Naschgarten - Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen
Naschgarten - Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen
Naschgarten - Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen
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<strong>Naschgarten</strong> Holzminden<br />
– Ein Projekt stellt sich vor –
» Herausgeberinnen:<br />
Hochschule Fulda<br />
Prof. Dr. Beate Blättner, Silvia Heckenhahn, Anna Grundel, Bettina Braun<br />
unter Mitarbeit von<br />
Prof. Dr. Henny A. Grewe, Prof. Dr. Kathrin Kohlenberg-Müller, Heidi Haager-Bürkert,<br />
Kristin Pelz, Diana Priese, Lisa Stahl<br />
» Ort:<br />
Fulda 2008<br />
» Layout:<br />
Ananda Priyahita Wiryomiharjo, Anton Joce Irawan<br />
» Druck:<br />
Grafische Werkstatt GmbH – Dienstleistungen <strong>für</strong> Druck und Medien, Kassel<br />
www.naschgarten.com
Holzmindener Kinder und ihr <strong>Naschgarten</strong><br />
Was Kinder zum <strong>Naschgarten</strong> zu sagen haben<br />
Was sich Kinder wünschen, wenn sie an den <strong>Naschgarten</strong> denken<br />
Wie der <strong>Naschgarten</strong> entstanden ist<br />
Prof. Dr. Beate Blättner erläutert die Idee des Projektes<br />
Über Gewicht bei Kindern<br />
Was sich an den Schuleingangsdaten erkennen lässt<br />
Das Team vom <strong>Gesundheit</strong>samt erzählt von seiner Arbeit<br />
Teilhaben und wohl befinden<br />
Was die Forscherinnen im <strong>Naschgarten</strong> beobachten<br />
Mitgestalten macht Kinder stark<br />
Friedrich Blase erklärt, wie er mit den Kindern im <strong>Naschgarten</strong> arbeitet<br />
Struktur des Projektes <strong>Naschgarten</strong><br />
Wer die Idee des <strong>Naschgarten</strong>s umsetzt<br />
Kerstin Utermark gibt Einblicke in die Projektarbeit hinter den Kulissen<br />
Naschen und aktiv sein<br />
Pflanzen schmecken vielfältig<br />
Wie fragt man Kinder<br />
Natur erfahren fördert Bewegung<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
S.1<br />
S.7<br />
S.9<br />
S.11<br />
S.17<br />
S.23
Holzmindener Kinder und ihr <strong>Naschgarten</strong><br />
Was Kinder zum <strong>Naschgarten</strong> zu sagen haben<br />
1<br />
Marcel, Du besuchst den <strong>Naschgarten</strong> durch das Jugendzentrum,<br />
ist das richtig?<br />
„Ja, aber ich war auch schon alleine im <strong>Naschgarten</strong>.“<br />
Was gefällt Dir besonders gut an dem großen Grundstück?<br />
„Dass da so ein Fluss ist, da kann man im Sommer immer mit den Füßen<br />
reingehen und wenn der nicht ausgetrocknet ist, muss man nicht<br />
irgendwo immer Iris rufen und sagen, ‚komm mal und mach mal bitte den<br />
Wasserhahn an und all so.“<br />
Hättest Du gerne noch etwas Neues im <strong>Naschgarten</strong>?<br />
„Viele rosen, was zum Klettern und einen Swimmingpool <strong>für</strong> den Sommer.<br />
Oder noch einen Wagen, dann können wir da mal übernachten.“<br />
Gehst Du denn gerne hin?<br />
„Ja, wenn ich nicht so viele Hausaufgaben habe und die Zeit noch ausreicht,<br />
bin ich gerne dort.“<br />
Warst Du bei der Kürbispflanzaktion dabei?<br />
„Ja, ich habe Iris geholfen, alles war voller Heu Heu Heu!“<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Marcel, 9 Jahre, Jugendzentrum<br />
Anna, 5 Jahre, Kita Neue Straße<br />
Anna, erzähl uns doch mal, was Du so im <strong>Naschgarten</strong> gemacht<br />
hast!<br />
„Ich habe Kürbis eingepflanzt und als noch Wasser im Bach war, da durften<br />
wir mal rein.<br />
Mein Opa hat eine Gewürzspirale gemacht und da hab ich mitgeholfen,<br />
aber Jugendliche haben das kaputt gemacht, aber mein cousin nicht, der<br />
macht so was nicht. Als ich meinen Opa gesehen habe, bin ich ihm gleich<br />
in den Arm gefallen. Da ist so ein Versteck, das hat mir mein cousin gezeigt,<br />
das ist gut zum Verstecken spielen.“<br />
Was würdest Du denn noch gerne im <strong>Naschgarten</strong> haben?<br />
„Ich würde gerne noch mehr gießen.“
Valeria, 5 Jahre, Kita Neue Straße<br />
Valeria, gibt es etwas, das Dir im <strong>Naschgarten</strong> ganz besonders gut<br />
gefällt?<br />
„Mir gefallen die Blumen am besten, die Sonnenblumen sind so schön<br />
gewachsen.“<br />
Was machst Du denn so, wenn Du im <strong>Naschgarten</strong> bist?<br />
„Wir haben die Pflanzen gegossen und Äpfel gepflückt.“<br />
Was hättest Du noch gerne?<br />
„Ich hätte gerne noch eine rutsche, eine Schaukel, einen Kletterbaum<br />
und etwas zum balancieren.“<br />
Marvin, Du warst mit Deiner Schule im <strong>Naschgarten</strong>?<br />
„Ja.“<br />
Was hat Dir denn besonders gut gefallen?<br />
„Das Kürbis pflanzen, das Trinken und Obst naschen beim Wassertag.“<br />
Was sind Deine Wünsche?<br />
Pascal, gibt es etwas, das Du zum <strong>Naschgarten</strong> sagen möchtest?<br />
„Ja, ich wünsche mir, dass da mal Karotten wachsen könnten und dass<br />
der Bach wieder mehr Wasser hat. Wir wollen meistens einen Damm bauen,<br />
damit wieder mehr Wasser hinkommt und wir gut reingehen können.<br />
Und dann wollen wir noch mehr Bäume zum Klettern und Verstecke bauen.“<br />
Gibt es denn da schon ein Versteck?<br />
„Ja, bei dem hohen Gras, wo die Bäume stehen, also wenn du jetzt zum<br />
Bach gehst, einfach nur gerade aus.“<br />
Marcel wünschte sich einen Swimmingpool, hättest Du das auch<br />
gerne?<br />
„Nee, lieber ein kleines Zelt.“<br />
Marvin, 9 Jahre, Schule an der Weser<br />
„Mir fehlt ein Swimmingpool und ein Sandstrand am Bach. Toll wäre auch,<br />
wenn wir eine höhere Sandkiste <strong>für</strong> Nicole hätten (sitzt im rollstuhl). Es ist<br />
blöd, dass an der Wasserstelle Glasscherben liegen. Und ich wünsche mir<br />
einen großen Baum zum Klettern.“<br />
Pascal, 10 Jahre, Jugendzentrum<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
2
3<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Kai, 5 Jahre, Kita Neue Straße<br />
Kai, was gefällt Dir besonders gut am <strong>Naschgarten</strong>?<br />
„Ich mag die Erdbeeren, die da sind.“<br />
Habt Ihr denn da auch schon welche ernten können?<br />
„Eine. Wir haben aber Spinnen und Insektenhäuser <strong>für</strong> die Insekten.<br />
Die Spinnen können dann die Insekten fressen. Und wir haben<br />
schon im Bach Schiffchen fahren lassen und versucht, riesige Steine<br />
zu spalten.“<br />
Die großen, die am Bachrand liegen?<br />
„Ja, so ganz riesige.“<br />
Was würdest Du denn noch gerne auf der großen Wiese<br />
haben?<br />
„Spielzeuge und ein Klettergerüst. Ich hab davon ein Bild gemalt.<br />
Nur das Klettergerüst hat meine Mutter gemalt, weil ich das nicht<br />
richtig hingekriegt habe.“<br />
Hast Du auf dem Bolzplatz auch schon mal Fußball gespielt?<br />
„Nee, nicht so oft. Aber wenn wir mit dem <strong>Naschgarten</strong> da sind,<br />
dann schon manchmal. Wenn wir einen Ball haben, dann spiel ich<br />
auch manchmal.“<br />
Mats, 6 Jahre, Kita St. Josef, jetzt Astrid-<br />
Lindgren-Schule<br />
Hallo Mats, was hat Dir denn am <strong>Naschgarten</strong> besonders gut<br />
gefallen?<br />
„Toll fand ich das Lagerfeuer am letzten Kindergartentag, als Abschluss <strong>für</strong><br />
die Schulkinder und dass wir einen Erinnerungsbaum gepflanzt haben.<br />
Mir hat noch besonders gut gefallen, dass meine Idee mit dem Apfelbaum<br />
geklappt hat und dass wir an der Wasserstelle mit Keschern Tiere ge-<br />
fangen und angeguckt haben. Ich habe auch gerne mit dem Gewässermobil<br />
gespielt und Floße gebaut.“<br />
Gibt es etwas, das Dir während Deines Besuches im <strong>Naschgarten</strong><br />
gefehlt hat?<br />
„Ja, mir fehlte ein Bananenbaum und ich hätte gerne noch mehr zum<br />
Klettern. Doof war auch, dass wir an einem ganz heißen Tag den Garten<br />
bepflanzt haben und es im Bauwagen nicht genug zu trinken gab.“
Hallo Lea, warst Du mit deinem Kindergarten auch schon im<br />
<strong>Naschgarten</strong>?<br />
„Ja, manchmal spiele ich da aber auch, wenn ich nicht im Kindergarten<br />
bin.“<br />
Was hast du denn dort schon alles gemacht?<br />
„Ich habe eine Steinburg gebaut und ich finde die Sonnenblumen so<br />
schön.“<br />
Gibt es etwas, das Du Dir <strong>für</strong> den <strong>Naschgarten</strong> wünscht?<br />
„Ich hätte gerne noch eine Schaukel und ein Kletterhaus.“<br />
Ein Haus, wo Du reingehen kannst?<br />
„Ja.“<br />
Lea, 5 Jahre, Kita Neue Straße<br />
Justus, Du bist mit Deiner Gruppe im<br />
<strong>Naschgarten</strong> aktiv?<br />
„Ja, mit meiner Kindergruppe und den anderen Gruppen<br />
bewirtschaften wir den Garten, ziehen Obst und Gemüse<br />
groß und bewässern die Blumen.“<br />
Wie alt sind die Kinder in Deiner Gruppe?<br />
„7 - 11 Jahre alt.“<br />
Und wie häufig besucht Ihr den <strong>Naschgarten</strong>?<br />
„Wir sind mit der Gruppe immer dann dort, wenn wir<br />
Gruppenstunde haben, d.h. einmal in der Woche. Wir<br />
schauen uns an, wie alles aussieht, wenn irgendwas da<br />
ist, was nicht so toll ist, wird es natürlich behoben.“<br />
Justus, 15 Jahre und Viktoria, 16 Jahre,<br />
beide Pfadfinder und Gruppenleiter<br />
der Gruppe Schneeeule<br />
Was gefällt Dir bzw. Deinen Gruppenkindern an<br />
dem Projekt?<br />
„Meine Gruppenkinder sind vom <strong>Naschgarten</strong> sehr<br />
angetan. Es ist jedes Mal ein kleiner Gang zur Weser und<br />
zurück, da dürfen sie auch noch ein wenig was machen.<br />
Im <strong>Naschgarten</strong> wird dann auch meistens gespielt. Das<br />
finden sie generell schon mal sehr schön. Das mit der<br />
Arbeit lässt sich aber in Klammern setzen.“<br />
Was fehlt Dir im <strong>Naschgarten</strong>?<br />
„Ich bin zufrieden, es gestaltet sich alles ganz gut.“<br />
Viktoria, was gefällt Dir am <strong>Naschgarten</strong>?<br />
„Ich finde das toll, dass man so gut zusammenarbeiten<br />
kann. Die Kinder haben auch ganz viel Spaß. Auch die<br />
Zusammenarbeit mit den anderen Gruppen, wie den<br />
Kindergärten zum Beispiel, läuft sehr gut.“<br />
Gibt es etwas, was Du Dir wünschen würdest?<br />
„Ja, ich fände es ganz gut, wenn andere Leute, die da in<br />
der Umgebung wohnen, mehr aufpassen könnten, dass<br />
da nicht so viel passiert. So was wie mit dem Kürbis (es<br />
wurde ein Kürbis zerstört) ist ziemlich ärgerlich.“<br />
Hast Du den Eindruck, dass Eure Gruppe gerne<br />
noch mehr gestalten würde?<br />
„Ich glaube, das ist im Augenblick ausreichend, die<br />
gießen die Blumen, haben sie mit reingesetzt und haben<br />
so schon Spaß.“<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
4
Was sich Kinder wünschen,<br />
5<br />
wenn sie an den <strong>Naschgarten</strong> denken<br />
Ein Schlaraffenland<br />
Die Sonne strahlt, es ist ein Sommertag<br />
und es ist es sehr heiß. So heiß, dass die<br />
zwölfjährige Vera (Namen wurden im<br />
Folgenden alle geändert) gerne baden<br />
möchte. Doch nicht in gewöhnlichem<br />
Wasser! Nein, Vera möchte gerne, dass der<br />
Swimmingpool bis an den rand mit cola<br />
gefüllt ist. Um sich von innen abzukühlen,<br />
gibt es neben dem Pool einen Eisstand<br />
mit den köstlichsten Eissorten, die von<br />
einer netten Dame kostenlos angeboten<br />
werden. Sollte dann doch noch der Hunger<br />
aufkommen, ist auch das kein Problem.<br />
