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Begegnungen - ELTE Eötvös József Collegium

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Antiquitas • Byzantium • Renascentia V.(Bibliotheca Byzantina)BYZANZUND DAS ABENDLAND<strong>Begegnungen</strong>zwischen Ost und West<strong>Eötvös</strong>-<strong>József</strong>-<strong>Collegium</strong>EltE


Byzanz und das Abendland:<strong>Begegnungen</strong> zwischen Ost und West


Antiquitas • Byzantium • Renascentia V.Bibliotheca Byzantina 1.Herausgegeben vonZoltán FarkasLászló HorváthTamás Mészáros<strong>Eötvös</strong>-<strong>József</strong>-<strong>Collegium</strong>2013


Herausgegeben im Rahmen des vomNationalen Forschungsfonds Ungarn geförderten ProjektsOTKA Nr. 104456Verantwortlicher Herausgeber:László Horváth, Direktor des <strong>Eötvös</strong>-<strong>József</strong>-<strong>Collegium</strong>sAnschrift: <strong>ELTE</strong> <strong>Eötvös</strong>-<strong>József</strong>-<strong>Collegium</strong>H-1118 Budapest, Ménesi út 11-13© <strong>Eötvös</strong>-<strong>József</strong>-<strong>Collegium</strong> und die einzelnen VerfasserInnen, 2013Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-615-5371-15-8ISSN 2064-2369Druck: Pátria Nyomda Zrt.H-1117 Budapest, Hunyadi János út 7Generaldirektor: István Fodor


Dora E. SoltiDas dritte Rom als Retter von Konstantinopel:Messianische Erwartungen und nüchterne Politikim Dienste der Rückeroberung KonstantinopelsDie Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 setzte dem tausendjährigenBestehen des Byzantinischen Reiches endgültig ein Ende: Das zweite Romfiel in die Hände eines nichtchristlichen, asiatischen Reiches. Die Byzantinerselbst betrachteten das unrühmliche Ende ihres Staates als Gottes Strafe füreine wiederholt begangene, schwerwiegende Sünde, nämlich für die zweiKirchenunionen von Lyon im Jahre 1274 bzw. von Florenz im Jahre 1439.Es wurden Meinungen laut, nach denen die Türkenherrschaft das orthodoxeChristentum vor dem Einfluss des Papstes bewahren sollte, und die EinwohnerKonstantinopels hätten lieber den Turban des Sultans in der Stadt gesehen, alsdie Mitra des Papstes. Zahlreiche Klagelieder entstanden zu dieser Zeit, indenen die öffentliche Meinung klar zum Ausdruck kommt: „Es war GottesWille, dass die Stadt in die Hände der Türken fiel”. 1 Die Türkenherrschaftsei aber diesen Vorstellungen nach eine vorübergehende Phase göttlicherZüchtigung, nach der das Byzantinische Reich durch einen erneuten göttlichenEingriff wiederhergestellt werde.Die Furcht vor Gottes Strafe hinderte aber die orthodoxen Untertanendes Osmanischen Reiches daran, für die Rückeroberung Konstantinopelsselbst etwas zu unternehmen: Aus diesem Grunde erhofften sie seit jeherfremde Hilfe. Diese wurde entweder als göttlicher Eingriff oder als militärischeIntervention eines fremden Staates vorgestellt. Die diesbezüglichenHoffnungen wurden durch die messianischen Erwartungen der Zeit nochverstärkt: Die ersehnten Erlöser manifestierten sich immer mehr in derGestalt der blonden Rasse (nach einer antiken Prophetie), die bis zum FallKonstantinopels die Bedrohung durch die nördlichen Barbarenvölker bzw.1Vgl. An d r e i o m e n o s, G.: Πάλι με χρόνια, με καιρούς. Athen 2011.


