Hinweise auf Mobbing
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<strong>Hinweise</strong> <strong>auf</strong> <strong>Mobbing</strong><br />
Tod eines Postboten<br />
Montag, 13. Juli 2009 04:00 - Von Michael Behrendt<br />
Für die Polizei war es ein Routineeinsatz. Ein Selbstmord, eine<br />
Verzweiflungstat begangen vielleicht aus Einsamkeit, fehlender Respektierung,<br />
Mangel an Freundschaften, Überarbeitung.<br />
Florian Hödtke wurde nur 20 Jahre alt, ein Kollege fand den Zusteller der<br />
Deutschen Post am 6. Dezember des vergangenen Jahres im hinteren Teil<br />
eines Treppenhauses an der Almstadtstraße in Mitte - erhängt an seinem<br />
gelben Dienstschal.<br />
Ihr Sohn, ein verbitterter Einzelgänger? Florian Hödtkes Eltern wollen das bis<br />
heute nicht glauben. Sie sind überzeugt, dass er von Kollegen gemobbt<br />
worden sei. Weil er Bescheid gewusst habe über deren Arbeitseinstellung und<br />
- weise. Die Post sagt dazu, dass derartige Umstände nicht bekannt gewesen<br />
seien. Man sei erschüttert über den Tod des Kollegen, im Falle von <strong>Mobbing</strong><br />
hätten die Vorgesetzten aber sofort eingegriffen.<br />
Ein mit dem Fall vertrauter Kriminalbeamter räumt unter der Hand dagegen ein,<br />
Recherchen im privaten und dienstlichen Umfeld des jungen Mannes hätten<br />
durchaus <strong>Hinweise</strong> <strong>auf</strong> <strong>Mobbing</strong> erbracht.<br />
Rekonstruktion einer Tragödie<br />
Sorgen hatten sich die Eltern von Florian seit geraumer Zeit gemacht. Nicht,<br />
weil ihr Sohn einsam oder traurig gewesen sei, sondern weil er vielmehr von :<br />
" Ungereimtheiten " <strong>auf</strong> seiner Dienststelle gesprochen habe. " Florian<br />
berichtete, dass angeblich mehrere seiner Kollegen Postsendungen<br />
verschwinden lassen, um sie nicht verteilen zu müssen ", sagt Vater Bernd<br />
Hödtke. " Er hat uns erzählt, dass viele der Touren nicht mehr in der<br />
vorgegeben Zeit zu stemmen gewesen seien. Deswegen seien wahre<br />
Briefstapel oftmals schlicht in Mülleimern gelandet, weil die Zusteller um ihre<br />
Jobs fürchteten, wenn sie ihren Auftrag nicht in der vorgegebenen Zeit<br />
geschafft hätten."<br />
Zunächst noch, berichtet der Vater, habe Florian nur davon erzählt, ohne<br />
konkret etwas unternehmen zu wollen. Es sei ihm egal gewesen, wenn seine<br />
Kollegen - <strong>auf</strong> ihr angebliches Fehlverhalten angesprochen - ihn verhöhnt und<br />
verspottet hätten. " Mach dir keine Sorgen, Mami ", soll er dann beim<br />
Abendbrot mit seinen Eltern gesagt haben. " Lass die mal reden, notfalls kann<br />
ich mir immer noch einen neuen Job suchen." Beruhigt hatte dies Bernd und<br />
Elke Hödtke nicht. Die Sorgen blieben.