Hamburger, cheeseburger oder der Big<br />
Mac stehen schon bereit und können<br />
nach Belieben verzehrt werden. Ist das der<br />
<strong>Naschgarten</strong> in Holzminden? Für Vera ist er<br />
das. Vera verbindet mit ihrem <strong>Naschgarten</strong><br />
ein Paradies, ein Schlaraffenland, in dem<br />
alles möglich ist, was sie sich wünscht, wo<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Genuss an erster Stelle steht, sie sich in cola<br />
baden kann, alles in Fülle zur Verfügung<br />
steht und es keine reglementierung durch<br />
Erwachsene gibt. Ein Ort, den sie nach ihren<br />
Vorstellungen gestalten und sich darin<br />
ausdrücken kann.<br />
Eine friedliche Oase<br />
Lisa malt eine Hängematte zwischen zwei<br />
großen Apfelbäumen. Der Himmel ist blau<br />
und wolkenlos. In der Hängematte liegt<br />
ein Kind. Es wirkt ruhig und geborgen.<br />
Auch eine Maus ruht auf der dichten Wiese<br />
neben der Hängematte. Dass rückzug und<br />
Entspannung im <strong>Naschgarten</strong> nicht zu kurz<br />
kommen dürfen, erklärt uns Lisa mit ihrem<br />
Bild. Einfach mal die Seele baumeln lassen<br />
und träumen können. Und das in einer<br />
Atmosphäre, in der die Maus ohne Angst<br />
aus dem Loch kommen und an der frischen<br />
Luft relaxen kann.<br />
Ein Abenteuerland<br />
Jens und Timo malen ganz andere Motive.<br />
Ihr Thema sind Gebäude. Eine Stadt bei<br />
Nacht mit Sternenhimmel und ein großes<br />
Baumhaus auf einem dicken alten Baum.<br />
Die Farben sind teilweise dunkel und<br />
geheimnisvoll. Man sieht Leitern und<br />
rutschen in schwindelnder Höhe.<br />
Also kann es in einem <strong>Naschgarten</strong> auch<br />
spannend und prickelnd zugehen? Kann<br />
man den Garten auch nachts aufsuchen<br />
- dann, wenn die Straßen leer werden, die<br />
Sterne am Himmel funkeln und Menschen<br />
sich in ihre Häuser zurückziehen? Kann man
in einem <strong>Naschgarten</strong> die Geheimnisse<br />
der Dunkelheit ergründen? Das wünschen<br />
sich die beiden siebenjährigen Jungen auf<br />
jeden Fall. Sie sind der Meinung, dass es<br />
hierzu ein Baumhaus braucht. Einen Ort,<br />
um sich heimlich zu treffen, Geheimnisse<br />
zu schmieden und eine Bande zu gründen.<br />
Es muss die Möglichkeit zum Klettern und<br />
Gestalten geben und selbstverständlich<br />
braucht es hierzu Ecken und Winkel, die<br />
nicht von vorneherein überschaubar und<br />
<strong>für</strong> jeden zugänglich sind …<br />
Kinderbilder als Auftrag<br />
Der <strong>Naschgarten</strong> soll in erster Linie von den<br />
Kindern gestaltet und entwickelt werden.<br />
Wenn wir Kinder fragen, was sie sich unter<br />
einem <strong>Naschgarten</strong> vorstellen und was<br />
sie gerne darin integriert haben möchten,<br />
erkennen wir vor allem eines: Die bildliche<br />
und bewegliche Fantasie der Kinder<br />
weicht häufig von den Vorstellungen<br />
und der Gedankenwelt der Erwachsenen<br />
ab. Um trotzdem die Bedürfnisse der<br />
Kinder erkennen und diese in einem<br />
Projekt zur Geltung bringen zu können,<br />
müssen wir uns einen Zugang zu der<br />
bunten kindlichen Fantasiewelt schaffen.<br />
Wir haben im Oktober 2007 Kindern aus<br />
Holzminden die Möglichkeit gegeben,<br />
ihre Wünsche und Vorstellungen aufs Papier<br />
zu bringen. 41 Mädchen und 26 Jungen<br />
hinterließen eindrucksvolle Zeichnungen,<br />
die wir Wissenschaftlerinnen als Grundlage<br />
zur Bildanalyse verwendeten. Neben den<br />
Ergebnissen <strong>für</strong> Vera, Lisa, Jens und Timo<br />
kamen wir bei der Analyse der Kinderbilder<br />
zu dem Ergebnis, dass Kinder sich beim<br />
Gedanken an einen <strong>Naschgarten</strong> auch häufig<br />
Wasser in ganz verschiedenen Formen<br />
wünschen. Zum Schwimmen, zum Gießen<br />
oder einfach als eigenen Lebensraum. Auch<br />
erwachsene Personen, die Aufmerksamkeit<br />
und Sicherheit schenken, wurden von den<br />
Kindern häufig abgebildet.<br />
Weiter zeigen uns die meisten Bilder, dass<br />
sich die Kinder freien Zugang zu allen<br />
Aktivitäten des <strong>Naschgarten</strong>s wünschen.<br />
Die Dinge sollen gut erreichbar, nicht von<br />
anderen besetzt oder gar durch Zäune<br />
abgegrenzt sein. Sie wollen alles benutzen<br />
und erfahren können. Einig sind sich<br />
auch die meisten Kinder, dass es mehr<br />
Spielgeräte braucht. Ob Schaukel, rutsche,<br />
oder Sandkasten, eines dieser bekannten<br />
Spielobjekte ist auf fast jedem Bild zu finden.<br />
Sie stehen im Bild <strong>für</strong> den Wunsch der Kinder<br />
nach Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten<br />
an sich. Wie von uns selbstverständlich<br />
auch erhofft, verbinden fast alle Kinder<br />
mit dem <strong>Naschgarten</strong> essbare Pflanzen.<br />
Die Darstellung von Gemüse fiel dabei<br />
etwas spärlich aus, es gibt jedoch viele<br />
verschiedene Sorten Obst und süße Beeren<br />
auf den Bildern.<br />
Wenn in der Sozialforschung Dokumente<br />
analysiert werden, sind dies meist Texte<br />
und andere Dokumente, die ihren Inhalt<br />
über die Sprache vermitteln. Bilder galten<br />
lange als Untermauerung von Texten, also<br />
reine Illustrationen. Es wurde ihnen keine<br />
Aussagekraft über das hinaus, was auf den<br />
ersten Blick sichtbar war, zugesprochen.<br />
Der Philosoph und Kunsthistoriker Gottfried<br />
Boehm bezeichnet dieses Missverhältnis<br />
zwischen Bild und Text sehr eindrücklich<br />
als schwache Bilder, „die an der Leine<br />
bedeutungsschwerer Begriffe geführt<br />
werden“.<br />
Im Zuge der zunehmenden Visualisierung in<br />
den letzten Jahren haben Bilder in der Sozialforschung<br />
an Bedeutung gewonnen. Die<br />
weite Verbreitung der Fotografie und die<br />
Bilderflut im Internet, die uns jeden Tag begegnet,<br />
trugen maßgeblich dazu bei. Durch<br />
sie kam die Überlegung auf, dass Bilder<br />
eine eigene formale Struktur haben. Diese<br />
Struktur ist nicht zu vergleichen mit der<br />
ausgefeilten und genau geregelten Struktur<br />
eines Textes, die auf Grammatik, Syntax und<br />
Satzzeichen zurückgeht. Doch sie würde es<br />
ermöglichen, Bilder mit ähnlichen Verfahren<br />
zu analysieren wie Texte.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
6
7<br />
Frau Blättner, wie entstand die Idee des <strong>Naschgarten</strong>s?<br />
Meine Kolleginnen, Frau Prof. Dr. Kohlenberg-Müller, Frau Prof. Dr.<br />
Grewe und ich hatten zuvor Präventionsprogramme <strong>für</strong> Kinder<br />
und Jugendliche wissenschaftlich bewertet, die übergewichtig<br />
sind. Übergewicht bei Kindern ist inzwischen – nicht nur in<br />
Deutschland – ein gesundheitliches Problem geworden, das gut<br />
bekannt ist, <strong>für</strong> das es aber kaum geeignete Lösungen gibt. Die<br />
Ergebnisse unserer Arbeit zeigten uns erneut, dass ein Erfolg<br />
versprechender Ansatz zur Vermeidung von Übergewicht die<br />
Veränderung von Lebensbedingungen anstreben muss. Wichtig<br />
ist z.B. eine Umgebung, die zu körperlicher Aktivität anregt und<br />
die die Kinder selbst <strong>für</strong> sich geschaffen haben. Das sagt auch die<br />
Weltgesundheitsorganisation.<br />
Kindern zu sagen, was sie essen sollen und was nicht, nützt nur<br />
wenig. Gerade übergewichtige Kinder in Deutschland wissen da<br />
ziemlich genau Bescheid und entwickeln höchstens ein schlechtes<br />
Gewissen. Je dicker sie werden, umso weniger mögen Sie sich<br />
bewegen, weil sie sich schämen – ein Teufelskreis.<br />
Wir wollten nicht weiter die Schwächen anderer Programme<br />
aufzeigen, sondern selbst etwas in Gang setzen, das uns<br />
zukunftsweisender erscheint. Obst und Gemüse, ideale<br />
Nahrungsbestandteile, wachsen zum Beispiel in Gärten. Ein Garten<br />
kann ein Ort sein, der Kinder einlädt, körperlich aktiv zu werden, zu<br />
toben, zu buddeln, zu spielen. Naschen ist <strong>für</strong> Kinder oft etwas, das<br />
sie sich wünschen, das aber mit Verboten oder Einschränkungen<br />
verbunden sein kann. Wir wollten einen Ort schaffen, an dem<br />
unbesorgt genascht werden kann, genascht von den Früchten des<br />
Gartens. Einen <strong>Naschgarten</strong> also.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Prof. Dr. Beate Blättner erläutert die<br />
Idee des Projektes<br />
„Kinder sollen die Möglichkeit<br />
haben, ihren <strong>Naschgarten</strong> nach<br />
eigenen Ideen zu gestalten“<br />
Zur Person: Prof. Dr. Beate Blättner ist an der Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und <strong>Gesundheit</strong>, Professorin <strong>für</strong> <strong>Gesundheit</strong>sförderung.<br />
Die gelernte Pädagogin hat über 12 Jahre lang Erfahrungen in der Praxis sammeln können, bevor sie sich der Entwicklung und<br />
wissenschaftlichen Begleitung von Projekten aus der Perspektive der Forscherin genähert hat. Heute leitet sie vier Studiengänge, die<br />
sich alle aus verschiedenen Blickwinkeln mit Fragen der <strong>Gesundheit</strong>sförderung beschäftigen. In ihren Forschungsprojekten steht der<br />
Nutzen <strong>für</strong> die Praxis im Vordergrund.<br />
„Wir wollten nicht weiter die Schwächen anderer Programme<br />
aufzeigen, sondern selbst etwas in Gang setzen, das uns<br />
zukunftsweisender erscheint.”<br />
Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Projekt?<br />
Kinder aus Holzminden sollen die Möglichkeit haben, ihren<br />
<strong>Naschgarten</strong> nach eigenen Ideen zu gestalten. Zielgruppe sind<br />
Kinder im Vorschul- und Schulalter aus Holzminden, auch Kinder<br />
aus Familien in schwierigen sozialen Lagen. Die Erfahrung, mit<br />
anderen Kindern etwas gemeinsam nach eigenen Vorstellungen<br />
schaffen zu können, teilhaben und mitgestalten zu können,<br />
fördert bei Kindern eine Lebenseinstellung, die ganz allgemein<br />
<strong>für</strong> den Erhalt der <strong>Gesundheit</strong> eine wichtige Voraussetzung ist. In<br />
der Wissenschaft wird diese Lebensorientierung mit den Begriffen<br />
„Empfinden von Zusammenhalt“ oder „Widerstandsfähigkeit“<br />
bezeichnet. Es geht darum, dass Kinder lernen, dass es auf sie, ihre<br />
Meinung und ihre Leistung wirklich ankommt. Sie brauchen die<br />
Erfahrung, dass sie Dinge tun können, die sozial anerkannt sind,<br />
damit sie bessere chancen haben, das Leben zu bewältigen.<br />
Konkret wollen wir aber auch, dass die Kinder im <strong>Naschgarten</strong><br />
körperlich aktiv sind und essbare Pflanzen kennen und mögen<br />
lernen. Was motiviert mehr, Obst und Gemüse zu essen, als der<br />
Stolz auf die eigene Ernte vom selbst gebauten Himbeerspalier?<br />
Und erst dann, wenn das Spalier gleichzeitig ein Teil einer<br />
kindgerechten Fantasie-Landschaft ist! Wir hoffen, dass die Kinder<br />
so auch eine andere Einstellung zum Essen erwerben könnten, vor<br />
allem aber, dass ihr Wohlbefinden verbessert wird. Sehr langfristig<br />
wäre das Ziel, dass die Verbreitung von Übergewicht bei Kindern<br />
in Holzminden reduziert werden könnte. Das wird aber nicht in<br />
zwei, drei Jahren erreichbar sein.<br />
„Alles steht und fällt mit den Einrichtungen aus Holzminden,<br />
die mitmachen.”
