Paula und Andre - KGS Kirchweyhe
Paula und Andre - KGS Kirchweyhe
Paula und Andre - KGS Kirchweyhe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Profilkurs Lebenswege – Präsentation von<br />
<strong>Andre</strong> <strong>und</strong> <strong>Paula</strong><br />
Interview mit einem Zeitzeugen<br />
Wir: Wie ist ihr Name?<br />
Frau Rauer: Elwira Rauer.<br />
Wir: Wann sind sie geboren?<br />
Frau Rauer: Am 30.10.1927.<br />
Wir: Und wo sind sie geboren?<br />
Frau Rauer: In Fröhlichsdorf. Das liegt in Schlesien.<br />
Wir: Wie viele Geschwister haben sie?<br />
Frau Rauer: Einen Bruder.<br />
Wir: Wann mussten sie denn aus ihrer Heimat fliehen?<br />
Frau Rauer: Kriegsende war 1945. Am 8. oder 9., das kann ich nicht genau sagen, ist<br />
Kapituliert worden <strong>und</strong> aus der Heimat vertrieben worden sind wir 1946.<br />
Wir: Und wie kam es genau zu der Flucht?<br />
Frau Rauer: Also erst kam ja der Russe, der ist ne Zeit geblieben <strong>und</strong> dann kam der Pole.<br />
Da wurden wir vertrieben aus unserem Haus. Dann kamen wir bei einem großen Bauern<br />
unter, da mussten wir wieder raus <strong>und</strong> kamen zu einer Privatperson <strong>und</strong> da wurde morgens<br />
bekannt gegeben: „in einer St<strong>und</strong>e fertig sein“ da mussten wir uns an einem Gasthof<br />
treffen, das war in der Ortsmitte, da kam jeder mit seinem Hab <strong>und</strong> Gut eingepackt. Koffer<br />
hatten wir ja nicht Taschen auch nicht <strong>und</strong> wurden dann nach Freiburg gefahren <strong>und</strong><br />
kamen da am Bahnhof in Wagons <strong>und</strong> da ist es dann bis nach Görlitz gegangen das war an<br />
der Grenze <strong>und</strong> da wurden wir dann desinfiziert also gepudert mit einer Pudermaschine<br />
damit wir nichts mit rein schleppen <strong>und</strong> dann sind wir am 3 Juli in Leeste angekommen <strong>und</strong><br />
da waren wir dann auch in der Gaststätte <strong>und</strong> da kam der Bürgermeister <strong>und</strong> hatte seine<br />
Liste dabei <strong>und</strong> da wurden wir dann verteilt auf die einzelnen Häuser.
Wir: Hatten sie während der Flucht irgendwelche Hindernisse?<br />
Frau Rauer: Nein, nur Unterwegs, wenn nachts der Zug mal hielt, weil wir irgendwie nicht<br />
weiter fahren konnten, da hieß es nur: “Wagontüren nicht auf machen Sie könnten plündern<br />
kommen.“ Denn wir wurden ja, das Baby war vielleicht drei oder vier Jahre alt <strong>und</strong> meine<br />
Oma die war die Älteste. Wir hatten vom dritten Lebensjahr bis wohl zum siebzigsten alle<br />
dabei. Es war ziemlich eng im Wagon <strong>und</strong> auf dem Boden war überall Stroh. Versorgt<br />
worden sind wir mit essen, das ist alles gut gegangen. In Görlitz kamen wir wieder ins<br />
Lager. Ich weiß aber nicht mehr ob wir untersucht worden sind, das kann ich nicht mehr<br />
sagen.<br />
Wir: Haben sie auf der Flucht irgendwelche Familienangehörige verloren?<br />
Frau Rauer: Nein, nein wir sind alle zusammen geblieben, denn wir waren ja nur die aus<br />
dem Ort näh. Meine Tante <strong>und</strong> die von väterlicher Seite, mütterlicher Seite die waren ja alle<br />
im Umkreis. Die sind nicht mit uns raus gekommen die sind dann in den Osten nach<br />
Ostberlin gekommen <strong>und</strong> wir sind dann hier in den Westen gekommen.<br />
Wir: Und nach der Flucht, nachdem sie hier in Leeste angekommen sind, wie war das dann<br />
hier wie ging das dann weiter?<br />
Frau Rauer: Ja wir hatten z.B. ein Quartier bekommen in Melchershausen. Bei Schlachter<br />
Weiß. Die hatten ein kleines Haus mit Schlachterei <strong>und</strong> allem <strong>und</strong> hatten sieben Kinder.<br />
Sieben Kinder, Vater <strong>und</strong> Mutter, ne Oma aus Bremen die hatten sie ausgebombt <strong>und</strong> zwei<br />
aus Nodernei. Die waren da alle im Betrieb. Da kann man sie ja vorstellen, dass die keine<br />
Zimmer frei hatten. Da kamen wir da hin, das war ein Montag <strong>und</strong> da sagt die Frau Weiß:<br />
“Ja tut mir leid, mein Mann ist schon bei der Gemeinde“. Wir könnten uns selbst<br />
erk<strong>und</strong>igen, die waren oben im Haus am Ausbauen. Da mussten zwei Mädchen zusammen<br />
