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Rencontre de l'Est et de l'Ouest - ELTE Eötvös József Collegium

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ByzaNce<strong>et</strong> l'OccI<strong>de</strong>Nt:<strong>Rencontre</strong> <strong>de</strong> <strong>l'Est</strong><strong>et</strong> <strong>de</strong> <strong>l'Ouest</strong>c O ll èg e e ö tv öS J ó zS efelte


Byzance <strong>et</strong> l’Occi<strong>de</strong>nt :<strong>Rencontre</strong> <strong>de</strong> l’Est <strong>et</strong> <strong>de</strong> l’Ouest


Nemz<strong>et</strong>i Fejlesztési Ügynökségwww.ujszechenyiterv.gov.hu06 40 638 638A projektek Európai Uniótámogatásával valósulnak meg.TÁMOP-4.2.2/B-10/1-2010-0030 „Önálló lépések a tudomány terül<strong>et</strong>én”


Byzance <strong>et</strong> l’Occi<strong>de</strong>nt :<strong>Rencontre</strong> <strong>de</strong> l’Est <strong>et</strong> <strong>de</strong> l’OuestSous la direction <strong>de</strong>Emese Egedi-KovácsCollège <strong>Eötvös</strong> <strong>József</strong> <strong>ELTE</strong>Budapest, 2013


Sous la direction <strong>de</strong>Emese Egedi-KovácsRelecture parAurélia PeyricalResponsable <strong>de</strong> l’édition :László Horváth, directeur du Collège <strong>Eötvös</strong> <strong>József</strong> <strong>ELTE</strong>Conception graphique : Melinda Egedi-Kovács© Les auteurs, 2013© Emese Egedi-Kovács (éd.), 2013© Collège <strong>Eötvös</strong> <strong>József</strong> <strong>ELTE</strong>, 2013Édition réalisée grâce au concours OTKA NN 104456.Tous droits <strong>de</strong> traduction <strong>et</strong> <strong>de</strong> reproduction réservés.ISBN 978-615-5371-09-7


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros.Der religiöse Gegensatz in Guilhem<strong>de</strong> la Barra(Arnaut Vidal <strong>de</strong> Castelnaudary) undWillehalm (Wolfram von Eschenbach)Imre Gábor MajorossyPPKE BTK PiliscsabaEinleitungIn einem hochchristlichen mittelalterlichen i<strong>de</strong>ologischen Umfeld galt dieAuseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung mit <strong>de</strong>m Hei<strong>de</strong>ntum im Laufe <strong>de</strong>r Kreuzzüge als ersteWahrnehmung einer abweichen<strong>de</strong>n Auffassung <strong>de</strong>r Welt. Sowohl das mittelhoch<strong>de</strong>utscheHel<strong>de</strong>nepos aus <strong>de</strong>m Anfang <strong>de</strong>s dreizehnten Jahrhun<strong>de</strong>rtsals auch <strong>de</strong>r okzitanische Roman aus <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r vierzehnten Jahrhun<strong>de</strong>rtsweisen Abschnitte auf, die von dieser Erfahrung, wenn auch auf unterschiedlicheWeise, ein <strong>de</strong>utliches Zeugnis ablegen. Abgesehen von <strong>de</strong>m gemeinsamenkulturellen Erbe und <strong>de</strong>r bitteren militärischen Nie<strong>de</strong>rlage, was die zwei,zeitlich verschobenen Werke, die über keinen Beziehungspunkt verfügen,doch verbin<strong>de</strong>t, ist <strong>de</strong>r Angriff, <strong>de</strong>r seitens <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n ausgeübt wird und auf<strong>de</strong>n eine Antwort im Sinne <strong>de</strong>s christlichen Glaubens zu geben ist.Auch wenn keines <strong>de</strong>r zur Analyse ausgewählten Werke konkr<strong>et</strong> <strong>de</strong>nKonflikt mit <strong>de</strong>m Hei<strong>de</strong>ntum als Thema aufgreift, weisen bei<strong>de</strong> ErzählungenAbschnitte auf, die schwierige Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zungen darstellen und die ausunterschiedlichen Erlebnissen <strong>de</strong>r Vergangenheit schöpfen. Der Vergleichdieser Werke könnte seltsam, gar falsch scheinen, weil Willehalm nicht dieGeschichte von Guilhem <strong>de</strong> la Barra, son<strong>de</strong>rn die von Aliscans zur Vorlagehat. 1 Im Gegensatz zu einem rein philologischen o<strong>de</strong>r Handlungsvergleich1„Die französische Vorlage <strong>de</strong>s ‘Willehalm‘ war das Epos ‘Aliscans‘ aus <strong>de</strong>m Epen-Zyklusum Guillaume d’Orange.“ Joachim Bumke, Wolfram von Eschenbach, Stuttgart – Weimar,M<strong>et</strong>z ler, 2004, 282.


184 Imre Gábor Majorossysteht sowohl im Mittelpunkt <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Tagungsban<strong>de</strong>s als auch diesesAufsatzes das Motiv <strong>de</strong>r Begegnung zweier Auffassungen und Wertesysteme,die an gewissen Punkten <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lten Erzählungen aufeinan<strong>de</strong>rtreffen.In dieser Hinsicht lohnt es sich die Aufnahme <strong>de</strong>r als heidnisch verklei<strong>de</strong>tenorientalischen Motive unter die Lupe zu nehmen, die in einem christlichenUmfeld verlaufen und die zugleich unterschiedliche Antwortenauslösen. Dieser Unterschied soll als wissenschaftlicher Ansatz <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>nUntersuchung gelten.Militärische Krise, i<strong>de</strong>ologischer EinsatzDie zur Analyse ausgewählten Abschnitte befin<strong>de</strong>n sich einerseits amAnfang <strong>de</strong>s okzitanischen Romans, an<strong>de</strong>rerseits an mehreren Stellen <strong>de</strong>smittelhoch<strong>de</strong>utschen Epos. Jeweils scheint es zielführend, <strong>de</strong>n Inhalt kurzzusammenzufassen.Im Fall <strong>de</strong>s okzitanischen Berichts spitzt sich die Lage ziemlich rasch zu.Gleich nach <strong>de</strong>m Aufbruch s<strong>et</strong>zt sich das christliche Heer unter <strong>de</strong>r Leitungvon Guilhem <strong>de</strong> la Barra und Chabert mit einer Herausfor<strong>de</strong>rung auseinan<strong>de</strong>r,die nicht nur <strong>de</strong>n Ausgang <strong>de</strong>s Einsatzes, son<strong>de</strong>rn auch das Leben <strong>de</strong>rRitter in Gefahr bringt. Um das Meer überqueren zu dürfen, muss ein hoherB<strong>et</strong>rag bezahlt wer<strong>de</strong>n. Wenn sich jemand weigert, wird er enthaupt<strong>et</strong>,außer wenn er <strong>de</strong>n christlichen Glauben verleugn<strong>et</strong>. 2 Den Rittern ist offensichtlichkein Kompromiss erlaubt, <strong>de</strong>swegen bereiten sie sich alle auf <strong>de</strong>nTod vor. Die Krise bi<strong>et</strong><strong>et</strong> ihnen <strong>de</strong>nnoch eine hervorragen<strong>de</strong> Gelegenheit,die Wahrheit <strong>de</strong>s christlichen Glaubens <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Werkes und <strong>de</strong>mjeweiligen Publikum zu veranschaulichen. Ein inszenierter Götterstreit, <strong>de</strong>rdie biblische Szene 3 nachahmt, soll darlegen, wie wahrhaftiger Gott als dieheidnischen Götzen ist. Zum Schluss gelingt es <strong>de</strong>n christlichen Rittern, nachschwierigen Verhandlungen ein Abkommen zu schließen und ihren Einsatzin Richtung England fortzuführen.Was hinsichtlich <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Leitlinie <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>nTagungsban<strong>de</strong>s in diesem kurzen Abschnitt unter an<strong>de</strong>rem auffällt, ist zunächstdie Re<strong>de</strong> von Guilhem, die sich an die Ritter richt<strong>et</strong>, die sich auf <strong>de</strong>nTod vorbereiten. Da seiner Erläuterung zufolge auf einen Schlag das Leben2„Et establic qu’om ques <strong>de</strong>fenda / Ses merce la testa per<strong>de</strong>s / Sil traütage no pagues, / O novolgues Dieu renegar.“ Arnaut Vidal <strong>de</strong> Castelnaudary, Guillaume <strong>de</strong> la Barre, hrsg. PaulMeyer, Paris, SATF, 1895, 134-137 (Zeilennummer; im Weiteren: Guilhem).31 Kön 18,20-40.


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 185und <strong>de</strong>r Tod zum Einsatz <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung wer<strong>de</strong>n, 4 nehmen alle darauffolgen<strong>de</strong>nHandlungen rituelle Merkmale an, im Laufe <strong>de</strong>ren auf <strong>de</strong>n l<strong>et</strong>ztenMoment vorbereit<strong>et</strong> wird. Sogar die Wortwahl 5 von Guilhem weist auf dasewige Schicksal hin. Diese Art Auffassung <strong>de</strong>r Entwicklungen schließt alleVersuche aus, eine vorübergehen<strong>de</strong> Lösung zur Lage zu fin<strong>de</strong>n. Kein einzigesWort fällt mehr über die Flucht o<strong>de</strong>r das Lösegeld.Nach diesen ersten Ereignissen <strong>de</strong>s Werkes kann vorausges<strong>et</strong>zt wer<strong>de</strong>n,dass die Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung mit einer abweichen<strong>de</strong>n geistigen Überzeugungunvermeidbar für eine tiefe Krise sorgen dürfte, die zugleich die größtenZiele <strong>de</strong>s Menschen und <strong>de</strong>r Gemeinschaft in Gefahr bringt. Allem Anscheinnach schätzen die Ritter die Lage auf ähnliche Weise ein, da sie sich auf<strong>de</strong>n bevorstehen<strong>de</strong>n Tod vorbereiten und die Sakramente zu sich nehmen. 6Da die Re<strong>de</strong> das Hauptanliegen <strong>de</strong>r Heilsgeschichte hervorruft, gilt sie alseine Zusammenfassung <strong>de</strong>r christlichen Moral, die eine Antwort erwart<strong>et</strong>,die auf die einzigartige Tat von Jesus gegeben wer<strong>de</strong>n soll. Diesmal scheint<strong>de</strong>r Parallelismus klar: Wie sich Jesus für die Menschheit hingegeben hat, somüssen sich die Ritter nun für <strong>de</strong>n Glauben aufopfern. 7Vermutlich nichts an<strong>de</strong>rem als <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sbereitschaft <strong>de</strong>r Ritter ist es zuzuschreiben,dass <strong>de</strong>r Botschafter <strong>de</strong>s heidnischen Königs, <strong>de</strong>r bislang als4„[...] qu’a<strong>de</strong>s rendam / Las armas a Dieu e muram / Per so quar el muric per nos.“ Guilhem341b-343.5passio, salut, paradis: 336, 338, 339.6„En Chabertz vay a<strong>de</strong>s culhir / Las fuelhas e vay las partir / Dessus us bels mandils hobratz. / Arafon cascus cofessatz / De totz sos pecatz a son par. / Aqui viratz cascu baysar, / La .j. l’autre e nom<strong>de</strong> fe. / G. <strong>de</strong> la Barra <strong>de</strong>se / Vay benasir e vay senhar / Davant lor, <strong>et</strong> a<strong>de</strong>nolhar / Davant lorse vay doussamens, / Et en loc <strong>de</strong> Dieu dignamens / A cascu vay sa part donar; / Et apres feyapparelhar / Del vi, ayssi cum far se <strong>de</strong>u, / E cascus <strong>de</strong> <strong>de</strong>nolhos beu, / Remenbran la passiu<strong>de</strong> Dieu. / E quan fo fait, cascus lo sieu / Cavalh se fey gent amenar, / E pueyss van dir aut<strong>et</strong> eclar: / ‘Ara po<strong>de</strong>m anar segur, / Que per lunh Sarrazi taffur / Nons cal aver paor hueymay.‘“Guilhem, 349-371. Diese Art von symbolischer Kommunion war im Mittelalter üblich, wie <strong>de</strong>rHerausgeber Paul Meyer anmerkt: „On a bien d’autres exemples <strong>de</strong> c<strong>et</strong>te sorte <strong>de</strong> communionsymbolique. Voy. Daurel <strong>et</strong> Béton, p. vi.“ Guilhem, Einleitung, xvi. Im Daurel <strong>et</strong> Béton steht:„E junh las mas: ‘Companh, si a vos platz, / Ab <strong>de</strong> fuelha e vos me cumergas.‘“ Daurel <strong>et</strong> Béton,hrsg. Paul Meyer, Paris, SATF, 1880, 427-428 (Zeilennummer). In <strong>de</strong>r Einleitung dieses Romansfügt Paul Meyer hinzu: „Les exemples <strong>de</strong> c<strong>et</strong>te sorte <strong>de</strong> communion symbolique sont fréquentsdans les poèmes du moyen-âge; voy. Floriant <strong>et</strong> Flor<strong>et</strong>e, vv. 345-7 <strong>et</strong> les notes <strong>de</strong> l’éditeur, p. xlij.“Der Abschnitt von Floriant <strong>et</strong> Flor<strong>et</strong>e laut<strong>et</strong>: „Puis a .iii. pois <strong>de</strong> l’erbe pris, / Seigniez <strong>et</strong> en sabouche mis / En lieu <strong>de</strong> Corpus Domini, / Qui li face vraie merci.“ Floriant <strong>et</strong> Flor<strong>et</strong>e, 345-348.(Zeilennummer), hrsg. Francisque Michel, Edinburgh, R&R Clark, 1873.7„[...] qu’a<strong>de</strong>s rendam / Las armas a Dieu e muram / Per so quar el muric per nos.“ Guilhem,341b-343.


