1990: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik, Heft 1
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58 Diskussionen<br />
grflssn 'Kresse'; auch wenn im Nom. Sing. das -en nicht stammhalt wurde: l~b'Löwe', uieps<br />
'Wespe', dSflk 'Zecke', beks 'Hexe', gr~ps 'Krebs'; ferner bei den alten dreisilbigen schwachen<br />
Substantiva k~va 'Käfer', besn 'Besen'; - vor Schwachtonsilbe mit I: uielesln 'wechseln',<br />
b~dln 'betteln', n~we 'Nebel', r~gl 'Regel', s~l 'Schädel', sw~ve 'Schwefel', sessl 'Sessel'.<br />
Einige Wörter, die zu dieser letztgenannten Gruppe gehören (sowie die Fälle 'Käfer' <strong>und</strong><br />
'Besen'), fallen unter die von E. KRANZMAYER 30 postulierte Sonderentwicklung alter Dreisilber;<br />
die Regularität der Entwicklung vor -ei jedoch - auch in alten Zweisilbern - stellt<br />
wiederum die Erklärungen E. KRANZMAYERS in Frage.<br />
Verwirrend ist zwar, daß die gleichen Folgesilben des Ahd. bei den a-Nachfolgern eine<br />
schließende Wirkung, bei den e-Nachfolgern dagegen eine öffnungserhaltende Wirkung<br />
haben. Darum wirkt der Versuch von M. KOLLMER 31 , die beiden Erscheinungen in einer<br />
einzigen Regel zusammenzufassen, phonetisch so wenig plausibel. Unbestreitbar ist allerdings<br />
der m<strong>und</strong>artliche Bef<strong>und</strong>, der für die Richtigkeit obengenannter Analyse spricht. Die<br />
Darstellung bei E. KRANZMAYER,der diese M<strong>und</strong>arten pauschal seinen "verworrenen ~-<br />
M<strong>und</strong>arten" zuordner'", verkennt die Regularitaten in der Verteilung offener <strong>und</strong> geschlossener<br />
e-Nachfolger.<br />
M. KOLLMERformuliert sein Folgesilbenvokalgesetz folgendermaßen."<br />
"Ein jeweils gearteter ahd. Folgesilbenvokal hebt (schließt) einen gleichartigen <strong>und</strong><br />
senkt (öffnet) einen ungleichartigen ahd. Stammvokal, d.h. ein vorderer Folgesilbenvokal<br />
(nur ahd. i) (1) hebt (schließt) einen vorderen Stammvokal (ahd. e, e) <strong>und</strong> (2)<br />
senkt (öffnet) einen hinteren Stammvokal (ahd. a); ein hinterer Folgesilbenvokal (ahd.<br />
0, u) (3) hebt (schließt) einen hinteren Stammvokal (ahd. a) <strong>und</strong> (4) senkt (öffnet)<br />
einen vorderen Stammvokal (ahd. e, e)".<br />
Die Einwirkungen auf ahd. e (Primärumlaut) kann M. KOLLMERnicht plausibel machen;<br />
ebensowenig die senkende Wirkung des i auf a (!). Der Kern dieses Gesetzes bleibt also wie<br />
folgt:<br />
Ahd. a erscheint in den betroffenen Dialekten:<br />
- vor -0, -im, -ün, -al, -ul als 0<br />
- ansonsten als Q;<br />
Ahd. e erscheint:<br />
- vor -0, -on, -icn, -al, -ul als ~<br />
- ansonsten als e.<br />
Darin haben also nach Überzeugung des Verfassers G. MAURER,J. SCHIESSL<strong>und</strong> M. KOLL-<br />
MER entgegen der eingangs zitierten "gängigen Lehrmeinung" recht, daß auch für diese<br />
Erscheinungen an der an sich innovationsfre<strong>und</strong>lichen Donau-Isar-Straße der Rückgriff auf<br />
althochdeutsche Zustände der Zeit vor 1100 nötig ist. Wenn man die Entwicklungen von<br />
ahd. a <strong>und</strong> ahd. e auf einen gemeinsamen Nenner bringen will, bleibt nur die Möglichkeit,<br />
mit E. KRANZMAYER 34 anzunehmen, daß in althochdeutscher <strong>und</strong> frühmittelhochdeutscher<br />
Zeit im Bairischen der Primärumlaut offener ausgesprochen wurde als das germanische e; in<br />
dieser Stufe muß sich bei den e-Nachfolgern wie bei den a-Nachfolgern die offenere Variante<br />
in der gleichen Umgebung gef<strong>und</strong>en haben. Spätere Lalitentwicklungen verschleierten erst<br />
30 Vgl. Fußn. 16 <strong>und</strong> E. KRANZMAYER(s. Fußn. 1), § 3bl.<br />
31 ebda., S. 50.<br />
32 Vgl. Fußn. 27.<br />
33 ebda., S. 50.<br />
34 E. KRANZMAYER(s. Fußn. 1), § 4a3.