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Newsletter arbeitsrecht DeZeMber 2012 - Thomsen Rechtsanwälte

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Dezember <strong>2012</strong> Seite: 1Stabelstraße 10D-76133 Karlsruhe<strong>Newsletter</strong> <strong>arbeitsrecht</strong>DEZEMBER <strong>2012</strong>Tel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deBGH, Urteil vom 25.10.<strong>2012</strong> – III ZR 266/11 -Haftung des Betriebsrates für BeraterhonorarBAG, Urteil vom 14.11.<strong>2012</strong> – 5 AZR 886/11 –Arbeitgeber dürfen ärztliches Attest ab dem 1. Tagder Arbeitsunfähigkeit verlangenBAG, Urteil vom 15.11.<strong>2012</strong> – 6 AZR 339/11 –Unwirksamkeit einer Kündigung in der Probezeitwegen Falschbeantwortung einer unzulässigen Frage bei der BewerbungBAG, Urteil vom 20.11.<strong>2012</strong> – 1 AZR 611/11 –Kirchliche Einrichtungen dürfen die Aufnahme von Tarifverhandlungen von derEinhaltung einer Friedenspflicht abhängig machen. Ein ohne Rücksicht daraufausgerufener Streik der Gewerkschaft ist unzulässigBAG, Urteil vom 11.12.<strong>2012</strong> - 3 AZR 684/10Hinterbliebenenversorgung eingetragener LebenspartnerBAG, Urteil vom 11.12.<strong>2012</strong> – 9 AZR 227/11Kein Anspruch auf Dank und gute Wünsche im ArbeitszeugnisArbeitsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 07.11.<strong>2012</strong> – 6 Ca 1749/12 –Außerordentliche Kündigung bei Bedrohung des Vorgesetztentrotz langer Betriebszugehörigkeit wirksamVG Köln, Urteil vom 22.11.<strong>2012</strong> – 1 K 4015/11Urlaubstage und gesetzliche Feiertage sind keine AusgleichstageEuGH, Urteil vom 06.12.<strong>2012</strong> – C-152/11 „Odar/Baxter“Ein Sozialplan darf eine geringere Entlassungsabfindung fürArbeitnehmer vorsehen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 3Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.dein der Hand, den Betriebsrat über den durch das Betriebsverfassungsgesetzgesetzten Rahmen hinaus als Vermögenssubjektzu installieren. Soweit der Betriebsrat nicht vermögensfähig ist,besitzt er auch keine Rechtsfähigkeit zum Abschluss von Vereinbarungen,durch die eigene vermögensrechtliche Ansprüche begründetwerden sollen. Er kann außerhalb seines gesetzlichenWirkungskreises nicht als Rechtssubjekt Geschäfte tätigen undselbst Gläubiger oder Schuldner privatrechtlicher Forderungenwerden.SACHVERHALT:Der Betriebsrat eines an mehreren Standorten tätigen Unternehmensmit mehr als 200 Arbeitnehmern hatte den Beschlussgefasst, sich in einem Verfahren über einen Interessenausgleichgemäß § 111 S. 2 BetrVG von einem Unternehmensberater betriebswirtschaftlichberaten zu lassen. Der Betriebsratsvorsitzendeerteilte dem Unternehmensberater einen entsprechenden Beratungsauftrag.Der Unternehmensberater verlangte sein Honorarsowohl vom Betriebsrat als Gremium als auch vom Betriebsratsvorsitzendenund dessen Stellvertreter.ENTSCHEIDUNG:Der BGH wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidungan das Oberlandesgericht zurück. Unter Bezugnahme aufdie BAG-Rechtsprechung zur Vermögens- und Rechtsfähigkeitdes Betriebsrates im Verhältnis zum Arbeitgeber sei der Betriebsratauch hier im Verhältnis zu dem Unternehmensberaterrechtsfähig. Ein Vertrag, den der Betriebsrat zu seiner Unterstützunggemäß § 111 S. 2 BetrVG mit einem Beratungsunternehmenschließe, sei nur wirksam, wenn die vereinbarte Beratungzur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates erforderlich und


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 4Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.dedas entsprechende Entgelt marktüblich sei. Nur unter dieseneinschränkenden Voraussetzungen habe der Betriebsrat einenKostenerstattungs- und Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgebergemäß § 40 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat sei deshalbnur soweit vermögens- und rechtsfähig, soweit der Kostenerstattungs-und Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeberreiche.Schutzwürdige Interessen des Beraters stünden einer solchenBegrenzung der Vertragswirksamkeit nicht entgegen. Die Grenzendes Spielraums, den der Betriebsrat bei der Beurteilungder Erforderlichkeit der Beratung habe, seien in dem Interesseseiner Funktions- und Handlungsfähigkeit nicht zu eng zu ziehen.