DER ARBEIT
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EINLEITUNG<br />
Foto: olly – Fotolia.com<br />
Bau mann, 2000) durch das Verschieben und<br />
Verschwimmen von Grenzen, Gewissheiten<br />
und Strukturrahmen. Rhythmen von Tag und<br />
Nacht, von Ruhezeiten und Feiertagen, von<br />
Sommer und Winter verlieren ihre Struktur<br />
gebende Bedeutung. Alles wird zu jeder Zeit<br />
überall auf der Welt rund um die Uhr getan.<br />
Durch die globale Vernetzung verändern sich<br />
so die Anforderungen an die Menschen und<br />
ihre Lebensgestaltung.<br />
Normalarbeitszeiten werden zur Ausnahme<br />
und flexible Arbeitszeitmodelle zur Regel. Das<br />
führt zu Zeitkonflikten, weil eigene Vorhaben<br />
mit denen anderer zu synchronisieren sind.<br />
Dazu kommt die Anforderung, Aufgaben aus<br />
eigener Kraft in Reihenfolge zu bringen – eingebunden<br />
in einen gleichförmigen, prioritätenlosen<br />
digitalen Informationsfluss mit dem Anspruch<br />
ständiger Erreichbarkeit. Die Dynamik<br />
der Globalisierung zwingt zu Flexibilität und<br />
mehr Mobilität. Die Bereitschaft zu wechselnden<br />
Auslandstätigkeiten über längere Zeiträume<br />
wird bis zu den Ebenen der Fach arbeiter<br />
und Angestellten erwartet. Die Trennung<br />
von Wohnort und Arbeitsplatz beschränkt<br />
gemeinsame Familienzeiten und erschwert<br />
soziale Bindungen, Aktivitäten und verbindliches<br />
Engagement am Heimatort.<br />
Anfang und Ende verschwinden, wenn parallele<br />
Mitarbeit in unterschiedlichen Projekt pha sen<br />
gefordert ist. Planungshorizonte vervielfachen<br />
und überlagern sich. So entsteht hoher Stress<br />
in negativer Ausprägung, der sich nicht<br />
zwangsläufig im Erfolgserlebnis auflöst.<br />
Unter dem Eindruck von zeitgleicher, permanenter<br />
Krisendarstellung entstehen Existenzängste,<br />
die berufliche Entwicklung erscheint<br />
unvorhersehbar. Eigenes Wissen und Weisheit<br />
erleiden durch rasante Beschleunigung den<br />
Eindruck der Entwertung.<br />
Sogar die Entschleunigung wird optimiert!<br />
Entsprechende Wellness-Dienstleistungen,<br />
Schweigezeiten in Klöstern und Pilgerwege<br />
stehen hoch im Kurs. Jedoch trägt die<br />
indi viduelle temporäre Rücknahme von<br />
Beschleuni gung nicht zur gesellschaftlichen<br />
Ver lang sa mung bei und stellt den Fortschritts<br />
gedanken nicht infrage.<br />
FÜHRUNG UND<br />
SELBSTOPTIMIERUNG<br />
Anstelle eines direktiven Führungsstils wird<br />
zunehmend Verantwortung nach unten delegiert<br />
und Selbstständigkeit erwartet (wie z. B. bei<br />
Vertrauensarbeitszeit und Projektzielen). Das<br />
Gemeinschaftliche wird funktionalisiert: An die<br />
Stelle des Kolleginnen- und Kollegen kreises<br />
tritt das Projekt-Team. Diese indirekte Steuerung<br />
kommt ohne Zuckerbrot und Peitsche<br />
aus, da die Arbeitnehmenden die Leistungsanforderungen<br />
verinnerlichen; für sie geht es<br />
nun um den Erfolg oder Miss erfolg, den sie<br />
sich selber zuschreiben. Scheitern wird individualisiert,<br />
und wer erfolglos ist, ist selber<br />
schuld. Die Illusion „Alles ist möglich“ muss<br />
ertragen werden. Der Leistungsappell „Sei<br />
4 THEMENHEFT: <strong>DER</strong> <strong>ARBEIT</strong> EIN GESUNDES MASS GEBEN<br />
WELT ERKANNT: ES SIND NICHT IMMER DIE SCHNELLSTEN, DIE DAS RENNEN MACHEN. AUCH DIE TAPFERSTEN