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Wecker Konstantin Wecker Konstantin - Magazin TAST

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„Auf dieser Grenze lebe ich“,<br />

schreibt Reinhard Klimmt,<br />

ehemaliger Ministerpräsident<br />

des Saarlandes, in<br />

seinem Buch. Betulich und<br />

bedachtsam wählt er seine<br />

Themen, setzt Worte zu<br />

Sätzen, Sätze zu Texten.<br />

Die Geschichten sind rund,<br />

Schärfe und negative Dialektik<br />

gehen ihnen wohltuend<br />

ab. Das sehr aufwendig und<br />

liebevoll gestaltete Buch des<br />

Gollensteinverlags ist in doppeltem<br />

Sinne ein Genuss. Als<br />

bibliophile Ausgabe macht<br />

das Buch Spaß, in die Hand<br />

genommen zu werden. Als<br />

Lesevergnügen dienen die<br />

sieben Kapitel, die Reinhard<br />

Klimmts Liebe zu Land und<br />

Leuten ausdrücken, allemal.<br />

Nicht nur für SPD-ler und Gesinnungsgenossen.<br />

Sondern<br />

auch für alle, die gerne hier<br />

leben. Vielfältig und interessant<br />

sind die Reflexionen<br />

eines Mannes, der sein Leben<br />

fast ausschließlich der Politik<br />

widmete und trotzdem Zeit<br />

für aufwändige Hobbys fand.<br />

Seine Vorliebe und Sammel-<br />

Reinhard Klimmt<br />

erinnert sich<br />

Grenzlanderfahrung<br />

leidenschaft für afrikanische<br />

Kunst und Taschenbuch-<br />

Erstausgaben sind bekannt.<br />

Sein noch intensiver betriebene<br />

Hobby, der Fußball, hat<br />

ihn fast alles gekostet: Job<br />

und Reputation. Wenn ein<br />

solcher Exponent des saarländischen<br />

Lebens darüber<br />

zum Schreiber greift, weckt<br />

er Interesse. Kein Blick zurück<br />

im Zorn, sondern eher liebevolle<br />

Beschreibung kleiner<br />

Miniaturen, wie sie alltäglich<br />

sind. Keine Einblicke in die<br />

Zerrissenheit im Zentrum der<br />

Macht, keine Enthüllungen<br />

über Organisationen und<br />

Personen. Schon gar nicht<br />

über seinen FCS und seinen<br />

(ehemaligen?) Busenfreund<br />

Oskar. Nichts wird verraten,<br />

aber schön wird erzählt aus<br />

dem Krähwinkel Deutschlands.<br />

Gekonnt und einfühlsam<br />

werden Vergangenheit und<br />

Gegenwart in Bezug gesetzt.<br />

So wird das Gasthaus Woll auf<br />

der Spicherer Höhe schnell<br />

zum Topos wichtiger geschichtlicher,<br />

politischer und<br />

gesellschaftlicher Geschehnisse,<br />

die uns alle betreffen<br />

und anrühren. Gerne wandern<br />

auch wir dort hin, trinken<br />

unseren Pastis, schauen in<br />

die grenzenlose Ferne und<br />

zahlen gerne mit dem Euro<br />

die Zeche.<br />

Seine Ausflüge in das Innere<br />

Auf dieser Grenze lebe ich,<br />

schreibt Reinhard Klimmt,<br />

ehemaliger Ministerpräsident des<br />

Saarlandes, in seinem Buch<br />

„Auf dieser Grenze lebe ich“.<br />

der Familie SPD, garniert mit<br />

Gewerkschaft- und Arbeiterwohlfahrtduft,<br />

lassen spüren,<br />

was noch immer das eigene<br />

Binnenklima der guten alten<br />

Tante SPD ist: Die politische<br />

Organisation der kleinen Leute,<br />

die wissen, dass über 140<br />

Jahre nur ihre SPD im Kampf<br />

mit dem Kapital verhindern<br />

konnte, dass Ausbeutung und<br />

Unterdrückung gesiegt haben.<br />

Das macht stolz und bescheiden.<br />

Solch kämpferische<br />

Terminologie verwendet der<br />

ehemalige Juso-Vorsitzende<br />

heute nicht mehr. Er will<br />

versöhnen und nicht spalten.<br />

Wer die Saar-SPD verstehen<br />

will, muss Reinhard Klimmt<br />

lesen.<br />

Schwierig werden die Kapitel,<br />

die etwas ins Sozialromantische<br />

abgleiten. So wird die<br />

Besetzung der Firma Heckel<br />

