Felix & Frithjof Finkbeiner Redet nicht, pflanzt Bäume! Lebenskraft ...
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Glaubst<br />
18 | 19 thema: ressourcen der seele<br />
<strong>Lebenskraft</strong> Glaube<br />
«Nicht jeder Glaube fällt mit Gott zusammen» *<br />
von Ruth Ewertowski<br />
du an Gott? – Das ist so eine Frage, bei der sich der Zeitgenosse<br />
windet wie Faust bei der Gretchenfrage, nur dass er womöglich<br />
mehr in umgekehrter Rechtfertigungsnot steht als Faust gegenüber<br />
Gretchen, die doch hören wollte, dass der, den sie liebt, an<br />
Gott glaubt. Denn es ist heute wohl einfacher, mit Entschiedenheit<br />
«Nein» zu sagen als «Ja», wenn man <strong>nicht</strong> gleich als naiv<br />
gelten oder erklären will, warum man denn glaubt und an wen<br />
oder was genau.<br />
Mit der Antwort outet man sich – das ist das Unangenehme an<br />
der Frage. Man sieht sich zu einem Geständnis-Bekenntnis aufgefordert<br />
– so oder so. Denn auch wer <strong>nicht</strong> glaubt, muss sich in<br />
der Antwort bekennen, dann eben zum Atheismus, was freilich<br />
weniger einer Erklärung bedarf und vielleicht souveräner wirkt.<br />
Auch steht heute neben dem Glauben ja <strong>nicht</strong> selten eine unspezifische<br />
Spiritualität, die sich <strong>nicht</strong> Glaube nennen mag, die<br />
aber offenbar irgendwie gut tut, ohne dass man sagen könnte, was<br />
da eigentlich geschieht.<br />
Wer sich zum Atheismus bekennt, tut dies womöglich mit einer<br />
leisen Geringschätzung all derer, die aus seiner Sicht zu viel<br />
Fantasie haben und zu wenig Kraft, damit zurecht zu kommen,<br />
dass da <strong>nicht</strong>s Außerirdisches ist, was hilft, wenn sonst alle Stricke<br />
reißen, oder was ein Jenseits garantiert, das einem die Angst vorm<br />
Tod nimmt. Und entsprechend könnte das Bekenntnis zum<br />
Glauben tatsächlich bedeuten, dass man sich die Geborgenheit<br />
einer Glaubensgemeinschaft und sicherheitshalber die Zuwendung<br />
eines allmächtigen Wesens warmhalten möchte.<br />
Es sind vor allem zwei Momente, die tatsächlich der Glaubwürdigkeit<br />
des Glaubens entgegenstehen: zum einen nämlich<br />
eine Pragmatik, die eigentlich immer einem Missbrauch des<br />
Glaubens gleichkommt, und zwar <strong>nicht</strong> nur dann, wenn Kriegsherrn<br />
dieVorstellung schüren, dass Gott auf ihrer Seite stehe und<br />
* Elazar Benyoëtz: Scheinhellig.Variationen über ein verlorenes Thema,Wien 2009<br />
man mit ihnen für Gott kämpfe, sondern auch dann, wenn Gott<br />
gewissermaßen als Lückenbüßer für all das herhalten muss, was<br />
sich sonst <strong>nicht</strong> erklären lässt und wo man unmittelbar keinen<br />
Sinn findet. Zum anderen steht einem wesentlichen Glaubensverständnis<br />
ein fehlendes Bewusstsein vom eigenen Verhältnis zu<br />
Gott oder einer geistigen Welt entgegen.Wenn der Glaube <strong>nicht</strong><br />
befragt wird, steht er in der Gefahr, zur Ideologie zu werden. Das<br />
heißt noch <strong>nicht</strong>, dass nur das Wissen «glaubwürdig» ist.Auf seine<br />
Weise ist auch der Ungläubige von der Gefahr der Ideologie<br />
betroffen. Der jüdische Schriftsteller Elazar Benyoëtz (geboren<br />
1937), der sich in seinen Aphorismen sehr dialektisch mit<br />
Glaubensfragen befasst, hat dies folgendermaßen auf den Punkt<br />
gebracht: **<br />
Der Überzeugte<br />
glaubt <strong>nicht</strong> mehr;<br />
Skeptiker aber<br />
sind Besserwisser.<br />
Der Überzeugte stellt keine Fragen. Der Skeptiker bezieht sein<br />
Selbstwertgefühl daraus, dass er alles in Frage stellt. Wo der eine<br />
keine Zweifel hat, hat der andere nur Zweifel. Beide aber sind in<br />
sich selbst verschlossen, denn sie wissen ja irgendwie Bescheid.<br />
Vor diesem Hintergrund lässt sich ein wesentlicher Glaube, vor<br />
dem auch der «Ungläubige» Respekt haben muss, zunächst einmal<br />
ganz vorsichtig als Offenheit verstehen: eine Offenheit, die<br />
ernährt, weil sie positiv gestimmt ist – die ihre Selbstständigkeit<br />
<strong>nicht</strong> aufgibt, weil sie sich Gott zuwendet, ohne sich aus Gott<br />
«etwas zu machen», ohne ihn nach eigenen Vorstellungen und<br />
Zwecken herzurichten. Wenn Benyoëtz jenen doppeldeutigen<br />
Satz: «Nicht jeder Glaube fällt mit Gott zusammen», formuliert,<br />
** Elazar Benyoëtz: Die Zukunft sitzt uns im Nacken,Wien 2000