18.11.2012 Aufrufe

Elektronische Fußdruck- messung in der Ortho- pädie-Schuhtechnik

Elektronische Fußdruck- messung in der Ortho- pädie-Schuhtechnik

Elektronische Fußdruck- messung in der Ortho- pädie-Schuhtechnik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Elektronische</strong> <strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<strong>Schuhtechnik</strong><br />

Dr. J. Natrup<br />

Die Grundlagen <strong>der</strong> elektronischen<br />

Druck<strong>messung</strong> gehen auf die Entwicklungen<br />

von Nicol & Hennig (1976) zurück. Dort<br />

wurde erstmals e<strong>in</strong>e mit kapazitiver Sensorik<br />

ausgestattete Druckmessplattform präsentiert.<br />

Durch das speziell entwickelte Multiplex-<br />

Verfahren war es möglich, e<strong>in</strong>e größere Anzahl von Sensoren mit e<strong>in</strong>em relativ<br />

ger<strong>in</strong>gen Kabelaufwand abzufragen. Die Übertragung dieser starren<br />

Messplattform auf flexible Folien, wie sie beispielsweise für Druck<strong>messung</strong>en<br />

im Schuh von Nöten s<strong>in</strong>d, wurde von Nicol & Rusteberg (1993) vorgestellt.<br />

Erste Anwendungen im deutschsprachigen Raum für die <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<br />

<strong>Schuhtechnik</strong> präsentierten Baumann u.a. (1994).<br />

In den vergangenen 15 Jahren haben sich e<strong>in</strong>ige Hersteller mit <strong>der</strong><br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> elektronischen Druck<strong>messung</strong> beschäftigt, und die<br />

Systeme werden <strong>in</strong> verschiedenen Anwendungsbereichen <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<br />

<strong>Schuhtechnik</strong> e<strong>in</strong>gesetzt. Heute zählen die Überprüfung von E<strong>in</strong>lagen und<br />

Schuhen für den diabetischen Fuß o<strong>der</strong> die Versorgung von Sportlern zu den<br />

wesentlichen E<strong>in</strong>satzgebieten.<br />

Daher ist es das Ziel des vorliegenden Vortrags, diese beiden Anwendungen<br />

beispielhaft zu beschreiben. Zuvor soll es außerdem darum gehen, die nötige<br />

Genauigkeit <strong>der</strong> Messtechnik sowie die für die Auswertung wichtigen<br />

Parameter zu analysieren.<br />

Genauigkeit<br />

Dr. J. Natrup<br />

Zum Thema <strong>der</strong> Genauigkeit von elektronischen Druckmesssystemen liegen<br />

diverse Veröffentlichungen vor (Cavanagh & Ulbricht 1994, Drerup & Wetz<br />

2000, Natrup 2008). E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung besitzt das Kriterium <strong>der</strong><br />

Reliabilität, was <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für zertifizierte Betriebe wichtig ist. Daher soll<br />

dieses im folgenden etwas genauer behandelt werden.<br />

Die Reliabilität gibt an, wie genau e<strong>in</strong> Messergebnis unter konstanten<br />

Bed<strong>in</strong>gungen reproduziert werden kann. Das bedeutet, <strong>in</strong> welchem Maße bei<br />

Wie<strong>der</strong>holungs<strong>messung</strong>en das gleiche Ergebnis herauskommt.<br />

Dabei ist die Größe des Fehlers vom Typ und <strong>der</strong> Bauweise des Sensors<br />

abhängig. Je<strong>der</strong> Sensor weist e<strong>in</strong>en gewissen Reproduzierfehler auf. Die<br />

Studiengeme<strong>in</strong>schaft<br />

für <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />

Hannover e.V. Fachvorträge: Samstag 28. Februar 2009


Schwankungen <strong>der</strong> am Markt bef<strong>in</strong>dlichen Sensoren liegen im Bereich von 1 %<br />

Fehler bis zu 20 % Fehler. Diesen Fehler zu bestimmen und anzugeben, ist<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Hersteller und kann den Leistungsbeschreibungen entnommen<br />

o<strong>der</strong> nachgefragt werden.<br />

E<strong>in</strong> großes Problem bei <strong>der</strong> Reliabilität ist, dass sich die Eigenschaften von<br />

