Personalentwicklung und Resilienz Das ... - DrSchumacher.de
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Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Resilienz</strong><br />
<strong>Das</strong> <strong>Resilienz</strong>training: „P4C Prevention for Crisis”<br />
In diesem Beitrag erfahren Sie,<br />
• welche zentrale Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> im Alltag von Managern zukommt,<br />
• warum sich <strong>Personalentwicklung</strong> stärker mit <strong>de</strong>m Thema <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> von<br />
Führungskräften beschäftigen sollte,<br />
• welche situativen Voraussetzungen für das Training <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> vorliegen<br />
sollten,<br />
• welche 4 Basiskompetenzen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> die Gr<strong>und</strong>lage für das präventiv<br />
ausgerichtete Trainingskonzept „P4C Prevention for Crisis“ bil<strong>de</strong>n,<br />
• mit welchen zentralen Metho<strong>de</strong>n die 4 Basiskompetenzen im P4C-Training<br />
(weiter-)entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Autoren<br />
Dr. Gotthard Pietsch, Diplom-Ökonom, Diplom-Sozialwissenschaftler<br />
wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation<br />
<strong>und</strong> Planung an <strong>de</strong>r FernUniversität in Hagen, Organisationsberater <strong>und</strong><br />
Management-Coach,<br />
Kontakt: gotthard.pietsch@fernuni-hagen.<strong>de</strong>, http://www.fernunihagen.<strong>de</strong>/scherm/team/gotthard.pietsch.shtml<br />
Dr. Stefan Schumacher, Sozialwissenschaftler, Diplomtheologe, psychologischer Berater,<br />
Lehrtrainer <strong>und</strong> Lehrcoach (DVNLP)<br />
Leiter <strong>de</strong>r TelefonSeelsorge Hagen-Mark, Vizepräsi<strong>de</strong>nt IFOTES (International Fe<strong>de</strong>ration<br />
of Telephone Emgergency Services)<br />
Kontakt: coaching@drschumacher.<strong>de</strong>, www.drschumacher.<strong>de</strong><br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Manager, <strong>Personalentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Resilienz</strong><br />
1.2 20 Minuten Manageralltag<br />
1.3 Belastungen im Management<br />
1.4 <strong>Resilienz</strong> im Fokus <strong>de</strong>r <strong>Personalentwicklung</strong><br />
2 <strong>Resilienz</strong> als Gegenstand <strong>de</strong>r Forschung <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Trainings<br />
2.1 <strong>Resilienz</strong> <strong>und</strong> <strong>Resilienz</strong>forschung<br />
2.2 Situative Voraussetzungen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>s <strong>Resilienz</strong>trainings<br />
3 <strong>Resilienz</strong>training “P4C Prevention for Crisis”<br />
3.1 Die 4 Basiskompetenzen im P4C-Mo<strong>de</strong>ll<br />
3.2 Assertiveness<br />
3.3 Achtsamkeit<br />
3.4 Zielklarheit/Prozessoffenheit<br />
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3.5 Experiment/Reflexion <strong>und</strong> Syn-Egoismus<br />
4 Krisenverläufe <strong>und</strong> die 4 Basiskompetenzen <strong>de</strong>s P4C-Mo<strong>de</strong>lls<br />
5 Fazit<br />
1 Manager, <strong>Personalentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Resilienz</strong><br />
1.1 20 Minuten Manageralltag<br />
Thomas Meier ist mittlerer Manager im Personalbereich eines mittelständischen Unternehmens.<br />
Wie immer beginnt er seinen Arbeitstag spätestens morgens um acht.<br />
Nach<strong>de</strong>m er gestern schon um 21:30 Uhr Schluss gemacht hat, ist sein Email-Ordner<br />
bereits (kurz nach acht) wie<strong>de</strong>r mit 44 ungelesenen Emails gefüllt. Gera<strong>de</strong> öffnet er<br />
die erste Mail, da ruft sein Chef an. Er braucht unbedingt ein Briefing zur Diskussion<br />
mit <strong>de</strong>m Betriebsrat über die geplante Restrukturierung <strong>de</strong>s Vertriebsbereichs <strong>und</strong><br />
zwar um 11:30 Uhr. Als er gera<strong>de</strong> überlegt, welche wichtigen Instruktionen er eigentlich<br />
seinem Chef mitgeben könnte, ruft <strong>de</strong>r Geschäftsführer <strong>de</strong>r polnischen Nie<strong>de</strong>rlassung<br />
an. In (äußerst) gebrochenem Englisch möchte er Informationen über die für<br />
<strong>de</strong>n polnischen Standort erwogenen Personalfreisetzungsmaßnahmen. Thomas<br />
Meier ist jedoch überhaupt nicht klar, was er da sagen soll o<strong>de</strong>r darf. Er wimmelt <strong>de</strong>n<br />
Anrufer ab, um das Thema später beim Briefing um 11:30 Uhr – zumin<strong>de</strong>st kurz –<br />
anzusprechen. Vor seinem für Freitag geplanten Flug nach Polen kann er auf diesem<br />
Weg noch etwas über die Kommunikationsstrategie für <strong>de</strong>n geplanten Personalabbau<br />
erfahren. Die roten Zahlen lassen sich einfach nicht leugnen. Häufiger stellt sich<br />
Thomas Meier <strong>de</strong>shalb selbst die Frage, wie sicher eigentlich sein Arbeitsplatz ist.<br />
Auch seine Frau spricht ihn in letzter Zeit auffallend häufig darauf an, wie er sich eigentlich<br />
die familiäre Zukunft vorstellt. Während er noch darüber nach<strong>de</strong>nkt, ist die<br />
Zahl <strong>de</strong>r ungelesenen Emails auf 62 angestiegen. Ein Blick in <strong>de</strong>n Email-Ordner lässt<br />
ihn erschrecken. Darunter ist die Mail von <strong>de</strong>r IHK. Sie erinnert ihn an die morgige<br />
Präsentation <strong>de</strong>r Personalstrategie <strong>de</strong>s Unternehmens, bei <strong>de</strong>r er seinen Kollegen<br />
Peter Frühauf vertreten muss. Seit<strong>de</strong>m Frühauf bei <strong>de</strong>r letzten Beför<strong>de</strong>rungswelle<br />
nicht berücksichtigt wur<strong>de</strong>, ist er einer <strong>de</strong>r Kollegen, die ihm gern Schwierigkeiten<br />
bereiten. Die (Standard-)Folien für die IHK-Präsentation sind zwar fertig, aber flüssig<br />
läuft die Präsentation bei ihm nicht. Um 11:30 Uhr hätte er Zeit gehabt, sich zumin<strong>de</strong>st<br />
ein wenig darauf vorzubereiten …<br />
1.2 Belastungen im Management<br />
Die oben skizzierten 20 Minuten Manageralltag sind keine Seltenheit. Die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>und</strong> Belastungen in <strong>de</strong>r Arbeitswelt haben sich in <strong>de</strong>n letzten bei<strong>de</strong>n Jahrzehnten<br />
<strong>de</strong>utlich verschärft. Dies betrifft nicht zuletzt die Manager, aber natürlich<br />
auch an<strong>de</strong>re Mitarbeiter. Im Kontext <strong>de</strong>r dynamischen Wettbewerbsbedingungen ist<br />
insbeson<strong>de</strong>re das mittlere Management hohen Belastungen ausgesetzt. Unmittelbar<br />
sind sie mit <strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>rsprüchlichen Erwartungen vor- sowie nachgelagerter Hierarchieebenen<br />
<strong>und</strong> dabei häufig mit permanenter Unzufrie<strong>de</strong>nheit konfrontiert. Arbeitstage<br />
von zwölf St<strong>und</strong>en gelten nicht selten als selbstverständliche Pflicht. Der<br />
zunehmen<strong>de</strong> Experten-Einfluss för<strong>de</strong>rt die Unüberschaubarkeit über die komplexen<br />
Prozesse im eigenen Aufgabenbereich <strong>und</strong> die Abhängigkeit von nachgeordneten<br />
Hierarchieebenen. Die IuK-Technik ruft eine hohe Informationsverdichtung <strong>und</strong> nicht<br />
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selten Informationsüberlastung hervor. In <strong>de</strong>n verschlankten Organisationsstrukturen<br />
entsteht harte Konkurrenz um begrenzte Aufstiegschancen, die mitunter von ausgeprägten<br />
mikropolitischen Prozessen begleitet wird. Manchmal ergibt sich daraus eine<br />
verbreitete Atmosphäre <strong>de</strong>s Misstrauens, welche soziale Unterstützung zwischen<br />
Kollegen zur Seltenheit wer<strong>de</strong>n lässt.<br />
Gleichwohl sind Manager laufend mit Situationen hoher Unsicherheit <strong>und</strong> Komplexität<br />
sowie gegebenenfalls hohen persönlichen Risiken konfrontiert. Der ausgeprägte<br />
Zeit- <strong>und</strong> Handlungsdruck lässt zu<strong>de</strong>m kaum noch Zeit zur Reflexion, geschweige<br />
<strong>de</strong>nn zur Besinnung. In Krisenzeiten wird auch die Managementposition zunehmend<br />
zum Schleu<strong>de</strong>rsitz, <strong>und</strong> zur gestiegenen Arbeitsplatzunsicherheit gesellen sich nicht<br />
selten viele Belastungen im privaten Bereich. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> treten die Belastungen<br />
im Management auf allen Ebenen in einer Organisation auf. Sie entstammen<br />
<strong>de</strong>r Gesamtorganisation (Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Unternehmens wie z. B. Kostendruck,<br />
Ausmaß <strong>de</strong>r Arbeitsplatzunsicherheit, Arbeitsbedingungen), <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r<br />
Gruppen in einem Unternehmen (z. B. Führungsverhalten <strong>de</strong>s Vorgesetzten, soziale<br />
Beziehungen am Arbeitsplatz) sowie <strong>de</strong>r individuellen Ebene (z. B. Rollenunklarheit,<br />
Personalverantwortung, daily hassles <strong>de</strong>s Privatbereichs) (vgl. dazu Stoffer 2006).<br />
Dabei ist die alltägliche Arbeit von Managern vor allem durch Kommunikation mit <strong>de</strong>n<br />
unterschiedlichsten Stakehol<strong>de</strong>rn geprägt. Letztere stellt sich häufig als äußerst konfliktreich<br />
dar, produziert nur selten konkrete, sichtbare (Arbeits-)Ergebnisse <strong>und</strong> zugleich<br />
wer<strong>de</strong>n viele Aktivitäten sogar als Zeitverschwendung erlebt (vgl. Kotter 1999).<br />
Dies stellt manchen Manager vor eine persönliche Sinnfrage, die Mayrhofer (1999, S.<br />
257) folgen<strong>de</strong>rmaßen auf <strong>de</strong>n Punkt gebracht hat: „Manager tun nichts, sie re<strong>de</strong>n<br />
nur?!“ In seiner bekannten Untersuchung charakterisiert Kotter (1999, S. 145) das<br />
Verhalten erfolgreicher Manager recht plastisch: „They chat about hobbies, hold<br />
spur-of-the-moment meetings, and seek out people far from their chain of command<br />
– all to combat the uncertainty and resistence inherent in their work.” Angesichts dieser<br />
verbreiteten Situation kommen Manager auf Dauer kaum ohne eine Kompetenz<br />
aus, die heute häufig als „<strong>Resilienz</strong>“ bezeichnet wird (vgl. z. B. Maddi/Khoshaba<br />
2005). Wi<strong>de</strong>rstandsfähigkeit durch flexibles Han<strong>de</strong>ln, Eigenaktivität <strong>und</strong> Gestaltungskompetenz<br />
wird in <strong>de</strong>n psychosozialen Disziplinen mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> umschrieben.<br />
Es han<strong>de</strong>lt um ein hohe psychische Elastizität bzw. psychische „Pufferungsfähigkeit“<br />
im Umgang mit belasten<strong>de</strong>n Situationen.<br />
Ziel <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Überlegungen ist es, die Be<strong>de</strong>utung einer För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong><br />
von Mitarbeitern (insbeson<strong>de</strong>re Managern) in <strong>de</strong>r <strong>Personalentwicklung</strong> von Unternehmen<br />
herauszustellen <strong>und</strong> das praktisch erprobte <strong>Resilienz</strong>training „P4C Prevention<br />
for Crisis“ vorzustellen, das im Rahmen <strong>de</strong>r Führungskräfteentwicklung effektiv<br />
einsetzbar ist, um die individiuelle <strong>Resilienz</strong> von Managern zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Zu diesem Zweck ver<strong>de</strong>utlicht <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong> Abschnitt 1.3, dass <strong>Resilienz</strong> als be<strong>de</strong>utsames<br />
Thema <strong>de</strong>r <strong>Personalentwicklung</strong> anzusehen ist. Anschließend wer<strong>de</strong>n in Kapitel<br />
2 Gr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>forschung vorgestellt <strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re die situativen<br />
Voraussetzungen eines Trainings <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> geklärt. Schließlich erfolgt in Kapitel<br />
3 die Darstellung <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>n Autoren entwickelten <strong>Resilienz</strong>trainings „P4C Prevention<br />
for Crisis“. In diesem Zusammenhang wer<strong>de</strong>n zunächst die 4 Basiskompetenzen<br />
<strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> („P4C-Mo<strong>de</strong>ll“) erarbeitet. Im Anschluss wer<strong>de</strong>n für je<strong>de</strong> Basiskompetenz<br />
<strong>de</strong>s P4C-Mo<strong>de</strong>lls erprobte Trainingsmetho<strong>de</strong>n aufgezeigt. <strong>Das</strong> Kapitel 4 ver<strong>de</strong>utlicht<br />
schließlich die beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung spezifischer Basiskompetenzen <strong>de</strong>s<br />
P4C-Mo<strong>de</strong>lls für einzelne Phasen <strong>de</strong>r Krise <strong>und</strong> Kapitel 5 bietet ein kurzes Fazit.<br />