Überschreite der Betriebsratsvorsitzende die Grenzen beider Beauftragung zur Beratung des Unternehmens dennoch, seider von ihm für den Betriebsrat geschlossene Vertrag unwirksam.Der Betriebsratsvorsitzende könne allerdings gegenüberdem Unternehmensberater entsprechend den Grundsätzendes Vertreters ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB haften.Eine Haftung bestehe nicht, wenn der Unternehmensberater diemangelnde Erforderlichkeit der Beratung kannte oder kennenmusste.FAZIT:Das Verfahren zeigt, wie unangenehm es für den Betriebsratwerden kann, wenn er ohne vorherige Zustimmung des Arbeitgeberseinen Beratungsauftrag an einen externen Berater odereinen Sachverständigen erteilt. In der Regel wird der Betriebsratallerdings auf Kosten des Arbeitgebers zuerst den Freistellungsprozessim Beschlussverfahren führen. Ist der Berater Rechtsanwalt,erwirbt er im Zweifel für dieses Verfahren einen Gebührenanspruchund wird die Einziehung seiner Rechnung gegenden Betriebsrat bis zur Rechtskraft der Entscheidung über denFreistellungsanspruch zurückstellen.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 5Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deBAG, Urteil vom 14.11.<strong>2012</strong> – 5 AZR 886/11 –Arbeitgeber dürfen ärztliches Attest ab dem1. Tag der Arbeitsunfähigkeit verlangenEINLEITUNG:Nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeberseine Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauerunverzüglich anzeigen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger alsdrei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer spätestens am darauffolgendenArbeitstag eine Bescheinigung über das Bestehender Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauervorzulegen (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG). Der Arbeitgeber kann gem.§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG vom Arbeitnehmer auch verlangen, dieärztliche Bescheinigung schon vor Ablauf des dritten Kalendertagesfür den Zeitraum ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeitvorzulegen.Strittig war bisher, ob die Anforderung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungschon ab dem 1. TAG der Erkrankung billigemErmessen unterliegt und daher im Streitfall auch gerichtlichüberprüft werden kann oder ob diese Entscheidung vom Arbeitgebernicht begründet werden muss.SACHVERHALT:Eine bei einer Rundfunkanstalt beschäftigte Redakteurin stelltebei ihrem Vorgesetzten für den 30.11.2010 einen Dienstreiseantrag.Der Arbeitgeber lehnte den Dienstreiseantrag ab. Aucheine am Vortag der beabsichtigten Dienstreise an den Arbeitgebergerichtete Anfrage wurde abschlägig beschieden. Nachdemsich die Redakteurin für den 30.11.2010 krankmeldete, wies


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 6Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.desie der Arbeitgeber an, in Zukunft schon ab dem 1. Krankheitstagein ärztliches Attest vorzulegen. Die Redakteurin sah sichdurch diese Anweisung in ihren Rechten verletzt. Die Aufforderung,schon ab dem 1. Tag einer Erkrankung ein ärztliches Attestvorzulegen, bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung. Der einschlägigeTarifvertrag sehe ein solches Recht nicht vor.ENTSCHEIDUNG:Die Klage der Redakteurin blieb in allen Instanzen erfolglos. DasBAG bestätigte, dass der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZGschon ab dem 1. Tag einer Erkrankung einer AU-Bescheinigungverlangen könne. Ob er von diesem Recht Gebrauch mache,stehe in seinem freien Ermessen, das an keine besonderenVoraussetzungen gebunden sei. Ein begründeter Verdacht, derMitarbeiter habe eine Erkrankung nur vorgetäuscht, sei nichtnotwendig. Eine Tarifregelung stehe nur entgegen, wenn sie dasRecht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG ausdrücklichausschließe. Das war in dem hier zu entscheidenden Fall nichtgeschehen.FAZIT:Das BAG hat damit eine bisher offene Rechtsfrage im Zusammenhangmit der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungengeklärt. Die Aufforderung, abweichend vom Regelfallbereits ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit die Vorlage einesärztlichen Attestes zu verlangen, bedarf keiner Begründung. InBetrieben mit Betriebsrat muss der Arbeitgeber allerdings dasMitbestimmungsrecht des Betriebsrates beachten, wenn er generellfür alle Arbeitnehmer im Betrieb schon ab dem 1. Tag derArbeitsunfähigkeit die Vorlage eines Attestes verlangt


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 7Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deBAG, Urteil vom 15.11.