Das dritte Rom als Retter von Konstantinopel: essianische Erwartungen und nüchterne…249παλικάρια, καὶ τοῦτο οἱ τοῦρκοι τὸ πιστεύουν ἀναμφιβόλως, λέγοντεςὅτι ἡ ἀπώλειάτους θέλει γένῃ ἀπὸ τὸν βοράν, διότι τὰ ξανθὰ παιδίαθέλουν συμφωνήση μαζή, καὶ θέλουν ἔλθη κατὰ τῶν τουρκῶν μὲ θυμόν,καὶ νὰ φθείρουν, καὶ νὰ διαμοιράσουν τὴν βασίλειάντους (104 v ).Diese Erwartungen verloren aber gleich nach der Herausgabe der deutschsprachigenOriginalversion ihre politische Aktualität. Im Jahre 1699 schlossendie europäischen Großmächte Frieden mit dem Osmanischen Reich undwaren an einer antiosmanischen Koalition mit Russland nicht mehr interessiert.Russland selbst erlitt von den Osmanen in der Schlacht am Pruthim Jahre 1711 eine verheerende Niederlage, und mit diesen Ereignissen imHintergrund war ein Feldzug gegen Konstantinopel, die Hauptstadt desOsmanischen Reiches, undenkbar.Obwohl ein Krieg auf dem Felde nicht mehr möglich war, wurde derPropagandakrieg weitergeführt. Wegen der ungünstigen politischen Lagewurde die griechische Übersetzung des Werkes zwar nicht mehr ediert, aberim Iviron-Kloster am Athos handschriftlich weitertradiert. Die griechischeprophetische Literatur hörte auch nicht auf, ganz im Gegenteil: Unter derHerrschaft der Zarin Katharina II. der Großen (1762–1796) erlebte sie eineneue Blütezeit. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Agathangelos, dasberühmteste prophetische Werk verfasst, das in kurzer Zeit seinen Weg indie griechische Folklore fand.Wie aus der oben zitierten, verurteilenden Meinung des MetropolitenMatthaios von Myrai ersichtlich, vertrat die orthodoxe Kirche am Anfangeinen eindeutig abweisenden Standpunkt den messianischen Prophetien gegenüber.Einerseits weil die Kirche eine offizielle Institution des OsmanischenReiches war und als solche auch an dessen Macht teilhatte, andererseitsaber auch, weil dieses Gedankengut mit der orthodoxen Theologie in vielerHinsicht nicht vereinbar war. 19Mit der Rezeption der Ideen der Aufklärung beginnt eine Umgestaltungder traditionellen Denkweise, wobei das Griechentum seine passive, auf dieErwartung fremder Hilfe ausgerichtete Rolle allmählich durch eine aktive,auf den Freiheitskampf abzielende Haltung ersetzte. Die aufkommendegriechische Nationalbewegung wies den Messianismus ebenfalls ab, allerdingsaus einem anderen Grund: Man wollte verhindern, dass anstelleder Osmanen die befreiende fremde Nation eine neue Fremdherrschaft19Hat z o p o u l o s, M.: Oracular Prophecy and the Politics of Toppling Ottoman Rule in South-EastEurope. The Historical Review 8 (2011) 103.


250 Dora E. Soltierrichtet. 20 Der anonyme Autor der im Jahre 1806 erschienenen ΕλληνικήΝομαρχία formuliert die Ängste der vorrevolutionären Zeit wie folgt:Τί στοχάζεσθε, τέλος πάντων, ἄν ἡ Ἑλλὰς ἐλευθερωθῇ ἀπὸ τὸνὀθωμανικὸν ζυγὸν διὰ χειρὸς ἄλλου δυνάστου; Νὰ γίνῃ ἀληθῶς εὐτυχής;Ὦ ἀλήθεια, ἀλήθεια! Διατί δὲν ἀπομακρένεις τοιαύτην ἀπάτην ἀπὸ τοὺςἝλληνας, διατί δὲν τοὺς μανθάνεις ὅτι ὅσοι πατῶσιν εἰς θρόνον εἶναιὅλοι τύραννοι; Διατί ἀδελφοί μου, νὰ θέλωμεν νὰ ἀλλάξωμεν κύριον,ὅταν μόνοι μας ἠμποροῦμεν νὰ ἐλευθερωθῶμεν; Νομίζετε νὰ εἶναιἐλαφρότερος ὁ ζυγὸς μιᾶς ξένης δυναστείας; Δὲν στοχάζεσθε ὅτι πάλινζυγός εἶναι; 21 […] Τὸ ὀθωμανικὸν κράτος, πάλιν σᾶς τὸ ξαναλέγω, πρέπεινὰ πέσῃ ἐξ ἀποφάσεως, ἢ οὕτως ἢ οὕτως. Ἀλλοίμονον λοιπὸν εἰς τὸγένος μας, ἂν κυριευθῇ ἀπὸ ἑτερογενὲς βασίλειον. Τότε οἱ Ἕλληνεςδὲν θέλουν μείνει πλέον Ἕλληνες ἀλλὰ κατ’ ὀλίγον ὀλίγον θέλουνδιαφθαρῇ τὰ ἤθη των καὶ θέλομεν μείνει πάλιν δοῦλοι. 22In kurzer Zeit änderte sich aber die diesbezügliche Meinung sowohl seitensder Nationalbewegung als auch seitens der orthodoxen Kirche. DieNationalbewegung erkannte in den messianischen Erwartungen bezüglichder Befreiung und der Rückeroberung der ehemaligen byzantinischenGebiete ein wirksames Mittel der vorrevolutionären Propaganda, 23 allerdingsunter der Bedingung, dass die Nation sich selbst befreit und keinefremden Retter erwartet. Aus diesem Grunde sollte ein messianische Zügeaufweisender nationaler Held in den Mittelpunkt gestellt werden. Dieserwar der Versteinerte Kaiser, der letzte byzantinische Kaiser, der der Legendenach nicht gestorben war, sondern mitten in einem Berg auf den Tag wartet,an dem er siegreich und ruhmvoll zurückkehrt und sein Volk von derFremdherrschaft befreit. Nikolaos Bees nimmt sogar an, dass der VersteinerteKaiser gar keine volkstümliche Figur, sondern eine Erfindung der vorrevolutionärenNationalisten sei. 24Die griechische Revolution von 1821 öffnete schließlich den Weg für dieEtablierung des modernen griechischen Nationalstaates, dessen Gebiet aberKonstantinopel nicht mehr inkorporieren konnte.20Hat z o p o u l o s (Anm. 19) 105f.21To m a da k i s, N. B. (ed.): Ελληνική Νομαρχία ήτοι Λόγος περί της Ελευθερίας. Athen s.a. 166.Die Orthographie wurde unverändert übernommen.22To m a da k i s (Anm. 21) 189-190.23Hat z o p o u l o s (Anm. 19) 109ff.24Bees (Anm. 10) 244δ’.