3
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1.3 <strong>Resilienz</strong> im Fokus <strong>de</strong>r <strong>Personalentwicklung</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> richtet sich auf die För<strong>de</strong>rung berufsrelevanter Kenntnisse, Fähigkeiten,<br />
Einstellungen usw. <strong>und</strong> greift dabei vor allem auf Maßnahmen <strong>de</strong>r Weiterbildung,<br />
<strong>de</strong>r Beratung bzw. Betreuung sowie <strong>de</strong>r Arbeitsgestaltung zurück (vgl. Solga<br />
et al. 2008, S. 19). Es geht insbeson<strong>de</strong>re darum, die beruflichen Handlungskompetenzen<br />
<strong>de</strong>r Mitarbeiter systematisch weiter zu entwickeln, so dass sie <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
gewachsen sind <strong>und</strong> die Realisierung <strong>de</strong>r strategischen Unternehmensziele<br />
geför<strong>de</strong>rt wird.<br />
Eine strategische <strong>Personalentwicklung</strong> richtet sich vor diesem Hintergr<strong>und</strong> nicht zuletzt<br />
auf die För<strong>de</strong>rung von Schlüsselqualifikationen (hinsichtlich Fähigkeiten, Wissen,<br />
Einstellungen), die zur Bewältigung unternehmensstrategisch relevanter Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen<br />
benötigt wer<strong>de</strong>n. Bei Schlüsselqualifikationen han<strong>de</strong>lt es sich<br />
um solche Kompetenzen, die zur Problembewältigung <strong>und</strong> zu Lernprozessen in vielen<br />
sowie sehr unterschiedlichen Bereichen erfor<strong>de</strong>rlich <strong>und</strong> für die Realisierung <strong>de</strong>r<br />
Unternehmensziele erfolgskritisch sind. Eine solche Schlüsselqualifikation bil<strong>de</strong>t die<br />
(individuelle) <strong>Resilienz</strong> <strong>de</strong>r Mitarbeiter <strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Führungskräfte eines<br />
Unternehmens. Wie oben bereits dargestellt, wer<strong>de</strong>n Manager generell mit vielfältigen<br />
belasten<strong>de</strong>n, kognitiv häufig nicht klar einzuordnen<strong>de</strong>n sowie dynamischen Situationen<br />
<strong>und</strong> hoher Unsicherheit konfrontiert. Manager sind jedoch nicht zuletzt im<br />
Dienste <strong>de</strong>r Unternehmensziele alltäglich gefor<strong>de</strong>rt, diese Situationen zu bewältigen<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig eine innere Balance sowie die eigene Ges<strong>und</strong>heit zu bewahren. Die<br />
durch <strong>de</strong>n <strong>Resilienz</strong>begriff bezeichnete psychische Elastizität bzw. Pufferungsfähigkeit<br />
bil<strong>de</strong>t hierfür eine unbedingte Voraussetzung.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re Unternehmen, die dynamischen Wettbewerbsbedingungen mit kurzen<br />
Produktlebenszyklen <strong>und</strong> globaler Konkurrenz ausgesetzt sind, bleiben auf die individuelle<br />
<strong>Resilienz</strong> ihrer Führungskräfte angewiesen, um letztlich die Unternehmensexistenz<br />
unter <strong>de</strong>n herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n, komplex-dynamischen Rahmenbedingungen<br />
zu sichern. Nicht zuletzt ist die „Elastizität“ <strong>de</strong>r gesamten Organisation in <strong>de</strong>r Interaktion<br />
mit dynamischen Wettbewerbsbedingungen stets in beson<strong>de</strong>rer Weise von <strong>de</strong>r<br />
individuellen <strong>Resilienz</strong> <strong>de</strong>r Führungskräfte bzw. an<strong>de</strong>rer Mitarbeiter abhängig. Die<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> muss daher die <strong>Resilienz</strong> <strong>de</strong>r Führungskräfte in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Unternehmensbereichen im Blick behalten <strong>und</strong> gegebenenfalls zu ihrer (Weiter-)Entwicklung<br />
beitragen. Effektive Trainingskonzepte zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong><br />
wur<strong>de</strong>n bisher jedoch nicht publiziert. Die Basiselemente <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n <strong>Resilienz</strong>trainings<br />
„P4C Prevention for Crisis“ wur<strong>de</strong>n bereits in vielen Workshops, Seminaren,<br />
Trainings sowie Beratungssituationen erprobt <strong>und</strong> erwiesen sich als äußerst effektiv<br />
<strong>Das</strong> Training ist dabei als Präventionskonzept (= „P4C Prevention for Crisis“) zu verstehen,<br />
das unter begrenzten Belastungssituationen Kompetenzen trainiert, die ihre<br />
Wirksamkeit auch in existenziellen Krisensituationen entfalten können. Es basiert auf<br />
<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntifikation von 4 Basiskompetenzen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>. Nach einer kurzen Einführung<br />
in die <strong>Resilienz</strong>forschung wer<strong>de</strong>n die Gr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>s P4C-Trainings im Folgen<strong>de</strong>n<br />
vorgestellt.<br />
2 <strong>Resilienz</strong> als Gegenstand <strong>de</strong>r Forschung <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Trainings<br />
2.1 <strong>Resilienz</strong> <strong>und</strong> <strong>Resilienz</strong>forschung<br />
4
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
Der Begriff <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> basiert etymologisch auf <strong>de</strong>m lateinischen Verb resilere<br />
(= abprallen). Zunächst wur<strong>de</strong> er in <strong>de</strong>r Materialk<strong>und</strong>e verwen<strong>de</strong>t <strong>und</strong> bezeichnet die<br />
Spannkraft, Elastizität bzw. Strapazierfähigkeit eines Materials. Schließlich fand er<br />
auch Eingang in die (ges<strong>und</strong>heits-)psychologische Forschung. In <strong>de</strong>r markiert das<br />
<strong>Resilienz</strong>paradigma die Abkehr von <strong>de</strong>m Defizitmo<strong>de</strong>ll (= d. h. <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit Funktionsstörungen) <strong>und</strong> die Hinwendung zu einem Ressourcen- bzw.<br />
Kompetenzmo<strong>de</strong>ll. Dort bezeichnet er insbeson<strong>de</strong>re (vgl. Staudinger/Greve 2001, S.<br />
101):<br />
• <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r Funktionsfähigkeit trotz vorliegen<strong>de</strong>r beeinträchtigen<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong><br />
sowie<br />
• die Wie<strong>de</strong>rherstellung normaler Funktionsfähigkeit nach erlittenem Trauma.<br />
Ursprünglich analysierte die Ges<strong>und</strong>heitspsychologie die individuelle <strong>Resilienz</strong> jedoch<br />
als – quasi gegebene – Persönlichkeitseigenschaft, die zeitlich weitgehend stabil<br />
<strong>und</strong> situationsübergreifend auftritt. Sie war darauf ausgerichtet, <strong>de</strong>n „Typ“ <strong>de</strong>r resilienten<br />
Persönlichkeit zu i<strong>de</strong>ntifizieren <strong>und</strong> von weniger wi<strong>de</strong>rstandsfähigen Personen<br />
abzugrenzen („Invulnerabilitätskonzept“). Dieses statische <strong>Resilienz</strong>verständnis<br />
konnte sich jedoch auf Dauer nicht halten. <strong>Resilienz</strong> erwies sich als eine nicht konstant<br />
gegebene Eigenschaft, son<strong>de</strong>rn zunehmend wur<strong>de</strong> <strong>Resilienz</strong> als Ergebnis einer<br />
jeweils konkreten Person-Situation-Interaktion verstan<strong>de</strong>n. <strong>Resilienz</strong> ergibt sich dann<br />
als Folge einer effektiven Interaktion <strong>de</strong>r spezifischen Verhaltensmuster einer Person<br />
mit <strong>de</strong>n jeweils vorliegen<strong>de</strong>n Bedingungen einer beson<strong>de</strong>ren Belastungssituation. Bei<br />
<strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> interagieren aus dieser Sicht Personenmerkmale mit Umweltbedingungen<br />
<strong>de</strong>rart, dass effektive Bewältigungsmechanismen ausgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (vgl. Knoll<br />
et al. 2005).<br />
Pionierleistungen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>forschung erbrachten Emmy Werner<br />
<strong>und</strong> ihre Mitarbeiter (vgl. Werner/Smith 2001). In ihrer Längsschnittstudie, <strong>de</strong>r sog.<br />
Kauai-Studie untersuchte sie über einen Zeitraum von 40 Jahren ca. 700 Kin<strong>de</strong>r, die<br />
im Jahre 1955 auf <strong>de</strong>r Hawai-Insel Kauai geboren wur<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> Leben auf dieser Insel<br />
war durch Armut, einem entbehrungsreichen Leben mit vielen sozialen Spannungen<br />
gekennzeichnet. 210 Kin<strong>de</strong>r wuchsen unter beson<strong>de</strong>rs belasten<strong>de</strong>n Bedingungen<br />
auf (Vernachlässigung, Misshandlung, Krankheit <strong>de</strong>r Eltern etc.). In einem interdisziplinären<br />
Team von Kin<strong>de</strong>rärzten, Krankenschwestern, Psychologen <strong>und</strong> Sozialarbeitern<br />
wur<strong>de</strong> die Entwicklung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r im Alter von 1, 2, 10, 18, 32 <strong>und</strong> 40 untersucht.<br />
Zwei Drittel <strong>de</strong>r Risikokin<strong>de</strong>r entwickelte ausgeprägte Lern- <strong>und</strong> Verhaltensprobleme.<br />
Ein Drittel <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs risikobelasteten Kin<strong>de</strong>r zeigte jedoch eine positive<br />
Entwicklung, keine Verhaltensauffälligkeiten, erreichte gute schulische Erfolge<br />
<strong>und</strong> eine weitreichen<strong>de</strong> Einbettung in soziale Beziehungen. <strong>Das</strong> Team von Emmy<br />
Werner i<strong>de</strong>ntifizierte eine Vielzahl von Schutzfaktoren, die dazu beitrugen, dass das<br />
Leben dieser Gruppe eine positive Wen<strong>de</strong> vollzog. Zu diesen Schutzfaktoren zählen<br />
Persönlichkeitsmerkmale <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s sowie Merkmale <strong>de</strong>r familiären sowie außerfamiliären<br />
Umgebung. Hierzu gehörten:<br />
• eine zumin<strong>de</strong>st durchschnittliche Intelligenz, ein positives Temperament, sozial<br />
aktives Verhalten,<br />
• eine enge emotionale Bindung zu wichtigen Bezugspersonen (z. B. Eltern, Erzieherinnen,<br />
Lehrer)<br />
• Unterstützung durch soziale Einrichtungen (Schule, Kirche etc.) <strong>und</strong> ermutigen<strong>de</strong>s<br />
Verhalten <strong>de</strong>s Umfelds<br />
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<strong>Das</strong> Risiko-/Schutzfaktoren-Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Kauai-Stui<strong>de</strong> prägte die <strong>Resilienz</strong>forschung<br />
nachhaltig; <strong>de</strong>nnoch richtete sich die Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>forschung zunehmend<br />
auf an<strong>de</strong>re Fragestellungen. Die Verbindung <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>forschung mit<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r-, Jugendlichen- <strong>und</strong> Familienforschung blieb bestehen; jedoch geht es<br />
mittlerweile weniger darum, die Entwicklung von Kin<strong>de</strong>rn mit beson<strong>de</strong>ren Risikolagen<br />
zu analysieren; vielmehr sollen die Wi<strong>de</strong>rstandskräfte <strong>und</strong> Ressourcen generell geför<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n, um die psychische Elastizität in unterschiedlichen Lebenssituation<br />
generell zu för<strong>de</strong>rn. Damit richtet sich die Forschung aktuell eher auf die Prävention,<br />
so dass bereits frühzeitig ineffektive Bewältigungsversuche vermie<strong>de</strong>n <strong>und</strong> angemessene<br />
Strategien entwickelt wer<strong>de</strong>n können. <strong>Das</strong> folgen<strong>de</strong> Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong><br />
<strong>und</strong> das darauf gerichtete Training fokussieren auf dieses Ressourcenmo<strong>de</strong>ll <strong>und</strong><br />
unterstützen nicht zuletzt Manager dabei, die eigene individuelle <strong>Resilienz</strong> (weiter) zu<br />
entwickeln. Es ist nicht zuletzt in <strong>de</strong>r <strong>Personalentwicklung</strong> einsetzbar. Da jedoch <strong>Resilienz</strong><br />
nicht in je<strong>de</strong>r Situation trainiert wer<strong>de</strong>n, ist im Folgen<strong>de</strong>n auf situativen Voraussetzungen<br />
einzugehen<br />
2.2 Situative Voraussetzungen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>s <strong>Resilienz</strong>trainings<br />
Damit sind wir zunächst bei <strong>de</strong>r zentralen situativen Voraussetzung <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong><br />
angelangt: <strong>de</strong>r Krise. Krisensituationen sind Momente im Leben eines Menschen in<br />