186 Imre Gábor MajorossyDol m<strong>et</strong>scher aufg<strong>et</strong>r<strong>et</strong>en ist, <strong>de</strong>n Vorschlag Guilhems annimmt. 8 So kommtes zu einem eigenartigen Gottesurteil, <strong>de</strong>ssen Darstellung außer Zweifel diebiblische Szene über Elias und die Proph<strong>et</strong>en von Baal hervorruft. 9 DiesesAbkommen gewährt <strong>de</strong>n Rittern vorerst eine Frist, die <strong>de</strong>mzufolge nichtsofort sterben müssen.Hinsichtlich <strong>de</strong>s Motivaustausches zwischen unterschiedlichen Kulturendrängt sich nicht nur die stereotype Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung mit <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n in<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund, son<strong>de</strong>rn es lohnt sich auch, <strong>de</strong>n Vergleich <strong>de</strong>r Götter unterdiesem Gesichtspunkt zu untersuchen. Denn es han<strong>de</strong>lt sich dabei um eineziemlich archaische Auffassung, nach welcher <strong>de</strong>r jeweilige Gott unmittelbarin die Welt eingreift und die Ereignisse <strong>de</strong>s Diesseits beeinflusst.Wie zuvor darauf hingewiesen, wird das Gottesurteil sowohl strukturellals auch inhaltlich nach <strong>de</strong>m biblischen Bericht verfasst und dargestellt. Inbei<strong>de</strong>n Fällen wird <strong>de</strong>r wesentliche Gegensatz in einem leicht ironischenDialog textualisiert, was die Führungsrolle <strong>de</strong>r jeweiligen Hauptfigur hervorhebt.Was bei diesen sich ähneln<strong>de</strong>n Berichten noch mehr auffällt, istihr Hauptanliegen, d. h. <strong>de</strong>r klare Sieg jener Macht, die als wahrer Gott b<strong>et</strong>racht<strong>et</strong>wird. Die Vermutung, dass es möglich sei, in einem Streit durch <strong>de</strong>nVergleich transzen<strong>de</strong>ntaler Kräfte zu entschei<strong>de</strong>n, ist ebenfalls sehr archaischund sowohl in <strong>de</strong>r biblischen Tradition als auch im Mittelalter verwurzelt.Es muss nur auf die zehn Plagen vor <strong>de</strong>m Auszug aus Ägypten 10 o<strong>de</strong>r auf dieGottesurteile <strong>de</strong>r mittelalterlichen Rechtspraxis hingewiesen wer<strong>de</strong>n.Allem Anschein nach steckt die damalige Botschaft <strong>de</strong>s Abschnitts in <strong>de</strong>nandauern<strong>de</strong>n Konflikten <strong>de</strong>r Kreuzzüge, die das Zeitalter durchaus geprägt haben.Ohne die möglichen und er<strong>de</strong>nklichen Geschichtsquellen <strong>de</strong>r Erzählungzu nennen o<strong>de</strong>r aufzuzählen, 11 lässt sich vermuten, dass die Darstellung <strong>de</strong>r8„[...] aycels mesquis / Crestias se volo renegar / E colo Baphom adzorar, / Solamens qu’a<strong>de</strong>s loy portem / E quan seram lay nos veirem / Lor dieu qu’an mes sus .j. laurier / Qu’es pens en .j.pauc <strong>de</strong> papier.“ Guilhem, 452b-458.91 Kön 18,20-40.102 Mose 7,14 – 12,40. Ein weiteres, weniger bekanntes Beispiel für die Frage <strong>de</strong>r Untreue: 4Mose 5,20-31 und darin die Kernsätze wie folgt: „Sobald er sie das Wasser hat trinken lassen,wird das fluchbringen<strong>de</strong> Wasser in sie eindringen und bittere Schmerzen bewirken, falls sieunrein und ihrem Mann untreu gewor<strong>de</strong>n ist: Es wird ihren Bauch anschwellen und ihreHüften einfallen lassen, sodass die Frau in ihrem Volk zum sprichwörtlichen Beispiel füreinen Fluch wird. Wenn sie aber nicht unrein gewor<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn rein ist, dann wird sichzeigen, dass sie unschuldig ist, und sie kann weiterhin Kin<strong>de</strong>r bekommen.“ 4 Mose 5,27-28.11„Die zeitgeschichtliche Relevanz <strong>de</strong>s Kreuzzugsgedankens im ‘Willehalm‘ ist nicht genauzu erkennen. Seit<strong>de</strong>m Friedrich II. im Jahr 1215, bei seiner Krönung in Aachen, das


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 187aussichtslosen Lage und <strong>de</strong>r Vorschlag zur Lösung auf Kreuzzugsberichte aus<strong>de</strong>m Orient zurückreichen. Die göttliche Machtprobe vollzieht sich <strong>de</strong>nnochjeweils an<strong>de</strong>rs. Während die biblische Szene die traditionelle Opferung darstellt,wer<strong>de</strong>n die Götter im okzitanischen Roman aufgerufen, unmittelbaraufzutr<strong>et</strong>en und ihre Kraft persönlich unter Beweis zu stellen. Dieser persönlicheAuftritt wird umso mehr hervorgehoben in<strong>de</strong>m physische Darstellungen<strong>de</strong>r Götterfiguren ins Spiel gebracht wer<strong>de</strong>n: mal ein Kruzifix, mal heidnischeGötterstatuen. Abgesehen von <strong>de</strong>m wesentlichen Gegensatz zwischen <strong>de</strong>nunterschiedlichen religiösen Auffassungen soll das umfangreiche N<strong>et</strong>zwerk<strong>de</strong>r theologischen und biblischen Anspielungen erkannt wer<strong>de</strong>n, das hinter<strong>de</strong>m son<strong>de</strong>rbaren Götterstreit steckt. Um <strong>de</strong>n religiösen Gegensatz besser zuerläutern, lohnt es sich, hinsichtlich dieser Anspielungen die Szene <strong>de</strong>tailliertzu untersuchen.Der Gegensatz kommt zuerst durch das Aussehen <strong>de</strong>r Darstellungen <strong>de</strong>rGötter zum Ausdruck. Das Kruzifix als Gedächtnis einer schrecklichenStraftat und <strong>de</strong>s göttlichen Heilands steht ja im Gegensatz zu <strong>de</strong>n prächtigenGötterstatuen sowie <strong>de</strong>n geschmückten Festwägen:Per mandamen drei al thezaur,E vay far yssir .j. carr d’aur,E las rodas foron d’argent,Hon <strong>de</strong>gro portar ricamentLors dieus Bafom <strong>et</strong> Tervagan, 12Angesichts dieses Gegensatzes zeigen sich die Hei<strong>de</strong>n hochmütig („Aquel dieuno sembla pas sas, / O sembla quel col ha trencat.“ 13 ), gar im Selbstvertrauenallzu gestärkt („Li crestia an paor <strong>de</strong> nos.“ 14 ). Durch sein Geb<strong>et</strong> allerdingsversucht Guilhem <strong>de</strong>n gängigen Gegensatz außer Kraft zu s<strong>et</strong>zen und dieKreuz genommen hatte, war das Thema eines neuen Kreuzzugs st<strong>et</strong>s aktuell, auch amThüringer Hof: <strong>de</strong>r junge Landgraf Ludwig IV. hat einige Jahre später eine prominenteRolle in <strong>de</strong>r Kreuzzugsbewegung gespielt. Man kann jedoch schwerlich <strong>de</strong>n ‘Willehalm‘als ein Dokument <strong>de</strong>r Kreuzzugsverherrlichung b<strong>et</strong>rachten; und es ist kaum <strong>de</strong>nkbar, daßdie Dichtung eine werben<strong>de</strong> Funktion erfüllen sollte. Zu <strong>de</strong>utlich sind die Skepsis undDistanz, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Erzähler das Geschehen auf <strong>de</strong>m Schlachtfeld verfolgt.“ JoachimBumke, Geschichte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literatur im hohen Mittelalter, München, DTV, 2004,184.12Guilhem, 463-467.13Guilhem, 682-683.14Guilhem, 673.


188 Imre Gábor Majorossydarin stecken<strong>de</strong> Erniedrigung zu überwin<strong>de</strong>n. Nach einem Rückblick auf dasErlösungswerk Jesu, <strong>de</strong>r zugleich als gemeinschaftliches Glaubensbekenntnisgilt, lädt Guilhem ihn ein, allen anwesen<strong>de</strong>n christlichen Rittern beizustehen.15 Die Szene dürfte auf mehreren biblischen Szenen beruhen undzwar einerseits auf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Götterstreits mit Elias und <strong>de</strong>n Proph<strong>et</strong>en vonBaal, 16 an<strong>de</strong>rerseits und noch einprägsamer auf <strong>de</strong>r Szene <strong>de</strong>r Heilung einesTaubstummen im Markusevangelium. 17 Die bei<strong>de</strong>n zitierten Szenen Bei<strong>de</strong>hervorgehobenen Ausdrücke weisen auf uralte Brauchtümer hin, die im Laufe<strong>de</strong>r Redaktionsarbeit in <strong>de</strong>n durch die kirchliche Gemeinschaft kanonisiertenBericht eingearbeit<strong>et</strong> wor<strong>de</strong>n waren.Was ebenfalls auffällt, ist die l<strong>et</strong>zte Zeile: „Qu’el conoscan la veritat.“ 18Demgemäß wird nicht mehr <strong>de</strong>r militärische Sieg, son<strong>de</strong>rn die Bekehrung<strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n als Ziel ges<strong>et</strong>zt. Die zitierte Zeile dürfte das Mustergeb<strong>et</strong> hervorrufen,das einmal einem tragischen Ereignis voranging und sich auf diean<strong>de</strong>ren konzentrierte. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich wohl um das berühmte Geb<strong>et</strong>Jesu, gleich vor seiner Festnahme, als er für die Apostel und alle späterenGläubigen b<strong>et</strong><strong>et</strong>e.Gottes angemessene und vielfältige Antwort auf ein so <strong>de</strong>mütiges undtreues Geb<strong>et</strong> darf nicht ausbleiben. Wie in <strong>de</strong>r Szene <strong>de</strong>r Taufe Jesu, 19 erscheinteine Taube, die diesmal nur für die Hauptfigur sichtbar ist. Dernächste Teil <strong>de</strong>r göttlichen Antwort erweist sich als hart, gar grausam, weiljene, die Jesus am Kruzifix beschimpft haben, nun einen schrecklichen Tod 20fin<strong>de</strong>n müssen. Die heidnischen Götter erlei<strong>de</strong>n ein ähnliches Schicksal,das <strong>de</strong>r Verspottung gar Vernichtung gleicht, 21 was <strong>de</strong>n heidnischen Könignicht davon abhält, die christlichen Ritter nach wie vor besiegen zu wollen.15„Atressi, senher, cum ieu cre / Tot aysso ab mos companhos,/ Mostra huey cum yestpo<strong>de</strong>ros / Als nofezaycs que son ayci,“ Guilhem, 608-611.161 Kön 18,20-40 und genauer auf <strong>de</strong>n Satz von Elia (36b): „[...] heute soll man erkennen, dassdu Gott bist in Israel [...]“17Mk 7,31-37 und zwar auf die Geste von Jesus (34a): „[...] dann blickte er zum Himmel auf,seufzte [...]“18Guilhem, 615.19„Und als er aus <strong>de</strong>m Wasser stieg, sah er, dass <strong>de</strong>r Himmel sich öffn<strong>et</strong>e und <strong>de</strong>r Geist wieeine Taube auf ihn herabkam.“ Mk 1,10. Ähnlich bei Matthäus (3,16b), Lukas (3,22a) undJohannes (Joh 1,32b).20„A<strong>de</strong>s se van rompre lo col, / E la boca lor venc <strong>de</strong>tras: / Qui trencal cap, qui romp los bras; / Anmais son par mazel no vitz.“ Guilhem, 686-689.21„E tantost el vic <strong>de</strong>partir / Lo cors Baffom, e’n vic yssir / .IIII. gatz pu<strong>de</strong>ns en volan, / Quepreso lo dieu Tarvagan / E van lo ditar en la mar,“ Guilhem, 739-743.