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von diesem Projekt?<br />
Wir wollen wissen, ob unsere Idee funktioniert, ob wir unsere Ziele<br />
erreichen können und ob dies langfristig ein gangbarer Weg sein<br />
könnte, ein drängendes gesundheitliches Problem zu lösen. Wir<br />
wollen außerdem wissen, wie man eine ganze Stadt dazu bewegen<br />
kann, eine solche Idee mit zu tragen.<br />
„Es geht darum, dass Kinder lernen, dass es auf sie, ihre<br />
Meinung und ihre Leistung wirklich ankommt.”<br />
Und mit welchen wissenschaftlichen Methoden wollen Sie diese<br />
gewinnen?<br />
Für den Projektaufbau ist zunächst einmal ganz wichtig zu<br />
beobachten, was passiert, und zu analysieren, was schon gut läuft<br />
und was verbessert werden muss. Wir nehmen an allen möglichen<br />
Aktivitäten teil, schreiben Beobachtungsprotokolle und arbeiten<br />
Stärken und Schwächen des Projektes heraus, geben Anregungen<br />
<strong>für</strong> die Weiterentwicklung.<br />
Wir haben Kinder ihre Wunschgärten malen lassen. Aus diesen<br />
Bildern können wir lernen, wie ein <strong>Naschgarten</strong> aussehen könnte,<br />
der den Bedürfnissen der Kinder entspricht.<br />
Ein Garten ist<br />
… ein umfriedeter Ort, in dem Nutz- und Zierpflanzen angebaut<br />
werden.<br />
… ein nach außen verlagerter Wohnraum.<br />
… ein Ort, der dazu einlädt sich dort aufzuhalten und aktiv zu<br />
sein.<br />
… ein Ort, der durch seine Nutzerinnen und Nutzer immer wieder<br />
neu gestaltet wird und sich mit den Jahreszeiten verändert.<br />
… eine Fläche, die Kindern raum zum Spielen geben kann, die<br />
Fantasie anregt und Sinneserfahrungen ermöglicht.<br />
… eine Erlebniswelt, in der es immer wieder Neues zu entdecken<br />
gilt.<br />
… ein raum, der Bewegung zulässt und zu Bewegung anregt.<br />
Naschen bedeutet,<br />
… sich in kleinen Mengen Gutes herauszusuchen und zu<br />
genießen.<br />
… mit Augen und Ohren, Nase, Hand und Mund zu schmecken.<br />
… Sinnesfreuden nachzugehen, manchmal auch heimlich.<br />
Im <strong>Naschgarten</strong> ist es nicht verboten, sich der Animation der<br />
Sinne auszusetzen.<br />
Das <strong>Gesundheit</strong>samt des Landkreises hat uns Daten zu Gewicht<br />
und Größe von Kindern aus den Schuleingangsuntersuchungen<br />
und Untersuchungen in Klasse 4 zur Verfügung gestellt, aus<br />
denen wir erkennen können, wie das Problem Übergewicht bei<br />
Holzmindener Kindern eigentlich genau aussieht.<br />
Im Herbst werden wir damit anfangen, Kinder danach zu fragen,<br />
wie wohl sie sich fühlen, was sie am liebsten essen, wie aktiv sie<br />
sind, und natürlich, ob ihnen der <strong>Naschgarten</strong> gefällt und ob sie<br />
wirklich das Gefühl haben, mitgestalten zu dürfen.<br />
Wie setzen Sie das Projekt in die Tat um?<br />
Alles steht und fällt mit den Einrichtungen aus Holzminden, die<br />
mitmachen. Das heißt den Kindertagesstätten, Schulen und so<br />
weiter. Grundidee ist nicht, dass wir ein Angebot in Holzminden<br />
machen, sondern dass wir Einrichtungen in Holzminden gewinnen<br />
können, die die Idee gemeinsam und mit unserer Hilfe Wirklichkeit<br />
werden lassen. Das macht zwar manchmal scheinbar zunächst<br />
mehr Arbeit, ist aber die Voraussetzung da<strong>für</strong>, dass das Projekt<br />
keine Eintagsfliege wird, sondern Bestand hat. Die Einrichtungen<br />
sind ganz großartig mit dabei und setzen sich engagiert ein. Schön<br />
wäre es, wenn es noch mehr werden würden und wenn die Idee<br />
über Holzminden hinaus wachsen könnte.<br />
Interview: Dr. Antje Mohr<br />
Der <strong>Naschgarten</strong> ist ein Ort, der Kinder und ihre Angehörigen<br />
einlädt,<br />
… Natur zu genießen.<br />
… ihn entsprechend kindlicher Fantasie und kindlicher Bedürfnisse<br />
selbst zu gestalten.<br />
… sich zur Aktivität anregen zu lassen, Neues zu entdecken und<br />
von seinen Früchten zu naschen.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
8
9<br />
Über Gewicht bei Kindern<br />
Was sich an den Schuleingangsdaten erkennen lässt<br />
Überall in Deutschland werden die<br />
Kinder, die nach den Ferien das<br />
erste Mal in die Schule gehen<br />
sollen, von den Ärztinnen und Ärzten des<br />
Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes<br />
im <strong>Gesundheit</strong>samt untersucht. Damit soll<br />
sichergestellt werden, dass die Kinder aus<br />
medizinischer Sicht <strong>für</strong> den Schulbesuch<br />
geeignet sind.<br />
In dieser Untersuchung werden die<br />
Kinder auch gewogen und gemessen.<br />
Aus Körpergröße und Gewicht wird der<br />
so genannte Body Maß Index ermittelt,<br />
ein Wert, der bei Erwachsenen eine<br />
Aussage darüber trifft, wie „dünn” oder<br />
„dick” sie sind. Bei Kindern ist dieser Wert<br />
alleine nicht aussagekräftig, denn Kinder<br />
wachsen nicht gleichmäßig in die Höhe<br />
und in die Breite. Für Kinder gilt deshalb<br />
die Abweichung vom Durchschnitt der<br />
jeweiligen Altersgruppe, die so genannte<br />
Perzentile, als ein besser geeignetes Maß.<br />
Die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste<br />
der <strong>Gesundheit</strong>sämter können so errech-<br />
nen, ob bei den Kindern im Schuleingangsalter<br />
der region Übergewicht oder Unter-<br />
gewicht ein Problem ist. Der Landkreis<br />
Holzminden hat dies über sein <strong>Gesundheit</strong>samt<br />
schon lange getan und in<br />
einem kommunalen Kinder- und Jugendgesundheitsbericht<br />
öffentlich gemacht.<br />
Dass Übergewicht bei Kindern in Deutschland<br />
ein Problem geworden ist, wurde inzwischen<br />
viel diskutiert. Aussagefähige Daten hierzu<br />
lieferte uns 2007 die bundesweite „KIGGS-<br />
Studie“. Danach sind in Deutschland etwa<br />
10% aller 3-6jährigen Kinder zu dick und<br />
halb so viel zu dünn. Bei den 7-10jährigen<br />
Kindern sind in Deutschland rund 15% zu<br />
dick und fast 8% zu dünn. Wenn Kinder zu<br />
dick sind, bedeutet dies sehr oft, dass sie<br />
auch als Erwachsene übergewichtig sind<br />
und einige Krankheiten eher bekommen<br />
als normalgewichtige Menschen. Aber auch<br />
Untergewicht kann ein Problem <strong>für</strong> die<br />
<strong>Gesundheit</strong> sein.<br />
Wie ist es in der Weserstadt Holzminden?<br />
Auch Holzminden hat zu dünne und zu dicke<br />
Kinder, wie andere Städte auch. Sogar etwas<br />
mehr übergewichtige als im deutschen<br />
Durchschnitt, so scheinen die Zahlen auf den<br />
ersten Blick zu sagen. Überraschend an den<br />
Schuleingangsdaten aus dem Jahr 2007 ist<br />
aber vor allem, dass mehr Kinder zu dünn als<br />
zu dick waren. Ist das ein Zufall? Das lässt sich<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
erst dann sagen, wenn die Ergebnisse von<br />
mindestens fünf Jahren verglichen werden<br />
können. 77 Jungen und 72 Mädchen, das ist<br />
zu wenig, um sicher sein zu können.<br />
Für die wissenschaftliche Begleitung im<br />
Projekt <strong>Naschgarten</strong> misst und wiegt das<br />
Team des <strong>Gesundheit</strong>samtes seit 2008 auch<br />
die Kinder der Klasse 4 in den Grundschulen<br />
der Stadt Holzminden. Von den 67 Mädchen<br />
und genau 100 Jungen wird ermittelt, ob<br />
Größe und Gewicht dem entsprechen, was<br />
<strong>für</strong> das Alter der Kinder angemessen ist.<br />
Der Großteil davon, 104 Kinder haben ein<br />
ganz normales Gewicht. Ungefähr jedes<br />
5. Kind bringt mehr auf die Waage, als<br />
dies aus medizinischer Sicht sein sollte.<br />
Fast genauso viele Kinder aber sind zu<br />
dünn. In diesem Jahr sind mehr Jungen<br />
als Mädchen untergewichtig, das kann im<br />
nächsten Jahr aber schon wieder anders<br />
sein. Es fällt zwar auf, dass mehr Kinder in<br />
der Klasse 4 übergewichtig sind, als bei den<br />
Schuleingangskindern, aber das ist überall<br />
in Deutschland so. Noch fehlt der Vergleich,<br />
ob die Kinder in Klasse 4 damals, als sie auf<br />
die Schultüte gewartet haben, im Verhältnis<br />
wirklich weniger dick waren. Überraschend<br />
wäre das nicht, denn dies scheint bundesweit<br />
so zu sein.<br />
Hat Holzminden also ein Problem mit zu<br />
vielen dicken Kindern? Wahrscheinlich nicht<br />
mehr als andere Städte. Aber Holzminden<br />
unternimmt etwas dagegen.
Das Team des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes<br />
Holzminden<br />
Herr Dr. Weber, wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit dem<br />
<strong>Naschgarten</strong> aus?<br />
Ich bin Mitglied im Lenkungsausschuss des Projektes und<br />
übernehme eine beratende amtsärztliche Funktion vor Ort.<br />
Frau Dr. Aschoff-Wernz, der Kinder- und Jugendgesundheits-dienst<br />
unterstützt das Projekt tatkräftig, welche Funktion übernimmt Ihr<br />
Team konkret im <strong>Naschgarten</strong>?<br />
Im rahmen der wissenschaftlichen Begleitstudie des<br />
<strong>Naschgarten</strong>projektes durch die Hochschule Fulda soll die<br />
Entwicklung der Adipositas von der Schuleingangsuntersuchung<br />
bis zur Schuluntersuchung in Klasse 4 im Vergleich von<br />
Kindern analysiert werden. Hier<strong>für</strong> werden Daten aus unseren<br />
Schuleingangsuntersuchungen und aus Untersuchungen in<br />
Klasse 4 in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt. Außerdem<br />
arbeiten wir im <strong>Naschgarten</strong>plenum mit.<br />
Können Sie uns erzählen, um welche Daten es sich genau handelt<br />
und wie sie diese erheben?<br />
Die Schuleingangsuntersuchungen finden jährlich statt. Dabei<br />
werden alle schulpflichtig werdenden Kinder, die sogenannten<br />
„Kann-Kinder“ und die im Jahr zuvor zurückgestellten Kinder<br />
untersucht. Innerhalb dieser sehr umfangreichen Untersuchung<br />
nach dem SOPHIA-Programm werden auch die Daten zu Größe,<br />
Gewicht und ethnischer Herkunft der Kinder erhoben.<br />
In den 4. Klassen wurden bisher jährlich Aktionen mit Seh- und<br />
Hörtest und Impfausweiskontrollen und Beratung durchgeführt.<br />
Im Zuge des wissenschaftlichen Begleitprogramms des<br />
<strong>Naschgarten</strong>projektes werden die Kinder in den Grundschulen der<br />
Stadt Holzminden nun auch gewogen und gemessen.<br />
Können Sie uns einen kurzen Einblick geben, wie solche<br />
Untersuchungen ablaufen?<br />
Die Darstellung der Schuleingangsuntersuchungen nach dem<br />
SOPHIA-Programm mit über 50 Untersuchungsschritten würde<br />
den rahmen dieser Interviewabfrage sprengen.<br />
Für die Erhebung der Körpermaße sehen die Arbeitsrichtlinien<br />
des SOPHIA-Programms vor:<br />
Das Team vom <strong>Gesundheit</strong>samt<br />
erzählt von seiner Arbeit<br />
Zur Person:<br />
» Herr Dr. med. Klaus Weber ist Facharzt <strong>für</strong> Öffentliches <strong>Gesundheit</strong>swesen und Sozialmediziner. Nach amtsärztlicher Tätigkeit im<br />
<strong>Gesundheit</strong>samt der Landeshauptstadt Wiesbaden, ist er seit 1992 Amtsarzt und Leiter des <strong>Gesundheit</strong>samtes des Landkreises<br />
Holzminden.<br />
» Frau Dr. med. Maria Aschoff-Wernz ist Teamleiterin im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Holzminden. Zum Team gehören<br />
zwei weitere Ärztinnen, zwei Verwaltungsangestellte und eine technische Assistentin.<br />
Größe: barfuss mit feststehender Messlatte in cm;<br />
Gewicht: barfuss und in Unterbekleidung in kg mit einer Stelle<br />
nach dem Komma. Die ethnische Herkunft wird ermittelt über das<br />
Herkunftsland der Familie bzw. das der Mutter.<br />
Müssen sich alle Kinder dieser Untersuchung unterziehen?<br />
Bei den Schuleingangsuntersuchungen erreichen wir alle<br />
schulpflichtigen Kinder und damit alle Grundschulen im Landkreis<br />
Holzminden.<br />
Sie sagen, dass Sie die Daten anonymisiert an die Hochschule<br />
weiterleiten, müssen hierbei datenschutzrechtliche Bestimmungen<br />
berücksichtigt werden?<br />
Ja, das ist unumgänglich. Die Eltern der Kinder, deren Daten<br />
erhoben, weitergegeben und bei der wissenschaftlichen<br />
Begleitung des Projektes durch die Hochschule Fulda ausgewertet<br />
werden, werden schriftlich von dem Vorhaben informiert und um<br />
Zustimmung zur Weitergabe der anonymisierten Daten gebeten.<br />
Hat das <strong>Gesundheit</strong>samt Holzminden noch andere Berührungspunkte<br />
mit Adipositas und Übergewicht?<br />
Bei den Schuleingangsuntersuchungen, die im Landkreis<br />
Holzminden nach dem SOPHIA-Programm durchgeführt<br />
werden, ist die Ermittlung von Größe und Gewicht fester<br />
Bestandteil der Untersuchungen. In Fällen von Übergewicht,<br />
Adipositias oder auch starkem Untergewicht erfolgt eine Beratung<br />
der Eltern zu Ernährung und Bewegung und ggf. die Zuweisung<br />
zum behandelnden Kinder- oder Hausarzt.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
10
Teilhaben und wohl befinden<br />
Was die Forscherinnen im <strong>Naschgarten</strong> beobachten<br />
An einem Morgen Ende Juli, es ist<br />
frisch mit ein paar Wolken auf dem<br />
Sommerhimmel, macht sich Anna<br />
auf den Weg in den <strong>Naschgarten</strong>. Anna ist<br />
Studentin an der Hochschule Fulda und<br />
arbeitet in der wissenschaftlichen Begleitung<br />
des Projektes. Heute hat sie den Auftrag<br />
übernommen, teilnehmend zu beobachten.<br />
Teilnehmend beobachten heißt <strong>für</strong> Anna, an<br />
diesem Tag über das Gelände zu gehen und zu<br />
betrachten, was sich alles verändert hat, bei<br />
Aktivitäten der Ferienfreizeit mitzumachen<br />
und dabei mit den etwa 8 Jahre alten Kindern<br />
und den Betreuerinnen und Betreuern ein<br />
paar Worte zu wechseln. Zurück zu Hause<br />
schreibt sie ihre Eindrücke auf und hält sie in<br />
einem Beobachtungsprotokoll fest.<br />
11<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Darin steht:<br />
„An der Stelle des Bleichegrabens,<br />
der wie ein Bach renaturiert ist, sind<br />
drei Mädchen und vier Jungen damit<br />
beschäftigt, einen Staudamm <strong>für</strong> das<br />
winzige Wasserrinnsal zu bauen. Sie<br />
stapfen im Matsch herum, buddeln<br />
darin und wirken sehr geschäftig.<br />
Sie rufen sich Anweisungen zu und<br />
arbeiten alle gut zusammen.“<br />
(Seite 5, Zeile 23-26)<br />
Anna gibt dieser Beobachtung in ihrem<br />
Protokoll einen großen raum. So schreibt<br />
sie weiter, dass die Kinder Spaß zu haben<br />
scheinen, beschreibt länger, was einer der<br />
Jungen genau macht und erzählt, wie sich<br />
später beim Mittagessen zwei der Jungen<br />
mit ihr über den Staudamm unterhalten. Sie<br />
wollen ihn mit Steinen verstärken, damit er<br />
auch dann hält, wenn der Bach wieder mehr<br />
Wasser führt.<br />
Einige Zeit später lesen die Forscherinnen<br />
Silvia und Bettina das Protokoll von Anna<br />
aufmerksam. Es ist <strong>für</strong> sie Datenmaterial, das<br />
ihnen ermöglichen soll herauszuarbeiten,<br />
was noch getan werden kann, damit das<br />
Projekt seine Ziele gut erreicht. Sie wissen,<br />
dass Anna nur ihre eigenen Wahrnehmungen<br />
festhalten kann.<br />
Als erstes stellen sich Silvia und Bettina die<br />
Frage, was ihnen das Datenmaterial sagt,<br />
welche Themen darin angesprochen sind.<br />
Sie machen sich Notizen, um einzelnen
Themen später genauer nachgehen zu<br />
können. Dabei fällt ihnen die Passage zum<br />
Staudammbau auf. Beide beschließen,<br />
diese Passage genauer anzusehen, da sie<br />
im Protokoll eine wichtige rolle zu spielen<br />
scheint.<br />
Bettina und Silvia fragen sich, was die Sätze<br />
genau bedeuten können. Sie versuchen<br />
dabei möglichst viele und unterschiedliche<br />