<strong>2012</strong> – 6 AZR 339/11 –Unwirksamkeit einer Kündigung in der Probezeitwegen Falschbeantwortung einer unzulässigenFrage bei der BewerbungEINLEITUNG:In einem Bewerbungsverfahren ist die Frage eines Arbeitgebersnach Vorstrafen und/oder eingestellten Ermittlungsverfahrennur bedingt zulässig. Unzulässige Fragen können Bewerberohne negative Konsequenzen wahrheitswidrig beantworten.Arbeitgeber dürfen das Arbeitsverhältnis also nicht kündigen,weil der Stellenbewerber in Wahrnehmung seines informationellenSelbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig auf die unzulässigeFrage geantwortet hat.Eine Frage ist aber zulässig, wenn sie für den zu besetzendenArbeitsplatz relevant ist und nicht unverhältnismäßig in das Persönlichkeitsrechtdes Bewerbers eingreift. Daraus folgt, dassder Arbeitgeber nicht wahllos nach Vorstrafen fragen darf. Erist vielmehr auf solche Fragen beschränkt, die Auskunft darübergeben, ob die Vertragsdurchführung mit dem Bewerbererschwert sein kann. Ein Bankangestellter kann z.B. nach Vermögensstraftatengefragt werden. Bei einem Kindergärtner istdie Frage nach einer Vorstrafe wegen § 171 StGB zulässig. Trotzdes Ziels der Resozialisierung muss der Bewerber hinnehmen,dass aus seinem früheren Verhalten Schlüsse auf seine (fehlende)Qualifikation für eine bestimmte Tätigkeit gezogen werden.Diese arbeitsplatzbezogene Einschränkung des Fragerechts hatdas BAG auch nach Inkraftreten des Bundeszentralregistergesetzesaufrecht erhalten.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 8Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deSelbst bei einer Relevanz der Vorstrafe für die auszuübende Tätigkeitkann aber nicht jede Frage gestellt bzw. muss sie nichtbeantwortet werden. Das BAG hatte jetzt einen Fall entschieden,in dem ein Lehrer generell nach anhängigen Ermittlungsverfahrengegen ihn befragt und der Bewerber daraufhin wahrheitswidriggeantwortet hat.SACHVERHALT:Ein Lehrer bewarb sich beim Land Nordrheinwestfalen. Schonvor Abschluss des Anstellungsvertrages wurde ihm ein Vordruckvorgelegt, auf dem anzugeben war, ob der Stellenbewerbervorbestraft ist und zu versichern war, dass kein Ermittlungsverfahrengegen ihn anhängig ist oder während der vergangenendrei Jahre war. Der Lehrer unterzeichnete den Vordruck ohne eingegen ihn anhängiges Ermittlungsverfahren offenzulegen. EinenMonat später ging beim Land Nordrheinwestfalen ein anonymerHinweis ein, aufgrund dessen Auskünfte bei der Staatsanwaltschafteingeholt wurden. Die Vorgangsliste zur Person des Lehrerserhielt mehrere Ermittlungsverfahren, die nach §§ 153 ff.StPO eingestellt worden waren. Das Land Nordrheinwestfalenkündigte dem Kläger vor Ablauf der Wartefrist von 6 Monatennach dem Kündigungsschutzgesetz außerordentlich, hilfsweiseordentlich. Der Lehrer ist der Auffassung, er habe die bereitseingestellten Ermittlungsverfahren nicht angeben müssen.ENTSCHEIDUNG:Das BAG hielt sowohl die außerordentliche als auch die ordentlicheKündigung selbst in der Probezeit für unwirksam. DieFrage nach einem anhängigen Ermittlungsverfahren sei nachden datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrheinwestfalennur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift sie erlaube oder


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 9Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deder Betroffene einwillige. Nach § 29 LDSG Nordrheinwestfalendürfe der Arbeitgeber nur nach Daten frage, die für das Arbeitsverhältniserforderlich seien. Dazu gehört bei Lehrern nicht dieFrage nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren. Die Frageverstieße daher gegen das Datenschutzrecht und die Wertentscheidungdes § 53 BZRG. Außerdem griffe die Frage in dasRecht des Lehrers auf informationelle Selbstbestimmung ein,das Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2Abs. 1 GG sei. Eine Kündigung, die sich auf die wahrheitswidrigeBeantwortung einer Frage stütze, die ihrerseits die objektiveWertordnung des Grundgesetzes verletze, sei gemäß § 138Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher unwirksam.FAZIT:In Baden-Württemberg dürfen personenbezogene Daten vonBeschäftigten nur verarbeitet werden, soweit dies zur Eingehung,Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des DienstoderArbeitsverhältnisses oder zur Durchführung innerdienstlicherplanerischer, organisatorischer, personeller, sozialer oderhaushalts- und kostenrechnerischer Maßnahmen, insbesonderezu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes,erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift, ein Tarifvertrag odereine Dienst- oder Betriebsvereinbarung es vorsieht (§ 36 LDSGBa-Wü). Die Regelung entspricht damit in ihrem Wortlaut § 29Abs. 1 LDSG Nordrheinwestfalen, sodass eine nicht näher spezifizierteFrage nach Vorstrafen und/oder Ermittlungsverfahrenauch in Baden-Württemberg nach der Rechtsprechung des BAGnicht zulässig wäre. Ob der Fall anders zu beurteilen ist, wenngezielt nach Vorstrafen z.B. wegen sexueller Nötigung Schutzbefohlenerermittelt wurde, ist damit aber nicht entschieden.Besteht ein Zusammenhang mit des auszuübenden Tätigkeitdürften konkret darauf bezogene Fragestellungen einschließlichderer nach einschlägigen Vorstrafen oder anhängigen Ermittlungsverfahrenzulässig sein.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 10Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deBAG, Urteil vom 20.11.