Elektronische Fußdruck- messung in der Ortho- pädie-Schuhtechnik
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<strong>Elektronische</strong> <strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<strong>Schuhtechnik</strong><br />
Dr. J. Natrup<br />
Die Grundlagen <strong>der</strong> elektronischen<br />
Druck<strong>messung</strong> gehen auf die Entwicklungen<br />
von Nicol & Hennig (1976) zurück. Dort<br />
wurde erstmals e<strong>in</strong>e mit kapazitiver Sensorik<br />
ausgestattete Druckmessplattform präsentiert.<br />
Durch das speziell entwickelte Multiplex-<br />
Verfahren war es möglich, e<strong>in</strong>e größere Anzahl von Sensoren mit e<strong>in</strong>em relativ<br />
ger<strong>in</strong>gen Kabelaufwand abzufragen. Die Übertragung dieser starren<br />
Messplattform auf flexible Folien, wie sie beispielsweise für Druck<strong>messung</strong>en<br />
im Schuh von Nöten s<strong>in</strong>d, wurde von Nicol & Rusteberg (1993) vorgestellt.<br />
Erste Anwendungen im deutschsprachigen Raum für die <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<br />
<strong>Schuhtechnik</strong> präsentierten Baumann u.a. (1994).<br />
In den vergangenen 15 Jahren haben sich e<strong>in</strong>ige Hersteller mit <strong>der</strong><br />
Weiterentwicklung <strong>der</strong> elektronischen Druck<strong>messung</strong> beschäftigt, und die<br />
Systeme werden <strong>in</strong> verschiedenen Anwendungsbereichen <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<br />
<strong>Schuhtechnik</strong> e<strong>in</strong>gesetzt. Heute zählen die Überprüfung von E<strong>in</strong>lagen und<br />
Schuhen für den diabetischen Fuß o<strong>der</strong> die Versorgung von Sportlern zu den<br />
wesentlichen E<strong>in</strong>satzgebieten.<br />
Daher ist es das Ziel des vorliegenden Vortrags, diese beiden Anwendungen<br />
beispielhaft zu beschreiben. Zuvor soll es außerdem darum gehen, die nötige<br />
Genauigkeit <strong>der</strong> Messtechnik sowie die für die Auswertung wichtigen<br />
Parameter zu analysieren.<br />
Genauigkeit<br />
Dr. J. Natrup<br />
Zum Thema <strong>der</strong> Genauigkeit von elektronischen Druckmesssystemen liegen<br />
diverse Veröffentlichungen vor (Cavanagh & Ulbricht 1994, Drerup & Wetz<br />
2000, Natrup 2008). E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung besitzt das Kriterium <strong>der</strong><br />
Reliabilität, was <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für zertifizierte Betriebe wichtig ist. Daher soll<br />
dieses im folgenden etwas genauer behandelt werden.<br />
Die Reliabilität gibt an, wie genau e<strong>in</strong> Messergebnis unter konstanten<br />
Bed<strong>in</strong>gungen reproduziert werden kann. Das bedeutet, <strong>in</strong> welchem Maße bei<br />
Wie<strong>der</strong>holungs<strong>messung</strong>en das gleiche Ergebnis herauskommt.<br />
Dabei ist die Größe des Fehlers vom Typ und <strong>der</strong> Bauweise des Sensors<br />
abhängig. Je<strong>der</strong> Sensor weist e<strong>in</strong>en gewissen Reproduzierfehler auf. Die<br />
Studiengeme<strong>in</strong>schaft<br />
für <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />
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Schwankungen <strong>der</strong> am Markt bef<strong>in</strong>dlichen Sensoren liegen im Bereich von 1 %<br />
Fehler bis zu 20 % Fehler. Diesen Fehler zu bestimmen und anzugeben, ist<br />
Aufgabe <strong>der</strong> Hersteller und kann den Leistungsbeschreibungen entnommen<br />
o<strong>der</strong> nachgefragt werden.<br />
E<strong>in</strong> großes Problem bei <strong>der</strong> Reliabilität ist, dass sich die Eigenschaften von<br />