unter der Führung des Betriebsratsvorsitzenden<br />

Gard<br />

vom Autor ungewollt zu einer<br />

Beschreibung eines Arbeitskampfes<br />

hochstilisiert, der<br />

aber eher deutlich macht,<br />

dass gegen eine jahrelange<br />

Strategie der Kapitalinhaber<br />

ein kurzatmiger Aktionismus<br />

der Arbeitnehmer sinn-<br />

und nutzlos bleibt. Reinhard<br />

Klimmt hat den Fakt übersehen,<br />

dass das Werk Heckel<br />

schon in den frühen 70er<br />

Jahren „ausgebeint“ wurde,<br />

so dass zu dem Zeitpunkt der<br />

Werksbesetzung in den 80er<br />

Jahren nur noch die einfachen<br />

Produktions-Vorstufen<br />

wie Zieherei und Zinkerei<br />

für Drähte vorhanden waren.<br />

Alle höherwertigen Produktionseinheiten<br />

wie Seilerei,<br />

Spleißerei, Maschendraht-<br />

und Maschinenherstellung<br />

waren mit ihren weltweit<br />

einmaligen Patenten und<br />

Produktionseinrichtungen<br />

schon längst ins Ausland verscherbelt<br />

worden. Da half das<br />

im kalten Zelt gefeierte Weihnachtfest<br />

vor dem Werkstor<br />

nichts mehr und war lediglich<br />

für ein paar linke Utopisten<br />

die Verheißung einer anderen<br />

Gesellschaft, während die<br />

Totengräber der traditionsreichen<br />

Firma schon längst zu<br />

Hause vorm warmen Kamin<br />

sich ins Fäustchen lachten.<br />

Problematisch ist das Kapitel<br />

über Klimmts Helden. Schwierig,<br />

schwierig. Beispielsweise<br />

Ludwig Harig als Helden zu<br />

bezeichnen, nur weil er wohlfeil<br />

Wörter fein zu komplexen<br />

Texten stellen kann? Weil er<br />

gerne und mit Leidenschaft<br />

schreibt? Da setzt der Rezensent<br />

ohne Pathos seine<br />

Helden dagegen. Ganz oben<br />

und unerreicht stehen für ihn<br />

die Frauen in den SOS-Kinderdörfern,<br />

die als Kinderdorf-<br />

Mütter unter Aufgabe eines<br />

eigenen Lebens für Kinder<br />

da sind, die aus aller Herren<br />

Länder zu ihnen gebracht<br />

werden, damit sie ihre traumatischen<br />

Erfahrungen durch<br />

die ihnen selbstlos gewährte<br />

Liebe überwinden und an Leib<br />

und Seele gesund ihr Leben<br />

meistern lernen. Zwanzig bis<br />

dreißig Kinder rettet so eine<br />

Frau während ihrer Lebensarbeitszeit<br />

ins erwachsene<br />

Leben. Was für eine Leistung.<br />

Da fallen auch die anderen<br />

klimmtschen „Lichtgestalten“<br />

durchweg ab.<br />

Es sei dem Autor verziehen.<br />

Hat er doch sieben Kapitel<br />

geschrieben, so dass mindestens<br />

fünf eine Bereicherung<br />

für jeden sind, der gerne weiß,<br />

wo er lebt und den die Meinungen<br />

und Ansichten seiner<br />

Nachbarn interessieren. Mit<br />

Reinhard Klimmts Buch lebt<br />

es sich auf dieser Grenze<br />

leichter.<br />

Lit.: Reinhard Klimmt: Auf<br />

dieser Grenze lebe ich. Sieben<br />

Kapitel der Zuneigung, Gollenstein-Verlag,<br />

Blieskastel<br />

2003<br />

Lothar Schnitzler<br />

At traktive<br />

Plat zierung<br />

Ihrer Anzeige<br />

Magret Eicher<br />

Nothing is<br />

real<br />

Margret Eichers Tapisserien<br />

beruhen auf digitalen Collagen,<br />

die im Wesentlichen aus<br />

drei Elementen aufgebaut<br />

sind, den Bordüren klassischer<br />

Bildteppiche, Figuren und anderen<br />

Motiven aus Werken<br />

der Kunstgeschichte sowie<br />

Details aus der zeitgenössischen<br />

Presse und Werbefotografie.<br />

Diese Fragmente fügt<br />

die Künstlerin zu Kompositionen<br />

zusammen, in denen<br />

die konnotativen Felder der<br />

jeweiligen Herkunft der Elemente<br />

sich ergänzen, überlagern,<br />

auch widersprechen.<br />

Ausstellungsdauer vom 18.<br />

Februar bis 17. April 2006.<br />

Ein neuer Chef der Oper<br />

