Atsushi Kitagawara Architects
978-3-86859-160-6
978-3-86859-160-6
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Vorwort<br />
preface<br />
Falk Jaeger<br />
Die Affinität zur europäischen Kultur ist in den Kreisen japanischer<br />
Architekten nicht selten anzutreffen. In ihren Werken finden sich<br />
immer wieder Ergebnisse des Zusammendenkens von abendländischer<br />
Poesie, Kunst und Philosophie mit der fernöstlichen<br />
Geisteswelt des Konfuzianismus und des Buddhismus. <strong>Atsushi</strong><br />
<strong>Kitagawara</strong> ist einer dieser Wanderer zwischen den Welten. Wie<br />
ein Schwamm hat er westliche Kultur in sich aufgenommen und<br />
verarbeitet, freilich ohne sich auf eine Linie, auf eine Philosophie,<br />
auf einen Stil festlegen zu lassen. Fast zwangsläufig wurde er zum<br />
Postmodernisten, wobei er seinen Venturi verinnerlichte und den<br />
von Charles Moore, Robert Stern und anderen Protagonisten eingeschlagenen<br />
Mainstream hin zu plakativen, inhaltsleeren Historismen<br />
nicht mitging. Vielmehr sah er in Venturis „Complexity and<br />
Contradiction“ einen Weg, die Errungenschaften der Postmoderne,<br />
nämlich die Überwindung der Sprachlosigkeit und der Atmosphärenarmut<br />
der Moderne, über das rasche Abklingen der eklektischen<br />
Postmoderne hinwegzuretten.<br />
Seine Methode, den Urformen des Orts nachzuspüren, um sie in<br />
den Entwurfsprozess einfließen zu lassen (nicht zu verwechseln<br />
mit dem Kontextualismus), ist wohl genuin postmodern und in unseren<br />
spätmodern pluralistischen Zeiten, die von Technizismus bis<br />
Dynamismus alle denkbaren -ismen nebeneinander sehen, durchaus<br />
aktuell. Zumal er mit diesen Urformen, die er in kraftstrotzende,<br />
lebendige Räume uminterpretiert, dem derzeit allgegenwärtigen<br />
Bedürfnis nach Signifikanz nachzukommen in der Lage ist. Was jedoch<br />
nicht die eigentliche Triebfeder seines Handelns ist. Seine Architektur<br />
propagiert eine neue Körperlichkeit und Sinnlichkeit, regt<br />
die Fantasie an, inspiriert und entzückt alle, die darin wohnen und<br />
arbeiten. „Wir hoffen, dass Architektur und urbane Städte Träume<br />
und Wünsche hervorrufen“, ist sein Credo.<br />
Trotz seiner Erfolge und trotz eines ansehnlichen Werks reiht<br />
sich <strong>Kitagawara</strong> nicht in die Phalanx des internationalen Archi-<br />
tektenjetsets ein. Das liegt vor allem an der Heterogenität seines<br />
Schaffens. Branding funktioniert damit nicht. Sein Streben<br />
gilt nicht einer wiedererkennbaren, mediengängig vermarktbaren<br />
Handschrift. <strong>Kitagawara</strong> lässt und will sich nicht festlegen wie die<br />
meisten seiner Architektenkollegen. Nicht typologisch, nicht methodisch<br />
und schon gar nicht formal. Das beginnt schon bei den<br />
Grundlagen der Raumtheorie. Wo sich andere entweder für die<br />
Körperlichkeit des Bauwerks oder für die Raumgenese zwischen<br />
den Körpern, sei es im architektonischen oder im städtebaulichen<br />
Maßstab, interessieren und entscheiden, arbeitet er mit beidem.<br />
Mit den aus den Urformen entwickelten Volumina wie mit den<br />
dazwischenliegenden psychologischen Lebens-, Bewegungsund<br />
Lichträumen. Als könne er sich nicht entscheiden zwischen<br />
den die europäische Baugeschichte bestimmenden Polen des<br />
Nordischen, Expressiven, Mystischen und der südländischen rationalen<br />
Körperlichkeit.<br />
Mit seinem Gespür für die Wirkung der Oberflächen steuert er<br />
beides, die Atmosphären der Lebensräume, die sich zwischen den<br />
Volumina entwickeln, wie auch die Erscheinung der Körper unter<br />
dem Licht.<br />
Und die systematische Heterogenität wird zur Komplexität, wenn<br />
sie Gegensatzpaare und Widersprüche aus dem gesamten Bauwesen<br />
einschließt, bis hin zu den verschiedensten Bautechniken. Wer<br />
<strong>Kitagawara</strong> mit dem Entwurf eines Bauwerks beauftragt, kann vorher<br />
nie wissen, was er bekommen wird.<br />
Wenn <strong>Kitagawara</strong> von seiner europäischen Dependance in Berlin<br />
aus an Wettbewerben teilnimmt, etwa für das interkonfessionelle<br />
Bet- und Lehrhaus in Berlin oder das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal,<br />
oder Bauprojekte wie die Thermen im italienischen<br />
Comano realisiert, dann weil er nach wie vor die Teilhabe am europäischen<br />
Kulturbetrieb sucht und dessen Einflüsse nicht missen<br />
möchte.<br />
6 Vorwort Preface