<strong>2012</strong> – 1 AZR 611/11 –Kirchliche Einrichtungen dürfen die Aufnahme von Tarifverhandlungenvon der Einhaltung einer Friedenspflicht abhängig machen. Ein ohneRücksicht darauf ausgerufener Streik der Gewerkschaft ist unzulässigEINLEITUNG:Ein Arbeitgeberverband, in dem kirchliche Einrichtungen organisiertsind, verlangt vor Aufnahme der Tarifverhandlungen mitden Gewerkschaften den Abschluss eines so genannten Grundlagentarifvertrages.Dieser Grundlagentarifvertrag verbietet Arbeitskampfmaßnahmen.Kommt in den Verhandlungen keineEinigung zustande, entscheidet stattdessen eine Schlichtungsstelleunter Vorsitz eines unparteiischen Schlichters. Diese fürdie Tarifauseinandersetzung in kirchlichen Einrichtungen etablierteVerfahren ist als so genannter „zweiter Weg“ bekannt.Nach bisher herrschender Meinung ist das Arbeitskampfrechtder Gewerkschaften in kirchlichen Einrichtungen eingeschränkt.Der für das Arbeitsrecht typische Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Gegensatz liegt bei Einrichtungen des kirchlichen Dienstes nichtvor, dass es des Arbeitskampfes zur Durchsetzung der Interessender Arbeitnehmer im Tarifkonflikt nicht bedürfe. Soweit dieKirche durch ihre Einrichtung ihren religiös geprägten Auftragerfülle, könne sie ihren Dienst nicht einstellen, um für Wahrungvon Interessen einen Arbeitskampf zu führen. KirchlicheArbeitgeber und Mitarbeiter bildeten eine vom Kirchenverständnisgetragene Dienstgemeinschaft. Für die Einrichtung in derGlaubensverkündigung der Werke der Nächstenliebe gebe dieKirche ihren Sendungsauftrag preis, wenn sie ihren Dienst denVoraussetzungen des Tarifvertragssystems unterordnen müsse.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 11Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deDie Bischofe der katholischen Kirche haben in ihrer Erklärungzum kirchlichen Dienst vom 22.09.1993 festgestellt: „Streikund Aussperrung widersprechen den Grunderfordernissen deskirchlichen Dienstes. Auch für die evangelische Kirche ist das„Selbstverständnis der kirchlichen Mitarbeit mit solchen tarifrechtlichenGestaltungsformen unvereinbar, die einen Streikoder eine Aussperrung innerhalb der Kirche als Kampfmittel zurLösung von Konflikten vorsehen“.SACHVERHALT:Der Bundesverband des Marburger Bundes forderte den Arbeitgeberverbandzu Tarifverhandlungen auf, ohne sich zuvorauf den Verzicht auf Arbeitskampfmaßnahmen einzulassen.Daraufhin bestreikte ein Landesverband der Gewerkschaft einDiakonisches Krankenhaus. Der Arbeitgeberverband klagte aufFeststellung, dass der Arbeitskampf unzulässig war.ENTSCHEIDUNG:Das BAG bestätigte die grundsätzliche Zulässigkeit des zweitenWeges. Die Entscheidung des kirchlichen Arbeitgeberverbandesfür ein dem Bekenntnis gemäß modifiziertes Tarifvertragsverfahrenim zweiten Weg falle unter das kirchliche Selbstbestimmungsrechtaus Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Abs. 3WRV, Artikel 4 GG. Es kollidiere zwar mit dem Koalitionsrechtder Gewerkschaft nach Artikel 9 Abs. 3 GG. Nach Abwägungder widerstreitenden Grundrechte müsse das Streikinteresseder Gewerkschaft jedoch zurücktreten. Schließlich sei sichergestellt,dass sie sich auf dem zweiten Wege unmittelbar undintensiv koalitionsmäßig betätigen könne. Die Tarifabschlüsselegten verbindlich Mindestarbeitsbedingungen fest. Entscheidesich daher die Kirche, die Verhandlungen nur bei einer absolu-


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 12Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deten Friedenspflicht und einem Schlichtungsabkommen aufzunehmen,gelte ein Streikverbot.FAZIT:Die Entscheidung des BAG zum so genannten zweiten Weg istmit großer Spannung erwartet worden. Das BAG wird in denEntscheidungsgründen, die noch nicht abgesetzt sind, ausführlichzum Selbstbestimmungsrecht der Kirche, aus dem dasStreikverbot abzuleiten ist, Stellung nehmen und gegen die Koalitionsfreiheitaus Artikel 9 GG, dessen Ausdruck das Streikrechtist, gründlich abwägen, so dass die jeweiligen Grenzliniendeutlich hervortreten.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 13Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deBAG, Urteil vom 11.12.<strong>2012</strong> - 3 AZR 684/10Hinterbliebenenversorgung eingetragener LebenspartnerEINLEITUNG:Das Dritte Senat des BAG entschied bereits in seinem Urteil vom14.1.2009 – 3 AZR 20/07 –, dass Überlebende einer eingetragenenLebenspartnerschaft aus Gründen der Gleichbehandlungeinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben können, wennfür Ehegatten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgungeine dahin gehende Zusage besteht.SACHVERHALT:Ein Herr A begründete im Jahr 2003 eine eingetragene Lebenspartnerschaftmit einem Dienstordnungsangestellten beieiner Berufsgenossenschaft. Nach § 6 der Dienstordnung derBerufsgenossenschaft gelten für die Versorgung die Vorschriftenfür Beamte des Bundes entsprechend. Im September 2007verstarb der eingetragene Lebenspartner des Herrn A.Mit seiner Klage machte Herr A eine Hinterbliebenenversorgungfür die Zeit vom 1. 