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Und ab geht die Post: „ Die Antwort auf Thomas Gottschalk “

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<strong>Und</strong> <strong>ab</strong> <strong>geht</strong> <strong>die</strong> <strong>Post</strong>:<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Antwort</strong> <strong>auf</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Gottschalk</strong>“<br />

Von Anja Schröder, WR 01.02.2005<br />

www.derwesten.de/nachrichten/wr.html<br />

Seine Web - Seite kommt in knalligen postgelb daher. <strong>Und</strong> mit den<br />

frechen Sprüchen, <strong>die</strong> seine Kundschaft von Ihm kennt. Das sich<br />

Hans - Jürgen Grunert auch mal ganz gerne selbst <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Schüppe<br />

nimmt? Zeigt seine Übersetzung: <strong>Post</strong> = Personen ohne sinnvolle<br />

Tätigkeit. In Wirklichkeit steht er voll und ganz hinter Beruf und<br />

Arbeitgeber. Zum Beispiel als: „<strong>Post</strong>verteidiger“ in Chatforen. Der<br />

Hagener ist Landzusteller, einer von 20.000 bundesweit, der einzige<br />

unter den 60 in Hagen und sicher der einzige mit einem 15 Seiten<br />

starken Internet<strong>auf</strong>tritt. „ <strong>Die</strong> <strong>Antwort</strong> <strong>auf</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Gottschalk</strong>! “,<br />

grinst Grunert.<br />

Morgens, halb acht: Hans - Jürgen Grunert sitzt längst am<br />

Zustellerspind 9317 und sortiert <strong>Post</strong>. „Immer von oben links nach<br />

unten rechts!“ . Ausnahme das Neubaugebiet Erlhagen, bis da das<br />

letzte Haus steht, ist <strong>die</strong>ser Teil ausgegliedert. Das würde sonst den<br />

ganzen Plan durcheinander bringen. „Hier“, deutet Grunert <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Fächer mit den einzelnen Hausnummern, „sind das 3 Zentimeter,<br />

Draußen 500 Meter“. <strong>Die</strong> <strong>Post</strong> ist maschinell vorsortiert – nach<br />

Gangfolge, sprich: in der Reihenfolge, in der sie auch zu den<br />

Briefkästen gebracht wird. Das „ Langholz “ oben – das sind <strong>die</strong><br />

Großsendungen – <strong>die</strong> Briefe werden unten eingefächert, später mit<br />

Gummibad gesichert. Manche Briefe fliegen raus: „Tiefendorf oder<br />

Tiefendorferstrasse, das ist ein Unterschied “, Grunert kennt nach 8<br />

Jahren als MoPS ( Mobiler <strong>Post</strong> Service ) im Bezirk <strong>die</strong> falschen<br />

Adressen, weiß, das das Haus Nr.12 <strong>ab</strong>er 14 Eingänge hat und<br />

welche Firma über <strong>Post</strong>fach beliefert wird. Weg mit der „faulen“<br />

<strong>Post</strong> - an Menschen, <strong>die</strong>`s an der Adresse offiziell gar nicht mehr<br />

gibt. Gelb - das sind <strong>die</strong> Knöllchen, schlüpft der Mann mit der <strong>Post</strong><br />

– Weste kurzeitig in <strong>die</strong> Rolle des Gerichtsvollziehers. „Naja“,<br />

kommt der Optimist durch: „Könnt, ja auch `ne Erbschaft sein …“.


35 Hunde: „ Kenne ich alle mit Vornamen “<br />

<strong>Die</strong> Finger – <strong>auf</strong> dem Daumen sitzt der Gumminoppen zum sortieren<br />

– fliegen. Eigentlich ist der <strong>Die</strong>nstag ein ruhiger Tag. Heute<br />

allerdings sprengen <strong>die</strong> Werbebriefe an künftige Lottomillionäre <strong>die</strong><br />

Fächer. Wenn er <strong>die</strong> Millionen gewinne? „Würd` ich <strong>Post</strong> – Aktien<br />

k<strong>auf</strong>en“, grinst Grunert. Von gegenüber tönt: „Ein bisschen Spaß<br />

muss sein …“. Zur Ruhe setzen? „Auf keinen Fall“, sagt der 49<br />

jährige waschechter Boelerheider. „Ich mache den Job gerne“ –<br />

übrigens seit 35 Jahren. Nach einem schweren Unfall stieg der<br />

<strong>Post</strong>ler um vom Stadt - <strong>auf</strong> dem Landbezirk.<br />

