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Die Wundfibel - Wundnetz Allgaeu eV

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WUNDFIBEL<br />

Das moderne Wundmanagement<br />

Arbeitskreis der Wundambulanzen<br />

Herausgeber: Dr. med. J. Dissemond


VORWORT<br />

<strong>Die</strong> Therapie von Wunden und insbesondere von chronischen Wunden stellt sowohl<br />

in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung von Patienten oft ein<br />

Problem dar. Einerseits entspricht das Wissen der Patienten und des medizinischen<br />

Personals und die daraus resultierende Erfahrung im Umgang mit Wunden oft nicht<br />

dem aktuellen Stand der Wissenschaft, andererseits führen kurzsichtige<br />

wirtschaftliche Überlegungen zu einem eingeschränkten Einsatz suffizienter<br />

Wundheilungsstrategien. Eine insuffiziente Wundbehandlung führt jedoch zu<br />

längeren Therapieintervallen und kann somit zur weiteren Kostenexpansion<br />

beitragen. <strong>Die</strong> Zahl der in Deutschland an einer chronischen Wunde leidenden<br />

Patienten wird auf mindestens 2,4 Millionen Menschen geschätzt. So werden<br />

beispielsweise mindestens 0,6 Milliarden Euro jährlich für ambulante Leistungen in<br />

der Therapie des Ulcus cruris im Rahmen der Versorgung durch die Gesetzliche<br />

Krankenversicherung (GKV) ausgegeben. Einschließlich der Ausgaben für den<br />

stationären Bereich kostet die Versorgung des Ulcus cruris die GKV mindestens eine<br />

Milliarden Euro jährlich. Entsprechend der steigenden Lebenserwartung der<br />

Bevölkerung werden diese Zahlen in den kommenden weiter zunehmen, wenn nicht<br />

prophylaktische, diagnostische und therapeutische Maßnahmen optimiert werden.<br />

<strong>Die</strong> vorliegende <strong>Wundfibel</strong> soll die grundsätzlichen interdisziplinär relevanten<br />

Prinzipien im praktischen Umgang mit akuten und chronischen Wunden im Rahmen<br />

eines modernen Wundmanagements darstellen. Das Ziel der hier beschriebenen an<br />

den Phasen der Wundheilung orientierten Anleitung für eine feuchten<br />

Wundbehandlung ist es, unter Kosten-optimierten Aspekten eine möglichst rasche,<br />

einfach durchzuführende und für den Patienten weitestgehend schmerzfreie<br />

Therapie zu ermöglichen.<br />

Das Konzept einer <strong>Wundfibel</strong> soll neben einem kurzen Überblick über<br />

Pathomechanismen von Wundheilung und Wundheilungsstörungen in erster Linie<br />

der praktischen Anleitung im täglichen Umgang mit Wunden dienen und keinesfalls<br />

den Anspruch erheben ein Lehrbuch zu ersetzten. Bei der Planung dieser <strong>Wundfibel</strong><br />

habe ich mich bei den meisten Kapiteln an der <strong>Wundfibel</strong> des Arbeitskreises des<br />

Universitätsklinikums Essen orientiert, die mir zu diesem Zweck zur Verfügung<br />

2


gestellt worden ist. Ich möchte daher an dieser Stelle allen meinen Mitstreitern in<br />

diesem Arbeitskreis für die Überlassung des grundsätzlichen kreativen Gerüstes für<br />

die Erstellung auch dieser <strong>Wundfibel</strong> danken.<br />

Nach Erstellung eines ersten Konzeptes wurde die nun vorliegende Form der<br />

<strong>Wundfibel</strong> durch zahlreiche kompetente Anregungen von Mitarbeitern mehrerer<br />

Wundambulanz ergänzt. <strong>Die</strong>se <strong>Wundfibel</strong> wird ebenso wie die Wundtherapie immer<br />

wieder auf einen neuen Wissensstand gebracht werden müssen. Ich wäre den<br />

Lesern auch weiterhin für konstruktive Rückmeldungen bezüglich Ergänzungen,<br />

Aktualisierungen oder zur Beseitigung von formalen Fehlern dankbar.<br />

Essen, den 01.07.2003<br />

Dr. med. Joachim Dissemond, Oberarzt<br />

Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie<br />

Universitätsklinikum Essen<br />

Hufelandstr. 55<br />

45122 Essen<br />

Tel.: 0201/7233894<br />

e-mail: joachimdissemond@hotmail.com<br />

3


INHALT<br />

1. Genese chronischer Wunden 6<br />

1.1. Wundheilungsstörungen 6<br />

1.2. Ernährung 6<br />

1.3. Dekubitus 7<br />

1.4. Das diabetische Fußsyndrom 8<br />

1.5. Das Ulcus cruris 9<br />

2. <strong>Die</strong> optimierte Wundbehandlung 10<br />

2.1. Therapieziel 10<br />

2.2. Kausale Überlegungen 10<br />

2.3. Wundreinigung 10<br />

2.4. Exsudative Phase - Inflammation 11<br />

2.5. Proliferative Phase - Granulation 11<br />

2.6. Reparative Phase - Epithelisierung 12<br />

3. Der Verbandswechsel 13<br />

3.1. Vorbereitung 13<br />

3.2. Der schmerzhafte Verbandswechsel 14<br />

3.3. Kompressionsverbände 15<br />

3.4. Hautpflege 16<br />

4. Bei der Wundbehandlung sind zu meiden 17<br />

4.1. Lokale Anwendung von Antibiotika/Farbstoffe 17<br />

4.2. Desinfektion 17<br />

4.3. Trockene und unphysiologische Wundbehandlung 18<br />

5. Wundauflagen und Verbandsmittel 19<br />

5.1. Voraussetzung für eine ideale Wundauflage 19<br />

5.2. Alginate 19<br />

5.3. Aktivkohleverbände 20<br />

5.4. Naßtherapeutika 21<br />

5.5. Hydrogele 21<br />

5.6. Hydrocolloide 22<br />

5.7. Hydropolymer-Verbände 23<br />

5.8. Offenporige Schaumstoffkompressen 24<br />

5.9. Geschlossenporige Schaumstoffkompressen 24<br />

5.10. Imprägnierte Gazen 25<br />

5.11. Kompressen 25<br />

5.12. Semipermeable Wundfolien 26<br />

5.13. Hyaluronsäure 27<br />

5.14. Antiseptika 27<br />

5.15. Proteolytische Enzyme 29<br />

5.16. Osmotisches Debridement 30<br />

4


6. Therapieoptionen 31<br />

6.1. Vakuumversiegelung 31<br />

6.2. Biochirurgie 32<br />

6.3. Ultraschall 33<br />

6.4. Hyperbare Sauerstofftherapie 34<br />

6.5. Perspektive 34<br />

7. MRSA 36<br />

7.1. Kolonisation versus Infektion 36<br />

7.2. Maßnahmen bei MRSA 36<br />

7.3. Therapie von MRSA 37<br />

8. Gefäßsport 38<br />

9. Anhang 39<br />

9.1. Kürzelverzeichnis und Anschrift der Herstellerfirmen 39<br />

9.2. Institutionen 41<br />

9.3. Literatur 41<br />

5


1. Genese chronischer Wunden<br />

1.1. Wundheilungsstörungen<br />

Eine Wunde steht immer im Zusammenhang mit dem Gesamtorganismus. <strong>Die</strong><br />

Beseitigung aller die Wundheilung hemmenden Faktoren ist eine grundlegende<br />

Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung von Wunden.<br />

Lokale Faktoren der Wundheilungsstörung sind:<br />

- verbliebener Fremdkörper, Infektion, Hämatom<br />

- zu hohe Nahtspannung, schlecht durchblutete oder nekrotische Wundränder<br />

- Austrocknung und Unterkühlung der Wunde<br />

- Bewegung im Wundgebiet<br />

- Vorschädigung des Gewebes beispielsweise durch Bestrahlung<br />

Zusätzlich sind folgende systemische Faktoren zu bedenken:<br />

1. Ernährung, z. B. Mangelernährung oder Flüssigkeitsmangel<br />

2. Stoffwechselstörungen, z. B. Diabetes mellitus, Leberfunktionsstörungen,<br />

Immundefizienz, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa<br />

3. Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, z. B. periphere arterielle<br />

Verschlußkrankheit (pAVK), chronische venöse Insuffizienz (CVI),<br />

Gerinnungstörungen, Anämie<br />

4. Wundheilungsstörende Medikamente, z. B. Cortison, Rheumamedikamente,<br />

Zytostatika, Immunsupressiva<br />

5. Genetische Defekte, z. B. Klinefelter-Syndrom, Prolidase-Mangel, Hämophilie<br />

Als chronisch wird eine sekundär heilende Wunde bezeichnet, die trotz kausaler und<br />

sachgerechter lokaler Therapie innerhalb von 3 Monaten keine Tendenz zur Heilung<br />

zeigt beziehungsweise nach 12 Monaten nicht spontan abgeheilt ist.<br />

1.2. Ernährung<br />

Obwohl eine echte Mangelernährung eher selten vorliegt, steht der<br />

Ernährungszustand der Patienten in engem Zusammenhang mit der Wundheilung<br />

und insbesondere mit dem Auftreten von Druckgeschwüren. Ein ausgeprägter<br />

Gewichtsverlust führt zur Abnahme des Unterhautfettgewebes, wodurch der lokale<br />

Druck auf das Gewebe steigt und sich die Durchblutung verschlechtert.<br />

Insbesondere geriatrische Patienten sind häufig mangel- oder fehlernährt.<br />

Wesentliche Ursache für eine Mangelernährung ist die zu geringe und/oder falsche<br />

Nahrungsaufnahme. So begünstigt ein Eiweißmangel eine Immunschwäche, einen<br />

verzögerten Gewebeneuaufbau und Eiweißmangelödeme, die eine weitere Ursache<br />

von Druckgeschwüren sein können. Besonders bei älteren Menschen ist die oftmals<br />

ungenügende Flüssigkeitsaufnahme eine zusätzliche Ursache für Durchblutungsstörungen.<br />

Auch Vitamin- und Spurenelementmangel können zu Enzymdefekten und<br />

somit zu Wundheilungsstörungen führen. <strong>Die</strong> Ernährungsanamnese, das heißt die<br />

Beobachtung was, wie viel und warum zu wenig gegessen wird, stellt die Grundlage<br />

der Prävention dar.<br />

6


Tipps zur Förderung des Essverhaltens besonders bei älteren Menschen:<br />

- eine angenehme Essensatmosphäre schaffen<br />

- viele kleinere Mahlzeiten anbieten (5-8), Spätmahlzeit reichen<br />

- vertraute- oder Lieblingsgerichte erfragen und anbieten<br />

- fremde Speisen meiden<br />

- Schwerverträgliches vom Speiseplan streichen<br />

- erkaltete Speisen wieder aufwärmen<br />

- süße Zwischenmahlzeiten reichen (cave - Diabetes)<br />

- auf Milchprodukte ausweichen, falls Fleisch als Eiweißquelle nicht akzeptiert wird<br />

- Desserts und süße Suppen mit Eiweißkonzentraten anreichern<br />

Industriell hergestellte Trink- und Sondennahrungen stellen sinnvolle Ergänzungen<br />

dar, wenn Patienten nicht ausreichend essen können. Häufig wird durch den<br />

vorübergehenden Einsatz von ergänzender Trinknahrung auch die normale<br />

Nahrungsaufnahme wieder gesteigert.<br />

Für Patienten, die z. B. aufgrund von Kau- oder Schluckstörungen keine Trink- oder<br />

Zusatznahrung zu sich nehmen können, ist eine Sondenernährung oft unumgänglich.<br />

Auch bei dieser Form der Ernährungstherapie sollten die individuellen<br />

Stoffwechselanforderungen der Patienten berücksichtigt werden. Bei Dekubitus-<br />

Patienten besteht ein erhöhter Energie- und Eiweißbedarf. Unsachgemäß<br />

angewendete Sondenernährung kann jedoch zu Diarrhöen führen, die die<br />

Dekubitusproblematik verschlechtern können. Der rechtzeitige Einsatz von Trink- und<br />

Sondennahrung kann Wundheilungsstörungen vermeiden helfen.<br />

1.3. Dekubitus<br />

Ein Dekubitus entsteht durch eine erhöhte Druckbelastung des Gewebes, die eine<br />

verminderte lokale Durchblutung bedingt. Dadurch werden die Zellen nicht mehr<br />

ausreichend mit Energie, Nährstoffen und Sauerstoff versorgt und sterben ab und<br />

Nekrose entsteht. Ein Dekubitus kann je nach Lage überall dort entstehen, wo eine<br />

relativ hohe Druckbelastung über eine relativ lange Zeit besteht, besonders wenn<br />

über dem Knochen nur dünne Weichteilschichten sind, wie beispielsweise im Bereich<br />

von Fersen, Hüfte, Steiß, Rücken, Schultern, Ellbogen, Hinterkopf oder Ohren.<br />