10. 2007 bis zum 31. 12. 2008 geltend undhatte vor dem Dritten Senat des BAG, wie schon in den Vorinstanzen(LAG Niedersachsen - 3 Sa 540/10 B), Erfolg.ENTSCHEIDUNG:Sehe die Dienstordnung einer Berufsgenossenschaft für dieHinterbliebenenversorgung die entsprechende Geltung derVorschriften über die Versorgung für Beamte des Bundes vor,so habe der hinterbliebene eingetragene Lebenspartner desDienstordnungsangestellten seit dem 1. 1. 2005 einen An-


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 14Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.despruch auf Hinterbliebenenversorgung wie Hinterbliebeneverheirateter Dienstordnungsangestellter. Die Berufsgenossenschaftsei verpflichtet, Herrn A als Hinterbliebenem desverstorbenen Dienstordnungsangestellten für die Zeit vom 1.10. 2007 bis zum 31. 12. 2008 eine Hinterbliebenenversorgungzu gewähren wie einem Hinterbliebenen eines verheiratetenDienstordnungsangestellten. Nachdem der Gesetzgeberdie eingetragene Lebenspartnerschaft mit Wirkung vom 1. 1.2005 weitgehend an das Recht der Ehe angeglichen und u. a.Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichenRentenversicherung und zum Versorgungsausgleich eingeführthabe, bestünde seit dem 1. 1. 2005 ein Anspruch auf Gleichstellungauch in der Hinterbliebenenversorgung von Dienstordnungsangestellten.FAZIT:Mit dem Urteil setzt der 3. Senat des BAG seine Rechtsprechungzur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft fort.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 15Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deBAG, Urteil vom 11.12.<strong>2012</strong> – 9 AZR 227/11Kein Anspruch auf Dank und gute Wünsche im ArbeitszeugnisEINLEITUNG:Nach § 109 Absatz I GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigungseines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein einfachesschriftliches Zeugnis über die Art und Dauer seiner Arbeit. Erkann darüber hinaus ein qualifiziertes schriftliches Zeugnis mitAngaben über seine Leistungen und sein Verhalten verlangen.Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist zumindest nach überstandenerProbezeit der Regelfall.Ein Personalverantwortlicher ist sicher nicht falsch beraten,wenn er das Arbeitszeugnis eines Bewerbers mit Skepsis liest.Gefälligkeitszeugnissen sind an der Tagesordnung. Die Aussagekraftvon Arbeitszeugnissen ist dadurch stark entwertet.Ein gutes Arbeitszeugnis ist eine preiswerte Verhandlungsmassebei der Auseinandersetzung über eine arbeitgeberveranlassteBeendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist das „gute“ Zeugnisschon eine Selbstverständlichkeit, müssen Arbeitnehmer umsomehr darauf achten, sich nach Möglichkeit ein „sehr gutes“Zeugnis zu sichern. Denn trotz aller Kritik ist das Zeugnis nachwie vor mit dem Anschreiben und dem Lebenslauf die Visitenkartedes Bewerbers. Gerade die Dankesformel wird dabei vonvielen Arbeitnehmervertretern als entscheidend und unverzichtbarausgegeben.Arbeitsgerichte haben die Dankes- und Grußformel in jüngererVergangenheit unterschiedlich beurteilt. In einer etwas älterenEntscheidung aus dem Jahr 2001 vertrat das BAG die Ansicht,


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 16Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.dedass es zur freien Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers gehöre,ob er das Zeugnis mit einem Schlusssatz abschließt oder nicht.Mit einem etwaigen Schlusssatz gebe der Arbeitgeber eine Erklärungab, die über den von ihm geschuldeten Zeugnisinhalthinausgehe. Zudem seien nach dem allgemeinen SprachverständnisDank für die gute Zusammenarbeit und gute Wünschefür die Zukunft Aussagen über persönliche Empfindungen desArbeitgebers. Gleiches gelte für die Erklärung, das Ausscheidenwerde bedauert. Ohne gesetzliche Grundlage könne derArbeitgeber nicht verurteilt werden, das Bestehen solcher Gefühledem Arbeitnehmer gegenüber schriftlich zu bescheinigen.Daher sei auch die Rechtsprechung zum unzulässigen Auslassen,dem beredten Schweigen, nicht übertragbar. Es sei nichterkennbar, dass ein Zeugnis ohne jeden Schlusssatz entwertetsei. Diese Aussagen hat das BAG jetzt bestätigt.SACHVERHALT:Bei seinem Ausscheiden erhielt der Leiter eines Baumarktes einArbeitszeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- undVerhaltensbeurteilung. Es endete mit der Formel: „Herr K scheidetzum 28.2.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unseremUnternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft allesGute.