Gerdi Stoll - Lebendige Gemeinde
Gerdi Stoll - Lebendige Gemeinde
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Vortrag vom ChristusTag 11. Juni 2009 – Weingarten<br />
Jesus heilt die Schuldigen – Markus 2, 1-12<br />
<strong>Gerdi</strong> <strong>Stoll</strong>, Sulz<br />
Waren Sie im letzten Jahr auch vom Obama-Fieber gepackt? Da tritt doch ein Mann in Amerika auf<br />
die Bildfläche: Außergewöhnlich, in guter Erscheinung und mit sicherem Auftreten, mit einer enormen<br />
Überzeugungskraft und der Bereitschaft, die Ärmel hochzukrempeln. Er will sich den Krisen und<br />
Herausforderungen seines Volkes stellen. Und er hat eine Vision. Er möchte sein Volk aus seiner depressiven<br />
Müdigkeit, seiner Antriebslosigkeit und Gelähmtheit heraus wachrütteln, Junge und Alte,<br />
Schwarze und Weiße.<br />
Weltweit wird diese Entwicklung bis heute mit Spannung verfolgt. In guten Zeiten, ob im gesellschaftlichen<br />
oder im persönlichen Bereich, schaffen wir unser Leben doch meist mühelos allein. Profit,<br />
Karriere und Erfolg weisen den Weg nach vorne. Störfaktoren werden weitgehend ausgeschaltet.<br />
Was geht mich da mein Nächster an, der in Not ist? Ich habe doch genug mit mir zu tun, um voranzukommen!<br />
Was kümmert es uns heute, wie die Entwicklung in die Zukunft hinein aussehen wird?<br />
Wir leben jetzt.<br />
Weltweite Katastrophen können uns zutiefst berühren. Finanzielle Unterstützung und Gebet sind<br />
möglich. Doch eines Tages werden wir uns wohl wieder abschotten – zum eigenen Schutz. Und wir<br />
gehen weiter, solange unser Leben im grünen Bereich liegt.<br />
Droht jedoch Gefahr, werden wir selber schuldig, dann wird die Obama-Frage auch für uns akut. Das<br />
Obama-Fieber im letzten Jahr ist für mich Ausdruck einer tiefen Sehnsucht des Menschen nach Gesundheit,<br />
Wohlbefinden und Frieden, nach Sicherheit und Heil, nach Entlastung und Erlösung aus<br />
den Sümpfen unseres Lebens. Doch kein Mensch kann diese Sehnsucht in uns vollständig stillen. Es<br />
ist allein Jesus Christus, der Herr.<br />
Das bezeugt auch unser Bibeltext: Markus 2, 1-12<br />
Die Scheinwerfer fallen auf Kapernaum am See Genezareth. Dort hat sich Jesus gerne aufgehalten.<br />
Längst hat sich herumgesprochen, dass er den Menschen Wesentliches zu sagen hat. Seine Worte<br />
haben Kraft und Macht, seine Worte geben Hoffnung.<br />
Während er im Innenhof des Hauses von Simon und Andreas steht und spricht, haben sich die Leute<br />
um ihn herum durchs Haus hindurch bis auf die Straße hinaus versammelt. Voller Konzentration, ob<br />
bedürftig oder auch kritisch, hängen sie an seinen Lippen.<br />
Plötzlich wird es unruhig. Kommt da doch eine Menschengruppe an und bahnt sich unbeirrt durch<br />
die dicht gedrängte Hörerschar hindurch den Weg zu Jesus. Sie brauchen Platz. In ihrer Mitte stützen<br />
vier Männer eine Bahre, auf der ein Kranker liegt.<br />
Was mag ihrer mutigen Entscheidung wohl schon alles vorausgegangen sein? Ich denke an gute<br />
Freunde und Bekannte, die sich über viele Jahre hinweg unterschiedlichen Therapien ausgesetzt haben<br />
und immer wieder die Ohnmacht der Ärzte verspürten. Wie lange schon haben wir selber um<br />
hilfreiche Wege für sie gerungen!