Über 70 Millionen Sendungen täglich befördert <strong>die</strong> <strong>Post</strong> – <strong>die</strong> Zahl<br />

stagniert. Private Zeilen werden, Dank eMail und SMS Mangelware.<br />

Werbesendungen halten das Niveau. Das ein DIN A 4 Flatterzettel<br />

als Wurfsendung mehr als Quatsch ist? Anregung eines<br />

Briefkastenexperten. An <strong>die</strong> <strong>geht</strong>`s jetzt, nach zwei, zweieinhalb<br />

Stunden Innen<strong>die</strong>nst. Das Auto wird geladen, <strong>die</strong> schnellen Schuhe<br />

mit der postgelben Sohle angezogen und <strong>ab</strong> <strong>die</strong> <strong>Post</strong>.<br />

Eine kurze Einweisung: 58,7 Kilometer gilt es jetzt zu fahren, neun<br />

Kilometer macht Grunert täglich zu Fuß. 35 Hunde wohnen im<br />

Bezirk – „<strong>Die</strong> kenne ich alle mit Vornamen“. Stimmt: <strong>Die</strong> Bonbons<br />

für <strong>die</strong> Kinder und <strong>die</strong> Leckerchen für <strong>die</strong> Hunde dürfen zwischen<br />

Einschreiben und Zeitungen nicht fehlen. Loxbaum, Hoheleye, um<br />

Fley herum, unteres Lennetal, Berchum, Tiefendorf und bis an <strong>die</strong><br />

Grenze nach Letmathe und Ergste, den Schälk, <strong>geht</strong> der Bezirk.<br />

„<strong>Und</strong> hier kennt jeder jeden“, wird der Mann im <strong>Post</strong>auto fröhlich<br />

angewunken – aus dem Edekaladen und aus fast jedem zweiten<br />

Auto. „<strong>Post</strong> – Bitte schellen“ – Herr Lange hat sein eigenes System,<br />

um den <strong>Post</strong>ler <strong>Post</strong> mitzugeben.<br />

„Zunächst müssen Sie mal fahren lernen wie ein Weltmeister“,<br />

kurvt Grunert profimäßig schmale Einfahrten hoch. Alle warten <strong>auf</strong><br />

Ihn. <strong>Die</strong> einen, weil Sie Briefmarken k<strong>auf</strong>en wollen. <strong>Die</strong> Anderen,<br />

weil er <strong>die</strong> Tageszeitung mitbringt. <strong>Und</strong> Maxi, Benno, Nelli, Tinka,


Doppelauge – weil der Mann mit der blaugelben Jacke immer was in<br />

der Tasche hat. „Hallo <strong>Post</strong>minister“, „Junior, das ich Dich mal<br />

treffe….“, der Umgang ist hier herzlich, fast familiär und gerne wird<br />

ein Sch<strong>ab</strong>ernack getrieben. Das <strong>die</strong> Kundschaft vertrauen hat? Das<br />

zeigen Garagenverträge und Haustürschlüssel im <strong>Post</strong> – Gepäck.<br />

„Einen Kaffee ?“ – Heute nicht. Außerdem: An der Pommesbude ist<br />

schon immer ein Brötchen für Hans - Jürgen Grunert reserviert.<br />

170 mal steigt er ein und aus an einem ganz normalen <strong>Post</strong> – Tag.<br />

„Da wissen Sie schon, was Sie getan h<strong>ab</strong>en“. Das er sich deshalb<br />

Abends gerne den Computer setzt? Das hat damit nichts zu tun.<br />

Schnelle Sohlen und flotte Sprüche<br />

<strong>Die</strong>se Leidenschaft pflegt er schon seit dem Commodore 64 – seit<br />

dreieinhalb Jahren hat er seinen eigenen Internet<strong>auf</strong>tritt mit<br />

inzwischen über 12.000 virtuellen Besuchern und verbringt Stunden<br />

am Bildschirm. „Meine Frau wollt` wollt sich schon scheiden<br />

lassen“, flachst er, der ansonsten noch fürs Motorradfahren<br />

schwärmt.<br />

Nach eineinhalb Stunden hat er 2 von 16 Brief – Bündeln verteilt<br />

und damit <strong>auf</strong> schnellen Sohlen ein Drittel des Bezirks <strong>ab</strong>gegrast.<br />

Bei der Geschwindigkeit bleibt gerade Zeit für einen flotten Spruch.<br />

Also: wenn Sie glauben, der Briefträger würde Ihre Ansichtskarten<br />

lesen, sind Sie falsch gewickelt. <strong>Und</strong> wenn Sie mal <strong>die</strong> Ansichten<br />

eines Briefträgers lesen wollen?<br />

www.landzusteller.de

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