Sensoren im Laufe <strong>der</strong> Zeit mit zunehmen<strong>der</strong> Anzahl von Belastungen<br />
verän<strong>der</strong>n. Dieser Prozess vollzieht sich <strong>in</strong> Abhängigkeit des Sensortyps<br />
unterschiedlich schnell. Die Lösung dieses Problems ist e<strong>in</strong>e erneute<br />
Kalibrierung.<br />
Bei e<strong>in</strong>er Kalibrierung wird über e<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>ierte Belastungse<strong>in</strong>leitung für jeden<br />
Sensor e<strong>in</strong>e Kennl<strong>in</strong>ie ermittelt. Diese wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Software abgelegt und bei<br />
e<strong>in</strong>er späteren Belastung zur Berechnung des Druckwerts benutzt. Kennl<strong>in</strong>ien<br />
s<strong>in</strong>d im allgeme<strong>in</strong>en nicht l<strong>in</strong>ear und für jeden Sensor unterschiedlich. In<br />
Abbildung 1 s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> l<strong>in</strong>earer (blau) und e<strong>in</strong> nicht-l<strong>in</strong>earer (rot) Verlauf e<strong>in</strong>er<br />
Kennl<strong>in</strong>ie beispielhaft dargestellt.<br />
Wegen <strong>der</strong> Nicht-L<strong>in</strong>earität muss je<strong>der</strong> Sensor e<strong>in</strong>zeln über mehrere<br />
Stützstellen kalibriert werden. Lediglich e<strong>in</strong>e Stützstelle wie beispielsweise das<br />
Körpergewicht zu verwenden, ist nicht ausreichend.<br />
Wie bereits erwähnt, steht die Reliabilität <strong>in</strong> enger Korrelation zu dem Thema<br />
<strong>der</strong> Zertifizierung. Wenn e<strong>in</strong> Betrieb zertifiziert ist o<strong>der</strong> sich zertifizieren lassen<br />
möchte, wird die Qualität aller e<strong>in</strong>gesetzten Mess<strong>in</strong>strumente <strong>in</strong> regelmäßigen<br />
Abständen überprüft.<br />
Beispielsweise ist dann nachzuweisen, wann und wie e<strong>in</strong> Messgerät kalibriert<br />
wurde und welche Gütekriterien es <strong>in</strong> welchem Maße erfüllt. Ist das Messgerät<br />
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Abb. 1:<br />
Kennl<strong>in</strong>ien von<br />
Drucksensoren
selber als Mediz<strong>in</strong>produkt mit Messfunktion zertifiziert, ist <strong>der</strong> Hersteller hierfür<br />
verantwortlich und <strong>der</strong> Nachweis für den OST-Betrieb problemlos.<br />
Auswertung<br />
Nach <strong>der</strong> Durchführung e<strong>in</strong>er elektronischen Druck<strong>messung</strong> liefert die<br />
Software die Möglichkeit, verschiedene Parameter zur Beurteilung <strong>der</strong><br />
Belastungsverhältnisse am Fuß heranzuziehen. Neben <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en<br />
Druckverteilung liegen weitere Parameter vor, die allerd<strong>in</strong>gs nur selten<br />
verwendet werden. Hierzu s<strong>in</strong>d beispielsweise die Kraft-Zeit-Funktion, das<br />
Kraft-Zeit-Integral (häufig als Impuls bezeichnet), die Kraftrate o<strong>der</strong> die<br />
Gangl<strong>in</strong>ie zu zählen.<br />
Dabei wird die Druckverteilung im allgeme<strong>in</strong>en durch e<strong>in</strong>e Farbcodierung<br />
angegeben, wobei <strong>der</strong> Farbwert rot meistens für die Darstellung erhöhten<br />
Drucks benutzt wird. Das Kraft-Zeit-Integral ergibt sich aus dem Verlauf <strong>der</strong><br />
Kraft-Zeit-Funktion. Da Maximaldruck und Kraft-Zeit-Integral (Impuls) die<br />
wichtigsten Parameter s<strong>in</strong>d, soll im folgenden auf diese beson<strong>der</strong>s<br />
e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />
Druck<br />
Der Parameter Druck (s. Abb. 2) ist sicherlich <strong>der</strong>jenige, über den die meisten<br />