Sensoren im Laufe <strong>der</strong> Zeit mit zunehmen<strong>der</strong> Anzahl von Belastungen<br />

verän<strong>der</strong>n. Dieser Prozess vollzieht sich <strong>in</strong> Abhängigkeit des Sensortyps<br />

unterschiedlich schnell. Die Lösung dieses Problems ist e<strong>in</strong>e erneute<br />

Kalibrierung.<br />

Bei e<strong>in</strong>er Kalibrierung wird über e<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>ierte Belastungse<strong>in</strong>leitung für jeden<br />

Sensor e<strong>in</strong>e Kennl<strong>in</strong>ie ermittelt. Diese wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Software abgelegt und bei<br />

e<strong>in</strong>er späteren Belastung zur Berechnung des Druckwerts benutzt. Kennl<strong>in</strong>ien<br />

s<strong>in</strong>d im allgeme<strong>in</strong>en nicht l<strong>in</strong>ear und für jeden Sensor unterschiedlich. In<br />

Abbildung 1 s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> l<strong>in</strong>earer (blau) und e<strong>in</strong> nicht-l<strong>in</strong>earer (rot) Verlauf e<strong>in</strong>er<br />

Kennl<strong>in</strong>ie beispielhaft dargestellt.<br />

Wegen <strong>der</strong> Nicht-L<strong>in</strong>earität muss je<strong>der</strong> Sensor e<strong>in</strong>zeln über mehrere<br />

Stützstellen kalibriert werden. Lediglich e<strong>in</strong>e Stützstelle wie beispielsweise das<br />

Körpergewicht zu verwenden, ist nicht ausreichend.<br />

Wie bereits erwähnt, steht die Reliabilität <strong>in</strong> enger Korrelation zu dem Thema<br />

<strong>der</strong> Zertifizierung. Wenn e<strong>in</strong> Betrieb zertifiziert ist o<strong>der</strong> sich zertifizieren lassen<br />

möchte, wird die Qualität aller e<strong>in</strong>gesetzten Mess<strong>in</strong>strumente <strong>in</strong> regelmäßigen<br />

Abständen überprüft.<br />

Beispielsweise ist dann nachzuweisen, wann und wie e<strong>in</strong> Messgerät kalibriert<br />

wurde und welche Gütekriterien es <strong>in</strong> welchem Maße erfüllt. Ist das Messgerät<br />

Dr. J. Natrup : <strong>Elektronische</strong> <strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />

Abb. 1:<br />

Kennl<strong>in</strong>ien von<br />

Drucksensoren


selber als Mediz<strong>in</strong>produkt mit Messfunktion zertifiziert, ist <strong>der</strong> Hersteller hierfür<br />

verantwortlich und <strong>der</strong> Nachweis für den OST-Betrieb problemlos.<br />

Auswertung<br />

Nach <strong>der</strong> Durchführung e<strong>in</strong>er elektronischen Druck<strong>messung</strong> liefert die<br />

Software die Möglichkeit, verschiedene Parameter zur Beurteilung <strong>der</strong><br />

Belastungsverhältnisse am Fuß heranzuziehen. Neben <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en<br />

Druckverteilung liegen weitere Parameter vor, die allerd<strong>in</strong>gs nur selten<br />

verwendet werden. Hierzu s<strong>in</strong>d beispielsweise die Kraft-Zeit-Funktion, das<br />

Kraft-Zeit-Integral (häufig als Impuls bezeichnet), die Kraftrate o<strong>der</strong> die<br />

Gangl<strong>in</strong>ie zu zählen.<br />

Dabei wird die Druckverteilung im allgeme<strong>in</strong>en durch e<strong>in</strong>e Farbcodierung<br />

angegeben, wobei <strong>der</strong> Farbwert rot meistens für die Darstellung erhöhten<br />

Drucks benutzt wird. Das Kraft-Zeit-Integral ergibt sich aus dem Verlauf <strong>der</strong><br />

Kraft-Zeit-Funktion. Da Maximaldruck und Kraft-Zeit-Integral (Impuls) die<br />

wichtigsten Parameter s<strong>in</strong>d, soll im folgenden auf diese beson<strong>der</strong>s<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Druck<br />

Der Parameter Druck (s. Abb. 2) ist sicherlich <strong>der</strong>jenige, über den die meisten<br />

Erkenntnisse und Erfahrungen vorliegen. Je<strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<strong>Schuhtechnik</strong>er,<br />