Immobile und bettlägerige Patienten sind besonders gefährdet, einen Dekubitus zu<br />

entwickeln.<br />

Stadien des Dekubitus:<br />

- Stadium 1 scharf begrenzte Rötung, Blasenbildung<br />

- Stadium 2 oberflächliche Gewebszerstörung (Erosion)<br />

- Stadium 3 Gewebszerstörung (Ulcus)<br />

- Stadium 4 tiefe Gewebszerstörung, Nekrosen und/oder fibrinöse Beläge<br />

Risikofaktoren für die Entstehung eines Dekubitus:<br />

- reduzierter Allgemeinzustand, Kachexie<br />

- Immobilität bei postoperativen Zuständen, Hemiplegie<br />

- arterielle-Verschlusskrankheit von Bauch-, Becken- oder Beinarterien<br />

- Katecholamintherapie (Durchblutungsstörungen)<br />

- Sensibilitätsstörungen, z. B. durch diabetische Neuropathie, Alkohol<br />

- Stoffwechselerkrankungen, z. B. Diabetes, Anämie<br />

- Harn- oder Stuhlinkontinenz, Fieber, Schwitzen<br />

- prädisponierende Hauterkrankungen, Ödeme<br />

7


Prophylaxe und Therapie:<br />

- Mobilisierung und Krankengymnastik<br />

- Druckentlastung gefährdeter Körperstellen durch Lagerung<br />

- vermeiden von verbleibender Feuchtigkeit am Patienten<br />

- optimierte Hautpflege (W/O Emulsionen, Verbände)<br />

- Infektionsmanagement<br />

- bedarfsgerechte Ernährung und Flüssigkeitsbilanzierung<br />

Erste Priorität hat weiterhin die Dekubitusprophylaxe ohne technische Hilfsmittel.<br />

Regelmäßige Lagerung wird nicht durch eine Auflage ersetzt, kann aber durch eine<br />

solche ergänzt werden. Patienten, die gedreht oder mobilisiert werden können,<br />

benötigen nicht zwingend Antidekubitusmatrazen. Auch bei immobilen bettlägerigen<br />

Patienten ist Krankengymnastik hilfreich. Falls andere Maßnahmen nicht ausreichen<br />

kann durch eine Superweichlagerung und die 30° Schräglagerung die<br />

Dekubitushäufigkeit gesenkt werden.<br />

Um die Gefahr von Druckgeschwüren und Hautreizungen zu vermindern, müssen<br />

hohe Ansprüche an die Inkontinenzhilfsmittel, die Bettausstattung und Kleidung<br />

gestellt werden. Nässestauende oder faltige Unterlagen haben sich als zusätzliches<br />

Problem erwiesen. Inkontinenzhilfsmittel sollen erprobt sein, dem Patienten passen<br />

und einen hohen Rücknässeschutz gewähren. Bei Dauerproblematik ist im Sinne von<br />

Infektionsmanagement eine suprapubische Blasenfistelung geeigneter als ein<br />

Dauerkatheter, bei persistierenden Diarrhöen empfiehlt sich der Einsatz eines<br />

Fäkalkollektors.<br />

Gesunde Haut lässt sich auch mit Externa nicht widerstandsfähiger machen. Man<br />

kann ihre physiologische Struktur und Widerstandsfähigkeit jedoch durch<br />

hygienische Maßnahmen und Pflege unterstützen. Bevorzugt sollten zur Hautpflege<br />

W/O Emulsionen, ggf. O/W Emulsionen mit hohem Fettgehalt verwendet werden.<br />

Hautpflege sollte nach jedem Waschen erfolgen. Grundsätzlich zu meiden sind<br />

austrocknende Maßnahmen wie Alkohol, Kälte oder Wärme.<br />

1.4. Das diabetische Fußsyndrom<br />

Jede Verletzung am Fuß eines Diabetikers entspricht potentiell einem diabetischen<br />

Fußsyndrom (DFS). Am DFS ursächlich beteiligt sind neben einem oft relativ<br />

geringfügigem initialem Trauma insbesondere eine symetrische, sensible<br />

Polyneuropathie. Zusätzlich besteht oft eine Osteoarthropathie („Charcot-Fuß“) und<br />

eine Retinopathie, so dass die Patienten die nicht schmerzhaften Wunden visuell<br />

nicht richtig einschätzen können.<br />

<strong>Die</strong> wichtigste aller therapeutischen Maßnahmen bei Diabetikern ist die suffiziente<br />

Einstellung des Diabetes mellitus (Kotrolle über HbA1c). <strong>Die</strong> lokale Wundtherapie<br />

beim diabetischen Fußsyndrom folgt prinzipiell den allgemeinen Prinzipien der<br />

feuchten Wundbehandlung. Zusätzlich ist unbedingt auf eine konsequente<br />

Druckentlastung zu achten, die insbesondere in der Akutphase der<br />

Osteoarthropathie durch Bettruhe oder entsprechende Orthesen beispielsweise in<br />

Form einer Zweischalenorthese oder eines Orthesenschuh erforderlich ist.<br />

8


Angesichts des hohen Amputationsrisikos bei Diabetikern mit DFS sind präventive<br />

Maßnahmen von größter Bedeutung. Entscheidend hierfür sind:<br />

⇒ Patientenschulung<br />

⇒ tägliche Inspektion der Füße und Fußsohlen (Spiegel) durch den Patienten oder<br />

Angehörige bzw. das Pflegepersonal (bei jeder Fußverletzung umgehende<br />

ärztliche Konsultation!)<br />

⇒ konsequente und richtige Fußpflege: tägliche Fußwaschung mit lauwarmem<br />

Wasser, aber nicht länger als 3 min., Fußpflege mit rückfettenden Salben<br />

⇒ Pediküre - Zehennägel gerade feilen, nur Kanten zur Nachbarzehe gering<br />

abrunden, gegebenenfalls von ausgebildetem Fußpfleger(in) durchführen lassen<br />

⇒ Vermeidung feuchter Kammern zwischen den Zehen durch Tragen<br />

atmungsaktiver Materialien, wie Lederschuhe, Baumwoll- bzw. Wollsocken, evtl.<br />

auch Mull zwischen die Zehen einlegen<br />

⇒ Behandlung von Fuß- und Nagelpilz durch einen Hautarzt<br />

⇒ Druck-entlastendes orthopädisches Schuhwerk, Schuhe vor dem Anziehen auf<br />

Druckstellen oder Fremdkörper überprüfen<br />

⇒ Alle Diabetiker sollten ihr Schuwerk mehrfach täglich wechseln<br />

⇒ Neue Schuhe abends kaufen (Füße dicker!) und genügend lange anprobieren;<br />

besser durch einen „diabetologischen“ Schuhmacher individuell anfertigen lassen<br />

⇒ nie ohne Schuhwerk gehen<br />

⇒ regelmäßige ärztliche klinische und apparative Kontrolle des ossären, vasculären,<br />

und neurologische Status<br />

Durch obige vorbeugende Maßnahmen konnte in einzelnen Zentren eine Senkung<br />

der Amputationsrate von Diabetikern um 80% erreicht werden.<br />

1.5. Das Ulcus cruris<br />

Das Ulcus cruris bezeichnet das Auftreten von Geschwüren am Unterschenkel. Beim<br />

Ulcus cruris unterscheidet man das Ulcus cruris venosum, arteriosum,<br />

microangiopathicum, haematopathogenicum, exogenicum, infectiosum, metabolicum,<br />

neurotrophicum, neoplasticum und mixtum. <strong>Die</strong> häufigsten Ursache für das Auftreten<br />

eines Ulcus cruris ist eine chronische venöse Insuffizienz, die sowohl auf dem Boden<br />

einer primären Varikose der oberflächlichen Venen als auch nach einer tiefen<br />

Venenthrombose im Sinne eines postthrombotischen Syndroms entstehen kann. Der<br />

erste Schritt in der Behandlung eines Ulcus cruris sollte immer mit der Abklärung der<br />

Ursachen des Ulcus beginnen.<br />

<strong>Die</strong> Behandlung eines Ulcus cruris venosum beruht neben der lokalen feuchten<br />

Wundtherapie auf der Verminderung der ambulatorischen venösen Hypertonie durch<br />

eine geeignete Kompressionstherapie, die eine Verminderung des erhöhten<br />

Gewebedrucks, eine Entstauung und die Verbesserung der Mikrozirkulation erzielen<br />

soll. Es sollte auch immer die Indikation zur operativen Sanierung des<br />

Venenschadens erwogen werden.<br />

9


2. DIE OPTIMIERTE WUNDBEHANDLUNG<br />

2.1. Therapieziel<br />

1. Ziel) Erkennung und Beseitigung der Wundheilung-behindernden Faktoren,<br />

Minimierung von Risikofaktoren<br />

2. Ziel) Schmerzbekämpfung<br />

3. Ziel) Wundsäuberung/Debridement<br />

Verminderung bakterieller Kolonisationen, Therapie und Prophylaxe von<br />

Infektionen<br />

4. Ziel) Granulation<br />

5. Ziel) Epithelisierung/Wundverschluss<br />

2.2. Kausale Überlegungen<br />

Vor Beginn jeder Behandlung von Wunden sollten Überlegungen über die Genese<br />

und die Wundheilung behindernden Faktoren angestellt werden. Wann immer<br />

möglich müssen initial die kausalen Faktoren eleminiert oder zumindest verbessert<br />

werden. Erst im Anschluss kann eine moderne Wundtherapie versuchen, eine<br />

Wundheilung suffizient zu unterstützen. Als diagnostische Ansatzpunkte sollen hier<br />

exemplarisch die Untersuchung des Gefäßstatus, Mobilisierung, Druckentlastung<br />

oder Ernährung genannt werden.<br />

<strong>Die</strong> primäre Wundheilung mit glatten, dicht aneinanderliegenden Wundflächen<br />

verläuft in der Regel problemlos. <strong>Die</strong> sekundäre Wundheilung bei großen<br />

Gewebsverlusten oder zerklüfteten Wundrändern verläuft wesentlich prolongierter.<br />

Sie kann dadurch gefördert werden, dass ein dem jeweiligen Heilungsstadium<br />

entsprechendes Wundmilieu geschaffen wird. Je geeigneter das Wundmilieu, desto<br />

rascher die Induktion und der Ablauf der Wundheilungsphasen. Durch die „richtige“<br />

Wundauflage kann das Wundmilieu entscheidend beeinflusst werden.<br />

2.3. Wundreinigung<br />

Bei jeder Erstvorstellung eines Patienten mit einer chronischen Wunde oder bei<br />

Verdacht auf eine Wundinfektion ist die Durchführung eines bakteriellen Abstriches<br />

indiziert.<br />

Im Vordergrund steht meist ein chirurgisches Debridement. Dabei werden avitale<br />

Bestandteile wie Fremdkörper, nekrotisches Gewebe und Fibrinbeläge entfernt,<br />

Wundtaschen werden wenn nötig eröffnet, und es werden saubere und glatt<br />

begrenzte Wundränder geschaffen. Beispielsweise kann eine enzymatische<br />

Wundreinigung ein chirurgisches Debridement ergänzen, meist aber nicht ersetzen.<br />

Soll die Wunde während des Verbandswechsels gereinigt werden, ist das vorsichtige<br />

Abtupfen oder Spülen mit Ringerlösung oder physiologischer Kochsalzlösung das<br />

Mittel der Wahl. Evtl. kann beim Verbandswechsel auch mit nicht-zytotoxischen<br />

Antiseptika gespült werden.<br />

10


Optimal ist die Verwendung körperwarmer Lösung, da auch bei Spülung mit<br />

raumtemperierter Lösung die an der Wundheilung beteiligten Zellen wie<br />

Makrophagen, Granulozyten und Fibroblasten temporär geschädigt werden können.<br />

Duschen und Baden<br />

Bei der Wasserqualität unseres Trinkwassers bestehen keine grundsätzlichen<br />

Bedenken, Wunden zu duschen um sie zu reinigen. Dem Duschen ist gegenüber<br />

dem Baden der Vorzug zu geben, da evtl. kontaminiertes Wasser abfließt und ersetzt<br />

wird. Beim Baden (auch mit Desinfektionszusatz) wird eine Verunreinigung nur<br />

verdünnt und Wund- und Hautkeime werden gleichmäßig verteilt. Beim Ausduschen<br />

oder Baden hat im Wesentlichen der mechanische Reinigungseffekt Bedeutung,<br />

jedoch können harte Wundränder oder Hyperkeratosen aufgeweicht und somit<br />

leichter abgetragen werden.<br />

2.4. Exsudative Phase - Inflammation<br />

Ausdruck der körpereigenen, aktiven Wundreinigung (Autolyse) ist die Entstehung<br />

eines Wundödems durch eine gesteigerte Gefäßpermeabilität. <strong>Die</strong> daraus<br />

resultierende starke Exsudatbildung unterstützt die Wundsäuberung durch<br />

Ausschwemmung von gelöstem Wundschorf, Zelltrümmern, Fremdkörpern und<br />

Bakterien. <strong>Die</strong> Thrombozytenaggregation führt zur Blutstillung, die in das Wundgebiet<br />

einwandernden Granulozyten, Monozyten und Makrophagen dienen u. a. der<br />

Infektabwehr und der Freisetzung von Wachstumsfaktoren.<br />

In dieser Phase muss der geeignete Wundverband sehr saugfähig sein. Exsudate<br />

müssen rasch aufgenommen werden können. Mazerationen sollen vermieden<br />

werden. Dennoch soll die Wundoberfläche gleichzeitig feucht gehalten werden. <strong>Die</strong><br />

optimale Wundauflage sollte maximal einmal täglich gewechselt werden müssen.<br />

2.5. Proliferative Phase - Granulation<br />

Nach Abschluss der Reinigungsphase beginnt die eigentliche Reparaturphase. Aus<br />

dem gesunden umgebendem Gewebe sprossen neue Gefäße in das Wundgebiet<br />

ein. Fibroblasten und Endothelzellen proliferieren, der Wundgrund füllt sich mit<br />

