Mehrwert Generalplanung
ISBN 978-3-86859-192-7
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Roger Deters<br />
Unsichtbare Barrieren<br />
Sicherheitskonzept für das Justizzentrum Düsseldorf<br />
Durch generalplanerische Vernetzung aller Fachgewerke<br />
war es agn und dem Tochterunternehmen siganet<br />
im neuen Land- und Amtsgericht möglich, in<br />
kürzester Planungs- und Montagezeit ein hochkomplexes<br />
Sicherheitssystem umzusetzen.<br />
Das neue Justizzentrum in Düsseldorf-Oberbilk repräsentiert<br />
einen neuen Typ von Gerichtsgebäuden, der inzwischen<br />
auf weltweites Interesse stößt. Die hohe Komplexität<br />
bei der Verknüpfung von Gebäudestruktur, Brandschutz<br />
und sicherheitstechnischen Systemen bestätigt, wie wichtig<br />
ein konsequent umgesetzter generalplanerischer Ansatz<br />
ist.<br />
Viele Gerichte sind in Gebäuden der Wilhelminischen Ära<br />
oder der Frühmoderne untergebracht. Diese Repräsentationsbauten<br />
vom Beginn des letzten Jahrhunderts wirken in<br />
ihren enormen Abmessungen und ihrer symbolgeladenen<br />
Innenausstattung aus heutiger Sicht eher unnahbar und<br />
verschlossen.<br />
Das neue Gebäude des Land- und Amtsgerichts verkörpert<br />
durch seine Klarheit, Transparenz und Offenheit das<br />
Gegenteil solcher historischen Gebäude. Lediglich die als<br />
Sichtschutz an den Fenstern der Außenfassade angebrachten<br />
Schriftzüge mit dem Text aus dem Grundgesetz „Alle<br />
Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ erinnern noch an<br />
ein Gerichtsgebäude.<br />
Fassadenansicht des Justizzentrums: In die Scheiben sind Abschnitte des Deutschen Grundgesetzes eingraviert.<br />
Der Bauherr, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB),<br />
hatte gleich zu Anfang die Aufgabenstellung definiert, ein<br />
offenes, transparentes und zeitgemäßes Gerichtsgebäude<br />
zu planen und zu errichten. Dieses Ziel wurde mit dem<br />
Neubau in jeder Hinsicht erreicht.<br />
Die räumliche Integration der beiden Gerichtsbarkeiten<br />
– Landgericht und Amtsgericht – führte zu einer erheblichen<br />
Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit.<br />
Zuvor waren beide Gerichte auf mehrere Gebäude in der<br />
Innenstadt von Düsseldorf verteilt. Mehr als zehn Zugänge<br />
mussten bei den entsprechenden Gerichtsverfahren durch<br />
Wachpersonal gesichert werden.<br />
Im neuen Gebäude gibt es heute einen zentralen Haupteingang<br />
für alle Personen, die das Gerichtsgebäude betreten,<br />
mit Ausnahme der in Haft befindlichen Angeklagten,<br />
die über einen separaten Zugang in die Haftabteilung des<br />
Gebäudes gelangen.<br />
Die lichtdurchflutete Eingangshalle und die großzügige<br />
Treppenanlage lassen nichts ahnen von der hochkomplexen<br />
Gebäudetechnik in Decken, Böden und Wänden, die<br />
das Funktionieren des Gebäudes erst gewährleisten. In den<br />
unzähligen Installationskanälen und Technikräumen werden<br />
die einzelnen technischen Gewerke zu einem funktionstüchtigen<br />
Ganzen vernetzt und verschaltet.<br />
Blick aus der Eingangshalle in Richtung Haupteingang, in der Mitte die Sicherheitsschleusen<br />
Komplexe Sicherheitsstrategie<br />
Nicht zuletzt die Chance, die Sicherheitstechnik eng mit<br />
der übrigen TGA-Planung und der Bauplanung zu verknüpfen,<br />
bewog den Bauherrn, seine Planung an die siganet<br />
GmbH, eine hundertprozentige Tochter von agn, zu vergeben.<br />
Unserem Unternehmen gelang es mit der Planung<br />
der Gewerke Gebäudeautomation, Medientechnik und Sicherheitstechnik<br />
die geforderte Offenheit zu wahren, ohne<br />
dabei die notwendige Sicherheit für Richter, Staatsanwälte<br />
und sonstige Prozessbeteiligte aus den Augen zu verlieren.<br />
Die Anforderungen an die Sicherheitstechnik für das Gebäude<br />
unter der Prämisse der geforderten „Offenheit“ waren<br />
enorm hoch. Diese Anforderungen lagen zum Beispiel<br />
darin, die Fluchtgefahr von Verurteilten und Angeklagten<br />
auf ein Minimum zu reduzieren, trotzdem aber im Brandfall<br />
das Gebäude schnellstens evakuieren zu können. Ein<br />
möglicher Missbrauch von Fluchtwegsteuerungen muss<br />
vom System erkannt und möglichst unterbunden werden.<br />
Unsere langjährige Erfahrung im Bereich Sicherheitstechnik<br />
überzeugte den Bauherrn davon, diese Gewerke separat<br />
auszuschreiben. Das ist ein entscheidender Vorzug,<br />
denn bei der Umsetzung durch einen Generalunternehmer<br />
kommt es erfahrungsgemäß immer wieder zum Verlust<br />
der Bedienbarkeit und Funktionstüchtigkeit, da Produkte<br />
und Techniken unter finanziellem Druck ausgewählt<br />
werden. Die von uns vorgenommene gewerkespezifische<br />
Ausschreibung erlaubte es, die geforderte Funktionalität<br />
detailliert aufzunehmen.<br />
Durch die enge Bindung der Fachplaner an den Generalplaner<br />
agn konnten die Schnittstellen zu den angrenzenden<br />
Gewerken (zum Beispiel Türen, Fassade, Elektro) in<br />
den anderen Gewerken direkt detailliert mit aufgeführt<br />
und berücksichtigt werden.<br />
Die Zentrale der Sicherheitstechnik bildet das Gefahrenmanagementsystem<br />
(GMS). Auf diesem System werden alle<br />
sicherheitsrelevanten Meldungen aus den Subsystemen<br />
wie Brandmeldeanlage (BMA), Überfallanlage, Zutrittskontrolle,<br />
Videoanlage, Zellenrufanlage (für die Haftabteilung),<br />
Fluchttürsteuerung, Einbruchmeldeanlage (EMA),<br />
Gebäudeautomation (GA) etc. angezeigt, bedient und<br />
protokolliert. Das System ist redundant mit mehreren Bedienplätzen<br />
im Haus aufgebaut. Durch seine Kopplung zur<br />
Gebäudeautomation können dringende Meldungen aus<br />
diesem Gewerk auf die Betriebsfunkgeräte der Haustechnik<br />
geleitet werden.<br />
Ansonsten entschieden wir uns bewusst für eine strikte<br />
Trennung der beiden Gewerke, da hier auch eine deutli-<br />
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