Erkenntnisse und Erfahrungen vorliegen. Je<strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<strong>Schuhtechnik</strong>er,<br />
<strong>der</strong> Druck<strong>messung</strong>en beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diabetikerversorgung e<strong>in</strong>setzt,<br />
wendet gewisse Standards bei <strong>der</strong> Analyse und Versorgung an. In <strong>der</strong> Regel<br />
geht es hierbei um den Vergleich von Messungen vor und nach e<strong>in</strong>er<br />
Versorgung. Das kann bedeuten, dass e<strong>in</strong>e Messung im Schuh ohne E<strong>in</strong>lage<br />
durchgeführt wird, und die dort festgestellten Druckmaxima müssen bei <strong>der</strong><br />
Kontroll<strong>messung</strong> auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>lage reduziert werden. Das wäre e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong><br />
qualitative Vorgehensweise.<br />
Mehr Quantität besitzt die For<strong>der</strong>ung, wie sie auch häufig von Seiten <strong>der</strong><br />
Kostenträger formuliert wird: Der maximale Druck sollte auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>lage im<br />
Vergleich zu e<strong>in</strong>er Neutral<strong>messung</strong> um m<strong>in</strong>destens 30 % reduziert se<strong>in</strong>.<br />
Neutral<strong>messung</strong> bedeutet hierbei, dass die Messung ganz ohne Hilfsmittel,<br />
also barfuß ohne Schuhe durchgeführt wird.<br />
Das kann e<strong>in</strong>e Messung über e<strong>in</strong>e Druckmessplattform se<strong>in</strong>, o<strong>der</strong> es werden<br />
Konstruktionen verwendet, die e<strong>in</strong>e Innenschuh-Messsohle am Fuß halten,<br />
ohne größeren E<strong>in</strong>fluss auf die Druckverteilung zu nehmen, sogenannte<br />
Neutralschuhe.<br />
Unabhängig von <strong>der</strong> Auswahl e<strong>in</strong>er dieser beiden Methoden ersche<strong>in</strong>t diese<br />
Vorgehensweise als nicht h<strong>in</strong>reichend. Zum e<strong>in</strong>en wird die 30%ige<br />
Reduzierung <strong>in</strong> sehr vielen Fällen realisiert. Die Mittelwerte des Maximaldrucks<br />
beim Gehen mit mittlerer Geschw<strong>in</strong>digkeit liegen barfuß etwa zwischen 40 und<br />
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Abb. 2: Isobaren-Darstellung <strong>der</strong> <strong>Fußdruck</strong>verteilung<br />
50 N/cm², während unter gleichen Bed<strong>in</strong>gungen im Schuh die Werte etwa<br />
zwischen 20 und 30 N/cm² liegen. Das bedeutet, dass die 30%ige Reduzierung<br />
re<strong>in</strong> statistisch im Mittel erreicht wird. Extreme Druckbelastungen, wie sie bei<br />
Ulzerationen am diabetischen Fuß vorkommen, werden über diese Mittelwertbetrachtung<br />
natürlich nicht erfasst.<br />
Zum an<strong>der</strong>en wird die Wirksamkeit <strong>der</strong> 30%igen Reduzierung deutlich, wenn<br />
die Auswirkung des Drucks physiologisch betrachtet wird. Schädigungen<br />
treten dann auf, wenn Gewebe nicht o<strong>der</strong> nur verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t mit Sauerstoff<br />
versorgt wird. In <strong>der</strong> Peripherie geschieht diese Versorgung über kle<strong>in</strong>e<br />
Blutgefäße, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> gewisser Blutdruck herrscht.<br />
Sie werden verschlossen, wenn <strong>der</strong> äußere, e<strong>in</strong>wirkende Druck höher ist als<br />
dieser kapillare Blutdruck. Damit sollte <strong>der</strong> äußere Druck e<strong>in</strong>en gewissen<br />
Grenzwert nicht überschreiten. Dieser ist allerd<strong>in</strong>gs unabhängig davon, ob <strong>der</strong><br />
Maximaldruck bei e<strong>in</strong>er Neutral<strong>messung</strong> 40 o<strong>der</strong> 50 N/cm² ist. E<strong>in</strong>e relative<br />