Granulationsgewebe. In dieser Phase darf die Wunde nicht austrocknen. Der sich<br />

bildende Wundschorf würde die nachfolgende Epithelisierung verzögern. <strong>Die</strong><br />

optimale Wundabdeckung muss daher vorhandenes Wundsekret aufsaugen können<br />

und gleichzeitig ein Feuchthalten der Wundoberfläche gewährleisten. Gleichzeitig<br />

muss ein Wasserdampf- und Sauerstoffaustausch gewährleistet sein sowie die<br />

Wunde vor eindringenden Keimen geschützt werden. Ein Anhaften während des<br />

Verbandswechsels sollte vermieden werden. Verklebt die Auflage mit dem<br />

Wundgrund, wird beim Wechseln frisch gebildetes Granulationsgewebe unnötig<br />

traumatisiert.<br />

Eine vermehrte Granulation über Hautniveau hinaus kann den Eintritt in die<br />

Epithelisierungsphase behindern und benötigt eine eigene geeignete Therapie<br />

beispielsweise mit einem topisch zu applizierenden Glukokortikoid. <strong>Die</strong><br />

Verbandswechsel sollten alle 1-5 Tage durchgeführt werden.<br />

11


2.6. Reparative Phase - Epithelisierung<br />

<strong>Die</strong> Fibroblasten bilden vermehrt Kollagen und Proteoglykane für den Aufbau des<br />

Epithels und des Narbengewebes. <strong>Die</strong> Wundkontraktion setzt ein. Vom Wundrand,<br />

bei flachen Wunden auch vom Wundgrund aus, wandern die Epithelzellen<br />

konzentrisch zur Mitte hin in die Wunde ein. Wenn keine Hauttransplantation<br />

durchgeführt werden soll, stellt die spontane Neubildung der Epidermis den<br />

Abschluss der Wundheilung dar. In diesem Stadium hat die Wundabdeckung die<br />

Aufgabe, das empfindliche neugebildete Gewebe zu schützen. Verbände können bis<br />

zu einer Woche auf den Wunden verbleiben.<br />

12


3. DER VERBANDSWECHSEL<br />

3.1. Vorbereitung<br />

Vorbereitung des Materials<br />

Reihenfolge der (stationären) Patienten festlegen:<br />

1. aseptische Wunden (primär verschlossene Wunden nach OP)<br />

2. kontaminierte Wunden (alle offenen Wunden ohne Infektion)<br />

3. infizierte Wunden<br />

Werden die Verbandswechsel (VW) am Krankenbett vorgenommen, sollten die<br />

Materialien für diesen Verbandswechsel auf einem Tablett zurechtstellt werden<br />

(inclusive: Hände-, Haut- und Schleimhautdesinfektionsmittel).<br />

Vorbereitung des (stationären) Patienten<br />

- Fenster und Türen verschließen. Besucher warten auf dem Flur<br />

- es werden keine sonstigen Tätigkeiten (z. B. Betten des Nachbarpatienten) im<br />

Zimmer durchgeführt (zeitlicher Abstand zur Raumpflege > 30 min.)<br />

- Information des Patienten<br />

- der Patient wird so wenig wie möglich, aber doch so weit wie nötig entkleidet<br />

Personal<br />

- der VW wird nach Möglichkeit von 2 Personen durchgeführt. Reihenfolge beachten<br />

- Händedesinfektion vor und nach dem VW<br />

- Schutzkittel beim Verbandswechsel von septischen Wunden tragen. Kittelwechsel<br />

bei Zimmerwechsel (cave - Kreuzkontamination mit MRSA). Haarschutz und<br />

Mundschutz bei großflächigen Wunden (z. B. Verbrennung) tragen<br />

Durchführung<br />

- Materialtablett und Abwurf für gebrauchtes Material bereitstellen.<br />

- bei Durchführung des Verbandswechsel von einer Person muss eine sterile Arbeitsbzw.<br />

Ablagefläche geschaffen werden<br />

- zügig arbeiten, Wunde nicht auskühlen lassen<br />

- den alten Verband mit Einmalhandschuhen abnehmen und im Abwurf ablegen<br />

- Handschuhwechsel<br />

- Wunde und Umgebung z. B. mit Ringerlösung reinigen<br />

- Wundumgebung desinfizieren mittels steriler, getränkter Kompresse (aseptische<br />

Wunden von innen nach außen, kontaminierte Wunde von außen nach innen)<br />

- neuen Verband anlegen ⇒ no-touch Technik<br />

Maßnahmen nach dem VW<br />

- Hautpflege der umliegenden Hautareale<br />

- bettlägerige Patienten entsprechend den Bedürfnissen lagern und zudecken<br />

- gebrauchte Materialien umgehend aus dem Zimmer entsorgen<br />

- gebrauchte Instrumente im Zimmer in geeigneten Abwurf und zeitnah aufbereiten<br />

- der Abfallbeutel wird im Zimmer verschlossen und aus dem Zimmer entfernt<br />

- Tablett und/oder Instrumententisch desinfizieren<br />

- abschließende Händedesinfektion<br />

- Dokumentation der Behandlung und des Heilungsverlaufs<br />

13


3.2. Der schmerzhafte Verbandswechsel<br />

Viele Patienten mit chronischen Wunden klagen über Schmerzen, die sowohl<br />

dauerhaft als auch durch die Verbandswechsel bedingt verstärkt auftreten können.<br />

Es sollte daher bei jedem Patienten mit schmerzhaften Wunden überlegt werden, ob<br />

eine kontinuierliche Schmerztherapie entsprechend dem Stufenschema der<br />

Weltgesundheits-Organisation (WHO) eingeleitet werden sollte. Oft ist es zusätzlich<br />

hilfreich weitere Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich die Verbandswechsel als<br />

schmerzhaft erweisen.<br />

Lokale Therapie<br />

- festhaftende Verbände lösen sich weitestgehend schmerzfrei, wenn sie zuvor<br />

mindestens 30 min. mit z. B. Ringerlösung getränkt wurden<br />

- sollten Krusten das Lösen des Verbandes oder die Beurteilung der Wunde<br />

beeinträchtigen, so können diese mit Olivenöl getränkten Kompressen über 1<br />

Stunde aufgeweicht und anschließend atraumatisch abgetragen werden<br />

- Lokalanästhetika in Form von Salben wie beispielsweise Emla-Salbe eignen sich<br />

zur unterstützenden lokalen Anwendung. <strong>Die</strong> Salbe sollte mindestens für 30-60<br />

min. auf eine Wunde aufgetragen werden bevor beispielsweise eine<br />

Wundsäuberung erfolgt. <strong>Die</strong> Wirksamkeit der Salbe kann durch die okklusive<br />

Applikation mittels semipermeabler Wundfolie oder Frischhalte-Folie verstärkt<br />

werden<br />

- Lokalanästhetika wie Mepivacain oder Lidocain-Lösungen eigen sich zur cutanen<br />

Injektion. Muss ausschließlich bis in die Dermis injiziert werden (Ausbildung einer<br />

Quaddel) tritt die Wirkung unmittelbar ein, sollte bis zur Subcutis injiziert werden ist<br />

mit dem Eintritt der Wirkung erst nach 20min. zu rechnen. <strong>Die</strong> Injektion von<br />

Lokalanästhetika sollte invasiveren Eingriffen, wie beispielsweise dem<br />

chirurgischen Debridement vorbehalten bleiben<br />

Systemische Therapie<br />

- vor der Gabe von Schmerzmitteln ist eine u. U. bereits vorbestehende dauerhafte<br />

Schmerztherapie zu erfragen und entsprechend zu berücksichtigen<br />

- orale und nicht-retardierte Zubereitungen von Analgetika sollten bevorzugt werden<br />

- mit dem Wirkungseintritt ist frühestens nach 30 min., dem Wirkungsmaximum erst<br />

nach 1 Stunde zu rechnen<br />

- als Nicht-Opioidanalgetika eignen sich beispielsweise Paracetamol, Metamizol oder<br />

nicht-steroidale Antirheumatica, wobei jeweils nur eine Substanz zur Anwendung<br />

kommen sollte<br />

- als Opioid-Analgetika sind sowohl die schwach als auch die stark wirkenden<br />

Opioide einsetzbar. Hierbei ist jedoch eine vorbestehende Schmerzmedikation<br />

sowohl bzgl. der Auswahl des Medikamentes (Beispiel: ist ein Patient bereits auf<br />

ein stark wirkendes Opioid eingestellt, benötigt er auch ein solches zur Linderung<br />

der akuten Schmerzen) als auch bei der Festlegung des Dosis (Beispiel: 1/6 der<br />

Tagesdosis des Retard-Morphins entspricht der Dosis der Bedarfsmedikation eines<br />

normal freisetzenden Morphins) zu berücksichtigen<br />

- in Ausnahmefällen kann es notwendig sein einen Verbandswechsel oder eine<br />

Wundsäuberung in Voll- oder Teilnarkose durchzuführen<br />

14


3.3. Kompressionsverbände<br />

Für das korrekte Anlegen eines Kompressionsverbandes gelten folgende<br />

Grundregeln:<br />

1) <strong>Die</strong> Fußsohle muss beim Anwickeln im rechten Winkel zur Wade positioniert<br />

werden<br />

2) Der Unterschenkel (und Oberschenkel) wird lückenlos mit Ausnahme der Zehen<br />

und Zehengrundgelenke verbunden<br />

3) Der Kompressionsdruck muss von distal nach proximal nachlassen<br />

Für ein optimales Ergebnis ist nicht die spezielle Verbandstechnik, sondern vielmehr<br />

die Erfüllung obiger Kriterien entscheidend.<br />

Kontraindikation:<br />

Arterielle Verschlusskrankheit Stadium II-IV (nach Fontaine) mit einem<br />

Knöchelarteriendruck unter 60-80mmHg<br />

Praktische Hinweise:<br />

Das Bein wird „rund“ gemacht, indem alle anatomischen Kulissen (z. B. hinter den<br />

Knöcheln) mit Verbandswatte oder Schaumstoff ausgepolstert werden.<br />

Anwickeln von Kompressions-Kurzzugbinden vom Vorfuß (Beginn am<br />

Zehengrundgelenk mit Binde von 8 cm Breite) bis zum Oberschenkel (10 cm Breite)<br />

in zirkulären Touren unter Ausnutzung der gesamten Dehnbarkeit der Binde. <strong>Die</strong><br />

Bindentouren haben folgende Abstände<br />

Fuß: 1 - fingerbreiter Abstand<br />

Unterschenkel: 2 - fingerbreiter Abstand<br />

Oberschenkel: 3 - fingerbreiter Abstand<br />

Hierdurch wird eine gleichmäßige Kompressionsabnahme von distal nach proximal<br />

erzielt („graduierte Kompression“). Ein Verrutschen der Binden wird durch<br />

längsgeklebte Pflasterstreifen verhindert. Alternativ können auch andere<br />

Kompressionstechniken z. B. nach Pütter oder Sigg angewendet werden werden.<br />

Kompressionsstrümpfe:<br />

Für die Versorgung im ambulanten Bereich ist es auch sinnvoll, auf<br />

Kompressionsstrümpfe zurückzugreifen. Oft wäre die Verordnung einer<br />

Kompressionsklasse III oder bei Lymphödem sogar IV sinnvoll. Aus Überlegungen<br />

der Durchführbarkeit und der Akzeptanz durch den Patienten wird jedoch meist die<br />

Kompressionsklasse II verordnet. Darüber hinaus existieren auch Strumpfsysteme<br />

für Patienten mit Ulcus cruris, wie beispielsweise Tubulcus (Innothera), Ulcertec<br />

(Bauerfeind)) die gleichzeitig mit Wundverbänden verwendet werden können.<br />

Kompressionsklasse Druck (mm Hg) Indikation<br />

Klasse I 18-21 Thromboseprophylaxe<br />

Klasse II 25-32 CVI Grad II (Widmer)<br />

Klasse III 36-46 CVI Grad III (Widmer)<br />

Klasse IV 60 Lymphödem<br />

15


3.4. Hautpflege<br />

Neben der grundsätzlich zu beachtenden Hautpflege von Patienten bedarf die Haut<br />

unter Verbänden oft einer zusätzlichen Pflege, da es hier zur verstärkten<br />

Austrocknung oder durch einen Sekretstau zu einer Mazeration kommen kann.<br />

Massiv mazerierte Wundränder stellen sich weißlich dar und können therapeutisch<br />

mit weicher Zinkpaste abgedeckt werden. Allerdings lässt sich dann der Wundrand<br />

optisch nur erschwert beurteilen und Verbände können eventuell schlechter fixiert<br />

werden. Alternativ stehen transparente Präparate wie beispielsweise Cavilon<br />

Hautschutz oder Chiron-Schutzcreme zur Verfügung.<br />

Eine sehr trockene Haut kann beispielsweise 2 x täglich mit 5-10% Urea haltigen<br />

Salben behandelt werden. Es ist bekannt, dass Patienten mit chronischen Wunden<br />

vermehrt zur Ausbildung von Typ IV-Sensibilisierungen und nachfolgend zur<br />

Induktion von Kontaktekzemen neigen. Bei Auftreten von Ekzemen ist daher eine<br />

dermatologische Vorstellung und ggf. die Einleitung einer allergologischen Testung<br />

anzustreben.<br />

16


4. BEI DER BEHANDLUNG CHRONISCHER WUNDEN SIND ZU<br />

MEIDEN<br />

4.1. Lokale Gabe von Antibiotika/Farbstoffe<br />

• Topische Anwendung von Antibiotika<br />

→ wirken nur oberflächlich, nicht in der Tiefe<br />

→ Gefahr der Selektion resistenter Bakterienstämme<br />

→ Induktion von (Kontakt-) Sensibilisierungen<br />

→ Wundheilungshemmung ist möglich<br />

bedingte Ausnahmen: Metronidazol Gel (NRF 11.65) bei fötiden malignen Wunden<br />