<strong>de</strong>nen er/sie <strong>Resilienz</strong>, d. h. Flexibilität <strong>und</strong> psychische Elastizität, bedarf, um ges<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> gestärkt aus jenem Verän<strong>de</strong>rungsprozess hervorzugehen. Dies gilt in gleicher<br />
Weise für Manager, die bereits im Alltag hohen Belastungen ausgesetzt sind <strong>und</strong><br />
nicht selten einer existenziell bedrohlichen Krise ausgesetzt sind, wenn zusätzlich zu<br />
<strong>de</strong>n beruflichen Belastungen ges<strong>und</strong>heitliche Probleme auftreten o<strong>de</strong>r weitreichen<strong>de</strong><br />
Anfor<strong>de</strong>rungen im Privatleben hinzu kommen.<br />
Unter Krise (griechisch = be<strong>de</strong>nkliche Lage, Zuspitzung, Entscheidung, Wen<strong>de</strong>punkt)<br />
wird ein psychischer Ausnahmezustand bzw. eine akute Überfor<strong>de</strong>rung verstan<strong>de</strong>n,<br />
bei <strong>de</strong>r die gewohnten Bewältigungsstrategien unter <strong>de</strong>m Einfluss belasten<strong>de</strong>r bzw.<br />
traumatischer, äußerer o<strong>de</strong>r innerer Lebensereignisse versagen<br />
(Stumm/Wilschko/Keil 2003). Sie gilt als Zustand, <strong>de</strong>r zur raschen Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />
eines neuen Gleichgewichts drängt, da sie das seelisch-körperliche Gleichgewicht<br />
nachhaltig bedroht.<br />
<strong>Das</strong> Entstehen bzw. konstruktive Bewältigen einer Krise hängt von einer Reihe von<br />
Faktoren ab, insbeson<strong>de</strong>re von <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> bzw. <strong>de</strong>n Bewältigungsmuster einer<br />
Person. Auch <strong>de</strong>r Verlauf <strong>und</strong> die subjektive Wahrnehmung einer Krise sind von<br />
Mensch zu Mensch unterschiedlich. So lässt sich nicht verallgemeinern, was eine<br />
erfolgreiche Krisenbewältigung darstellt, ob z. B. die äußere Realität <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r die<br />
innere Anpassung einer Person an gegebene Umstän<strong>de</strong> zu verän<strong>de</strong>rn sind. Krisen<br />
können bei Nichtbewältigung zum Zusammenbruch bzw. zur Chronifizierung, zur<br />
Krankheit, Sucht o<strong>de</strong>r Suizidalität führen.<br />
Lin<strong>de</strong>mann, Caplan <strong>und</strong> Erickson haben die Krisentheorie <strong>und</strong> die Krisenintervention<br />
entschei<strong>de</strong>nd beeinflusst bzw. begrün<strong>de</strong>t (Schürmann 1992). Während<br />
Klein/Lin<strong>de</strong>mann (vgl. 1961) die Krisensituation als eine Ausnahmesituation, als nicht<br />
vorhersehbaren Schicksalsschlag beschreiben – z. B. traumatische Krisen durch Verlusterfahrung<br />
(vgl. Aguilera/Messick 1977) – <strong>und</strong> Caplan (vgl. 1964) die belasten<strong>de</strong><br />
Situation in <strong>de</strong>n Mittelpunkt rückt (Verän<strong>de</strong>rungskrise, als Chance für persönliches<br />
Wachstum, aber auch als Beginn psychischer Störung), stellt für Erickson (vgl. 1968)<br />
je<strong>de</strong>r Entwicklungs- <strong>und</strong> Verän<strong>de</strong>rungsschritt eine potenzielle Krise dar, <strong>de</strong>nn in die-<br />
6
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
sen Phasen gilt es, bestimmte Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Eine Verän<strong>de</strong>rungsphase<br />
beinhaltet die Chance zu reifen<strong>de</strong>r Entwicklung, aber auch die Gefahr<br />
<strong>de</strong>s Scheiterns <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Stillstan<strong>de</strong>s.<br />
Die Krise als existenziell bedrohlicher Ausnahmezustand <strong>und</strong> Voraussetzung für das<br />
umfassen<strong>de</strong> Sichtbarwer<strong>de</strong>n von <strong>Resilienz</strong> ist aufgr<strong>und</strong> ihrer beson<strong>de</strong>ren Merkmale<br />
jedoch nicht geeignet für das <strong>Resilienz</strong>training. Um dies zu ver<strong>de</strong>utlichen, unterschei<strong>de</strong>n<br />
wir zwischen drei gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Belastungszustän<strong>de</strong>n:<br />
• Problem,<br />
• normale Krise,<br />
• Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise.<br />
<strong>Das</strong> Problem stellt noch keine Krise dar. Zwar kann ein Problem <strong>de</strong>n Kriterien <strong>de</strong>r<br />
Krise nach Erickson weitgehend entsprechen, wenn die Problembewältigung <strong>de</strong>r<br />
Persönlichkeitsentwicklung dient. Im Unterschied zu einer Krise bleibt ein Problem<br />
jedoch gewöhnlich in seiner Wirksamkeit auf bestimmte Kontexte bzw. konkrete Situationen<br />
begrenzt, d. h. es weitet sich nicht auf an<strong>de</strong>re Lebensbereiche aus o<strong>de</strong>r<br />
wie<strong>de</strong>rholt sich auf an<strong>de</strong>ren Ebenen bzw. in an<strong>de</strong>ren Situationen. Für je<strong>de</strong>n Manager<br />
bzw. je<strong>de</strong> Managerin sind schlechte Performance-Kennzahlen im eigenen Aufgabenbereich<br />
zunächst unangenehm. Sie stellen ein Problem dar, das aber aus <strong>de</strong>r subjektiven<br />
Sicht <strong>de</strong>s Betroffenen keineswegs generell alle Lebensbereiche tangieren<br />
muss. Dies nicht zuletzt dann <strong>de</strong>r Fall, wenn die Performance-Defizite auf Einflüsse<br />
zurückzuführen sind, die offensichtlich nicht vom Management selbst zu verantworten<br />
sind.<br />
<strong>Das</strong> (einfache) Problem ist jedoch abzugrenzen von <strong>de</strong>r sog. „normalen“ Krise (vgl.<br />
die allerdings nur semantische Gleichheit bei Gmür 1996). Bei <strong>de</strong>r normalen Krise<br />
han<strong>de</strong>lt es sich um ein Problem bzw. Problembün<strong>de</strong>l, das sich zunehmend auf alle<br />
Lebensbereiche <strong>und</strong> Rahmenbedingungen ausweitet, ohne dass es aber die psychische<br />
Unversehrtheit <strong>de</strong>r Person gr<strong>und</strong>legend gefähr<strong>de</strong>t. Die oben skizzierten alltäglichen<br />
Rahmenbedingungen <strong>de</strong>s Managements weisen Merkmale <strong>de</strong>r normalen Krise<br />
auf. Die Unsicherheit, Mehr<strong>de</strong>utigkeit sowie die hohen Belastungen <strong>und</strong> dynamischen<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen im Manageralltag führen dazu, dass sich das damit verb<strong>und</strong>ene<br />
Konglomerat von Problemen <strong>und</strong> Konflikten zunehmend ausweitet <strong>und</strong> alle Lebensbereiche<br />
tangiert. Die verstärkt unsichere Arbeitsplatzsituation, die Konflikte mit<br />
Kollegen, die Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen, die wi<strong>de</strong>rsprüchlichen Erwartungen<br />
von Vorgesetzten <strong>und</strong> Untergebenen bearbeitet <strong>de</strong>r Manager (kognitiv,<br />
emotional <strong>und</strong> motivational) häufig in allen Lebensbereichen. <strong>Das</strong> Problembün<strong>de</strong>l<br />
<strong>de</strong>s Manageralltags entwickelt sich zu einer normalen Krise, die zwar nicht unmittelbar<br />
existenziell bedrohlich, jedoch zu einer permanenten Beanspruchung führt.<br />
Die Existenz- bzw. I<strong>de</strong>ntitätskrise entspricht am ehesten <strong>de</strong>r Lin<strong>de</strong>mannschen Beschreibung<br />
<strong>de</strong>s gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Ausnahmezustands. In einer Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise<br />
sind die Existenz <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r die I<strong>de</strong>ntität einer Person nachhaltig bedroht. Solche Krisen<br />
treten beispielsweise im Zusammenhang mit schweren Erkrankungen o<strong>de</strong>r mit<br />
Entwicklungen auf, die das Selbstverständnis bzw. das Selbstwertgefühl einer Person<br />
gr<strong>und</strong>legend in Frage stellen. Die Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise betrifft <strong>und</strong> durchdringt<br />
alle Lebensbereiche. Angesichts <strong>de</strong>r essenziell bedrohlichen Situation ist die bewusste<br />
(Selbst-)Steuerungskompetenz von Personen nachhaltig beeinträchtigt. Ein<br />
strategisches <strong>und</strong> gezieltes Vorgehen im Umgang mit <strong>de</strong>r schwer belasten<strong>de</strong>n Situation<br />
ist zumin<strong>de</strong>st zeitweise weitgehend unmöglich. Menschen sind <strong>de</strong>shalb bei Vorliegen<br />
einer Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise weitgehend auf – in an<strong>de</strong>ren Zeiten erworbene<br />
7
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
– Routinen <strong>de</strong>r Krisenbewältigung <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r auf externe Hilfe angewiesen, um mittelfristig<br />
die bewusste Selbststeuerungskompetenz wie<strong>de</strong>r zu erlangen. Hieraus ergibt<br />
sich ein zentraler Unterschied zur normalen Krise. Auch die normale Krise stellt zwar<br />
eine hohe Belastungssituation dar, die generalisiert alle bzw. viele Lebensbereiche<br />
durchdringt; im Gegensatz zur Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise bleibt die Person jedoch noch<br />
<strong>de</strong>r „Steuermann <strong>de</strong>s eigenen Bootes“, d. h. die han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Person sieht sich in <strong>de</strong>r<br />
Lage, die belasten<strong>de</strong> Situation kognitiv zu bearbeiten <strong>und</strong> zu regulieren, während bei<br />
<strong>de</strong>r existenziellen Krise die Steuerungsfähigkeit aussetzt.<br />
Diese Unterscheidung zwischen Problem, normaler Krise sowie Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise<br />
ist von äußerster Be<strong>de</strong>utung, weil ein <strong>Resilienz</strong>training nur im Rahmen <strong>de</strong>r ersten<br />
bei<strong>de</strong>n Situationen angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann, während Menschen in existenziellen<br />
Krisen nicht mit speziellen Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s <strong>Resilienz</strong>trainings gecoacht wer<strong>de</strong>n<br />
können. Wenn ich jeman<strong>de</strong>m das Segeln beibringen will, vollzieht sich das auch in<br />
mehreren Schritten: erst kommt die Theorie, dann die praktische Einübung <strong>de</strong>r Segelkompetenz<br />
bei „Normalwind“. In stürmischer See gelingt mir die Navigation nur,<br />
wenn sich meine Segelkompetenz zuvor bestätigt <strong>und</strong> zum großen Teil automatisiert<br />
hat. Ich treffe dann auch unter sehr hohen Belastungen alle Entscheidungen <strong>de</strong>s Segelns<br />
intuitiv.<br />
Wer sich in einer Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise befin<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>m nützt dieser Artikel über ein<br />
Krisenbewältigungstraining nur wenig. <strong>Das</strong> hier vorgestellte Konzept <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />
ist <strong>de</strong>shalb ein Präventionstraining. Es richtet sich auf eine „Prevention for<br />
Crisis“ <strong>und</strong> damit an Personen, die sich aktuell nicht in einer Existenz-/I<strong>de</strong>ntitätskrise<br />
befin<strong>de</strong>n. Wer aber Theorie <strong>und</strong> Praxis <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> erlernt, gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Fähigkeiten,<br />
Routinen <strong>und</strong> Ressourcen in unterschiedlichen Problem- <strong>und</strong> Normal-<br />
Krisensituationen eingeübt hat, wird in existenziellen Krisen (trotz aller <strong>de</strong>nnoch verbleiben<strong>de</strong>n<br />
Unwägbarkeiten) intuitiv „krisentauglicher“ reagieren.<br />
3 <strong>Resilienz</strong>training “P4C Prevention for Crisis”<br />
3.1 Die 4 Basiskompetenzen im P4C-Mo<strong>de</strong>ll<br />
<strong>Das</strong> hier zugr<strong>und</strong>e legen<strong>de</strong> <strong>Resilienz</strong>konzept i<strong>de</strong>ntifiziert 4 gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Basiskompetenzen,<br />
die für eine effektive Interaktion mit belasten<strong>de</strong>n <strong>und</strong> sogar krisenhaften<br />
Situationen unerlässlich sind. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erweist es nicht zuletzt im von<br />
Dynamik <strong>und</strong> Unsicherheit geprägten Manageralltag als von zentraler Be<strong>de</strong>utung.<br />
Die <strong>Resilienz</strong>forschung ver<strong>de</strong>utlicht jedoch, dass <strong>Resilienz</strong> vor allem durch ein flexibles<br />
Anpassungs- <strong>und</strong> Gestaltungsverhalten im Umgang mit belasten<strong>de</strong>n Situationen<br />
gekennzeichnet ist, das sich stets auf eine effektive Interaktion mit <strong>de</strong>r Umwelt ausrichtet.<br />
Insofern lassen sich resiliente Personen nicht von <strong>de</strong>n äußeren Rahmenbedingungen<br />
fremdbestimmen, son<strong>de</strong>rn wollen ihr Leben <strong>und</strong> ihre Umwelt aktiv gestalten.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kann man 4 Basiskompetenzen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> i<strong>de</strong>ntifizieren,<br />