“ Der Kläger war der Ansicht, der Schlusssatz entwerte seingutes Zeugnis. Er habe Anspruch auf die Formulierung: „Wir bedankenuns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschenihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute.“Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. LAG und BAG wiesensie ab.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 17Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deENTSCHEIDUNG:Schlusssätze in Zeugnissen, die Dank oder gute Wünsche auszudrücken,seien nicht „beurteilungsneutral“. Sie könnten dieobjektiven Zeugnisaussagen zu Führung und Leistung des Arbeitnehmersbestätigen oder relativieren. Passten die Schlusssätzenach Auffassung des Mitarbeiters nicht zum übrigenZeugnisinhalt, müsse der Arbeitgeber das Zeugnis nur ohneSchlussformel erteilen. Eine gesetzliche Grundlage für einenAnspruch auf eine Dankesformel gebe es nicht. Nach § 109Abs. 1 Satz 2 und 3 GewO gehörten Aussagen über persönlicheEmpfindungen des Arbeitgebers nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt.FAZIT:Es bleibt abzuwarten, ob sich durch diese Entscheidung in denGüteterminen der Arbeitsgerichte etwas daran ändert, dass Arbeitgeberin der Absicht, einen Vergleich zu erreichen, regelmäßiggedrängt werden, sich den Formulierungswünschen desArbeitnehmers in aller Regel mit Dankes- und Schlussformel zubeugen.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 18Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deArbeitsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 07.11.<strong>2012</strong>– 6 Ca 1749/12 –Außerordentliche Kündigung bei Bedrohung desVorgesetzten trotz langer Betriebszugehörigkeit wirksamEINLEITUNG:Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigemGrund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigtwerden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigendenunter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfallesund unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dieFortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfristnicht zugemutet werden kann.Bei allen Kündigungsgründen ist eine Berücksichtigung allerUmstände des Einzelfalls und eine Abwägung der jeweiligenInteressen beider Vertragsteile erforderlich. Damit ist ausgeschlossen,dass bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf dieBesonderheit des Einzelfalls stets als wichtigen Grund zur außerordentlichenKündigung anzuerkennen sind; das BAG hatmehrfach festgestellt, dass es im Rahmen des § 626 Abs. 1BGB keine absoluten Kündigungsgründe gibt.Nach der Spruchpraxis des BAG ist im Rahmen des § 626 Abs.1 BGB - auf einer ersten Stufe - zu prüfen, ob der Kündigungssachverhaltunabhängig von den Besonderheiten des Einzelfallsan sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Liegendiese Voraussetzungen vor, bedarf es - auf einer zweiten Stufe- einer weiteren Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzungdes Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkretenUmstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen bei-


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 19Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deder Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbarist oder nicht.Die Bedrohung des Arbeitgebers, von Vorgesetzten oder Arbeitskollegenkann nach ständiger Rechtsprechung des BAG einenan sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstanddarstellen. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt allerdings vonder im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ab.SACHVERHALT:Ein bei der Stadt Mönchengladbach im Bereich Straßenmanagementangestellter Arbeiter war außerordentlich gekündigtworden. Er hatte bei der Durchführung von Bodenbelagsarbeitenam Stationsweg seinen Vorgesetzten mit den Worten bedroht:„Ich hau dir vor die Fresse, ich nehme es in Kauf nacheiner Schlägerei gekündigt zu werden, der kriegt von mir eineSchönheitsoperation, wenn ich dann die Kündigung kriege, istmir das egal“.ENTSCHEIDUNG:Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Mönchengladbach ist dieaußerordentliche Kündigung trotz langer Betriebszugehörigkeitdes Arbeiters wirksam. Die Bedrohung eines Vorgesetzten instrafrechtlich relevanter Art und Weise sei ein an sich geeigneterwichtiger Grund gem. § 626 BGB, der die außerordentlicheKündigung rechtfertigen könne. Eine weitere Abmahnung seinicht erforderlich, da der Arbeiter bereits ein Jahr zuvor wegender Bedrohung seines damaligen Vorgesetzten abgemahnt wordenwar. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht ergeben,dass der Arbeiter zuvor von seinem Vorgesetzten provoziertworden war. In diesem Falle lasse auch die lange Betriebszu-