‚Lesarten’ zu entwickeln, denn ein Satz kann<br />
immer auch anders gemeint sein, als man im<br />
ersten Moment denkt. Sie schreiben auf:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
Die Kinder leisten körperlich aktiv<br />
und engagiert Bauarbeiten, die <strong>für</strong><br />
sie in diesem Moment wichtig zu sein<br />
scheinen.<br />
Die Kinder scheinen diese Arbeit<br />
freiwillig zu übernehmen. Es scheint<br />
keine Anleitung durch Erwachsene zu<br />
geben.<br />
Das Projekt scheint Mädchen und<br />
Jungen gleichermaßen zu interessieren.<br />
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
Ein Staudamm könnte die Funktion<br />
haben, ein Wasservorrat zu sein oder<br />
Bademöglichkeiten zu schaffen.<br />
Prinzipiell sind Staudämme auch eine<br />
Maßnahme der Energiegewinnung. In<br />
jedem Fall wird mit einem Staudamm<br />
das Gelände von den Kindern verändert.<br />
Es gibt nur wenig Wasser. Alle Möglichkeiten<br />
der Nutzung sind deshalb<br />
eher theoretisch gegeben. Das scheint<br />
die Kinder nicht zu stören. Die Fantasie<br />
reicht aus, um die Arbeit wichtig zu<br />
nehmen.<br />
Da die Arbeit den Kindern wichtig<br />
ist, funktioniert die Kooperation<br />
untereinander gut. Die da<strong>für</strong> nötigen<br />
Anweisungen scheinen nicht von außen<br />
zu kommen, sondern von den Kindern<br />
selbst.<br />
Sieben Kinder sind <strong>für</strong> die Größe des<br />
rinnsals relativ viele. Es scheinen alle<br />
Kinder integriert zu sein, die mitmachen<br />
wollen.<br />
Um Strukturen besser erkennen zu können,<br />
überlegen sich Silvia und Bettina, in welchen<br />
anderen Zusammenhängen die Sätze aus<br />
dem Protokoll Sinn ergeben können, und<br />
fassen ihre Interpretation zusammen:<br />
Die Kinder leisten selbstbestimmt gemeinsam<br />
‚Arbeit’, die <strong>für</strong> sie Bedeutung hat.<br />
Sie überlegen weiter, was die Erwachsenen<br />
tun, damit dies möglich ist. Die Strategie<br />
der Betreuerinnen und Betreuer scheint es<br />
hier zu sein, die Kinder das tun zu lassen,<br />
was sie möchten. Gebraucht wird da<strong>für</strong><br />
bearbeitbares Gelände, Matsch, Wasser<br />
und Baumaterial, und andere Kinder, die<br />
mitmachen. Die Folge scheint zu sein, dass<br />
Kinder lernen, konstruktiv miteinander<br />
umzugehen, dass sie körperlich aktiv<br />
sind und sich wohl fühlen, dass sich ihr<br />
Selbstbewusstsein und vielleicht ihr<br />
Empfinden <strong>für</strong> Zusammenhalt (Kohärenz)<br />
entwickeln.<br />
Silvia und Bettina nehmen sich vor, in den<br />
Beobachtungsprotokollen nach weiteren<br />
Beispielen <strong>für</strong> solche selbstbestimmten,<br />
gemeinsamen Arbeiten der Kinder zu suchen<br />
und der Bedeutung dieses ‚codes’ genauer<br />
nachzugehen, um noch mehr darüber zu<br />
erfahren.<br />
Bettina und Silvia überlegen nun, wie man<br />
die Idee der Kinder aufgreifen, sie stärker<br />
mit der Projektidee des <strong>Naschgarten</strong>s<br />
verbinden und in der Praxis umsetzen<br />
könnte. Das würde voraussetzen, dass<br />
die Betreuerinnen und Betreuer sich einbringen<br />
und einen ergänzenden Vorschlag<br />
machen. Bettina schlägt vor, versuchsweise<br />
ein Bewässerungssystem <strong>für</strong> die Beete zu<br />
bauen. Silvia bringt die Idee ein, den Kindern<br />
vorzuschlagen, aus dem gestauten Bereich<br />
eine reisterrasse anzulegen. Wenn den<br />
Kindern die Idee gefallen würde und wenn<br />
das in Kassel <strong>für</strong> die ‚Dokumenta’ möglich<br />
war…<br />
Warum keine reisterasse im <strong>Naschgarten</strong> in<br />
Holzminden?<br />
Ob der reis auch wirklich geerntet werden<br />
kann, ist <strong>für</strong> den <strong>Naschgarten</strong> vielleicht<br />
nicht ganz so wichtig, da<strong>für</strong> reicht die<br />
Fantasie der Kinder. Die Ziele des <strong>Naschgarten</strong>s<br />
würden dennoch alle erreicht.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
12
Mitgestalten macht Kinder stark<br />
Alina und Laura, Ben und Yasar sollen<br />
die Möglichkeit haben, den <strong>Naschgarten</strong><br />
gemeinsam nach eigenen Vorstellungen zu<br />
gestalten. Weshalb ist das wichtig? Wissen<br />
nicht Erwachsene viel besser, wie man <strong>für</strong><br />
Kinder einen Garten anlegt, in dem Obst und<br />
Gemüse wachsen?<br />
Kinder brauchen die Erfahrung, etwas Wichtiges<br />
zu leisten<br />
Kinder wollen mitentscheiden und mitgestalten<br />
können. Kinder, die früh Verantwortung<br />
übernehmen können, lernen darüber<br />
Sinn in ihrer eigenen Existenz zu finden, sie<br />
entwickeln das Empfinden von Bedeutsamkeit.<br />
Alina und Laura, Ben und Yasar müssen<br />
die Erfahrung machen können, dass es auf<br />
sie, ihre Meinung und ihre Leistung wirklich<br />
ankommt.<br />
Kinder wünschen sich Erwachsene, die sie<br />
respektieren und wertschätzen<br />
Alina und Laura, Ben und Yasar können<br />
im <strong>Naschgarten</strong> die Unterstützung von<br />
Erwachsenen gut gebrauchen, um ihre<br />
Vorstellungen entdecken, formulieren<br />
und umsetzen zu können. Sie suchen<br />
rat und Hilfestellung. Sie wünschen sich<br />
Erwachsene, die ihnen Aufmerksamkeit<br />
entgegenbringen, sich <strong>für</strong> sie einsetzen, sie<br />
herausfordern und ihnen Mut zusprechen.<br />
Kinder brauchen Erwachsene, die sie nach<br />
ihrer Meinung fragen, die sie ernst nehmen<br />
und die mit ihnen gemeinsam Kinderträume<br />
verwirklichen. Alina und Laura, Ben und<br />
Yasar hilft ein solches soziales Netzwerk, um<br />
zu stabilen und gesunden Persönlichkeiten<br />
heranzuwachsen, die auch schwierigen<br />
Lebensumständen und Lebenssituationen<br />
gewachsen sind.<br />
13<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Unterstützung macht Kinder stark<br />
Kinder brauchen die Erfahrung, dass<br />
sie auf ausreichend unterstützende<br />
Bedingungen zurückgreifen können, um<br />
mit den Herausforderungen des Lebens<br />
zurechtzukommen. Dann erleben sie die<br />
Welt als bewältigbar und handhabbar.<br />
Wenn Kinder die Erfahrung machen können,<br />
dass grundlegende regeln des Umgangs<br />
zwischen Menschen überall gelten und<br />
prinzipiell nachvollziehbar sind, wirkt die<br />
Unterstützung nachhaltig. So wird die Welt<br />
erklärbar und verstehbar.<br />
Kinder, die erlebt haben, dass es auf sie<br />
ankommt und die Welt verstehbar und<br />
handhabbar ist, entwickeln ein Empfinden<br />
von Kohärenz, von Zusammenhalt. Dieses<br />
Empfinden ist eine grundlegende Lebensorientierung.<br />
Sie hilft Menschen, in der<br />
Wahl der Bewältigungsstrategien <strong>für</strong> die<br />
Herausforderungen des Lebens flexibel zu<br />
sein. Sie ist die Voraussetzung da<strong>für</strong>, sich<br />
selbst und die eigene <strong>Gesundheit</strong> wichtig<br />
genug zu nehmen und vorhandene Möglich-<br />
keiten zur Bewältigung von Anforderungen<br />
zu aktivieren. Darüber, und vielleicht sogar<br />
auf direktem Weg, werden die Kinder Alina<br />
und Laura, Ben und Yasar zu Menschen, die<br />
sich gesund fühlen.<br />
Mitmachen können macht gesund<br />
Wie viele andere chronische Erkrankungen<br />
ist gesundheitlich bedenkliches Übergewicht<br />
bei Kindern häufiger, deren Familien<br />
sich in schwierigen Lebenslagen befinden.<br />
Schwierig, das heißt zum Beispiel relativ<br />
arm zu sein, arbeitslos zu sein, aufgrund<br />
der ethnischen Herkunft ausgegrenzt zu<br />
werden oder chronisch krank zu sein.<br />
Solche Lebenserfahrungen können mit<br />
eingeschränkten Möglichkeiten der Teilhabe<br />
an sozial anerkannten Aktivitäten verbunden<br />
sein, <strong>für</strong> die ganze Familie oder nur <strong>für</strong> das<br />
Kind. Kinder, die deshalb die Erfahrung<br />
machen, dass es auf sie, ihre Meinungen<br />
und Leistungen nicht ankommt, könnten<br />
zum Beispiel in ihrem Alltagshandeln mit<br />
mangelnder Aktivität reagieren. Sie spielen<br />
und toben weniger, bewegen sich zu wenig.<br />
Kinder mit solchen Erfahrungen entwickeln<br />
vielleicht die Einstellung, dass sie zu ihrer<br />
eigenen <strong>Gesundheit</strong> wenig beitragen<br />
können. Snacks und chips sind eine Form der<br />
Aufmerksamkeit, die sie bekommen. Dicke<br />
Kinder werden zugleich möglicherweise<br />
erleben, dass sie ausgegrenzt werden, sich<br />
noch mehr zurückziehen und noch weniger<br />
die Möglichkeit haben, wichtige Dinge<br />
mitgestalten zu können.<br />
Aber Kinder aus Familien in schwierigen<br />
Lebenslagen können auch die Erfahrung<br />
machen, teilzuhaben, können sich wohl<br />
fühlen und aktiv sein. Vielleicht kann der<br />
<strong>Naschgarten</strong> dazu beitragen, dass sie<br />
erleben, mitmachen zu können und sich<br />
wohl zu fühlen.<br />
Woher wissen wir das alles?<br />
Unabhängig voneinander haben sich<br />
Forscherinnen und Forscher wie Emmy<br />
Werner und Aaron Antonovsky in der<br />
zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahr-<br />
hunderts ähnliche Fragen gestellt. Sie<br />
wollten wissen, wie Menschen die Fähigkeit<br />
entwickeln, trotz belastender, schwieriger<br />
Lebenssituationen auf die Anforderungen<br />
wechselnder Situationen flexibel zu reagieren<br />
und sich wohl fühlen zu können.<br />
Die resilienzforschung (Entstehung von<br />
Widerstandsfähigkeit) hat sich mehr mit<br />
Kindern beschäftigt, die Salutogeneseforschung<br />
(Entstehung von <strong>Gesundheit</strong>) mehr<br />
damit, wie Kinder und Erwachsene sich<br />
gesund fühlen können. In ihren Ergebnissen<br />
sind sie sich einig: resilienz lässt sich fördern,<br />
<strong>Gesundheit</strong> auch.<br />
Das, was Menschen stark und gesund<br />
macht, ist kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal,<br />
sondern das Ergebnis von<br />
Lebenserfahrungen.<br />
Die Ergebnisse der Forschung zum<br />
Beispiel von Helen Antonovksy und Shifra<br />
Sagy zeigen, dass die Erfahrung in der<br />
Kindheit mitgestalten zu können, den<br />
stärksten Einfluss auf die Entwicklung von<br />
Wohlbefinden und <strong>Gesundheit</strong> hat. Daneben<br />
war emotionale Nähe zu anderen Menschen<br />
wichtig, feste, aber nicht starre Strukturen<br />
und ein ausgeglichenes Verhältnis von<br />
Anforderungen und Unterstützung. Dazu<br />
will der <strong>Naschgarten</strong> <strong>für</strong> Alina und Laura, Ben<br />
und Yasar beitragen.
Literatur:<br />
- Strauss, A. L. (1991): Qualitative Sozialforschung: Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen und soziologischen Forschung, München: Fink<br />
- Antonovsky A (1997) Salutogenese. Zur Entmystifizierung der <strong>Gesundheit</strong>. Dgvt, Tübingen<br />
- Sagy S, Antonovsky H (2000) The development of the sense of coherence: a retrospective study of early life experiences in the family, Int J Aging Hum Dev, 1/2000; 51(2): 155-66<br />
- Wustmann, c (2004): resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Beiträge zur Bildungsqualität. Beltz Verlag, Weinheim und Basel<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
14
15<br />
Herr Blase, was verstehen Sie unter „Partizipation“?<br />
Partizipation geschieht über Mitsprache, Mitwirkung und<br />
Mitbestimmung. Habe ich Kinder, die bisher kaum oder gar nicht<br />
mitbestimmt haben, muss ich sie in kleinen Schritten dahin<br />
bringen. Ich kann von Kindern nicht erwarten, dass sie von 0 auf<br />
100 mitbestimmen. Diese Kompetenz müssen sie erst erlangen.<br />
Das können ja Erwachsene häufig noch nicht mal. Ich höre häufig<br />
von Gegnern der Kinderbeteiligung: „Das schaffen die eh nicht.“<br />
Auf Anhieb können sie das auch nicht, aber man kann langsam<br />
dahin kommen. Wir lassen die Kinder Mathe, Deutsch, oder<br />
Englisch üben, damit sie das irgendwann können, sie sollten auch<br />
lernen können, Entscheidungen zu treffen.<br />
Wenn wir als Erwachsene mit den Kindern einen<br />
Spielraum wie den <strong>Naschgarten</strong> planen wollen, was<br />
sollten wir berücksichtigen?<br />
Ein wichtiger Grundsatz, der beherzigt werden sollte, ist, dass<br />
ein Spielraum nie fertig ist. Wenn wir Kinder beteiligen, dauert<br />
das länger, als wenn wir Erwachsene entscheiden und handeln.<br />
In der Planung sollte berücksichtigt werden, dass Strukturen,<br />
die <strong>für</strong> Kinder geschaffen werden, <strong>für</strong> Erwachsene gut nutzbar<br />
sind. Strukturen, die <strong>für</strong> Erwachsene geschaffen werden, sind <strong>für</strong><br />
Kinder aber nicht immer geeignet. Erkennen wir die Bedürfnisse<br />
der Kinder und planen entsprechend, hat man schon viel erledigt<br />
und man braucht sich um viele andere Dinge gar keine Gedanken<br />
mehr zu machen. Leider planen wir immer eher aus der Sicht der<br />
Erwachsenen.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Friedrich Blase erklärt, wie er mit den Kindern<br />
im <strong>Naschgarten</strong> arbeitet<br />
„Kinder aktiv in die Gestaltung<br />
ihrer Spielräume einbeziehen“<br />
Zur Person: Friedrich Blase ist 1959 geboren und arbeitet als freier Architekt im Bereich Spielraumplanung mit Kindergärten und Schulen.<br />
Er beschäftigte sich mit den Spiel- und Entwicklungsbedürfnissen von Kindern und leitete die Planung und Umsetzung unterschiedlicher<br />
Projekte mit Kindern und der Gestaltung von Freiflächen. Herr Blase hat mit den Pfadfindern und einer Kita im Frühjahr den<br />
Obstbaumschnitt im <strong>Naschgarten</strong> übernommen. Ab dem 1.9.2008 ist Herr Blase neben seiner beruflichen Tätigkeit als freier Mitarbeiter<br />
im Projekt tätig.<br />
„Partizipation sollte mit Mitsprache und Mitwirkung<br />
beginnen und in einer echten Mitbestimmung enden.“<br />
Können wir denn als Erwachsene gut <strong>für</strong> Kinder planen?<br />
Es gibt sicherlich Bedürfnisse, die uns klar sind. Was wollen wir als<br />
Eltern oder Erzieher erreichen? Wir wollen, dass irgendwann ein<br />
mündiger Bürger entstanden ist. Ob das nun mit 18 Jahren oder<br />
etwas später der Fall ist, das sei mal dahingestellt, aber irgendwie<br />
ist das unser Ziel. Deshalb müssen wir Kinder so früh wie möglich,<br />
sicherlich auch ihrem Alter und ihren Fähigkeiten entsprechend,<br />
an dem Leben, sprich an Planung, teilhaben lassen.<br />
Fragt man einen Erwachsenen, wie er sich sein Wohnumfeld<br />
vorstellt, dann hat manch einer beim ersten Mal genauso große<br />
Probleme, wie wenn man ein zwölfjähriges Kind fragt. Jeder muss<br />
von seinem Stand aus Erfahrung sammeln können, um dann nach<br />
einer geraumen Zeit sagen zu können, „so jetzt weiß ich was <strong>für</strong><br />
mich im Augenblick stimmig ist.“ Ändern sich die Bedürfnisse,<br />
ändert sich die Planung.<br />
„Ändern sich die Bedürfnisse,<br />
ändert sich die Planung.“<br />
Manchmal sind bei den Kindern oder Jugendlichen schon klare<br />
Ideen und Impulse vorhanden. Es kann aber auch sein, dass sie<br />
realistische und <strong>für</strong> das Projekt mögliche Anregung brauchen.<br />
Häufig muss man Kinder von dem, was sie kennen, weg holen.<br />
Sie kennen ja Vieles aus dem Fernsehen, von großen Spielanlagen<br />
oder von Freizeitparks, was nicht unbedingt falsch ist, aber in<br />
kleinen Spielräumen nicht verwirklicht werden sollte. Und um<br />
dies zu gewährleisten, ist es möglich, einen Input zu geben. Den<br />
Kindern mal zu zeigen wie z.B. andere Spielräume aussehen, um<br />
dann mit den Kindern Schritt <strong>für</strong> Schritt das zu erarbeiten.
