Programmheft
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Tonalitäten<br />
Zur Musik von ‚Das Grab des weissen Mannes'<br />
In jedem Musik Theater, sprich Musical, sind Musik und Worte, einschliesslich der<br />
Dialoge, kaum zu trennen. Sie ergänzen und kommentieren einander, auch wenn das<br />
Publikum dies meist nicht bewusst mitbekommt.<br />
Als die Möglichkeit eines Musicals zur 200–Jahr-Feier der Basler Mission Gestalt<br />
annahm, stellte sich die Frage nach der Musik ebenso, wie die nach dem „Tonfall“ des<br />
Textes.<br />
Es gibt in Ghana eine Vielzahl von Sprachen und kulturellen Eigenheiten zu<br />
berücksichtigen, auch wenn das Musical nicht „in Afrika“, sondern „in der Mission“<br />
spielt, also eher in einem Warteraum auf dem Weg dorthin.<br />
Zudem stellte sich die Frage nach unseren Zielgruppen? Da gab es viele zu<br />
berücksichtigen. Die allerdings grösste Zielgruppe dürfte jene mit den 70%<br />
Protestanten sein, die seit dem 2. Weltkrieg ihre Kirche, aus was für Gründen auch<br />
immer, hinter sich gelassen hatten. Für mich hiess dies, dass Glaubwürdigkeit ein<br />
zentrales Ziel sein musste.<br />
Musikalisch war Johann Sebastian Bach sicher ein grosser gemeinsamer Nenner, aber<br />
vom Hauptwerk her nicht durchführbar. Jedoch gab es da ja noch Bachs Choräle:<br />
Weitgehend nicht von Bach selbst komponiert und oft sogar um einiges älter.<br />
Die deutsche Hochsprache entwickelte sich als Reaktion auf Luthers Bibelübersetzung<br />
und hat damit eigentlich dieselben Ur-Wurzeln wie der Protestantismus<br />
selbst. (So steht das von Luther getextete Weihnachtlied „Vom Himmel hoch“ für<br />
diese Beziehung.) Viele der Choral-Texte stammen also aus einer Zeit, in der Deutsch,<br />
sprachlich und geistig, erst anfing sich selbst zu finden. Melodien wie Worte sind von<br />
einer Zeit konfessioneller Auseinandersetzungen geprägt, haben in ihrer Direktheit,<br />
eine eigene Dringlichkeit und Kraft, die ihresgleichen sucht.<br />
Ein guter Teil der Dialoge im Stück sind Zitate aus Tagebüchern und Dokumenten. So<br />
zum Beispiel Ruths Schiffreise, die man ja so kaum erfinden könnte – und wohl auch<br />
nicht sollte. Die Missionare sprechen ein Hochdeutsch, welches, wenn auch leicht<br />
angelehnt an Wilhelm Busch, doch noch verständlich tönen soll. Die Entscheidung die<br />
„Afrikaner“ Mundart sprechen zu lassen hat sowohl dramatische als auch politische<br />
Gründe. Erstens wollte ich, dass sie uns emotional am nächsten sind. Zudem war es<br />
mir wichtig, die Vielzahl ghanaischer Sprachen (Twi, Ga und andere) zu spiegeln. Die<br />
Dialoge wurden deshalb den tatsächlichen Dialekten der Darsteller angepasst. Zum<br />
Beispiel ist „David“ ein gebürtiger Flame und somit jemand, der sich quasi als Ga-<br />
Sprechender in Twi verständigen muss, oder die Darstellerin der „Yaa Yaa“ kommt aus<br />
Wien. All dies lässt die Vielzahl der Kulturen und Sprachfärbungen in Ghana<br />
anklingen, welche denen des deutschen Sprachraums in keiner Hinsicht nachstehen.<br />
Gleichzeitig haben gerade diese Mundarten dann auch wieder die gleiche Echtheit