Im April 2008 hatte es bei der Post massive Warnstreiks gegeben, zu denen die<br />
Gewerkschaft Verdi <strong>auf</strong>gerufen hatte. Sie verhinderten bundesweit die<br />
Auslieferung von Millionen Paketen und Briefen. Mit diesem Arbeitskampf<br />
wollten die Beschäftigten in den Verteilzentren ihrer Forderung nach sieben<br />
Prozent mehr Lohn Nachdruck verleihen. Betroffen waren auch Berlin und<br />
Brandenburg. Wegen der Warnstreiks konnten aus den Verteilzentren<br />
Tempelhof, Hennigsdorf, Stahnsdorf und Schönefeld einige Briefe erst<br />
verspätet ausgetragen werden. Die Region blieb von schweren Ausfällen<br />
allerdings verschont. Die Deutsche Post und die Gewerkschaft Verdi einigten<br />
sich schließlich <strong>auf</strong> einen Kompromiss, in dem sie sich <strong>auf</strong> Kündigungsschutz,<br />
höhere Löhne und geringe Mehrarbeit verständigten.<br />
" Florian hat erzählt, dass es gar nicht so sehr um die Bezahlung, als vielmehr<br />
um das hohe Arbeitspensum gegangen sei ", so sein Vater. " Er hat immer<br />
wieder davon gesprochen, dass es oftmals nicht mehr zu schaffen war. Dass<br />
Kollegen die Postpakete erst gar nicht mitgenommen, sondern noch <strong>auf</strong> der<br />
Dienststelle die Benachrichtigungszettel ausgefüllt hätten, um Zeit zu sparen. "<br />
Florian sei physisch nicht der Stärkste gewesen, habe aber einen starken<br />
Gerechtigkeitssinn gehabt. " Eines Tages sagte er uns, dass er sich am Abend<br />
nach der Schicht mit einem Kollegen treffen wolle. Unser Sohn wollte diesem<br />
Mann, dessen Namen er nicht nannte, von den Verfehlungen seiner Kollegen<br />
berichten und um Rat bitten, was er am besten unternehmen könne. "<br />
Es war der 6. Dezember 2008. Florians Todestag. Ein Suizid, wenige Stunden<br />
vor dem wichtigen Gespräch? Eine Panikreaktion?<br />
In den Ermittlungsakten der Berliner Polizei wird später stehen, dass die Mieter<br />
des Mehrfamilienhauses an der Almstadtstraße in Mitte <strong>auf</strong> ihren Postboten<br />
gewartet hätten. Auf den Zusteller, den sie als zuverlässig und gewissenhaft<br />
kannten. Als er nicht kam, sprachen Mieter nach Informationen dieser Zeitung<br />
einen Zusteller der PIN AG an. Dieser entdeckte das Fahrrad des Kollegen von<br />
der Post und suchte das Haus nach ihm ab. Schließlich wurde Florian Hödtke<br />
entdeckt. Er hing an seinem Dienstschal, ein Bein berührte den Boden. Er hatte<br />
sich erhängt.<br />
Nach Angaben eines Ermittlers gibt es keine <strong>Hinweise</strong> <strong>auf</strong> ein Fremdver -<br />
schulden. Für die Eltern von Florian Hödtke bleiben aber viele Fragen offen.<br />
" Sollte es tatsächlich ein Selbstmord gewesen sein, so muss es doch dafür<br />
Gründe geben. Und diese kann ich mir bei Florian nur im beruflichen Umfeld<br />
denken. " Bernd Hödtke will in Erfahrung gebracht haben, dass es<br />
vergleichbare Fälle gegeben habe. So soll sich bereits ein anderer<br />
Beschäftigter aus der Dienststelle Hödtkes das Leben genommen haben, eine<br />
Kollegin sei nach einem versuchten Suizid durch den Sprung aus einem<br />
Fenster in psychologischer Behandlung.<br />
Die Leiterin der Pressestelle der Deutschen Post DHL, Barbara Scheil, sagte<br />
dazu, dass die Gründe in diesen Fällen ihres Wissens nach im privaten Bereich<br />
gelegen hätten, dies sei das Ergebnis von polizeilichen Ermittlungen. Sie bat<br />
zudem um Verständnis dafür, dass über Mitarbeiter und deren persönliche<br />
Situation keine weiteren Auskünfte gemacht werden könnten.