• Merbromin-Lösung<br />

→ wirkt ausschließlich bakteriostatisch, ist zytotoxisch<br />

→ kann Quecksilber freisetzen (toxische Nebenwirkungen, ökologische Probleme)<br />

→ gerbt die Wunde und behindert die Epithelisierung<br />

→ behindert durch Färbung die Wundbeobachtung<br />

• Ethacridinlactat-Lösung<br />

→ wirkt nur bakteriostatisch<br />

→ potentes Allergen<br />

→ Wäscheverfärbung führt zu hohen Folgekosten<br />

→ Kühlung wird leichter durch feuchte Umschläge erreicht<br />

• Farbstoff-Lösung, z. B. Gentianaviolett, Methylviolett, Brilliantgrün, Pyoktanin<br />

→ wirkt zytotoxisch, kann Nekrosen induzieren<br />

→ weißt große antibakterielle Wirkungslücken auf<br />

→ behindert durch Färbung die Wundbeobachtung<br />

4.2. Desinfektion<br />

Besonders problematisch in der Granulationsphase<br />

• Wasserstoffperoxid-Lösung (H2O2)<br />

→ nur geringer antiseptischer Effekt<br />

→ kann vitales Gewebe schädigen<br />

→ wird durch Antiseptika inaktiviert<br />

→ kann bei Anwendung in Wundhöhlen durch Freisetzung von Sauerstoff zu<br />

Luftembolien oder Hautemphysemen führen<br />

• Polyvinyl-Pyrrolidon (PVP)-Jod<br />

→ wird durch Blut, Eiter und Wundexsudat inaktiviert<br />

→ potentes Allergen<br />

→ zytotoxisch<br />

17


• Chlorit-Peroxid-Reaktionsprodukthaltige-Lösung<br />

→ die postulierte „gesteigerte Immunantwort“ ist unbewiesen<br />

→ oxidierende Chlorverbindungen sind je nach Dosis zytotoxisch<br />

→ ungünstiges Kosten/Nutzen Verhältnis<br />

4.3. Trockene und unphysiologische Wundbehandlung<br />

Für die Behandlung von chronischen Wunden ist eine trockenen Behandlung<br />

prinzipiell als kontraproduktiv anzusehen.<br />

• Puder<br />

→ trocknen die Wunde aus, wirken der Granulation entgegen<br />

→ lassen sich nur schwer entfernen<br />

• Salben (sogenannte Wund- und Heilsalben)<br />

→ Salben verhindern den freien Abfluss von Wundsekret<br />

→ unter einer Fettschicht bildet sich eine feuchte Kammer (Okklusionseffekt) aus,<br />

die infektionsgefährdend sein kann<br />

→ Salben können jedoch Wundränder vor Mazeration schützen<br />

• Direktes Aufbringen von Verbandsmull oder Gaze<br />

→ aufreißen des neu gebildeten (Granulations-) Gewebes beim Wechseln, daher<br />

sehr schmerzhafter Verbandswechsel<br />

→ Gazefasern können sich lösen und in der Wunde verbleiben<br />

• Offenporige Schaumstoffkompressen<br />

→ Traumatisierung des neu gebildeten Gewebes beim Wechseln durch<br />

Einsprossen von Kapillaren in den Schaum, daher sehr schmerzhaft<br />

→ propagierter Proliferationsreiz ist fraglich<br />

Ausnahme: Wundgrundkonditionierung vor Spalthauttransplantation<br />

• Auskühlung der Wunde<br />

→ unnötig häufige Verbandswechsel vermeiden. Tägliche Inspektion der Wunde<br />

ist nicht immer notwendig, oft reicht die Überprüfung von Sitz und<br />

Beschaffenheit der Wundauflage<br />

→ zügige Durchführung der Verbandswechsel nach Eröffnung<br />

→ Spüllösungen möglichst körperwarm anwenden<br />

18


5. WUNDAUFLAGEN UND VERBANDSMITTEL<br />

5.1. Voraussetzungen für die ideale Wundauflage<br />

Wunden sollten Phasen-adaptiert behandelt werden. <strong>Die</strong> spezifischen<br />

physiologischen Vorgänge der einzelnen Wundheilungsphasen können durch<br />

adäquate Wundauflagen unterstützt werden. Beim Übergang in andere<br />

Heilungsphasen müssen die Wundauflagen-Typen evtl. gewechselt werden.<br />

- physiologische und Phasen-adaptierte positive Beeinflussung der Wundheilung<br />

- Aufrechterhaltung eines feuchten Wundmilieus<br />

- Aufrechterhaltung des Gasaustausches<br />

- ausreichende Exsudataufnahme zur Vermeidung einer „feuchten“ Kammer<br />

oder Mazeration der Wunde bzw. Wundränder<br />

- Aufrechterhaltung einer für die Wundheilung optimalen Temperatur<br />

- kein Anhaften an den Wundgrund (atraumatischer Verbandswechsel)<br />

- kein Abgeben von Fasern, Partikeln oder zytotoxischen Substanzen in die<br />

Wunde<br />

- Verwendung möglichst hypoallergener Materialien<br />

- mechanischer Schutz der Wunde<br />

- Inspektion der Wunde ohne Verbandswechsel möglich<br />

- möglichst wenig Einschränkung der Mobilität des Patienten<br />

- Verband in geeigneten Größen und Formen lieferbar, ansonsten schneidbar<br />

- angemessenes Preis- Leitungsverhältnis<br />

5.2. Alginate<br />

Beispiele: Algosteril Trionic (J+J), Sorbalgon (Ha), Algosorb (L+R), Algisite M (S+N),<br />

Comfeel Alginat (Co), Kaltostat (CT), Melgisorb (Mö), Seasorb (Co), Sorbalgon (Ha),<br />

Sorbsan (Br), Tegagen (3M)<br />

Variante - Hydrofaser: Aquacel (CT)<br />

Beschreibung:<br />

Alginat-Kompressen stellen einen lockeren Faserverband aus Calciumalginat-Fasern<br />

dar, dadurch lassen sich die Kompressen auch zum Tamponieren verwenden und<br />

gut in tiefe und zerklüftete Wunden einbringen.<br />

Calciumalginat-Fasern wandeln sich im Kontakt mit Natriumsalzen, die im Blut und<br />

Wundsekret vorhanden sind, unter Quellung in ein feuchtes Hydrogel um. Dabei<br />

werden Keime und Zelltrümmer in die Gelstruktur eingeschlossen. Das Ausmaß und<br />

die Geschwindigkeit der Gelbildung ist abhängig von der absorbierten Sekretmenge<br />

und von der Webart der Fasern.<br />

Indikationen:<br />

Alginat-Kompressen sind ideal zur Behandlung von stark sezernierenden, nässenden<br />

Wunden und in der Reinigungsphase. Sie eignen sich für verschmutzte und infizierte<br />

Wunden, auch mit zerklüftetem Wundgrund. Sie sind ebenfalls geeignet zur<br />

Behandlung von blutenden Wunden einschließlich Schnitt- und Rißwunden und zum<br />

Abstillen blutender Kathetereinstichstellen.<br />

19


Kontraindikationen:<br />

Alginat-Kompressen sollten nicht bei trockenen Wunden angewendet werden.<br />

Hydrofaserverbände haben nur ein begrenztes sinnvolles Einsatzgebiet bei tiefen,<br />

stark sezernierende Wunden. Mit Alginaten oder Naßtherapeutika bieten sich<br />

ansonsten preiswertere Alternativen an.<br />

Anwendung:<br />

Je nach Art der Wunde und Menge des Exsudates wird die Alginat-Kompresse<br />

trocken oder z. B. mit Ringerlösung angefeuchtet aufgebracht. Tiefe Wunden oder<br />

Wundtaschen werden mit mehrfach gefalteten Kompressen ausgelegt oder locker<br />

austamponiert. Bei stark sezernierenden Wunden empfiehlt sich als Abdeckung eine<br />

saugfähige Kompresse, bei nachlassendem Exsudat dient eine nicht mit der Wunde<br />

verklebende Auflage oder ein semipermeabler Folienverband zur Fixierung.<br />

Das Entfernen der Alginatfasern bei nicht stark sezernierenden Wunden wird durch<br />

Spülung mit Ringerlösung erleichtert.<br />

Verbandswechsel:<br />

Bei klinisch infizierten Wunden erfolgt der Verbandswechsel täglich. Ansonsten wird<br />

je nach Exsudatmenge im Abstand von 2-4 Tagen der Verband erneuert.<br />

Gelrückstände oder am Wundrand festklebende Alginatfasern können mit<br />

Ringerlösung abgewaschen werden. Dennoch in der Wunde verbleibende Fasern<br />

sind biologisch abbaubar und unbedenklich.<br />

5.3. Aktivkohleverbände<br />

Beispiele: Acticoat (S+N), Askina Carbosorb (Br), Carbonet (S+N), Carboflex (CT),<br />

Vliwaktiv (L+R)<br />

Variante – Activkohleverband + Silber: Actisorb Silver (J+J)<br />

Hydrokolloid mit Aktivkohle: Contreet (Co)<br />

Beschreibung:<br />

<strong>Die</strong> Kompressen bestehen aus Fasern, die in einem spezifischen Prozess verkohlt<br />

werden und von einer Vliesschicht umhüllt werden. <strong>Die</strong> Kompressen wirken Geruchabsorbierend,<br />

bakterizid und nehmen Endotoxine auf.<br />

Indikationen:<br />

- stark sezernierende Wunden<br />

- infizierte und infektionsgefährdete Wunden<br />

- übelriechende Wunden<br />

- exulzerierte Malignome<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> Kompressen werden in die Wunde eingelegt und mit weiteren Kompressen<br />

fixiert. <strong>Die</strong> Verbände dürfen nicht zerschnitten werden (Ausnahme - Carbonet). Der<br />

Verband muss ggf. regelmäßig angefeuchtet werden.<br />

Wenn sich der Verbandswechsel aufgrund des Anhaftens des Verbandes als<br />

schmerzhaft erweist, kann der Wundgrund auch vor Einlage eines<br />

Aktivkohleverbandes mit Fettgaze abgedeckt werden.<br />

Verbandswechsel:<br />

Der Verbandswechsel sollte alle 1-3 Tage erfolgen.<br />

20


5.4. Naßtherapeutika<br />

Beispiel: Tenderwet 24 (Ha)<br />

Beschreibung:<br />

Mehrschichtige, kissenförmige Wundauflage in äußerem Hüllgestrick mit zentralem<br />

Saugkörper aus superabsorbierenden Polyacrylat. Das Kissen wird mit der<br />

entsprechenden Menge Ringerlösung aktiviert. <strong>Die</strong> gespeicherte Ringerlösung wird<br />

freigesetzt und Wundexsudat aufgenommen (höhere Affinität des Absorbers zu<br />

proteinhaltigen- als zu salzhaltigen-Lösungen). Durch diesen Spüleffekt können<br />

Nekrosen aufgeweicht und abgelöst werden.<br />

Indikationen:<br />

Reinigungsphase:<br />

- bei fibrinös belegten Wunden<br />

- bei klinisch infizierten Wunden<br />

Kontraindikationen:<br />

- tiefe zerklüftete Wunden (Kontakt zum Wundgrund erforderlich)<br />

- späte Phasen der Wundheilung (längere Wundruhe wünschenswert, andere<br />

Wundauflagen sind dann eher geeignet und preiswerter)<br />

Anwendung:<br />

Vor Gebrauch in der Peel-Packung mit der auf der Packung angegebenen Menge<br />

Ringerlösung aktivieren, 2-3 min. quellen lassen, steril einbringen (Kontakt mit dem<br />

Wundgrund erforderlich), den Wundrand überlappend, in tiefere Wunden einlegen.<br />

Fixierung mit Pflaster, Klebevlies oder Schlauchverband. Wundauflagen sind nicht<br />

schneidbar, nicht modellierbar.<br />

Verbandswechsel:<br />

Je nach Wundtyp nach 12-24 Stunden, evtl. vor dem Verbandswechsel nochmals mit<br />

Ringerlösung tränken.<br />

5.5. Hydrogele<br />

Beispiele: Askina Gel (Br), Intrasite Gel (S+N), Normigel (Mö), Opragel (L+R),<br />

Purilon Gel (Co), Urgo Hydrogel (Ur), Varihesive Hydrogel (CT)<br />

Variante Gel-Kompresse: Geliperm (Ya), Hydrosorb (Ha), Suprasorb G (L+R)<br />

Hydrogel mit Alginat: Nu-Gel (J+J)<br />

Beschreibung:<br />

Angeboten werden Hydrogele als Gel-Kompressen oder als Gel in Tuben bzw.<br />

Balgflasche zum Einbringen in tiefere Wunden.<br />

<strong>Die</strong> Wundauflagen bestehen aus einer semipermeablen Folie, auf die ein<br />

Polyacrylamid-Agar-Gel mit einem hohen Wasseranteil aufgebracht ist. Das Gel kann<br />

sowohl Feuchtigkeit an die Wunde abgeben als auch überschüssiges Wundexsudat<br />

aufnehmen.<br />

Indikationen:<br />

21


Trockene, mit Schorf bedeckte Wunden, Spalthautentnahmestellen, Schürfwunden.<br />