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 20Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.degehörigkeit des Arbeiters die Kündigung nicht unangemessenerscheinen.FAZIT:Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass einJahr zuvor eine Abmahnung erteilt worden war. Ein durch langeBetriebszugehörigkeit erworbenes sogenanntes Vertrauenskapital,das nach der Emmely Entscheidung des BAG Bedeutunghaben soll, war also deutlich gemindert.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 21Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deVG Köln, Urteil vom 22.11.<strong>2012</strong> – 1 K 4015/11Urlaubstage und gesetzliche Feiertage sind keine AusgleichstagEINLEITUNGArbeitgeber stoßen bei der Organisation seines Betriebesschnell an die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes. Zur optimalenSteuerung der Betriebsabläufe ist er vielfach gezwungen, flexibleund vor allem praktikable Lösungen zu finden. Dies gilt z.B.für Situationen, in denen Beschäftigte wegen plötzlicher Personalknappheitabweichend vom Dienstplan aus einer Freischichtgeholt werden müssen. In anderen Fällen werden Arbeitszeitmodellegeschaffen, die zumindest vorrübergehend an die Grenzendes Zulässigen stoßen. Mit einer solchen Konstellation hattesich vor kurzem das Verwaltungsgericht Köln zu befassen.SACHVERHALT:Das Universitätsklinikum Köln führt Arbeitszeitschutzkonten,auf dem die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit denmaximal zulässigen Stunden über einen längeren Zeitraum saldiertwerden, um sicherzustellen, dass die gesetzlich höchstenszulässige Arbeitszeit nicht überschritten wird. Das Klinikum warder Ansicht, dass es tarifvertraglich festgelegte Urlaubstage, dieüber den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehen, und gesetzlicheFeiertage als Ausgleichstage buchen darf. Dies hättezur Folge, dass sich die gesetzlich maximal erlaubte Arbeitszeiterhöhen würde.ENTSCHEIDUNG:Das VG Köln entschied, dass das Klinikum in den Arbeitsschutz-


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 22Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.dekonten keine Urlaubstage und Feiertage als Ausgleichstage buchendarf. Ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub müsstender tarifvertragliche Urlaubsanspruch sowie die gesetzlichenFeiertage im Rahmen der Berechnung des Durchschnitts dergeleisteten Arbeitsstunden unberücksichtigt bleiben. Sie seienneutral und könnten somit nicht als Ausgleichstage berücksichtigtwerden. Jeder Urlaubstag diene grundsätzlich der Erholungund zeichne sich dadurch aus, dass während dieser Zeit die Arbeitsverpflichtungwegfalle. Urlaubstage und gesetzliche Feiertagesollten dem Arbeitnehmer gerade keine zusätzliche Belastungbringen, indem das Arbeitsschutzkonto zu seinen Lastenverändert werde.Das Urteil ist noch nicht rechtskräftigFAZIT:Arbeitsschutzkonto dürfen durch tarifvertraglichen Urlaubsanspruchund Feiertage nicht zu Lasten des Arbeitnehmers verändertwerden.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 23Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deEuGH, Urteil vom 06.12.<strong>2012</strong> – C-152/11 „Odar/Baxter“Ein Sozialplan darf eine geringere Entlassungsabfindungfür Arbeitnehmer vorsehen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen.EINLEITUNG:Sachfremde Differenzierungen bzw. der wegen Rasse, ethnischerHerkunft, Geschlechts, Religion oder Weltanschauung,Behinderung, Alter oder sexueller Identität sind in Betriebsvereinbarungengrundsätzlich verboten.Unzulässige Differenzierungen in einem Sozialplan können fürdie benachteiligten Arbeitnehmer zu erhöhten Abfindungsansprüchenführen und damit auch zu einer erheblichen Ausweitungdes Sozialplanvolumens. Denn ein entsprechenderAusgleich durch Reduzierung an anderer Stelle ist nachträglichnicht mehr möglich.Insbesondere die Differenzierung der Ansprüch aus einem Sozialplannach altersbezogenen Merkmalen war wiederholt Gegenstandder höchstrichtlerlichen Rechtsprechung.Gem. § 10 S 3 AGG sollen laut BAG Differenzierungen bei Leistungenin Sozialplänen nach dem Alter oder der Betriebszugehörigkeitzulässig sein. Die wesentlich vom Alter abhängigenChancen auf dem Arbeitsmarkt berechtigen zu einer verhältnismäßigstarken Betonung des Lebensalters.Nach der Rechtsprechung des BAG sind Differenzierungen vonSozialplanleistungen gemäß § 10 Satz 3 AGG, der europarechtskonformsei, möglich, wenn die Betriebsparteien eine nach Alteroder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 24Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.degeschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängendenChancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßigstarke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigtworden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplansausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichertsind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld,rentenberechtigt