14.06.2015 Aufrufe

S_MAGAZIN_Artikel

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

46 / s rntaaztN FEID-STECHER<br />

:.§<br />

q<br />

.r1<br />

§<br />

a<br />

..&:<br />

,:§:


47<br />

AM<br />

DItr trRBStr<br />

| 01 Das weite Land, - wo man d.em Guten so nahe ist.<br />

Krautwerk - d-as sind- Claudi,a Detz rnd.Robert Brodniak, die beid.e<br />

ihre Berufe an den Nagel hängten, um ihrer Berufungz:u folgen und- in<br />

Füllersd-orf im ]Meinviertel Gemüsebauerr z1r. werden.<br />

I 02-03 Robert Brod,ryiak -<br />

G emüs eb auer aus L eidens chaft.<br />

ITEXT: LUZIA SCHRAMPF<br />

I F0T0S: lllIRC0 TALIERCI0


48 / s vnoazrN FELD STECHER<br />

Ioq DerFclilerVi,elfo,ttfütltdenVorratsschrctnh.,,Krctutwerh". soheißtd,o,sLebenswerhuonClaudiaDetz<br />

und Robert Bro clnjak im niederösterrei,chi,schen FüLlersdorf.


49<br />

Robert Brodnjak war einigermaßen erstaunt,<br />

als er auf dem FeId arbeitend plötzlich einen Anruf<br />

von Heinz Reitbauer erhielt. Dieser habe gehört, dass<br />

Brodnjak elf verschiedene Erbsensorten anbauen<br />

würde und wollte fragen, ob er denn nicht eine Probelieferung<br />

bekommen könne. Das war der Beginn<br />

einer wunderbaren Zusammenarbeit.<br />

Die zwei Hektar Ackerflächen<br />

inklusive einem halben Hektar<br />

Foliengewächshäuser, die Robert<br />

Brodnjak und Claudia Detz bewirtschaften,<br />

liegen zwischen Porrau<br />

und Füllersdorf, etwa dort, wo die<br />

wellige Landschaft des südlichen<br />

Weinviertels schon sehr viel Gegend<br />

aufzuweisen hat. Doch angesprochen<br />

auf den entlegenen Flecken<br />

Erde, der ihnen Zuhause ist,<br />

antworten die beiden strahlend mit<br />

nur einem \Mort:,, Lebensqualität."<br />

Dass sie Gemüsebauern wurden,<br />

war beiden nicht in die Wiege<br />

gelegt, sind sie doch richtige<br />

Großstadtpflanzen ohne bäuerlichen<br />

Hintergrund. Robert hat<br />

Koch gelernt, um nach t8 Jahren<br />

in der Gastronomie auf IT-Administrator<br />

umzusatteln. Claudia war<br />

Buchhalterin. Das Paar lebte mit<br />

seinen Kindern in einer großen<br />

Wohnung in einem der Stadtrandbezirke<br />

Wiens und begann vor vielen,<br />

vielen Jahren das zu tun, was<br />

heute mit schicken Schlagwörtern<br />

wie City Farming und Urban Gardening<br />

bezeichnet wird: nämlich<br />

ihre Terrasse mit Gernüse und<br />

Kräutern zu bepflanzen. AIs der<br />

Platz für ihre zwanzig unterschiedlichen<br />

Paradeissorten zu klein<br />

wurde, pachteten sie 10o Quadratmeter<br />

FeId bei Stammersdorf<br />

und schlossen sich außerdem den<br />

Studenten der Universität für Bodenkultur<br />

an, die ihre Versuchsgemüsegärten<br />

im zt. Bezirk damals<br />

gerade Nicht-Boku-Menschen zugänglich<br />

machten. Gemeinsam<br />

mit ihnen wurde gepflanzt, gesät<br />

und experimentiert.,,Alles biolo-<br />

auch die Neugier, immer Ungewöhnlicheres auszuprobieren.<br />

Als die Boku ihre Flächen in Floridsdorf<br />

schloss und sie Marion Aigner, eine Gemüsebäuerin<br />