die für eine effektive Interaktion mit belasten<strong>de</strong>n bzw. krisengeprägten Situationen<br />
notwendig sind (vgl. auch Pietsch 2008, S. 43). Letztlich stehen sie in einem engen<br />
Zusammenhang mit <strong>de</strong>n oben erwähnten Schutzfaktoren <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>. Bei <strong>de</strong>n<br />
Basiskompetenzen han<strong>de</strong>lt es sich um<br />
● Assertiveness,<br />
● Achtsamkeit,<br />
● Zielklarheit/Prozessoffenheit,<br />
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Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
● Experiment/Reflexion <strong>und</strong> Syn-Egoismus.<br />
Abb.1: Die 4 Basiskompetenzen <strong>de</strong>s P4C-Training (vgl. ähnlich Pietsch 2008)<br />
<br />
<br />
3.2 Assertiveness<br />
Der Begriff Assertiveness stammt aus <strong>de</strong>m angloamerikanischen Sprachraum. Eine<br />
genaue <strong>de</strong>utschsprachige Übersetzung gibt es nicht. Am ehesten lässt sich Assertiveness<br />
mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r „Selbstpräsenz“ (engl. „resourceful presence“) übersetzen.<br />
Demnach bezeichnet Assertiveness die Fähigkeit einer Person, die eigenen<br />
Gedanken, Empfindungen, Emotionen bzw. Absichten in einer Interaktionssituation<br />
klar <strong>und</strong> bewusst ausdrücken zu können <strong>und</strong> zugleich einen durchsetzungswilligen,<br />
aber respektvollen Umgang mit an<strong>de</strong>ren Personen zu wahren. Es han<strong>de</strong>lt sich somit<br />
um einen Kommunikationsstil, <strong>de</strong>r we<strong>de</strong>r aggressiv-verletztend noch passivunterwürfig<br />
ist. Der Begriff <strong>de</strong>r Assertiveness charakterisiert damit eine ressourcenvolle<br />
Selbstpräsenz in sozialen Interaktionssituationen <strong>und</strong> bezieht sich auf <strong>de</strong>n<br />
(nach außen gerichteten) Weltbezug einer Person; sie äußert sich klar, durchsetzungsbereit<br />
<strong>und</strong> respektvoll.<br />
Dieser klassische Assertivenessbegriff ist jedoch noch weiter gehend zu interpretieren.<br />
So setzt <strong>de</strong>r assertive Kommunikationsstil stets einen akzeptieren<strong>de</strong>n Umgang<br />
mit <strong>de</strong>r eigenen Person (Selbstbezug) voraus. Verfügt eine Person über Assertiveness<br />
ist ihr Bezug zu sich selbst balanciert; .d. h. es besteht we<strong>de</strong>r die Notwendigkeit,<br />
die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r eigenen Person narzisstisch zu überhöhen, noch sich selbst<br />
<strong>de</strong>pressiv-selbstunsicher abzuwerten. Assertiveness vermei<strong>de</strong>t hinsichtlich <strong>de</strong>s Weltbezugs<br />
die verletzen<strong>de</strong> Aggression ebenso wie eine passive Unterwürfigkeit <strong>und</strong> hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>s Selbstbezugs <strong>de</strong>n Narzissmus ebenso wie die <strong>de</strong>pressive Selbstabwertung<br />
(vgl. Abb. 2).<br />
Für <strong>Resilienz</strong> erweist sich Assertiveness als von zentraler Be<strong>de</strong>utung. Die <strong>Resilienz</strong>forschung<br />
ver<strong>de</strong>utlicht, dass Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendliche, die erheblichen Entwicklungsrisiken<br />
ausgesetzt sind, eine Verwurzelung in <strong>de</strong>r Beziehung zu einer zentralen Bezugperson<br />
benötigen. Assertiveness trägt insbeson<strong>de</strong>re im Erwachsenenalter dazu<br />
bei, diese Verwurzelung verstärkt in <strong>de</strong>r eigenen Person zu fin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> eine größere<br />
Unabhängigkeit von Bezugspersonen zu erreichen. Darüber hinaus unterstützt Assertiveness<br />
eine offene <strong>und</strong> flexible Wahrnehmung. Aggressive o<strong>de</strong>r unterwürfige<br />
9
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
Personen sind ebenso wie narzisstische o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>pressive Personen dazu geneigt,<br />
zum Schutz <strong>de</strong>s eigenen Selbst-/Weltbilds rigi<strong>de</strong> Wahrnehmungsfilter anzuwen<strong>de</strong>n<br />
<strong>und</strong> über Verdrängungsmechanismen Wirklichkeit einseitig zu interpretieren. In belasten<strong>de</strong>n<br />
Situation bleibt ihre Anpassungs- <strong>und</strong> Gestaltungsfähigkeit <strong>de</strong>shalb bereits<br />
aufgr<strong>und</strong> einer systematischen Wahrnehmungsverzerrung begrenzt, <strong>und</strong> sie können<br />
keine beson<strong>de</strong>re <strong>Resilienz</strong> entwickeln.<br />
Abb. 2: Assertiveness als Selbstpräsenz im Selbst- <strong>und</strong> Weltbezug<br />
Assertiveness be<strong>de</strong>utet nicht, dass sich Menschen gr<strong>und</strong>sätzlich nicht aggressiv,<br />
narzisstisch o<strong>de</strong>r passiv <strong>und</strong> selbstabwertend verhalten. Jedoch bewirkt die Fähigkeit<br />
<strong>de</strong>r Assertiveness, dass stets ein zügiges Zurückschwingen zu einem selbstakzeptierend,<br />
selbstpräsenten Verhalten sich <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren gegenüber bewirkt <strong>und</strong><br />
eine Balance im Selbst- sowie Weltbezug hergestellt wird (vgl. Abb. 2). Die Literatur<br />
zur Assertivesness greift ausgiebig auf die Festlegung von Regeln zurück, um Orientierung<br />
zu bieten <strong>und</strong> zu ver<strong>de</strong>utlichen, wie sich Assertiveness im Alltag auswirkt.<br />
Beispielhaft wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n einige dieser Regeln genannt.<br />
• People have the right to be respected in the workplace.<br />
• People have the right to know what is expected of them in their jobs.<br />
• People have a right to be consulted about <strong>de</strong>cisions that affect them in their<br />
work.<br />
• People have a right to make genuine mistakes and do not <strong>de</strong>serve blame and<br />
put-downs.<br />
• People have the responsibility to respect other people‘s rights, irrespective of<br />
seniority.<br />
<strong>Das</strong> P4C-Training <strong>de</strong>r Assertiveness richtet sich darauf, in <strong>de</strong>r Literatur empfohlene<br />
Regeln zu diskutieren, in Rollenspielen zu erproben, kritisch zu reflektieren, so dass<br />
schließlich je<strong>de</strong>r Teilnehmer im Rahmen <strong>de</strong>s Trainings seine persönlichen Assertiveness-Regeln<br />
entwickelt. Assertiveness bil<strong>de</strong>t die notwendige Basis <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>, weil<br />
sie die Verwurzelung in <strong>de</strong>r eigenen Person för<strong>de</strong>rt; zugleich sind „assertive“ Menschen<br />
als eigenständige Persönlichkeiten auch nach außen erkennbar. Assertive-<br />
10
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
ness reicht aber keineswegs aus, um die Basiskompetenzen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> hinreichend<br />
zu beschreiben.<br />
3.3 Achtsamkeit<br />
Die zweite Basiskompetenz <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> stellt Achtsamkeit dar. Achtsamkeit verweist<br />
darauf, dass resiliente Personen über eine klare Selbstwahrnehmung verfügen.<br />
Dies be<strong>de</strong>utet, dass sie ihre emotionalen Prozesse <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen inneren<br />
Konflikte genau wahrnehmen <strong>und</strong> eine innere Balance herstellen können. Dabei<br />
ist Achtsamkeit eng verb<strong>und</strong>en mit Assertiveness, <strong>de</strong>nn beispielsweise aggressivverletzen<strong>de</strong>s<br />
Verhalten können nur solche Personen vermei<strong>de</strong>n, die dazu fähig sind,<br />
auch in belasten<strong>de</strong>n Situationen eine innere emotionale Balance aufrecht zu erhalten<br />
<strong>und</strong> somit achtsam gegenüber <strong>de</strong>n eigenen Gefühlen zu sein.<br />
Emotionale Zustän<strong>de</strong> können unterschiedliche Funktionen erfüllen: Sie geben Informationen<br />
über Wohl- o<strong>de</strong>r Unwohlsein in Bezug auf Menschen, Objekte o<strong>de</strong>r Orte;<br />
sie sind Teil <strong>de</strong>r zwischenmenschlichen Kommunikation; sie geben Feedback für eine<br />
Vielzahl von Dingen wie <strong>de</strong>n ges<strong>und</strong>heitlichen Zustand, die eigene Beanspruchungssituation,<br />
<strong>de</strong>n Grad <strong>de</strong>r Motivation, Über- o<strong>de</strong>r Unterfor<strong>de</strong>rung, gesellschaftliche<br />
Verhaltensnormen etc. Da Emotionen an physiologische Reaktionen geb<strong>und</strong>en<br />
sind, lassen sie sich nicht in ihrem Ursprung kontrollieren, jedoch im Zuge <strong>de</strong>r kognitiven<br />
Verarbeitung im Ausdruck steuern <strong>und</strong> balancieren. Impulskontrolle, Affektregulation,<br />
Desensibilisierung, das Balancieren von Stimmungen <strong>und</strong> die Beeinflussung<br />
physiologischer Zustän<strong>de</strong> sind lernbar <strong>und</strong> stellen Schlüsselkompetenzen für die Lebensbewältigung<br />
dar. Jene Schlüsselkompetenzen zu trainieren, ermöglicht in Krisensituationen<br />
ein hohes Maß an emotionaler Kompetenz. Dies wird getragen von<br />
Achtsamkeit für die eigenen emotionalen Reaktionen <strong>und</strong> die dabei erfolgen<strong>de</strong> Verarbeitung<br />
innerer Konfliktzustän<strong>de</strong>. Emotionen zu balancieren heißt jedoch nicht, die<br />
Gefühle neutral, schwach o<strong>de</strong>r abgestumpft zu halten, vielmehr gilt das Prinzip <strong>de</strong>r<br />
Angemessenheit. Gefühle <strong>und</strong> emotionale Reaktionen können angemessen hinsichtlich<br />
ihrer Intensität sowie ihrer Qualität sein.<br />
Hinsichtlich <strong>de</strong>r Beeinflussung <strong>de</strong>r Intensität emotionaler Reaktionen unterschei<strong>de</strong>n<br />
wir <strong>de</strong>n Grad <strong>de</strong>r Assoziation bzw. Dissoziation. Letzteres beeinflusst, wie stark<br />
ein emotional geprägtes Thema erlebt wird. Mithilfe <strong>de</strong>s Trainings von Assoziation/Dissoziation<br />
kann man sich vor zu viel Intensität einer Emotion schützen. Es geht<br />
um die Balance von Nähe <strong>und</strong> Distanz zu <strong>de</strong>m aktuell erlebten Gefühl. Zu viel Nähe<br />
überflutet emotional; zu viel Distanz macht empfindungslos <strong>und</strong> abgestumpft. Den<br />
Unterschied kann je<strong>de</strong>r selbst überprüfen: Nehmen Sie eine erinnerte Situation aus<br />
<strong>de</strong>n letzten Tagen, die Sie emotional be<strong>de</strong>utsam erlebten. Holen Sie die Situation vor<br />
ihr inneres Auge <strong>und</strong> sehen Sie sich die Situation noch einmal an. Prüfen Sie jetzt,<br />
ob Sie sich selbst in <strong>de</strong>m Bild sehen können, als ob man Sie gefilmt hätte<br />
(= dissoziierte Erinnerung) o<strong>de</strong>r sind Sie original „in sich drin“ <strong>und</strong> sehen nur ihre<br />
Hän<strong>de</strong> bzw. das, was vor ihnen liegt (= assoziierte Erinnerung) (vgl. Abb. 3). Je nach<br />
<strong>de</strong>m, was sie sich automatisch vorgestellt haben, achten Sie dabei auf die Intensität<br />
<strong>de</strong>r emotionalen Reaktion <strong>und</strong> wechseln Sie dann in ihrer Fantasie in die an<strong>de</strong>re Art<br />
<strong>de</strong>r Vorstellung <strong>und</strong> dann ein paar Mal hin <strong>und</strong> her zwischen assoziiert <strong>und</strong> dissoziiert.<br />
Sie wer<strong>de</strong>n bemerken, dass Sie in <strong>de</strong>r assoziierten Erinnerung die Situation<br />
emotional intensiver erleben, während Sie in <strong>de</strong>r dissoziierten Position nur „wissen“,<br />
wie es sich angefühlt hat, aber nicht direkt etwas spüren.<br />
Jene bei<strong>de</strong>n generellen Unterschie<strong>de</strong> (Assoziation vs. Dissoziation) gibt es auch in<br />
Schreck-, Schock-, o<strong>de</strong>r Krisensituationen: manche Personen reagieren schreiend,<br />
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Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
lei<strong>de</strong>nd o<strong>de</strong>r verängstigt, die an<strong>de</strong>ren kühl, distanziert o<strong>de</strong>r unbeteiligt. Natürlich gibt<br />
es jene bei<strong>de</strong>n Zustän<strong>de</strong> nicht bloß digital, also „entwe<strong>de</strong>r-o<strong>de</strong>r“, son<strong>de</strong>rn als analoge<br />
Zustän<strong>de</strong> mehr o<strong>de</strong>r weniger intensiv. Es gibt auch nicht <strong>de</strong>n „guten“ o<strong>de</strong>r<br />
„schlechten“ Zustand, <strong>de</strong>nn bei<strong>de</strong> Seiten haben Vor- <strong>und</strong> Nachteile: Menschen, die<br />
überwiegend assoziiert (er-)leben, sind gefühlsbetont, leben intensiv <strong>und</strong> erleben<br />
sich mit allen Höhen <strong>und</strong> Tiefen. Sie haben meistens eine sehr gute <strong>und</strong> sensible<br />