in ein Zimmer. “Wir können euch unmöglich nehmen“ sagte sie <strong>und</strong> naja das haben wir<br />
dann auch eingesehen. Die Maurer waren zu der Zeit dann auch schon, Aber die Frau hat<br />
uns sehr nett aufgenommen da hab ich dann nachher gearbeitet <strong>und</strong> da hab ich dann mein<br />
Mann kennen gelernt. Der kam da als Geselle hin. Aber sie hat gesagt: „Aber erst bleibt ihr<br />
hier mal sehen was mein Mann wird sagen.“ Und da mussten wir dann ganz aus Leeste<br />
von der Anmeldung in der Mitte zu einem Platz gehen <strong>und</strong> kriegten erst mal was Warmes<br />
zu essen <strong>und</strong> da weiß ich noch, da gab es den Rest vom Mittag. Es gab Schweinebraten<br />
<strong>und</strong> Gemüse dazu <strong>und</strong> Suppe. Vor den Kartoffeln gab es Pudding. Schokoladenpudding<br />
mit Vanillesoße. Das weiß ich noch ganz genau <strong>und</strong> das hat uns wirklich geschmeckt. Die<br />
haben uns ganz nett aufgenommen. Es gab auch welche die das Gegenteil erfuhren. Die<br />
Dame die bei uns in Schlesien gewohnt hat, in unserem Haus, die kam weinend wieder<br />
nach 5 Minuten. Die war schräg gegenüber auf einem Bauernhof. Die hatten angeblich kein<br />
Zimmer frei <strong>und</strong> da sagt sie: „ oh nee ich will am liebsten sterben wo soll ich jetzt hin“ da<br />
haben wir ihr ja Mut gemacht <strong>und</strong> sie ist auch noch ganz gut untergekommen. Und als wir<br />
dann da nicht bleiben konnten da sind wir dann nach Melchershausen gekommen zu einem
Witwer mit zwei Töchtern. Die Mutter ist einen Tag vor Kriegsende vom Wald aus in<br />
Melchershausen, da hatten die freies Feld <strong>und</strong> etwas Landwirtschaft, erschossen worden.<br />
Der Vater hat uns auch ganz nett aufgenommen. Die hatten da oben zwei Zimmer. Mit vier<br />
Mann, meine Oma lebte da noch, lebten wir da. Meine Mutter war in dem Moment so was<br />
wie eine Ersatzmutter für die beiden Mädels. Die gingen noch beide zu Schule. Und meine<br />
Mutter konnte ja nähen <strong>und</strong> da hat sie immer für die Mädels Kleider genäht. Und wenn im<br />
Garten was war haben wir auch geholfen. Der Mann war auch ganz nett der hat sich gut mit<br />
meinen Eltern verstanden, da haben wir es gut gehabt.<br />
Wir: Wie kam es dazu das sie sich was Eigenes aufgebaut haben?<br />
wir<br />
Frau Rauer: Ja wir kriegten dann eine größere Wohnung, <strong>und</strong> da sind wir an die B6<br />
gezogen zur Dammschnitte in Melchershausen. Da waren wir in der Poststelle drin. Da<br />
haben wir oben ziemlich große Zimmer gehabt, denn da wo wir zuvor waren da ging die<br />
Treppe so hoch <strong>und</strong> es war eisig kalt im Winter. Da konnten wir die Fenster kaum auf<br />
machen. Da haben wir gewohnt <strong>und</strong> haben von da aus in der Leesterstraße wurden<br />
Bauplätze verkauft <strong>und</strong> da hat mein Vater, der war ja Maurer noch mal gebaut, mit seinen<br />
Schwiegersöhnen <strong>und</strong> Kindern die eben gerade zur Verfügung standen da haben wir am<br />
Wochenende immer Steine geschleppt da hat mein Vater dann noch ein Haus gebaut <strong>und</strong><br />
da sind sie dann rein gezogen <strong>und</strong> ich habe aber dann schon geheiratet wo wir dann an der<br />
letzten stelle waren. Und dann bin ich ja nach Lahausen gezogen.<br />
Wir: Mit ihrem Mann zusammen?<br />
Frau Rauer: ja mit meinem Mann da war ich schon verheiratet. Und mein Schwiegervater<br />
hat dann in Lahausen eine Schlachterei aufgemacht. Da haben wir ganz klein angefangen.<br />
Da hatten wir dann wieder nur zwei Zimmer <strong>und</strong> unser Dietmar war schon geboren. Da<br />
waren wir mit drei, mein Schwiegervater, Meine Schwägerin <strong>und</strong> mein Schwager mit sechs<br />
Mann in zwei Zimmern. Die Vermieter wollten dann aber immer wenn der vertrag ablief<br />
mehr miete haben. Und da hat mein Schwiegervater gesagt das geht nicht mehr. Es war<br />
außerdem zu klein.<br />
Wir: Können sie uns noch mal die Orte sagen an den sie während der Flucht waren?<br />
Frau Rauer: Fröhlichsdorf von da aus sind wir mit einem Wagen nach Weitenburg<strong>und</strong> von<br />
da aus mit einem Zug nach Görlitz <strong>und</strong> dann sind wir in Leeste bei Bremen angekommen.