aus Göllersdorf, kennenlerntenJ waren sie bereit,<br />

mehr daraus zu machen. Mit Hilfe der neu gewonnenen<br />

Freundin fanden sie Pachtflächen in Porrau<br />

und begannen mit Gemüseanbau im größeren Stil.<br />

Angebaut wurde alles, was wächst,<br />

und alles in mehreren Sorten. Um<br />

herauszufinden, wie sich die Sorten<br />

unterscheiden. Daher auch<br />

die elf Arten Erbsen oder die fünf<br />

verschiedenen Gattungen von<br />

ZwiebeI, die sieben verschiedenen<br />

Krautarten oder die unterschiedlichen<br />

Beeren. ,,Es geht uns", sagen<br />

die beiden quasi in einem AtemzrJg,<br />

,,vor allem um den guten Geschmack."<br />

2O12 war der Zeitpunkt gekommen,<br />

als Robert beschloss, nur<br />

noch Gemüsebauer sein zu wollen.<br />

Bei Claudia, laut Robert die<br />

R,ealistischere und Sicherheitsbedachtere<br />

im Tearrr, dauerte es<br />

noch etwas länger, ehe sie kündigte<br />

und in den Betrieb einstieg.<br />

Angeregt übrigens durch ein Motivationstraining<br />

für die Mitarbeiter<br />

der Steuerberatungskanzlei,<br />

in dem es um Grundbedürfnisse<br />

der Menschen ging.<br />

Welche Gemüse wann erntereif<br />

sein müssen oder welche<br />

Pflanzen gutnachbars chaftliche<br />

Beziehungen pflegen und welche<br />

nicht,,,ist die Tüftelei für die ruhigen<br />

Wintermonate", so Brodnjak.<br />

Zwischen den Gemüseflächen werden<br />

immer wieder Nützlingstreifen<br />

eingesät, die ebenfalls genau<br />

durchdacht sind. ,,Damit halten<br />

wir beispielsweise Schädlinge von<br />

unserem KohI weg", so der Bauer<br />

weiter. Dass sie mit ihrer Art,<br />

I os Ob Jungzwiebel od"er Salat - was<br />

im,,Krautwerk" wtichst, steht als Beweis, Gemüsebau völlig ohne Spezialisierung<br />

zu betreiben, auch leben<br />

d"ass Gemüse nicht gleich Gemüse ist.<br />

können, hielt niemand in ihrer<br />

Umgebung für möglich. Detz und<br />

Brodnjak haben es kurz anders<br />

gisch, keine Chemie, keine Bewässerung. Anderes versucht, sich nur auf Karotten und Rüben konzenkam<br />

ohnehin nie in Frage", erzählt Claudia Detz. triert und an \Miederverkäufer verkauft. Doch das<br />

haben sie bald wieder sein lassen. Sie lieben es, ihr<br />

Eines kam zum anderen. Immer öfter und im- Gemüse direkt an jene zu verkaufen, die damit auch<br />

mer lieber zog es die beiden zu ihren Beeten. Den kochen. Kostproben und Verarbeitungstipps werden<br />

theoretischen Überbau fanden sie in einschlägigen rnitgeliefert, da vieles eine Erklärung braucht wie<br />

Büchern und in Institutionen, die Gartenworkshops Kardonen, ein mit der Artischocke verwandtes Geanboten.<br />

Mit jedem Jahr merkten sie, dass keiner müse, das im Keller über Wochen gebleicht wird,<br />

ihrer Berufe sie so erfüIlen konnte wie das Aufzie- bevor man es schält, kocht und verzehrt.<br />

hen ihrer Gemüsepflanzen. Mit der Erfahrung stieg


50 / s vacaztN FELD STECHER<br />

Wenn clraufien die Windn uehen, die Stüme toben, der Hagel nied,ergeht oder der<br />