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 189Er bleibt weiterhin hartnäckig und lehnt das Christentum ab. Seine Absichtdie Vertr<strong>et</strong>er <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Religion anzugreifen wird als einzigartige Chancezum Martyri um wahrgenommen. 22 Diese Sehnsucht, Märtyrer zu wer<strong>de</strong>n,dürfte sich auf die folgen<strong>de</strong>n paulinischen Sätze stützen: „Denn für michist Christus das Leben und Sterben Gewinn. [...] Es zieht mich nach bei<strong>de</strong>nSeiten: Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein – umwie viel besser wäre das!“ 23Dank <strong>de</strong>r ersten schwierigen Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung mit <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n habendie christlichen Ritter eine abweichen<strong>de</strong> Lebensauffassung kennengelernt,die sowohl im okzitanischen Roman, als auch in <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>rHauptfiguren zum Ausdruck gebracht wird. Der Konflikt gleicht einemextremen Gegensatz, <strong>de</strong>r das Hauptanliegen <strong>de</strong>r individuellen und gemeinschaftlichenI<strong>de</strong>ntität in Zweifel zieht. Die Ritter sind doch bereit, das Lebenfür die geistige Überzeugung in einem Kontext aufzuopfern, wo die Hei<strong>de</strong>nunvermeidbar das Böse veranschaulichen.Kreuzre<strong>de</strong>n von Willehalm: unterschiedliche AuffassungenIm mittelhoch<strong>de</strong>utschen Werk spielt Willehalm die Führungsrolle, die Machtund Wür<strong>de</strong> mit sich bringt. Er hält zwei Re<strong>de</strong>n, die sich an die christlichenRitter richten und die ziemlich leicht mit <strong>de</strong>r oben zitierten Re<strong>de</strong> von Guilhemverknüpft wer<strong>de</strong>n können. Was beim Lesen neben <strong>de</strong>r militärischen Mahnungauffällt, ist <strong>de</strong>r unterschiedliche Charakter <strong>de</strong>r Ansprachen. Willehalms ersteRe<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>t gleich vor <strong>de</strong>r ersten Schlacht statt, bevor die zwei Heere zum erstenMal zusammenstoßen. Zwar kürzer, als Guilhem, bezieht sich Willehalmebenfalls auf die Heilsgeschichte:wan sît sich kriuzes wîs erbôt,Jêsus von Nazarêth, dîn tôt,dâ von hânt vlühteclîchen kêrdie boesen geiste immer mêr. 2422„G. Barra e’n Chabertz an / Gran gaug quant auso las novelas, / Quar mot lor so plazens ebelas / Et amorosas per ausir, / Ab sol ques elh puescan morir / Per Jhesu Crist e pendre mort.“Guilhem, 800-805.23Phil 1,21 und 23.24Wolfram von Eschenbach, Willehalm, hrsg. Joachim Heinzle, Frankfurt am Main, DeutscherKlassiker, 1991, 17, 11-14. (Strophen- und Zeilennummer. Im Weiteren: Willehalm.)


190 Imre Gábor MajorossyEr und beruft sich dabei auf das Zeichen <strong>de</strong>s Kreuzes. 25 Mithilfe <strong>de</strong>s Kreuzesim übertragenen und im engen Sinne sollen sie sich als siegreich erweisen und<strong>de</strong>m christlichen Glauben treu bleiben:ir trag<strong>et</strong> sînes tô<strong>de</strong>s wâpen gar,<strong>de</strong>r uns von helle erlôste:<strong>de</strong>r kumt uns wol ze trôste. 26Selbst diesem kurzen Vergleich zufolge lässt sich <strong>de</strong>r Unterschied zwischenSeelenzustän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Hauptfiguren und Einschätzung <strong>de</strong>r Lagen feststellen.Dazu trägt das <strong>de</strong>utlich abweichen<strong>de</strong> Umfeld im Fall von Willehalmbei, das auch durch Hoffnung gekennzeichn<strong>et</strong> ist. In <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> und imGeb<strong>et</strong> von Guilhem, die später in das mittelhoch<strong>de</strong>utsche Werk vorkommen,scheint die Zukunft ziemlich dunkel, traurig und aussichtslos. In<strong>de</strong>r Vorbereitung auf <strong>de</strong>n Tod wird ihm dadurch geholfen, dass ihm dieMöglichkeit angeboten wur<strong>de</strong>, am Schicksal Jesu teilnehmen zu könnenund <strong>de</strong>ssen Verheißung <strong>de</strong>s Heils zu erleben. Dieser Glaube prägt durchausauch die Welt von Willehalm, aber Guilhem ist nichts an<strong>de</strong>res übriggeblieben. Im Gegensatz zu ihm, hält <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Held <strong>de</strong>n militärischenSieg für wahrscheinlich und erreichbar. Trotz ihres tiefen Glaubensgreifen die Hauptfiguren jeweils zwei unterschiedliche Aspekte <strong>de</strong>sselbenHauptanliegens und zwar <strong>de</strong>s Sieges auf. Für <strong>de</strong>n einen verspricht er25Wie durchaus bekannt, war das Zeichen <strong>de</strong>s Kreuzes das Erkennungsmerkmal <strong>de</strong>r christlichenRitter, woran sie anerkannt wer<strong>de</strong>n konnten. Dadurch wird es zum i<strong>de</strong>ntitätskonstituieren<strong>de</strong>nMerkmal <strong>de</strong>r christlichen Gemeinschaft im Son<strong>de</strong>reinsatz. „Der Krieg gegendie Hei<strong>de</strong>n ist im ‘Willehalm‘ als Kreuzzug dargestellt: die christlichen Ritter tragen dasZeichen <strong>de</strong>s Kreuzes auf ihren Rüstungen; sie kämpfen als »Gottes Söldner« (19,17); undwenn sie fallen, wer<strong>de</strong>n sie »von Engeln in <strong>de</strong>n Himmel geleit<strong>et</strong>« (14,11), während <strong>de</strong>nHei<strong>de</strong>n »<strong>de</strong>r Weg zur Hölle offensteht« (38,26). Mit dieser Auffassung hat Wolfram seineDichtung in die Tradition <strong>de</strong>s Rolandslieds gestellt. [...] Der Vergleich mit <strong>de</strong>m ‘Rolandslied‘zeigt aber auch, daß <strong>de</strong>r Kreuzzuggedanke im ‘Willehalm‘ einen ganz an<strong>de</strong>ren Charakterhat. Im ‘Rolandslied‘ war <strong>de</strong>r Kreuzzug aggressiv und missionarisch: ganz Spanien wirdvon Karl <strong>de</strong>m Großen erobert und unter das Kreuz gezwungen. Im ‘Willehalm‘ dagegenist <strong>de</strong>r Kreuzzug nur noch auf die Verteidigung <strong>de</strong>s christlichen Glaubens gericht<strong>et</strong>; und esfehlt jegliche Bekehrungsabsicht.“ J. Bumke, Geschichte..., op. cit., 183. Abgesehen von <strong>de</strong>nweitgehen<strong>de</strong>n inhaltlichen Verbindungen mit <strong>de</strong>m Rolandslied, lohnt es sich, <strong>de</strong>n Aufbau<strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sszene von Vivianz hervorzurufen, die im Grun<strong>de</strong> genommen die <strong>de</strong>n musterhaftenTod eines christlichen Ritters darstellen<strong>de</strong> Struktur, wie das im Falle von Rolands Todgestalt<strong>et</strong> wur<strong>de</strong>, nachahmt.26Willehalm, 17, 16-18.


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 191Hoffnung auf das Heil, 27 für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Hoffnung auf <strong>de</strong>n bevorstehen<strong>de</strong>nmilitärischen Durchbruch. 28Die Analyse <strong>de</strong>r darauffolgen<strong>de</strong>n Ereignisse ist für die vorliegen<strong>de</strong>Untersuchung nicht relevant, daher reicht es zu erwähnen, dass sich die Schlachtals schrecklich erweist: Der Christenritter Mîle und sogar Vivianz, <strong>de</strong>r Neffevon Willehalm, fin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Tod. 29Sieg – aber um welchen Preis?Da Willehalm später <strong>de</strong>m Heer noch eine Re<strong>de</strong> hält, lohnt es sich, unsereAufmerksamkeit noch einmal auf ihn zu lenken. Diese Re<strong>de</strong> unterschei<strong>de</strong>tsich <strong>de</strong>utlich von <strong>de</strong>r Ersten. Nach mehreren vielfältigen Abenteuern,einschließlich <strong>de</strong>r Liebe 30 und <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung innerhalb <strong>de</strong>rRittergemeinschaft 31 bereiten sich die Ritter vor, die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schlachtzu kämpfen. In <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Hei<strong>de</strong>nlagers, anlässlich einer Beratung <strong>de</strong>r27„Lassus al gaug <strong>de</strong> paradis, / Quar venguda n’es nostra fis, / Que tug cove qu’a<strong>de</strong>s rendam / Lasarmas a Dieu e muram / Per so quar el muric per nos.“ Guilhem, 339-343.28„<strong>de</strong>r kumt uns wol ze trôste.“ Willehalm, 17, 18.29„Sîn manheit in lerte / daz er einer tjoste pflac, / dâ von <strong>de</strong>r e<strong>de</strong>le Mîle lac / tôt vorTerramêre, / <strong>de</strong>n die Franzoyser sêre / unz an ir en<strong>de</strong> klag<strong>et</strong>en, / die dâ sorgen vil bejag<strong>et</strong>en.[... ] Vîvîanz fast ungespart / [...] / Dâ ergie ein sche<strong>de</strong>lîch geschiht / und ein jaemerlîchiuangesiht / von <strong>de</strong>n sînen die daz sâhen. / Si wolten helfe gâhen: / ir helfe was ze spâtekomen. / [...] / doch leit er nôt. [...] Vîvîans sich sâ zehant / stracte, sô <strong>de</strong>r tôt lig<strong>et</strong>: / unkrafth<strong>et</strong> im an gesig<strong>et</strong>. [...] Dô er’z enpfienc, sîn jungez leben / erstarp. Sîn bîhte ergienc doch ê.“Willehalm, 21, 22-28; 24, 26; 25, 1-5.13b; 49, 28-30; 69, 10-11. Willehalms Klage um Vivianzentspricht gewissermaßen <strong>de</strong>r späteren Klage um Rennewart. Wie dann erläutert wird, gleichtdas Leben von nun an nichts an<strong>de</strong>rem. Willehalms Seufzer fasst das knapp zusammen: „Ichlebe noch und bin doch tôt.“ Willehalm, 61, 13.30Nach <strong>de</strong>m Tod von Vivianz treffen sich Willehalm und Giburg: „[...] si wol<strong>de</strong>n grîfen zuo / zebê<strong>de</strong>r sîte ir vrîheit, / dâ engein si niht ze lange streit, / wan er was ir und si was sîn“ Willehalm,100, 4b-7. Später, vor <strong>de</strong>r zweiten Schlacht ergibt sich die Gelegenheit, <strong>et</strong>was liebevolle Ruhezu fin<strong>de</strong>n: „Gyburc mit kiuscher gü<strong>et</strong>e / sô nâhe an sîne brust sich want, / daz im nû geltenwart bekannt: / allez, daz er ie verlôs, / dâ vür er sie ze gelte kôs.“ Willehalm, 280, 2-6.31Dazu kann die Szene <strong>de</strong>s Festmahls hervorgerufen wer<strong>de</strong>n, das gleich nach <strong>de</strong>r Belagerungvon Oransche stattfin<strong>de</strong>t. Trotz <strong>de</strong>r schrecklichen Umstän<strong>de</strong> (die Stadt steht in Flammen,alle Einwohner, einschließlich <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gefolge von Giburg sind tot), wer<strong>de</strong>n alle höfischenRegeln fehlerlos, jedoch nur <strong>de</strong>m Schein nach eingehalten: „Si bâten die an<strong>de</strong>rn rîter sîn / ûf<strong>de</strong>m vel<strong>de</strong> an ir gemach. / Durch ir zuht daz geschach. / Franzeiser sint niht gîtic / unddoch nâch prîse strîtic. / H<strong>et</strong>e si’s <strong>de</strong>r wirt erlâzen, / si waaren wol in <strong>de</strong>n mâzen, / dazsi h<strong>et</strong>en sîner spîse enborn.“ Willehalm, 246, 10-17. In dieser Perspektive zählen Giburgszwiespältige Klagen wenig: „Ach, waz vlust in bei<strong>de</strong>n / an mir wuohs, bê<strong>de</strong> in und uns!“Willehalm, 253, 12-13.