Situationseinschätzung, viel Empathiefähigkeit <strong>und</strong> eine gute Intuition. Der Nachteil<br />
ist, dass sie viel Energie benötigen <strong>und</strong> in Problemsituationen viel lei<strong>de</strong>n können <strong>und</strong><br />
wenig Distanz zu <strong>de</strong>n Dingen aufbauen. Dissoziierte Menschen behalten meistens<br />
<strong>de</strong>n Überblick, können gut kalkulieren, sind strukturiert <strong>und</strong> orientiert, bleiben dabei<br />
aber meistens etwas freudlos, sind wenig beteiligt <strong>und</strong> haben relativ wenig Einfühlungsvermögen.<br />
I<strong>de</strong>al ist die Kompetenz, bei<strong>de</strong> Zustän<strong>de</strong> intuitiv zur Verfügung zu<br />
haben <strong>und</strong> in einer Situation angemessen einzusetzen. <strong>Das</strong> Training <strong>de</strong>r Achtsamkeit<br />
zur Wahrnehmung <strong>und</strong> Beeinflussung <strong>de</strong>r Intensität emotionaler Reaktionen arbeitet<br />
mit assoziierten <strong>und</strong> dissoziierten Zustän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m flexiblen Wechsel zwischen ihnen<br />
sowie <strong>de</strong>m Transfer in emotional unterschiedlich beanspruchen<strong>de</strong> Situationen.<br />
Abb. 3: Dissoziierte vs. assozierte Wahrnehmung<br />
Achtsamkeit besteht jedoch nicht nur in <strong>de</strong>r Wahrnehmung bzw. Beeinflussung <strong>de</strong>r<br />
Intensität von Emotionen, son<strong>de</strong>rn ist auch mit <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>s emotionalen Erlebens<br />
eng verb<strong>und</strong>en. Es geht dabei darum, die Qualität von Gefühlen angemessen<br />
zu empfin<strong>de</strong>n, d. h., dass die Art <strong>de</strong>s Gefühls an <strong>de</strong>r richtigen Stelle auftaucht <strong>und</strong><br />
seine Be<strong>de</strong>utung erkannt wird. Damit ist gemeint, dass man in <strong>de</strong>r Lage ist, Ärger zu<br />
empfin<strong>de</strong>n, wo es Gr<strong>und</strong> gibt, wütend zu sein, dass Schmerz auftaucht, wenn etwas<br />
traurig ist, dass Furcht erlebt wird, ohne dabei die eigene „Coolness“ zu gefähr<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r dass man genießen kann, ohne dass eine innere Stimme verbietet, vergnügt zu<br />
sein. „<strong>Das</strong> ist doch wohl selbstverständlich“, wer<strong>de</strong>n Manche einwen<strong>de</strong>n, aber das ist<br />
es häufig eben gera<strong>de</strong> nicht. Im Laufe unserer persönlichen Entwicklung haben wir –<br />
nicht zuletzt unter <strong>de</strong>m Einfluss sozialer Erwartungen – in bestimmten Situationen<br />
o<strong>de</strong>r Zustän<strong>de</strong>n gelernt, Ersatzgefühle o<strong>de</strong>r Gefühlsauslassungen zu produzieren.<br />
Ersatzgefühle sind Emotionen, die wir zeigen, wenn ein an<strong>de</strong>res Gefühl unerlaubt,<br />
verschüttet o<strong>de</strong>r unerwünscht ist. Gefühlsauslassungen sind Zustän<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>nen statt<br />
<strong>de</strong>s Gefühls Taubheit, Aktionismus o<strong>de</strong>r Unklarheit bzw. Mehr<strong>de</strong>utigkeit auftaucht,<br />
die die Emotion tilgen. Beispiele sind Menschen, die auf Lob <strong>und</strong> öffentliche Ehrung<br />
peinlich berührt reagieren anstatt sich zu freuen o<strong>de</strong>r Menschen, die auf Kränkungen<br />
gewalttätig reagieren statt ihren Schmerz zuzulassen o<strong>de</strong>r aber Menschen, <strong>de</strong>ren<br />
Angst sich in Kälte o<strong>de</strong>r Empfindungslosigkeit wan<strong>de</strong>lt.<br />
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Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
<strong>Das</strong> P4C-Training richtet sich vor diesem Hintergr<strong>und</strong> auch darauf, Ersatzgefühle von<br />
<strong>de</strong>n eigentlich zugr<strong>und</strong>e liegen<strong>de</strong>n Primärgefühlen unterschei<strong>de</strong>n zu lernen. So weisen<br />
Primärgefühle üblicherweise eine an<strong>de</strong>re Dynamik auf als Ersatzgefühle. Sie<br />
neigen dazu, schneller wie<strong>de</strong>r zu verschwin<strong>de</strong>n, während Ersatzgefühle aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer fehlgeleiteten Ausrichtung sich beispielsweise leichter verfestigen <strong>und</strong> ausbreiten.<br />
<strong>Das</strong> P4C-Training arbeitet mit solchen divergieren<strong>de</strong>n Dynamiken, <strong>de</strong>ren I<strong>de</strong>ntifikation<br />
die Einflussnahme auf die Qualität <strong>de</strong>s emotionalen Erlebens ermöglicht. Die<br />
Fähigkeit, die Qualität <strong>de</strong>r eigenen Primärgefühle zu (er-)leben, schafft Freiraum,<br />
<strong>de</strong>nn emotionale Vermeidungs- o<strong>de</strong>r Übertreibungsten<strong>de</strong>nzen wer<strong>de</strong>n weitgehend<br />
unnötig; zugleich bleiben auch die Primärgefühle <strong>de</strong>r eigenen Selbstregulation unterstellt.<br />
Dabei ist das Training <strong>de</strong>r Achtsamkeit keineswegs so schwierig <strong>und</strong> komplex,<br />
wie es vielleicht zunächst <strong>de</strong>n Anschein hat. So lassen sich die vielfältigen, emotionalen<br />
Zustän<strong>de</strong> auf vier menschliche Gr<strong>und</strong>gefühle reduzieren: Vergnügen,<br />
Schmerz, Wut <strong>und</strong> Angst. Jene vier Gr<strong>und</strong>emotionen bil<strong>de</strong>n die Basis für alle weiteren<br />
situativen Gefühlszustän<strong>de</strong> (vgl. Abb. 4; ähnlich Laux/Weber 1993). Die Fokussierung<br />
<strong>de</strong>s P4C-Trainings auf diese Gr<strong>und</strong>emotionen erleichtert Achtsamkeit <strong>und</strong><br />
die emotionale Selbstregulation erheblich.<br />
Abb. 4: Gr<strong>und</strong>emotionen<br />
Neben <strong>de</strong>r Wahrnehmung <strong>und</strong> Beeinflussung <strong>de</strong>r Intensität sowie Qualität emotionaler<br />
Reaktionen erweist sich die Berücksichtigung <strong>de</strong>r engen Wechselwirkung zwischen<br />
Emotionen <strong>und</strong> inneren Konflikten als von zentraler Be<strong>de</strong>utung für das<br />
Training <strong>de</strong>r Achtsamkeit (vgl. Abb. 5). Beispielsweise treten nicht selten ausgeprägte<br />
innere Konflikte auf, wenn unser wahrgenommenes Verhalten zu persönlichen<br />
Wertmaßstäben o<strong>de</strong>r Erwartungen im Wi<strong>de</strong>rspruch steht. Solche Konflikte äußern<br />
sich mitunter nur als unklar „gefühlte Inkongruenz“ o<strong>de</strong>r – weit reichen<strong>de</strong>r – als „mentale<br />
Knoten“, die sich in <strong>de</strong>n kognitiven Prozessen nicht unmittelbar auflösen lassen<br />
(z. B. endlose Grübelei) <strong>und</strong> sofort emotionale Reaktionen (Wut, Angst etc.) hervorrufen.<br />
Wagner (2007) führt dies auf die Verletzung subjektiver Imperative zurück, die<br />
eigene o<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong> Handlungs- bzw. Verhaltensweisen erlauben bzw. verbieten. Es<br />
lassen sich mehrere Arten von Imperativverletzungskonflikten unterschei<strong>de</strong>n: Bei<br />
einem Realitätskonflikt ist die Wirklichkeit (möglicherweise) nicht so, wie sie sein soll;<br />
bei einem Imperativkonflikt drehen sich die Gedanken um zwei einan<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong><br />
Glaubenssätze; bei einem Undurchführbarkeitskonflikt fehlen die Handlungsmöglichkeiten<br />
zur Erreichung <strong>de</strong>s Ziels <strong>und</strong> bei einem Meta-Konflikt (z. B. Angst<br />
vor <strong>de</strong>r Angst) han<strong>de</strong>lt es sich um einen Konflikt zweiter Ordnung.<br />
Die Theorie subjektiver Imperative geht von <strong>de</strong>r Annahme aus, dass die Gedanken<br />
im Zustand eines akuten Konflikts um eine wahrgenommene o<strong>de</strong>r antizipierte Verletzung<br />
subjektiver Imperative (weitgehend ziellos) kreisen <strong>und</strong> die emotionale Balance<br />
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Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
stören. <strong>Das</strong> P4C-Training richtet sich darauf, die Teilnehmer darin zu schulen, mit<br />
inneren Konflikten effektiver umzugehen <strong>und</strong> auf diesem Wege immer wie<strong>de</strong>r die<br />
emotionale Balance herzustellen. Es richtet sich vor allem auf zwei Schritte: Erstens<br />
wer<strong>de</strong>n die Teilnehmer darin geschult, die bei einer starken emotionalen Reaktion<br />
jeweils zugr<strong>und</strong>e liegen<strong>de</strong>n Kernkonflikte zu erkennen; zweitens richtet sich das<br />
Training auf das Erlernen einer bestimmten Form <strong>de</strong>r Wahrnehmung (die sog. Kontrastieren<strong>de</strong><br />
Wahrnehmung; vgl. dazu Wagner 2007), <strong>de</strong>ren systematische Anwendung<br />
es ermöglicht, die Wirkungen <strong>de</strong>s Kernkonflikts kontinuierlich abzuschwächen<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>n Konflikt schließlich sogar aufzulösen. Die zugr<strong>und</strong>e liegen<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong> wird<br />
seit Langem wissenschaftlich untersucht <strong>und</strong> gilt als äußerst effektiv (vgl. Wagner<br />
2008)<br />
Abb. 5: Achtsamkeit als Emotions- <strong>und</strong> Konfliktwahrnehmung<br />
3.4 Zielklarheit/Prozessoffenheit<br />
Neben Assertivenes <strong>und</strong> Achtsamkeit ist die Fähigkeit zu Zielklarheit/Prozessoffenheit<br />
als wesentliches Element <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> anzusehen. So erfüllt die Entwicklung<br />
von Zielen bei <strong>de</strong>r Bewältigung von Krisen eine zentrale Funktion. Sobald die Krisensituation<br />
von <strong>de</strong>m/<strong>de</strong>r Betroffenen akzeptiert <strong>und</strong> zumin<strong>de</strong>st rudimentär in die Lebenssituation<br />
integriert wur<strong>de</strong>, entsteht das Bedürfnis nach einer Neuorientierung.<br />
Die mit <strong>de</strong>r Neuorientierung verb<strong>und</strong>enen Verän<strong>de</strong>rungs- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse<br />
vollziehen sich auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>r eigenen Erwartungen an die Zukunft. Es ist also<br />
wichtig, die eigenen Wünsche, Absichten, Motive in einem Zielrahmen <strong>de</strong>rart zu konkretisieren,<br />
dass die Umsetzung nicht zufällig, son<strong>de</strong>rn relativ vorhersehbar <strong>und</strong> konsequent<br />
erfolgt. In konstruktivistischen Kommunikationsmo<strong>de</strong>llen <strong>de</strong>r Psychologie<br />
geht man davon aus, dass alles im Leben zweimal erschaffen wird: <strong>Das</strong> erste Mal im<br />
Kopf, das zweite Mal in <strong>de</strong>r Realität (vgl. z. B. Watzlawick et al. 1991). Deshalb ist<br />
das Erreichen von Zielen stets nicht allein vom Zufall o<strong>de</strong>r von äußeren Umstän<strong>de</strong>n<br />
abhängig, son<strong>de</strong>rn vor allem geprägt von <strong>de</strong>r Fähigkeit, I<strong>de</strong>en, Erwartungen, Wünsche,<br />
Bedürfnisse <strong>und</strong> Verän<strong>de</strong>rungen in die eigenen Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Verhaltensprozesse<br />
zu integrieren. <strong>Das</strong> Entwickeln <strong>und</strong> Umsetzen von Zielen unter wechseln<strong>de</strong>n<br />
dynamischen Bedingungen bil<strong>de</strong>t eine äußerst kreative Aufgabe <strong>und</strong> erweist<br />
sich nicht zuletzt zur erfolgreichen Krisenbewältigung als unerlässlich.<br />
Der Hinweis, dass die Realisierung <strong>de</strong>r Ziele sowohl mental als auch real entworfen<br />
wird, <strong>de</strong>utet an, dass Ziele nicht statisch zu verstehen sind, son<strong>de</strong>rn immer wie<strong>de</strong>r in<br />
<strong>de</strong>r zirkulären Bewegung zwischen Wunsch <strong>und</strong> Wirklichkeit angepasst bzw. über-<br />
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prüft wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Gr<strong>und</strong> gelten für die Ziel- <strong>und</strong> Prozessteuerung immer zwei<br />
Re<strong>de</strong>wendungen zugleich:<br />
• „Wenn Du das Ziel nicht kennst, ist kein Weg <strong>de</strong>r richtige,“ <strong>und</strong><br />
• „Der Weg ist das Ziel“.<br />
Die erste Re<strong>de</strong>wendung macht darauf aufmerksam, dass es vor <strong>de</strong>m „Loslaufen“<br />
wichtig ist, zu wissen, wohin die Reise geht (= Zielklarheit). Die zweite Re<strong>de</strong>wendung<br />
soll davor bewahren, ständig in <strong>de</strong>r Zukunft zu leben <strong>und</strong> sich <strong>de</strong>shalb nicht auf <strong>de</strong>n<br />
Moment einstellen zu können; vielmehr gilt es, die jeweils aktuelle Situation mit ihren<br />
Chancen <strong>und</strong> Risiken gezielt zu nutzen (= Prozessoffenheit). Es ist natürlich enorm<br />
wichtig zu wissen, was genau man tun muss, um die eigenen Ziele so zu gestalten,<br />
