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Wecker Konstantin Wecker Konstantin - Magazin TAST

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Zwei Kerle und eine “Dame“<br />

werden im Irgendwo<br />

aufgehalten. Der Jeep machts<br />

nicht mehr. Das Schicksal<br />

hat gesprochen. Die drei<br />

beschließen, an dieser Stelle<br />

eine Stadt aufzubauen,<br />

in sicherer Entfernung zur<br />

Küste. Eine Stadt mit dem<br />

Namen Mahagonny soll durch<br />

Angebote des Spiels und der<br />

Freude ihren Bewohnern das<br />

Geld aus der Tasche ziehen.<br />

Doch dem Holzfäller Jimmy<br />

Ackermann (Stephan Vinke)<br />

und seinen Kameraden ist die<br />

gültige Ordnung zu harmlos<br />

und langweilig. Er will alle<br />

Kräfte, die sich im freien<br />

Spiel zu bewegen haben,<br />

völlig entfesselt wissen.. Also<br />

Leben nach der Devise “Mach,<br />

was du willst, Hauptsache du<br />

kannst bezahlen!“ Gutes Fressen,<br />

Sex, Spiel und Suff und<br />

nicht zu vergessen, das Boxen<br />

wird fortan als Lebensinhalt<br />

bis zum Exzess kultiviert. Jimmy<br />

Ackermann selbst kommt<br />

durch eine Fehlspekulation<br />

sämtliches Geld abhanden.<br />

Die Korona der Günstlinge<br />

und Gönner fällt befremdet<br />

von Jimmy Ackerman ab. Kein<br />

Geld zu besitzen, ist in Mahagonny<br />

ein schlimmes Verbrechen<br />

Vor Gericht geführt,<br />

wird Ackermann zum Tode<br />

verurteilt. Seine Hoffnung,<br />

auf dass Gott ihn aus diesem<br />

Sabine von Blohn, Barbara<br />

Brückner, Oxana Arkaeva,<br />

Elena Kochukowa, Elena<br />

Botchkova, Jolanta Meller<br />

Schicksal erlösen könnte, erweist<br />

sich als Illusion. Unter<br />

Hohngelächter lassen die<br />

Bürger Mahagonnys eine<br />

Evgeni Ganev, Stefan<br />

Röttig, Dubravka Mušovi,<br />

Rupprecht Braun (oben<br />

von links), Stefan Vinke<br />

(im Vordergrund), Herren<br />

des Opern- und Extrachors<br />

Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny<br />

„Hauptsache<br />

Zahlen!“<br />

Gutes Fressen, Sex, Spiel, Suff und<br />

nicht zu vergessen das Boxen ist die<br />

zündende Lebenskultur<br />

Karikatur Gottes erscheinen.<br />

Der scheidende Generalintendant<br />

Kurt Josef Schildknecht<br />

zeigt in seiner vorletzten<br />

Hier könnte<br />

Ihre Anzeige<br />

stehen<br />

Inszenierung für das Staatstheater<br />

auf heitere kurzweilig<br />

unterhaltende Weise das<br />

Sittenbild einer Gesellschaft,<br />

die sich durch profitorientierte<br />

Lebensphilosophie ihrer<br />

fundamentalen menschlichen<br />

kulturellen sittlichen<br />

Werte beraubt und sich vom<br />

authentischen Menschsein<br />

entfremdet. Auch wenn diese<br />

Oper bereits in den dreißiger<br />

Jahren von Bert Brecht als<br />

Ironie auf den damaligen<br />

Geist der Zeit geschrieben<br />

wurde, so hat es Schildknecht<br />

bravourös verstanden, dieses<br />

Thema heute in einem so<br />

grotesken Sarkasmus darzustellen,<br />

dass der Betrachter<br />

nicht umhin kommt, sich über<br />

diese tumbe “Ideologie“ zu<br />

amüsieren. Sich darüber zu<br />

amüsieren, dass der Ackermann<br />

der Deutschen Bank im<br />

wahren Leben die erste Runde<br />

vor Gericht gewonnen hat,<br />