Wie viele Wege sind wir alle schon im medizinischen Bereich gegangen, die uns Hoffnung versprachen<br />
und vielleicht sogar Erfolg brachten. Ein wahres Geschenk fürs Leben!<br />
Und dann gibt es eben auch Lebenswege, die anders verlaufen. Darauf können wir sehr unterschiedlich<br />
reagieren, z.B.: „Meine Freundin ist so erschüttert über ihre Diagnose, dass sie von einem Heiler<br />
zum anderen flieht, um nur gesund zu werden.“ „Wenn du richtig geglaubt und gebetet hättest,<br />
wäre es erst gar nicht so weit mit deiner Erkrankung gekommen!“ „Du wirst sehen, Jesus kann Wunder<br />
tun!“<br />
Nicht jeder Schritt und nicht jedes Wort sind für jeden Betroffenen hilfreich. Manchmal können sie<br />
sich schutzlos abgefertigt, abgestempelt und ausgeliefert fühlen. Über unserem Bibeltext sind auch<br />
mir schon Tränen gekommen. Denn eine solche Wundererfahrung haben wir an unserem schwerkranken<br />
kleinen Enkel vor zwei Jahren nicht erlebt. Er musste im Alter von zwei Jahren sterben.<br />
Ich bewundere diese vier Freunde. Sie werden den Kranken wohl über lange Zeit begleitet haben. Sie<br />
haben seine Krankheit und seine seelischen Erschütterungen wahrgenommen. Vielleicht konnte er<br />
schon gar nicht mehr glauben und vertrauen. Er war ganz einfach mit Leib, Seele und Geist am Ende.<br />
Wie viele körperliche und seelische Erkrankungen gibt es, die uns an solch eine Grenze führen können.<br />
Bei allem erfahrenen Unverständnis und mangelndem Einfühlungsvermögen werden die<br />
Schmerzen in einer solchen Zeit nur noch vergrößert. Und wie unbarmherzig können wir da auch als<br />
Christen untereinander sein!<br />
Ich denke z.B. an eine Frau mittleren Alters, die schon seit vielen Jahren unter massiven Rückenschmerzen<br />
litt. Sämtliche Therapien brachten nicht den erwünschten Erfolg. Eine gute Bekannte<br />
forderte sie geistlich unaufhaltsam heraus, durch Gebet einfach noch mehr von Jesus zu erwarten.<br />
Persönlich meinte sie es gut, merkte aber nicht, wie sich ihr Gegenüber unter diesem geistlichen<br />
Druck nur noch mehr verkrampfte.<br />
Die vier Männer wurden aus ihrer Liebe zu dem Kranken kreativ: „Für dich gehen wir meilenweit,<br />
wenn es nur eine Hilfe für dich gibt!“ Und dann kam ihnen tatsächlich die Erleuchtung. Nicht Obama<br />
in der Gestalt eines menschlichen Wunderheilers, sondern Jesus, der Sohn Gottes, der ist’s!<br />
Sie sagten nicht locker vom Hocker zu dem Gelähmten: „Nimm dir ein Taxi zu Jesus“ – auch wenn es<br />
nur ein Lastesel gewesen wäre – „Jesus löst deine Probleme.“ Und selber wären sie in ihren Fernsehsesseln<br />
sitzen geblieben und hätten ihre Wasserpfeife weiter geraucht. Nein. Sie haben sich die Situation<br />
ihres Freundes etwas kosten lassen:<br />
Sie sind aus ihrem Leben ausgestiegen. Sie haben Zeit und Kraft geopfert. Sie haben sich von den<br />
scharfen Blicken der Jesuszuhörer nicht beirren lassen. Sie haben eine Mauer durchbrochen, damit<br />
der Kranke ganz nah mit Jesus in Berührung kommen konnte.<br />
Eigentlich verrückt! Die Liebe und Barmherzigkeit Jesu hat sie in der Tat ver-rückt. Sie verließen sich<br />
selbst, gingen zu ihrem Freund und brachten ihn im Glauben, im Für-Glauben zu Jesus. Aus ihrer<br />
Selbstlosigkeit heraus waren sie offen für die Bedürftigkeit ihres Freundes und erwartungsvoll ihrem<br />
