeben<br />
werden (Abb. 5, 6, 7). Wird eine Richtung – z.B. wie häufi g geschehen<br />
die Rotation – vermieden, richten sich die Fasern in dieser Richtung<br />
nicht oder nur ungenügend aus und eine Verletzung ist vorprogrammiert.<br />
So ist es in der Rehabilitation häufi g, dass die Rotation nicht trainiert<br />
wird und der Patient mit der Aufl age entlassen wird „sich nicht zu drehen<br />
und schon gar nicht ruckartig“. Kommt der Patient dann mit einer<br />
erneuten Traumatisierung zurück, bekommt er den Vorwurf, sich nicht<br />
an die Vorgaben gehalten zu haben. Aufgabe des Therapeuten wäre<br />
es allerdings gewesen, durch adäquate Trainingsreize die Strukturen<br />
so vorzubreiten, dass sie sämtliche Bewegungsrichtungen stabilisieren<br />
können (C. Ploke (2001)).<br />
Abb. 4:<br />
Kniebeuge zur axialen Belastung der BS<br />
Phase der<br />
Remodellierung<br />
Die Remodellierungsphase wird ab dem 21. Tag angegeben. Schwierig<br />
ist zu sagen, wie lange sie andauert, da sie durch viele Faktoren<br />
beeinfl usst wird. Der normale Turnover von Kollagen Typ I liegt bei 300<br />
– 500 Tagen. Bis zum ca. 120 Tag werden die meisten der vorläufi g<br />
gebildeten Fasern vom Kollagen Typ III in den des Typ I umgebaut. Bis<br />
zum 150. Tag sind 85% des ursprünglich angelegten Kollagens Typ III<br />
umgebaut. Die dicken und dichten Bündel des Kollagen Typ I sind für die<br />
defi nitive Struktur des neu gebildeten Gewebes verantwortlich. Außerdem<br />
beginnen die Fibroblasten zunehmend Grundsubstanz zu synthetisieren.<br />
Die Belastbarkeit und Elastizität des Gewebes wird dadurch<br />
deut lich erhöht. In der Behandlung kann nun die Belastung auf das Gewebe<br />
deutlich gesteigert werden. Die Reize sollten nun im kollagenen<br />
Belastungsbereich liegen (siehe Abb. 3: Zone B).<br />
Entscheidend für diese Phase ist, wie die ersten Phasen der <strong>Wundheilung</strong><br />
abgelaufen sind. Wurde genügend neues Kollagen gebildet,<br />
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Abb. 5: Stabilisation der Extension<br />
Abb. 6 (Mitte): Stabilisation der Rotation<br />
das nun umgewandelt werden kann oder wurde die Synthese durch Minderdurchblutung<br />
u.U. behindert? Wurden adäquate Belastungsreize auf<br />
die Struktur gegeben oder wurde sie für eine längere Zeit immobilisiert?<br />
Veränderungen und Bewegungseinschränkungen, die durch die Immobilisierung<br />
entstanden sind, können nun nur noch geringfügig therapeutisch<br />
beeinfl usst werden.<br />
Trotz allem sollte man sich immer bewusst sein, dass der Prozess der<br />
<strong>Wundheilung</strong> kontinuierlich abläuft und keine genaue Abgrenzung in Phasen<br />
möglich ist (vgl. Abb. 8). Diese Einteilung erleichtert die Umsetzung<br />
des theoretischen Wissens in die Praxis. Das Verhalten des Patienten und<br />
die angewendeten Maßnahmen entscheiden über den endgültigen Verlauf<br />
der Behandlung.<br />
Bewusst machen sollte sich der Therapeut, dass passiven Maßnahmen<br />
kein Schwerpunkt in der Rehabilitation eingeräumt werden sollte, da sie<br />
kaum zu einer funktionellen und qualitativen Anpassung des betroffenen<br />
Gewebes und der Strukturen beitragen. Sie führen im Gegenteil zu einer<br />
„negativen Adaptation“ (van Wingerden), wodurch die Gefahr chronischer<br />
Probleme größer wird.<br />
Beeinflussende Faktoren<br />
der <strong>Wundheilung</strong><br />
Die <strong>Wundheilung</strong> kann durch ver schieden Faktoren gefördert oder<br />
behindert werden. Sie können in lokale Faktoren und Systemfaktoren<br />
eingeteilt werden. Der wichtigste lokale Faktor ist die Blutversorgung. Sie<br />
ist abhängig von der anatomischen Lokalisation der Verletzung. So sind<br />
zum Beispiel Sehen, wie die Achillessehne oder die Sehnen im Bereich der<br />
Schulter schlechter durchblutet und dadurch bei der <strong>Wundheilung</strong> benachteiligt.<br />
Hier sollte in der Therapie sehr viel Wert auf „durchblutungsfördernde<br />
Maßnahmen“ gelegt werden.<br />
28<br />
Die positivste Wirkung für die Durch blutung – noch vor den passiven<br />
physikalischen Maßnahmen – hat die frühzeitige aktive Bewegung. Diese<br />
birgt allerdings auch die Gefahr der zu hohen mechanischen Belastung.<br />