Das dritte Rom als Retter von Konstantinopel: essianische Erwartungen und nüchterne…251Die göttliche Strafe für die ehemals begangenen schwerwiegendenSünden nahm ein Ende, als der Glaube daran aufhörte. Das Griechentumerkämpfte nach dreihundertjähriger Passivität selbst seine Unabhängigkeitvon den Osmanen und erlebte als bereits freie Nation den Untergang desOsmanischen Reiches – Konstantinopel konnte allerdings nie wieder zurückerobertwerden.


InhaltsverzeichnisVorwort.........................................................................................................................9Peter Schreiner:Die Begegnung von Orient und Okzident in der Schrift......................................11Jana Grusková:Zur Textgeschichte der Chronik des Eusebios zwischen Okzident undOrient („Eusebii Chronici fragmentum Vindobonense” – ein neues griechischesHandschriftenfragment)...............................................................................................43Andreas Rhoby:Byzantine Greek Words in English Vocabulary?..................................................53Zsuzsanna Ötvös:A Group of Marginal Notes from Another Textual Tradition.............................71Erika Juhász:Chronicon Raderianum..............................................................................................121Christian Gastgeber:Der Umgang des Patriarchats von Konstantinopel mit der lateinischenKirche im 14. Jahrhundert......................................................................................131Emese Egedi-Kovács:Le souvenir de Béla-Alexis dans la littérature française du x i i e siècle.............161Vlastimil Drbal:Transformation des Kassiopeia-Mythos in der Spätantike..............................179Andrea Massimo Cuomo:Nicephorus Gregoras, Barlaam Calaber, Matthaeus Blastares e la riformadel calendario...........................................................................................................187Ádám Bollók:Apotropaion and Burial in Early Byzantium: Some PreliminaryConsiderations.........................................................................................................227Dora E. Solti:Das dritte Rom als Retter von Konstantinopel: Messianische Erwartungenund nüchterne Politik im Dienste der Rückeroberung Konstantinopels.......243


Éva Révész:Einige bulgarische Quellen zur ungarischen Geschichte währenddes ersten Millenniums..........................................................................................253Srđan Pirivatrić:Emperor’s Daughter in Love with a Prisoner: Comparing the Storiesof Scylitzes and Anonymus Presbyter Diocleae..................................................273Tamás Mészáros:Notes on Procopius’ Secret History.........................................................................285Iván Tóth:Some Thoughts on the Proem of Kritobulos’ Historiai.......................................305Zoltán Farkas:Sailing to (Yeats’) Byzantium.................................................................................315Péter Ekler:Papias’ Ars and George of Trebizond’s Compendium:Two Grammars Based on the Institutiones Grammaticae of Priscian.................327Konstantinos Nakos:Die Rolle von Byzanz bei der Entstehung der modernen griechischenIdentität....................................................................................................................339Katalin Delbó:Anmerkungen zu den Marginalien des Florilegium Vindobonense.....................347Tamara Schüszler:A Manuscript from the Library of Péter Váradi: Physical Features................353Orsolya Hegyi:Florilegium patrum latinorum de processione Spiritus Sancti..................................359Ágnes Mihálykó:Griechische und koptische Texte der spätantiken ägyptischen christlichenmagischen Tradition...............................................................................................363Zoltán Szegvári:Anna Comnena and the West................................................................................371

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