Bernd Scharwies - Rebalancing Schule München

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nern, erleben sie unmittelbar gute Gefühle und damit verbunden ein verändertes Körpergefühl. Probieren sie es! Ich setze diese Methode gerne ein, wenn ein Klient beim Gespräch keinen Zugang zu etwas Leichtem in seinem Körper findet. Das Gute daran ist, dass es sofort wirkt. Umgekehrt natürlich auch: Erinnern sie sich an ein schmerzhaftes Erlebnis, bekommen sie unangenehme Gefühle, als ob sie es gerade wirklich erleben. In meiner Jugend las ich einen Ratgeber aus der „alternativen Szene“ mit dem Titel „Lieber krank feiern, als gesund schuften“. In diesem Buch wurden Symptome beschrieben, mit denen sich jemand, so hieß es, ohne Probleme krankschreiben lassen könne. Dort las ich z. B. für Magenschleimhautentzündung: „Mit einer Magenschleimhautentzündung, also einer Entzündung der Innenhaut des Magens, kannst Du so zwei bis vier Wochen krankgeschrieben werden. Die Gastritis kann Jeder mal kriegen. Ursachen sollen sein: Bakterien, unverträgliche Speisen, Alkohol oder Medikamente [...] Die Gastritis ist das bekannteste Beispiel für eine Stresskrankheit. […] Hier erkennen sogar die Ärzte die sozialen und psychischen Ursachen an.“ Dann werden die typischen Beschwerdebilder detailliert aufgelistet – mögliche Fragen des Arztes und mögliche Antworten. Ich entschied mich damals für ein Experiment. Ich las die Berichte ausführlich und machte mich auf den Weg zum Arzt. Und tatsächlich grummelte und drückte es in meinem Bauch. Das war nicht eingebildet – die Schmerzen traten tatsächlich auf. Kaum aber hatte ich das Attest des Arztes in der Tasche, waren die Symptome wenige Minuten später vorbei. Gedanken und Gefühle sind assoziiert, weil sich entsprechende neuronale Verbindungen (Synapsen) bilden, je nachdem wie stark das auslösende Erlebnis ist. Diese Verbindungen lassen sich neu bilden, denn wir besitzen ein „formbares“ Gehirn, das wir ein Leben lang umstrukturieren können (neuronale Plastizität). Solange wir denken können, ist es uns auch möglich, neue Gedanken zu denken, neue Gefühle zu haben und neue Erfahrungen zu machen. Auch in der Intelligenzforschung hat man herausgefunden, dass wir an sich bis zum Tod lernfähig sind, wenn wir nur wollen. Hören wir auf unseren Bauch Juni | 2012 Wie steht es um Ihren Bauch? Nehmen sie ihn wahr? Haben sie ein wohliges, warmes Bauchgefühl? Hören sie Bauchgeräusche, ein Glucksen? Atmen sie bitte einige Male in Ihren Bauch. Die Bauchwand sollte sich bei jedem Atemzug ausdehnen. Viele Klienten wollen genau dies vermeiden – „Bauch rein, Brust raus“ ist ihr anstrengendes Ideal –, dabei bleibt der Bauch eingezogen, das Zwerchfell bewegt sich kaum. Ganz anders ist es, wenn sich das Einströmen der Luft bis in Ihren Bauch hinein auswirkt, so dass sich die Bauchwand entspannt nach außen wölbt. Das Zwerchfell ist dann frei beweglich und schafft Platz für die Eingeweide im Bauch, die ihrer Tätigkeit nun ungehindert nachkommen können. Der Bauch ist weich, empfindlich und verletzlich. Lebenswichtige Organe sind in ihn eingebettet und benötigen genügend Raum, um gut arbeiten zu können. Aus den Büchern des Arztes Ruediger Dahlke lernte ich viel über die Psychosomatik des Bauches. In unserer Kultur wird viel Geld, Zeit und Anstrengung aufgewendet, um den Bauch in die Norm zu pressen. Vor noch nicht gar so langer Zeit hielt das Korsett den Bauch der Frauen in unnachgiebiger Umklammerung, und selbst heute noch vollbringt das elastische Mieder wahre Wunder. Den Rest erledigt das Fitness-Studio. Im Orient verfolgt man ein völlig anderes Ideal. Dort heißt es: „Eine Frau ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne.“ In Indien ist der Bauch des Mannes ein Symbol für Reichtum. Im Buddhismus wird die Buddhafigur meist mit einem runden Bauch dargestellt, als Zeichen des Loslassens und der Erdung. Beginnen Sie regelmäßig damit, leicht in den Bauch hinein zu atmen, ihn leicht zu berühren oder zu massieren, dann werden sie zunehmend mit Ihren Bauchgefühlen in Kontakt kommen. Ihr Bauchzentrum hat eine eigene Seele. Zu ihr gehören die Grundtriebe Hunger, Sexualität, Empfindungen, Instinkte. Unser Kopf hat oft andere Vorstellungen, womit, wann und wie unsere fundamentalen Bedürfnisse befriedigt werden könnten. Gleichgewicht entsteht in unserem Körper, wenn Kopf und Bauch wieder im Einklang miteinander funktionieren. In meiner Praxis und in den Ausbildungsgruppen beobachte ich, dass sich der Mensch vor allem mit den oberen Regionen seines Körpers beschäftigt, mit seinen intellektuellen Fähigkeiten und seinem Oberkörper. Mit der Folge, dass er seine Mitte, Bernd Scharwies ist Heilpraktiker, Körpertherapeut, Dozent und Fachbuchautor. Seine Ausbildungen umfassen Rebalancing, Cranio- Sacral Therapie, Counseling (Gesprächstherapie) und Atemtherapie. 