Herrn und Heiland gegenüber. Das ist wahre, gelebte Diakonie und Seelsorge!<br />
Bei einem Frauenfrühstück kam ich ins Gespräch mit einer älteren Frau, die den Selbstmord ihrer<br />
hundertjährigen Mutter nicht verkraften konnte. Fragen, Anfechtungen, Zweifel brachen aus ihr<br />
heraus. Doch sie war an diesem Morgen liebevoll umgeben von Frauen aus ihrer <strong>Gemeinde</strong>. Mit ihrer<br />
Körpersprache und mit ihren Worten gaben sie der Trauernden ganz deutlich zu verstehen: „Du bist<br />
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jetzt in einer schweren Situation. Wir lassen dich nicht allein. Wir begleiten dich. Wir stehen dir zur<br />
Seite.“<br />
Welche Kraft erwächst aus solch einem Miteinander, wo Menschen sich von Jesus berühren lassen<br />
und nach ihren Möglichkeiten seine Liebe weitergeben. Ein so gelebter Glaube kann Berge versetzen.<br />
Doch blenden wir uns noch einmal in Kapernaum ein. Jesus sah die Freunde und nahm auch den<br />
Gelähmten ganz wahr. Er sah jedoch nicht nur seine körperliche oder seelische Lähmung. Sein Blick<br />
hat grundsätzlich Tiefgang. Somit deckte er in dem kranken Mann einen Virus auf, von dem wir alle<br />
infiziert sind. Dazu gehören nicht nur der Gelähmte, sondern auch die Jünger, die Pharisäer – ganz<br />
einfach alle Menschen durch die Weltgeschichte hindurch – bis heute. Dazu gehören auch ich und<br />
du – und kein Mensch kann ihn heilen.<br />
Dieser Virus hat etwas mit unserer Entwurzelung von Gott zu tun. Und er schlummert in jedem von<br />
uns. Dadurch sind wir an Leib und Seele angreifbar. Wir sind verletzbar. Wir können körperlich und<br />
seelisch gelähmt sein. Wir können selber schuldig werden oder auch von Schuldgefühlen geplagt<br />
sein. Wir können sogar körperlich und seelisch völlig gesund sein und dennoch in der Lebenswurzel<br />
total krank.<br />
Wenn Jesus nun zu dem Kranken sagt: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben“, entmachtet er<br />
mit seinem Wort diesen tödlichen Lebensvirus. Und damit macht er ihm deutlich: „Es gibt nichts<br />
mehr, was dich von mir trennt. Ich bin bei dir. Du gehörst zu mir. All meine Liebe und Wertschätzung<br />
sollst du von mir erfahren. Als der Sohn Gottes bin ich der Erlöser. Ich bin dein Erlöser.“<br />
Nicht nur den Schriftgelehrten damals war Jesus mit dieser Reaktion ein Ärgernis. Wie viele Menschen<br />
tun sich auch heute mit dem Handeln Jesu schwer!<br />
Doch in Jesus Christus bekennt sich Gott zu seinem Ziel mit uns Menschen: Er wollte uns ganz nahe<br />
kommen – deshalb wurde Er in Jesus Christus Mensch. Er wollte den Folgen dieses tödlichen Virus<br />
auf Dauer nicht nur zusehen. Deshalb sollte sein geliebter Sohn ihn unschädlich machen, indem er<br />
sich kreuzigen ließ – ohne von ihm selber infiziert zu sein! Und genau deshalb kann Jesus als wahrer<br />
Mensch und wahrer Gott zu dem Kranken sagen: „Dir sind deine Sünden vergeben.“<br />
Das ist Gottes wunderbarer Weg, dass wir in unserer Lebenswurzel gesund und heil werden können –<br />
egal, wie sich auch unsere äußere Situation entwickeln wird.<br />
Und dieser Weg geht weiter: Wenn nun Jesus ganz souverän im Angesicht seiner Anhänger und Kritiker<br />
dem Kranken, der ja immer noch gelähmt ist, den Auftrag gibt: „Ich sage dir, steh auf, nimm<br />