Heißt das, dass wir den Kindern aus Holzminden<br />
Impulse <strong>für</strong> den <strong>Naschgarten</strong> geben sollten?<br />
Ich denke, rein theoretisch würde es auch<br />
ohne gehen, nur dann dauert es halt länger.<br />
Dann würde man ihnen die Möglichkeit geben,<br />
einfach mal was auszuprobieren und es dann<br />
gegebenfalls wieder zu verändern. Sicherlich würde man da<br />
auch zu einem guten Ziel kommen. Planung bedeutet erst die<br />
Bedürfnisse festzustellen, um sie dann umzusetzen.<br />
Sicherlich ist es ganz interessant, wenn Menschen ihre eigenen<br />
Erfahrungen machen und aus Fehlern lernen, aber warum soll ich<br />
nicht auch in der Lage sein, Konzepte von anderen <strong>für</strong> mich zu<br />
übernehmen, die leicht zu verändern und dann umzusetzen sind?<br />
Wie könnten solche Impulse konkret aussehen, bzw.<br />
wie wäre das Vorgehen?<br />
Dies könnte über eine Zukunftswerkstatt bzw. einen Workshop<br />
geschehen. Ohne intensive Betreuung ist es mit Kindern ab 6<br />
Jahren möglich. Es ist ein zügiges und schnelles Verfahren, welches<br />
innerhalb von zwei bis drei Stunden abgeschlossen ist.<br />
In der ersten Phase (Kritikphase) wird der Wissensstand der Kinder<br />
zu ihrem eigenen Spielraum abgefragt,<br />
d.h. wie sie ihn kennen und bewerten.<br />
Daraufhin folgt die Auseinandersetzung<br />
darüber, was gerne beibehalten werden soll<br />
und was anders werden soll. Sehr wichtig ist<br />
dann die zweite Phase, die Fantasiephase.<br />
Hier wird gefragt, was sich die Kinder <strong>für</strong><br />
den Spielbereich wünschen. Hätte man<br />
die erste Phase nicht vorgeschaltet, würden hier automatisch<br />
Ideen vom Freizeitpark kommen und der Fokus des eigenen<br />
Spielraumes wäre weg. Werden die Ideen alle erst einmal wertfrei<br />
und kommentarlos gesammelt, findet nun in der nächsten Phase<br />
eine Bewertung durch Punkte statt. Durch die Bewertung entsteht<br />
eine Prioritätenliste, die man dann als Planer von oben nach unten<br />
abarbeiten kann.<br />
Erachten Sie das als sinnvoll, dass die Kinder, die<br />
planen, auch direkt an der Umsetzung beteiligt sind?<br />
Ja, da knüpfe ich noch mal an mein Ziel an, verantwortlich<br />
handelnde Menschen zu erhalten. Ich habe dann nicht<br />
nur die Fachkompetenz, sondern auch die Planungs- und<br />
Sozialkompetenz entwickelt. Ich habe damit all das, was ich<br />
„Ein Spielraum ist nie fertig.“<br />
„Je mehr ich die Kinder selbst<br />
mitgestalten lasse, desto weniger<br />
kommt es zur Zestörung im<br />
Nachhinein.“<br />
von Seiten der Gesellschaft erreichen möchte, nämlich einen<br />
teamfähigen Menschen, der auch in der Lage ist, mit anderen<br />
zu arbeiten. Die Erfahrung zeigt auch, dass je<br />
mehr ich die Kinder selbst mitgestalten lasse,<br />
desto weniger kommt es zur Zerstörung im<br />
Nachhinein. Je mehr der Spielraum der Kinder<br />
und Jugendlichen im alltäglichen Umfeld<br />
verankert ist, desto weniger kommt es dort zu Beschädigungen.<br />
Würden Sie sagen, dass, wenn die Kinder aktiv<br />
mitgestalten, der Spielraum an Bedeutung zunimmt<br />
und die Kinder sich darüber identifizieren?<br />
Auf jeden Fall. Man hat es selbst mitgestaltet und war körperlich<br />
aktiv dabei. Das Interesse, diesen Ort zu schützen, ist dann<br />
natürlich enorm.<br />
Sie arbeiten seit dem 1. September im <strong>Naschgarten</strong><br />
mit, haben Sie schon Ideen, wie sie als nächstes<br />
vorgehen?<br />
Bei einer Elternaktion in einem anderen Projekt sagte ein Vater<br />
mal: „Oh, ich habe nächste Woche Geburtstag, ich könnte ihn doch<br />
hier feiern?“ Wenn wir so weit kommen, dass sich solche Gedanken<br />
im Zusammenhang mit dem <strong>Naschgarten</strong>s einstellen, dann haben<br />
wir gewonnen – dann ist das Ziel erreicht.<br />
Einen Ort zu schaffen, der als informeller<br />
Treffpunkt zählt, an dem sich Kinder und<br />
Jugendliche über die teilnehmenden<br />
Institutionen hinaus aufhalten können.<br />
Solche informellen Treffen sind in den<br />
letzen Jahren zurückgegangen und fehlen<br />
völlig. Ebenso könnte der <strong>Naschgarten</strong><br />
einen Vorbildcharakter <strong>für</strong> andere Spielräume in Holzminden<br />
haben, wo andere etwas abschauen und neu gestalten könnten.<br />
Klar ist aber auch, dass wir Verhaltensweisen, die sich seit Jahren<br />
eingeschlichen haben, nicht in kürzester Zeit verändern können.<br />
Und ganz konkret?<br />
Konkret wollen wir vor den Herbstferien mit einer Zukunftswerkstatt<br />
beginnen, bei der sich die Kinder ab 6 Jahren anmelden<br />
können. Die Ergebnisse, die wir dort erhalten, werden unsere<br />
nächsten Aktionen auf dem Gelände bestimmen und die<br />
Grundlage eines Funktionsplanes sein. Darüber hinaus bin ich <strong>für</strong><br />
die teilnehmenden Institutionen ansprechbar und stehe mit rat<br />
und Tat bezüglich gärtnerischer Fragen zur Verfügung.<br />
Interview: Silvia Heckenhahn<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
16
Struktur des Projektes <strong>Naschgarten</strong><br />
17<br />
Wer setzt die Idee „<strong>Naschgarten</strong>“ in Holzminden um?<br />
Firma Symrise<br />
Ein Unternehmen kann nicht ohne die Gesellschaft existieren – geschweige denn aufblühen und erfolgreich sein. Wir bei Symrise wissen,<br />
was wir der Gesellschaft zu verdanken haben. Unsere Antwort ist ein soziales Engagement, das sich in vielfältigen Aktivitäten ausdrückt.<br />
Den Schwerpunkt bilden dabei die Bereiche Bildung und Erziehung: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft.<br />
Mit persönlichem Einsatz und gezielten Investitionen wollen wir diese Zukunft aktiv mitgestalten.<br />
Als Anbieter von Geschmackstoffen ist der Themenkomplex Ernährung und <strong>Gesundheit</strong> natürlich von besonderem Interesse <strong>für</strong> uns.<br />
2006 hatten wir daher beschlossen, unsere sozialen Aktivitäten entschiedener als bisher zu bündeln – sowohl thematisch als auch unter<br />
Standortsgesichtpunkten. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Fulda, der <strong>Landesvereinigung</strong> <strong>für</strong> <strong>Gesundheit</strong> <strong>Niedersachsen</strong> und<br />
der Stadt und dem Landkreis Holzminden wurde so die Idee des „<strong>Naschgarten</strong>s“ geboren: einem wegweisenden Projekt, das sich der<br />
gesünderen Ernährung und der Verringerung von Adipositas (Fettleibigkeit) bei Kindern widmet. Einmalig dabei – und der entscheidende<br />
Unterschied zu ähnlichen Einrichtungen – ist die kontinuierliche wissenschaftliche Begleitung: Beim <strong>Naschgarten</strong> erfolgt über die Jahre<br />
hinweg eine sorgfältige Datenerhebung, um eine langfristige Auswertung der Erfolge zu gewährleisten.<br />
Dr. Helmut Frieden<br />
Karlheinz Klammt<br />
Symrise<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008
Der Lenkungsausschuss<br />
übernimmt Aufgaben der Projektsteuerung. Darin sind vertreten:<br />
Die Hochschule Fulda<br />
Hier wurde die Idee des <strong>Naschgarten</strong>s von Frau Prof. Dr. Beate Blättner, Frau Prof. Dr. Kathrin Kohlenberg-Müller und Frau Prof.<br />
Dr. Henny A. Grewe, Wissenschaftlerinnen der Fachbereiche Pflege und <strong>Gesundheit</strong> sowie Oecotrophologie, entwickelt. Die<br />
Hochschule Fulda übernimmt die Leitung und die wissenschaftliche Betreuung des Projektes. Als wissenschaftliche Mit-arbeiterin<br />
ist Frau Silvia Heckenhahn tätig. Sie wird unterstützt von Frau Heidi Haager-Bürkert, Frau Kristin Pelz, Frau Diana Priese, Frau Lisa<br />
Stahl (Studentinnen im Master-Studiengang Public Health Nutrition), Frau Bettina Braun (Praktikantin, studiert Public Health an der<br />
Universität Bremen) und Frau Anna Grundel (studentische Hilfskraft, studiert <strong>Gesundheit</strong>smanagement).<br />
Die <strong>Landesvereinigung</strong> <strong>für</strong> <strong>Gesundheit</strong> <strong>Niedersachsen</strong> e.V. und Akademie <strong>für</strong> Sozialmedizin<br />
mit Sitz in Hannover greift auf vielfältige und langjährige Erfahrung in gesundheitsrelevanten Projektarbeiten zurück und<br />
übernimmt die Aufgabe des Projektmanagements. Hier werden die konzeptionellen Vorgaben der Hochschule Fulda in<br />
Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern in die Praxis umgesetzt. Maßnahmenplanung und Umsetzung, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Finanzen und Kommunikation sind Bereiche, <strong>für</strong> die Frau Kerstin Utermark zuständig ist. Herr Friedrich Blase aus Höxter ist<br />
dort angestellt, um die Planungs- und Umsetzungsarbeit im <strong>Naschgarten</strong> mit den Kindern durchzuführen.<br />
Die Firma Symrise<br />
drückt als Hauptsponsor des Projektes die enge Verbundenheit mit dem Firmenstandort Holzminden aus. Symrise nimmt mit<br />
dieser Förderung im rahmen von corporate Social responsibility seine Verantwortung als weltweit tätiges Unternehmen wahr.<br />
Herr Dr. Helmut Frieden ist der Ansprechpartner <strong>für</strong> das Projekt.<br />
Das <strong>Gesundheit</strong>samt des<br />
Landkreises Holzminden<br />
stellt wissenschaftlich relevante anonymisierte<br />
Daten von Schuleingangsuntersuchung<br />
zur Verfügung und<br />
führt eine erweiterte Untersuchung in<br />
den 4. Klassen von Holzminden durch.<br />
Für die Datenerhebung und -verwaltung<br />
ist das Team des Kinder- und<br />
Jugendgesundheitsdienstes verantwortlich.<br />
Diese Daten stellen ein wichtiges<br />
Glied bei der Evaluation des Projektes<br />
dar. Herr Dr. med. Klaus Weber<br />
steht darüber hinaus zur Klärung<br />
und Beratung bei gesundheits-<br />
relevanten Fragestellungen zur Verfügung.<br />
Die Stadt Holzminden<br />
ermöglichte die Nutzung der städtischen<br />
Grünfläche an der Bleiche<br />
<strong>für</strong> den <strong>Naschgarten</strong> und<br />
übernimmt einen Teil der extensiven<br />
Grundstückspflege. Das<br />
Baudezernat der Stadt Holzminden<br />
steht dem <strong>Naschgarten</strong> bei amt-<br />
lichen Abstimmungsprozessen<br />
unterstützend zur Seite. Das<br />
Jugendamt unterstützt die Arbeit im<br />
Projekt inhaltlich wie auch personell.<br />
Die Kommunikationsagentur<br />
red roses communications<br />
übernimmt die überregionale Presse-<br />
und Öffentlichkeitsarbeit und ist <strong>für</strong><br />
den Internetauftritt des Projektes zuständig.<br />
Ansprechpartnerinnen sind<br />
Frau Anja Ben Lekhal und Frau Kirsten<br />
Hesse.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
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19<br />
<strong>Naschgarten</strong>plenum<br />
Folgende Einrichtungen entscheiden, was auf dem Gelände passiert:<br />
Das Jugendzentrum Holzminden<br />
Der Kinder- und Teenie club (KTc) ist ein hortähnliches<br />
Angebot <strong>für</strong> Kinder von 6 bis 14 Jahren. An den KTc<br />
schließt sich montags bis donnerstags von 15.00 bis<br />
17.00 Uhr ein offener Kindertreff (Kids – der Kindertreff im<br />
Jugendzentrum) an, der zusätzlich zu den angemeldeten<br />
Kindern der Mittagsbetreuung von weiteren Kindern des<br />
Jugendzentrums besucht werden kann. Hier finden offene<br />
Sport-, Spiel- und Kreativangebote sowie gemischt- und<br />
getrennt geschlechtliche Gruppenarbeit statt. regelmäßig<br />
wird dabei auch das <strong>Naschgarten</strong>gelände mit einbezogen.<br />
Kita Neue Straße<br />
Unser Kindergarten liegt im Zentrum von Holzminden.<br />
Mit den Schulanfängern 2008 (26 Kinder) haben wir den<br />
<strong>Naschgarten</strong> geplant und gepflanzt. Ab jetzt werden alle<br />
6 Gruppen (116 Kinder) aus dem Kindergarten den <strong>Naschgarten</strong><br />
nutzen, um die Natur, die nur 10 Minuten von uns<br />
entfernt liegt, zu entdecken und zu erleben.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Kita St. Josef<br />
Wir, die Katholische Kindertagesstätte St. Josef, sind seit<br />
Beginn des Projektes „<strong>Naschgarten</strong>“ in Holzminden aktiv<br />
beteiligt. Das gesamte pädagogische Team ist begeistert<br />
von den zusätzlichen Möglichkeiten, die der <strong>Naschgarten</strong> <strong>für</strong><br />
unsere tägliche Arbeit mit den Kindern bietet. Wir freuen uns<br />
sehr, dabei sein zu können.<br />
Schule an der Weser<br />
Die Schule an der Weser ist eine staatliche Förderschule<br />
mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung. In unserem<br />
Unterricht fördern wir geistig behinderte Kinder und<br />
Jugendliche. Wir bieten kleine Lerngruppen von ca. 7 Kindern.<br />
Sie werden durch besonders geschultes Fachpersonal<br />
betreut. Unser Engagement im <strong>Naschgarten</strong> teilt sich in zwei<br />
Bereiche. Eine klassenübergreifende Gruppe älterer Schüler<br />
bringt ihr Wissen und ihre körperlichen Möglichkeiten ein,<br />
um zum Beispiel einen Zaun um das Gelände zu bauen und<br />
den Matschbereich zu gestalten, ein ordentliches Stück<br />
Arbeit, das von jüngeren Schülerinnen und Schülern und<br />
den Kindergartenkindern nicht zu leisten ist. Die jüngeren<br />
Schüler pflanzen und beackern das Gartenstück und nutzen<br />
es als zusätzlichen Frei- und Erlebnisraum.