am Staatstheater. Die Saarbrücker<br />

Oper hat es einmal<br />

geschafft, mit einer umstrittenen<br />

Inszenierung von sich<br />

reden zu machen. Dadurch<br />

hat sich gezeigt, dass diese<br />

Oper der Flexibilität und dem<br />

Modernen zugetan ist, ohne<br />

dass unbedingt ein Schlingensief<br />

Regie führen muss.<br />

Nun steht zu Beginn der<br />

Spielzeit 2006 mit Bertholt<br />

Schneider ein neuer Chef<br />

für die zukünftigen Inhalte<br />

in den Startlöchern. Schneider<br />

ist in diesem Genre von<br />

seinen Fähigkeiten her kein<br />

unbeschriebenes Blatt. Er<br />

hat außer einer Pianistenausbildung<br />

und den eher<br />

„gewöhnlichen“ beruflichen<br />

Stationen bezüglich Oper<br />

Das Experiment, 2003, Tapisserie, 220 x 380 cm<br />

auch Highlights, was das<br />

Spektrum seiner kreativen<br />

Möglichkeiten angeht, vorzuweisen.<br />

So war er Student an<br />

der Universität von Iowa im<br />

Fach Opernregie. Außerdem<br />

hat er um die Jahrtausendwende<br />

langjährig innerhalb<br />

der „staatsbankberlin“, einer<br />

vom Land Berlin geförderten<br />

freien Spielstätte „gewirkt“.<br />

Das sei eine sehr spannende<br />

Zeit der extremen Experimente<br />

gewesen, so der noch<br />

Chefdramaturg der Oper in<br />

Dortmund. In dieser Zeit der<br />

Grundlagenforschung, wie<br />

Schneider es nennt, lernte er,<br />

dass Theater immer wieder<br />

neu definiert werden muss.<br />

Der Bildenden Kunst, dem Kino<br />

und der Literatur steht der<br />

designierte Opernchef nah.<br />

Er ist fasziniert von anderen<br />

Wahrnehmungen. In deren<br />

Zusammenspiel sieht Schneider<br />

ungeheures Potential. Er<br />

Ausstellungseröffnung am<br />

17. Februar 2005 in der<br />

Stadtgalerie Saarbrücken<br />

St. Johanner Markt<br />

Berthold Schneider<br />

Der Neue<br />

Jetzt geht bei der<br />

Oper die Post ab.<br />

wünscht sich, dass er durch<br />

seine Initiative mit der Oper<br />

in die Stadt hineinwirken<br />

kann. Denn seiner Meinung<br />

Kult sei er mitlerweile<br />

geworden, der Gaußmann<br />

vom Ilseplatz, wie er so in<br />

den letzten 20 Jahren „seine“<br />

Gastronomie entwickelte.<br />

Vor nunmehr sieben Jahren<br />

wurde er auch noch von der<br />

Muse der Kunst geküsst und<br />

fortan diente ihm der Gastroraum<br />

auch als Galerie für eigene<br />

Objekte, wenn er seine<br />

Werke nicht gerade woanders<br />

ausstellte. Gaußmann bricht<br />

jetzt seine Zelte am Ilseplatz<br />

ab und eröffnet neu. Er möchte<br />

durch seinen selbst gefundenen<br />

Zugang zur Kunst neue<br />

Wege zu seinem Publikum<br />

schaffen, sei es, was das Kulinarische<br />

angeht, das er als<br />

Gastronom kreiert oder sei<br />

es, was das Ambiente betrifft,<br />

das er sich für die Zukunft für<br />

seine Gäste wünscht. Ende<br />

nach sollen die Leute<br />

empfindlich werden<br />

und spüren, dass das<br />

Theater eine lebendige<br />

Sache ist und sich in einer<br />

immerwährenden<br />

Bewegung befindet.<br />

Denn wer sich auf die<br />

Oper einlassen könne, so<br />

Schneider, bei dem ginge<br />

die Post ab, wenn er mal<br />

drinsitzt. Chris Wroblewski<br />

Gaußmann erfindet sich neu<br />

Februar brennt das letzte<br />

Feuer am Ilseplatz und schon<br />

kurz danach wird Gaußmann,<br />

in Saarbrücken, an welchem<br />

Ort auch immer, wieder erscheinen,<br />

um weiterhin dafür<br />

zu sorgen, dass sich eine<br />

Gastronomie entwickelt, die<br />

Kunst und Kultur fördert.<br />

puc<br />

12 <strong>TAST</strong> <strong>TAST</strong> 13

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