dass sie nicht nur in <strong>de</strong>r Phantasie wirksam sind, son<strong>de</strong>rn sich auch auf die konkrete<br />
Lebenssituation übertragen lassen. Dabei ist <strong>de</strong>r erste Schritt zur Zielklarheit eine<br />
Angelegenheit <strong>de</strong>s klaren Formulierens. Deshalb nennen wir <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Zielformulierung<br />
in Analogie zum NLP „wohl formuliert“. <strong>Das</strong> Ziel gedanklich zu gestalten,<br />
be<strong>de</strong>utet bereits seine Umsetzung in einer Art innerem Rollenspiel in Gang zu<br />
bringen. Dabei ist es wichtig, sich <strong>de</strong>n Zielzustand so konkret wie möglich vorzustellen<br />
– in allen Einzelheiten <strong>und</strong> unter Einbezug aller Sinne. Dabei erfährt man mehr<br />
über die eigenen Beweggrün<strong>de</strong>, die zu <strong>de</strong>m Ziel motivieren. Man erhält eine sinnesspezifische<br />
Repräsentation, die die Zieli<strong>de</strong>e konkret erlebbar macht <strong>und</strong> kognitiv verankert,<br />
so dass sie auch in schwierigen Situationen aktiviert wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Die acht wichtigsten Punkte, die zu einer klaren Zielformuierung sowie einer erfolgreichen<br />
Prozessführung beitragen <strong>und</strong> unter an<strong>de</strong>rem einen Gegenstand <strong>de</strong>s P4C-<br />
Trainings bil<strong>de</strong>n, sollen hier in Kürze erwähnt sein:<br />
• Positive Formulierung:<br />
Zielformulierungen sollten keine Negationen bzw. Verneinungen beinhalten,<br />
son<strong>de</strong>rn positiv formuliert sein. Ziele richten nur<br />
im Kontext positiver Beschreibungen effektiv<br />
auf <strong>de</strong>n angestrebten Zustand aus. Zielformulierungen<br />
wie z. B. „Ich möchte mich von <strong>de</strong>m<br />
Kollegen X nicht mehr ärgern lassen“<br />
zementieren eher das Problem, als dass sie<br />
die Herbeiführung von Lösungen effektiv<br />
unterstützen.<br />
1.<br />
Ziele wohl formulieren<br />
• positiv<br />
• Sinnesspezifische Beschreibung:<br />
Ziele, die unspezifisch formuliert sind <strong>und</strong> sich<br />
nicht auf unsere Wahrnehmungssinne beziehen<br />
(z. B.: Ich will beruflich besser gestellt sein<br />
o<strong>de</strong>r Ich will glücklich sein), bleiben durch ihren<br />
Abstraktionsgrad vage <strong>und</strong> damit letztlich<br />
unattraktiv. Die Attraktivität von Zielen bzw. das<br />
Interesse <strong>und</strong> die Neugier, sie anzustreben,<br />
entstehen erst dann, wenn das Ziel unter<br />
Bezugnahme auf alle Wahrnehmungssinne<br />
positiv beschrieben wird.<br />
• sinnes-spezifisch<br />
• kontextuiert<br />
• ökologisch<br />
• ressourcevoll<br />
• kontrolliert<br />
• testbar<br />
• visionär<br />
• Kontextualität:<br />
Die Spezifizierung <strong>de</strong>s Kontextes klärt Rahmenbedingungen,<br />
unter <strong>de</strong>nen das Ziel erreicht<br />
15
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
wer<strong>de</strong>n soll. Sie konkretisiert dabei die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Zieles, <strong>de</strong>n Geltungsbereich,<br />
die Wirksamkeit <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Zeitbezug. Hier sind z. B. folgen<strong>de</strong> Fragen<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Zielerreichung zu stellen: Wo?, Wann?, Wie?, Wer ist einbezogen?,<br />
In welchem Umfang?, <strong>und</strong> In welchen Schritten?<br />
• Beachtung <strong>de</strong>r „Ökologie“:<br />
„Ökologie“ bezieht sich hier keineswegs auf das Thema Umweltschutz, son<strong>de</strong>rn<br />
betrifft die Rückwirkungen einer Zielrealisierung auf die persönliche Lebenswelt.<br />
Die Realisierung persönlicher Ziele ruft nicht selten Verän<strong>de</strong>rungen<br />
in <strong>de</strong>n eigenen Lebensbedingungen hervor; es ergibt sich Feedback durch<br />
an<strong>de</strong>re, mitunter entstehen zunächst unbeachtete Nebenwirkungen. Die Beachtung<br />
<strong>de</strong>r Ökologie setzt voraus, dass das Ziel hinsichtlich <strong>de</strong>r Konsequenzen<br />
auf an<strong>de</strong>re Menschen o<strong>de</strong>r Sachverhalte untersucht wird.<br />
• Ressourcenklärung:<br />
Im Zuge <strong>de</strong>r Ressourcenklärung geht es darum, die Fähigkeiten, Mittel o<strong>de</strong>r<br />
Güter zu konkretisieren, die für die Zielrealisierung notwendig sind. Dabei ist<br />
auch zu klären, welche Dinge selbst einzubringen sind <strong>und</strong> an welcher Stelle<br />
Unterstützung von an<strong>de</strong>ren erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />
• Eigenkontrolle:<br />
Der Aspekt <strong>de</strong>r Eigenkontrolle klärt, ob das Ziel weitgehend eigenständig realisiert<br />
wer<strong>de</strong>n kann o<strong>de</strong>r ob die Zielerreichung von an<strong>de</strong>ren abhängig ist. Zu<strong>de</strong>m<br />
stellt sich die Frage: Ist das Ziel ein Projekt von mir o<strong>de</strong>r bin ich eigentlich<br />
nur das Medium <strong>de</strong>r Zielrealisierung an<strong>de</strong>rer Personen?<br />
• Testbarkeit:<br />
Diese Ebene wechselt die Perspektive <strong>de</strong>s anvisierten Ziels. Während die an<strong>de</strong>ren<br />
Punkte alle aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Betroffenen beschrieben wer<strong>de</strong>n, betrachtet<br />
man hier die Zielverwirklichung aus <strong>de</strong>r Perspektive eines Dritten. Dabei<br />
ist die folgen<strong>de</strong> Frage von zentraler Be<strong>de</strong>utung: Woran wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r externe<br />
Dritte erkennen, dass das Ziel erreicht ist?<br />
• Vision:<br />
Ziele sind nicht selten mit <strong>de</strong>r Vorstellung gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>r persönlicher Visionen<br />
verknüpft. Gera<strong>de</strong> in Krisensituationen können positive Visionen einer (realisierbaren)<br />
Zukunft in erheblichem Umfang zur Krisenbewältigung motivieren.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> stellt sich die Frage, ob <strong>de</strong>m formulierten Ziel eine<br />
gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> persönliche Vision zugr<strong>und</strong>e liegt. Dabei sind Ziele nicht selten<br />
über mehrere Hierarchieebenen mit Visionen verknüpft. Es stellt sich somit bei<br />
<strong>de</strong>m Bemühen um die Herstellung von Zielklarheit die Frage, ob es noch ein<br />
Ziel „hinter <strong>de</strong>m Ziel“ gibt. Kann dabei eine gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> persönliche Vision<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n, steigt die Ziel-Attraktivität erheblich.<br />
Die soeben dargestellten Schritte <strong>de</strong>r Zielformulierung unterstützen vor allem das<br />
Erreichen von Zielklarheit. Die Verwirklichung von Zielen stellt jedoch gera<strong>de</strong> im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>r Bewältigung von Krisen nicht selten einen langwierigen, äußerst<br />
schwierigen <strong>und</strong> belasten<strong>de</strong>n Prozess dar. <strong>Das</strong> Gleiche gilt für viele Projekte im<br />
Management. Sie stoßen häufig auf unüberwindbar erscheinen<strong>de</strong> Hür<strong>de</strong>n, lassen<br />
zunächst nur unzureichen<strong>de</strong> Erfolge erkennen usw. Um solche Prozesse zu einem<br />
Erfolg zu führen, muss man sich stets von Neuem auf <strong>de</strong>ssen Eigenheiten, Widrigkeiten<br />
<strong>und</strong> Unerwartetes einstellen. Die Klarheit über die eigenen Ziele ist insofern unbedingt<br />
zu ergänzen um Prozessoffenheit. Hierdurch entsteht Freiraum, <strong>de</strong>n Zieler-<br />
16
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
reichungsprozess laufend mit <strong>de</strong>r konkreten Situation abzustimmen <strong>und</strong> Chancen<br />
flexibel zu nutzen, aber auch Risiken offen wahrzunehmen. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />
Arbeitswelt können sich Manager nur auf – möglichst klar – formulierte Ziele verlassen,<br />
während sich die Wege zur Zielerreichung nur im Einzelfall klären lassen.<br />
Prozessoffenheit weist allerdings <strong>de</strong>utlich darüber hinaus, weil sie auf <strong>de</strong>r Bereitschaft<br />
beruht, <strong>de</strong>n vorab großteils unkalkulierbaren Prozess <strong>de</strong>r Zielverwirklichung<br />
mit seinen Überraschungen, unerwarteten Entwicklungen <strong>und</strong> Hin<strong>de</strong>rnissen konsequent<br />
bis zum En<strong>de</strong> zu durchlaufen. Offenheit für <strong>de</strong>n Prozess ist nur dann gegeben,<br />
wenn man sich bewusst ist, dass unterschiedlichste Schwierigkeiten auftauchen wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>und</strong> dass immer wie<strong>de</strong>r die Gefahr besteht, <strong>de</strong>n Prozess (unnötiger Weise) abzubrechen.<br />
So gibt es Möglichkeiten, sich bereits bei <strong>de</strong>r Zielformulierung gr<strong>und</strong>legend<br />
auf einige, wahrscheinlich auftreten<strong>de</strong> Probleme einzustellen, weil alle Zielprozesse<br />
ähnliche Gr<strong>und</strong>strukturen durchlaufen. So tauchen im Zuge <strong>de</strong>s Prozesses <strong>de</strong>r<br />
Zielverwirklichung unterschiedliche Prozesszustän<strong>de</strong> auf, die in <strong>de</strong>m sog. „Neugier-<br />
Erfolgs-Loop“ in einfacher Weise abgebil<strong>de</strong>t sind. <strong>Das</strong> Gr<strong>und</strong>prinzip <strong>de</strong>s Neugier-<br />
Erfolgs-Loop (NEL) wur<strong>de</strong> von Dyckhoff/Grochowiak (vgl. 1996) entwickelt. Der NEL<br />
stellt eine Strategie dar, die dabei unterstützt, gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Ziel-, Projekt- o<strong>de</strong>r Verhandlungsvorhaben<br />
durchzuhalten. So betrachtet <strong>de</strong>r NEL je<strong>de</strong>s zielorientierte Vorhaben<br />
als einen Prozess, <strong>de</strong>r in vielfältiger Weise von <strong>de</strong>n vier gr<strong>und</strong>legen Prozesszustän<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Neugier, Ernüchterung, Ausdauer sowie <strong>de</strong>s Erfolgs durchdrungen ist<br />
(vgl. auch Abb. 6):<br />
Abb. 6: Der Neugier-Erfolgs-Loop<br />
1. Am Anfang steht die Neugier. Sie aktiviert zum Start in <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Zielverwirklichung<br />
<strong>und</strong> ist mit <strong>de</strong>m Gefühl <strong>de</strong>r (Vor-)Freu<strong>de</strong> auf die Zielerreichung verb<strong>und</strong>en.<br />
Auch im Zuge <strong>de</strong>r Krisenbewältigung ist <strong>de</strong>r Beginn je<strong>de</strong>r gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n<br />
Neuorientierung von Neugier begleitet.<br />
17
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
2. Die Neugier-Phase dauert jedoch häufig nicht lang an. Schnell tauchen unerwartete<br />
Probleme auf, die zunehmend Be<strong>de</strong>utung gewinnen <strong>und</strong> die Erreichung <strong>de</strong>s<br />
Ziels in weite Ferne rücken. In diesem Zusammenhang entsteht <strong>de</strong>r Zustand <strong>de</strong>r<br />
Ernüchterung. Es geht vieles nicht so leicht, wie anfangs erwartet. Mitunter muss<br />
das gesamte Vorhaben noch einmal neu geprüft <strong>und</strong> gegebenenfalls an<strong>de</strong>rs ausgerichtet<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
3. Nach <strong>de</strong>r Ernüchterung folgt die Phase <strong>de</strong>r Ausdauer. In dieser Phase wird <strong>de</strong>utlich,<br />
dass sich die Schwierigkeiten einfach nicht kurzfristig überwin<strong>de</strong>n lassen.<br />
Nicht selten nehmen die zu überwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Probleme sogar noch zu. In dieser<br />
Phase ist Beharrlichkeit notwendig. Nicht selten treten Gefühle <strong>de</strong>r Wut auf, weil<br />
einfach kaum etwas hinreichend gut gelingt.<br />
4. Wird <strong>de</strong>r Ausdauer-Zustand gemeistert, erreicht man schließlich die letzte Phase<br />
<strong>de</strong>s Erfolgs, d. h. das angestrebte Ziel wird erreicht. Der Erfolg ist zunächst durch<br />
das Gefühl <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> bzw. <strong>de</strong>s Vergnügens geprägt. Jedoch gera<strong>de</strong> im Management<br />
von Unternehmen tritt die mit <strong>de</strong>m Erfolg einher gehen<strong>de</strong> Entspannungsphase<br />
häufig nur äußerst kurzfristig auf. Auf das abgeschlossene Projekt folgt unmittelbar<br />
das nächste, so dass Erfolge nicht hinreichend gewürdigt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Darüber hinaus entstehen in <strong>de</strong>r Erfolgsphase nicht selten Gefühle <strong>de</strong>r Angst,<br />
weil sich die Frage stellt, ob man diesen Erfolg weiter aufrecht erhalten kann. Auf<br />
diese Weise erhöht <strong>de</strong>r Erfolg nicht selten <strong>de</strong>n Druck, in Zukunft noch mehr leisten<br />