Ehrenamtliche Helfer und Helferinnen<br />
Konkrete Unterstützung erhalten wir durch ehrenamtliche Helfer und Helferinnen, zum Beispiel von den Landfrauen Holzminden.<br />
Förderer<br />
»<br />
»<br />
Das Deutsche Jugendherbergswerk Landesverband Hannover e.V.<br />
Die Jugendherberge in Holzminden hat ihr kleines Hafenmeisterhäuschen als Unterschlupf und Lagerraum zur Verfügung gestellt<br />
und hilft schnell und unbürokratisch, wenn Lebensmittel gekühlt, Geschirr abgespült oder Hände gewaschen werden müssen.<br />
Die Niedersächsische Lottostiftung – Bingo! Die Umweltlotterie<br />
Seit mehr als 12 Jahren fördert die Niedersächsische Lottostiftung landesweit Projekte und Initiativen im Sinne des Gemeinwohls<br />
aus den Bereichen Kunst und Kultur, Sport, Jugendarbeit, Soziales und aus Erträgen der „Bingo! – die Umweltlotterie” auch<br />
Umwelt- und Naturschutz sowie Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Dem <strong>Naschgarten</strong>projekt stellt die Stiftung aus Erträgen von „Bingo!” Fördermittel insbesondere <strong>für</strong> die Gartengestaltung zur<br />
Verfügung.<br />
pronova BKK<br />
Das Projekt <strong>Naschgarten</strong> erprobt in Holzminden einen innovativen, lebensweltorientierten Ansatz der Adipositasprävention<br />
im Kindesalter.<br />
Durch das Engagement der pronova BKK können gemäß dem Motto des Projektes „Kinder gestalten einen <strong>Naschgarten</strong>“<br />
erlebnispädagogische Angebote auf dem Gelände realisiert werden. So werden die Kinder ganz spielerisch an mehr Bewegung<br />
und an ein gesundes Essverhalten herangeführt.<br />
„Wir fördern gern das <strong>Naschgarten</strong>-Projekt, da uns Prävention sehr wichtig ist. Schon im Kindesalter werden die Weichen<br />
<strong>für</strong> ein gesundes Leben gestellt. Dass die Mädchen und Jungen im <strong>Naschgarten</strong> erleben, welche Vorteile eine obst- und<br />
gemüsereiche Ernährung hat, finden wir hervorragend. Generell unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden mit vielen<br />
Vorsorgemaßnahmen.”<br />
Mehr Informationen darüber erhalten Sie unter www.pronovabkk.de<br />
Markus Schreier, Bereichsleitung Marketing/Vertrieb<br />
Die Pfadfinder Holzminden<br />
Wir sind der VcP (Verband christlicher Pfadfinderinnen und<br />
Pfadfinder) aus Holzminden. Unser Stamm hat ungefähr 50<br />
Mitglieder und unsere 3 aktiven Gruppen (10 - 16 Jahre) kümmern<br />
sich in den einzelnen Gruppenstunden gemeinsam um den<br />
<strong>Naschgarten</strong>. Wir fahren gerne alle gemeinsam auf Lager, gehen<br />
wandern und lernen etwas über die Pfadfinderei.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
20
21<br />
Frau Utermark, wie muss man sich das Aufgabengebiet der<br />
Projektmanagerin vorstellen?<br />
Meine Hauptaufgabe ist es, die konzeptionellen Vorgaben, die von<br />
der Hochschule Fulda entwickelt wurden, in Zusammenarbeit mit<br />
den Kooperationspartnern vor Ort in die Praxis umzusetzen. Meine<br />
Aufgabenbereiche sind der Aufbau von Kooperationsstrukturen<br />
und deren Pflege, eine stringente Maßnahmenplanung und Umsetzung,<br />
die Öffentlichkeitsarbeit und die Finanzmittelbeschaffung.<br />
Auch der Finanzmitteleinsatz wird durch die Einrichtungen nach<br />
Absprache mit mir abgewickelt.<br />
Ein vielfältiges Aufgabenfeld. Sie fungieren sozusagen als kleine<br />
Schaltzentrale?<br />
Ja, wir haben viele Kooperationspartner und Abstimmungsprozesse,<br />
die von mir initiiert und geleitet werden. Ich sehe mich als Bindeglied<br />
zwischen dem Lenkungsausschuss, dem rahmengebenden<br />
Gremium des Projektes, und der operativen Ebene, dem <strong>Naschgarten</strong><br />
Plenum.<br />
„Alle Beteiligten müssen sich darüber im Klaren sein,<br />
dass es sich nicht um eine Luftblase <strong>für</strong> einen Monat<br />
handelt.“<br />
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein,<br />
um die Idee „<strong>Naschgarten</strong>“ erfolgreich umzusetzen?<br />
Alle Beteiligten müssen sich darüber im Klaren sein, dass es sich<br />
nicht um eine Luftblase <strong>für</strong> einen Monat handelt. Wenn man am<br />
Lebensumfeld ansetzt und sich dieses langfristig gesundheitsförderlich<br />
gestalten soll, hat das Auswirkungen auf den<br />
personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand. Die Vernetzung<br />
und die Verankerung vor Ort müssen viel größer sein als z.B. bei<br />
einem Schulungsprogramm von wenigen Wochen. Akteure vor Ort<br />
müssen zusammengebracht und eine nachhaltige Struktur<br />
gesichert werden.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Kerstin Utermark gibt Einblicke in die<br />
Projektarbeit hinter den Kulissen<br />
„Nur gemeinsam kann aus der<br />
Idee ein <strong>Naschgarten</strong> werden!“<br />
Zur Person: Kerstin Utermark hatte bereits während Ihres Studiums der Ernährungswissenschaft mit der Erarbeitung und Be-<br />
wertung von Projekten im kommunalen Umfeld zu tun. Die diplomierte Oecotrophologin ist seit Juni 2007 bei der <strong>Landesvereinigung</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Gesundheit</strong> <strong>Niedersachsen</strong> e.V. <strong>für</strong> das Management des <strong>Naschgarten</strong>s zuständig. Ihr zweiter Arbeitsbereich ist die Koordination der<br />
Schulaktionstage „Bewegte Kinder – schlaue Köpfe“, die im rahmen des Aktionsplans 2007 – 2010 des Kultusministeriums Nds. „Lernen<br />
braucht Bewegung“ landesweit in <strong>Niedersachsen</strong> durchgeführt werden.<br />
Was wäre Ihr Traumziel <strong>für</strong> dieses Projekt?<br />
Dass die Anfangsmotivation, die wir im Moment haben auch noch<br />
Ende 2009 besteht. Ich wünsche den Beteiligten, dass sie den Lohn<br />
ihrer Arbeit in dem Leuchten der Kinderaugen sehen.<br />
„Man muss es als Erwachsener aushalten können, dass es ein<br />
paar Pausen gibt, sich manche Ideen erst langsam entwickeln<br />
oder eine Idee gar nicht zu den eigenen Vorstellungen<br />
passt.“<br />
Können Sie die Grundidee der Salutogenese gut umsetzen?<br />
Für alle Beteiligten, mich eingeschlossen, ist das ein stetiger Prozess,<br />
in dem man täglich etwas Neues lernt. Der Erfahrungsaustausch im<br />
Plenum ist dabei sehr hilfreich und wichtig. Wir haben uns auferlegt,<br />
Entscheidungen nicht schnell in unserer Erwachsenenrunde zu<br />
treffen, sondern die Kinder mit einzubeziehen. Das bedeutet mehr<br />
Zeit und Geduld, weil den Kindern die Möglichkeit gegeben werden<br />
muss, Ideen zu entwickeln. Man muss es als Erwachsener aushalten<br />
können, dass es ein paar Pausen gibt, sich manche Ideen erst langsam<br />
entwickeln oder eine Idee gar nicht zu den eigenen Vorstellungen<br />
passt.<br />
Eröffnet der <strong>Naschgarten</strong> mit der Einbindung der Kinder in den<br />
Entscheidungsprozess neue Blickwinkel <strong>für</strong> Erwachsene?<br />
Ja, wir Erwachsene sind aufgefordert, uns damit auseinanderzusetzen,<br />
welche Schwerpunkte Kinder setzen und in welchen<br />
räumen sich Kinder wohl fühlen. Das ist eine große Herausforderung.<br />
Es wäre einfacher, einen Gartenprofi mit der Ideenentwicklung<br />
zu beauftragen. Das würde schneller gehen, aber damit hätten<br />
wir die Wünsche und Vorstellungen der Kinder nicht eingebunden.<br />
Die Identifikation mit dem Gelände und damit langfristig auch der<br />
Erfolg bei den Kindern wären so schwieriger, vielleicht sogar nicht<br />
erreichbar.
Wie dürfen wir Erwachsene uns den von Kindern gestalteten<br />
<strong>Naschgarten</strong> vorstellen?<br />
Der <strong>Naschgarten</strong> wird kein Ziergarten<br />
werden. Kein perfekt gestalteter Garten,<br />
den man von einer Gartenschau erwarten<br />
würde. Ein von Kindern bewirtschafteter<br />
oder angelegter Garten wird nicht<br />
geradlinig und super gepflegt sein.<br />
Welche Institutionen würden Sie gerne stärker einbinden?<br />
Die Grundschulen. In Bezug auf Transfermöglichkeiten wünsche<br />
ich mir, dass die Kinder, die den <strong>Naschgarten</strong> in der Kindergartenzeit<br />
erlebt haben, auch in der Grundschule den Bezug zum<br />
<strong>Naschgarten</strong> behalten können.<br />
Können die Kinder auch ohne ihre Einrichtungen auf das<br />
Gelände?<br />
Ja, Kinder können den <strong>Naschgarten</strong> in ihrer Freizeit selbständig<br />
nutzen. Um den Freizeitbereich im <strong>Naschgarten</strong> am Nachmittag<br />
weiter abzudecken, möchten wir eine Betreuungskraft einstellen.<br />
Dieses Angebot wäre <strong>für</strong> Grundschulen im Sinne eines<br />
Ganztagsschulenangebots attraktiv.<br />
Sind Sie mit dem derzeitigen Projektstand zufrieden?<br />
Ja, das Projekt hat mit 3 Jahren, bis Ende 2009 - eine relativ kurze<br />
Laufzeit. Die Einrichtungen sind erst seit November 2007 mit diesem<br />
Projekt betraut, da<strong>für</strong> sind wir schon recht weit.<br />
Die Stelle des Projektmanagements ist als<br />
Teilzeitstelle konzipiert. Ist dies ausreichend <strong>für</strong> die Fülle der<br />
Aufgaben?<br />
Das ist zeitlich schon schwierig. Eine Teilzeitstelle ist besonders <strong>für</strong><br />
die Aufbauphase sehr knapp bemessen. Man muss sehr viel<br />
persönliches Engagement einbringen. Ich stecke viel Herz in dieses<br />
Projekt, dann fällt es leichter, wenn auch private Zeit da<strong>für</strong> eingesetzt<br />
wird. Ich rate davon ab, diesen<br />
Aufgabenbereich als sogenanntes „on-<br />
top-Thema“, d.h. als zusätzliches<br />
Arbeitsgebiet zu einem bestehenden<br />
Vollzeit-Aufgabenbereich zu vergeben.<br />
Es muss viel Überzeugungsarbeit<br />
geleistet werden, viele Menschen müssen<br />
zusammen gebracht und motiviert<br />
werden. Dies kann nicht „on-top“ geleistet<br />
werden.<br />
Wie wird der <strong>Naschgarten</strong> finanziert?<br />
„Es muss viel Überzeugungsarbeit geleistet<br />
werden, viele Menschen müssen zusammen<br />
gebracht und motiviert werden.“<br />
„Ich kam als Außenstehende nach<br />
Holzminden. Ich kannte keinen und<br />
wurde dort, an welche Tür ich auch geklopft<br />
habe, sehr herzlich und offen empfangen.“<br />
Zum einen durch die Förderung der<br />
Firma Symrise, wodurch die Stellen des<br />
Projektmanagements und der<br />
wissenschaftlichen Begleitung finanziert<br />
werden. Zum anderen konnten wir durch<br />
eine Förderung der Nds. Lotto Bingo<br />
Stiftung die finanzielle Basis <strong>für</strong> die<br />
Umsetzung der Gartengestaltung bilden. Zur Finanzierung von<br />
weiteren Angeboten z.B. <strong>für</strong> Freizeitaktivitäten am Nachmittag<br />
hoffen wir weiterhin auf finanzielle Unterstützung. Verhandlungen<br />
hierzu laufen bereits.<br />
Was ist die größte Herausforderung an diesem Projekt <strong>für</strong> Sie?<br />
„Mutter Natur“. Wir sind von Witterungsverhältnissen abhängig.<br />
Ostern zum Beispiel hatten wir eine „Ostereiersuche“, die im<br />
Schneeregen stattfand. Bei hochsommerlichen Temperaturen im<br />
Juni streikte dann die Schwengelpumpe.<br />
Welcher Ihrer Aufgabenbereiche macht Ihnen am meisten Spaß?<br />
Die Netzwerkarbeit. Ich kam als Außenstehende nach Holzminden.<br />