1995 gründete er gemeinsam mit seiner Frau Elfi Müller-Scharwies die Rebalancing Schule München. Kontakt: Georgenstr.63, D-80799 München Tel.: 089 / 26024144 info@rebalancing.de www.rebalancing.de den Ort seiner Kraft, verliert. In Schulen östlicher Weisheit wird das Zentrum im Bauch Hara (Japan), Tan-Tien (China) und Kath (Sufismus) genannt. Für alle ist der Bauch das Zentrum der Vitalität. In unserer westlichen Welt dagegen muss der Bauch flach und eingezogen sein. Das Gefühl, mit dem Zentrum Bauch vollständig in Kontakt und geerdet zu sein, kennen nur wenige. Im Rebalancing erlebe ich oft eine tiefgreifende Veränderung, wenn dies geschieht. Die Lunge füllt sich stärker mit Luft, die Genitalien werden lebendiger, die Energie des Atems erreicht die Beine, und die Eingeweide lockern sich. Den Bauch einzuziehen und zu verstecken, hat seinen Preis. Bei H., einer Ausbildungsteilnehmerin, fließen viele Tränen, als wir achtsam ihren Bauch berühren. All die Anstrengungen, der Verzicht und die Entbehrungen halfen ihr die letzten Jahrzehnte, ihren Bauch flach zu halten. Für wen hat sie sich so gequält? Der flache Bauch repräsentierte ihre Selbstkasteiung und verdeckte ihren Hunger nach Lebendigkeit. Was drückt es aus, wenn jemand alles dafür tut, diesem für das Leben ungeeigneten Idealbild alles aufzuopfern? Wie viel Anstrengung verbirgt sich dahinter? H. ist Anfang fünfzig, eine sehr gewissenhafte und verantwortungsbewusste Frau. Sie me
ditiert, probiert viel aus und ist im gewissen Sinn immer auf der Suche. Wonach? Wenn sie in ihrer Mitte gefestigt ist, mag es ihr Sicherheit vermitteln. Aber zu welchem Preis? Ein eingezogener Bauch behindert die Verdauung der Nahrung und die Verarbeitung der Lebensgeschichte, denn beides braucht Platz. Für die Männer gilt das gleiche. Sie haben oft das Ideal des Waschbrettbauchs, den man wirklich nur mit viel Training, wenig essen und den richtigen Genen erreicht. 89 Prozent der deutschen Männer würden gerne so aussehen, um gut fürs Leben gerüstet zu sein. Aber der Panzer hat seinen Preis. An ihm prallt alles ab – nicht nur die Tritte der anderen, sondern auch die sanfte Wahrnehmung der eigenen Gefühle. Außen statt innen; harte Schale, weicher Kern. Muskelpakete gehen auf Kosten der Flexibilität. Verdauen Die Bauchorgane gehören zum autonomen Nervensystem und haben sich viel früher als das Gehirn entwickelt. Als Bauch bezeichnen wir in der Körpertherapie alles, was zwischen Zwerchfell und Beckenboden liegt. Der Bauch beherbergt Magen, Bauchspeicheldrüse (Pankreas), Leber, Gallenblase, Darm, Nieren und Blase. Alle diese Organe sind in die Umwandlung der Substanzen einbezogen, die wir unserem Körper zuführen, damit sie der Organismus aufnehmen und verwerten kann. Die Reste werden überwiegend ausgeschieden. In meiner Praxis begegnen mir oft Menschen, die mit Verstopfung zu tun haben. Das bedeutet, dass die Peristaltik nicht richtig funktioniert. Der Verdauungstrakt ist stumm, nahezu erstarrt. Meine Frage ist dann, ob das vielleicht dem aktuellen Lebensgefühl entspricht. Wenn ja, dann wäre eine schnelle Abhilfe das Erleben etwas wirklich Aufregenden, das den Bauch in Aufruhr versetzt. Führen Sie ein aufregendes Leben? Oder sind sie eher ständig mit Ihren Gedanken beschäftigt? Gedanken können unsere Lebendigkeit beeinträchtigen. Wenn wir nicht abschalten können, verlieren wir Lebensenergie. Alles – Lebensfreude, Ärger, gute Ideen – bleibt gewissermaßen im Halse stecken. Dann sind wir vielleicht überempfindlich, ungeduldig und ängstlich. Beobachten wir einmal Kinder beim Spielen und Toben, sich streiten, wenn sie lachen oder weinen. Wie instinktiv und ohne intel- lektuelle Kontrolle sie „aus dem Bauch heraus“ leben – unabhängig von Sollen und