„Es braucht keiner Angst zu haben“ - DIE NOVUM
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27. Oktober 2010 Hintergrund die novum 3<br />
Wo früher am Horizont Kirchtürme <strong>zu</strong> sehen waren, schauen heut<strong>zu</strong>tage die Flügelrotoren der Windkraftanlagen hervor. Ein Anblick, den viele Bürger als störend empfinden.<br />
Halbzeit beim Fußballspiel<br />
deutschland gegen Kasachstan.<br />
deutschland benötigt in diesem Augenblick<br />
eine große Menge an Strom.<br />
derzeit dienen noch Kohle- und<br />
Kernkraftwerke <strong>zu</strong>r Sicherstellung der<br />
Grundlast. Zukünftig jedoch sollen<br />
das erneuerbare Energien übernehmen.<br />
doch wie wollen Politik und vor allem<br />
Forschung dieses Ziel umsetzen, wenn<br />
durch Windflauten an diesem Fußballabend<br />
die Windkraftanlagen stehen<br />
und durch dämmerung der Sonnenstrom<br />
nicht genutzt werden kann?<br />
Wetterabhängig<br />
Erst letzte Woche warnte die deutsche<br />
Energie-Agentur vor Überlastung<br />
der Stromnetze durch aus Sonnenkraft<br />
gewonnene Energie. „Wir bekommen<br />
durch die Masse an Photovoltaik ein<br />
Riesenproblem in den Stromnetzen,<br />
das bisher kaum beachtet wurde“, so<br />
Stephan Kohler, Chef der deutschen<br />
Energie-Agentur, „denn die netze und<br />
Speicher in deutschland sind auf die<br />
stark schwankenden Solarstrommengen<br />
nicht eingestellt.“ Erneuerbare Energien<br />
sind somit stark vom Wetter abhängig,<br />
wobei Kohle- und Kernkraftanlagen unabhängig<br />
von der natur funktionieren.<br />
Energieflauten bzw. Energieüberlastungen<br />
sind die Folgen. daher fordert<br />
Kohler eine drastische Einschränkung<br />
des Ausbaus von Solarstromanlagen<br />
und eine drosselung der Energieerzeugung<br />
von circa neun auf ein Gigawatt<br />
pro Jahr. Auch die Marktforscher sehen<br />
die Situation kritisch. diese erwarten<br />
Im Hype um erneuerbare Energien werden oft die Nachteile<br />
übersehen. Ein Blick hinter Solar-, Wind- und Biokraftwerke.<br />
sogar eine Verdopplung im neubau<br />
der Photovoltaikanlagen für dieses und<br />
kommendes Jahr.<br />
Ein Trend, der weitere Probleme nach<br />
sich zieht. denn bisher decken die Erneuerbaren<br />
Energien erst ein Viertel<br />
des Gesamten Energiebedarfs ab. So<br />
gibt die Pressestelle des von der RWE<br />
AG betriebenen Kernkraftwerks Emsland<br />
an, dass nach Abschalten jeglicher<br />
Kernkraftwerke in deutschland ab frühestens<br />
2020 ein gesunder Energiemix<br />
vor allem im kontinuierlichen Strombedarf<br />
nicht mehr gegeben sei.<br />
das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“,<br />
das überarbeitet am 1. Januar 2009 in<br />
Kraft getreten ist, macht es den Betreibern<br />
der Kraftanlagen nicht einfacher.<br />
das Papier sieht vor, dass die Energieversorger<br />
keinen Strom aus Windenergie<br />
abweisen dürfen und dadurch <strong>zu</strong>m<br />
Ausgleich ihre Kraftwerke drosseln<br />
müssen. durch den immer mehr <strong>zu</strong>nehmenden<br />
Anteil der erneuerbaren Energien<br />
im deutschen Strommix lassen<br />
sich die klassischen Kraftwerke immer<br />
schlechter ausnutzen.<br />
Kostspielig<br />
Es ist also eine juristische Zwickmühle<br />
sowohl für die klassischen Energieversorger<br />
als auch für die normalverbraucher.<br />
denn mehr Solarenergie bedeutet<br />