192 Imre Gábor MajorossyFürsten ergreift Willehalm das Wort, aber diesmal zeigt er sich <strong>de</strong>utlich zurückhalten<strong>de</strong>r.Seine Re<strong>de</strong> klingt <strong>de</strong>utlich platter, weil es sich offensichtlichum <strong>de</strong>n Mut, das gegenseitige Vertrauen und die gemeinschaftliche Kohäsionhan<strong>de</strong>lt. Niemand darf sich <strong>de</strong>m Kampf und <strong>de</strong>m vollkommenen Einsatzentziehen:Ze iuwer keinem hân ich daz ervorht,doch wur<strong>de</strong> daz gotes her entworht,hüeb unser <strong>de</strong>heiner hie die vluht. 32Dahinter dürften große innere Konflikte stecken, die <strong>de</strong>n Kampfgeist <strong>de</strong>rRitter vergiften. Daher entschließt sich Willehalm, sein geistliches Argumenteinzus<strong>et</strong>zen:[...] swem got <strong>de</strong>r sael<strong>de</strong>n gan,daz er mit strîtes urteilumbe daz en<strong>de</strong>lôse heilnoch hiute wirb<strong>et</strong>, wol <strong>de</strong>m wartsîner her komen<strong>de</strong>n vart. 33Woran liegt also die Krise? Wenn <strong>de</strong>r Text weitergelesen wird, zeigt sich dieAntwort vor: Zahlreiche Soldaten haben vor <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n Angst und ziehentatsächlich ab:Genuoge nâmen in ir muot,dô si <strong>de</strong>r hei<strong>de</strong>n sölhe vluotdort vor in ligen sâhen,si wolten wi<strong>de</strong>r gâhengein <strong>de</strong>m lan<strong>de</strong> ze Francrîche. 34Die zweite Begründung zur Flucht klingt noch empören<strong>de</strong>r und wenig ritterlicho<strong>de</strong>r höfisch:Si nâmen urloup an <strong>de</strong>r statund jâhen, bî ir zîtenin turnoi und in strîtenmöhten si dâ heime behalten prîs. 3532Willehalm, 320, 13-15.33Willehalm, 320, 26b-30.34Willehalm, 321, 5-9.35Willehalm, 321, 16-19.


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 193Selbst die Tatsache, dass die zwei Formen <strong>de</strong>s ritterlichen Daseins miteinan<strong>de</strong>rin Gegensatz geraten, <strong>de</strong>ut<strong>et</strong> auf eine tiefgreifen<strong>de</strong> Krise <strong>de</strong>s Rittertumshin. Die Praxis stimmt nicht mehr mit <strong>de</strong>r ritterlich-höfischen Theorie überein,als es wirklich zu schwierigen Kämpfen kommt, scheinen die heimischenMöglichkeiten Ruhm zu erwerben vorteilhafter und vor allem sicherer zu sein,als die kämpferischen Leistungen auf <strong>de</strong>m lebensgefährlichen Schlachtfeld. 36Um <strong>de</strong>n Sieg zu sichern, soll Willehalm diese Krise in Griff bekommen, <strong>de</strong>shalbversucht er in seiner Ansprache, auf die Sehnsucht nach Anerkennung,Ruhm und Erfolg zu antworten. Er greift die Motivik auf, die bereits in seinerersten Re<strong>de</strong> Anwendung gefun<strong>de</strong>n hat:Dine wer<strong>de</strong>nt nimmer vertribenvon <strong>de</strong>r durhslagenen zeswen hant,diu vür diu helleclîchen pfantame kriuze ir bluot durh uns vergoz.Die selben hant noch nie vergôz,swer’z mit einvaltem dienst erholt,si teil<strong>et</strong> <strong>de</strong>n en<strong>de</strong>lôsen solt.Die belibene sint zer sael<strong>de</strong> erwelt. 3736„Der Verrat <strong>de</strong>r Reichsfürsten wird dazu benutzt, höfische Wertvorstellungen in ein problematischesLicht zu rücken. Wenn die Fürsten erklären, sie wollten lieber »auf Turnieren«(321,18) Ruhm erwerben, als sich von <strong>de</strong>n Pfeilen <strong>de</strong>r heidnischen Bogenschützen durchbohrenzu lassen, dann erscheint das ritterliche Turnier, das im Artusroman einen Höhepunkt höfischerGesellschaftskultur darstellt, wie ein unverbindliches Spiel gegenüber <strong>de</strong>m Ernstkampf<strong>de</strong>s Hei<strong>de</strong>nkrieges; und <strong>de</strong>r ritterlicher »Ruhm« (321,19), <strong>de</strong>n man dabei erringen kann, wirdzu einem fragwürdigen Wert. Die Reichsfürsten nennen die Freu<strong>de</strong>n und Bequemlichkeiten<strong>de</strong>s höfischen Lebens als gewünschte Alternative zu <strong>de</strong>n Härten <strong>de</strong>s Feldzuges. [...] Derverweichlichte Höfling als Kontrastfigur zum Kreuzritter war ein Topos <strong>de</strong>r lateinischenHofkritik und <strong>de</strong>r Kreuzzugsliteratur. Bei Wolfram gewinnt dieser Topos seine beson<strong>de</strong>reFärbung dadurch, daß als Attribute <strong>de</strong>r Verweichlichung zahlreiche Einzelheiten genanntwer<strong>de</strong>n, die sonst in <strong>de</strong>r höfischen Literatur als spezifische Errungenschaften <strong>de</strong>r höfischritterlichenA<strong>de</strong>lskultur begegnen und die von <strong>de</strong>m adligen Publikum in Thüringen, fürdas <strong>de</strong>r Willehalm wahrscheinlich gedicht<strong>et</strong> wor<strong>de</strong>n ist, sicherlich auch so verstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n.An <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Höfen war man sich wahrscheinlich darüber im klaren, daß dieseErrungenschaften zum großen Teil <strong>de</strong>r kulturellen französischen Hofkultur zu danken waren.Daß man für viele Einzelheiten <strong>de</strong>s höfischen Lebensstils französische Wörter benutzte,erinnerte an diese Herkunft.“ J. Bumke, Wolfram von Eschenbach, op. cit., 308, 340.37Willehalm, 322, 6-13. „Der Aufbruch <strong>de</strong>r Christen in die Schlacht steht unter <strong>de</strong>m Zeichen<strong>de</strong>s Gotteskampfes. Die Ritter, die ihn führen, erwarten die Erhöhung ihrer persönlichen‘wer<strong>de</strong>keit‘ im irdischen und himmlischen Lohn (’sael<strong>de</strong>‘) im jenseitigen Leben. Wer sich <strong>de</strong>mSchwertkampf für Taufe und Glauben entzieht, fällt <strong>de</strong>r Verachtung, zumal auch <strong>de</strong>r Frauen,anheim. Der Tod für <strong>de</strong>n Glauben dagegen rückt <strong>de</strong>n Kämpfer in die Nähe <strong>de</strong>s Märtyrers,<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Opfertod Jesu Christi wie<strong>de</strong>rholt.“ P<strong>et</strong>er Nusser, Deutsche Literatur im Mittelalter,


194 Imre Gábor MajorossyMithilfe <strong>de</strong>s grausamen, gar naturalistischen Bil<strong>de</strong>s über die durchbohrteHand Jesu, das sich gewissermaßen auf <strong>de</strong>n Kriegsschrecken bezieht, versuchtWillehalm, <strong>de</strong>n Kampfgeist <strong>de</strong>s Heeres zu stärken. Er ruft das ewigeErbarmen hervor, das als l<strong>et</strong>ztes Argument dienen soll, die Trauer um diegefallenen Ritter einzudämmen. Neben <strong>de</strong>r Berufung auf eine er<strong>de</strong>nklicheund erhoffte himmlische Vergütung, bemüht sich Willehalm, dieMissverständnisse um <strong>de</strong>n vermeintlich erwerblichen Ruhm bei <strong>de</strong>n Frauenzu zerstreuen, <strong>de</strong>r unerreichbar, gar un<strong>de</strong>nkbar ist, da die Frauen von <strong>de</strong>rFlucht und Kampfesverweigerung <strong>de</strong>r Soldaten erfahren wür<strong>de</strong>n:Sint diu wîp da heime in rehten siten,si teilent in dar umbe sölhen haz,daz in stüen<strong>de</strong> hie belîben baz. 38Wovon also zunächst Ruhm erwart<strong>et</strong> wur<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> ihnen zur Schan<strong>de</strong>geraten. 39 Was aber im Lichte <strong>de</strong>r Mitwirkung orientalischer und okzi<strong>de</strong>ntalischerMotive entschei<strong>de</strong>nd ist, ist die wie<strong>de</strong>rholt auftauchen<strong>de</strong> innereAntriebskraft <strong>de</strong>r Ritter, die treu bleiben. In <strong>de</strong>n angeführten Fällen wirdnämlich immer wie<strong>de</strong>r auf die geistige Überzeugung Bezug genommen,die <strong>de</strong>n Rittern die erwähnte einzigartige Kraft verleihen soll. Zugleichreicht diese Kraft nicht immer aus: Dank seiner äußeren Kraft besiegt dasheidnische Heer die Christen in <strong>de</strong>r ersten Schlacht. Dann, gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>sWerkes, in <strong>de</strong>r zweiten Schlacht ist dies nahezu wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fall. 40 Ohne dieEinmischung von Rennewart, Giburgs Bru<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r die abziehen<strong>de</strong>n Soldatensogar mit Gewalt zwingt, ohne Verzögerung zurückzukehren, 41 hätte dasStuttgart, Kröner, 1992, 169.38Willehalm, 322, 22-24.39Hinter <strong>de</strong>m geschil<strong>de</strong>rten Gegensatz dürfte die Umwandlung <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n jesuanischenSatzes stehen: „ihr wer<strong>de</strong>t bekümmert sein, aber euer Kummer wird sich in Freu<strong>de</strong>verwan<strong>de</strong>ln.“ Joh 16,20b.40„Zwar haben die Christen die zweite Schlacht gewonnen, Gott hat somit <strong>de</strong>n Gerechten ihrRecht erwiesen. Doch eine gelöste Siegesstimmung will nicht recht aufkommen, <strong>de</strong>r Dankan Gott fällt spärlich aus.“ Ann<strong>et</strong>te Gerok-Reiter, „Die Hölle auf Er<strong>de</strong>n“ (Überlegungenzum Verhältnis von Weltlichem und Geistlichem in Wolframs Willehalm), In: Geistlichesin Weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur <strong>de</strong>s Mittelalters, hrsg. Christoph Huber,Burghart Wachinger und Hans-Joachim Ziegeler, Tübingen, Niemeyer, 2000, 185-186.41„Dô Rennewart sach vlühtic sie, / im was mit zorne gein in gâch. / Ê daz er z’ir <strong>de</strong>heinem ihtsprach, / ir lâgenwol vümf und vierzec tôt. [...] Durh <strong>de</strong>n vrid von sîner stangen / die ei<strong>de</strong> wârenschiere ergangen. / Sie zog<strong>et</strong>en wi<strong>de</strong>r al gelîche, / beidiu arme un<strong>de</strong> rîche.“ Willehalm, 324,8-11; 327, 27-30. Der schlaue Verfasser kündigte ja vorher an, es käme zu einer krisenhaften


