Christian springt bei der WM in die Weltspitze - ABC Ludwigshafen
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Mittwoch, 22. August:<br />
In <strong>der</strong> ersten Nacht hier <strong>in</strong> Japan habe ich sehr<br />
gut geschlafen. Nach dem Mittagessen wurde<br />
ich aber doch etwas müde. Nach e<strong>in</strong>er Stunde<br />
Mittagsschlaf habe ich heute Nachmittag <strong>die</strong><br />
erste Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heit absolviert: Lockeres E<strong>in</strong>laufen,<br />
Gymnastik und Laufschule. Auch morgen<br />
werde ich noch e<strong>in</strong>mal locker tra<strong>in</strong>ieren. Die<br />
ersten Tage soll man hier nicht zu viel tra<strong>in</strong>ieren,<br />
somit verläuft <strong>die</strong> Anpassung besser. Das Wetter<br />
ist hier wirklich optimal zum Tra<strong>in</strong>ieren, angenehme<br />
25°C und Sonne. Heute Mittag hat mich<br />
<strong>der</strong> Koch des Hotels darum gebeten me<strong>in</strong>em Namen<br />
aufzuschreiben. Beim Versuch <strong>die</strong>sen auszusprechen<br />
offenbarte er dann <strong>die</strong> Schwäche<br />
<strong>der</strong> Asiaten für den Buchstaben „R“. Dennoch<br />
war er sehr bemüht und schaffte es am Ende<br />
sogar me<strong>in</strong>en Nachnamen richtig auszusprechen.<br />
Am Nachmittag habe ich dann 500 mal<br />
me<strong>in</strong>e Unterschrift auf Grusskarten geschrieben.<br />
Diese Karten mit Autogrammen <strong>der</strong> ganzen<br />
Mannschaft gehen am Ende <strong>der</strong> Weltmeisterschaft<br />
dann unter an<strong>der</strong>em an <strong>die</strong> Sponsoren<br />
des DLV. Jetzt geh´ ich mal zum Abendessen,<br />
schönen Tag Euch allen!<br />
Donnerstag, 23. August:<br />
Die ersten <strong>bei</strong>den<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten im<br />
<strong>WM</strong>-Vorbereitungslager<br />
<strong>in</strong> Shibetsu liegen<br />
h<strong>in</strong>ter mir. Nachdem<br />
ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten<br />
E<strong>in</strong>heit nur e<strong>in</strong> lockeres<br />
Aufwärmprogramm absolviert habe, kamen<br />
heute noch drei 60-m-Läufe h<strong>in</strong>zu. Uli Knapp,<br />
<strong>der</strong> Bundestra<strong>in</strong>er des Frauen-Weitsprung und<br />
Heimtra<strong>in</strong>er von Bianca Kappler, „kontrollierte“<br />
mit <strong>der</strong> Stoppuhr me<strong>in</strong>e Verfassung und <strong>die</strong><br />
sche<strong>in</strong>t recht gut se<strong>in</strong>, denn so schnell war ich<br />
bisher noch nie. Die nächsten <strong>bei</strong>den Tage tra<strong>in</strong>iere<br />
ich dann zur Quali-Wettkampfzeit. Morgen<br />
früh steht dann e<strong>in</strong> kurzes Kraftprogramm an.<br />
Mit <strong>der</strong> optimalen Spannung <strong>in</strong> den Be<strong>in</strong>en folgt<br />
dann zum Abschluss e<strong>in</strong>e hoffentlich erfolgreiche<br />
Technike<strong>in</strong>heit. Und dann geht`s ja auch<br />
schon bald <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>WM</strong> Stadt.<br />
Überhaupt besteht <strong>der</strong> Tagesablauf überwiegend<br />
aus Tra<strong>in</strong>ieren, Essen, Schlafen und Physiotherapie.<br />
Langweilig wird`s hier aber trotzdem nie.<br />
Viele haben eigene Laptops da<strong>bei</strong> o<strong>der</strong> nutzten,<br />
so wie ich, den PC <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hotel Lobby, um im<br />
Internet zu surfen, zu chatten o<strong>der</strong> auch zum<br />
Telefonieren. Das Highlight des heutigen Tages<br />
war sicherlich <strong>die</strong> E<strong>in</strong>ladung des Bürgermeisters<br />