<strong>der</strong> Druck<strong>messung</strong>en beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diabetikerversorgung e<strong>in</strong>setzt,<br />

wendet gewisse Standards bei <strong>der</strong> Analyse und Versorgung an. In <strong>der</strong> Regel<br />

geht es hierbei um den Vergleich von Messungen vor und nach e<strong>in</strong>er<br />

Versorgung. Das kann bedeuten, dass e<strong>in</strong>e Messung im Schuh ohne E<strong>in</strong>lage<br />

durchgeführt wird, und die dort festgestellten Druckmaxima müssen bei <strong>der</strong><br />

Kontroll<strong>messung</strong> auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>lage reduziert werden. Das wäre e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong><br />

qualitative Vorgehensweise.<br />

Mehr Quantität besitzt die For<strong>der</strong>ung, wie sie auch häufig von Seiten <strong>der</strong><br />

Kostenträger formuliert wird: Der maximale Druck sollte auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>lage im<br />

Vergleich zu e<strong>in</strong>er Neutral<strong>messung</strong> um m<strong>in</strong>destens 30 % reduziert se<strong>in</strong>.<br />

Neutral<strong>messung</strong> bedeutet hierbei, dass die Messung ganz ohne Hilfsmittel,<br />

also barfuß ohne Schuhe durchgeführt wird.<br />

Das kann e<strong>in</strong>e Messung über e<strong>in</strong>e Druckmessplattform se<strong>in</strong>, o<strong>der</strong> es werden<br />

Konstruktionen verwendet, die e<strong>in</strong>e Innenschuh-Messsohle am Fuß halten,<br />

ohne größeren E<strong>in</strong>fluss auf die Druckverteilung zu nehmen, sogenannte<br />

Neutralschuhe.<br />

Unabhängig von <strong>der</strong> Auswahl e<strong>in</strong>er dieser beiden Methoden ersche<strong>in</strong>t diese<br />

Vorgehensweise als nicht h<strong>in</strong>reichend. Zum e<strong>in</strong>en wird die 30%ige<br />

Reduzierung <strong>in</strong> sehr vielen Fällen realisiert. Die Mittelwerte des Maximaldrucks<br />

beim Gehen mit mittlerer Geschw<strong>in</strong>digkeit liegen barfuß etwa zwischen 40 und<br />

Studiengeme<strong>in</strong>schaft<br />

für <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />

Hannover e.V. Fachvorträge: Samstag 28. Februar 2009


Abb. 2: Isobaren-Darstellung <strong>der</strong> <strong>Fußdruck</strong>verteilung<br />

50 N/cm², während unter gleichen Bed<strong>in</strong>gungen im Schuh die Werte etwa<br />

zwischen 20 und 30 N/cm² liegen. Das bedeutet, dass die 30%ige Reduzierung<br />

re<strong>in</strong> statistisch im Mittel erreicht wird. Extreme Druckbelastungen, wie sie bei<br />

Ulzerationen am diabetischen Fuß vorkommen, werden über diese Mittelwertbetrachtung<br />

natürlich nicht erfasst.<br />

Zum an<strong>der</strong>en wird die Wirksamkeit <strong>der</strong> 30%igen Reduzierung deutlich, wenn<br />

die Auswirkung des Drucks physiologisch betrachtet wird. Schädigungen<br />

treten dann auf, wenn Gewebe nicht o<strong>der</strong> nur verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t mit Sauerstoff<br />

versorgt wird. In <strong>der</strong> Peripherie geschieht diese Versorgung über kle<strong>in</strong>e<br />

Blutgefäße, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> gewisser Blutdruck herrscht.<br />

Sie werden verschlossen, wenn <strong>der</strong> äußere, e<strong>in</strong>wirkende Druck höher ist als<br />

dieser kapillare Blutdruck. Damit sollte <strong>der</strong> äußere Druck e<strong>in</strong>en gewissen<br />

Grenzwert nicht überschreiten. Dieser ist allerd<strong>in</strong>gs unabhängig davon, ob <strong>der</strong><br />

Maximaldruck bei e<strong>in</strong>er Neutral<strong>messung</strong> 40 o<strong>der</strong> 50 N/cm² ist. E<strong>in</strong>e relative<br />