sind.Zulässig ist es nach BAG z.B., für ältere Mitarbeiter nur eineÜberbrückungszahlung bis zum Rentenalter statt der vollenLeistung vorzusehen oder sie von Sozialplanleistungen ganzauszunehmen, wenn sie nach Beendigung des ArbeitsverhältnissesArbeitslosengeld (nicht Arbeitslosenhilfe) und/oder imunmittelbaren Anschluss daran Rente oder vorgezogenes Altersruhegelderhalten können. Sozialpläne dürfen auch einenach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelungvorsehen.Das Arbeitsgericht München hatte an der Übereinstimmungdieser Rechtsprechung mit dem Europarecht zweifel und legtedem EuGH die Frage vor, ob die altersbezogene Ungleichbehandlungin einem Sozialplan gegen das europarechtlicheGebot verstößt, jede Diskriminierung wegen des Alters oder derBehinderung zu unterlassen.SACHVERHALT:Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen einen Sozialplan, wonachder Abfindungsbetrag für Mitarbeiter bei betriebsbedingter Kündigunginsbesondere von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeitabhängt (Standardberechnungsmethode). Für Beschäftigte, dieälter als 54 Jahre waren, berechnete sich die Abfindung allerdingsauf der Grundlage ihres frühestmöglichen Rentenbeginns


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 25Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.de(alternative Methode). Sie erhielten daher weniger als nach derStandardmethode, wenigstens jedoch die Hälfte der Summe.Auch für Arbeitnehmer, die eine vorzeitige Altersrente wegen einerBehinderung in Anspruch nehmen können, sieht der Sozialplaneine Berechnung nach der alternativen Methode vor.Ein Beschäftigter war mehr als 30 Jahre für den Arbeitgeber tätig.Da er über 54 Jahre alt und schwerbehinderte war, erhielter nach dem Sozialplan eine geringere Abfindung, als er bekommenhätte, wenn er jünger gewesen wäre. Er sah darin eineBenachteiligung wegen des Alters und seiner Behinderung.ENTSCHEIDUNG:Der EuGH verneinte in Bezug auf diese Regelungen eine Diskriminierungwegen des Alters.Ein Sozialplan dürfe eine geringere Entlassungsabfindung fürArbeitnehmer vorsehen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen.Eine geminderte Abfindung für Schwerbehinderte, weil sievorzeitig Altersrente beziehen können, verstoße jedoch gegenUnionsrecht.Die Ungleichbehandlung sei durch das Ziel gerechtfertigt, einenAusgleich für die Zukunft zu gewähren, jüngere Arbeitnehmer zuschützen und ihre berufliche Wiedereingliederung zu unterstützen.Sie sorge dafür, dass die begrenzten Mittel eines Sozialplansgerecht verteilt würden. Eine Entlassungsabfindung sollenicht Personen zugutekommen, die keine neue Stelle suchten,sondern eine Altersrente als Ersatzeinkommen bezögen. DieRegelung sei angemessen, wenn sich die Abfindung mit demAlter schrittweise ändere und sie mindestens die Hälfte des Betragsnach der Standardformel ausmache.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 26Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deDer EuGH stellte jedoch eine Diskriminierung wegen der Behinderungfest. Die Ungleichbehandlung nichtbehinderter und behinderterArbeitnehmer verkenne die größeren SchwierigkeitenSchwerbehinderter, sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern– vor allem je älter sie seien. Ihr Zustand erfordere besonderenSchutz. Durch die Behinderung hätten sie finanzielleAufwendungen, die sich mit zunehmendem Alter erhöhten. DieRegelung, dass ein schwerbehinderter Mitarbeiter eine geringereAbfindung erhalte als ein nichtbehinderter, beeinträchtigedaher übermäßige die legitimen Interessen Schwerbehinderter.FAZIT:Der EuGH hat die Rechtsprechung des BAG zur Differenzierungin Sozialplänen nach altersbezogenen Merkmalen im Ergebnisbestätigt.


Dezember <strong>2012</strong> Seite: 27Stabelstraße 10D-76133 KarlsruheTel. +49 (0)721-83024-93Fax +49 (0)721-83024-94www.thomsen-ra.dekontakt@thomsen-ra.deSie brauchen detailliertere Informationen?Sie hätten gerne ein persönliches Gespräch zu Themen dieser Ausgabe?Sie haben Fragen zu unserer Veranstaltung?Wir freuen uns, wenn Sie mit uns Kontakt aufnehmen.info@thomsen-ra.deImpressum:Der THOMSEN RECHTSANWÄLTE <strong>Newsletter</strong> ist ein kostenloser Service. Die Verfasserübernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit der übermittelten Informationen. Bittebeachten Sie, dass diese Informationen eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen können.Herausgeber:THOMSEN RECHTSANWÄLTEStabelstr. 1076133 KarlsruheAnsprechpartner (ViSdP):Rechtsanwalt Klaus Thomas <strong>Thomsen</strong>

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