Ich kannte keinen und wurde dort, an welche Tür ich auch geklopft<br />
habe, sehr herzlich und offen empfangen. Es macht mir Freude, dass<br />
wir es geschafft haben, das Projekt in die bestehenden Netzwerke<br />
zu integrieren. Ich fühle mich sehr wohl in Holzminden.<br />
Interview: Heidi Haager-Bürkert<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
22
Pflanzen schmecken vielfältig<br />
23<br />
Kinder schmecken …<br />
… mit den Augen, die sie auf leuchtende Farben und schöne Formen aufmerksam machen,<br />
… mit der Nase, die mit dem Versprechen von Vielfalt und Überraschung im Duft lockt,<br />
… mit den Fingern, die den Apfel vom Zweig pflücken und seine glatte Schale fühlen,<br />
… mit den Ohren, die dem Knacken beim Biss in die Möhre zuhören,<br />
… mit dem Gaumen, gegen den die Beere gedrückt wird, bis der Saft herausläuft,<br />
… mit der Zunge, die Süße oder leichte Schärfe spürt und<br />
… mit dem Bauch, in dem sich allmählich Zufriedenheit ausbreitet.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008
Kinder haben die Fähigkeit, sich unter<br />
dem Beerenstrauch mit Haut und Haar<br />
in das Naschen der roten oder blauen<br />
Früchte zu vertiefen, bis sie satt sind, ganz<br />
und gar gesättigt von der Vielfalt der<br />
Eindrücke. Dann erst, die Spuren ihres<br />
Erlebnisses überall sichtbar, tauchen sie<br />
wieder auf, um sich dem Spiel mit anderen zu<br />
widmen.<br />
Manchmal ist es kinderleicht, solche Eindrücke<br />
im Garten oder auf dem Balkon möglich zu<br />
machen. Kinder helfen mit oder bauen die<br />
Früchte selbst an.<br />
Sie sind rot oder blau, manchmal<br />
fast schwarz oder doch grün, kräftig<br />
orange oder hellgelb und fast alle<br />
fruchtigsüß. Die rede ist von den<br />
Beeren und Früchten, die zum<br />
Naschen einladen.<br />
Wer aufmerksam durch den <strong>Naschgarten</strong><br />
geht, hat sie gleich beim Betreten des<br />
Geländes entdeckt. Sie wächst an sonnigen<br />
bis halbschattigen Plätzen, Waldrändern,<br />
Hecken oder am Wegesrand. Wie viele<br />
rosengewächse wehrt sie sich mit Dornen<br />
(althochdeutsch: ‚Brāma’, später ‚Bhrom’)<br />
gegen Eindringlinge und Fraßfeinde und<br />
klettert über Zäune, Balkongitter, andere<br />
Pflanzen oder den Boden. Die blauschwarzen<br />
Früchte müssen vorsichtig gepflückt werden,<br />
will man keine Kratzer auf<br />
der Haut. Für den<br />
Gartenbau gibt es<br />
inzwischen auch dornenlose<br />
Sorten. Anders als der<br />
Name sagt, sind sie aber<br />
botanisch betrachtet<br />
eigentlich keine Beeren<br />
sondern Sammelsteinfrüchte.<br />
Der wohlschmeckende<br />
Saft tropft<br />
gerne auf die Kleidung und<br />
färbt intensiv. Je nach Sorte und Standort<br />
findet man die reifen Früchte von August bis<br />
Oktober. Wenn sie nicht sofort im Mund<br />
landen, lassen sich die Brombeeren in der<br />
Küche wunderbar in Joghurtspeisen, als<br />
Marmeladen oder auf dem Kuchen<br />
verwenden.<br />
Köche der gehobenen Küche haben<br />
sie wieder entdeckt – die zarten<br />
Blüten, die das Gericht dekorieren<br />
und dem Geschmack das<br />
i-Tüpfelchen der Würze verleihen.<br />
In den Blumenbeeten stehen sie oft, denn sie<br />
sind schöne, sehr vielfältige und robuste<br />
Stauden, die lieber im Sommer etwas zu<br />
trocken als im Winter zu nass sind. Aber wer<br />
weiß schon, dass sich die einzelne Blüte, die<br />
nur <strong>für</strong> einen Tag ihre volle Schönheit zeigt,<br />
auch noch essen lässt. Wie gut, dass sich am<br />
Stiel der lilienartigen Pflanze mehrere Blüten<br />
entwickeln, die sich nach und nach öffnen,<br />
sodass man das Schauspiel über Wochen<br />
jeden Tag aufs Neue bestaunen kann, selbst<br />
im Blumentopf.<br />
Die kulinarischen Vorzüge entdeckten zuerst<br />
die chinesen, die einige Arten traditionell<br />
auch zu Heilzwecken einsetzen. Essbar sind<br />
alle Wildarten, die gebräuchlichsten sind<br />
gelbgrün bis ockergelb. In<br />
ländlichen Gärten weit<br />
verbreitet ist vor allem die<br />
orangefarbene Sorte<br />
‚Europea’. Je nach Farbe<br />
sollen feine geschmackliche<br />
Unter-schiede bestehen.<br />
Man konnte auch schon<br />
kleine Kinder am<br />
Wegesrand beobachten,<br />
die das Innere der Taglilien<br />
auslutschten.<br />
Zwischen Hochsommer und Herbst<br />
schlängeln sie sich durch die Bauerngärten<br />
oder umsäumen den Fuß der Obstbäume,<br />
klettern Balkongitter hinauf oder hinunter<br />
und zeigen ihre orangefarbige, rote oder<br />
gelbe Pracht in dekorativen Blüten. Sie mögen<br />
es gerne nährstoffreich, tolerieren aber auch<br />
Schatten. Am hinteren Ende der Blüte befindet<br />
sich ein Sporn, der an die Kapuzen der<br />
Mönchskutten erinnert und der Pflanze zu<br />
ihrem Namen verholfen hat.<br />
Wer die Blüte in den Mund steckt, wird<br />
bemerken, dass sie im<br />
Geschmack ein wenig an<br />
Kresse erinnert und in ihrer<br />
Kapuze eine milde Schärfe<br />
verbirgt, die den Salat oder<br />
Kräuterquark nicht nur bunt<br />
macht, sondern ihm auch<br />
den richtigen Pfiff verleiht.<br />
Die Knospen der Kapuzinerkresse<br />
lassen sich übrigens<br />
wie Kapern einlegen.<br />
Grün oder graugrün, unauffällig,<br />
aber duftend – an den Kräutern sind<br />
es die unscheinbaren Blätter, die sie<br />
so attraktiv machen.<br />
Schokominze, Limonenminze, Apfelminze,<br />
Ananasminze & co. Sie und ihre unzähligen<br />
Schwestern gehören zur abwechslungsreichen<br />
Verwandtschaft der Pfefferminze, der<br />
wohl beliebtesten Teepflanze überhaupt. Sie<br />
hat gerne feuchte Füße und nichts gegen ein<br />
wenig Schatten einzuwenden, da eine ihrer<br />
Elternpflanzen aus dem Sumpf, die andere<br />
aus dem Wald stammt.<br />
Eigenwillig ist sie schon: In einen Topf gezwängt<br />
mag sie nicht so recht wachsen, am geeigneten<br />
Standort kann sie nahezu zum Unkraut werden<br />
und wächst immer da, wo man sie nicht<br />
vermutet. Jahr <strong>für</strong> Jahr schiebt sie ihre Wurzeln<br />
in alle richtungen, der alte Pflanzenteil stirbt<br />
ab. Die kleinen<br />
lippenähnlichen Blüten sind<br />
überwiegend lila, manchmal<br />
fast weiß. Der Blattrand zeigt<br />
eine sägeähnliche Struktur.<br />
reibt man die Blätter<br />
zwischen den Fingern<br />
verströmen sie einen<br />
wohlriechenden, leichten<br />
Minzegeruch, dessen Vielfalt<br />
kaum überbietbar ist. Kauen<br />
Sie doch einmal auf den<br />
Blättern der verschiedenen<br />
Arten und erraten Sie den Namen am<br />
Geschmack und Geruch. Einzelne Blätter<br />
passen zu jedem Nachtisch und vielen<br />
Vorspeisen, Salatsoßen oder als Dipp.<br />
Was hat Naschen mit Hören zu tun?<br />
Ganz einfach, es ist der richtige<br />
Knack, wenn man auf die Möhre<br />
beißt, der den Genuss erst vollendet<br />
und Frische verspricht.<br />
Meistens kommt sie karottenfarben daher,<br />
aber die alten Sorten sind auch weiß oder<br />
gelb, sogar rot oder lila. Ähnlich vielfältig ist<br />
ihr Name. An Gelberüben, Möhren, Mohrrüben<br />
oder Karotten interessiert uns die Wurzel.<br />
Der richtige Knack beim kräftigen Biss verrät,<br />
dass sie soeben frisch aus der Erde gezogen<br />
und abgewaschen ist. Manche essen sie von<br />
unten nach oben, andere knabbern das<br />
hellere Mark frei oder beißen mit den Zähnen<br />
Formen.<br />
Man kann sie den Winter über in einer<br />
Sandkiste im kühlen, mäusesicheren Keller<br />
aufbewahren. Sandigen Boden mögen sie<br />
auch zum Wachsen am liebsten. Aber wenn<br />
sich die Möhre unter den Fingern biegt, sich<br />
die Zähne tief hineinbohren ohne den Knack<br />
zu erzeugen, ist der Geschmack meist auch<br />
fade und die Lagerzeit oder Temperatur<br />
überschritten. Es gibt vielfältige Sorten, früh<br />
oder spät zu ernten. Gekauft wird am liebsten<br />
die Bund- oder Fingermöhre. Sie ist etwa 10<br />
cm lang, wird meist am „Grün“<br />
zusammengebunden und schmeckt sehr<br />
aromatisch, weil sie noch ganz jung ist. Sie<br />
lässt sich herrlich mit Kräuterquark naschen<br />
oder mit etwas Butter garen. Da die Möhre<br />
unempfindlicher als die Banane oder der<br />
Apfel ist, eignet sie sich auch sehr gut als<br />
kleine Zwischenmahlzeit <strong>für</strong> Schule oder<br />
Arbeit, einfach so zum reinbeißen.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
24
Wie fragt man Kinder<br />
wie es ihnen geht, was sie gerne essen und<br />
wie ihnen der <strong>Naschgarten</strong> gefällt?<br />
25<br />
Ist das nicht kinderleicht?<br />
Wir können die Kinder doch einfach<br />
danach fragen und dann sagen<br />
sie uns schon, was sie denken?<br />
Das stimmt im Alltag schon, aber damit<br />
diese Fragen den Forscherinnen auch eine<br />
Antwort darauf geben, ob der <strong>Naschgarten</strong><br />
seine Ziele wirklich erfüllt, müssen die<br />
Forscherinnen sicher sein können, dass die<br />
Fragen so formuliert sind, dass die Kinder<br />
sie so verstehen, wie sie gemeint sind und<br />
ehrlich darauf antworten. Die Situation,<br />
in der die Frage gestellt wird, und die<br />
Person, die fragt, sollen möglichst wenig<br />
Einfluss auf die Antwort ausüben. Die<br />
Forscherinnen sagen dazu: die Antwort<br />
soll objektiv sein. Die Antwort soll das<br />
wiedergeben, was wirklich gemeint ist.<br />
In der Fachsprache heißt das gültig. Ihre<br />
Antwort soll stimmen, nicht nur in dem<br />
Augenblick, in dem gefragt wird, das heißt<br />
zuverlässig.<br />
Das gilt alles auch, wenn man eine<br />
Befragung zu wissenschaftlichen<br />
Zwecken mit Erwachsenen durchführt.<br />
Wer Kinder fragen will, muss aber auch<br />
berücksichtigen, dass sie eben noch<br />
Für Kinder<br />
unterschreiben Eltern<br />
eine Einverständniserklärung<br />
Die Teilnahme an einer wissenschaftlichen<br />
Befragung ist freiwillig. Das gilt <strong>für</strong> Groß und Klein.<br />
Erwachsene können die Forscherinnen einfach<br />
fragen, ob sie einverstanden sind. Kindern dagegen<br />
wird von Erwachsenen nicht zugetraut, dass sie<br />
dieses selbst einschätzen können. Um den ethischen<br />
und rechtlichen Anforderungen einer Befragung<br />
zu entsprechen, brauchen die Forscherinnen das<br />
Einverständnis der Eltern. Sie schreiben die Eltern<br />
an, nach Möglichkeit in deren Muttersprache, in<br />
Holzminden zum Beispiel in Deutsch, Arabisch,<br />
russisch oder Türkisch, und hoffen auf eine positive<br />
Antwort.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
nicht erwachsen sind und anders denken<br />
und antworten als Erwachsene. Das weiß<br />
jeder, der über eine Kinderantwort auf<br />
eine Frage schon mal gelacht hat. Die Antwort<br />
kann ganz anders sein, als Erwachsene<br />
dies erwarten würden. Kinder haben<br />
zum Beispiel ein anderes Gefühl <strong>für</strong> Zeit<br />
oder <strong>für</strong> Größen und Mengen. Eine lang-<br />
weilige Stunde und eine abwechslungsreiche<br />
Stunde sind <strong>für</strong> Kinder unterschiedlich<br />
lang. Die Menge Spinat auf dem Teller<br />
ist größer oder kleiner, je nach dem ob das<br />
Kind Spinat gerne isst oder nicht.<br />
Worauf also müssen die Forscherinnen<br />
alles achten und wie gehen sie vor?