Biographie<br />
Elwira Rauer wurde am 30.10.1927 in Fröhlichsdorf geboren.<br />
Vor der Flucht lebte Elwira Rauer in Schlesien in einem Ort namens Fröhlichsdorf.<br />
Dort wuchs sie gemeinsam mit ihrer Oma, ihren Eltern <strong>und</strong> ihrem Bruder auf.<br />
Elwira hatte bis zum Zeitpunkt der Flucht eine schöne Kindheit <strong>und</strong> lebte auf einem kleinen<br />
Bauernhof.<br />
Als der Krieg begann flüchtete sich gemeinsam mit ihrer ganzen Familie nach Leeste.<br />
Elwira Rauer lebte nach der Flucht in Leeste/Weyhe.<br />
Sie baute sich gemeinsam mit ihrem Mann, den sie bei ihrer Arbeit kennen lernte eine<br />
Existenz auf, indem die beiden eine Fleischerei eröffneten.<br />
Beide arbeiteten hart <strong>und</strong> kämpften mit den hohen Anforderungen des Ges<strong>und</strong>heitsamtes.<br />
Sie hatten großen Erfolg mit dem Familienbetrieb <strong>und</strong> arbeiteten gemeinsam für viele Jahre<br />
in der Schlachterei Rauer in Weyhe.<br />
Als Elviras Mann starb übernahmen ihre Kinder den Familienbetrieb, der heute immer noch<br />
Existiert.<br />
Elwira Rauer ist heute 83 Jahre alt <strong>und</strong> lebt als Rentnerin in einem kleinen Haus in Leeste.<br />
Aus ihrer Ehe gingen 2 Söhne hervor.<br />
Mit den Erlebnissen der Flucht kommt sie heute zurecht, litt jedoch eine lange Zeit sehr<br />
stark darunter <strong>und</strong> ist froh das sie das alles gemeinsam mit ihrer Familie zusammen<br />
durchstehen konnte.
Der Fluchtweg<br />
Die Flucht der Familie begann im Heimatsort Fröhlichsdorf in Schlesien, von da aus ging es<br />
mit dem Wagen weiter nach Weitenburg<strong>und</strong> von Weitenburgfuhr die Familie mit dem Zug<br />
nach Görlitz. Nach einiger Zeit wurde das Ziel Leeste (Weyhe) erreicht
Geschichte der Fleischerei (Anhang)<br />
Die Geschichte begann im Jahre 1900, als Fleischermeister Franz Rauer in Weigelsdorf<br />
(Schlesien) eine Fleischerei eröffnete.<br />
Der aus dieser Familie stammende Reinhold Rauer, ebenfalls Fleischermeister pachtete im<br />
Jahre 1927 in Silberberg (Schlesien) eine bestehende Fleischerei, die er 1930 käuflich<br />
erwarb. 1932 wurde dieses Gebäude bis auf die Kellerdecke abgerissen <strong>und</strong> auf 3<br />
Stockwerke wieder aufgestockt.<br />
Aus der Familie von Reinhold gingen 4 Kinder hervor u. a. auch Hubert Rauer, zu ihm<br />
später mehr. Durch das Kriegsgeschehen wurde die Familie im April 1946 aus Silberberg<br />
vertrieben <strong>und</strong> über viele Umwege nach Barrien verschlagen.<br />
Nachdem Vater <strong>und</strong> Sohn (Reinhold u. Hubert) zunächst bei der Fleischerei Hermann Weiß<br />
in Melchiorshausen gearbeitet haben (Dort lernte Hubert auch seine spätere Ehefrau<br />
kennen), eröffnete Reinhold Rauer am 27.09.1952 in Lahausen eine neue Fleischerei, die<br />
er bis Ende 1959 mit Hilfe von Hubert, Schwiegertochter Elwira <strong>und</strong> Tochter Bärbel führte.<br />
Im Januar 1960 übergab er aus Altersgründen an Hubert, der seit 1957 ebenfalls<br />
Fleischermeister war.<br />
Bedingt durch räumliche Einschränkungen am Standort „Am Meyerkamp/ An der Brake“<br />
<strong>und</strong> dem Wunsch nach betrieblicher Expansion wurde 1962 das Gr<strong>und</strong>stück in Lahausen<br />