196 Imre Gábor MajorossyDie sogenannte ‘Toleranzre<strong>de</strong>‘ 44 von GiburgWillehalms Bemühung um Versöhnung mit <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n scheint umso be<strong>de</strong>utsamerzu sein, weil auch er sich im Fürstenrat für <strong>de</strong>n Krieg geäußert hatund geschickt (o<strong>de</strong>r schlau?) genug war, dafür mehrere Grün<strong>de</strong> aufzuzählen:einen geistlichen („ze wer <strong>de</strong>n touf und unser ê“ 45 ), einen politischen („Mir lâgenouch sieben vürsten tôt / <strong>de</strong>r hoehsten von unserem rîche.“ 46 ) und einen,<strong>de</strong>r eher ritterlichen genannt wer<strong>de</strong>n kann („swer rîterschefte will rehte pflegen,/ <strong>de</strong>r sol witwen un<strong>de</strong> weisen / beschirmen von ir vreisen!“ 47 ). Nach <strong>de</strong>nErgänzungen <strong>de</strong>r französischen Fürsten, die vor allem von Rache g<strong>et</strong>riebenwer<strong>de</strong>n, 48 erhebt sich Giburg, <strong>de</strong>ren Anwesenheit eigentlich in Frage gezogenwer<strong>de</strong>n könnte. 49Dabei lohnt es sich, einen Blick auf die Gestaltung zu werfen, weil gut dargelegteGegensätze <strong>de</strong>r ziemlich langen Ansprache von Giburg vorangehen.Die Stellungnahme von Willehalm und die ergänzen<strong>de</strong>n Meinungen <strong>de</strong>rfranzösischen Ritter wirken als Steigerung <strong>de</strong>rselben Auffassung, die <strong>de</strong>nKrieg in <strong>de</strong>n Mittelpunkt stellt. Schließlich wird die Steigerung durch einenKernsatz ausgeschalt<strong>et</strong>: „durh Giburge al diu nôt geschach.“ 50 Wenn dies richtigist, dann ist Giburg j<strong>et</strong>zt am Zug. Nun sollte sie also <strong>et</strong>was zur Sache beitragenund sich um die Lösung bemühen. Und <strong>de</strong>swegen kommt es zu einerRe<strong>de</strong>, die sich grundsätzlich gegen die allgemein vertr<strong>et</strong>ene Meinung äußert.44„Toleranz wird dabei meist in Anführungsstriche ges<strong>et</strong>zt, weil <strong>de</strong>r Begriff nicht trifft und eintreffen<strong>de</strong>r nicht gefun<strong>de</strong>n wird.“ Karl Bertau, Wolfram von Eschenbach (Neun Versuche überSubjektivität und Ursprünglichkeit in <strong>de</strong>r Geschichte), München, C. H. Beck, 1983, 242.45Willehalm, 297, 11.46Willehalm, 297, 26-27.47Willehalm, 299, 16-18. „Die meisten höfischen Dichter haben die religiösen Ritterpflichtenmit <strong>de</strong>n höfisch-weltlichen Motiven <strong>de</strong>s Rittertums, die am <strong>de</strong>utlichsten im Frauendienstzum Ausdruck kamen, in harmonische Übereinstimmung zu bringen gesucht.“ JoachimBumke, Höfische Kultur (Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, II), München,DTV, 415.48Es lohnt sich, nur dieses Wort in ihren Re<strong>de</strong>n zu b<strong>et</strong>rachten. Zweimal kommt das Verb vor:„nû helf<strong>et</strong> [...] / [...] / Vîvîanzen rechen!“ Willehalm, 301, 14a.16. „Franzoiser wur<strong>de</strong>n albereit / [...] / Vîvîanzen raechen“ Willehalm, 304, 6.8, und schließlich wird das Hauptanliegenzusammengefasst: „Sus râche wi<strong>de</strong>r râche wart gegeben.“ Willehalm, 305, 30.49„Bemerkenswert ist, daß Giburg überhaupt an <strong>de</strong>r Beratung <strong>de</strong>r Fürsten teilnimmt und daßsie als Frau das Wort ergreift.“ J. Bumke, Wolfram von Eschenbach, op. cit., 303. Wolframdürfte ihr die Erlaubnis erteilt haben: „Gîburc mit urloube dran / gie zuo manegem wer<strong>de</strong>mman.“ Willehalm, 297, 1-2.50Willehalm, 306, 1. Das erkennt Giburg selber: „und sî ich schuldic dran.“ Willehalm, 306, 17b.


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 197Da diese einzigartige Ansprache <strong>de</strong>r einst heidnischen, bereits zumChristentum bekehrten Frau weitgehend erforscht wur<strong>de</strong>, 51 wird sie nunverhältnismäßig kurz b<strong>et</strong>racht<strong>et</strong> und dazu ein einziger Ansatz vorgeschlagen.Bisher wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Akzent überwiegend auf eine Auffassung ges<strong>et</strong>zt,die heutzutage Toleranz und Gotteskindschaft heißt. Dabei wur<strong>de</strong>n di<strong>et</strong>heologischen Stellungnahmen von Wolfram von Eschenbach behan<strong>de</strong>lt.Hier wer<strong>de</strong>n diese B<strong>et</strong>rachtungen bei Seite gelassen. Nicht weniger scheintes aber bemerkenswert, wie ihre Argumentation aufgebaut ist. Auch wenndie vorhin aufgezählten Schrecken <strong>de</strong>s Kriegs allen bekannt sind, wird<strong>de</strong>r Fürstenrat teils durch die erlittenen Nie<strong>de</strong>rlagen, 52 teils durch dieVorbereitung auf <strong>de</strong>n Endsieg erhitzt. 53 Giburg tut eigentlich nichts an<strong>de</strong>res,als die vielen gegenseitig erlittenen Schläge und die kaum erlebte Freu<strong>de</strong>,die jeweils allen, die an einer Schlacht b<strong>et</strong>eiligt sind, vertraut sein müssen,ergänzen. In dieser Hinsicht zählt es wenig, dass die Re<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>r ersten,verlorenen und <strong>de</strong>r zweiten, siegreichen Schlacht gehalten wird. Je<strong>de</strong>Schlacht bringt Trauer, Schmerz und Verluste mit sich, <strong>de</strong>nnoch steht <strong>et</strong>wasim Hintergrund, was oft außer Acht gelassen wird. Und genau das steht imMittelpunkt <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> von Giburg. Denn die Tatsache, dass alle eine heidnischeWurzel haben, wird durch eine gewöhnliche autoritäre Argumentationuntermauert. Die Aufzählung jener biblischen Figuren, <strong>de</strong>ren Abstammungund jeweiligen Zugehörigkeiten kaum auffindbar sind, dient <strong>de</strong>m Grund<strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>. Wenn so zahlreiche berühmte und verehrte Gestalten <strong>de</strong>s AltenTestaments bis hin zu <strong>de</strong>n drei Heiligen Königen heidnischer Abstammungwaren und doch nicht verdammt sind,51Um nur einige Beiträge zu erwähnen: K. Bertau, Wolfram von Eschenbach, op. cit.; WalterJohannes Schrö<strong>de</strong>r, „Der Toleranzgedanke und <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Gotteskindschaft in WolframsWillehalm“, In: Festschrift für Karl Bischoff zum 70. Geburtstag, hrsg. von Günter Bellmann,Günter Eifler, Wolfgang Kleiber, Köln – Wien, Böhlau, 1975; Barbara Sabel, Toleranz<strong>de</strong>nkenin mittelhoch<strong>de</strong>utscher Literatur, Wiesba<strong>de</strong>n, Reichert, 2003; Carl Lofmark, „Das Problem<strong>de</strong>s Unglaubens im Willehalm“, In: Studien zu Wolfram von Eschenbach (Festschrift fürWerner Schrö<strong>de</strong>r zum 75. Geburtstag), hrsg. von Kurt Gärtner, Tübingen, Niemeyer, 1989;R. Schnell, „Die Christen und die »An<strong>de</strong>ren«“, In: op. cit., usw.52Wie sich z. B. Willehalm ausdrückt: „Ez sint ehte mîner mâge / gevangen, die ûf die wâge / mitmir riten, als ir triuwe gebôt. / Mir lâgen ouch siben vürsten tôt / <strong>de</strong>r hoehsten von unseremrîche.“ Willehalm, 297, 23-27.53Dazu passt z. B. Heimrichs Re<strong>de</strong>: „Swes sael<strong>de</strong> niht verdirb<strong>et</strong>, / <strong>de</strong>r wert die roemischen e<strong>de</strong>lkeit/ mit ellenthafter arbeit.“ Willehalm, 300, 20-22.


198 Imre Gábor MajorossyEin hei<strong>de</strong>n was <strong>de</strong>r êrsten man,<strong>de</strong>n got machen began.Nû geloub<strong>et</strong>, daz Elîas und Enochvür hei<strong>de</strong>n sint behalten noch.Nôê ouch ein hei<strong>de</strong>n was,<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r arken genas.Jôp vür wâr ein hei<strong>de</strong>n hiez,<strong>de</strong>n got dar umbe niht verstiez.Nû nemt ouch drîer künege war,<strong>de</strong>r heiz<strong>et</strong> einer Kaspar,Melchior und Balthasân;die müezen wir vür hei<strong>de</strong>n hân,diene sint zer vlüste niht benant: 54dann dürften die <strong>de</strong>rzeitigen Hei<strong>de</strong>n auf ähnliche Chancen hoffen. 55 DieseGemeinsamkeiten sollen verhin<strong>de</strong>rn, mit je<strong>de</strong>m einzelnen Hei<strong>de</strong>n auf dieselbeWeise umgehen zu dürfen. Dabei taucht <strong>de</strong>r Toleranzgedanke auf, weil sichGiburg gegen jegliche Verallgemeinerung bzw. Vorurteile eins<strong>et</strong>zt, die für <strong>de</strong>ngrausamen Umgang mit <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n sorgen. Da alle Menschen, die gleich vomersten Moment an mit seinen Geschenken erfüllt sind, 56 als Gottes Geschöpfegelten, 57 spricht Giburg <strong>de</strong>n Kernsatz aus, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n eben erklungenen Ausdruck54Willehalm, 306, 29 – 307,11.55„Gyburg ist sich <strong>de</strong>r Ungewöhnlichkeit bewußt, als Frau, halbfremd und Laie dazu, diesesProgramm, das weit in zeitgenössische theologische Diskussionen (<strong>et</strong>wa limbus puerorum)hineinreicht, vor <strong>de</strong>m Fürstenrat zu entwickeln (hoer<strong>et</strong> eines tumben wîbes rât. Willehalm,306, 27). Doch kommen die Vermittlungsworte nicht zufällig aus <strong>de</strong>m Mun<strong>de</strong> <strong>de</strong>rer, die sich,eine ‘an<strong>de</strong>re Helena‘, als Anlaß <strong>de</strong>r gewaltigen Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung empfin<strong>de</strong>t, die wie niemandsonst für bei<strong>de</strong> Seiten zu sprechen vermag, für ihre heidnische Sippe wie für ihre neugewonnenechristliche Verwandtschaft. Es han<strong>de</strong>lt sich um ein Verständigungsmo<strong>de</strong>ll, dasnicht schon als aufklärerische ’Toleranz‘ verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n darf, vielmehr als Ernstnehmenelementarer christlicher Positionen in undogmatischer Sicht.“ Christian Kiening, „Wolframvon Eschenbach: Willehalm“, In: Mittelhoch<strong>de</strong>utsche Romane und Hel<strong>de</strong>nepen, hrsg. HorstBrunner, Stuttgart, Reclam, 1993, 218-219.56„Got selb enpfie mit sîner hant / die êrsten gâbe ane muoter brust / von in. [...]“ Willehalm,307, 12-14a.57Walter Haug verbin<strong>de</strong>t Giburgs Re<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m im Prolog erklingen<strong>de</strong>n Geb<strong>et</strong> von Wolfram:„Gera<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Stelle <strong>de</strong>r Handlung, an <strong>de</strong>r neues großes Blutvergießen beginnt, unddurch <strong>de</strong>n Mund jener Gestalt, die am tiefsten in Leid und Schuld verstrickt ist, wie<strong>de</strong>rholtWolfram <strong>de</strong>n Schöpfungspreis <strong>de</strong>s Prologes. In <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Schöpfung ist die Wirkung<strong>de</strong>s göttlichen Geistes anschaubar. [...] Man mag wohl im Prolog eine Garantie dafür sehen,daß die göttliche Gna<strong>de</strong> am En<strong>de</strong> das Leid und die Schuld aufheben wird, <strong>de</strong>r Weg dahinführt je<strong>de</strong>nfalls durch eine Welt hindurch, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Mensch hilflos zwischen <strong>de</strong>r göttlichen