Betrachtungsweise hilft demnach nicht optimal weiter.<br />

Dr. J. Natrup : <strong>Elektronische</strong> <strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik


E<strong>in</strong> weiteres Problem ergibt sich durch die Tatsache, dass <strong>der</strong> an den<br />

Blutgefäßen wirkende Druck nicht mit dem außen gemessenen, plantaren<br />

Druck identisch se<strong>in</strong> muss. Weitere E<strong>in</strong>flussfaktoren s<strong>in</strong>d beispielsweise die<br />

Beschaffenheit des Gewebes zwischen Gefäß und Haut o<strong>der</strong> die<br />

Scherbelastungen durch Druck <strong>in</strong> Querrichtung, die nicht gemessen werden<br />

können.<br />

Daher ist es schwer möglich, e<strong>in</strong>en expliziten Wert als kritische Schwelle für<br />

den Maximaldruck anzugeben. Dennoch können aufgrund <strong>der</strong> Erfahrungen<br />

von vielen Messungen am diabetischen Fuß Bereiche, die e<strong>in</strong>e Annäherung an<br />

kritische Belastungen darstellen, angegeben werden. Es kann angenommen<br />

werden, dass diese kritischen Werte für Druckbelastungen auf e<strong>in</strong>er Bettung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Bereich von 20 bis 25 N/cm² liegen.<br />

Das bedeutet, dass e<strong>in</strong> Maximaldruck von über 25 N/cm² sicher als kritisch zu<br />

bewerten ist, während e<strong>in</strong> Wert unter 20 N/cm² mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit als<br />

unbedenklich angenommen werden kann.<br />

Kraft-Zeit-Integral (Impuls)<br />

Jedes Druckmesssystem bestimmt e<strong>in</strong>e Kraft-Zeit-Funktion. Mathematisch<br />

gesehen ergibt sich <strong>der</strong> Impuls aus dem Integral dieser Kraft-Zeit-Funktion<br />

nach <strong>der</strong> Zeit. Graphisch betrachtet, ist dieses gleichzusetzen mit <strong>der</strong> Fläche<br />

unter <strong>der</strong> Kurve. Demnach wird das Kraft-Zeit-Integral größer, wenn <strong>der</strong><br />

Kraftverlauf <strong>in</strong>sgesamt höher ist, und ist damit direkt abhängig vom<br />

Körpergewicht.<br />

Außerdem wird das Kraft-Zeit-Integral größer, wenn <strong>der</strong> Bodenkontakt länger<br />

ist. Damit ist es abhängig von <strong>der</strong> Kontaktzeit, welche wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong><br />

Ganggeschw<strong>in</strong>digkeit abhängt. Vere<strong>in</strong>facht gesagt, haben schwere Personen,<br />

die langsam gehen, die höchsten Impulswerte, während es bei leichten, schnell<br />

gehenden Personen umgekehrt ist.<br />

Die Faktoren Körpergewicht im allgeme<strong>in</strong>en und Ganggeschw<strong>in</strong>digkeit bei<br />

Diabetikern im speziellen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs schwer zu bee<strong>in</strong>flussen. Die<br />

Unsicherheit im Gang führt bei Diabetikern dazu, dass sie eher etwas<br />

langsamer gehen. Daher ist <strong>der</strong> Gesamtimpuls nur sehr schwer zu<br />

bee<strong>in</strong>flussen, wohl aber die Verteilung zwischen Rück- und Vorfuß.<br />

In Abb. 3 ist die Aufteilung <strong>der</strong> Gesamtkraft (grau) auf die sechs Fußzonen<br />

Ferse (violett), Mittelfuß (blau), Ballen <strong>in</strong>nen (orange), Ballen mitte (grün),<br />

Ballen außen (rot) und Zehen (gelb) jeweils für den l<strong>in</strong>ken und rechten Fuß<br />

dargestellt.<br />

Die Größe <strong>der</strong> farbigen Fläche repräsentiert die Höhe des Impuls. Im Beispiel<br />

<strong>der</strong> Abbildung werden die höchsten Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zone Ferse (violett) erreicht.<br />

Das bedeutet, dass die Belastung, vor allem zeitlich gesehen, lange auf <strong>der</strong><br />

Ferse verharrt, während das Abrollen über den Vorfuß eher schnell geschieht.<br />