wahrscheinlich, weil er Geld<br />

hat und die Zweite wohl auch<br />

gewinnen wird. Sich darüber<br />

zu amüsieren, dass obwohl<br />

Taifune und Hurrikane die<br />

US-Küste nicht mehr attackieren,<br />

die Ölpreise weiter<br />

steigen, weil für deren Stei-<br />

gen eine andere, bessere Begründung<br />

gefunden wurde.<br />

Schildknechts Inszenierung<br />

macht auf unterhaltende Art<br />

deutlich, dass der Kapitalismus<br />

von der Dynamik des<br />

unablässigen Sturmes der<br />

kreativen Zerstörung lebt,<br />

wie es der Ökonom Joseph<br />

Schumpeter einmal definiert<br />

hatte. Die Gestaltung des<br />

Bühnenbildes (Rudolf Rischer)<br />

der jeweiligen Szenen unterstreicht<br />

bzw. bezeichnet<br />

aufs trefflichste, dass diese<br />

Gesellschaft ein Chamäleon<br />

ist, welches sich selbst zu<br />

den Bedürfnissen des Geldes<br />

in Farbe und Struktur eine<br />

immerwährende Anpassung<br />

ermöglicht. So können die<br />

Opfer beruhigt vergessen<br />

werden, denn das Leben in<br />

Mahagonny geht bekanntlich<br />

weiter. Enorm war auch<br />

die Leistung des Orchesters<br />

bei der Musik von Kurt Weill<br />

(Generalmusikdirektor Leonid<br />

Grien) und des Chores, das<br />

dem “Epischen“ in der Oper<br />

vitale bildhafte Eindrücke<br />

lieferte. Für die Sängerinnen<br />

Oxana Arkaeva als Jenny Hill<br />

und Dubravka Muslovic als<br />

Witwe Begbick in den Hauptrollen<br />

war es offensichtlich<br />

ein Vergnügen, in ihren Rollen<br />

agieren zu können. Als Mann<br />

im Wechsel der Zeiten hat<br />

sich Stefan Vinke als Jimmy<br />

bestens präsentiert und als<br />

Gegenspieler des Schicksals<br />

die Spannung im Spiel und<br />

Gesang gut geführt. Dieser<br />

Inszenierung sollte man seine<br />

Aufmerksamkeit schenken. Es<br />

lohnt sich. Chris Wroblewski<br />

Fotos: STAGE PICTURE /Bettina Stöß<br />

Wasser, seicht knöcheltief<br />

breitet es sich aus auf der<br />

Vor- und Hinterbühne, lediglich<br />

in der Bühnenmitte gibt<br />

es „trockenes Land“. Spontan<br />

fällt einem der Brecht’sche<br />

Song aus „Mutter Courage“<br />

ein...“..und das Wasser frisst<br />

auf, die drin waten...“ Nichts<br />

scheint unangenehmer zu<br />

sein für einen Soldaten, wie<br />

nasskalte, vom Pilz zerfressene,<br />

sich nach Leichen anfühlende<br />

Füße. Eine wahrlich<br />

handliche Fassung haben<br />

der Regisseur Andreas von<br />

Studnitz und Holger Schröder<br />

aus dem ursprünglich<br />

aus drei Episoden gefassten<br />

Stück Schillers gewonnen.<br />

Ständestatus, Staatsraison,<br />

Loyalität, Freundschaft, die<br />

Logik des Krieges in Bezug<br />

auf die Politik und die Leiden-<br />

schaft der Liebe. Wallenstein<br />

durch seine Kriegserfolge<br />

zum mächtigen Heerführer<br />

des Kaisers aufgestiegener<br />

und zum Herzog zu Friedland<br />

geadelter General des dreißigjährigen<br />

Krieges bekommt<br />

von der Gegenseite lukrative<br />

Angebote. Der Kaiser, misstrauisch<br />

geworden, beauftragt<br />

Wallensteins besten<br />

Freund Octavio Piccolomini<br />

mit der Übernahme des Oberkommandos<br />

des gesamten<br />

Heeres, um sich seiner kai-<br />

Wallenstein<br />