Deshalb sollten Maßnahmen getroffen werden, um die verletzte Struktur<br />
vor zu hohen Belastungen zu schützen. Häufi g geschieht dies durch Verwendung<br />
von Schienen oder Tapes. So kann eine kontrollierte Mobilisierung<br />
erfolgen und gleichzeitig das Narbengewebe geschützt werden.<br />
Das Immunsystem kann allerdings nur einen <strong>Wundheilung</strong>sprozess<br />
positiv durchführen, wenn seine Ressourcen nicht anderweitig gebunden<br />
Abb. 7: Stabilisation der Lateralflexion<br />
<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |
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Abb. 8:<br />
Phasen der <strong>Wundheilung</strong><br />
sind. Der der Prozess wird durch Immunkrankheiten<br />
wie AIDS oder auch durch Allergien behindert, da<br />
er nicht Priorität hat. Krankheiten, welche die lokale<br />
Durchblutung behindern (Diabetes oder Sudeckdystrophie),<br />
wirken sich natürlich auch negativ auf die<br />
<strong>Wundheilung</strong> aus.<br />
Die häufi gste Komplikation der <strong>Wundheilung</strong> jedoch<br />
stellt die Infektion dar. Diese droht besonders<br />
bei operativen Eingriffen. Sie kann eine chronische<br />
Ent zündung hervorrufen, welche die normale <strong>Wundheilung</strong><br />
verzögert. Es wird häufi g im Übermaß nicht<br />
29<br />
<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |
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funktionelles Gewebe gebildet, wodurch große Narben entstehen. Dies ist z.B.<br />
bei operativen Bandscheibenbehandlungen unangenehm, da das Narbengewebe<br />
ähnliche Symptome wie vor dem Eingriff verursachen kann.<br />
Ein bedeutsamer systemischer Faktor für die <strong>Wundheilung</strong> ist das natürliche<br />
Alter. Dies ist häufi g Ursache für eine verschlechterte <strong>Wundheilung</strong> und auf den<br />
Ernährungszustand des Patienten zurück zu führen. Im Alter nimmt die Absorption<br />
der verschiedenen Nahrungsbestandteile ab, was zur Fehlernährung führt. Diese<br />
ist inzwischen in zunehmenden Maßen auch bei Teen agern und Studenten zu<br />
beobachten. Die Zugfestigkeit der Ligamente nimmt im Alter (maßgeblich nach<br />
dem 60. Lebensjahr) zwar zu, dafür werden die Kollagenfasern brüchiger, was ihre<br />
funktionellen Eigenschaften einschränkt. Wie bereits erwähnt ist aber auch in jüngeren<br />
Lebensjahren der Ernährungszustand von entscheidender Bedeutung für die<br />
<strong>Wundheilung</strong>. So existieren bestimmbare Elemente, von denen der beeinfl ussende<br />
Effekt auf die <strong>Wundheilung</strong> bekannt sind:<br />
• Vitamin C<br />
• Zink<br />
• Proteine<br />
• Essentielle Fettsäuren<br />
• Anti-Oxidantien<br />
Selbstverständlich ist davon aus zu gehen, dass jede Substanz unserer Ernährung<br />
in irgendeiner Beziehung zu diesem komplizierten Prozess steht. Das Wissen<br />
darüber ist noch begrenzt.<br />
Sicher ist jedoch, dass der Mangel an einer bestimmten Substanz in Zusammenhang<br />
mit einer Krankheit nicht zwangsläufi g die Supplementierung nach sich<br />
ziehen muss. Die Wechselbeziehung zwischen den Substanzen ist so komplex,<br />
dass sich eine Nahrungsergänzung positiv wie negativ auswirken kann. Denkbar<br />
ist, dass eine Mangelerscheinung nicht die Ursache, sondern die Folge einer<br />
Erkrankung ist und somit eine Schutzreaktion des Körpers darstellt. Dies wird ja<br />
derzeit im Falle des „Eisenmangels“ bei Schwangeren diskutiert. Vielleicht ist die<br />
Absenkung des Eisengehaltes im Blut eine natürliche Vorbereitung auf den Blutverlust<br />
bei der Geburt, um Keimen weniger Transportmöglichkeiten durch die Blutbahn<br />
zu bieten?<br />
30<br />
Autorin<br />
<strong>Claudia</strong> Ploke<br />
Sportphysiotherapeutin I.A.S.<br />
Dozentin der VPT-Akademie Fellbach<br />
Tel. 0711 / 95 19 10 23,<br />
E-Mail: claudia@claudiaploke.de<br />
Literatur<br />
„Bindegewebe in der Rehabilitation“, B.A.M. van Wingerden, Scripo Verlag<br />
Liech tenstein, 1998<br />
„Angewandte Physiologie“, Frans van den Berg, Thieme Verlag Stuttgart, 1999<br />
„Atlas der Anatomie des Menschen“, Frank Netter, Ciba-Geigy, Basel, 1994<br />
„Aktive Rehabilitation der WS“, <strong>Claudia</strong> Ploke, <strong>Physiotherapie</strong> med 3/2001<br />
<strong>Physiotherapie</strong> med 1 | 2003 | |