Ein Schneider in Wien Von Saskia Rudigier - Twoday

FlashEin Schneider in Wien Von Saskia Rudigier„Grün ist meine Lieblingsfarbe“, sagt BarrieAbdulai und das merkt man nicht nur an seinerSportjacke und der dazupassenden Hose. Auchdie Wände in seinem Kleiderservice und Textilhandelsgeschäftin der Burggasse sind grün.Ein bequemes Rattansofa mit grünem Südseemusterund eine hübsche dunkelgrüne Lampeüber einem zierlichen Holzschreibtisch, seinerLadentheke, verleihen dem kleinen Geschäfteine sehr persönliche Note.Während unseres Gespräches betreten einigeKundInnen den Laden. „Die Wenigsten sind afrikanischerHerkunft“, sagt Barrie, und nach denüberschwänglichen Begrüßungen zu beurteilen,scheinen viele seine Dienste öfters in Anspruch zunehmen. Eine schicke Businessfrau in weißenLederstiefeln holt ein abgeändertes Kleid ab, eintürkischer Mann sucht einen bestimmtenDruckknopf für seine Jacke, einer älteren Damepasst ihre Hose nicht mehr, einem Engländerhingegen sind seine Hosen zu weit und zu lang.Mit Abänderungen und Maßfertigungen aufKundInnenwunsch hält sich der 38-jährigeSchneider aus Sierra Leone über Wasser. SeinTraum wäre allerdings: mehr Zeit zum Kreativseinfür eigene Kleiderkreationen. Mode zumachen, die ihm spontan einfällt und gefällt.An stilistische Vorgaben will er sich nicht halten.Bevor Barrie den Wiener Laden zusammen miteinem, inzwischen verstorbenen, ägyptischenKompagnon vor drei Jahren eröffnet hat,arbeitete er acht Jahre als Schneider in SierraLeone. Seine Mutter hatte zwei Geschäfte undvon ihr wurde er stückweise in das Schneidergewerbeeingebunden, obwohl er eigentlich lieberstudiert hätte.26Aus dieser Zeit zeigt mir Barrie einige Bilder vonModeschauen in Afrika. Divenhaft und unkonventionellwirken die oft zweiteiligen bunten Kleideran den Models und Kundinnen.Typische afrikanischeMode, möchte man meinen. Barrie mixtedafür jedoch edle Bregenzer Stoffe mit naturgefärbtenGara-Batik-Stoffen aus Westafrika.Ich trinke Gute Laune-Tee und sehe mich inseiner Werkstätte um. Barrie schneidet indesseneinen Stehkragen aus schwarzem Samt, bügeltVlieseline drauf und näht ihn an die Weste.Morgen kommt die Kundin zur Anprobe. EinWunschmodell.Aber ich entdecke im Laden auch einige vonBarrie entworfene Stücke. Alltagstauglich undziemlich konträr zu den Modeschaufotos vonvorhin. Kultverdächtige leichte Stufenröcke aushellem Dirndlblusenstoff mit grünen Streifenapplikationenam Saum. Ein kurzes Batik-Ethnokleidmit Häkelborte am tiefen Ausschnitt.

FlashEine witzige Streetwear-Jacke aus geblümtemCordsamt. Selbstbedruckte bunte T-Shirtsmit originellen Tatoo-Motiven. Kein Wunder,dass Barrie’s Mode schon reißenden Absatzbeim FM4 Frequency Festival in Salzburg fand.„Ich versuche nicht teuer zu sein. Die meistenLeute, denen meine Sachen gefallen, sind jungund haben deshalb wenig Geld.“ Und auch im„Gloom“, in der Neubaugasse, gibt es Modellevon ihm zu erwerben.„Vielleicht finde ich ja Zeit,ein paar Sachen für Weihnachten zu machen“,überlegt Barrie, bevor er mich verschmitztansieht und fragt:„Hast du nicht Lust auf Kleideränderungservice?“Info: Textilhandel und Kleiderservice1070 Wien, Burggasse 42/4, T.: 0699/815 47 905Öffnungszeiten: Mo-Do 10.00-20.00, Fr 14.00-20.00 UhrPhotos: Bernhard Kummer27