Betrachtungsweise hilft demnach nicht optimal weiter.<br />
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E<strong>in</strong> weiteres Problem ergibt sich durch die Tatsache, dass <strong>der</strong> an den<br />
Blutgefäßen wirkende Druck nicht mit dem außen gemessenen, plantaren<br />
Druck identisch se<strong>in</strong> muss. Weitere E<strong>in</strong>flussfaktoren s<strong>in</strong>d beispielsweise die<br />
Beschaffenheit des Gewebes zwischen Gefäß und Haut o<strong>der</strong> die<br />
Scherbelastungen durch Druck <strong>in</strong> Querrichtung, die nicht gemessen werden<br />
können.<br />
Daher ist es schwer möglich, e<strong>in</strong>en expliziten Wert als kritische Schwelle für<br />
den Maximaldruck anzugeben. Dennoch können aufgrund <strong>der</strong> Erfahrungen<br />
von vielen Messungen am diabetischen Fuß Bereiche, die e<strong>in</strong>e Annäherung an<br />
kritische Belastungen darstellen, angegeben werden. Es kann angenommen<br />
werden, dass diese kritischen Werte für Druckbelastungen auf e<strong>in</strong>er Bettung <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Bereich von 20 bis 25 N/cm² liegen.<br />
Das bedeutet, dass e<strong>in</strong> Maximaldruck von über 25 N/cm² sicher als kritisch zu<br />
bewerten ist, während e<strong>in</strong> Wert unter 20 N/cm² mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit als<br />
unbedenklich angenommen werden kann.<br />
Kraft-Zeit-Integral (Impuls)<br />
Jedes Druckmesssystem bestimmt e<strong>in</strong>e Kraft-Zeit-Funktion. Mathematisch<br />
gesehen ergibt sich <strong>der</strong> Impuls aus dem Integral dieser Kraft-Zeit-Funktion<br />
nach <strong>der</strong> Zeit. Graphisch betrachtet, ist dieses gleichzusetzen mit <strong>der</strong> Fläche<br />
unter <strong>der</strong> Kurve. Demnach wird das Kraft-Zeit-Integral größer, wenn <strong>der</strong><br />
Kraftverlauf <strong>in</strong>sgesamt höher ist, und ist damit direkt abhängig vom<br />
Körpergewicht.<br />
Außerdem wird das Kraft-Zeit-Integral größer, wenn <strong>der</strong> Bodenkontakt länger<br />
ist. Damit ist es abhängig von <strong>der</strong> Kontaktzeit, welche wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong><br />
Ganggeschw<strong>in</strong>digkeit abhängt. Vere<strong>in</strong>facht gesagt, haben schwere Personen,<br />
die langsam gehen, die höchsten Impulswerte, während es bei leichten, schnell<br />
gehenden Personen umgekehrt ist.<br />
Die Faktoren Körpergewicht im allgeme<strong>in</strong>en und Ganggeschw<strong>in</strong>digkeit bei<br />
Diabetikern im speziellen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs schwer zu bee<strong>in</strong>flussen. Die<br />
Unsicherheit im Gang führt bei Diabetikern dazu, dass sie eher etwas<br />
langsamer gehen. Daher ist <strong>der</strong> Gesamtimpuls nur sehr schwer zu<br />
bee<strong>in</strong>flussen, wohl aber die Verteilung zwischen Rück- und Vorfuß.<br />
In Abb. 3 ist die Aufteilung <strong>der</strong> Gesamtkraft (grau) auf die sechs Fußzonen<br />
Ferse (violett), Mittelfuß (blau), Ballen <strong>in</strong>nen (orange), Ballen mitte (grün),<br />
Ballen außen (rot) und Zehen (gelb) jeweils für den l<strong>in</strong>ken und rechten Fuß<br />
dargestellt.<br />
Die Größe <strong>der</strong> farbigen Fläche repräsentiert die Höhe des Impuls. Im Beispiel<br />
<strong>der</strong> Abbildung werden die höchsten Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zone Ferse (violett) erreicht.<br />
Das bedeutet, dass die Belastung, vor allem zeitlich gesehen, lange auf <strong>der</strong><br />
Ferse verharrt, während das Abrollen über den Vorfuß eher schnell geschieht.<br />