Asternweg 2 gekauft. Im Jahr darauf wurde mit dem Bau der neuen Fleischerei begonnen.<br />
Am 26. Mai 1962 wurde der Neubau bezogen <strong>und</strong> der Laden eröffnet.<br />
Aus der Ehe von Hubert <strong>und</strong> Elvira gingen die Söhne Dietmar <strong>und</strong> Detlef hervor. Detlef<br />
erlernte ebenfalls das Fleischerhandwerk. Durch häufigen Wechsel der Arbeitsstellen <strong>und</strong><br />
Besuch der Meisterschule in Hamburg erwarb er zusätzliches Wissen, welches er am Tage<br />
seiner Meisterprüfung(01.06.1981) gut gebrauchen konnte.<br />
1982 ist Detlef in den familiären Betrieb eingetreten. Am 01.10.1983 wurde von ihm in<br />
<strong>Kirchweyhe</strong> ein Geschäft in einer Ladenzeile erworben <strong>und</strong> auch gleich mit dem Umbau<br />
begonnen. 4 Wochen später am 01.11.1983 fand die Eröffnung der Fleischerei Detlef<br />
Rauer GmbH statt. Mittlerweile schon in der 4. Generation.<br />
Am 01.01.1988 wurde der Betrieb im Asternweg vom Vater an den Sohn <strong>und</strong><br />
heutigen Inhaber Detlef Rauer abgegeben, wo er bis heute wohnt <strong>und</strong> arbeitet.
Kurzinformation über Schlesien<br />
Schlesien (inoffiziell auch als Preußisch-Schlesien bekannt) war ein Ort im Südosten des<br />
Staates Preußen. Er bestand von 1815 bis 1919 <strong>und</strong> danach nochmal von 1938 bis 1941.<br />
Der Ort umfasste den größten Teil der historischen Region von Schlesien, nur ein kleiner<br />
Teil gehörte zu Österreich bzw. später zur Tschechoslowakei. Hauptstadt war Breslau.<br />
1941 wurde sie in Provinz Niederschlesien <strong>und</strong> Provinz Oberschlesien geteilt.<br />
Unsere Meinung über die Flucht<br />
Wir finden es unglaublich was die Familie <strong>und</strong> die Zeitzeugin alles durchstehen mussten.<br />
Wir bew<strong>und</strong>ern sie sehr <strong>und</strong> waren überrascht wie gut die Zeitzeugin mit den Erlebnissen<br />
<strong>und</strong> Eindrücken fertig wird.<br />
Sie konnte uns alles genau erzählen <strong>und</strong> wir bekamen einen sehr guten <strong>und</strong> genauen<br />
Eindruck darüber wie es sich früher abgespielt haben muss.<br />
Wir erfuhren sehr viele schreckliche, aber auch schöne Dinge die, die Familie erlebt hat.<br />
Wir denken dass es der Zeitzeugin gut tat uns von ihrer Flucht mitzuteilen.<br />
Nachdem wir das Interview abgeschlossen hatten, verbrachten wir noch über eine St<strong>und</strong>e<br />
mit der Zeitzeugin <strong>und</strong> unterhielten uns noch genauer über einige Sachen die sich während<br />
der Flucht abspielten, die wir jedoch nicht in das Interview geschrieben haben.<br />
Wir besuchten die Zeitzeugin zweimal <strong>und</strong> jedes der beiden Treffen war sehr<br />
aufschlussreich <strong>und</strong> spannend für uns.<br />
Wir finden, dass es eine sehr gute Idee, ist als Schüler ein Interview mit einer/m Zeitzeugin<br />
zu führen da Schülern somit vor Augen geführt wird wie sich damals alles verhielt <strong>und</strong><br />
abgelaufen ist.<br />
Wir gingen mit verschiedenen Gefühlen aus dem Interview.<br />
Einmal waren wir erschrocken <strong>und</strong> traurig darüber was der Zeitzeugin alles wiederfahren<br />
war, jedoch freute es uns auch das sie trotz Flucht noch ein erfülltes Leben hat <strong>und</strong> hatte.