Regen prasselt - i,m Gewtichshau,s herrscht him,mlischer Frieden.<br />

,,W'ir pfl,anzen Korotten e,inmal nac/t<br />

dem Mondkalender und, e,inmal<br />

cölli,g dagegen. Dunn selten ui,r ja,<br />

u'ie es ui,rküich 'ist."<br />

107<br />

Clo,udia Detz und llobert Brodnjah - Quereinsteiger auf<br />

dem Acker des Lehens-


| 08 D* Gemüsebauer entnimmt eine Probe. und, ist zufrieden.<br />

51


52 ,/ s vaat'ztN FELD-STECNFR<br />

Sie setzen auf das Gemüse, das in hiesigen<br />

Breiten wächst, ob es nun unspektakulär erscheint<br />

wie Zwiebeln, Erdäpfel oder Kraut oder sehr ungewöhniich<br />

und rar ist. Von der Möglichkeit, dass es<br />

Gemüsearten gibt, die auch bei Frost und Schnee<br />

gedeihen, sind sie fasziniert. Grünkohl zum Beispiel.<br />

Den hatten sie allerdings schon, bevor die<br />

Sängerin Beyonc6 sich in einem<br />

Video bei Turn- und Tanzübungen<br />

in einem Sweatshirt mit der Arrfschrift,,KaIe"<br />

- englisch für Grünkohl<br />

- zeigte und dem Vitamin-C-<br />

Bomber so zu unerwarteter Popularität<br />

verhalf.<br />

Schritt um Schritt arbeiten<br />

sie sich weiter in die Gemüsewelt<br />

vor. Dazu gehört auch, sich<br />

zu überlegen, l,l,ie Gemüse und<br />

Obst haltbar wird. Immer wieder<br />

kommt Brodnjak dahei auf seinen<br />

kroatischen Großvater zu sprechen,<br />

mit dem er in Kroatien im<br />

Garten arbeitete und Kraut einschnitt.<br />

Als Detz und Brodnjak<br />

einmal Kimchi einlegten, fantasierten<br />

sie darüber, wie man<br />

Kraut wohl noch würzen könne<br />

und kamen so auf das Fermentieren<br />

mit unterschiedlich gewürzten<br />

Krautarten. Brodnjak<br />

schwärmt, wie spannend diese<br />

Methode des Haltbarmachens sei,<br />

,,für die man keine Energie einsetzen<br />

muss. Die Dinge in den Tontöpfen<br />

halten monatelang und<br />

noch länger. Und werden vom<br />

Geschmack her eigentlich immer<br />

nur besser."<br />

Haltbarmachen ist t]rrr Zukunftsthema<br />

- Einlegen in Essig,<br />

Fermentation, Trocknen, Lufttrocknen<br />

von verschiedenen Paradeissorten,<br />

Dörren über offenem<br />

Feuer. Mit einem anderen Experiment<br />

möchten sie dem Mysterium<br />

um die Mondzyklen beim Aussetzen<br />

näherkommen:,,Wir pflanzen<br />

Karotten einmal nach dem Mondkalender<br />

und einmal völlig dagegen.<br />

Dann sehen wir ja, wie das<br />

wirklich ist."<br />

I os Di,e Erdäp1el leuchten in unsagbaren<br />

Erbsen für Heinz Reitbauer stehen stets im<br />

Frühling auf dem PIan. Sonst beliefern sie den Koch<br />

mit Wurzelgemüse, Rüben, speziellen Zwiebelsorten<br />

und Erdäpfeln, Kardonen, Kohlrabi und fermentiertem<br />

Braunschweigerkraut.,,Krautwerk" - wie sich<br />

Detz und Brodnjak nennen - sind genauso groß, dass<br />

Brodnjak und Detz alles mit eigener Arbeitskraft bewältigen<br />

können. Tochter Saskia, das ältere der Kin-<br />

Farhen und, d,ie Kaffeepause ist wohtuerrlient.<br />

Da ist auch d"er Strohballen ein<br />

willkommenes Sofa.<br />

der, ist dennoch mit von der Partie. Sie habe gesehen,<br />

wie glücklich ihre Eltern seien, mit dem, was sie<br />

rrrachten. Und es sei schön, sein eigenes Gemüse zu<br />

ernten. Was sie erzeugen, wird ihnen quasi zur Gänze<br />

abgenommen - einerseits von Heinz Reitbauer,<br />

Josef Floh aus Langenlebarn und Stefan R,esch im<br />

Hyatt in Wien, andererseits von allen jenen Kochverrückten,<br />

die es Samstag zwischen<br />

März und Ende Dezember auf den<br />

Wiener Karmelitermarkt zieht.<br />

Detz und Brodnjak eröffnen demnächst<br />

auch einen Hofladen in<br />

ihrem kleinen Weinviertler Dorf.<br />

Das würde die Qualität ihres Lebens<br />

ausmachen. Und das ist es<br />

auch, was sie ihren Köchen und<br />

Kunden via Gemüse vermitteln<br />

möchten.<br />

,,alles<br />

bi,ologi,sc/t,<br />

keone C/temi,e,<br />

kei,ne Beuasserung.<br />

Anderes kam<br />

o/me/ti,n ni,e<br />

i,n Frage."


| 70 Der No,tne ,,Krautu:erh" kommt ni'cht uon wtgefrihr.<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!