Zum Aufweichen von Schorf und zum Ablösen von Fibrinbelägen.<br />

Leicht bis mittelstark sezernierende Wunden (Granulations-/Epithelisierungsphase).<br />

Kontraindikationen:<br />

- infizierte Wunden<br />

- stark sezernierende oder blutende Wunden<br />

- der kühlende Effekt ist bei Ulcus cruris arteriosum unerwünscht<br />

Anwendung:<br />

Das Gel wird in einer Schichtdicke von 2-5 mm aufgetragen oder in tiefe Wunden<br />

eingebracht und mit Kompressen oder semipermeablem Folienverbänden bedeckt.<br />

<strong>Die</strong> Gelplatten werden auf die Wunde gebracht und fixiert. Auflagen mit<br />

selbsthaftendem Rand müssen ausreichend groß gewählt werden, jedoch nicht zu<br />

groß, um gesundes Gewebe nicht zu sehr zu mazerieren.<br />

Verbandswechsel:<br />

<strong>Die</strong> Transparenz des Verbandes erlaubt eine ständige Wundbeobachtung. Ein<br />

Verbandswechsel ist erforderlich, wenn sich unter dem Verband eine Blasenbildung<br />

in Größe der Wunde zeigt. Bei stark nässenden Wunden einmal täglich. Nach Beginn<br />

der Granulation genügt meist ein Wechsel alle 2-3 Tage.<br />

Das Gel kann bis zu 3 Tagen auf Wunden verbleiben, Reste lassen sich mit<br />

Ringerlösung entfernen.<br />

5.6. Hydrocolloide<br />

Beispiele: Askina Biofilm (Br), Cutinova (S+N), Comfeel (Co), Suprasorb H (L+R),<br />

Tegasorb (3M), Varihesive (CT)<br />

Variante Hydrokolloidpaste: Comfeel Paste (Co)<br />

Hydrocolloid mit Silber: Contreet (Co)<br />

Beschreibung:<br />

Hydrocolloid-Verbände bestehen aus einem Polyurethanfilm oder einem<br />

Schaumstoff, auf dem eine selbstklebende Masse aufgebracht ist. <strong>Die</strong>se Masse<br />

enthält eingebettet in eine Trägersubstanz aus Elastomeren und Klebstoffen stark<br />

quellende Partikel wie Gelatine oder Pektine. Unter Aufnahme von Wundexsudat<br />

verflüssigt sich die Hydrocolloidmasse und bildet ein visköses, gelbliches Gel.<br />

<strong>Die</strong> Hydrokolloidmasse kann auch separat als Paste erworben werden und eignet<br />

sich so als Kombinationspräparat mit anderen Wundverbänden.<br />

Indikationen:<br />

Entsprechend ihres Exsudataufnahmevermögens sind die verschiedenen Verbände<br />

für leicht bis stark sezernierende Wunden insbesondere in der Granulationsphase<br />

geeignet. Ihr Einsatz ist auch als vorübergehender steriler Wundverschluss von nicht<br />

primär schließbaren Wunden sinnvoll. Durch ihre hydroaktiven Eigenschaften sind<br />

die Hydrocolloide auch in der Lage, fibrinöse Beläge aufzuweichen und abzulösen.<br />

Kontraindikationen:<br />

Klinisch infizierte Wunden, ischämische Ulcera, tiefe schlecht zugängliche Wunden,<br />

Wunden mit freiliegenden Sehnen oder Knochen.<br />

22


Anwendung:<br />

Der selbsthaftende oder mit Kleberändern versehene Verband wird nach dem<br />

Entfernen der Schutzfolie vorsichtig der Form der Wunde entsprechend angedrückt.<br />

Um ein Undichtwerden des Verbandes zu vermeiden, sollte er möglichst faltenfrei<br />

aufgebracht und den Körperformen entsprechend anmodelliert werden. Außerdem<br />

sollte der Verband wenigstens 3 cm die Wundränder überlappen, um eine<br />

ausreichende Haftung zu gewährleisten. Ist eine zusätzliche Pflasterfixierung<br />

notwendig, sollte diese nur an den Rändern der Wundauflage erfolgen.<br />

Hydrocolloide verflüssigen sich durch Kontakt mit Wundexsudat und bilden ein<br />

visköses Gel. <strong>Die</strong>ses Gel kann je nach Wundbedingungen ein gelbes bis bräunliches<br />

Aussehen annehmen und unangenehm süßlich riechen. Es sollte nicht mit Eiter<br />

verwechselt werden. Eine Beurteilung der Wundverhältnisse kann erst nach<br />

Abspülen des Gels z. B. mit Ringerlösung erfolgen.<br />

Verbandswechsel:<br />

Das sich auf der Wunde bildende Gel ist durch das Verbandmaterial hindurch als<br />

Blase sichtbar. Erreicht die Blase Wundgröße, muss der Verband gewechselt<br />

werden. Bei stärker sezernierenden Wunden kann dies täglich notwendig werden,<br />

bei mäßig sezernierenden Wunden erfolgt der Wechsel in Abständen von bis zu 5<br />

Tagen. Zu vermeiden ist eine Mazeration des Wundrandes, die bei zu seltenen<br />

Verbandswechsel resultiert.<br />

5.7. Hydropolymer-Verbände<br />

Beispiele: Tielle (plus/packing) (J+J)<br />

Beschreibung:<br />

<strong>Die</strong>se Produkte bestehen meist aus einer semipermeablen Folie, die mit einer<br />

Hydropolymer-Schicht bedeckt sind. <strong>Die</strong>se Schicht ist sehr saugfähig, quillt nach<br />

Applikation auf, passt sich der Wundtiefe an und bleibt dabei strukturbeständig.<br />

Indikationen:<br />

- Wunden mit mäßiger bis starker Sekretion,<br />

- vorübergehender steriler Wundverschluss<br />

Kontraindikationen:<br />

- infizierte Wunden<br />

- ischämische Wunden<br />

- Wunden mit freiliegenden Sehnen oder Knochen<br />

Anwendung:<br />

Entsprechend der Form und Größe der Wunde wird der Verband geformt oder kann<br />

in der Sonderform „Packing“ zugeschnitten und auf oder in die Wunde eingelegt<br />

werden. Danach wird mit einer semipermeablen Folie oder einer Kompresse fixiert.<br />

Verbandswechsel:<br />

Verbandswechsel alle 2-7 Tage.<br />

23


5.8. Offenporige Schaumstoffkompressen<br />

Beispiele: SYSpur-derm (Ha)<br />

Beschreibung:<br />

Schaumstoffkompressen bestehen aus chemisch und biologisch reizlosem<br />

Polyurethan-Schaum. Sie besitzen eine hohe Exsudataufnahmefähigkeit, halten die<br />

Wundoberfläche feucht und ermöglichen einen freien Luft- und<br />

Wasserdampfaustausch. <strong>Die</strong> offenporigen Kompressen haften durch Einsprossung<br />

von Kapillaren in den Schaum in der Granulationsphase am Wundgrund. Beim meist<br />

schmerzhaften Verbandswechsel wird neben dem Wundsekret auch ein Teil des<br />

frischen Granulationsgewebes entfernt. Somit soll aus einer chronischen Wunde eine<br />

akute Wunde entstehen.<br />

Indikationen:<br />

- mäßig sezernierende Wunden<br />

- präoperative Wundgrundkonditionierung<br />

Kontraindikationen:<br />

- trockene Wunden<br />

- infizierte Wunden<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> Auflage wird der Wundform entsprechend mit einer sterilen Schere<br />

zugeschnitten, auf die Wunde aufgebracht und mit einer Kompresse oder Mullbinde<br />

fixiert.<br />

Verbandswechsel:<br />

Der Verbandswechsel sollte alle 1-2 Tage erfolgen, um ein zu starkes Einwachsen<br />

des Schaumstoffes zu vermeiden. Dennoch kann sich der Verbandswechsel sehr<br />

schmerzhaft gestalten.<br />

5.9. Geschlossenporige Schaumstoffkompressen<br />

Beispiele: Allevyn (S+N), Biatain (Co), Mepilex (Mö)<br />

Beschreibung:<br />

Geschlossenporige Schaumstoffkompressen bestehen aus reizlosem Polyurethan-<br />

Schaum. <strong>Die</strong> Oberflächen sind entweder mit Silikon beschichtet oder thermisch<br />

geglättet um einen möglichst atraumatischen Verbandswechsel zu ermöglichen<br />

Indikationen:<br />

- mäßig sezernierende Wunden<br />

- temporärer Hautersatz, Förderung der Epithelisierung<br />

- Besonderheit: Tracheostomaabdeckung mit Allevyn Tracheostoma<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> Auflage kann zugeschnitten werden und sollte den Wundrand mindestens 2 cm<br />

überlappen.<br />

24


Kontraindikationen:<br />

- trockene Wunden<br />

- infizierte Wunden<br />

Verbandswechsel:<br />

Je nach Exsudatmenge erfolgt der Wechsel der Wundauflage täglich oder erst nach<br />

einem Zeitraum von bis zu 7 Tagen.<br />

5.10. Imprägnierte Gazen<br />

Beispiele: Adaptic (J+J), Atrauman (Ha), Grassolind (Ha), Jelonet (S+N), Mepitel<br />

(Mö), Tegapore (3M)<br />

Beschreibung:<br />

Mit Salben, Fetten oder Silikon imprägnierte Gaze oder hydrophobe Netze, deren<br />

durchbrochene Struktur einen Sekretabfluss erlaubt. <strong>Die</strong> Imprägnierung verhindert<br />

ein Verkleben der Auflagen. Wirkstoffhaltige Produkte mit Antiseptika oder Antibiotika<br />

sind in der Therapie chronischer Wunden zu meiden.<br />

Indikationen:<br />

- Spalthautentnahmestellen<br />

- Schürf- oder Verbrennungswunden<br />

- Abdeckung bei Vessel-Loops in der Granulationsphase<br />

- Vermeidung des Verklebens der Wundoberfläche mit anderen Verbandsmaterialien<br />

Kontraindikationen:<br />

- klinisch infizierte Wunden<br />

- stark sezernierende Wunden<br />

- tiefe, zerklüftete Wunden<br />

Anwendung:<br />

Orientiert an der Menge der Sekretion mit Mull oder Saugkompresse abdecken. Nicht<br />

als alleinige Wundauflage verwenden. Bei Applikation von mehreren Gazen entsteht<br />

eine feuchte Kammer, die zumeist unerwünscht ist aber auch gezielt als okklusiver<br />

Verband eingesetzt werden kann.<br />

Verbandswechsel:<br />

Bei stärkerer Sekretion oder zur Wundbeobachtung nur die Kompresse wechseln.<br />

Salbenkompressen müssen nach Abtrocknen alle 12-24 Stunden gewechselt<br />

werden. Mepitel darf bis zu 7 Tagen belassen werden.<br />

5.11. Kompressen<br />

Beispiele: Askina Pad (Br), Comprigel (Ha), Fil-Zellin (Ha), Melolin (S+N), Mesorb<br />

(Mö), Mull- und Saugkompressen (Ur), Oprasorb (L+R), Steripad (J+J), Surgipad<br />

(J+J), Zetuvit (Ha)<br />

Beschreibung:<br />

Kompressen aus Baumwolle oder Polyestervlies, die bei Saugkompressen<br />

schichtweise aus unterschiedlichen Materialien aufgebaut sind.<br />

25


Indikationen:<br />

- mechanische Reinigung von Wunden vor Verbandsapplikation<br />

- Erstversorgung von verschmutzten, blutenden oder stark sezernierenden Wunden<br />

- frische OP Wunden, Sickerblutungen<br />

- Abdeckung von Wundauflagen, die Exsudat abgeben<br />

- Polsterung<br />

Kontraindikationen:<br />

- Granulations- und Epithelisierungsphase<br />

- Verwendung als Dauerverband<br />

Anwendung:<br />

Zur Entwicklung der Saugwirkung ist der Kontakt mit dem Wundgrund oder der<br />

Wundauflage erforderlich. Kompressen können auch mit (antiseptischen) Lösungen<br />

getränkt werden.<br />

Verbandswechsel:<br />

Nach 1-24 Stunden.<br />

5.12. Semipermeable Wundfolien<br />

Beispiele: Askina Derm (Br), Bioclusive (J+J), Hydrofilm (Ha), Mefilm (Mö), Opraflex<br />

(L+R), Opsite flexigrid (S+N), Tegaderm (3M)<br />

Beschreibung:<br />

Selbsthaftende, transparente Polyurethan-Folien, die durchlässig für Luft und<br />

Wasserdampf aber undurchlässig für Bakterien und Flüssigkeit sind. <strong>Die</strong> Folien sind<br />

mit einem hypoallergenem Acrylatkleber beschichtet, die nur auf trockener Haut,<br />

nicht aber auf feuchten Wundoberflächen haften.<br />

Indikationen:<br />

- trockene, primär heilende Wunden<br />

- Fixierung von Kathetern, Kanülen oder Wundverbänden<br />

- Schutz der Haut vor Reibung oder Feuchtigkeit (Inkontinenz, Duschen)<br />

- Oklussionsverband<br />

Kontraindikationen:<br />

- klinisch infizierte, blutende oder sezernierende Wunden<br />

- nekrotische oder tiefe Wunden<br />

- ekzematisierte oder mazerierte Haut<br />

- bekannte Typ IV-Sensibilisierung gegenüber Acrylaten<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> Haut sollte trocken und fettfrei sein. Der Folienverband sollte etwa 2 cm den<br />