Studiengeme<strong>in</strong>schaft<br />

für <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />

Hannover e.V. Fachvorträge: Samstag 28. Februar 2009


Die Bedeutung des Parameters Kraft-Zeit-Integral kann physiologisch ähnlich<br />

erklärt werden, wie die des Maximaldrucks. Die Höhe des Drucks liefert<br />

Informationen darüber, ob versorgende Gefäße verschlossen werden, und das<br />

Kraft-Zeit-Integral gibt H<strong>in</strong>weise über die Dauer dieses Verschlusses.<br />

Für das Gefahrenpotenzial ist e<strong>in</strong> sehr hoher, aber nur kurz wirken<strong>der</strong> Druck<br />

weniger relevant als e<strong>in</strong> mittlerer Druck, <strong>der</strong> über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum<br />

wirkt. Wie oben bereits erwähnt, haben das Körpergewicht und die<br />

Ganggeschw<strong>in</strong>digkeit e<strong>in</strong>en direkten E<strong>in</strong>fluss auf das Kraft-Zeit-Integral, so<br />

dass es nicht möglich ist, kritische Schwellwerte für diesen Parameter zu<br />

benennen.<br />

Stattdessen ist darauf zu achten, dass sich die Belastung zwischen Rück- und<br />

Vorfuß gleichmäßig verteilt.<br />

Abb. 3: Verteilung des Kraft-Zeit-Integrals <strong>in</strong> Fußzonen<br />

Dr. J. Natrup : <strong>Elektronische</strong> <strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik


Anwendungsbeispiele<br />

Diabetes<br />

Anhand e<strong>in</strong>es Beispiels soll im folgenden die Anwendung e<strong>in</strong>es elektronischen<br />

<strong>Fußdruck</strong>messsystems bei <strong>der</strong> Diabetikerversorgung verdeutlicht werden.<br />

Die Ausgangslage ist <strong>in</strong> Abbildung 4 a dargestellt, welche das Ergebnis <strong>der</strong><br />

<strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Straßenschuh, mit dem e<strong>in</strong> Kunde bei e<strong>in</strong>em<br />

<strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-Schuhmacher vorstellig wurde, repräsentiert. Das Problem ist <strong>in</strong><br />

diesem Fall <strong>der</strong> hohe Druck unter <strong>der</strong> rechten Großzehe.<br />

Der Druck liegt hier mit e<strong>in</strong>em Wert von 32 N/cm2 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Größenordnung, wie<br />

sie für den diabetischen Fuß sicher als kritisch anzusehen ist. Die Verteilung<br />

<strong>der</strong> Impulswerte ist <strong>der</strong> rechten Seite <strong>der</strong> Abbildung zu entnehmen. Hier ist <strong>der</strong><br />

Wert im Ballenbereich mit 158 Ns etwas höher als an <strong>der</strong> Ferse (106 Ns).<br />

Damit sollte dieser Diabetiker mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>lage, welche die rechte Großzehe<br />

entlastet, sowie mit e<strong>in</strong>em Schuh mit Ballenrolle und Sohlenversteifung<br />

versorgt werden. Die Ergebnisse dieser Versorgung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abbildung 4 b<br />

(l<strong>in</strong>ks – Druck, rechts - Impuls) dargestellt.<br />

Der Maximaldruck wurde im Vergleich zu dem ursprünglichen Straßenschuh<br />

deutlich reduziert (17 N/cm² zu 32 N/cm²). Allerd<strong>in</strong>gs führt dieser Schuh zu<br />

e<strong>in</strong>er dramatischen Verschlechterung des Kraft-Zeit-Integrals im<br />

Fersenbereich.<br />

Der Wert war mit etwa 279 Ns fast dreimal so hoch wie die ursprüngliche<br />

Ausgangslage. Mit diesem Ergebnis wäre nicht auszuschließen, dass <strong>der</strong><br />

Abb. 4a: Druckverteilung und Kraft-Zeit-Integral e<strong>in</strong>es Diabetikers ohne Versorgung<br />

Abb. 4b: Druckverteilung und Kraft-Zeit-Integral e<strong>in</strong>es Diabetikers mit Versorgung<br />

Studiengeme<strong>in</strong>schaft<br />

für <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />

Hannover e.V. Fachvorträge: Samstag 28. Februar 2009


Kunde beim Tragen dieser Schuh-E<strong>in</strong>lagen-Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong> Problem an <strong>der</strong><br />