dein Bett und geh heim!“, blicke ich auf diesen Satz mit zwei unterschiedlichen Augen. Das eine Auge<br />
schaut in die Nähe, das andere in die Ferne.<br />
Dieser Satz kann für einen Kranken handfest in seiner augenblicklichen Situation gelten: „Ich zeige<br />
dir Wege auf bzw. gebe dir die Kraft, wieder mit Leib und Seele gesund zu werden. Du sollst aufrecht<br />
gehen, belastungsfähig werden und zu Hause deinen Alltag in die Hand nehmen können.“<br />
Er kann aber auch unsere Erwartung korrigieren: Dazu der Auszug aus dem Brief einer Ehefrau: „Bis<br />
zuletzt hat mein Mann Gott zugetraut, dass er ihn heilen kann. Aber Gott hatte es anders beschlossen.“<br />
Und weiter schrieb sie: „Mein Mann hatte an Heilung geglaubt. Aber er konnte auch diesen<br />
Weg aus Gottes Hand annehmen.“ Ja, Gott weitete den Blick ihres Mannes über sein Leben und<br />
Sterben hinaus: Unsere Sehnsucht, völlig befreit und in keiner Weise mehr krank und gelähmt zu<br />
sein, unsere tiefe Sehnsucht nach einem endgültigen Nach-Hause -kommen und Daheimbleiben<br />
können wir eigentlich erst erfüllt erleben, wenn wir als Verwandelte in Gottes neuer Schöpfung vom<br />
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Auferstandenen in die Arme geschlossen werden. Wir dürfen uns auf eine wunderbare Zukunft freuen!<br />
Ganz anders erlebte es der bekannte Showmaster Rudi Carrell, der so viele Menschen zum Lachen<br />
gebracht hat. Kurz vor seinem Krebstod bekannte er, dass er nicht an ein Weiterleben glaube. Er<br />
sagte: „In die Kiste rein, Deckel drauf und damit ist alles aus.“<br />
Auch die Schauspielerin Iris Berben, die das Buch schrieb „Älter werde ich später – Das Geheimnis,<br />
schön und sinnlich, fit und entspannt zu sein“, gesteht ganz offen: „Ich würde so gerne immer weitermachen<br />
und habe unendliche Angst abzutreten. Mit dem Tod ist es vorbei.“<br />
In beiden Fällen ein amputiertes Leben – ohne Hoffnung. Wer jedoch mit dem Heiland Jesus Christus<br />
in Berührung kommt, für den ist am Ende seines Lebens, ob jung oder alt, gesund oder krank nicht<br />
die Kiste das Letzte. Das Schönste steht ihm noch bevor! Er wird verwandelt in ein blühendes, unsterbliches<br />
Leben.<br />
Aus einer solchen Zukunftsperspektive heraus und zusätzlich vom tödlichen Lebensvirus geheilt,<br />
bekommt mein Leben im Heute eine neue Würde. Es ist wert-voll, ob ich nun stark oder schwach,<br />
krank oder gesund bin, weil ich aus der göttlichen Entlastung heraus eine neue Lebenschance geschenkt<br />
bekomme.<br />
Wenn das nicht Grund zu echter Freude ist!<br />
Bitte beachten Sie:<br />
Es gilt das gesprochene Wort. Die Texte und Referate sind ausschließlich für den privaten Gebrauch<br />
bestimmt. Wenn Sie die Texte in einem anderen Zusammenhang veröffentlichen oder kommerziell<br />
verwenden möchten, wenden Sie sich bitte vorher an die jeweiligen Autorinnen und Autoren.<br />
Dieser Vortrag wird Ihnen zur Verfügung gestellt von der<br />
Ludwig-Hofacker-Vereinigung e.V.<br />
Saalstr. 6<br />
70825 Korntal-Münchingen<br />
Tel. 0711 - 83 46 99 - Fax 8 38 80 86<br />
Email: info@lebendige-gemeinde.de<br />
Internet: www.lebendige-gemeinde.de<br />
KIRCHE IST, WO GEMEINDE LEBT.<br />
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