Wundrand überlappend angelegt werden. <strong>Die</strong> Folien bei Verbandswechsel nicht<br />

abreißen, sondern an einer Ecke anheben und parallel zur Hautoberfläche dehnen<br />

und vorsichtig abziehen. <strong>Die</strong> meisten von den Patienten als „Pflasterallergie“<br />

fehlgedeuteten Hautirritationen beruhen auf einer mechanischen Verletzung der Haut<br />

beim Lösen festhaftender Verbände.<br />

26


Verbandswechsel:<br />

Verbände können1-5 Tage belassen werden.<br />

5.13. Hyaluronsäure<br />

Beispiele: Hyalofill (CT)<br />

Variante - Hyaluronsäure und Alginat: Hyalogran (CT)<br />

Beschreibung:<br />

Das Mucopolysaccharid Hyaluronsäure kann in Form eines Microgranulats oder als<br />

Faserkompressen direkt auf die Wunde aufgebracht werden und ggf. auch als<br />

Tamponade verwendet werden. Bei Kontakt mit dem Wundsekret bildet sich ein<br />

hydrophiles Gel aus.<br />

Indikationen:<br />

- sezernierende Wunden<br />

- Förderung der Granulation<br />

- Förderung des autolytischen Debridements<br />

Kontraindikationen:<br />

- trockene Wunden<br />

Anwendung:<br />

Je nach Art der Wunde und Menge des Exsudates wird das Hyaluronsäure-haltige<br />

Präparat trocken oder mit Ringerlösung angefeuchtet aufgebracht. Für die<br />

Freisetzung der Hyaluronsäure ist die Ausbildung eines Gels unbedingt erforderlich,<br />

daher muss bei zu trockenen Wundverhältnissen ein Anfeuchten stattfinden. Bei<br />

stark sezernierenden Wunden empfiehlt sich als Abdeckung eine saugfähige<br />

Kompresse, bei nachlassendem Exsudat dient beispielsweise eine nicht mit der<br />

Wunde verklebende Auflage zur Fixierung.<br />

Verbandswechsel:<br />

Der Verband kann bis zu 3 Tage belassen werden.<br />

5.14. Antiseptika<br />

Beschreibung:<br />

<strong>Die</strong> effektivsten Hautdesinfektionsmittel sind Alkohole. Als Antiseptika in der<br />

Therapie von Wunden werden jedoch meist Präparate auf wässriger Basis<br />

angewandt.<br />

Polyvinyl-Pyrrolidon-Jod (PVP-Jod): beispielsweise Betaisodonna<br />

Indikationen:<br />

- Desinfektion von intakter Haut und Schleimhaut<br />

- antiseptische Behandlung infizierter oder verschmutzter Wunden<br />

- Nachweis von Pilzen, Viren und Bakterien (incl. MRSA)<br />

27


Kontraindikationen:<br />

- manifeste Hyperthyreose<br />

- Dermatitis herpetiformis<br />

- vor einer Radiojodtherapie<br />

- chronische Wunden<br />

Nur nach strenger Indikationsstellung:<br />

- Jodüberempfindlichkeit<br />

- Schilddrüsenerkrankungen<br />

- Schwangerschaft, Stillzeit<br />

- Neugeborene, Säuglinge<br />

Polyhexanid: beispielsweise Polyhexamethylen-Biguanid-Hydrochlorid (Lavasept)<br />

Indikationen:<br />

- Antiseptikum zur lokalen Anwendung auf Haut und Schleimhaut<br />

- intraoperative Wundspülung oder zur Spülung infizierter Wunden<br />

- Spülung von eröffneten Abszessen und Phlegmonen mittels Kanüle von<br />

Drainstellen aus oder über eingelegte Spüldrains<br />

- antiseptischen Abdeckung bei Weichteilwunden<br />

- Nachweis von Pilzen, Viren und Bakterien (incl. MRSA)<br />

- Anwendung auch bei chronischen Wunden<br />

Kontraindikationen:<br />

- Anwendung an offenem Gelenken wegen Gefahr der Knorpelschädigung<br />

- Anwendung im Bereich von ZNS und Innenohr<br />

Octenidin: beispielsweise Octenisept<br />

Indikationen:<br />

- Antiseptikum zur lokalen Anwendung auf Haut und Schleimhaut<br />

- intraoperative Wundspülung oder Spülung infizierter Wunden<br />

- Nachweis von Pilzen, Viren und Bakterien (incl. MRSA)<br />

- Anwendung auch bei chronischen Wunden<br />

Kontraindikationen:<br />

- Anwendung im Bauchraum und in der Harnblase<br />

- Anwendung am Trommelfell<br />

Als Alternative der zweiten Wahl bietet sich beispielsweise Chlorhexidin Lösung an<br />

(z. B. Hibitane 0,2%) die jedoch in höheren Konzentrationen als zytotoxisch gilt.<br />

28


5.15. Proteolytische Enzyme<br />

Beispiele: Iruxol N (Kollagenase, S+N), Varidase (Streptodornase+Streptokinase,<br />

Ri), Pulvo (Katalase, Ur)<br />

Beschreibung:<br />

Proteolytische Enzyme ermöglichen im Rahmen einer enzymatischen Wundreinigung<br />

eine schmerzfreie, selektive Nekrolyse, die ohne das Auftreten von Blutungen<br />

durchgeführt werden kann. Das Auftragen ist einfach, sicher und schnell<br />

durchzuführen. <strong>Die</strong> Therapiekosten sind relativ hoch und es können Mazerationen<br />

der Umgebung der Wunde beobachtet werden.<br />

Indikation:<br />

Lösen avitaler Bestandteile aus Wunden. <strong>Die</strong> enzymatische Wundreinigung ergänzt<br />

oder unterstützt ein chirurgisches Debridement.<br />

Kontraindikation:<br />

Festhaftende und trockene avitale Bestandteile sollten zuerst einem chirurgischen<br />

Debridement zugeführt werden.<br />

Cave - Inaktivierung der Enzyme durch viele Desinfektionsmittel, wie z. B. PVP-Jod.<br />

Präparate:<br />

Das aus dem Bakterium Clostridium histolyticum gewonnene Enzym<br />

Clostridiopeptidase A (Kollagenase) baut direkt Kollagen ab. Kollagenasen sind nicht<br />

gegen Keratin, Fett oder Fibrin aktiv. Allerdings bestehen 70-80% des<br />

Trockengewichts der menschlichen Haut aus Kollagen und die meisten avitalen<br />

Bestandteile in Wunden sind über Kollagen am Wundgrund fixiert. Der<br />

Verbandswechsel sollte 1 x täglich durchgeführt werden.<br />

<strong>Die</strong> Stretptodornase ist eine Desoxyribonuklease und ermöglicht durch die<br />

Verflüssigung von Wundsekret den weiteren Abbau durch Enzyme, wohingegen die<br />

Streptokinase ein indirekt wirksames Enzym ist, dass über die Entstehung von<br />

Plasmin u .a. den Abbau von Fibrin und Fibrinogen katalysiert.<br />

Fertigung eines Varidase-Gels: <strong>Die</strong> Trockensubstanz wird in 5ml NaCl 0,9% gelöst,<br />

anschließend in die mitgelieferte Gelgrundlage eingebracht und gründlich vermischt.<br />

Das fertige Gel ist bei 4°C eine Woche oder bei Raumtemperatur 24 Stunden haltbar,<br />

daher sollte immer das Herstellungsdatum auf der Flasche vermerkt werden. <strong>Die</strong><br />

Verbandswechsel sollten 2 x täglich erfolgen.<br />

Anwendung:<br />

Alle Präparate werden nach Säuberung der Wunde in einer Schichtdicke von 2-4mm<br />

aufgetragen. <strong>Die</strong> Abdeckung sollte mit einem nicht-adhäsiven Verband erfolgen. Eine<br />

Verstärkung der Wirkung kann auch durch einen okklusiven Verband erzielt werden.<br />

5.16. Osmotisches Debridement<br />

Beispiele: Debrisorb (Ph), Iodosorb (S+N)<br />

Magistralrezeptur für 100g Zuckerpaste: 32g feingemahlene Saccharose, 48g<br />

Puderzucker, 20g Polyethylenglycol 400 konserviert mit 0,15% Wasserstoffperoxid.<br />

29


Beschreibung:<br />

Reicht ein chirurgisches Debridement und eine wundreinigende Verbandstechnik<br />

nicht aus, besteht die Möglichkeit einer osmotischen Wundreinigung. <strong>Die</strong><br />

Hyperosmolarität ist Ursache für die bakterizide Wirkung der Zuckerpaste. Der<br />

Verbandswechsel kann sich sehr schmerzhaft gestalten. Bei Diabetikern ist<br />

Zuckerpaste nicht kontraindiziert, da eventuell resorbierte Saccharose nicht<br />

verstoffwechselt, sondern unverändert ausgeschieden wird.<br />

Da bessere Methoden verfügbar sind, gibt es für das osmotische Debridement kaum<br />

noch einen klinischen Einsatzbereich.<br />

Indikationen:<br />

- infizierte und infektionsgefährdete Wunden<br />

- übelriechende Wunden<br />

- Nekrosen<br />

Kontraindikationen:<br />

- trockene Wunden<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> Zuckerpaste wird im Behälter auf Körpertemperatur erwärmt und direkt vor dem<br />

Gebrauch vermischt. <strong>Die</strong> Zuckerpaste wird mit einem Spatel entweder direkt in die<br />

Wunde eingebracht oder auf eine Kompresse/imprägnierte Gaze mit einer<br />

Schichtdicke von 2-4 mm aufgetragen und anschließend auf die Wunde appliziert<br />

und mit Pflastern oder Mullbinden fixiert.<br />

Cave - Niereninsuffizienz, wegen potentieller Resorption von Polyethylenglycol.<br />

Verbandswechsel:<br />

Der Verbandswechsel erfolgt 2 x täglich.<br />

30


6. THERAPIEOPTIONEN<br />

6.1. Vakuumversiegelung<br />

Beschreibung:<br />

Sterile Unterdruck-Wundabdeckung mit verschiedenen Schwammsystemen, in die<br />

eine Drainage integriert ist. Eine Wunde wird unter Erhaltung eines feuchten<br />

Wundmilieus luftdicht verschlossen.<br />

Vorteile:<br />

1. durch ein Anlegen während einer Operation kann eine Wunde bereits intraoperativ<br />

steril abgedeckt werden (auch bei Hauttransplantation)<br />

2. durch den kontinuierlichen Sog wird die Wunde von einem großen Anteil der<br />

Bakterien und Wundsekret mechanisch gereinigt<br />

3. seltene Verbandswechsel<br />

4. physikalische Barriere gegenüber Mikroorganismen<br />

5. der negative zentripedale Druck zieht die Wundränder zur Mitte zusammen, wobei<br />

die natürliche Wundkontraktion unterstützt, das interstitielle Ödem reduziert und<br />

die Mikrozirkulation sowie die Regeneration angeregt wird<br />

6. die Variante der Instillations-Vakuumversiegelung ermöglicht die temporäre<br />

Spülung beispielsweise mit Antiseptika ohne den Verband zu lösen<br />

Nachteile:<br />

- zeitaufwendige Verbandswechsel<br />

- bei Verlust des Vakuums droht Infektionsgefahr<br />

Indikationen:<br />

- stark sezernierende Wunden<br />

- operativ versorgte Wunde (Applikation möglichst intraoperativ)<br />

- von Infektion bedrohte Wunden<br />

- Förderung der Granulation<br />

Kontraindikationen:<br />

- maligne Tumorwunden (Zellteilung wird beschleunigt)<br />

- großflächige Nekrosen<br />

- Fisteln oder Blutungen<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> wichtigste Voraussetzung für die Anwendung ist, dass die Vakuumversiegelung<br />

luftdicht angebracht werden kann und dieser luftdichte Verschluss auch über die Zeit<br />

der Anwendung aufrecht erhalten werden kann. Eine Vakuumversiegelung muss<br />

umgehend entfernt werden, wenn der Sog nicht aufrechterhalten wird. <strong>Die</strong><br />

Anwendung kann sowohl bei akuten wie auch bei chronischen Wunden sinnvoll sein.<br />

Praktisch wird die Vakuumversiegelung mit einem sterilen, auswechselbaren<br />

Polyurethan- oder Polyvinylalkoholschwamm und einem nicht kollabierbaren<br />

Schlauchsystem mit einer Pumpeinheit, die einen Sog von 25-250 mmHg (für<br />

chronische Wunden meist 75-125 mmHg) erzeugt, hergestellt. Es ist sowohl ein<br />

offenporiger (schwarzer) Polyuretanschaum-Schwamm als auch ein<br />

geschlossenporiger (weißer) Polyvenylalkohol-Schwamm erhältlich Das System<br />

muss mit einer luftdichten Folie abgeklebt werden.<br />

31


Verbandswechsel:<br />

Gewebebestandteile wie Transplantate, Knochen oder Sehnen können vor dem<br />

Anlegen der Vakuumversiegelung auch beispielsweise mit Silikon-beschichteter<br />

Gaze abgedeckt werden. <strong>Die</strong> Vakuumversiegelung kann 2-5 Tage belassen werden.<br />