Kinder können nur mündlich<br />
gefragt werden<br />
Wer viele Erwachsene nach ihren<br />
Einschätzungen und Meinungen befragen<br />
will, um ein möglichst <strong>für</strong> alle Erwachsenen<br />
aussagefähiges (repräsentatives) Ergebnis zu<br />
erhalten, wird sich häufig da<strong>für</strong> entscheiden,<br />
einen Fragebogen zu verteilen und sich<br />
überlegen, wie er die Befragten dazu<br />
motivieren kann, den Fragebogen auch<br />
auszufüllen und zurückzugeben. Kinder im<br />
Vorschul- und Grundschulalter können aber<br />
nicht sicher lesen und schreiben. Also muss<br />
ihnen jemand die Fragen vorlesen. Im Alltag<br />
würden wir uns bei der Formulierung der<br />
Fragen auf das Kind einstellen und versuchen,<br />
seine Sprache zu sprechen. Wenn das Kind<br />
die Frage nicht verstanden hat, würden wir<br />
sie neu formulieren. Damit die Antworten<br />
vergleichbar bleiben, sollen die Fragen einer<br />
wissenschaftlichen Untersuchung aber bei<br />
jedem Kind möglichst gleich formuliert<br />
sein. Die Forscherinnen sagen dazu, sie<br />
machen eine standardisierte mündliche<br />
Befragung. Wenn die Fragen möglichst <strong>für</strong><br />
alle Kinder gleich sein sollen, dann müssen<br />
die Forscherinnen sich vorher sehr genau<br />
überlegen, wie sie die Frage formulieren,<br />
Und was fragen wir nun?<br />
dass alle Kinder sie möglichst gleich gut<br />
verstehen.<br />
Im Alltag könnte ich Alina fragen, was<br />
sie gerne nascht. Die Antwort könnte<br />
zum Beispiel lauten: „Schokoladeneis,<br />
Gummibärchen und Käse aus<br />
Mamis Kühlschrank“. Alina<br />
isst aber auch gerne Äpfel<br />
oder Erdbeeren. Wenn ich<br />
sie danach frage, ob sie auch<br />
gerne Erdbeeren isst, lacht<br />
sie und sagt: „Ganz viele.” Aber<br />
Erdbeeren essen, das ist nicht<br />
Naschen <strong>für</strong> sie. Für Melissa<br />
schon. Wenn ich Alina und<br />
Melissa frage „Was isst du gerne“,<br />
dann antworten beide: „Nudeln<br />
mit Ketchup“. Die Forscherinnen<br />
versuchen deshalb so zu fragen:<br />
„In der letzten Woche, hattest du<br />
da nie, manchmal oder ganz oft<br />
Lust auf Erdbeeren?“ Aber macht es<br />
Sinn im Herbst nach Erdbeeren zu<br />
fragen? Und wenn die Forscherinnen nach<br />
Obst fragen, wissen dann alle Kinder, dass<br />
damit Äpfel, Birnen, Pflaumen gemeint sein<br />
können? Sarah sagt gerne: „Ich mag kein<br />
Obst! Aber ich esse gerne Äpfel“.<br />
Haben sich andere die gleiche Arbeit<br />
schon mal gemacht?<br />
Bevor die Forscherinnen sich Fragen<br />
ausdenken, überlegen sie sich genau, was<br />
sie eigentlich wissen wollen, und ob es<br />
jemanden gibt, der ähnliche Fragen schon<br />
mal erfolgreich Kindern gestellt hat. Für einen<br />
Teil von dem, was die Forscherinnen wissen<br />
wollen, ist das so: Der KINDL-Fragebogen ist<br />
von den Hamburger Forscherinnen Ulrike<br />
ravens-Sieberer und Monika Bullinger<br />
entwickelt worden. Er will die Lebensqualität<br />
von Kindern messen. Zu seinen Vorteilen<br />
gehört, dass dieser Fragebogen schon sehr<br />
oft und in großen Studien ausprobiert und<br />
verbesser t<br />
worden ist. So oft, dass es<br />
inzwischen Messwerte gibt, mit denen die<br />
Kinder vom <strong>Naschgarten</strong> verglichen werden<br />
können. Für kleinere Kinder von 4 bis 7 Jahren<br />
ist der Fragebogen anders gemacht als <strong>für</strong><br />
Kinder von 8-11. Die Forscherinnen haben<br />
deshalb die Hamburger Professorinnen<br />
gefragt, ob sie diesen Fragenbogen benutzen<br />
dürfen und haben da<strong>für</strong> freundlicherweise<br />
auch die Erlaubnis erhalten.<br />
Aber was ist mit den Fragen, auf die die Forscherinnen auch Antworten haben wollen und die im KINDL-Fragebogen nicht gefragt werden?<br />
Die mussten sich die Forscherinnen selber ausdenken. Dabei haben sie darauf geachtet<br />
• dass die Kinder nicht mit zu vielen oder zu langen Fragen überfordert werden<br />
• dass die Fragen in einem ähnlichen Stil gestellt sind, wie auch im KINDL-Fragebogen, damit die Kinder nicht verunsichert werden<br />
• dass die Fragen möglichst genau auf die Ziele des <strong>Naschgarten</strong>s abgestimmt sind.<br />
Schauen Sie sich an, wie die Forscherinnen versucht haben, das Problem zu lösen.<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
26
27<br />
Fragebogen<br />
<strong>für</strong> Kinder von 8-12 Jahren<br />
1. Thema: Was erlebst du im <strong>Naschgarten</strong>?<br />
» Zuerst möchten wir wissen, wie du den <strong>Naschgarten</strong> findest.<br />
Der <strong>Naschgarten</strong> ist <strong>für</strong> mich etwas ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. wo ich mich wohl fühle. q q q q q<br />
2. worauf ich mich freue. q q q q q<br />
3. wo ich gern öfter wäre. q q q q q<br />
4. wo die Zeit zu schnell vergeht. q q q q q<br />
» Nun wollen wir wissen, wie es ist, wenn du dort bist.<br />
Wenn ich im <strong>Naschgarten</strong> bin ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. fällt mir immer was Neues ein. q q q q q<br />
2. mache ich bei allem mit. q q q q q<br />
3. bin ich lieber mal <strong>für</strong> mich. q q q q q<br />
4. weiß ich nicht was ich tun soll. q q q q q<br />
» Wir möchten nun gerne wissen, was dir im <strong>Naschgarten</strong> wichtig ist<br />
Der <strong>Naschgarten</strong> <strong>für</strong> mich ein Ort ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. mit anderen Kindern. q q q q q<br />
2. zum Bauen oder Buddeln. q q q q q<br />
3. zum Toben. q q q q q<br />
4. wo man Pflanzen essen kann. q q q q q<br />
» Uns interessiert, wer dort entscheidet, was gemacht wird<br />
Was im <strong>Naschgarten</strong> passiert ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. entscheide ich selbst. q q q q q<br />
2. entscheiden andere Kinder. q q q q q<br />
3. entscheiden Erwachsene. q q q q q<br />
4. entscheiden alle gemeinsam. q q q q q<br />
Literatur:<br />
http://www.kindl.org/fragebogen.html<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008
2. Thema: Essen und Trinken<br />
» Sag uns etwas darüber, was du gerne isst.<br />
Ich habe Lust auf ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. Obst (z.B. Äpfel oder Beeren). q q q q q<br />
2. Gemüse (z.B. Möhren, Gurken). q q q q q<br />
3. Süßigkeiten (z.B. Schokolade). q q q q q<br />
4. Knabbersachen (z.B. chips). q q q q q<br />
» Nun möchten wir wissen, was du am liebsten trinkst?<br />
Ich habe Lust auf ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. Wasser oder Sprudel. q q q q q<br />
2. cola oder Limonade. q q q q q<br />
3. süße Säfte oder Tees. q q q q q<br />
4. ungesüßten Tee oder Saft. q q q q q<br />
» Jetzt interessiert uns, ob du beim Essen gerne etwas Neues ausprobierst.<br />
Ich esse besonders gerne ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. mein Lieblingsgericht. q q q q q<br />
2. das, was ich schon kenne. q q q q q<br />
3. was ungewöhnlich aussieht. q q q q q<br />
4. ein neues Gericht. q q q q q<br />
3. Thema: Aktiv sein und bewegen<br />
» Wir möchten noch wissen, was du in der Freizeit am liebsten machst<br />
Sehr gerne bin ich ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. am computer oder Fernseher. q q q q q<br />
2. mit anderen Kindern zusammen. q q q q q<br />
3. irgendwo draußen. q q q q q<br />
4. am Sportplatz oder Turnhalle. q q q q q<br />
» Zuletzt möchten wir wissen, wie es dir geht, wenn du rennst, läufst oder kletterst.<br />
Wenn ich laufe oder renne ... nie selten manchmal oft immer<br />
1. kann ich mit anderen mithalten. q q q q q<br />
2. bin ich schnell außer Atem. q q q q q<br />
3. bekomme ich Seitenstechen. q q q q q<br />
4. habe ich später Muskelkater. q q q q q<br />
Vielen Dank <strong>für</strong>s Mitmachen!<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
28
Natur erfahren fördert Bewegung<br />
Sarah ist heute zum vierten Mal auf<br />
dem <strong>Naschgarten</strong>gelände. Sie und ihre<br />
Freundin Marissa haben sich schon<br />
die ganze Woche auf diesen Tag gefreut. Sie<br />
haben sich vorgenommen, nicht nur nach<br />
ihren gepflanzten Kürbissen zu schauen und<br />
die Kräuter auf ihrem Teil des <strong>Naschgarten</strong>s<br />
zu bewundern, sondern sich auch in anderen<br />
Ecken des Geländes umzusehen. Gestern hat<br />
es geregnet, deshalb ist der rasen heute<br />
etwas matschig. Aber Sarah und Marissa<br />
lachen: die Gummistiefel geben ein lustiges<br />
Geräusch von sich, wenn man den Fuß etwas<br />
anhebt und wieder auf den rasen drückt.<br />
Schon als die beiden angekommen waren,<br />
sahen sie, wie Lars auf das Tor kletterte und<br />
nun an der Seitenstange schaukelt. Prima<br />
Idee, da machen Sarah und Marissa auch mit.<br />
Sie rennen hin und schaukeln gemeinsam<br />
auf der anderen Seite. Ganz schön schwierig,<br />
an der glatten Stange hochzuklettern, um<br />
oben auf dem Tor zu sitzen. Aber oben<br />
angekommen lohnt die Aussicht über den<br />
Platz.<br />
Ob sich die beiden auch trauen<br />
sollen, auf einen der alten Apfelbäume<br />
zu klettern und an seinen<br />
stabilen Ästen zu schaukeln?<br />
29<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
Von den größeren Jungs, die sie<br />
noch nicht kennen, schiebt einer den<br />
rasenmäher hin und her. Der andere<br />
schaufelt Erde, wahrscheinlich um einen<br />
Johannisbeerenbusch einzupflanzen.<br />
Ganz schön ins Schwitzen kommen<br />
die beiden bei der Gartenarbeit im<br />
<strong>Naschgarten</strong>.<br />
Sarah drückt kräftig den Schwengel der<br />
Wasserpumpe, damit sich alle mal abkühlen<br />
können. Marissa hat aber mehr Lust, die<br />
Böschung hinauf und wieder hinunter<br />
zu laufen. Schade, dass man sich auf den<br />
Schottersteinen des alten Gleisbettes nicht<br />
so gut abrollen kann.<br />
Aber beide wollten doch zum<br />
Obstbaumgelände hinter der Ecke laufen.<br />
Auf der linken Seite hören die beiden<br />
plötzlich einen merkwürdigen Laut aus dem<br />
Gebüsch. Neugierig gehen sie langsam an<br />
die dichten Sträucher heran und biegen<br />
vorsichtig die Zweige auseinander. Nichts<br />
ist zu sehen. Plötzlich kriecht ein Igel unter<br />
ein paar Blättern hervor, um dann schnell<br />
wieder unter der Hecke zu verschwinden.<br />
Irgendetwas muss ihn im Schlaf gestört<br />
haben. Begeistert rufen die beiden einige<br />
Freunde heran und Marissa kriecht unter die<br />
Hecke, um den Igel wieder zu finden. Er ist<br />
aber zu gut versteckt. Nach kurzer Zeit laufen<br />
alle wieder in verschiedene richtungen, auf<br />
der Suche nach neuen Erfahrungen.<br />
Wie muss ein Gelände aussehen,<br />
damit es Kinder zu Bewegung<br />
motiviert?<br />
Hier kann der <strong>Naschgarten</strong> noch dazu<br />
lernen, zum Beispiel, indem er Ideen aus dem<br />
Konzept städtischer Naturerfahrungsräume<br />
integriert. Gärten und Parks <strong>für</strong> Erwachsene<br />
sind meist in geometrischen Formen sauber<br />
strukturiert, die einzelnen Flächen funktional<br />
bestimmt, die Pflanzen bewusst angeordnet<br />
und Wege sauber geharkt oder gepflastert.<br />
Solche Gärten dienen der Ästhetik, manche<br />
auch der Gewinnung von Obst und<br />
Gemüse, auf den Wegen wird spaziert oder<br />
geschritten, selten gerannt oder getobt.<br />
Hausgärten enthalten oft Spielgeräte<br />
wie Schaukel, Sandkasten, manchmal<br />
Klettergerüst und einen rasen, auf dem Ball<br />
gespielt werden darf. Der rest des Gartens<br />
ist nicht auf Bewegung ausgerichtet, scheint<br />
da<strong>für</strong> auch zu klein. Naturflächen dagegen<br />
ermöglichen Kindern prinzipiell Erfahrungs-<br />
und Bewegungsräume.
Sand, Steine und Hölzer<br />
Das Gelände des <strong>Naschgarten</strong>s muss<br />
funktional unbestimmte Bestandteile<br />
behalten: Gemeint sind Freiflächen,<br />
Sand, Steine, Hölzer und Äste. Anregend<br />
sind Haselbüsche, von denen Zweige<br />
abgeschnitten werden dürfen, ein Seil, das<br />
von einem stabilen Ast hängt, oder ein dicker,<br />
kurzer Stamm. Daraus werden Klettergeräte<br />
oder Baumaterialien, Schaukeln und Wippen<br />
oder einfach Flächen zum Toben.<br />
Aussichtspunkte und Nischen<br />
Das Gelände des <strong>Naschgarten</strong>s muss vielgestaltig<br />
sein. Gemeint sind kleine Hügel,<br />
Böschungen und Täler, Aussichtspunkte und<br />
geschützte Nischen. Auch eine artenreiche<br />
Bepflanzung bietet Anregung. Der kleine<br />
Bach wird zu einem Wasserspielgelände<br />
genutzt. Kleinere Steine herbeizuholen,<br />
um die Matschburg zu befestigen, hält<br />
in Bewegung. Tritt- und Sprungsteine im<br />
seichten Wasser bieten Möglichkeiten zum<br />
Hüpfen und Springen. Auf der Freifläche<br />
finden sich Kletter- und Sprungbäume,<br />
Hüpfsteine oder Palisaden, auf denen die<br />
Kinder balancieren können und die, je nach<br />
Wetterlage, auch mal rutschig sein können<br />
und so ihren Gleichgewichtssinn stärken.<br />
Wie abenteuerlich wäre es, einmal eine<br />
Kletterfelsenwand zu erklimmen? runde<br />
Steine bieten Halt <strong>für</strong> die Hände und Füße,<br />
zwischen ihnen fester Sand.<br />
Jedes Ziel über verschiedene Wege<br />
erreichbar<br />
Die Formen des Geländes müssen natürlichen<br />
Verläufen entsprechen. Ein Weg lädt dazu<br />
ein, ihn zu nutzen, wenn er nicht in kurzen<br />
geraden Linien und rechten Winkeln verläuft,<br />
sondern sanfte Kurven an begrenzenden<br />
Hecken vorbei führen. Sichtachsen machen<br />
neugierig auf das, was sich dahinter verbirgt.<br />
Verstecken und Fangen lassen sich am Besten<br />
dort spielen, wo nicht einsehbare Plätze über<br />
verschiedene Wege erreichbar sind. Eine<br />
liegende Acht oder eine Spirale zu laufen,<br />
kann auch ganz ohne Ziel Spaß machen.<br />
rückzugsort nur <strong>für</strong> Kinder<br />
Egal bei welchem Wetter, es gibt keinen<br />
besseren Sonnen- und regenschutz, der<br />
gemütlicher ist, als ein Baumhaus. Aus<br />
Ästen und Brettern kann ein Häuschen<br />
errichtet werden, bei dem nicht nur<br />
gemeinsames Bauen Freude macht,<br />
sondern auch die anschließend verbrachte<br />
Zeit darin. Die aus Naturmaterialien gefertigte<br />
Leiter des schützenden Unterschlupfs führt<br />
zu einem Aussichtsplatz, zu dem kein<br />
Erwachsener Zutritt hat. Das Gelände<br />
des <strong>Naschgarten</strong>s muss den Kindern<br />
eigenständigen Erfahrungsraum bieten.<br />
Literatur:<br />
Schemel H.J., Wilke Th. (Bearb.): Kinder und Natur in der Stadt – Spielraum Natur Ein Handbuch <strong>für</strong> Kommunalpolitiker, Planer<br />
sowie Eltern und Agenda 21 Initiativen. BFN-Skripten 230, Bonn 2008<br />
NAScHGArTEN KATALOG 2008<br />
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Hochschul-Team<br />
» Prof. Dr. Beate Blättner<br />
arbeitet als Professorin <strong>für</strong> <strong>Gesundheit</strong>sförderung im Fachbereich Pflege und <strong>Gesundheit</strong> der Hochschule Fulda.<br />
» Prof. Dr. Henny Annette Grewe<br />
arbeitet als Professorin <strong>für</strong> Medizinische Grundlagen im Fachbereich Pflege und <strong>Gesundheit</strong> der Hochschule Fulda.<br />
» Prof. Dr. Kathrin Kohlenberg-Müller<br />
ist Vizepräsidentin der Hochschule Fulda und arbeitet als Professorin <strong>für</strong> Ernährungphysiologie, Humanernährung sowie<br />
präventive und krankheitsbedingte Ernährung im Fachbereich Oecotrophologie der Hochschule Fulda.<br />
» B.Sc. Silvia Heckenhahn<br />
ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Pflege und <strong>Gesundheit</strong> der Hochschule Fulda tätig.<br />
» Anna Grundel<br />
studiert <strong>Gesundheit</strong>smanagement an der Hochschule Fulda und arbeitet als studentische Hilfskraft im Projekt.<br />
» Bettina Braun<br />
studiert Public Health an der Universität Bremen und unterstützt das Projekt als Praktikantin.<br />
» Dipl. oec. troph. Heidi Haager-Bürkert<br />
ist Studierende des Master-Studiengangs Public Health Nutrition der Hochschule Fulda.<br />
» B.Sc. Kristin Pelz<br />
ist Studierende des Master-Studiengangs Public Health Nutrition der Hochschule Fulda.<br />
» Dipl. oec. troph. Diana Priese<br />
ist Studierende des Master-Studiengangs Public Health Nutrition der Hochschule Fulda.<br />
» B.Sc. Lisa Stahl<br />
ist Studierende des Master-Studiengangs Public Health Nutrition der Hochschule Fulda.
Projektpartner Förderer