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 199(„niht benant“ 58 ) wie<strong>de</strong>rholt und damit b<strong>et</strong>ont: „Die hei<strong>de</strong>n hin zer vlust / sintalle niht benenn<strong>et</strong>.“ 59 Nach einem Rückblick auf die Zustän<strong>de</strong> um die Geburtaller Menschen stellt Giburg fest: „Wir wâren doch alle heidnisch ê.“ 60 Damitwer<strong>de</strong>n Christen und Hei<strong>de</strong>n tief miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n, da sie vor Gott 61 alsgleich gelten. Und dieser Gott ist auch in <strong>de</strong>r Barmherzigkeit allmächtig: „ermac sich erbarmen über sie, / <strong>de</strong>r rehte erbarmekeit truoc ie.“ 62Vor <strong>de</strong>m Forts<strong>et</strong>zen <strong>de</strong>r Auslegung, werfen wir einen Blick auf dasNamensverzeichnis. 63 Es stellt sich die Frage: Warum wer<strong>de</strong>n genau dieseHeilsversicherung und <strong>de</strong>r Ausweglosigkeit von Tod und Rache steht. Wenn Gyburc imAugenblick <strong>de</strong>r größten inneren Zerrissenheit Gott in <strong>de</strong>r Schönheit <strong>de</strong>r Schöpfung preist,so müßte dies aber absurd erscheinen, wenn damit nicht jene Prolog-Position <strong>de</strong>s Dichtersselbst wie<strong>de</strong>r aufgenommen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>rzufolge aus diesem Lobpreis die Hoffnung auf einsinnvolles Gestalten <strong>de</strong>r Welt fließt. Gyburg vertraut auf eben diesen Zusammenhang.“Walter Haug, Literaturtheorie im <strong>de</strong>utschen Mittelalter von <strong>de</strong>n Anfängen bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s13. Jahrhun<strong>de</strong>rts, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1992, 194-195.58Willehalm, 307, 11c59Willehalm, 307, 14b-15.60Willehalm, 307, 25.61Um diese I<strong>de</strong>ntifikation <strong>de</strong>s Pronomens er mit Gott, muss die Erklärung <strong>de</strong>s Herausgeberszitiert wer<strong>de</strong>n: Der Text und die Übers<strong>et</strong>zung „gehen davon aus, daß <strong>de</strong>r im ersten Satz genannteVater [<strong>de</strong>m sael<strong>de</strong>haften tuot vil wê, / ob von <strong>de</strong>m vater siniu kint] i<strong>de</strong>ntisch ist mit <strong>de</strong>mSubjekt er <strong>de</strong>s zweiten Satzes [hin zer vlust benenn<strong>et</strong> sint: / er mac sich erbarmen über sie.],es sich also um Gott als <strong>de</strong>n Vater <strong>de</strong>r Menschen han<strong>de</strong>lt, und daß er als Vater <strong>de</strong>r genanntenkint angesprochen ist.“ Joachim Kienzle, „Die Hei<strong>de</strong>n als Kin<strong>de</strong>r Gottes“ (Notiz zumWillehalm), Zeitschrift für <strong>de</strong>utsches Altertum und <strong>de</strong>utsche Literatur, 123, 1994, 301.62Willehalm, 307, 29-30. Diese und die knapp davor stehen<strong>de</strong>n Verse gelten als eine <strong>de</strong>r schwierigstenauslegbaren Textstellen <strong>de</strong>s Werkes. Ohne <strong>de</strong>n langen Disput fortführen zu wollen,zitiere ich <strong>de</strong>n Aufsatz von Fritz P<strong>et</strong>er Knapp, <strong>de</strong>r ebenfalls die Parallele mit <strong>de</strong>n vorangehen<strong>de</strong>nGedanken unterstreicht: „Es muß in 307,27f. eine unmittelbare Parallele zu 307,10f.(die müeze wir vür hei<strong>de</strong>n han / diene sint zer vlüste niht benant) und 307,14f. (die hei<strong>de</strong>nhin zer vlust / sint alle niht benenn<strong>et</strong>) vorliegen. Hier sind jeweils Hei<strong>de</strong>n vor Christi Todund Auferstehung gemeint, die sola fi<strong>de</strong> gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n konnten.“ Fritz P<strong>et</strong>er Knapp,„Die Hei<strong>de</strong>n und ihr Vater in <strong>de</strong>n Versen 307,27f. <strong>de</strong>s ‘Willehalm‘“, Zeitschrift für <strong>de</strong>utschesAltertum und <strong>de</strong>utsche Literatur, 122, 1993, 205.63Rüdiger Schnell stellt fest: „Diese Vorstellung konnte Wolfram früheren <strong>de</strong>utschenDichtungen (u. a. Kaiserchronik) entnehmen, vgl. J. Bumke, Wolframs Willehalm, S. 164f.“R. Schnell, „Die Christen und die »An<strong>de</strong>ren«“, In: op. cit., 194 (Fußnote 34). An <strong>de</strong>r angegebenenStelle erwähnt Joachim Bumke die Forschung von Samuel Singer: „Das Materialzu diesem Teil stammt, wie Singer gezeigt hat, im wesentlichen aus <strong>de</strong>r Silvesterlegen<strong>de</strong> <strong>de</strong>rKaiserchronik. Dort wur<strong>de</strong>n Enôch und Nôê (9420) und Jôb (9602) als ger<strong>et</strong>t<strong>et</strong>e Hei<strong>de</strong>n angeführt;in an<strong>de</strong>rem Zusammenhang erschienen kurz darauf die drîe chunige hêre (9664).“Joachim Bumke, Wolframs Willehalm, Hei<strong>de</strong>lberg, Winter, 1959, 164-165. Zur Aufzählung<strong>de</strong>r alttestamentlichen Gestalten bemerkt Samuel Singer das Folgen<strong>de</strong>: „Wie<strong>de</strong>r schwebt


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 201gilt als verbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Motiv zwischen <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> und ihrem Muster, das unteran<strong>de</strong>rem auch Enoch erwähnt, als einen Vertr<strong>et</strong>er jener Personen, die durch<strong>de</strong>n Glauben gerechtfertigt wur<strong>de</strong>n und das Heil erlangt haben. 67 Abgesehenvon dieser persönlichen Verknüpfung folgt aber die Re<strong>de</strong> gewissermaßenstrukturell folgen<strong>de</strong>m Muster. Wenn man sich nämlich <strong>de</strong>n ersten Teil 68 <strong>de</strong>rRe<strong>de</strong> von Giburg näher ansieht, zeigt sich dieses bisher versteckte Muster sofort:Es han<strong>de</strong>lt sich wohl um <strong>de</strong>n Brief an die Hebräer, 69 wo hinsichtlich <strong>de</strong>sAufbaus 70 <strong>de</strong>s Textes die Rolle <strong>de</strong>r hei<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Glauben gespielt wird. Wie67Die klassische Rechtfertigungslehre beruht auf folgen<strong>de</strong>n Stellen <strong>de</strong>s Paulusbriefs an dieRömer: „Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frie<strong>de</strong>n mit Gott durch Jesus Christus,unseren Herrn.“ Röm 5,1. „Ist <strong>de</strong>nn Gott nur <strong>de</strong>r Gott <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n, nicht auch <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n? Ja,auch <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n, da doch gilt: Gott ist ‘<strong>de</strong>r Eine‘. Er wird aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens sowohl dieBeschnittenen wie die Unbeschnittenen gerecht machen.“ Röm 3,29-30. Dabei ist es kaum zuversehen, <strong>de</strong>n Grund <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> von Giburg zu erkennen.68Willehalm 306,4 – 307,15.69Im elften Kapitel <strong>de</strong>s Briefes an die Hebräer wird <strong>de</strong>r Parallelismus im Schicksal zahlreicherberühmter Figuren im Alten Testament durch eine Anapher sowohl in <strong>de</strong>r griechischenOriginalsprache als auch auf Deutsch <strong>de</strong>utlich zum Ausdruck gebracht. Um dies nachzuweisenreicht es aus, diese Anapher auf bei<strong>de</strong>n Sprachen zu zitieren: Πίστει νοοῦμεν κατηρτίσθαι[...] Πίστει πλείονα θυσίαν ῎Αβελ [...] Πίστει Ἑνὼχ μετετέθη [...] Πίστει χρηματισθεὶς Νῶε[...] Πίστει καλούμενος Ἀβραὰμ ὑπήκουσεν ἐξελθεῖν εἰς τόπον [...] Πίστει παρῴκησεν εἰςγῆν τῆς ἐπαγγελίας ὡς ἀλλοτρίαν [...] Πίστει καὶ αὐτὴ Σάρρα στεῖρα δύναμιν [...] Πίστειπροσενήνοχεν Ἀβραὰμ τὸν Ἰσαὰκ πειραζόμενος [...] Πίστει καὶ περὶ μελλόντων εὐλόγησεν[...] Πίστει Ἰακὼβ ἀποθνῄσκων [...] Πίστει Ἰωσὴφ τελευτῶν [...] Πίστει Μωϋσῆς γεννηθεὶςἐκρύβη τρίμηνον [...] Πίστει Μωϋσῆς μέγας γενόμενος ἠρνήσατο [...] Πίστει κατέλιπενΑἴγυπτον [...] Πίστει πεποίηκεν τὸ πάσχα [...] Πίστει διέβησαν τὴν Ἐρυθρὰν Θάλασσαν [...]Πίστει τὰ τείχη Ἰεριχὼ ἔπεσαν [...] Πίστει Ῥαὰβ ἡ πόρνη οὐ συναπώλετο τοῖς ἀπειθήσασιν [...]bzw. „Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens erkennen wir [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens brachte Abel [...]Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens wur<strong>de</strong> Henoch entrückt [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens wur<strong>de</strong> Noachdas offenbart [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens gehorchte Abraham <strong>de</strong>m Ruf [...] Aufgrund <strong>de</strong>sGlaubens hielt er sich als Frem<strong>de</strong>r [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens empfing selbst Sara die Kraft[...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens brachte Abraham <strong>de</strong>n Isaak dar [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubenssegn<strong>et</strong>e Isaak Jakob und Esau [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens segn<strong>et</strong>e Jakob [...] Aufgrund <strong>de</strong>sGlaubens dachte Josef [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens wur<strong>de</strong> Mose nach seiner Geburt [...]Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens weigerte sich Mose [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens verließ er Ägypten[...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens vollzog er das Pascha [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens zogen sie [...]Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens geschah es [...] Aufgrund <strong>de</strong>s Glaubens kam die Dirne Rahab [...]“Heb 11, 3a. 4a. 5a. 7a. 8a. 9a. 11a. 17a. 20a. 21a. 22a. 23a. 24a. 27a. 28a. 29a. 30a. 31a.70Rüdiger Schnell fin<strong>de</strong>t das inhaltliche Muster <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> bei P<strong>et</strong>rus Venerabilis („Nochfrappieren<strong>de</strong>r sind die Korrespon<strong>de</strong>nzen zwischen Gyburgs Re<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Vorre<strong>de</strong> einer Schrift<strong>de</strong>s P<strong>et</strong>rus Venerabilis, in <strong>de</strong>r er die Arabes o<strong>de</strong>r Sarraceni anspricht (1143/44): „Aggredior,inquam, vos, non, ut nostri saepe faciunt, armis, sed verbis, non vi, sed ratione, non odio, sedamore; amore tamen tali, qualis inter Christicolas <strong>et</strong> a Christo aversos esse <strong>de</strong>b<strong>et</strong>; tali qualisinter apostolos nostros <strong>et</strong> illius temporis gentiles, quos ad Christi legem invitabant, exstitit; tali