6.2. Biochirurgie<br />

Beschreibung:<br />

Als Biochirurgie wird die Behandlung von Wunden mit steril gezüchteten<br />

Fliegenmaden bezeichnet. Für den Einsatz in der Biochirurgie eignen sich<br />

beispielsweise die Maden der Fliegenart Lucilia sericata, da diese in der Lage sind<br />

eine selektive Nekrosektomie zu induzieren. <strong>Die</strong>se selektive Nekrolyse erfolgt durch<br />

Sekretion von Proteasen als Bestandteil des Verdauungssekretes der Fliegenmaden,<br />

wodurch weder Blutungen noch Schmerzen verursacht werden. Durch die Sekretion<br />

des Verdauungssekretes im Rahmen der extracorporalen Verdauung wird zusätzlich<br />

eine Verschiebung des pH-Wertes des Wundsekretes aus dem überwiegend sauren<br />

in den alkalischen Bereich beobachtet. <strong>Die</strong> Verschiebung des pH-Wertes stellt für<br />

den physiologischen Ablauf der Wundheilung ein vorteilhafteres Milieu dar und soll<br />

bakterielles Wachstum hemmen.<br />

Anwendung:<br />

Nach Reinigung der Wunde mit Ringerlösung erfolgt die Applikation der Maden auf<br />

eine Wunde in einer Dichte von 5-10 Maden/cm². Es sind auch Fliegenmaden<br />

kommerziell erhältlich, die bereits in eine Wundauflage eingebracht wurden und<br />

denen somit kein weiterer „Käfig“ gebaut werden muss („Biobag“). <strong>Die</strong> initial 2-3 mm<br />

großen Maden sind zu diesem Zeitpunkt bereits bis zu 10-15 mm groß und könnten<br />

bereits wenige Tage später mit der Verpuppung beginnen. Nach Lieferung können<br />

die Maden für 1-2 Tage dunkel und kühl (Kühlschrank) gelagert werden.<br />

Technische Schwierigkeiten bei der Durchführung der Biochirurgie ergeben sich bei<br />

zu starker Sekretion oder Austrocknung von Wunden, da Fliegenmaden sowohl<br />

genügend Sauerstoff als auch Flüssigkeit benötigen. <strong>Die</strong> Gefahr der Metamorphose<br />

zu Fliegen, die zu Vektoren von Kreuzinfektionen werden können, besteht bei der<br />

Gattung Lucilia sericata nicht, da diese zur Verpuppung ein in Wunden meist nicht<br />

vorhandenes trockenes Milieu benötigen würden. Weitere Probleme in der<br />

Akzeptanz dieser Vorgehensweise der Wundtherapie kann durch die mit der<br />

Proteloyse einhergehenden intensiven Geruchsbelästigung oder durch die<br />

Entstehung von Schmerzen durch sich bewegende Maden resultieren.<br />

<strong>Die</strong> Biochirurgie stellt eine innovative und sichere Methode des Debridements dar,<br />

die auch ambulant durchgeführt werden kann. Der Kosten- und Zeitaufwand ist<br />

allerdings nicht unerheblich.<br />

Verbandswechsel:<br />

Alle 2-4 Tage.<br />

32


6.3. Ultraschall<br />

Beschreibung:<br />

Ultraschall niederfrequenter Bereiche kann zur Konditionierung von Wunden<br />

therapeutisch eingesetzt werden.<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> ursprünglich entwickelte Geräteart besteht aus einem Ultraschallgenerator und<br />

einer Sonde, die über einen Stab an den zu therapierenden Bereich aufgebracht<br />

werden kann. <strong>Die</strong> Ankopplung des niederfrequenten Ultraschalls, der entweder<br />

kontinuierlich oder gepulst appliziert wird, erfolgt über einen Schallkopf am<br />

Wirkungsort entweder direkt oder indirekt. Für die Direktbeschallung wird eine Sonde<br />

suprakutan für jeweils etwa 20 min. auf einen mit Ultraschall-Gel bedeckten sterilen<br />

Hydrogel- oder Hydrokolloidverband aufgebracht. Der Verband kann nach Abschluss<br />

des jeweiligen Therapieintervalls auf der Wunde belassen werden.<br />

<strong>Die</strong> subaquale indirekte Anwendung wird in einem thermoindifferenten Wasserbad in<br />

einem Abstand von wenigen Zentimetern zur Ultraschallsonde für jeweils etwa 10-20<br />

min. durchgeführt. <strong>Die</strong> Applikation ist ausschließlich an den Extremitäten praktikabel.<br />

<strong>Die</strong> Verwendung eines Wasserbades ermöglicht auch den Zusatz von Medikamenten<br />

oder Antiseptika. <strong>Die</strong>se Geräte eignen sich auch zur regelmäßigen Applikation durch<br />

die geschulten Patienten oder durch das Pflegepersonal.<br />

In den letzten Jahren ist ein sogenannter Ultraschall-Dissektor (Sonoca ® , Söring)<br />

entwickelt worden, der die Ankopplung von niederfrequentem Leistungsultraschall<br />

über eine Sonde, die in ein Handstück eingearbeitet worden ist, ermöglicht. In die zu<br />

verwendende Spülflüssigkeit, die primär der Kopplung des Ultraschalls dient und<br />

zentral durch das Handstück fließt, können medikamentöse Zusätze<br />

beziehungsweise Antiseptika eingebracht werden.<br />

Indikationen:<br />

- Wundsäuberung, Debridement<br />

- Reduktion von Mikroorganismen<br />

Vorteile:<br />

- einfache Handhabung<br />

- Kombination mit anderen Wundheilungsmaßnahmen<br />

- breiter Anwendungsbereich<br />

- gute Akzeptanz bei Anwendern und Patienten<br />

- geringen Folgekosten<br />

Nachteile:<br />

- regelmäßige Desinfektion der Geräte<br />

- Zeitaufwand<br />

- hohe Anschaffungskosten<br />

33


6.4. Hyperbare Sauerstofftherapie<br />

Beschreibung:<br />

Bei der hyperbaren Oxygenierung (HBO) handelt es sich um ein ambulant<br />

durchführbares Therapiekonzept, dass durch die kurzzeitige intermittierende<br />

Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks im Blut zur Wiederherstellung von<br />

physiologischen Gewebssauerstoffwerten in hypoxischen Arealen führen soll. <strong>Die</strong><br />

meisten Erfahrungen im Bereich der Wundbehandlung liegen für das diabetische<br />

Fußsyndrom vor.<br />

Wirkung:<br />

- direkt bakterizide Effekte<br />

- synergistische Effekte von zeitgleich eingesetzten Antibiotika<br />

- Verbesserung der Mikrozirkulation<br />

Kontraindikationen:<br />

- Asthma bronchiale<br />

- Pneumothorax<br />

- Epilepsie<br />

- Schwangerschaft<br />

Anwendung:<br />

<strong>Die</strong> Therapie der HBO wird in Deutschland überwiegend in großen hyperbaren<br />

Druckkammern in speziellen Zentren angeboten. Dort erfolgt die Applikation von<br />

100% reinem Sauerstoff bei einem Umgebungsdruck von 1,5-3 bar in einer<br />

Überdruckkammer. Es kommt zu einem Anstieg des physikalisch gelösten<br />

Sauerstoffs im Blut von 0,032vol.% auf bis zu 6 vol.%. Gleichzeitig steigt der<br />

Perfusionsdruck, der für einen Anstieg des arteriovenösen Gradienten auf > 2000<br />

mbar verantwortlich ist und somit einer Hypoxie durch Steigerung des<br />

Sauerstofftransportes und einer vermehrten Diffusion auf kapillärer Ebene der<br />

Endstrombahn entgegenwirkt. Es kommt zu einer Verbesserung der<br />

druckabhängigen Löslichkeit des Sauerstoffs im Blut und somit zu einer Erhöhung<br />

der Sauerstoffspannung im Gewebe, da die Sauerstoffmenge die in Lösung geht,<br />

direkt proportional zu dem über der Flüssigkeit herrschenden Partialdruck des<br />

Sauerstoffs ist. Als notwendige Anzahl an Applikationen werden von der HBO 10-100<br />

meist jedoch ca. 40 Sitzungen angegeben. <strong>Die</strong>se Sitzungen können in Intervallen<br />

beispielsweise einmal täglich fünfmal wöchentlich jeweils für 60-90 min. durchgeführt<br />

werden.<br />

Nachteile:<br />

- kostenintensiv<br />

- zeitintensiv<br />

- ausschließlich adjuvante Therapieform<br />

6.5. Perspektive<br />

Debridement<br />

Zahlreiche weitere innovative Optionen des Debridements können beispielsweise<br />

mittels Laser-Therapie oder Hochdruck-Wasserstrahl durchgeführt werden.<br />

Interessant ist ebenso ein proteolytisches Enzym, das aus Krill gewonnen wird und in<br />

Skandinavien bereits kommerziell erhältlich ist.<br />

34


Hautersatzverfahren/Tissue-engineering<br />

Autologe Keratinozytentransplantate können aus Hautbiopsien oder Haarwurzeln des<br />

jeweiligen Patienten gewonnen werden. Nach Entnahme werden diese Keratinozyten<br />

in vitro gezüchtet und beispielsweise mittels Fibrinkleber oder eingebettet in ein<br />

Kollagenvlies auf die Wunde aufgebracht.<br />

Allogene Keratinozyten sind schneller verfügbar, adhärieren auf dem Wundgrund,<br />

proliferieren und differenzieren sich zu einer temporären Neoepidermis. Nach 10-14<br />

Tagen erfolgt der spontane Ersatz durch autologe Keratinozyten.<br />

Es können auch dermale Hautersatztransplantate aus humanen oder tierischen<br />

Quellen hergestellt werden. <strong>Die</strong>se dermalen Ersatzverfahren werden unter der<br />

Bezeichnung von Kompositenhautersatzverfahren oft mit Keratinozyten gemeinsam<br />

appliziert.<br />

Zytokine/Wachstumsfaktoren<br />

Chronische Wunden sind durch einen vermehrten proteolytischen Abbau von<br />

Zytokinen und einen resultierenden Aktivitätsverlust gekennzeichnet, daher könnte<br />

die externe Zufuhr sinnvoll sein. Nach sehr hoffnungsvollen wissenschaftlichen<br />

Berichten beispielsweise über KGF, GM-CSF, PDGF, TGF, EGF oder VEGF und der<br />

Zulassung von PDGF-Gel hat sich die praktische Umsetzung bislang nicht bewähren<br />

können. Zudem sind die entsprechenden kommerziell erhältlichen Präparate sehr<br />

teuer.<br />

Als weitere hoffnungsvolle zukünftige Wundheilungsstrategien seien hier noch die<br />

Therapie mit mesenchymalen Stammzellen und die Gentherapie erwähnt.<br />

35


7. MRSA<br />

7.1. Kolonisation versus Infektion<br />

Voraussetzung für den nicht verzögerten Ablauf jeder Wundheilung ist unter<br />

anderem die vollständige Beseitigung klinisch relevanter Wundinfektionen.<br />

Nahezu jede chronische Wunde zeigt eine Kolonisation mit Mikroorganismen. Bis zu<br />

1000 Mikroorganismen pro Gramm Gewebe werden als physiologisch betrachtet.<br />

Der Nachweis von mehr als 10 5 Mikroorganismen pro Gramm Gewebe kann als ein<br />

Zeichen einer Infektion gesehen werden. <strong>Die</strong> Diagnose einer Wundinfektion sollte<br />

sich aber auch immer zusätzlich an der entsprechenden Klinik mit den<br />

Kardinalsymptomen von Calor (Wärme), Dolor (Schmerz), Tumor (Schwellung),<br />

Rubor (Röte) und Functio laesa (gestörte Funktion) orientieren.<br />

Das Abstrichmaterial zur Identifikation von Bakterien in chronischen Wunden sollte<br />

aufgrund des falsch positiven Nachweises sogenannter Anflugkeime nicht von der<br />

Wundoberfläche, sondern möglichst aus tieferen Schichten entnommen werden. Der<br />

Nachweis von MRSA auf Haut oder Schleimhäuten ohne Infektionszeichen ist<br />

ausschließlich als Kolonisation zu werten.<br />

7.2. Maßnahmen bei MRSA<br />

Seit mehreren Jahrzehnten wird über die weltweite Zunahme des Vorkommens<br />

mutliresistenter Bakterien in chronischen Wunden berichtet. Insbesondere die<br />

Verbreitung und Therapie von Methicillin resistentem Staphylococcus aureus<br />

(MRSA) stellt ein ständig wachsendes Problem in der Behandlung ambulanter und<br />

stationärer Patienten mit chronischen Wunden dar.<br />

Bei Nachweis eines MRSA sollte überprüft werden, ob es sich bei dem betroffenen<br />

Patienten lediglich um eine Kolonisation oder eine Infektion handelt und welche<br />

Körperregionen betroffen sind. Hierfür ist es dringend erforderlich Abstriche nicht nur<br />

von der Wunde sondern mindestens auch von der Nase, Rachen, Axillen, Leisten<br />

und Hände zu nehmen. Insbesondere bei kolonisierten Patienten ist falls möglich<br />

eine Versorgung innerhalb des häuslichen Bereiches oder gegebenenfalls in<br />

speziellen Räumen einer ambulanten Versorgung anzustreben, um eine stationäre<br />