Müssen. Wenn es uns gelingt, mehr aus unserem Bauch heraus zu leben, werden wir beobachten, wie sehr uns unser Bauch als erstklassige Informationszentrale dient. Vermutlich wird es uns gelingen, alles Mögliche problemloser zu verdauen, Nahrung genauso wie Gefühle oder Informationen. Zeit nehmen Papst Eugen III. fragte seinen Berater, den Zisterziensermönch Bernhard von Clairvaux, was er für sich tun könne, er finde keine Zeit mehr. Bernhard antwortete, dass sich jeder Mensch dreißig Minuten Zeit für sich selbst nehmen solle. Es gäbe nur eine Ausnahme: Menschen wie er, der Papst, die nur sehr wenig Zeit hätten, weil sie beruflich so sehr gefordert sind. Solche Menschen sollten sich eine Stunde Zeit für sich selbst nehmen. Unser Leben wechselt zwischen Spannung und Entspannung. So bauen z. B. Ihre Muskeln gerade eine bestimmte Grundspannung auf, damit Sie jetzt aufrecht sitzen können. Bei jeder drohenden Gefahr reagiert unser Körper mit erhöhter Spannungsbildung und bereitet uns auf Flucht, Angriff oder Ohnmacht vor. Vollkommen unwichtig, ob diese Gefahr real ist oder nur in unseren Vorstellungen existiert. Allein beunruhigende Gedanken reichen aus, um die entsprechenden Schutzmechanismen auszulösen. Normalerweise schafft es unser Köper von allein, diese Anspannung wieder in Balance zu bringen. Das erkennen wir an unserem Atem, der wieder ruhiger und tiefer fließt, außerdem werden wir wieder klarer denken und fühlen können. Andauernde Anspannung überfordert aber die Selbstregulation. Die Muskeln werden hart und verlieren an Sensibilität. Ein harter Muskel kann gefühllos wie ein Stein sein. Deshalb ist die Muskelspannung ein wichtiger Gradmesser für unser Gefühlsleben. Wir finden am ganzen Körper Muskeln, selbst an den zentralen Bauchprozessen ist die Muskulatur entscheidend beteiligt. Jede muskuläre Anspannung reduziert unsere Wahrnehmung der Umwelt und schränkt damit die Fähigkeit ein, in Interaktion zu stehen bzw. das gesamte Spektrum unserer Umwelt wahrzunehmen. Eine eingeschränkte Sichtweise bewirkt einseitige Emotionen, die zu weiterer Anspannung bis hin zur Gefühlstaubheit führen. Das kann sich zum Beispiel in kalten Händen bemerkbar machen. „Eine Reihe von Krankheiten wurde noch vor zwanzig bis dreißig Jahren als primär seelisch bedingt angesehen. Nach der bereits 1950 aufgestellten Liste der „heiligen Sieben“ der Psychosomatik galten Asthma, Neurodermitis, Geschwüre von Magen und Zwölffingerdarm, entzündliches Gelenkrheuma, Schilddrüsenüberfunktion, eine Verkalkung der Herzkranzgefäße sowie bestimmte Formen der chronisch entzündlichen Darmerkrankung als körperlicher Ausprägung psychischer Leiden.“ (Bartsch 2010) Nur viele Patienten wollen so etwas nicht für sich geltend machen. Sie sind überzeugt, dass ihre Beschwerden organische Ursachen haben – und wechseln von Arzt zu Arzt. Doch was war zuerst da: die Henne oder das Ei? Wer die Wechselwirkung von Körper, Geist, Seele und das Umfeld und die damit verbundenen prägenden Erfahrungen des Menschen nicht berücksichtigt, wird auf längere Sicht ohne Heilungserfolg bleiben. „Ein Arzt muss über Wahrnehmungsvermögen und Tastsinn verfügen, die es ihm ermöglichen, sich in die Befindlichkeiten der Patienten einzufühlen.“ (Paracelsus) Leider konzentriert sich auch vermehrt die „Alternativmedizin“ auf vieles, was sich messen, bestimmen und analysieren lässt. „In der Konzentration auf zelluläre Defekte und genetische Faktoren zur Krankheitserklärung gehen psychosoziale Aspekte immer mehr verloren.“ (Thure von Uexküll) Vertrauen und Verdauen Vertrauen in einen Heilungsprozess bedeutet auch, Geduld mit uns und dem Klienten zu besitzen, auch wenn sich Gefühle, Dinge oder Erfahrungen noch nicht offenbart haben. Die Lösung besteht dann oft nicht darin, noch mehr zu tun, noch mehr Informationen zu sammeln, oder andere Menschen dazu zu bringen, Dinge genauso wie wir selbst zu sehen. Oder noch mehr Sorgfalt und Eifer in Lösungen zu investieren. Vertrauen ist ein Gefühl, das durch Loslassen erfahrbar wird. Manches Mal durfte ich in meiner Praxis, in den Ausbildungsgruppen und in meinem Privatleben erfahren, was es bedeutet, wenn ich meine vorgefertigten Meinungen Juni | 2012
Seite 1: Wenn Gefühle krank machen Verdauen

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