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Die Bedeutung des Parameters Kraft-Zeit-Integral kann physiologisch ähnlich<br />
erklärt werden, wie die des Maximaldrucks. Die Höhe des Drucks liefert<br />
Informationen darüber, ob versorgende Gefäße verschlossen werden, und das<br />
Kraft-Zeit-Integral gibt H<strong>in</strong>weise über die Dauer dieses Verschlusses.<br />
Für das Gefahrenpotenzial ist e<strong>in</strong> sehr hoher, aber nur kurz wirken<strong>der</strong> Druck<br />
weniger relevant als e<strong>in</strong> mittlerer Druck, <strong>der</strong> über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum<br />
wirkt. Wie oben bereits erwähnt, haben das Körpergewicht und die<br />
Ganggeschw<strong>in</strong>digkeit e<strong>in</strong>en direkten E<strong>in</strong>fluss auf das Kraft-Zeit-Integral, so<br />
dass es nicht möglich ist, kritische Schwellwerte für diesen Parameter zu<br />
benennen.<br />
Stattdessen ist darauf zu achten, dass sich die Belastung zwischen Rück- und<br />
Vorfuß gleichmäßig verteilt.<br />
Abb. 3: Verteilung des Kraft-Zeit-Integrals <strong>in</strong> Fußzonen<br />
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Anwendungsbeispiele<br />
Diabetes<br />
Anhand e<strong>in</strong>es Beispiels soll im folgenden die Anwendung e<strong>in</strong>es elektronischen<br />
<strong>Fußdruck</strong>messsystems bei <strong>der</strong> Diabetikerversorgung verdeutlicht werden.<br />
Die Ausgangslage ist <strong>in</strong> Abbildung 4 a dargestellt, welche das Ergebnis <strong>der</strong><br />
<strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Straßenschuh, mit dem e<strong>in</strong> Kunde bei e<strong>in</strong>em<br />
<strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-Schuhmacher vorstellig wurde, repräsentiert. Das Problem ist <strong>in</strong><br />
diesem Fall <strong>der</strong> hohe Druck unter <strong>der</strong> rechten Großzehe.<br />
Der Druck liegt hier mit e<strong>in</strong>em Wert von 32 N/cm2 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Größenordnung, wie<br />
sie für den diabetischen Fuß sicher als kritisch anzusehen ist. Die Verteilung<br />
<strong>der</strong> Impulswerte ist <strong>der</strong> rechten Seite <strong>der</strong> Abbildung zu entnehmen. Hier ist <strong>der</strong><br />
Wert im Ballenbereich mit 158 Ns etwas höher als an <strong>der</strong> Ferse (106 Ns).<br />
Damit sollte dieser Diabetiker mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>lage, welche die rechte Großzehe<br />
entlastet, sowie mit e<strong>in</strong>em Schuh mit Ballenrolle und Sohlenversteifung<br />
versorgt werden. Die Ergebnisse dieser Versorgung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abbildung 4 b<br />
(l<strong>in</strong>ks – Druck, rechts - Impuls) dargestellt.<br />
Der Maximaldruck wurde im Vergleich zu dem ursprünglichen Straßenschuh<br />
deutlich reduziert (17 N/cm² zu 32 N/cm²). Allerd<strong>in</strong>gs führt dieser Schuh zu<br />
e<strong>in</strong>er dramatischen Verschlechterung des Kraft-Zeit-Integrals im<br />
Fersenbereich.<br />
Der Wert war mit etwa 279 Ns fast dreimal so hoch wie die ursprüngliche<br />
Ausgangslage. Mit diesem Ergebnis wäre nicht auszuschließen, dass <strong>der</strong><br />
Abb. 4a: Druckverteilung und Kraft-Zeit-Integral e<strong>in</strong>es Diabetikers ohne Versorgung<br />
Abb. 4b: Druckverteilung und Kraft-Zeit-Integral e<strong>in</strong>es Diabetikers mit Versorgung<br />
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Kunde beim Tragen dieser Schuh-E<strong>in</strong>lagen-Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong> Problem an <strong>der</strong><br />
Ferse bekommen könnte, da die Ballenrolle zu stark ausgeprägt war.<br />