Der doppelte<br />

wahrlich handliche Fassung haben<br />

der Regisseur Andreas von Studnitz und<br />

Holger Schröder aus dem ursprünglich aus<br />

VerratEine<br />

drei Episoden gefassten Stück Schillers<br />

gewonnen.<br />

serlichen Macht Gewissheit<br />

zu verschaffen.<br />

Octavio Picolomini (Andreas<br />

v. Studnitz) beruft sich auf die<br />

Staatsraison, die Treue zum<br />

Kaiser. Er verrät damit seine<br />

Freundschaft zu Wallenstein.<br />

Sein Sohn Max Piccolomini<br />

(Andreas Furcht) und die<br />

Tochter Wallensteins, Thekla<br />

(Karen Köhler), verlieben sich.<br />

Max Piccolomini bezichtigt<br />

seinen Vater, dass dieser die<br />

Ursache für das dem Kaiser<br />

gegenüber illoyale Verhalten<br />

Wallensteins sei. Da er Wallensteins<br />

Handeln ebenso<br />

missbilligt, wendet er sich<br />

von beiden ab, zieht gegen<br />

die Schweden in die Schlacht<br />

und fällt. Jürgen Kirchhoff<br />

gibt einen Wallenstein, in<br />

dessen Umgebung Trotz,<br />

Wut, Distanz, das bessere<br />

Wissen eine Kälte produziert,<br />

die einem absoluten<br />

Nullpunkt gleichkommt. So<br />

wirkt es faszinierend, wie alle<br />

um den Herzog von Friedland<br />

agierenden Offiziere von dieser<br />

stark geprägten unabänderlichen<br />

Aura erfasst werden<br />

und dadurch in ihrem eigentlichen<br />

Wesen gebrochen<br />

erscheinen. Hier ist Kirchhoff<br />

ein Meister, ein absoluter<br />

Magier der Spannung. Die<br />

Intrige regiert dort, wo keine<br />

Klarheit geschaffen wird und<br />

vernichtet jegliche Basis von<br />

Beziehungen. Der Verrat der<br />

Väter, der eine am Kaiser,<br />

der andere am Freund, lässt<br />

selbst die Liebe der „zukünftigen“<br />

jungen Protagonisten<br />

Max und Thekla in diesem<br />

Spiel unmöglich werden. Gräfin<br />

Terzky, die Frau im Kern<br />

des Ränkespiels von Intrige<br />

und Verrat, macht aus ihren<br />

Gefühlen keine Mördergrube.<br />

Hier agiert die Schauspielerin<br />

Katrin Steinweg gemäß dem<br />

opportunen Charakter der<br />

Handlung, genau bezeichnend<br />

und konsequent. Sie<br />

zeigt spannend den berechnend<br />

agierenden Habitus<br />

einer gereiften Frau zwischen<br />

den Machtambitionen männlicher<br />

Platzhirsche. Thekla,<br />

entrückt, verträumt, in ihrer<br />

romantischen Welt, wirkt<br />

„unwirklich“ durch die nüchterne<br />

Welt der Krieger, so<br />

dass ihre Intentionen absurd<br />

erscheinen. Dies wird von<br />

Karen Köhler in erfrischender<br />

Glaubwürdigkeit in Szene<br />

gesetzt. Gratulation zum<br />

Bühnenbild und den Kostümen<br />

an Marianne Hollenstein,<br />

spektakulär schlicht, aber<br />

dennoch die technokratische<br />

Stimmung kriegsführender,<br />

intriganter Menschen in der<br />

doppelten Sinnhaftigkeit<br />

dem Wasser übereignet. So<br />

nahm das Schicksal seinen<br />

Lauf.<br />

Chris Wroblewski<br />

4 <strong>TAST</strong><br />

<strong>TAST</strong> 5<br />

Fotos: STAGE PICTURE / Björn Hickmann<br />

Andreas Furcht, Jürgen<br />

Kirchhoff, Karen Köhler<br />

(von vorn nach hinten)<br />

Karen Köhler, Andreas Furcht,<br />

Kathrin Steinweg<br />

Karen Köhler<br />

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