zu müssen.<br />
Prozessoffenheit be<strong>de</strong>utet vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s NEL, dass bereits vorab die Erwartung<br />
besteht, dass die Prozesszustän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Neugier, Ernüchterung, Ausdauer<br />
sowie <strong>de</strong>s Erfolgs eintreten können <strong>und</strong> ihr Durchleben in jeweils unterschiedlicher<br />
Weise Schwierigkeiten hervorruft. Viele Personen neigen dazu, nicht alle vier Phasen<br />
zu durchlaufen, weil sie sich <strong>de</strong>r Selbstverständlichkeit <strong>de</strong>r Schwierigkeiten, die mit<br />
<strong>de</strong>n Prozesszustän<strong>de</strong>n verb<strong>und</strong>en sind, nicht hinreichend bewusst sind <strong>und</strong> sie <strong>de</strong>shalb<br />
vermei<strong>de</strong>n; sie bleiben dann bei einer Phase stehen o<strong>de</strong>r brechen sogar <strong>de</strong>n<br />
gesamten Prozess ab. Personen, die bereits in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r Neugier abbrechen,<br />
haben mitunter viele gute I<strong>de</strong>en, können sie aber nicht konsequent voranbringen.<br />
Zum Teil sind sie auch völlig <strong>de</strong>sinteressiert <strong>und</strong> lassen sich erst gar nicht begeistern.<br />
Personen, die bei <strong>de</strong>r Ernüchterung stehen bleiben, ertragen es nicht, die Begeisterung<br />
zu verlieren. Sobald die Ernüchterung eintritt, erleben sie eine ausgeprägte Resignation,<br />
die zum Prozessabbruch führt. An<strong>de</strong>re haben erhebliche Probleme, die<br />
notwendige Ausdauer aufzubringen. Nicht selten han<strong>de</strong>lt es sich dabei um eher ungeduldige<br />
Personen, bei <strong>de</strong>nen alles möglichst schnell fertig gestellt sein muss. Zu<strong>de</strong>m<br />
entwickeln viele Perfektionisten Probleme mit ihrer Ausdauer, weil sie aus dieser<br />
Phase gar nicht mehr herauskommen. Schließlich gibt es Personen, die in <strong>de</strong>r<br />
Phase <strong>de</strong>s Erfolgs abbrechen, weil sie sich auf ihren Lorbeeren ausruhen bzw. das<br />
Gefühl haben, gr<strong>und</strong>sätzlich genug geleistet zu haben. Mitunter verbieten sich Personen<br />
<strong>de</strong>n Genuss <strong>de</strong>s Erfolgs, weil sie <strong>de</strong>nken, dass dies <strong>de</strong>n Charakter verdirbt, so<br />
dass sie letztlich nicht zur Ruhe <strong>und</strong> Entspannung kommen.<br />
<strong>Das</strong> P4C-Training richtet sich darauf, die subjektiven Erfahrungen <strong>de</strong>r Trainingsteilnehmer<br />
mit <strong>de</strong>n NEL-Zustän<strong>de</strong>n zu aktivieren, auszuwerten <strong>und</strong> auf dieser Gr<strong>und</strong>lage<br />
die verschie<strong>de</strong>nen Zustän<strong>de</strong> miteinan<strong>de</strong>r zu integrieren. Im Training wer<strong>de</strong>n die<br />
vier NEL-Zustän<strong>de</strong> <strong>de</strong>rart miteinan<strong>de</strong>r verknüpft, dass sie fließend ineinan<strong>de</strong>r übergehen<br />
können <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Prozessabbruch unwahrscheinlicher wird.<br />
3.5 Experiment/Reflexion <strong>und</strong> Syn-Egoismus<br />
18
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
Experiment/Reflexion sowie Syn-Egoismus charakterisieren die vierte Basiskompetenz<br />
<strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>, die darauf gerichtet ist, das individuelle Wissen ständig zu aktualisieren<br />
<strong>und</strong> tragfähige Beziehungsnetze aufzubauen. Im Zuge einer resilienten Bewältigung<br />
von Krisensituationen erfolgen meist sehr gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Wan<strong>de</strong>lprozesse. Um<br />
in diesen Wan<strong>de</strong>lprozessen <strong>Resilienz</strong> sowie die effektive Interaktion mit <strong>de</strong>r Umwelt<br />
zu realisieren, muss das Wissen über die Umwelt <strong>und</strong> die Wirkungen eigener Verhaltensmuster<br />
laufend aktualisiert wer<strong>de</strong>n. Dabei sind resiliente Personen vor allem<br />
daran interessiert, die Funktionsfähigkeit ihres Verhaltens ständig zu überprüfen. Tatsächlich<br />
experimentieren sie regelmäßig, um zu erfahren, welche Effekte ein für sie<br />
neues Verhalten hervorruft. Durch solche Experimente <strong>und</strong> die Reflexion über<br />
Ergebnisse aktualisieren sie ihr Wissen über <strong>de</strong>n Raum <strong>de</strong>r Gestaltungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> die Gültigkeit von Vorannahmen, die sie ihrem Verhalten zugr<strong>und</strong>e legen.<br />
Dieses Experimentierverhalten erleichtert es, die Effektivität <strong>de</strong>s Verhaltens in dynamischen<br />
Lebenssituationen zu sichern.<br />
<strong>Das</strong> P4C-Training nutzt vielfältige Metho<strong>de</strong>n, um alltägliches Experimentierverhalten<br />
systematisch zu för<strong>de</strong>rn (z. B. Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Beobachtungslernens, Wahrnehmungstechniken).<br />
Gleichzeitig ist jedoch zu be<strong>de</strong>nken, dass wir fast laufend intuitiv experimentieren.<br />
Folgt man <strong>de</strong>n gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s Organisationsforschers Karl<br />
E. Weick (vgl. 1995), han<strong>de</strong>ln wir überwiegend reflexartig; Menschen be<strong>de</strong>nken, diskutieren<br />
viel <strong>und</strong> versuchen ihr Han<strong>de</strong>ln, sehr genau im Voraus zu planen; sobald sie<br />
sich jedoch in <strong>de</strong>r akuten Handlungssituation befin<strong>de</strong>n, erfolgt das Verhalten <strong>de</strong>nnoch<br />
eher reflexartig. Weick (vgl. 1995) bemerkt hierzu: Denken erfolgt nach <strong>de</strong>m<br />
Han<strong>de</strong>ln. Um mehr über sich <strong>und</strong> die Umwelt zu erfahren, muss man <strong>de</strong>shalb nicht<br />
zuletzt im Nachhinein über das eigene Verhalten nach<strong>de</strong>nken <strong>und</strong> die Ergebnisse<br />
auswerten. Meist besteht erst im Nachhinein die Möglichkeit, aus <strong>de</strong>m intuitiv erfolgten<br />
Verhalten weiter gehen<strong>de</strong> Schlüsse zu ziehen.<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n stellen wir ein Mo<strong>de</strong>ll vor, dass die Reflexion über Verhalten, die zugr<strong>und</strong>e<br />
liegen<strong>de</strong>n Einflüsse sowie die dabei erzielten Ergebnisse unterstützt. Es ist<br />
sehr wirksam einsetzbar <strong>und</strong> fin<strong>de</strong>t im Rahmen <strong>de</strong>s P4C-Trainings umfangreich Anwendung.<br />
Bei diesem Mo<strong>de</strong>ll han<strong>de</strong>lt es sich um das Konzept <strong>de</strong>r Logischen Ebenen<br />
von Robert Dilts (vgl. 1996), das auf <strong>de</strong>n Arbeiten von Whitehead/Russell (vgl. 1910-<br />
1913) basiert, die ein mathematisches Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r logischen Typen entwickelt haben.<br />
Gregory Bateson (vgl. 1972) war <strong>de</strong>r erste, <strong>de</strong>r das mathematische Mo<strong>de</strong>ll von Whitehead/Russell<br />
für die Analyse <strong>und</strong> Reflexion menschlichen Verhaltens nutzbar<br />
machte. <strong>Das</strong> Mo<strong>de</strong>ll verbin<strong>de</strong>t menschliches Verhalten mit hierarchisch verknüpften,<br />
kognitiven Ebenen, die in unserer Informationsverarbeitung allgegenwärtig präsent<br />
sind. Wenn wir unser Verhalten sowie <strong>de</strong>ssen Wirksamkeit bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst<br />
interpretieren, sind die folgen<strong>de</strong>n kognitiven Ebenen permanent betroffen:<br />
• Die unterste Ebene <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls ist die Umgebung, in <strong>de</strong>r etwas stattfin<strong>de</strong>t. Es<br />
han<strong>de</strong>lt sich um <strong>de</strong>n jeweils – sinnesspezifisch zu beschreiben<strong>de</strong>n – räumlichen<br />
<strong>und</strong> zeitlichen Kontext, in <strong>de</strong>m ein Verhalten erfolgt.<br />
• Die nächsthöhere Verhaltensebene beschreibt die sinnesspezifisch konkreten<br />
Handlungen, die im Rahmen <strong>de</strong>r genannten Umgebung stattfin<strong>de</strong>n.<br />
• Ein Verhalten setzt stets Fähigkeiten voraus. In <strong>de</strong>r nächsten Ebene wird <strong>de</strong>shalb<br />
festgehalten wie jemand ein Verhalten gestaltet, welche Fähigkeiten dazu genutzt<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
• Fähigkeiten wer<strong>de</strong>n nach bestimmten (Meta-)Kriterien <strong>und</strong> zwar insbeson<strong>de</strong>re unter<br />
Rückgriff auf bewusste/unbewusste Glaubenssätze aktiviert. Hieraus ergibt<br />
sich die nächste kognitive Ebene <strong>de</strong>r Glaubenssätze/Werte. Hierbei han<strong>de</strong>lt es<br />
sich um generalisierte Erfahrungen <strong>und</strong> Interpretationen aus <strong>de</strong>r Vergangenheit.<br />
19
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
• Die nächste Ebene beschreibt die I<strong>de</strong>ntität, das<br />
Selbstbild o<strong>de</strong>r Selbstverständnis einer Person<br />
bzw. einer Gruppe. I<strong>de</strong>ntitätskonzepte sind wandlungsfähig,<br />
jedoch relativ fest kognitiv verankert.<br />
• Dieser Ebene folgt die Zugehörigkeit, welche die<br />
Vision o<strong>de</strong>r Mission eines Menschen, also die „höheren“,<br />
gegebenenfalls sogar spirituellen Ziele, be-<br />
IDENTITÄT<br />
inhaltet.<br />
20 <br />
ZUGEHÖRIGKEIT<br />
MISSION / VISION<br />
<strong>Das</strong> Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r logischen Ebenen kann in vielfältiger<br />
GLAUBEN/WERTE<br />
Weise zur Analyse <strong>de</strong>s Verhaltens angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re eignet es sich, um Grün<strong>de</strong> für Inkongruenzen<br />
in Verhaltensmustern aufzuzeigen.<br />
Aufge<strong>de</strong>ckte Inkongruenzen bieten Anhaltspunkte für<br />
weiter gehen<strong>de</strong>s Lernen, neues Experimentierverhalten<br />
<strong>und</strong> sogar für die Entwicklung von Strategien zur<br />
FÄHIGKEITEN<br />
Bewältigung persönlicher Krisen. Beispielsweise<br />
kann das Mo<strong>de</strong>ll zur Analyse <strong>de</strong>s Re<strong>de</strong>verhaltens<br />
einer Person Anwendung fin<strong>de</strong>n. Unbefriedigen<strong>de</strong> VERHALTEN<br />
o<strong>de</strong>r sogar gescheiterte Versuche einer Person; vor<br />
einem großen Publikum zu sprechen (Verhaltensebene),<br />
wer<strong>de</strong>n anhand <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls <strong>de</strong>r logischen<br />
Ebenen analysiert, in<strong>de</strong>m die Einflüsse <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren UMGEBUNG<br />
logischen Ebenen auf das problematische<br />
Re<strong>de</strong>verhalten untersucht wer<strong>de</strong>n. Dabei kann sich<br />
möglicherweise herausstellen, dass auf <strong>de</strong>r Glaubensebene Sätze wie „Sicherlich<br />
verliere ich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n roten Fa<strong>de</strong>n“ o<strong>de</strong>r „Ich kann gar nicht locker <strong>und</strong> humorvoll<br />
auftreten“ das Verhalten <strong>und</strong> die Fähigkeiten gr<strong>und</strong>legend beeinflussen. Je<strong>de</strong>r weitere<br />
Versuch, effektive Re<strong>de</strong>n zu halten, wird behin<strong>de</strong>rt, solange eine Inkongruenz dieses<br />
Verhaltens mit <strong>de</strong>n höheren Ebenen besteht. <strong>Das</strong> heißt, je<strong>de</strong> höhere Ebene limitiert<br />
gegebenenfalls die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Verhaltensän<strong>de</strong>rung. Einerseits führen<br />
neue Verhaltensweisen zu neuen Fähigkeiten <strong>und</strong> Glaubenssätzen, an<strong>de</strong>rerseits behin<strong>de</strong>rn<br />
jedoch alte Glaubenssätze neue Verhaltensweisen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Erwerb neuer<br />
Erfahrungen. Ebenso kann aber eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Umgebungsebene die gesamten<br />
höheren Ebenen beeinflussen, wie das Beispiel eines Arbeitsplatzverlusts<br />
ver<strong>de</strong>utlicht.<br />
Die Wirksamkeit von Verän<strong>de</strong>rungs- <strong>und</strong> Lernprozessen hängt von <strong>de</strong>r Integration<br />
<strong>de</strong>r kognitiven Informationsverarbeitungsprozesse auf <strong>de</strong>n Logischen Ebenen ab.<br />
Beispielsweise wird eine Person, die nicht daran glaubt, dass sie etwas verän<strong>de</strong>rn<br />
kann, wahrscheinlich auch nichts verän<strong>de</strong>rn. Die Logischen Ebenen sind insofern<br />
zirkulär miteinan<strong>de</strong>r vernetzt. Ein Beispiel für ihre Vernetzung bietet Abbildung 6.<br />
Neben Experiment <strong>und</strong> Reflexion erweist jedoch auch Syn-Egoismus als zentrale<br />