Das dargestellte Fallbeispiel soll die Kontrollfunktion <strong>der</strong> elektronischen<br />
<strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diabetikerversorgung verdeutlichen. Hätte <strong>der</strong><br />
<strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>-<strong>Schuhtechnik</strong>er sich ausschließlich auf die räumliche<br />
Druckumverteilung zur Reduzierung <strong>der</strong> Druckmaxima beschränkt, so hätte<br />
<strong>der</strong> Kunde möglicherweise mit dem diabetischen Konfektionsschuh und <strong>der</strong><br />
angefertigten E<strong>in</strong>lage das Geschäft verlassen. Wie beschrieben, hätte dieses<br />
zu Problemen an <strong>der</strong> Ferse führen können.<br />
Sport<br />
Zur Beurteilung <strong>der</strong> Belastungen beim Marathonlauf wurden bei 6 Läufern die<br />
Druckverteilungen vor dem Lauf und direkt nach dem Ziele<strong>in</strong>lauf gemessen<br />
(Natrup, 2003).<br />
In Abbildung 5 s<strong>in</strong>d die Ergebnisse <strong>in</strong> den sechs Fußzonen jeweils vor dem Lauf<br />
(rote Säulen) sowie nach dem Lauf (grüne Säulen) gegenübergestellt.<br />
Die maximalen Druckwerte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen Zonen mit Ausnahme <strong>der</strong> Region Ferse<br />
nach dem Lauf ger<strong>in</strong>ger als vorher. Diese Druckreduzierung ist <strong>in</strong> den Zonen<br />
Längsgewölbe, Ballen zentral und Zehen statistisch nachweisbar (p=0,05).<br />
Ebenso ist die deutliche Drucksteigerung um etwa 25 % an <strong>der</strong> Ferse<br />
signifikant. Damit ist <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e Belastungsverlagerung vom Vor- auf den<br />
Rückfuß festzustellen, und die Versorgung von Marathonläufern sollte sich<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf e<strong>in</strong>e gute Fersendämpfung konzentrieren.<br />
Abb. 5: Maximaldruckverteilung <strong>in</strong> den Fußzonen vor und nach e<strong>in</strong>em Marathonlauf<br />
Dr. J. Natrup : <strong>Elektronische</strong> <strong>Fußdruck</strong><strong>messung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik
Literatur:<br />
Baumann, W., Müller, N., Brust, G.: Grundlegende Begriffe und Anwendungsaspekte <strong>der</strong> elektronischen<br />
Druckverteiluns<strong>messung</strong> am Fuß, <strong>in</strong>: Mediz<strong>in</strong>isch-<strong>Ortho</strong>pädische Technik, 1, 1994, 6-13<br />
Cavanagh, PR, Ulbrecht, JS: Cl<strong>in</strong>ical plantar pressure measurement <strong>in</strong> diabetes: rationale and methodology, <strong>in</strong>:<br />
The foot , 4, 1994, 123-135<br />
Drerup, B, Wetz, HH: Der E<strong>in</strong>fluß <strong>der</strong> Fußbettung und Schuhzurichtung auf die plantare Druckverteilung.<br />
Mediz<strong>in</strong>isch <strong>Ortho</strong>pädische Technik 3, 2000, 84-90<br />
Natrup, J.: Plantare Druckverteilung – vor und nach dem Marathon, <strong>in</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik, 5, 2003, 44-49<br />
Natrup, J.: Druckverteilungs<strong>messung</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diabetikerversorgung, <strong>in</strong> <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik, 6, 2008, 30-34<br />
Nicol, K., Hennig, E.M.: Time Dependend Method for Measur<strong>in</strong>g Force Distribution Us<strong>in</strong>g a Flexible Mat as<br />
Capacitor, <strong>in</strong>: Komi, P.V.: Biomechanics V-B, Baltimore, 1976, 433-440<br />
Nicol, K., Rusteberg, D.: Pressure Distribution on Mattresses, <strong>in</strong>: Journal of Biomechanics, 26 (12), 1993, 1479-<br />
1486<br />
Studiengeme<strong>in</strong>schaft<br />
für <strong>Ortho</strong><strong>pädie</strong>schuhtechnik<br />
Hannover e.V. Fachvorträge: Samstag 28. Februar 2009