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KULTUR<br />
Salon-Gespräch<br />
mit Schriftsteller Werner Heiduczek<br />
In seiner 2005 erschienenen Autobiographie<br />
„Die Schatten meiner Toten“ – damals war<br />
Werner Heiducek knapp 80 Jahre alt – findet<br />
man die Zeilen: „Als die Weimarer Republik<br />
starb, war ich ein Kind. Als das ‚Tausendjährige<br />
Reich‘ zu Ende ging, war ich ein Jüngling. Als<br />
der DDR-Sozialismus zusammenbrach, war ich<br />
ein Mann. Wenn das Gegenwärtige sterben<br />
wird, werde ich nicht mehr sein. Die Tragik des<br />
Alters ist das Überleben.“ Inzwischen fehlt ihm<br />
nur noch ein Jahr bis zu seinem 90. Geburtstag.<br />
Von Tragik des Alters war bei seinem Auftritt<br />
im April-Salon am Donnerstag aber überhaupt<br />
nichts zu spüren. Den Grundton bestimmten<br />
vielmehr Heiterkeit, Altersweisheit<br />
und ein ihm durch das hohe Alter zugewachsenes<br />
Gefühl unbändiger Freiheit. Dieses unbedingte<br />
Freiheitsverständnis machte es mir als<br />
Moderator nun allerdings nicht gerade leicht,<br />
die Fäden stets fest in der Hand zu halten. Das<br />
Gespräch entwickelte eine starke Eigendynamik<br />
und nahm immer wieder überraschende<br />
Wendungen. Allerdings blieb auch der Schriftsteller<br />
vor Überraschungen nicht verschont. Als<br />
er, was er in Interviews gern zu tun pflegt, sich<br />
beim Reden über die Anfänge seiner beruflichen<br />
Laufbahn als ganz und gar lausigen Lehrer<br />
zu charakterisieren begann, fuhr ich ihm in<br />
die Parade. Seit Urzeiten kenne ich eine seiner<br />
ehemaligen Schülerinnen und weiß von ihr,<br />
dass sie seine Deutschstunden in den 60er Jahren<br />
an der Kinder- und Jugendsportschule<br />
„Friedrich Engels“ in Halle fast immer als Sternstunden<br />
erlebt hat. Ich hatte sie vorsorglich gebeten,<br />
einen „Huldigungsbrief“ an ihren alten<br />
Lehrer zu schreiben. Sie hat’s getan und ich<br />
habe den Brief nach seinem erwarteten Selbstverriss<br />
vorgelesen. Da blieb ihm doch für einen<br />
Augenblick die Sprache weg und er war echt<br />
gerührt, das Publikum übrigens auch. Jeder<br />
Mensch fragt sich wohl im fortgeschrittenen<br />
Alter, was von ihm bleiben wird. Werner Heiduczek<br />
kann auf ein erfülltes, erfolgreiches Leben<br />
zurückblicken. Mit seinem Roman „Tod am<br />
Meer“ (1977) hat er sich unauslöschlich in die<br />
DDR-Literaturgeschichte eingeschrieben. Einige<br />
seiner Werke wurden verfilmt, vertont oder<br />
für die Bühne bearbeitet. Seine wunderbaren<br />
Märchen bezaubern seine Leser wie eh. In<br />
24 Sprachen sind seine Text übersetzt worden.<br />
An Preisen und Würdigungen hat es nicht gefehlt.<br />
Wie hoch er das Bundesverdienstkreuz<br />
am Bande schätzt, weiß ich nicht, aber es wurde<br />
ihm 1999 verliehen. Jedoch hat dieser persönliche<br />
Brief seiner ehemaligen Schülerin ihm<br />
an diesem Spätnachmittag wohl besonders eindringlich<br />
erleben lassen, dass er Spuren gezogen<br />
hat, die die Zeit nicht so schnell verwehen<br />
wird.<br />
Dr. Bernd Landmann<br />
Kulturbeauftragter der RDG<br />
28 | r-aktuell 2/2015