Aufnahme zu vermeiden. Sollte es zur Ausbildung einer Infektion kommen, ist die<br />

stationäre oder teilstationäre Aufnahme zur Einleitung einer systemischen Therapie<br />

meist unumgänglich.<br />

Stationär ist die Patientenisolation und die Kennzeichnung des jeweiligen Zimmers<br />

erforderlich. Wünschenswert ist die Unterbringung in einem Einzelzimmer, ggf. ist<br />

auch eine Kohorten-Isolierung möglich. Zusätzlich sollten vor Betreten des Zimmers<br />

jeweils ein Schutzkittel, Mundschutz und Handschuhe angezogen werden, die vor<br />

Verlassen des Raumes wieder in diesem Zimmer abgelegt werden. Obligat sollte im<br />

Anschluss an den Patientenkontakt die Händedesinfektion erfolgen. Körper- und<br />

Bettwäsche sind in kurzen Abständen zu wechseln, Pflege- und<br />

Untersuchungsutensilien soweit möglich auf dem Zimmer zu belassen. Tägliche<br />

Flächendesinfektion mit Desinfektionsmitteln nach Empfehlungen der Deutschen<br />

Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) sollten erfolgen. Darüber hinaus<br />

sollten regelmäßige mikrobiologische Kontrollen bei Patienten und dem<br />

medizinischen Personal durchgeführt werden. Liegen mindestens 3 negative<br />

bakteriologische Abstriche aus zuvor kolonisierten oder infizierten Regionen vor, die<br />

36


in einem Abstand von jeweils mindestens 24 Stunden gewonnen wurden, darf die<br />

Isolierung aufgehoben werden.<br />

7.3. Therapie von MRSA<br />

<strong>Die</strong> primäre Therapie von chronischen Wunden unterscheidet sich durch die<br />

Kolonisation oder die Infektion mit MRSA prinzipiell nicht von der anderer<br />

chronischer Wunden. Auch hier sollten die Prinzipien der modernen Phasenadaptierten<br />

feuchten Wundbehandlung beachtet werden.<br />

Kolonisationen können durch die Anwendung von Antiseptika beispielsweise mit<br />

Polyhexamethylen-Biguanid-Hydrochlorid (PHMB, Lavasept, Sanalind) oder<br />

Octenidin (Octenisept)-Lösung getränkten Kompressen reduziert werden. Sollte eine<br />

Kolonisation der Nase nachgewiesen worden sein, erfolgt die Erregerelemination für<br />

mindestens 5 Tage 3 x täglich mit einer Mupirocin-haltigen Nasensalbe.<br />

Wundinfektionen bedürfen immer auch einer systemischen antibiotischen Therapie.<br />

Bei der Auswahl des Antibiotikums ist es unbedingt ratsam sich an dem individuell<br />

bestimmten Resistogramm des MRSA zu orientieren. Als Reserveantibiotika der<br />

ersten Wahl steht ggf. Vancomycin (2 x 1.000mg/Tag i.v.) zur Verfügung. Therapien<br />

der 2. bzw. 3. Wahl sind derzeit Teicoplanin (Targocid 1 x 400mg/Tag i.v.),<br />

Quinopristin/Dalfopristin (Synercid 3 x 7,5g/kg KG/Tag i.v.) und Linezolid (Zyvox 2 x<br />

600mg/Tag p.o. oder i.v.).<br />

37


8. GEFÄßSPORT<br />

Sportliche Aktivität kann auch als Mittel der therapeutischen Intervention bei<br />

Patienten mit chronischen Wunden, insbesondere wenn diese durch eine pAVK oder<br />

auch durch eine CVI resultieren, eingesetzt werden. So beschreibt die sogenannte<br />

3S-3L-Regel (Sitzen und Stehen ist schlecht, lieber Liegen oder Laufen) einen<br />

Grundsatz für die Lebensführung bei chronischer venöser Insuffizienz.<br />

Als potentiell durch regelmäßiges sportliches Training beeinflussbarer Faktor ist nicht<br />

nur der seit langem bekannte Effekt der Ausbildung von Gefäßen bei Patienten mit<br />

pAVK zu sehen, sondern auch die Beeinflussung des arthrogenen<br />

Stauungssyndroms bei Patienten mit einem Ulcus cruris venosum. Das arthrogene<br />

Stauungssyndrom resultiert aus der Einschränkung der Beweglichkeit im oberen und<br />

unteren Sprunggelenk mit Plantarflexion bis hin zur Ankylose in Spitzfußstellung<br />

durch schmerzbedingte Schonhaltung und führt somit reaktiv zu einer antegraden<br />

Muskelpumpeninsuffizienz. <strong>Die</strong> Kontraktion der Beinmuskulatur ermöglicht jedoch<br />

eine Kompression der inter- und intramuskulären tiefen Venen und der transfaszial<br />

verlaufenden Perforansvenen. Im Stehen wird der venöse Bluttransport überwiegend<br />

durch die Muskel-Gelenk-Pumpen gewährleistet. <strong>Die</strong> größte Bedeutung kommt der<br />

Wadenmuskel-Sprunggelenk-Pumpe zu, deren Insuffizienz im Sinne eines Circulus<br />

vitiosus zu einer Verschlechterung der Heilungstendenz des Ulcus cruris venosum<br />

führen kann.<br />

Krankengymnastik und selbstständige Bewegungsübungen sollten daher wenn<br />

möglich als adjuvante Therapiemaßnahme bei Patienten mit chronischen Wunden<br />

bei Gefäßerkrankungen empfohlen und dauerhaft durchgeführt werden.<br />

38


9. ANHANG<br />

9.1. Kürzelverzeichnis und Anschrift der Herstellerfirmen<br />

Bauerfeind Phlebologie GmbH GANZONI/Sigvaris<br />

Weißendorfer Straße 5 Dr.-Karl-Lenz-Straße 35<br />

07937 Zeulenroda 87700 Memmingen<br />

Tel.: 0180/3252523 Tel.: 08331/7570<br />

Fax: 0180/3252522 Fax: 08331/757111<br />

www.bauerfeind.com www.ganzoni.com<br />

E-mail: info@bauerfeind-phlebologie.de<br />

Lohmann & Rauscher GmbH (L+R) Baxter Deutschland GmbH<br />

Postfach 2343 Edisonstraße 3 - 4<br />

56513 Neuwied 85716 München<br />

Tel.: 02634/990 Tel.: 089/317010<br />

Fax: 02634/996467 Fax: 089/31701177<br />

E-mail: info@de.LRmed.com E-mail: info_de@baxter.com<br />

www.lohmann-rauscher-com www.baxter.de<br />

ConvaTec Vertriebs-GmbH (CT) BANDELIN Electronic GmbH<br />

Sapporobogen 8-9 Heinrichstraße 3 - 4<br />

80809 München 12207 Berlin<br />

Tel.: 089/121420 Tel.: 030/76 88 00<br />

Fax: 089/12142545 Fax: 030/7734699<br />

E-mail: convatec.servicede@bms.com E-mail: info@bandelin.com<br />

www.convatec.de www.bandelin.com<br />

Coloplast GmbH (Co) Medaxis<br />

Postfach 700340 Route de Champ-Colin 12<br />

22003 Hamburg CH-1260 Nyon (Switzerland)<br />

Tel.: 040/6698070 Tel.: ++4122/9940190<br />

Fax: 040/66980748 Fax: ++4122/9901020<br />

www.coloplast.de www.medaxis.ch<br />

E-mail: devks@coloplst.com E-mail: info@medaxis.ch<br />

Mölnlycke Health Care GmbH (Mö) PRONTOMED GmbH<br />

Max-Planck-Straße 15 Am Bahndamm 70<br />

40699 Erkrath-Unterfeldhaus 32120 Hiddenhausen<br />

Tel.: 0211/920880 Tel.: 05221/690001<br />

Fax: 0211/92088170 Fax: 05221/61198<br />

E-mail: info.de@molnlycke.net E-mail: Prontomed@aol.com<br />

www.molnlyckehc.com www.prontomed.de<br />

BioMonde BioCare<br />

Kiebitzhörn 33 Weißenfelser Straße 67<br />

22885 Barsbüttel 04229 Leipzig<br />

Tel.: 040/6710570 Tel.: 0341/4 972050<br />

Fax: 040/67105710 Fax: 0341/4972059<br />

E-mail: info@biomonde.de E-mail: Labor@BioCare.de<br />

www.biomonde.de www.BioCare.de<br />

39


Smith & Nephew GmbH (S+N) Yamanouchi Pharma GmbH (Ya)<br />

Max-Planck-Straße 1-3 Im Breitspiel 19<br />

34253 Lohfelden 69126 Heidelberg<br />

Tel.: 0561/95140 Tel.: 06221/34340<br />

Fax: 0561/9514270 Fax: 06221/343414<br />

E-mail: Burkhard.Reis@smith-nephew.de www.yamanouchi.de<br />

www.smith-nephew.de<br />

Söring Medizintechnik Beiersdorf AG<br />

Justus-von-Liebig-Ring 10 Unnastraße 48<br />

25451 Quickborn 20245 Hamburg<br />

Tel.: 04106/61000 Tel.: 040/49090<br />

Fax: 04106/610010 Fax: 040/49093434<br />

E-mail: Info@soering.com www.Beiersdorf.de<br />

www.soering.com<br />

Fournier Pharma GmbH/Urgo (Ur) Johnson & Johnson GmbH (J+J)<br />

Justus-von-Liebig-Straße 16 Oststr. 1<br />

66280 Sulzbach 22844 Norderstedt<br />

Tel.: 06897/5790 Tel.: 040/522070<br />

Fax: 06897/579212 Fax: 040/52207401<br />

www.urgo.de www.medizinfo.de/wundmanagement<br />

E-mail: info@medde.jnj.com<br />

KCI Medizinprodukte GmbH B. Braun Melsungen AG (Br)<br />

Am Klingenweg 10 Postfach 1120<br />

65396 Walluf 34212 Melsungen<br />

Tel.: 01802/22660 Tel.: 05661/710<br />

Fax: 0800/3293524 Fax: 05661/714567<br />

www.kci.de www.bbraun.de<br />

E-mail: postmasterde@kci-medical.com E-mail: info@bbraun.com<br />

Paul Hartmann AG (Ha) Riemser Arzneimittel AG (Ri)<br />

Postfach 1420 An der Wiek 7<br />

89522 Heidenheim 17493 Greiswald/Insel Riems<br />

Tel.: 0800/7833524 Tel.: 038351/760<br />

Fax: 01802/226601 Fax: 038351/308<br />

www.hartmann-online.com www.riemser.de<br />

E-mail: customer.service@hartmann-online.de E-mail: info@riemser.de<br />

Pfizer GmbH (Pf) Pharmacia GmbH (Ph)<br />

Postfach 4949 Am Wolfsmantel 46<br />

76032 Karlsruhe 91058 Erlangen<br />

Tel.: 0721/61010 Tel.: 09131/620<br />

Fax: 0721/620301 Fax: 09131/621202<br />

www.pfizer.de www.pharmacia.de<br />

E-mail: info@pfizer.de<br />

40


3M Deutschland GmbH (3M) Innothera GmbH<br />

Carl-Schurz-Straße 1 Brühlmatten 3<br />

41453 Neuss 79295 Sulzburg<br />

Telefon: 02131/140 Tel.: 07634/528590<br />

Fax : 02131/14-2649 Fax: 07634/528599<br />

www.3m.com www.innothera.de<br />

E-mail: info@innothera.de<br />

9.2. Institutionen<br />

Arbeitsgemeinschaft Wundheilung (AGW)<br />

Ansprechpartner: Dr. Sabine Eming, Tel: 0221/4784512<br />

Klinik für Dermatologie Fax: 0221/4784095<br />

Universitätsklinikum zu Köln E-mail: sabine.eming@uni-koeln.de<br />

Joseph-Stelzmann Straße 9, 50931 Köln www.derma.de<br />

Deutsche Gesellschaft für Wundbehandlung e.V. (DGfW)<br />

Panoramaweg 48 Tel.: 07305/932255<br />

89155 Erbach Fax: 07305/932256<br />

www.dgfw.de E-mail: dgfw@dgfw.de<br />

Initiative „Chronische Wunden“<br />

Kohtes & Kleves Communication Medical Tel.: 08341/9538-0<br />

Kaiser Max Straße 30-32 Fax: 08341/9538-38<br />

87600 Kaufbeuren www.icwunden.de<br />

E-mail: communication-medical@t-online.de<br />

Compliance Network Physicians/Health Force Initiative<br />

Postfach 021245 Tel.: 030/24721772<br />

10123 Berlin Fax: 030/24721773<br />

www.cnhfi.org E-mail: info@cnhfi.de<br />

Das <strong>Wundnetz</strong><br />

Ansprechpartner: Prof. Dr. G. Köveker Tel.: 07031/982402<br />

Chirurgische Abteilung, Städtisches Krankenhaus Sindelfingen<br />

Postfach 445, 71046 Sindelfingen www.wundnetz.de<br />

9.3. Literatur<br />

<strong>Wundfibel</strong> des Universitätsklinikums Essen<br />

Ansprechpartner: Frau M. Geisheimer Tel.: 0201/7233290<br />

Apotheke des Universitätsklinikums Essen Fax: 0201/7234266<br />

Hufelandstrasse 55, 45122 Essen<br />

E-mail: martina.geisheimer@uni-essen.de<br />

<strong>Wundfibel</strong> des Klinikums Krefeld<br />

Ansprechpartner: Frau B. Olbrich Tel.: 02151/322495<br />

Innerbetriebliche Fortbildung, Fax: 02151/322072<br />

Städtisches Krankenhaus, Luther Platz 40, 47805 Krefeld<br />

E-mail: olbrich‗ibf@klinikum-krefeld.de<br />

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