" Verantwortungsvolle Tätigkeit "<br />
Auf das angeblich vorsätzliche Verschwindenlassen von Postsendungen<br />
angesprochen, betonte die Sprecherin, dass ihr Unternehmen Wert dar<strong>auf</strong> lege,<br />
dass mit Sendungen der Kunden sorgsam umgegangen werde. Zu den<br />
gewährleistenden Sicherheitsvorkehrungen und Maßnahmen gehörten unter<br />
anderem die Ausweispflicht der Mitarbeiter und Zugangskontrollen zu den<br />
Betriebsstätten. Darüber hinaus würden die Mitarbeiter regelmäßig geschult.<br />
" Jedem einzelnen Mitarbeiter ist bewusst, welche verantwortungsvolle<br />
Tätigkeit er ausübt. Die Menge der auszuliefernden Briefe kann sehr<br />
unterschiedlich sein. An einzelnen Tagen ist deshalb durchaus ein höheres<br />
Aufkommen zu bewältigen. Die Schwankungen werden durch unterschiedliche<br />
Dienstzeiten der Postboten an den Werktagen geregelt ", sagte Barbara Scheil.<br />
Alle Mitarbeiter würden ausdrücklich belehrt, sich strikt an das<br />
Arbeitszeitgesetz zu halten. Bei hohem Sendungs<strong>auf</strong>kommen dürfte<br />
allerhöchstens zehn Stunden am Tag gearbeitet werden. Dies würde<br />
kontrolliert. Sollte ein Mitarbeiter im Einzelfall seine Tour in dieser Zeit nicht<br />
schaffen, sei er an diesem Tag angehalten, abzubrechen. Die nicht zugestellten<br />
Sendungen würden am Folgetag zuerst zugestellt.<br />
" Es gibt also keinerlei Anlass, Sendungen zu vernichten. Dies würde einen<br />
Straftatbestand darstellen und durch den Arbeitgeber geahndet werden", so<br />
die Pressesprecherin.<br />
Die zuständige Verdi - Bereichsleiterin für Postzusteller, Benita Unger, weiß um<br />
die schwierige Situation der Betroffenen.<br />
" Vereinbart ist eine 38,5-Stunden-Woche, ein bis zwei Überstunden täglich<br />
sind allerdings die Regel ", so die Gewerkschafterin.<br />
Gerade zu der Zeit, als Florian Hödtke starb, sei die Arbeitsbelastung der<br />
Zusteller immens gewesen.<br />
" Damals war das Personalmanagement der Post desaströs, es gab zu wenige<br />
Aushilfen", so Unger. Zurzeit habe sich die Situation etwas entspannt, es sei<br />
Personal " nachgesteuert worden ".<br />
" <strong>Mobbing</strong> ist kein Straftatbestand "<br />
Auf den Fall Florian Hödtke angesprochen, betonte Postsprecherin Scheil die<br />
Erschütterung über das, was mit dem jungen Mann passiert ist. Dass er<br />
gemobbt worden sein soll, sei nicht bekannt gewesen.<br />
" Bei solch gravierendem Verhalten hätten die Vorgesetzten natürlich sofort<br />
reagiert. "
Das Unternehmen wende sich entschieden gegen <strong>Mobbing</strong> und halte für<br />
Kollegen mit entsprechenden Problemen Ansprechpartner bereit, zudem gebe<br />
es im Unternehmen eine Hotline, die von einer externen Einrichtung betreut<br />
werde und die von den Post-Mitarbeitern angerufen werden könne.<br />
Ein Kriminalbeamter bleibt indes bei seiner Einschätzung, dass dieser Suizid<br />
vermutlich eine Folge von Schikanierung gewesen sei.<br />
"Jemanden zu mobben, ist aber kein Straftatbestand. Deswegen können wir<br />
nicht ermitteln. Leider."<br />
Vor wenigen Tagen erschienen Mitarbeiter der Post bei Bernd und Elke Hödtke.<br />
" Eine Sekretärin der Personalabteilung und ein Sozialbetreuer haben sich<br />
etwa 90 Minuten lang mit uns unterhalten ", berichtet der Vater. " Sie haben<br />
sich natürlich nach unserem Befinden erkundigt. Meine Frau und ich hatten<br />
aber den Eindruck, dass sie auch in Erfahrung bringen wollten, was wir<br />
inzwischen alles herausgefunden haben."<br />
Nach Angaben der Post sei der Besuch lediglich eine routinemäßige Betreuung<br />
der Angehörigen gewesen. Neue Erkenntnisse gebe es nicht.<br />
Kein Tag vergeht, an dem Florians Eltern nicht an ihren Sohn denken. Sich<br />
nicht die quälenden Fragen stellen, wie es zu der Tragödie hat kommen<br />
können. Für die Polizei ist die Untersuchung beendet, die Akte geschlossen.<br />
Bernd und Elke Hödtke bleiben nur Besuche am Grab ihres Sohnes. Und Blicke<br />
<strong>auf</strong> das Foto von Florian, das in ihrem Wohnzimmer hängt. Der 20-Jährige hatte<br />
sich mit Buddhismus beschäftigt.<br />
Unter seinem Bild stehen asiatische Schriftzeichen - " Naze ".<br />
Sie stehen für " warum ", für " weshalb ".<br />
Ausschnitt aus einem Forum für Postboten :<br />
Sollte jemand Fragen zu dem Zeitungsartikel des verstorbenen Kollegen<br />
Florian Hödtke haben,<br />
dann stehen wir Ihnen per E-Mail gerne zu Verfügung:<br />
nuni @ alice-dsl.de ( ohne Leerzeichen links und rechts neben dem @ ) ! ! !<br />
Die Eltern von Florian Hödtke