von Shibetsu zum geme<strong>in</strong>samen Barbecue. Den<br />
netten Worten unserer japanischer Gastgeber<br />
und e<strong>in</strong>er Dankesrede durch Siegfried Schonert<br />
im Namen des ganzen DLV Teams, folgte e<strong>in</strong> netter<br />
Grillabend mit vielen Köstlichkeiten aus <strong>der</strong><br />
japanischen Küche. Mit den drei Zehnkämpfern<br />
und André Höhne machte ich mich dann, nicht<br />
wie geplant mit dem Bus, son<strong>der</strong>n zu Fuß auf<br />
den Rückweg zum Hotel. Somit hat sich das<br />
schlechte Gewissen, dass ich durch me<strong>in</strong>en vollen<br />
Magen hatte, dann schnell wie<strong>der</strong> gelegt.<br />
Zu Hause war Juri Tscherer wohl schon<br />
ziemlich nervös, denn er schrieb <strong>Christian</strong><br />
<strong>in</strong>s Gästebuch nach Japan; „Hallo <strong>Christian</strong>,<br />
bitte ke<strong>in</strong>e Heldentaten vor dem Wettkampf,<br />
ke<strong>in</strong>e Weltrekorde im Kraftraum<br />
und beson<strong>der</strong>s ke<strong>in</strong>e auf <strong>der</strong> Weitsprunganlage.“<br />
<strong>Christian</strong> beruhigte ihn: „Hallo<br />
Juri, ich werde mich zurückhalten, <strong>die</strong> Heldentaten<br />
möchte ich dann <strong>in</strong> Osaka am<br />
Mittwoch zeigen. Kraftra<strong>in</strong><strong>in</strong>g verlief heute<br />
morgen sehr gut.“<br />
Freitag, 24. August:<br />
Me<strong>in</strong> Tag begann heute mal etwas früher, genauer<br />
gesagt um 7 Uhr. Nach dem Frühstück um<br />
8.00 g<strong>in</strong>g´s um 10.30 zum Krafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Um 12<br />
Uhr gab´s dann schon wie<strong>der</strong> Mittagessen. Die<br />
heutige Mannschaftsbesprechung im Stadion<br />
kolli<strong>die</strong>rte dann lei<strong>der</strong> mit me<strong>in</strong>em Mittagsschlaf,<br />
den ich mir hier angewöhnt habe. Bei <strong>der</strong><br />
Besprechung wurden uns dann unter an<strong>der</strong>em<br />
<strong>die</strong> Qualifikationsleistungen für den direkten E<strong>in</strong>zug<br />
<strong>in</strong>s F<strong>in</strong>ale genannt. 8,15 m müsste ich am<br />
Mittwoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Qualifikation schon spr<strong>in</strong>gen um<br />
sicher im F<strong>in</strong>ale zu stehen o<strong>der</strong> ich gehöre zu<br />
den 12 Besten nach <strong>der</strong> Qualifikation.<br />
Der heutige Tag war <strong>der</strong> bisher schönste seit<br />
me<strong>in</strong>er Ankunft hier. 28 Grad und Sonne pur. Am<br />
Nachmittag habe ich mir, zusammem mit Eike<br />
Onnen, nichtsahnend was für e<strong>in</strong> Abenteuer auf<br />
mich wartet, Fahrrä<strong>der</strong> ausgeliehen. Bereits<br />
nach wenigen Metern machte mich Eike darauf<br />
aufmerksam, dass wir gerade auf <strong>der</strong> falschen<br />
Straßenseite unterwegs s<strong>in</strong>d. Dieser L<strong>in</strong>ksverkehr.<br />
In <strong>der</strong> Stadt von Shibetsu angekommen er<strong>in</strong>nerte<br />
ich mich an e<strong>in</strong>en Film mit Woody Allen<br />
(Scoop – Der Knüller), den ich mir erst kürzlich<br />
angesehen habe. In <strong>die</strong>sem Film wird ihm, kurz<br />
vor Ende des Filmes, <strong>der</strong> L<strong>in</strong>ksverkehr zum tötlichen<br />
Verhängnis. Vorsicht war also geboten.<br />
Nach e<strong>in</strong>em kurzen Besuch im kunterbunten<br />
E<strong>in</strong>kaufszentrum <strong>der</strong> Stadt musste Eike zurück<br />
zum Hotel. Er hatte noch e<strong>in</strong>en Physioterm<strong>in</strong>. Ich<br />
blieb zurück, denn ich wollte unbed<strong>in</strong>gt noch e<strong>in</strong><br />