Voraussetzung für eine effektive Interaktion mit <strong>de</strong>r Umwelt, <strong>de</strong>nn natürlich sind auch<br />
resiliente Personen häufig auf die Mitwirkung von an<strong>de</strong>ren angewiesen. Resiliente<br />
Verhaltensmuster setzen dabei keineswegs <strong>de</strong>n guten Willen o<strong>de</strong>r gar die Selbstlosigkeit<br />
von Interaktionspartnern voraus. Im Gegenteil, sie rechnen ausdrücklich mit<br />
<strong>de</strong>m egoistischen Verhalten, ohne <strong>de</strong>shalb aber in je<strong>de</strong>m Fall Rücksichtslosigkeit zu<br />
unterstellen. <strong>Resilienz</strong> beruht dabei auf <strong>de</strong>r Verhaltensorientierung <strong>de</strong>s „Syn-<br />
Egoismus“ (vgl. dazu Kastner 1999). Syn-Egoisten sind darauf gerichtet, Projekte<br />
zwischen (potenziellen) Egoisten zu initiieren <strong>und</strong> alle Beteiligten auf gemeinsame<br />
Win-Win-Situationen auszurichten, die sowohl die eigenen Ziele als auch die Ziele
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
bzw. Interessen <strong>de</strong>r Kooperationspartner realisieren. Erst <strong>de</strong>r Syn-Egoismus bietet<br />
eine verlässliche Gr<strong>und</strong>lage dafür, dass Kooperationspartner ihre Ressourcen einbringen<br />
o<strong>de</strong>r sogar dauerhafte soziale Netzwerke entstehen. Syn-Egoismus ist daher<br />
ein unverzichtbarer Bestandteil resilienter Verhaltensmuster. Im Rahmen <strong>de</strong>s P4C-<br />
Trainings kommt zum Beispiel die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Meta Mirror (vgl. Dilts 2002) zur Anwendung,<br />
um die Verhaltensorientierung <strong>de</strong>s Syn-Egoismus systematisch zu unterstützen.<br />
Diese Metho<strong>de</strong> beruht auf <strong>de</strong>m Gr<strong>und</strong>gedanken, Interaktionssituationen <strong>und</strong><br />
Interessenkonstellationen aus unterschiedlichen Wahrnehmungspositionen (z. B.<br />
Ego, Alter, externe dritte o<strong>de</strong>r vierte Person usw.) zu analysieren, um daraus Schlüsse<br />
für das eigene Verhalten zu ziehen. Da die Meta-Mirror-Metho<strong>de</strong> hilfreich ist, Synergiepotenziale<br />
zwischen beteiligten Personen aufzuzeigen, kann sie nicht zuletzt<br />
eine syn-egoistische Verhaltensorientierung <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Aufbau verlässlicher sozialer<br />
Netzwerke unterstützen.<br />
Logische Ebene Erklärung Beispiel<br />
Zugehörigkeit<br />
Vision/Mission<br />
WOZU?<br />
I<strong>de</strong>ntität<br />
WER?<br />
Glauben/Werte<br />
WARUM?<br />
Fähigkeiten<br />
WIE?<br />
Verhalten<br />
WAS?<br />
Umwelt<br />
WO? WANN?<br />
WER NOCH?<br />
Meine individuelle, berufliche,<br />
private, religiöse o.a. Zugehörigkeit,<br />
Vision, Mission.<br />
Mein Selbstverständnis <strong>und</strong><br />
Selbstbild von mir.<br />
Meine Überzeugungen, Glaubenssätze<br />
<strong>und</strong> Werte.<br />
Meine Fertigkeiten, Strategien<br />
<strong>und</strong> gedanklichen Überlegungen.<br />
Meine konkreten Handlungen<br />
<strong>und</strong> Empfindungen im Hier<br />
<strong>und</strong> Jetzt.<br />
Alles worauf wir reagieren,<br />
unsere Umgebung <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re<br />
Menschen.<br />
Ich gehöre zu <strong>de</strong>n Migränepatienten.<br />
Ich bin ein Stressempfindlicher<br />
Mensch.<br />
Konzentriertes Arbeiten ist<br />
nur bei Ruhe möglich.<br />
Bei Lärm ist es mir nicht<br />
möglich zu arbeiten <strong>und</strong><br />
mich zu konzentrieren.<br />
Bei diesem Lärm bekomme<br />
ich Kopfschmerzen.<br />
Lärm im Büro macht es<br />
schwierig zu arbeiten.<br />
Abb. 6: Vernetzung <strong>de</strong>r Logischen Ebenen<br />
4 Krisenverläufe <strong>und</strong> die 4 Basiskompetenzen <strong>de</strong>s P4C-Mo<strong>de</strong>lls<br />
<strong>Das</strong> hier vorgestellte P4C-Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r 4 Basiskompetenzen (Assertiveness, Achtsamkeit,<br />
Zielklarheit/Prozessoffenheit, Experiment/Reflexion/Syn-Egoismus) steht in enger<br />
Verbindung mit <strong>de</strong>n zentralen Phasen einer Krise. So weisen Krisen einen (i<strong>de</strong>altypischen)<br />
Verlauf auf, im Zuge <strong>de</strong>ssen bestimmte Phasen meist mehrfach auftreten.<br />
Diese Phasen sind zirkulär miteinan<strong>de</strong>r vernetzt <strong>und</strong> lassen sich mit <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />
Begriffen beschreiben (vgl. ähnlich Kast 2008 <strong>und</strong> Abb. 7):<br />
• Ungewissheit/Abwehr<br />
21
Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
• Emotionale Reaktion<br />
• Neuorientierung<br />
• Strategie<br />
Abb. 7: Zirkuläre Phasen <strong>de</strong>r Krise<br />
Die Krise beginnt mit einer Phase <strong>de</strong>r Ungewissheit, die zunächst nur begrenzte<br />
kognitive Irritation bzw. Verunsicherung hervorruft. Manchmal entsteht eine allgemeine<br />
Müdigkeit o<strong>de</strong>r Antriebslosigkeit. Ein typisches Kennzeichen jener Phase ist die<br />
Abwehr. Der/die Betroffene will das Problem eigentlich gar nicht wahrhaben. Die<br />
sich verschärfen<strong>de</strong> Krisensituation wird ignoriert bzw. bagatellisiert. Dennoch taucht<br />
sie immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>und</strong> wird immer bedrängen<strong>de</strong>r. Es gelingt auf Dauer nicht, sich<br />
ihr zu entziehen. Allmählich entsteht die jedoch Einsicht, dass man sich unausweichlich<br />
in einer sehr gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Konfliktsituation befin<strong>de</strong>t.<br />
Hierauf folgt die zweite Phase <strong>de</strong>r emotionalen Reaktion, die meistens von unterschiedlichen<br />
emotionalen Zustän<strong>de</strong>n begleitet wird. Wut, Hilflosigkeit, Ärger, Angst,<br />
Frustration o<strong>de</strong>r blin<strong>de</strong>r Aktionismus können chaotisch auftreten. Meistens dominiert<br />
eines <strong>de</strong>r Gefühle <strong>und</strong> breitet sich aus. Manche dissoziieren in dieser Phase erheblich,<br />
so dass sie völlig kühl <strong>und</strong> abgestumpft wirken.<br />
Im Anschluss an die emotionale Reaktion schließt sich die Phase <strong>de</strong>r Integration an.<br />
Die Problematik <strong>de</strong>r Krisensituation wird als Teil <strong>de</strong>r Realität akzeptiert <strong>und</strong> es beginnt<br />
die Zeit <strong>de</strong>r Neuorientierung durch Abwägung, Flexibilisierung, Kanalisierung,<br />
Perspektivwechsel <strong>und</strong> das Aneignen neuer Ressourcen.<br />
Durch diese kognitive Neuorientierung kann die letzte <strong>und</strong> vierte Phase <strong>de</strong>r Strategie<br />
beginnen, die einen neuen Welt- <strong>und</strong> Selbstbezug sowie neue Handlungsstrategien<br />
hervorbringt. Dies erleichtert es allmählich sich <strong>de</strong>r neuen Situation praktisch <strong>und</strong><br />
umfassend zu stellen.<br />
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Laske,Stephan/Orthey,Astrid/Schmid,Martin (Hg.): Handbuch PersonalEntwickeln, Köln<br />
Die oben vorgestellten Basiskompetenzen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> (Assertiveness, Achtsamkeit,<br />
Zielklarheit/Prozessoffenheit, Experiment/Reflexion <strong>und</strong> Syn-Egoismus), die <strong>de</strong>n<br />
zentralen Bezugspunkt unseres P4C-Trainings bil<strong>de</strong>n, lassen sich in ihrer beson<strong>de</strong>ren<br />
Be<strong>de</strong>utung ten<strong>de</strong>nziell bestimmten Phasen <strong>de</strong>r Krise zuordnen, ohne dass dabei<br />
allerdings eine ausschließliche Beziehung unterstellt wird:<br />
1. Assertiveness erweist sich insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r ersten Phase <strong>de</strong>r Ungewissheit<br />
<strong>und</strong> Abwehr als von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung. Assertiveness (Selbstpräsenz) ermöglicht<br />
einen klaren, aufrechten sowie führungsstarken Umgang mit Krisenanfängen<br />
<strong>und</strong> verringert die Intensität sowie Dauer von Abwehrreaktionen. Ohne<br />
Assertiveness besteht die Gefahr, entwe<strong>de</strong>r in eine unkontrollierte Aggression zu<br />
verfallen o<strong>de</strong>r verängstigt <strong>de</strong>n stillen Rückzug in die Defensive anzutreten. Bei<strong>de</strong><br />
Reaktionen führen letztlich ins Abseits <strong>und</strong> verschlimmern die Krise.<br />
2. Achtsamkeit wirkt beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r emotionalen Reaktion. Sie för<strong>de</strong>rt<br />
ein emotional kompetentes Vorgehen in Krisensituationen <strong>und</strong> hilft auch bei Unübersichtlichkeit<br />
<strong>und</strong> Überfor<strong>de</strong>rung intuitiv wertvolle sowie emotional ausbalancierte<br />
Entscheidungen zu treffen. Gefühle unberücksichtigt zu lassen, zu verdrängen<br />
o<strong>de</strong>r zu dissoziieren, gefähr<strong>de</strong>t die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> hat negative Auswirkungen<br />
auf die soziale Beziehungsfähigkeit.<br />
3. Zielklarheit <strong>und</strong> Prozessoffenheit ermöglichen es, in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r Neuorientierung<br />
<strong>de</strong>n richtigen Weg einzuschlagen <strong>und</strong> die Krise mit passen<strong>de</strong>n Strategien<br />
zu überwin<strong>de</strong>n. Ohne Zielbezug <strong>und</strong> Prozesssteuerung erhält das Han<strong>de</strong>ln keine<br />
aktive <strong>und</strong> flexible Ausrichtung.<br />
4. Experiment <strong>und</strong> Reflexion aktualisieren das Wissen, reflektieren die wichtigen<br />
Lernschritte für Verän<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> stabilisieren <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Zielerreichung.<br />
Sie ermöglichen es, die für die letzte Krisenphase typischen neuen Strategien<br />
systematisch zu entwickeln. Zu<strong>de</strong>m erleichtert die Verhaltensorientierung <strong>de</strong>s<br />
Syn-Egoismus <strong>de</strong>n Erhalt sozialer Unterstützung <strong>und</strong> die Einbettung in soziale<br />
Beziehungen. Ohne Experiment/Reflexion sowie Syn-Egoismus droht <strong>de</strong>r<br />
Rückfall in alte Verhaltensmuster <strong>und</strong> ein Wie<strong>de</strong>raufleben <strong>de</strong>r Krisensituation.<br />
5. Fazit<br />
Die angestellten Überlegungen ver<strong>de</strong>utlichten, dass Unternehmen unter <strong>de</strong>n komplexen<br />
<strong>und</strong> dynamischen Wettbewerbsbedingungen zunehmend auf die individuelle <strong>Resilienz</strong><br />
ihrer Mitarbeiter <strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Manager angewiesen sind. <strong>Das</strong> Training<br />
<strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> erweist sich nicht zuletzt im Bereich <strong>de</strong>r Führungskräfteentwicklung<br />
als von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung, um die Bewältigung alltäglicher Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
im Management zu unterstützen. Allerdings lässt die wissenschaftliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>m Untersuchungsgegenstand <strong>Resilienz</strong> noch viele Fragen offen; zugleich<br />
bietet die Literatur zur <strong>Resilienz</strong> bisher keine effektiven <strong>und</strong> umfangreich dargestellten<br />
Trainingskonzepte an. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> richtete sich <strong>de</strong>r Beitrag auf<br />
die Darstellung <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lagen eines eigenständigen Trainings <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong>, das<br />
gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Erkenntnisse mit verbreiteten <strong>und</strong> hoch wirksamen Trainingsmetho<strong>de</strong>n<br />
verknüpft. Da es präventiv ausgerichtet ist <strong>und</strong> auf einem Mo<strong>de</strong>ll von 4 Basiskompetenzen<br />
<strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> beruht, wur<strong>de</strong> es als „P4C Prevention for Crisis“-Training charakterisiert.<br />
Es fokussiert zunächst auf die 4 Basiskompetenzen <strong>de</strong>r <strong>Resilienz</strong> (Assertiveness,<br />
Achtsamkeit, Zielklarheit/Prozessoffenheit sowie Experiment/Reflexion/Syn-<br />
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Egoismus) <strong>und</strong> greift im Zuge <strong>de</strong>s Trainings auf langjährig erprobte <strong>und</strong> äußerst effektive<br />
Metho<strong>de</strong>n zurück. <strong>Das</strong> Training ist nicht zuletzt in <strong>de</strong>r <strong>Personalentwicklung</strong><br />
einsetzbar, um die individuelle <strong>Resilienz</strong> <strong>de</strong>r Mitarbeiter zu för<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> sie für die<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Arbeitswelt zu rüsten.<br />
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