Hauptthema . M<strong>in</strong>destsicherung M<strong>in</strong>destsicherung Verwundbar und entkoppelt Unser Sozialberatungsteam: Claudia Röthy, Eva Sterrer und Brigitte Paier Es trifft viele, die es sich nie gedacht hätten. 173.000 Menschen <strong>in</strong> Privathaushalten leben unter Sozialhilfe-Bed<strong>in</strong>gungen, darunter 30 Prozent K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Die Anzahl hat sich seit Ende <strong>der</strong> 90er Jahre verdoppelt. Gründe dafür s<strong>in</strong>d prekäre Jobs, nicht existenzsichernde Notstandshilfeleistungen, Arbeitslosigkeit, psychische Erkrankungen und hohe Lebenshaltungskosten beim Wohnen. E<strong>in</strong>e aktuelle Studie mit Beziehern von Sozialhilfe hat auf e<strong>in</strong>drückliche Weise die schw<strong>in</strong>dende soziale Integrationskraft von Erwerbsarbeit gezeigt. Sie handelt von Menschen, die zwischen letztem sozialen Netz und schlechten, des<strong>in</strong>tegrativen Jobs h<strong>in</strong> und her pendeln. Sogenannte „Pendler“ und »Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>steiger« <strong>in</strong> die Sozialhilfe machen bereits 42 Prozent <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destsicherungsbezieher aus. Sie pendeln zwischen <strong>der</strong> »Zone <strong>der</strong> Entkoppelung« und <strong>der</strong> »Zone <strong>der</strong> Verwundbarkeit« wie <strong>der</strong> Soziologe Robert Castel formuliert. Aus <strong>der</strong> Armut ohne Arbeit geht es <strong>in</strong> die Armut mit Arbeit – und umgekehrt. Hier verkommen die Sprüche von <strong>der</strong> «Integration <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt» zu realitätsleeren Parolen. Hier f<strong>in</strong>det ke<strong>in</strong>e soziale Integration statt. Im Gegenteil. Hier entsteht soziale Ausgrenzung durch die Arbeit selbst. 173.000 Menschen <strong>in</strong> Privathaushalten leben unter Sozialhilfe-Bed<strong>in</strong>gungen, darunter 30 Prozent K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Frauen s<strong>in</strong>d etwas stärker betroffen. Die Anzahl <strong>der</strong> Personen <strong>in</strong> Sozialhilfe ist seit dem Jahr 1999 um über 111.000 Personen angestiegen. Gründe dafür s<strong>in</strong>d prekäre Jobs, nicht existenzsichernde Notstandshilfeleistungen, Arbeitslosigkeit, psychische Erkrankungen und hohe Lebenshaltungskosten beim Wohnen. Prekäre Jobs mit daraus folgendem nicht existenzsichernden Arbeitslosengeld nehmen zu. Die neuen «work<strong>in</strong>g poor» erhalten von <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destsicherung «Richtsatzergänzungen», um zu überleben. Weiters haben Personen mit physischen o<strong>der</strong> psychischen Bee<strong>in</strong>trächtigungen auf dem Arbeitsmarkt schlechte Chancen. Beson<strong>der</strong>s nehmen depressive Erschöpfungszustände zu: 4 von 10 M<strong>in</strong>destsicherungsbezieher haben gesundheitliche Bee<strong>in</strong>trächtigungen. Und die steigenden Lebenshaltungskosten beim Wohnen wirken sich bei ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen überproportional stark aus. Wenn wir genau h<strong>in</strong>schauen, dann schaut vieles an<strong>der</strong>s aus. Es trifft viele, die es sich «nie gedacht hätten». Daten aus Wien zeigen, dass für die große Mehrheit die Sozialhilfe e<strong>in</strong>e kurzfristige Überbrückungshilfe darstellt. Die durchschnittliche Bezugsdauer beträgt rund 7 Monate, bei 25 Prozent bloß 1 bis 3 Monate. Nur rund 10 Prozent <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destsicherungs-Haushalte leben zur Gänze und dauerhaft von <strong>der</strong> Leistung. Mart<strong>in</strong> Schenk Sozialexperte <strong>der</strong> Diakonie Österreich; Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Armutskonferenz. Not sticht nicht <strong>in</strong>s Auge… E<strong>in</strong> Bericht aus dem ehrenamtlichen Sozialberatungs-Team <strong>der</strong> <strong>Evangelische</strong>n Pfarrgeme<strong>in</strong>de Lies<strong>in</strong>g Not trägt ke<strong>in</strong>e Signalfarben und ist we<strong>der</strong> ansteckend noch übelriechend. Sie bewirkt jedoch Scham, Hilflosigkeit und Ohnmacht - auf Seite <strong>der</strong> Notleidenden und auf Seite <strong>der</strong>er, die damit konfrontiert werden. Generell beobachten wir bei ALLEN, die Hilfe brauchen, dass sie <strong>in</strong> ihrer f<strong>in</strong>anziellen Krise zusätzlich noch mit vielen an<strong>der</strong>en Problemen zu kämpfen haben. Primär geht es <strong>in</strong> unseren Beratungen um materielle Notsituationen: Mietrückstände, Nachzahlungen bei Energiekosten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>malige Unterstützungen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Durch die verschiedenen Berufsausbildungen, Talente und Erfahrungen <strong>in</strong> unserem Team s<strong>in</strong>d aber auch Menschen, die persönlichen Rat o<strong>der</strong> Begleitung brauchen, gut bei uns aufgehoben. Manchmal reicht e<strong>in</strong> Gespräch, das dar<strong>in</strong> bestärkt, den (Aus)Weg aus <strong>der</strong> Krise eigenständig weitergehen zu können. Oftmals aber nicht... Viele Betroffene haben nur noch Augen für ihre Krise. Sie fühlen sich ausgelaugt, hilflos, mut- und kraftlos. Es fehlt ihnen die Energie, e<strong>in</strong>en Ausweg aus ihrer Lage zu f<strong>in</strong>den. Ihr Selbstbewusstse<strong>in</strong> droht verloren zu gehen, ebenso wie ihre Hoffnung auf Verän<strong>der</strong>ung. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, Menschen zu helfen, sich ihre Eigenverantwortung und Zuversicht zurück zu erobern. Das geht meist nicht von heute auf morgen, son<strong>der</strong>n benötigt e<strong>in</strong>e Begleitung über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum. Für uns ist Not we<strong>der</strong> pe<strong>in</strong>lich noch erschreckend - und sie ist uns auch nicht gleichgültig. So pflegen wir seit Jahren die Tradition e<strong>in</strong>es Solidaritäts-Suppen-Essens nach dem Diako-nie-Gottesdienst <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Johanneskirche</strong>, heuer am Sonntag, 25. März. Mit Ihrer Spende dafür helfen Sie uns, Notleidenden zu helfen. Fühlen Sie sich herzlich e<strong>in</strong>geladen! Brigitte Paier Claudia Röthy 2 3