Ferse bekommen könnte, da die Ballenrolle zu stark ausgeprägt war.<br />

Das dargestellte Fallbeispiel soll die Kontrollfunktion <strong>der</strong> elektronischen<br />

<strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diabetikerversorgung verdeutlichen. Hätte <strong>der</strong><br />

<strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<strong>Schuhtechnik</strong>er sich ausschließlich auf die räumliche<br />

Druckumverteilung zur Reduzierung <strong>der</strong> Druckmaxima beschränkt, so hätte<br />

<strong>der</strong> Kunde möglicherweise mit dem diabetischen Konfektionsschuh und <strong>der</strong><br />

angefertigten E<strong>in</strong>lage das Geschäft verlassen. Wie beschrieben, hätte dieses<br />

zu Problemen an <strong>der</strong> Ferse führen können.<br />

Sport<br />

Zur Beurteilung <strong>der</strong> Belastungen beim Marathonlauf wurden bei 6 Läufern die<br />

Druckverteilungen vor dem Lauf und direkt nach dem Ziele<strong>in</strong>lauf gemessen<br />

(Natrup, 2003).<br />

In Abbildung 5 s<strong>in</strong>d die Ergebnisse <strong>in</strong> den sechs Fußzonen jeweils vor dem Lauf<br />

(rote Säulen) sowie nach dem Lauf (grüne Säulen) gegenübergestellt.<br />

Die maximalen Druckwerte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen Zonen mit Ausnahme <strong>der</strong> Region Ferse<br />

nach dem Lauf ger<strong>in</strong>ger als vorher. Diese Druckreduzierung ist <strong>in</strong> den Zonen<br />

Längsgewölbe, Ballen zentral und Zehen statistisch nachweisbar (p=0,05).<br />

Ebenso ist die deutliche Drucksteigerung um etwa 25 % an <strong>der</strong> Ferse<br />

signifikant. Damit ist <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e Belastungsverlagerung vom Vor- auf den<br />

Rückfuß festzustellen, und die Versorgung von Marathonläufern sollte sich<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf e<strong>in</strong>e gute Fersendämpfung konzentrieren.<br />

Abb. 5: Maximaldruckverteilung <strong>in</strong> den Fußzonen vor und nach e<strong>in</strong>em Marathonlauf<br />

Dr. J. Natrup : <strong>Elektronische</strong> <strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik


Literatur:<br />

Baumann, W., Müller, N., Brust, G.: Grundlegende Begriffe und Anwendungsaspekte <strong>der</strong> elektronischen<br />

Druckverteiluns<strong>messung</strong> am Fuß, <strong>in</strong>: Mediz<strong>in</strong>isch-<strong>Ortho</strong>pädische Technik, 1, 1994, 6-13<br />

Cavanagh, PR, Ulbrecht, JS: Cl<strong>in</strong>ical plantar pressure measurement <strong>in</strong> diabetes: rationale and methodology, <strong>in</strong>:<br />

The foot , 4, 1994, 123-135<br />

Drerup, B, Wetz, HH: Der E<strong>in</strong>fluß <strong>der</strong> Fußbettung und Schuhzurichtung auf die plantare Druckverteilung.<br />

Mediz<strong>in</strong>isch <strong>Ortho</strong>pädische Technik 3, 2000, 84-90<br />

Natrup, J.: Plantare Druckverteilung – vor und nach dem Marathon, <strong>in</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik, 5, 2003, 44-49<br />

Natrup, J.: Druckverteilungs<strong>messung</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diabetikerversorgung, <strong>in</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik, 6, 2008, 30-34<br />

Nicol, K., Hennig, E.M.: Time Dependend Method for Measur<strong>in</strong>g Force Distribution Us<strong>in</strong>g a Flexible Mat as<br />

Capacitor, <strong>in</strong>: Komi, P.V.: Biomechanics V-B, Baltimore, 1976, 433-440<br />

Nicol, K., Rusteberg, D.: Pressure Distribution on Mattresses, <strong>in</strong>: Journal of Biomechanics, 26 (12), 1993, 1479-<br />

1486<br />

Studiengeme<strong>in</strong>schaft<br />

für <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />

Hannover e.V. Fachvorträge: Samstag 28. Februar 2009

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!