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T M K F S - Bielefelder Philharmoniker

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auftakt rudolf-oetker-halle<br />

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rudolf-oetker-halle<br />

Halle daher ganz vorne auf der Liste, zumal der Klang des Saales durch eigene<br />

Konzertbesuche dort beispielsweise mit dem Hilliard-Ensemble wohl bekannt war.<br />

Exkurs: Grundlagen der Raumakustik von Konzertsälen<br />

Doch bevor auf die durchgeführten Messungen und deren Ergebnisse eingegangen<br />

wird ( s. u. ), sollen in Form eines kleinen Exkurses die Grundlagen der<br />

Raumakustik von Konzertsälen näher betrachtet werden:<br />

Hörsamkeit: Die akustischen Eigenschaften entscheiden darüber, ob ein<br />

Raum für akustische Darbietungen als geeignet beurteilt wird. Die akustische<br />

Eignung für die betreffende Darbietungsart wird Hörsamkeit genannt, sie<br />

ergibt sich aus dem Urteil der Darbietenden und vor allem der Zuhörer in einem<br />

Auditorium über dessen Akustik. Unterschiedliche Darbietungsarten und<br />

-formen erfordern dabei unterschiedliche akustische Bedingungen für optimale<br />

Hörsamkeit; prinzipiell klingt jedes Musikstück am besten in dem Raum, den<br />

der Komponist dafür vorgesehen hatte. So klingt eine Symphonie von Brahms<br />

optimal im Wiener Musikvereinssaal, wo der Komponist einen Stammplatz hatte,<br />

jedoch nicht unbedingt in einem guten Sprechtheater.<br />

Nachhall und Nachhallzeit: Unter Nachhall versteht der Raumakustiker die<br />

Gesamtheit aller Reflexionen in einem Raum, die auf den Direktschall folgen.<br />

In Auditorien für klassische Musik ist der Nachhall im Gegensatz zu Räumen<br />

für reine Sprachdarbietungen kein Störfaktor, sondern die durch den Nachhall<br />

hervor gerufene zeitliche Verschmelzung wird bei Musik ‒ insbesondere<br />

klassischer ‒ vielmehr als angenehme Bindung aufeinanderfolgender Klänge<br />

empfunden, wenn die Abklingzeit in der richtigen Größenordnung liegt. Diese<br />

Nachhallzeit genannte Größe ist mit die wichtigste Kenngröße der akustischen<br />

Qualität von Auditorien. Sie ist definiert als diejenige Zeit, die nach dem<br />

Abschalten einer Schallquelle in einem Raum verstreicht, bis die Energie des<br />

Schall ereignisses auf ein Millionstel der Anfangsenergie abgefallen ist. In<br />

Konzertsälen für klassische Konzerte sollte die Nachhallzeit bei minimal 1,8 s<br />

liegen. Gerade bei Konzertsälen ist eine im günstigen Bereich liegende Nach-<br />

hallzeit nur notwendige Bedingung für eine als gut beurteilte Hörsamkeit.<br />

Eine Vielzahl von Nebenbedingungen muss ebenfalls erfüllt sein, so z. B. aus-<br />

reichende Räumlichkeit, optimale Klarheitswerte und insbesondere Echofreiheit<br />

der Raumreflexionen.<br />

Die Raumakustik der Rudolf-Oetker-Halle Bielefeld<br />

Der große Saal der Rudolf-Oetker-Halle ist quaderförmig, sein Volumen beträgt<br />

ca. 9.100 m3. Da der Saal 1560 Sitzplätze aufweist, beträgt das spezifische<br />

Volumen ca. 6 m3 / Person.<br />

Im Rahmen einer Erforschung der Klangqualität Europäischer Konzert-<br />

säle wurden vom Autor am 7.4.1998 akustische Messungen im großen Saal<br />

der Rudolf-Oetker-Halle durchgeführt, um der Frage nachzugehen, inwieweit<br />

sich der gute Ruf des Saales bezüglich seiner raumakustischen Eigenschaften<br />

messtechnisch nachvollziehen lässt.<br />

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Aus den durchgeführten Messungen wurde zunächst die Nachhallzeit bestimmt.<br />

In der Messsituation im unbesetzten Saal betrug diese über 500 — 2000 Hz<br />

gemittelt ca. 1,9 s. Zu tieferen und höheren Frequenzen sinken die Werte ab,<br />

was den klaren, deutlichen und brillanten Klang der Rudolf-Oetker-Halle erklärt.<br />

In der vollbesetzten Halle wird die Nachhallzeit etwas geringer.<br />

Die frequenzabhängige Nachhallzeitkurve der Rudolf-Oetker-Halle weist<br />

somit einen mittenbetonten Verlauf auf, was die Klarheit, Brillanz und Präzision<br />

dieses Saales erklärt und ihn gemeinsam beispielsweise mit dem Sendesaal<br />

des wdr und dem Regentensaal Bad Kissingen derjenigen Gruppe von Konzertsälen<br />

zuordnet, in welchen die meisten klassischen Musikstile sehr gut klingen,<br />

insbesondere Konzerte mit Werken für mittelgroße Besetzungen.<br />

Der Saal weist darüber hinaus kaum raumakustische Defekte wie<br />

energiereiche Einzelreflexionen oder periodische Flatterechos auf. Das meist<br />

sehr reguläre und beinahe lineare Abklingen der Oktavbänder der Raumimpulsantworten<br />

weist insbesondere oberhalb von 500 Hz auf eine sehr gute<br />

Schalldurchmischung hin.<br />

Weiter hinten im Saal treten stärkere frühe Reflexionen auf, welche dem<br />

Saal seinen individuellen Charakter geben, bevor ein regulärer linearer Abklingvorgang<br />

beginnt. Dies sorgt für hohe Werte der frühen Nachhallzeit, die für die<br />

wahrgenommene Halligkeit besonders wichtig ist.<br />

Für einen Rechtecksaal relativ hohe Werte des Klarheitsmaßes begründen den<br />

subjektiven Eindruck einer ‒ verglichen mit anderen Quadersälen ‒ recht hohen<br />

zeitlichen Klarheit der Schallereignisse. Für klassische Musik ist die Hörsamkeit<br />

der Rudolf-Oetker-Halle insbesondere für Konzerte mit Werken für mittelgroße<br />

Besetzungen und für Tonaufnahmen also sehr gut.<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rudolf-Oetker-Halle auch im<br />

80. Jahr nach ihrer Fertigstellung noch lange nicht zum alten Eisen gehört ‒ im<br />

Gegenteil: Auf Basis der durchgeführten Raumimpulsantwortmessungen lässt<br />

sich messtechnisch nachvollziehen, dass der gute Ruf des Saales bezüglich<br />

seiner raumakustischen Eigenschaften zu recht besteht. Diesen ganz besonderen<br />

Klang des großen Saals der Rudolf-Oetker-Halle gilt es auch in Zukunft zu<br />

bewahren.<br />

klaus-h. lorenz-kierakiewitz studierte Physik, Phonetik und<br />

Musikwissenschaften in Düsseldorf und Köln und promoviert derzeit über<br />

europäische Konzertsäle an der Universität zu Köln. Er ist Projektleiter der<br />

Abteilung Raum- und Elektroakustik der Peutz Consult GmbH. www.peutz.de

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