gleichzeitig höhere Stromkosten. So<br />
wird die Umlage <strong>zu</strong>r Förderung des<br />
Ökostroms im kommenden Jahr von<br />
2,047 Cent auf 3,530 Cent pro Kilowattstunde<br />
angehoben. dies teilten<br />
die vier netzbetreiber der deutschen<br />
Naturgewalt<br />
Stromnetze Amprion, EnBW, Transpower<br />
Stromübertragungs GmbH und 50<br />
Hertz Transmission mit.<br />
Grundsätzlich macht es auch die Regierung<br />
den Bürgern deutschlands<br />
durch Subventionen sehr schmackhaft,<br />
solche Anlagen <strong>zu</strong> bauen.Ab 2011 soll<br />
der Trend jedoch aufgehalten werden.<br />
dann wird die Vergütung für den Bau<br />
von neuanlagen um 13 Prozent gesenkt.<br />
dies beschloss der Gesetzgeber<br />
in diesem Jahr und reagiert damit auf<br />
das Marktwachstum und der damit<br />
verbundenen möglichen Kostensenkung.<br />
doch auch dies wird den Boom<br />
der Anlagen nicht stoppen, so erwarten<br />
es <strong>zu</strong>mindestens die Marktbeobachter.<br />
Auch ästethisch sind die neuen Formen<br />
der Energiegewinnung durchaus streitbar:<br />
Große Windkraftanlagen stören<br />
schöne Landschaftspanoramen, Wolken<br />
spiegeln sich in zahlreichen Photovoltaikanlagen.<br />
Ein Anblick, der viele<br />
Bürger ärgert.<br />
Gefährlich<br />
dass Photovoltaikanlagen der Feuerwehr<br />
beim Einsatz große Probleme bereiten,<br />
weiß auch kaum jemand. Sowohl<br />
bei Tageslicht als auch bei Flutlichtern in<br />
der nacht erzeugen Photovoltaikanlagen<br />
ständig Spannung. das Ausschalten<br />
der Anlage ist technisch unmöglich. So<br />
kann ein unvorsichtiger Lebensretter im<br />
Einsatz auch von einer vom Stromkreis<br />
getrennten Solaranlage einen Stromschlag<br />
von bis <strong>zu</strong> 1000 Volt bekommen.<br />
Auch die Windkraftparks machen vor<br />
allem naturschützern große Sorgen.<br />
So fliegen immer wieder Vögel in die<br />
Anlagen hinein. „Besonders im Wald<br />
und auf dem Wasser haben sie große<br />
Probleme mit diesen bis <strong>zu</strong> 100 Meter<br />
großen Riesen“, so dr. Hötker vom Michael-Otto-Institut<br />
des naturschutzbundes.<br />
Für viele Bürger sind die Windräder<br />
demnach auch nur hässliche,<br />
schattenwerfende Ungetüme anstatt<br />
energieeffiziente Anlagen.<br />
Umweltschädlich<br />
Ebenso zerstören Staudämme die Umwelt.<br />
dabei spielen vor allem Tiere die<br />
kleinste Rolle: Fische schwimmen in<br />
die Turbinen der Wasserkraftwerke hinein,<br />
sodass schon ganze Arten ausgemerzt<br />
wurden. doch auch Menschen<br />
müssen dem Bau durch große Umsiedlungsaktionen<br />
weichen.<br />
neben Wind- und Solarenergie geht<br />
auch die Gewinnung von Energie<br />
aus Biomasse mit dem Trend. Gerade<br />
hier konkurriert der Anbau von<br />
Energiepflanzen auf Anbauflächen<br />
mit der nahrungsmittelproduktion<br />
und der notwendigkeit des Schutzes<br />
natürlicher Ökosysteme. Wenn sogar<br />
für den Anbau von Energiepflanzen<br />
Regenwälder abgeholzt werden, kann<br />
die Energiegewinnung aus Biomasse<br />
in der Summe auch klimaschädlich<br />
sein. So ist die nut<strong>zu</strong>ng von Erneuerbaren<br />
Energien nicht automatisch<br />
sinnvoll, sondern <strong>braucht</strong> klare Regeln<br />
für eine nachhaltige Zukunft.<br />
Eine Aufgabe sowohl für Forschung<br />
als auch Politik.<br />
André Baumjohann<br />
Michael Senst