202 Imre Gábor Majorossysich die Argumentation in <strong>de</strong>r biblischen Schrift um <strong>de</strong>n Glauben und seinehervorragen<strong>de</strong>n Vertr<strong>et</strong>er in <strong>de</strong>r Vergangenheit bewegt, so grün<strong>de</strong>t Giburg ihrHauptanliegen durch die Aufzählung zahlreicher Beispiele, die einst ebenfallsals Hei<strong>de</strong>n b<strong>et</strong>racht<strong>et</strong> wur<strong>de</strong>n. Die Abschnitte wer<strong>de</strong>n selbst in einer Person miteinan<strong>de</strong>rnamentlich verbun<strong>de</strong>n: Enoch taucht in bei<strong>de</strong>n Texten auf. 71 In bei<strong>de</strong>nFällen han<strong>de</strong>lt es sich um eine autoritäre Argumentation. Wenn das Muster,das hinter Giburgs Re<strong>de</strong> steckt, ausgelegt wird, dann bekommt die Re<strong>de</strong> eineweitere Perspektive. Von nun an soll Giburgs Auftritt als proph<strong>et</strong>isch b<strong>et</strong>racht<strong>et</strong>wer<strong>de</strong>n, weil sie sich in eine biblische Tradition einfügt, <strong>de</strong>ren Vertr<strong>et</strong>er dieGesellschaft vor Gefahren warnen und ewige Wahrheiten und Werte aufzeigen.72 Giburg macht genau das: Einerseits schlägt sie indirekt vor, <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>nzu vergeben:schôn<strong>et</strong> 73 <strong>de</strong>r gotes hantg<strong>et</strong>ât![...]Swazi u die hei<strong>de</strong>n hânt g<strong>et</strong>ân,is sult sî doch geniezen lân,daz got selbe ûf die verkôsvon <strong>de</strong>n er <strong>de</strong>n lîp verlôs.“ 74qualis inter ipsum Creatorem <strong>et</strong> rectorem omnium Deum, <strong>et</strong> illos quos, dum adhuc creaturaenon Creatori servirent, a cultu simulacrorum vel daemonum per suos avertit. Amavit planeipse illos, antequam ipsi illum amarent; agnovit, antequam agnoscerent; vocavit, dum adhuccontemnerent. Contulit bona facientibus mala, misertus est pereuntibus sola gratia, eosque siceripuit a miseria sempiterna.“ [P<strong>et</strong>rus Cluniacensis (Venerabilis): Adversus nefandam sectamSaracenorum, I., PL 189, 673b-c] R. Schnell, „Die Christen und die »An<strong>de</strong>ren«“, In: op. cit., 199).Allerdings scheinen mir die biblischen Wurzel be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r zu sein.71Elias wird auch im Brief an die Hebräer erwähnt, wenn auch versteckt. Er wird dabei nicht namentlichgenannt, son<strong>de</strong>rn es wird auf ihn angespielt: „Sie, <strong>de</strong>ren die Welt nicht wert war, irrtenumher in Wüsten und Gebirgen, in <strong>de</strong>n Höhlen und Schluchten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s.“ Heb 11,38.72Über die echte Proph<strong>et</strong>enrolle kann diskutiert wer<strong>de</strong>n, aber es lohnt sich zu bemerken, dass,entgegen <strong>de</strong>r umgangssprachlichen Verwendung, sie nicht unbedingt in <strong>de</strong>r Fähigkeit besteht,die Zukunft vorauszusagen, son<strong>de</strong>rn darin, dass sein Leben ein einzigartiges Zeichenaufweist o<strong>de</strong>r sein Dasein als Zeichen gilt. Dies reichte <strong>de</strong>n Zeitgenossen Jesu nicht aus, <strong>de</strong>swegenwur<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r Zeichen verlangt: „Sie baten ihn: Lass uns ein Zeichen vomHimmel sehen.“ Mt 16,1b; „sie for<strong>de</strong>rten von ihm ein Zeichen vom Himmel, um ihn auf dieProbe zu stellen.“ Mk 8,11b; „Sie entgegn<strong>et</strong>en ihm: Welches Zeichen tust du, damit wir essehen und dir glauben? Was tust du?“ Joh 6,30.73„Das heißt nicht, sie sollten das Leben <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n schonen; dann hätte sie sagen müssen:spart <strong>de</strong>r gotes hantg<strong>et</strong>at (vgl. Rolandslied, 8545: wes sparstu <strong>de</strong>n man?); schôn<strong>et</strong> heißt ‘behan<strong>de</strong>ltschône‘: das tut Willehalm, in<strong>de</strong>m er die Gefallenen schone nach ir e einbalsamierenund mit Geleit in die Heimat überführen läßt.“ C. Lofmark, „Das Problem <strong>de</strong>s Unglaubensim Willehalm“, art. cit., 410.74Willehalm, 306, 28; 309,1-4. Dahinter stehen die folgen<strong>de</strong>n Evangelienstellen: „Ich aber sage


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 203– an<strong>de</strong>rerseits s<strong>et</strong>zt sie sich für die christliche Grundlehre ein, wie z. B.:„Sîn wer<strong>de</strong>clîchez leben bôt / vür die schul<strong>de</strong>haften an <strong>de</strong>n tôt / unser vaterT<strong>et</strong>ragramatôn.“ 75 Zugleich eröffn<strong>et</strong> Giburg eine apokalyptische Perspektive.Sie trennt sich von <strong>de</strong>r aktuellen Kriegssituation und gibt einen Überblickvon <strong>de</strong>r Erbsün<strong>de</strong>, 76 <strong>de</strong>r (apokryph überlieferten) Geschichte <strong>de</strong>r gefallenenEngel, 77 <strong>de</strong>r Schöpfung 78 sowie <strong>de</strong>r Kosmologie. 79 Gera<strong>de</strong> das Wun<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rSchöpfung veranlasst auf <strong>de</strong>n berühmten Gottesbeweis anzuspielen, <strong>de</strong>r imeuch: Leist<strong>et</strong> <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r euch <strong>et</strong>was Böses antut, keinen Wi<strong>de</strong>rstand, son<strong>de</strong>rn wenn dich einerauf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die an<strong>de</strong>re hin. Und wenn dich einer vorGericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch <strong>de</strong>n Mantel. Undwenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.“ Mt5,39-41 und auch Lk 6,29: „Dem, <strong>de</strong>r dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die an<strong>de</strong>rehin, und <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r dir <strong>de</strong>n Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd.“ Barbara Sabel <strong>de</strong>hntdie Interpr<strong>et</strong>ation <strong>de</strong>s Schlüsselverbs aus: „Verfolgt man jedoch die ganze Re<strong>de</strong> Gyburgs, soerweist sich im Rückblick, daß schônen in Vers 306,28 beson<strong>de</strong>rs unein<strong>de</strong>utig ist, <strong>de</strong>nn imAufbau <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> nimmt schônen eine mit erbarmen (307,29; 309,6) vergleichbare Positionein. Schônen <strong>de</strong>r gotes hantg<strong>et</strong>ât könnte also auch be<strong>de</strong>uten: acht<strong>et</strong> die Geschöpfe Gottes,nehmt ihnen gegenüber die Haltung ein, die <strong>de</strong>m Mitmenschen gebührt, d. h. unter an<strong>de</strong>rem:erbarmt euch ihrer, habt Mitleid. Auch für <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n lateinischen Begriff,parcere, fin<strong>de</strong>n sich Belege, die im Sinne von ‘Mitleid, Erbarmen haben mit jeman<strong>de</strong>m‘ zuübers<strong>et</strong>zen sind. Erbarmen aber, misericordia, gehört ein<strong>de</strong>utig zum Be<strong>de</strong>utungsbereich vonchristlicher Toleranz. Das von Wolfram gebrauchte schônen könnte daher schon per se ein’Toleranzwort‘ sein.“ B. Sabel, Toleranz<strong>de</strong>nken in mittelhoch<strong>de</strong>utscher Kultur, op. cit., 125.75Willehalm, 309, 7-9. Das Hauptanliegen <strong>de</strong>r christlichen Theologie bzw. die Erlösung stehtfast in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>. Die Benennung T<strong>et</strong>ragramatôn lässt einerseits einen theologischausgebil<strong>de</strong>ten Autor, an<strong>de</strong>rerseits ein ähnliches Publikum vermuten. Das steht mit<strong>de</strong>r Selbstschil<strong>de</strong>rung von Giburg in klarem Gegensatz: „Hoer<strong>et</strong> eines tumben wîbes rât.“Willehalm, 306, 27.76„Sich h<strong>et</strong>en mennisch und engel brâht / beidiu in <strong>de</strong>n gotes haz: / wie kumt, daz nû <strong>de</strong>r mennischbaz / dan <strong>de</strong>r engel geding<strong>et</strong>?“ Willehalm, 308, 14-17.77„<strong>de</strong>r engel hât sich selb erkorn / zer êwigen vlüste / mit sîner âküste, / und alle die im gestuon<strong>de</strong>n,/ die selben riuwe vun<strong>de</strong>n.“ Willehalm, 308, 20-24. Off 12,9b: „<strong>de</strong>r Drache wur<strong>de</strong> aufdie Er<strong>de</strong> gestürzt und mit ihm wur<strong>de</strong>n seine Engel hinabgeworfen.“; 2 P<strong>et</strong>rus 2,4: „Gott hatauch die Engel, die gesündigt haben, nicht verschont, son<strong>de</strong>rn sie in die finsteren Höhlen <strong>de</strong>rUnterwelt verstoßen und hält sie dort eingeschlossen bis zum Gericht.“ Wie Bumke daraufhinweist: „Auch dieser Abschnitt geht in <strong>de</strong>r Hauptsache auf die Kaiserchronik zurück (Singer,96f.), cf. Silvesters Darstellung <strong>de</strong>r Heilsgeschichte vom Fall <strong>de</strong>r Engel bis zur Erlösung <strong>de</strong>rMenschen (v. 8798ff.) und später seine Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung mit Kusi (v. 9219ff.).“ J. Bumke,Wolframs Willehalm, op. cit., 167.78„sine trage die helfeclîche hant, / diu bê<strong>de</strong> wazzer un<strong>de</strong> lant / vil künsteclîch alrêst entwarf,/ und <strong>de</strong>s al diu krêatiure bedarf, / die <strong>de</strong>r himel umbesweif<strong>et</strong> hât.” Willehalm, 309,15-19.79„Diu selbe hant die plânêten lât / ir poin<strong>de</strong>r vollen gâhen / bêdiu verre und nâhen, / swie sinimmer ûf gehal<strong>de</strong>nt.“ Willehalm, 309, 20-22.


204 Imre Gábor MajorossyRömerbrief steht. 80 Dank <strong>de</strong>r Schönheit <strong>de</strong>r Natur hat Giburg nämlich dasChristentum gewählt:Ich diene <strong>de</strong>r künsteclîchen hantvür <strong>de</strong>r hei<strong>de</strong>n got Tervagant.Ir kraft hât mich von Mahum<strong>et</strong>enun<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s toufes zil geb<strong>et</strong>en. 81Das wur<strong>de</strong> ihr überall als Sün<strong>de</strong> zugeschrieben, weil Anhänger bei<strong>de</strong>rReligionen meinen, sie habe nur für Sinnenlust Mann und damit Religiongewechselt, und führte somit zum Krieg. 82Wenn die Einschätzung <strong>de</strong>r erwähnten Figuren kurz fortges<strong>et</strong>zt wird, rückenNoah, Hiob und die drei Könige in <strong>de</strong>n Mittelpunkt. Die Geschichte vonNoah legt ein Zeugnis vom Bund zwischen Gott und Mensch ab. Er konntenichts an<strong>de</strong>res machen, als auf Gott zu vertrauen, <strong>de</strong>r ihm, <strong>de</strong>m Vertr<strong>et</strong>er <strong>de</strong>rMenschheit, versprach, nach <strong>de</strong>r Sintflut ein neues Leben anfangen zu können.83 Hiobs Erwähnung beweist wie<strong>de</strong>r die Anknüpfung an <strong>de</strong>n Brief an dieHebräer, auch wenn er in dieser biblischen Textstelle nicht namentlich zitiertwird. Was von ihm als das Bekannteste gilt, ist sein unendlicher fester Glaube,mit <strong>de</strong>ssen Hilfe er trotz aller Erniedrigungen, Bedrängnisse und SchlägeGott treu bleiben konnte. 84 Ähnliches gilt für die drei Heiligen Könige, diesich ausschließlich auf <strong>de</strong>n Glauben stützend, 85 auf <strong>de</strong>n Weg machten, umdas neugeborene Kind aufzusuchen. In diesem Sinne gilt also <strong>de</strong>r Glaube80„Seit Erschaffung <strong>de</strong>r Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an <strong>de</strong>n Werken <strong>de</strong>r Schöpfungmit <strong>de</strong>r Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit.“ Röm 1,20ab.81Willehalm, 310, 1-4.82„Des trag ich mîner mâge haz / und <strong>de</strong>r g<strong>et</strong>ouften umbe daz: / durh menneschlîcher minnegît, / si waenent, daz ich vuogote disen strît.“ Willehalm, 310, 5-8.83„Ich will die Er<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>s Menschen nicht noch einmal verfluchen; <strong>de</strong>nn das Trachten <strong>de</strong>sMenschen ist böse von Jugend an. Ich will künftig nicht mehr alles Lebendige vernichten, wieich es g<strong>et</strong>an habe.“ Gen 8,21b.84Das wird im berühmten Satz von Hiob zusammengefasst: „Der Herr hat gegeben, <strong>de</strong>rHerr hat genommen; gelobt sei <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Herrn.“ Hiob 1,21b. Im Buch Hiob sollen dieRahmenerzählung und die Gespräche mit <strong>de</strong>n Freu<strong>de</strong>n, Elihu und Gott zusammen vorAugen führen. Selbst wenn <strong>de</strong>r berühmte Satz eine Art von aussichtslosem Verzicht und bloßerUnterwerfung vermitteln wür<strong>de</strong>, plädiert das Buch in Wahrheit für die Allmacht Gottes,die für <strong>de</strong>n Menschen unverständlich und unfassbar bleibt. Hiob unterwirft sich Gott undzwar nicht wegen <strong>de</strong>r Furcht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schläge, son<strong>de</strong>rn in seinem tiefen Glauben – was durchGott tatsächlich belohnt wird.85„Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ Mt 2,2b.