wenig Geld wechseln. Und das wurde ganz<br />
schön abenteuerlich. Englisch hilft dir, zum<strong>in</strong>dest<br />
9<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong>ser japanischen Stadt, nicht wirklich weiter<br />
und so bereute ich es e<strong>in</strong> bisschen, dass ich e<strong>in</strong><br />
paar Semester Spanisch und nicht Japanisch<br />
stu<strong>die</strong>rt habe. Nachdem mich <strong>der</strong> erste Japaner<br />
gar nicht erst verstanden hatte, konnte mir <strong>der</strong><br />
Zweite schon mehr helfen. Das Wort „Bank“<br />
reichte aus und er begann mir den Weg zur erklären.<br />
Lei<strong>der</strong> auf Japanisch. Auf Englisch fügte<br />
er „three o´clock“ und „closed“ h<strong>in</strong>zu. Dies<br />
machte <strong>die</strong> ganze Sache nicht leichter, denn es<br />
war bereits 16 Uhr. Ganz so schnell wollte ich<br />
aber nicht aufgeben und als ich e<strong>in</strong> Gebäude mit<br />
<strong>der</strong> Aufschrift „Post Office“ vor mir sah keimte<br />
e<strong>in</strong> wenig Hoffnung <strong>in</strong> mir auf. Also re<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Post und fragen. „Do you speak english?“ –<br />
„No“, egal „Can you change money“ – „oh<br />
money, money, ok“. Dann g<strong>in</strong>gs wie<strong>der</strong> auf japanisch<br />
weiter, ich verstand nichts und man zeigte<br />
Über L<strong>in</strong>ksverkehr,<br />
japanische Bürokratie<br />
und Schlangen<br />
auf e<strong>in</strong>en Automaten. Ich zog e<strong>in</strong>en Zettel mit<br />
e<strong>in</strong>er Nummer heraus. Es war e<strong>in</strong>e Wartenummer.<br />
Und wer denkt nur <strong>in</strong> Deutschland herrscht<br />
Bürokratie, liegt absolut falsch. Ich stand weit<br />
und breit alle<strong>in</strong>e im Office und sollte e<strong>in</strong>e Nummer<br />
ziehen. Naja, nach 10 Sekunden warten<br />
leuchtete me<strong>in</strong>e Nummer bereits auf. Ich gab<br />
ihm das deutsche Geld und freute mich auf <strong>die</strong><br />
ersten Yen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand. Bevor es so weit war<br />
notierte er akribisch genau <strong>die</strong> Anzahl je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />
Note. Danach überprüfte er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Ordner <strong>die</strong> Echtheit des ihm unbekannten Geldes.<br />
Man bat mir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit e<strong>in</strong>en Sitzplatz<br />
an, <strong>in</strong>sgesamt war ich schon 15 M<strong>in</strong>uten<br />
am Schalter. Mit e<strong>in</strong>em kurzen „Aligato“ bedankte<br />
ich mich <strong>bei</strong> dem Herrn und verließ das<br />
Gebäude, <strong>in</strong> dem ich sicherlich für große Aufregung<br />
gesorgt habe.<br />
Samstag, 25. August:<br />
Endlich geht es los!<br />
Die e<strong>in</strong>wöchigen<br />
Leichtathletik-Weltmeisterschaften<br />
<strong>in</strong><br />
Osaka haben heute<br />
um 17 Uhr (Ortszeit)<br />
mit <strong>der</strong> Eröffnung im Nagai-Stadion offiziell<br />
begonnen. Zu <strong>die</strong>ser Zeit lag ich allerd<strong>in</strong>gs noch<br />
mehrere tausend Kilometer entfernt <strong>in</strong> Shibetsu<br />
auf <strong>der</strong> Massagebank. Im Anschluss an me<strong>in</strong>e<br />
Behandlung konnte ich dann aber noch <strong>die</strong><br />
Zeremonie am Fernseher verfolgen. Es ist schon<br />
e<strong>in</strong> merkwürdiges Gefühl aus Ungeduld und<br />
Vorfreude, wenn man <strong>die</strong> Bil<strong>der</strong> des gut besuchten<br />
Stadions sieht und weiss, dass man <strong>in</strong> weni-