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 205als Verknüpfungspunkt zwischen <strong>de</strong>m biblischen und <strong>de</strong>m WolframschenText. Die in <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> von Giburg hervorgerufenen biblischen Gestalten unddas dahinter stehen<strong>de</strong> Muster wer<strong>de</strong>n durch das Glaubensmotiv verbun<strong>de</strong>n,das in <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> in übertragenem, im Brief an die Hebräer <strong>et</strong>wa in engemSinne zur Geltung kommt. Giburg sucht ein Merkmal, das in <strong>de</strong>n Figurengemeinsam ist, und sie fin<strong>de</strong>t das Hei<strong>de</strong>ntum. Im Brief wur<strong>de</strong> ähnlicherweise<strong>et</strong>was Gemeinsames gefun<strong>de</strong>n, und zwar <strong>de</strong>r Glaube. Scheinbar zählt nurdas heidnische Dasein <strong>de</strong>r erwähnten Figuren für Giburg, aber sowohl <strong>de</strong>rAufbau <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> (statt um <strong>de</strong>n Glaube, um das Hei<strong>de</strong>ntum), als auch <strong>et</strong>licheFiguren reichen bis zum biblischen Text zurück. Ihre Re<strong>de</strong> weist darauf hin,dass sie voll in Kenntnis von <strong>de</strong>n Grundlagen ihrer Botschaft ist, die zugleichin die Proph<strong>et</strong>enrolle mün<strong>de</strong>t. 86Diese Rolle gibt ihr jedoch we<strong>de</strong>r vom Zweifel bezüglich ihres ReligionsundMännerwechsels o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Trauer um die Verluste, 87 noch bezüglich<strong>de</strong>s Kriegsausbruches Freispruch. Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> beharrt sie nach wievor auf <strong>de</strong>r Tatsache, sie sei am Krieg und an allen Folgen schuld, wie <strong>et</strong>wa amTod vieler braver Ritter:ich trag al eine die schul<strong>de</strong>durh <strong>de</strong>s hoehisten gotes Hul<strong>de</strong>,[...]Waz wer<strong>de</strong>r di<strong>et</strong> ûz erkornin dîme dienste hânt verlornir lîp genen<strong>de</strong>clîche! 88Was die Reaktionen <strong>de</strong>r Reichsfürsten anbelangt, scheint wichtiger, was nichtausgesprochen wird, als das, was ausgesprochen wird. Auch wenn erneutein Kernsatz <strong>de</strong>n Monolog abschließt („Sie wein<strong>de</strong> vil: <strong>de</strong>s twanc si nôt.“ 89 )und versucht wird, Giburg zu trösten, 90 ist auffallend, wie je<strong>de</strong> Art von ei-86Wie das Knapp bezüglich <strong>de</strong>s theologischen Inhalts <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> formulierte: „Gyburg weiß,wovon sie spricht.“ (F. P. Knapp: art. cit., 206.) – was übrigens wie<strong>de</strong>r ihrem Zustand einertumpen wîbes wi<strong>de</strong>rspricht.87„Wolfram gestalt<strong>et</strong> nun, vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r verheeren<strong>de</strong>n Verluste, die <strong>de</strong>r Krieg unterChristen und Hei<strong>de</strong>n for<strong>de</strong>rt, das unvermeßliche Leid dieser weiblichen Figur; hier wiedort verliert sie Verwandte, die ihr teuer gewesen sind.“ R. Schnell, „Die Christen und die»An<strong>de</strong>ren«“, In: op. cit., 192.88Willehalm, 310, 17-18.23.25.89Willehalm, 310, 30.90„Des wirtes bruo<strong>de</strong>r Gîbert / ûf spranc: die küneginne wert / an se brust er dructe.“Willehalm, 311, 1-3.


206 Imre Gábor Majorossyner entsprechen<strong>de</strong>n Antwort ausbleibt. 91 Die Versammlung löst sich auf unddie Handlung s<strong>et</strong>zt sich im Palast fort, wo reich aufge<strong>de</strong>ckte Tafeln auf dieFürsten warten.ZusammenfassungAuf <strong>de</strong>n vorangehen<strong>de</strong>n Seiten wur<strong>de</strong> versucht, einen Vergleich zwischen<strong>de</strong>n unterschiedlichen Wahrnehmungen <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n in zwei mittelalterlichenWerken zu ziehen. Auch wenn Guilhem <strong>de</strong> la Barra und Willehalmsowohl räumlich als auch zeitlich voneinan<strong>de</strong>r ziemlich entfernt verfasstwor<strong>de</strong>n sind, weisen sie jeweils bemerkenswerte Abschnitte auf, die sich aus<strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>s wissenschaftlichen Ansatzes <strong>de</strong>s Tagungsban<strong>de</strong>srelevant sind, untersucht zu wer<strong>de</strong>n. Dabei lässt sich feststellen, dass dieAuseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zung mit <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n immer als eine tragische Feindseligkeitgalt, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Vernichtung <strong>de</strong>r Gemeinschaft und <strong>de</strong>s Individuums in ihremchristlichen Dasein drohte. Unter <strong>de</strong>n Kriegsverhältnissen, die die wie<strong>de</strong>rholtenKreuzzüge veranlassten, wur<strong>de</strong>n militärische Schlachten zu <strong>de</strong>ngängigsten Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zungen unterschiedlicher Religionen. Diese überwiegendschrecklichen und in militärisch-politischer Hinsicht völlig erfolglosen,im damaligen Sinne überseeischen Einsätze nahmen offensichtlich einen<strong>de</strong>utlichen Einfluss auf die Literatur, was in bestimmten Gattungen, wie <strong>et</strong>wain Hel<strong>de</strong>nepen und Romanen zur Geltung kommt.Zum Gegenstand <strong>de</strong>r Analyse wur<strong>de</strong>n zwei mittelalterliche narrativeWerke ausgewählt, die im Grun<strong>de</strong> genommen das dasselbe Problem behan<strong>de</strong>ln.Die Hei<strong>de</strong>n, die unvermeidlich die höchste Gefahr darstellen, erweisensich als geschickt genug, die Christen zu besiegen, was sich meist ihrer rauenKraft zuschreiben lässt. Auch wenn die christlichen Ritter mit <strong>de</strong>m einzigen,zum Heil führen<strong>de</strong>n Glauben ausgerüst<strong>et</strong> sind, wer<strong>de</strong>n sie von Zeit zu Zeitgeschwächt wie in <strong>de</strong>r mittelhoch<strong>de</strong>utschen Erzählung steht, und <strong>de</strong>swegenmüssen die militärischen Führer sie regelmäßig auffor<strong>de</strong>rn, unaufhörlichtreu zu bleiben, da sonst das gesamte christliche Heer vernicht<strong>et</strong> wird.Wie durchaus bekannt, stellt die berühmte Re<strong>de</strong> von Giburg eine außergewöhnlicheAnnäherungsweise dar, die sich für die Schonung und dieBarmherzigkeit <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n gegenüber eins<strong>et</strong>zt, aber diese Meinung bleibtunter <strong>de</strong>n Heerführern, im Fürstenrat weitgehend in Min<strong>de</strong>rheit. Abgesehenvon <strong>de</strong>n bemerkenswerten theologischen Ansätze, die sich vor allem um die91„Im Fürstenrat steht Gyburg mit ihrer Sicht allein. Ihr Appell erweist sich gegenüber <strong>de</strong>r Härte<strong>de</strong>s Krieges als eine Geste <strong>de</strong>r Ohnmacht.“ J. Bumke, Wolfram von Eschenbach, op. cit., 305.


Mostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros. Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra… 207Rechtfertigungslehre bewegen und die tiefgreifend erforscht wor<strong>de</strong>n sind,dürfte <strong>de</strong>r Zusammenhang zwischen Giburgs Re<strong>de</strong> und <strong>de</strong>m Brief an dieHebräer in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung zum ersten Mal ausgelegt wer<strong>de</strong>n.Über die gängige und verbreit<strong>et</strong>e i<strong>de</strong>ologische Botschaft hinaus, die dasChristentum unbedingt vor <strong>de</strong>m als Hei<strong>de</strong>ntum wahrgenommenen muslimischenGlauben einreiht, heben sowohl <strong>de</strong>r frühere mittelhoch<strong>de</strong>utsche alsauch <strong>de</strong>r spätere okzitanische Roman <strong>de</strong>n menschlichen Aspekt bzw. die persönlichenAuswirkungen hervor: Selbst im seltenen Fall eines militärischenSieges erweisen sich die <strong>de</strong>r Verlust, <strong>de</strong>r Schmerz und die Verwüstung alserschreckend.


Table <strong>de</strong>s MatièresAnna Arató« Onques feme <strong>de</strong> son eage /Ne fu tenue pour si sage ». Le motif du roi <strong>de</strong>Hongrie <strong>et</strong> <strong>de</strong> la princesse hongroise dans quelques récits médiévaux..........11Éva BánkiEl lugar <strong>de</strong> las cantigas <strong>de</strong> mal<strong>de</strong>cir en la tradición <strong>de</strong> la poesía amorosagalaicoportuguesa.....................................................................................................19Attila BárányKing Andrew II of Hungary in Philippe Mouskés’ Chronique rimée.............27Valérie CangemiLes enchanteurs d’Ici <strong>et</strong> d’Ailleurs : Morgane <strong>et</strong> Nectanabo............................47Magali Cheyn<strong>et</strong>Les motifs narratifs dans les proses <strong>de</strong> Galien restoré à la fin du xv e siècle :les parcours <strong>de</strong> la mémoire, <strong>de</strong> Constantinople à Roncevaux..........................59Catherine Croizy-Naqu<strong>et</strong>Les Estoires d’Outremer <strong>et</strong> <strong>de</strong> la naissance <strong>de</strong> Saladin. Entre l’Orient <strong>et</strong>l’Occi<strong>de</strong>nt...................................................................................................................79Emese Egedi-Kovács« Le livre dans le livre » <strong>et</strong> « le livre d’amour » : le De amore d’Andréle Chapelain <strong>et</strong> le roman byzantin <strong>de</strong> Makrembolitès.......................................91Christine Ferlampin-AcherGuillaume d’Angl<strong>et</strong>erre, un anti-roman byzantin ?..........................................101Emma GoodwinRéécrire la rencontre <strong>de</strong> l’Occi<strong>de</strong>nt avec l’Orient :Réflexions sur La Chanson d’Antioche................................................................121Krisztina HorváthSuperfétation, bigamie <strong>et</strong> la fille du sultan :<strong>de</strong> quelques complexes narratifs <strong>de</strong> la Bourgogne en Hongrie......................133Aurélie Hou<strong>de</strong>bertL’histoire du cheval d’ébène, <strong>de</strong> Tolè<strong>de</strong> à Paris :propositions sur les modalités d’une transmission..........................................143


Sándor KissÉlaboration poétique d’une légen<strong>de</strong> latine d’origine orientale :la Vie <strong>de</strong> Saint Alexis..............................................................................................157Klára KorompayLittérature médiévale <strong>et</strong> traditions populaires :le motif du Graal dans les prières archaïques hongroises...............................165Imre Gábor MajorossyMostra huey cum yest po<strong>de</strong>ros.Der religiöse Gegensatz in Guilhem <strong>de</strong> la Barra (Arnaut Vidal <strong>de</strong>Castelnaudary) und Willehalm (Wolfram von Eschenbach).........................183Tivadar PalágyiDes renégats aux magarites : le motif <strong>de</strong> la conversion dans l’épopée romane<strong>et</strong> byzantine du Moyen Âge (De Cr<strong>et</strong>a capta <strong>de</strong> Théodose le Diacre,Digénis Akritas, Chanson d’Antioche, Chétifs, Chanson <strong>de</strong> Jérusalem)....... 209István PuskásChristians, Saracens, Greeks and Hungarians in the chivalric romanceAngelica Innamorata..............................................................................................223Mariann SlízCults of Saints and Naming in Medieval Hungary .........................................233Imre SzabicsLa métamorphose <strong>de</strong> la fontaine <strong>de</strong> Narcisse <strong>de</strong> Guillaume <strong>de</strong> Lorrisdans le Roman <strong>de</strong> la Rose <strong>de</strong> Jean <strong>de</strong> Meun...................................................... 243Michelle SzkilnikEntre réalité <strong>et</strong> stéréotype : la Hongrie <strong>de</strong> Bertrandon <strong>de</strong> la Broquère.........251Karin UeltschiSaint Nicolas. De Byzance à la Lorraine.............................................................263Brigitta Vargyas« Conforté en songes <strong>et</strong> en visions » : le rêve comme motif <strong>et</strong> comme récitchez Froissart...........................................................................................................277

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